17.12.2019 Aufrufe

Willkommen im Hotel! Echo einer Krise / dérive – Zeitschrift für Stadtforschung, Heft 78, (Heft 1/2020)

Im Hotel zu wohnen klingt nach Reise und Urlaub, nach Luxus und Muße. Es hat allerdings auch eine andere, weit weniger glamouröse und mondäne Seite und zwar dann, wenn das Zimmer eines Billighotels zur Wohnung wird, weil man sich die Miete am Wohnungsmarkt nicht mehr leisten kann. Carina Sacher versammelt im aktuellen dérive-Schwerpunkt Beiträge über unfreiwillige HotelbewohnerInnen im immer teurer werdenden Dublin, über die wirtschaftliche Situation der vom französischen Staat teuer bezahlten sozialen Hotellerie und über die Situation von Menschen, die in abgelegenen Motels in den USA leben. Ein weiterer Artikel dokumentiert die Situation in San Francisco und Oakland, wo die günstigen SROs immer öfter teuren Apartments weichen müssen. Im Interview mit AktivistInnen des besetzten 4-Stelle-Hotels in Rom geht es um Wohnraumversorgung und den politischen Kampf für das Recht auf Wohnen. Im Magazinteil geht es ein weiteres Mal um die Wieder Nordbahnhalle, um Straßennamen und Stadtmarketing in Hamburg. Das Kunstinsert Hotel Publik – ein Dach über dem Kopf stammt von Alfredo Barsuglia. Das Heft kann hier https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/products/willkommen-im-hotel-echo-einer-krise-heft-78-1-2020 bestellt werden.

Im Hotel zu wohnen klingt nach Reise und Urlaub, nach Luxus und Muße. Es hat allerdings auch eine andere, weit weniger glamouröse und mondäne Seite und zwar dann, wenn das Zimmer eines Billighotels zur Wohnung wird, weil man sich die Miete am Wohnungsmarkt nicht mehr leisten kann.

Carina Sacher versammelt im aktuellen dérive-Schwerpunkt Beiträge über unfreiwillige HotelbewohnerInnen im immer teurer werdenden Dublin, über die wirtschaftliche Situation der vom französischen Staat teuer bezahlten sozialen Hotellerie und über die Situation von Menschen, die in abgelegenen Motels in den USA leben. Ein weiterer Artikel dokumentiert die Situation in San Francisco und Oakland, wo die günstigen SROs immer öfter teuren Apartments weichen müssen. Im Interview mit AktivistInnen des besetzten 4-Stelle-Hotels in Rom geht es um Wohnraumversorgung und den politischen Kampf für das Recht auf Wohnen.

Im Magazinteil geht es ein weiteres Mal um die Wieder Nordbahnhalle, um Straßennamen und Stadtmarketing in Hamburg. Das Kunstinsert Hotel Publik – ein Dach über dem Kopf stammt von Alfredo Barsuglia. Das Heft kann hier https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/products/willkommen-im-hotel-echo-einer-krise-heft-78-1-2020 bestellt werden.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kunstinsert

Alfredo Barsuglia

Hotel Publik

Ein Dach über dem Kopf

Im Bank Austria Kunstforum läuft noch bis zum 12. Jänner im Tresor Alfredo Barsuglias Ausstellung

Take on me. Beim Eintritt in den Ausstellungsraum fühlt man sich in einen fast alltäglichen

Außenraum versetzt, eine städtische Hausfassade, 1:1 gebaut, ein sich dann und wann öffnendes

und schließendes Garagentor, ein altes Fahrrad, ein angeschnittenes Plakat. Alles wirkt real,

aber doch wie ein perfektes Filmset. Es ist Abend und man hört den Regen prasseln. Im Zentrum

sieht man durch ein kleines und ein großes Fenster mit einer Glastür einen Mann und eine

Frau an Elementen herumbasteln. Man kann nicht sofort erkennen, was da genau geschieht: Ist

es eine Performance oder wird da nur ein Regal aufgebaut? Plötzlich taucht ein Gemälde auf,

dann liegt die Protagonistin unter dem Regal, und dann startet der Loop wieder von Neuem. Die

Handlungen im Video ziehen die RezipientInnen an und bleiben doch letztlich geheimnisvoll.

