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Anna Lorenzen ist promovierte Neurobiologin und

Wissenschaftsjournalistin in Oldenburg.

Man sieht es in letzter Zeit häufig:

das symbolische Hanfblatt

mit den fünf oder sieben

gezackten Fingern. Früher

eher in etwas schmuddeligen

Headshops zu finden, sind Hanfprodukte mittlerweile

salonfähig, denn sie gelten in Form von

Samen und Ölen als bio, hip und gesund. Natürlich

fehlt ihnen jener Wirkstoff, der klassischerweise

in Marihuana oder Haschisch enthalten

ist und »high« macht: das Tetrahydrocannabinol,

kurz THC. Dennoch ist Hanf in seinen entschärften

Varianten nicht unumstritten. Dies

betrifft auch einen Inhaltsstoff der Pflanze, der

seit Kurzem als Wundermittel gehandelt wird:

Cannabidiol (CBD), sozusagen der kleine, brave

Bruder des THC.

CBD ist das zweithäufigste Cannabinoid in

der Hanfpflanze, berauscht nicht und macht

nicht süchtig. Einige Studien weisen sogar darauf

hin, dass es THC-Abhängigen dabei helfen

kann, clean zu werden. CBD werden allerhand

gesundheitsfördernde Eigenschaften zugesprochen.

So berichten Menschen in Internetforen,

wie ein paar Tropfen täglich sie von ihren chronischen

Schmerzen oder Panikattacken befreiten

und sie endlich wieder entspannt schlafen

konnten. Selbst bei Übergewicht und gegen

Krebs soll es helfen.

Mittlerweile ist ein weltweiter Hype entstanden,

mit zum Teil kuriosen Auswüchsen. So reichert

man in den USA Cocktails, Kaffee, Badesalz

und sogar Leckerlis für angespannte Hunde

mit CBD an. Aber auch in Europa bedienen Kioske,

Apotheken, Supermärkte und Drogerien

die riesige Nachfrage nach Cannabidiol in Form

von Öl, Pasten, Globuli und Kapseln bis hin zu

Gummibärchen sowie Kosmetik. Doch wie gut

sind die Effekte von Cannabidiol wissenschaftlich

tatsächlich erforscht – und wie sieht es mit

unerwünschten Nebenwirkungen aus?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat

2018 einen ersten kritischen Bericht zur Datenlage

über den pharmakologischen Nutzen und

die Risiken von CBD vorgelegt. Das Expertenkomitee

kommt darin zu dem Schluss, dass es

möglicherweise ein wirksames Mittel bei einer

Reihe medizinischer Indikationen darstellt. Ferner

sei es im Allgemeinen gut verträglich und

berge kein Abhängigkeits- oder Missbrauchspotenzial.

THC macht high, CBD nicht

Letztere Erkenntnis beruht vor allem auf Versuchen

mit Ratten, aber auch auf einigen klinischen

Studien. So verglich Shanna Babalonis

von der University of Kentucky 2017 die psychoaktive

Wirkung von CBD mit der von CBD in

Kombination mit THC sowie mit einem Placebo.

Dazu befragte sie 31 Marihuana-Konsumenten

nach deren subjektivem Rauschempfinden

bei variierenden Dosen und testete zudem physiologische

Effekte (wie die Herzrate) und Auswirkungen

auf Psychomotorik beziehungsweise

Aufmerksamkeit. In allen Bereichen schnitt

Cannabidiol genauso ab wie das Scheinmedikament.

Lediglich in Kombination mit THC bewirkte

es bei den Probanden das Gefühl, »high«

und auf Droge zu sein.

Das ist pharmakologisch gut erklärbar. THC

entfaltet seinen berauschenden Effekt vor allem

durch die Wechselwirkung mit den Cannabinoid-Rezeptoren

CB1 und CB2 des Endocannabinoid-Systems

im Gehirn. Im Gegensatz dazu

bindet CBD weniger stark an sie, blockiert vermutlich

eher ihren Signalweg. Allerdings interagiert

es auch mit vielen anderen Signalwegen

und Rezeptoren und kann daher auf mannigfaltige

Weise wirken.

Als tatsächlich gesichert gilt der therapeutische

Nutzen von CBD bislang nur bei Epilepsie.

Mehrere Studien der Neurologen Orrin Devinsky

und Elizabeth Thiele aus den Jahren 2016 bis

2018 mit Hunderten von Patienten belegten

seine Effektivität bei der Behandlung schwerer,

kindlicher Krampfanfälle. Deshalb wurde das

Cannabinoid 2018 als Antiepileptikum (Epidiolex)

für das Dravet- und das Lennox-Gastaut-

Syndrom in den USA zugelassen, 2019 folgte

schließlich die Zulassung in der EU. Forscher

vermuten, dass CBD über verschiedene Mechanismen

die Kalziumkonzentration innerhalb

der Nervenzellen verändert und somit epileptische

Spannungsimpulse unterdrückt. Ferner ist

es wegen seiner entkrampfenden Eigenschaften

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