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Authentisch ist, was die Reputation fördert

Das, was Menschen für ihr wahres Ich halten,

entspricht also möglicherweise eher dem, was

sie gerne nach außen darstellen würden. Dem

Sozialpsychologen Roy Baumeister zufolge fühlen

wir uns vor allem dann sehr authentisch und

zufrieden, wenn andere uns so sehen, wie wir

gerne von ihnen gesehen werden wollen, und

wenn unser Handeln »dazu beiträgt, den Ruf,

den wir gerne hätten, aufzubauen, zu erhalten

oder zu genießen«. Schaffen wir es hingegen

nicht, unserer Reputation gerecht zu werden,

tun wir unsere Handlungen gern als unauthentisch

ab (»Das bin ich nicht!«), argumentiert

Baumeister. Auch Stars und Politiker, die beim

Konsum von illegalen Drogen, bei der Veruntreuung

von Geldern oder anderen rufschädigenden

Aktivitäten erwischt werden, rechtfertigten

sich oft nach diesem Prinzip.

UNSPLASH / APOSTOLOS VAMVOURAS (UNSPLASH.COM/PHOTOS/RNOSLAW80B8)

Doch selbst wenn es so etwas wie ein wahres

Selbst nicht zu geben scheint: Das Konzept

kann durchaus nützlich sein. Wie Studien zur

Authentizität zeigen, ist das Gefühl, mit sich

selbst in Einklang zu sein, ein starker Prädiktor

für verschiedene Aspekte unseres Wohlbefindens.

Die Vorstellung eines echten Ichs im Hinterkopf

zu behalten, kann eine Sinn stiftende

Funktion haben und uns dabei helfen auszuloten,

ob unsere Lebensführung tatsächlich unseren

Idealen entspricht.

Ich glaube, dass in jedem von uns ein paar

beste Versionen unseres Selbst existieren – Aspekte,

die gesund, kreativ und wachstumsorientiert

sind und die uns das Gefühl geben, mit uns

selbst und mit anderen Menschen besonders

verbunden zu sein. Mit diesen Versionen in

Kontakt zu treten und ihre Potenziale voll auszuschöpfen,

erscheint mir ein erstrebenswerteres

Ziel zu sein, als sein ganzes Leben auf der

Suche nach seinem einen wahren Selbst zu verbringen.

In meinen Augen gibt es so etwas wie

gesunde Authentizität. Und dabei geht es nicht

darum, immer zu sagen, was einem auf dem

Herzen liegt, sondern darum, seine gesamte

Persönlichkeit zu akzeptieren und Verantwortung

für sie zu übernehmen, um schließlich zu

wachsen und bedeutungsvolle Beziehungen zu

anderen Menschen aufzubauen.

Solange wir darauf hinarbeiten, die Person

zu werden, die wir wirklich sein wollen, gilt das

für mich als authentisch – ganz gleich, wer man

jetzt gerade in diesem Moment ist. Dafür müssen

wir zuerst die rosarote Brille absetzen und

uns selbst betrachten: in all unserer Komplexität

und mit all unseren Widersprüchen. Sich selbst

zu akzeptieren, heißt nicht, dass einem alles gefallen

muss, was man sieht. Es heißt, dass man

den ersten Schritt getan hat, um zu der vollständigen

Person zu werden, die man gerne sein

möchte. Oder wie schon Carl Rogers bemerkte:

»Das seltsame Paradoxon ist, dass ich, wenn ich

mich so akzeptiere, wie ich bin, die Möglichkeit

erlange, mich zu verändern.«

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