Der Titel Take on me (Nimm es mit mir auf) erinnert an das gleichnamige Musikvideo

von A-ha aus dem Jahre 1985, wo Realität und Fiktion zwischen animierter Zeichnung und

Film, zwischen (scheinbarer) Realität und Fiktion changieren und schließlich ineinander übergehen.

Dieser Zugang ist konzeptueller Ausgangspunkt vieler Arbeiten von Alfredo Barsuglia. Der

Künstler nimmt sich der Realität an, überhöht sie in eine Art Hyperrealität, um sie schließlich

in eine unerwartete architektonische Kontextualisierung, wie etwa den Social Pool, 2014 in der

Mojave-Wüste, überzuführen. Dieser Pool wurde in Kooperation mit dem MAK Center in Los

Angeles als Mini-Entspannungsoase in Form einer sich durch seine Orthogonalität markant von

der Landschaft absetzenden benutzbaren Skulptur errichtet. Der Social Pool wurde bei diesem

Projekt erst durch die Aneignung seine BenutzerInnen sozial.

Besagte Kontextualisierung geschieht ganz anders, aber durchaus auch architektonisch

bei Hotel Publik, welches zwischen November 2013 und Februar 2014 im Stadtzentrum von

Innsbruck, das für seine rigide Politik gegenüber Obdachlosen bekannt ist, realisiert wurde. Ein

kleines Häuschen, 2 x 2,5 m mitten im öffentlichen Raum, kann während der kalten Jahreszeit

kostenlos als Hotelzimmer gebucht werden. Es wird jeden Tag gereinigt, mit frischer Bettwäsche

ausgestattet, hat eine Heizung und einige Bücher findet man auch noch im Regal. Am Anfang

des Projekts war die Benutzung noch durch ein sehr heterogenes Publikum bestimmt. Mit der

Zeit (und es wurde kälter) haben sich immer mehr jener Menschen, die kein Dach über dem

Kopf haben, um die Nächte im Hotel Publik bemüht. Das Zimmer war durchgehend ausgebucht

und es kam sogar vor, dass bis zu drei Personen sich das Hotel Publik teilten. Trotzdem gab es

nie Streit. Die Community kümmerte sich sogar um die Reinigung der Außenwand nach einer

Graffiti-Attacke. Schließlich konnte man in einem Gästebuch seine Erfahrungen mit dem Hotel

Publik niederschreiben. Auf der letzten Seite dieses Inserts können die LeserInnen eine dieser

Geschichten selbst lesen.

Der in Graz geborene Alfredo Barsuglia lebt heute in Wien. Barsuglia studierte Malerei

und Grafik an der Universität für angewandte Kunst und an der Akademie der bildenden Künste

in Wien. Derzeit gibt es neben der Ausstellung im Bank Austria Kunstforum mehrere Gelegenheiten,

Ausstellungen des Künstlers zu sehen: Bis zum 11. Jänner zeigt Bildraum Bodensee

die performative Intervention Drawing into the void und bis zum 26. Jänner ist im Kunstraum

Montafon die Ausstellung Daily Golem (gemeinsam mit Gelitin) zu sehen. Am 27. Februar wird

seine kommende Ausstellung Nichts in der Tiroler Künstler*schaft eröffnet. Alfredo Barsuglia hat

überdies gerade den diesjährigen Msgr. Otto Mauer Preis erhalten. dérive gratuliert ganz herzlich!

Barbara Holub / Paul Rajakovics

32

dérive N o 78 — WILLKOMMEN IM HOTEL! Echo einer Krise

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!