ALfA e.V. Magazin – LebensForum | 123 3/2017
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P O L I T I K<br />
Hornberger Schießen<br />
Lange ist es her. Um die Jahrtausendwende galten die aus menschlichen Embryonen gewonnenen<br />
embryonalen Stammzellen als der »heilige Gral« der regenerativen Medizin. Ein aus dem Boden gestampftes<br />
Stammzellgesetz sollte sicherstellen, dass deutsche Forscher von den vermeintlichen<br />
Segnungen profitieren können, ohne selbst Embryonen töten zu müssen. In diesem Jahr hat die<br />
Bundesregierung ihren siebten Erfahrungsbericht über die Durchführung dieses Gesetzes vorgelegt.<br />
Von Urs Rotthaus<br />
Die Bundesregierung hat ihren<br />
»Siebten Erfahrungsbericht über<br />
die Durchführung des Stammzellgesetzes«<br />
(Bundestagsdrucksache<br />
18/12761) vorgelegt. Der 40-seitige Bericht<br />
umfasst den Zeitraum vom 1. Januar<br />
2014 bis zum 31. Dezember 2015.<br />
Demnach hat die beim Robert-Koch-Institut<br />
angesiedelte Zentrale Ethik-Kommission<br />
für Stammzellforschung (ZES) in<br />
den Jahren 2014/2015 ganze 17 neue Anträge<br />
auf den Import humaner embryonaler<br />
Stammzellen (hES-Zellen) genehmigt.<br />
Damit steigt die Zahl der deutschen<br />
Forschern genehmigten Importe embryonaler<br />
Stammzelllinien seit dem Inkrafttreten<br />
des umstrittenen Gesetzes im Jahr<br />
2002 auf 105. In 19 weiteren Fällen hätten<br />
Forscher, so der Bericht weiter, eine<br />
Ausweitung bereits erteilter Genehmigungen<br />
beantragt.<br />
Laut dem 2002 verabschiedeten<br />
Stammzellgesetz ist die Forschung mit<br />
embryonalen Stammzellen in Deutschland<br />
grundsätzlich verboten. In als Ausnahmen<br />
deklarierten Fällen können Forscher in<br />
Deutschland jedoch den Import im Ausland<br />
gewonnener embryonaler Stammzellen<br />
beantragen. Über die Bewilligung<br />
der Anträge entscheidet jeweils die ZES.<br />
Seit 2002 gibt es allerdings keinen einzigen<br />
dokumentierten Fall, in dem Forschern<br />
der Import embryonaler Stammzellen<br />
verweigert wurde.<br />
hES-Zellen werden aus menschlichen<br />
Embryonen gewonnen, die ursprünglich<br />
für künstliche Befruchtungen erzeugt wurden,<br />
dann aber für eine solche aus unterschiedlichen<br />
Gründen nicht mehr benötigt<br />
wurden.<br />
Seit der Ermöglichung der Präimplantationsdiagnostik<br />
(PID) steigt die Zahl<br />
solcher »verwaisten« Embryonen auch<br />
in Deutschland an. Der Grund: Für die<br />
erfolgreiche Durchführung einer PID,<br />
bei der ein im Labor erzeugter Embryo<br />
18<br />
noch vor dem Transfer in die Gebärmutter<br />
auf genetische Auffälligkeiten untersucht<br />
wird, wird international die Erzeugung<br />
von sieben bis zwölf Embryonen für<br />
erforderlich erachtet.<br />
Ursprünglich wurde in Deutschland<br />
nach der sogenannten »Dreierregel« verfahren.<br />
Nach dieser durften bei künstlichen<br />
Befruchtungen maximal drei Embryonen<br />
erzeugt werden. Damit sollte<br />
verhindert werden, dass durch künstliche<br />
Befruchtungen eine Vielzahl »überzähliger<br />
Embryonen« entsteht.<br />
Die Forschung mit humanen embryonalen<br />
Stammzellen ist ethisch hoch umstritten.<br />
Der Grund hier: Bei der Entnahme<br />
der embryonalen Stammzellen<br />
»17 neue Anträge auf den Import<br />
embryonaler Stammzellen.«<br />
JANE GITSCHIER<br />
wird der Embryo zerstört. Weil das in<br />
Deutschland seit 1991 geltende Embryonenschutzgesetz<br />
(ESchG) jede Verwendung<br />
von Embryonen verbietet, die nicht<br />
ihrem Erhalt dienen, sollte das Stammzellgesetz<br />
Wissenschaftlern die Forschung<br />
mit embryonalen Stammzellen ermöglichen,<br />
ohne dass dafür in Deutschland<br />
Embryonen getötet werden.<br />
Wie in »<strong>LebensForum</strong>« berichtet, wollen<br />
Wissenschaftler um den Rechtsmediziner<br />
Jochen Taupitz das jedoch ändern.<br />
Sie fordern, dass verwaiste Embryonen,<br />
die ursprünglich zu reproduktiven Zwecken<br />
erzeugt wurden, künftig der Forschung<br />
zur Verfügung gestellt werden<br />
können. Dafür müsste das ESchG geändert<br />
werden. Das schreibt nämlich in Paragraf<br />
2, Absatz 1 unter der Überschrift<br />
»Missbräuchliche Verwendung menschlicher<br />
Embryonen« vor: »Wer einen extrakorporal<br />
erzeugten oder einer Frau vor<br />
Abschluss seiner Einnistung in der Gebärmutter<br />
entnommenen menschlichen<br />
Embryo veräußert oder zu einem nicht<br />
seiner Erhaltung dienenden Zweck abgibt,<br />
erwirbt oder verwendet, wird mit<br />
James A. Thomson<br />
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder<br />
mit Geldstrafe bestraft.«<br />
Laut dem Stammzellgesetz müssen die<br />
mit dem Import embryonaler Stammzellen<br />
verfolgten Forschungsziele »hochrangig«<br />
sein. Auch darf sich der angestrebte<br />
Erkenntnisgewinn nicht anders als durch<br />
die Forschung mit embryonalen Stammzellen<br />
erzielen lassen. Ferner müssen die<br />
zu klärenden Fragestellungen zuvor im<br />
Tierversuch vorgeklärt worden sein.<br />
Laut dem Bericht der Bundesregierung<br />
arbeiten in Deutschland derzeit 75<br />
Arbeitsgruppen in 53 Forschungseinrich-<br />
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