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durch als weniger unangenehm, wie unlängst eine

Metastudie aus Kanada zeigen konnte. Zudem

schneiden sie oft auch besser ab, etwa in einem

Experiment des US-Psychologen Jeremy P. Jamieson.

Darin teilte er Fachhochschulstudierende

mit Mathedefiziten in zwei Gruppen auf. Die

einen erhielten Informationen über die segensreichen

Wirkungen der Stressantwort. Sie zeigten

sich daraufhin in einer Prüfungssituation weniger

ängstlich und erzielten bessere Ergebnisse.

»Diese Strategie funktioniert«, bestätigt Donya

Gilan vom Deutschen Resilienz Zentrum in

Mainz. »Man kann die Erregung in der Tat für

sich nutzen und dadurch bessere Leistungen erzielen.

Das gelingt aber nur, solange der Stress

nicht zu groß ist.« Bei sehr hoher Belastung sei

es dagegen wichtig, die Anspannung herunterzufahren

– einerseits durch regelmäßige kurze

Pausen und andererseits durch Atemübungen,

Achtsamkeitstrainings oder Muskelentspannung.

All diese Methoden stimulieren den Parasympathikus,

den Gegenspieler des Sympathikus.

»Man sollte ausprobieren, wofür man

individuell am empfänglichsten ist. Und zusätzlich

natürlich durch Sport oder andere körperliche

Betätigung Dampf ablassen.«

Die Perspektive wechseln

Es gebe viele Faktoren, die unseren Umgang mit

Stress beeinflussen, betont Gilan: unsere Erbanlagen;

die Tragkraft unseres sozialen Netzes; ob

wir arm sind oder reich; und natürlich einschneidende

negative Lebenserfahrungen, vor allem in

der Kindheit. »Es wäre ganz sicher zynisch zu

sagen, dass unser Verhalten in Drucksituationen

nur von unserer Einstellung abhängt.« Dennoch

spielt auch für sie die Bewertung des Stressors

eine ganz zentrale Rolle. Wo möglich, solle man

sich daher auf positive Aspekte konzentrieren:

Wo habe ich noch eine Handlungsmöglichkeit?

Kann ich einen Freund fragen, ob er mir hilft?

Was habe ich früher in ähnlichen Situationen

gemacht? »In Stresssituationen verzerrt sich die

Wahrnehmung in eine negative Richtung«, sagt

Gilan. »Das muss man korrigieren. Was aber

keineswegs bedeutet, die rosarote Brille aufzusetzen

und sich selbst zu betrügen.«

Ansatzpunkte für einen solchen Perspektivwechsel

gibt es mehrere – nicht nur die Besinnung

auf positive Vorerfahrungen. Die hilft uns

zwar, unsere Fähigkeiten und Ressourcen realistischer

einzuschätzen. Doch auch dann können

wir eine Situation als sehr bedrohlich empfinden,

wenn ein Scheitern böse Konsequenzen

wie den Verlust des Arbeitsplatzes hätte. Donya

Gilan sieht heute eine Tendenz zur Katastrophisierung:

»Viele Menschen können nicht mehr

unterscheiden, welche Reize tatsächlich gefährlich

sind und welche nicht.« Wie schlimm ist es

wirklich, dass das Bad nicht geputzt ist, obwohl

gleich die Gäste auf der Matte stehen? Werden

sie mich in Zukunft wie einen Aussätzigen behandeln,

nur weil im Waschbecken noch Zahnpastaspuren

kleben?

Um zu einer realistischeren Einschätzung zu

kommen, kann es zum Beispiel helfen, sich von

UNSPLASH / MARIO GOGH (UNSPLASH.COM/PHOTOS/VBLHICVH-LI)

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