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Atellierbesuch bei Gerhard Häupler - Ein feature

Das floridsdorfer Gruselkabinett eines Post-Expressionisten oder die Kontinuität des Unfröhlichen

Das floridsdorfer Gruselkabinett eines Post-Expressionisten
oder die Kontinuität des Unfröhlichen

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oder wo er malen gelernt hatte, denn ich habe bis jetzt nur ein einziges Digitalfoto<br />

eines großformatigen Öl-Portraits von Michel Houellebecq gesehen, und das war<br />

wirklich gut, trefflich, lebensnah. Ich gebe es zu, das war auch der eigentliche<br />

Grund, der mich hierherführte, denn ich schätze Houellebecq als Autor und er<br />

offenbar auch. Die nächste Frage meinerseits: was er von ihm gelesen hätte,<br />

erstaunte mich, denn ich hätte primär auf „Die Unterwerfung“ getippt, weil es das<br />

Buch war, das Houellebecq so bekannt machte, aber es war „Karte und Gebiet“, das<br />

wesentlich Subtilere von <strong>bei</strong>den, das ihn inspirierte, dieses Portrait von ihm zu<br />

malen. Noch mehr überrascht mich, daß im Atelier Peter Slotertdijk an prominenter<br />

Stelle auf einer Staffelei steht, der anscheinend gerade fertig geworden ist, ebenso<br />

phantastisch lebensnah.<br />

Ich frage, ob er Autodidakt sei, was ich mir nach der relativen Professionalität<br />

seines Malstils nicht wirklich vorstellen konnte, und er nennt mir seinen Lehrer,<br />

einen mir völlig unbekannten Mann, Fritz Martintz, Professor an der „Kunstschule<br />

Wien“ in der Lazarettgasse, offenbar auch Förderer und Entdecker seines Talents.<br />

Und Talent, das hat er wirklich, ohne Zweifel, vor allem in der Portrait- und<br />

Aktmalerei. Auf dem Küchentisch des ziemlich chaotisch wirkenden<br />

„Kommunikatinszentrums“ der kleinen Wohnung liegen relativ aktuelle Ausgaben<br />

der Zeitschrift Profil und des Spiegels und dort erschienene Portraits scheinen wie<br />

aus den Klatschspalten dieser Boulevardmagazine heimlich herausgekrochen zu<br />

sein, sich verselbständigt, in einer Art besonderer Transformation durch <strong>Gerhard</strong><br />

Häupler eine zweite Existenz gewonnen zu haben, welche von einer bis zur<br />

Unerträglichkeit gesteigerten Präsenz beseelt sind. Seine Protagonisten sind mehr<br />

oder weniger bekannte Persönlichkeiten aus Literatur, Kunst und Politik, es sind<br />

Verbrecher, gescheiterte Existenzen und es fällt eines auf: daß es mehr die Botschaft<br />

oder nennen wir es ruhig <strong>bei</strong>m Namen: ihre Philosophie ist, die sie verkörpern,<br />

welche Häupler in erster Linie beschäftigt. Da<strong>bei</strong> trifft er den Gesichtsausdruck,<br />

ohne daß sie ihm je Modell gestanden wären, meist vortrefflich, was wiederum die<br />

These ins Wanken bringt und etwas relativiert, daß es immer nur die direkte<br />

äußere Anschauung sei, welche den Künstler befähige, in die Seele der betroffenen<br />

Abgebildeten zu blicken, sondern daß ihr Ausdruck vielmehr von der Auffassung<br />

herrührt, die der Künstler ihnen durch sein Verständnis ihres damit in den Fokus<br />

gerückten Seelenzustandes hat oder uns vermittelt, und der diese Portraits so<br />

faszinierend macht.<br />

Häupler reicht mir, noch am Küchentisch stehend, ein Exemplar eines dünnen 26<br />

Seiten umfassenden Ausstellungskataloges herüber, welche offenbar die einzig<br />

größere Ausstellung seines Lebens (neben zahlreichen kleineren) war - vielleicht<br />

seine wirklich einzige maßgebliche, und sie trägt den überraschenden Titel „Indoor<br />

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