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Jakob Demus-Im Grenzenlosen kommt das Auge zur Ruhe

Ein Feature über den Grafiker, Bildhauer und Maler Jakob Demus, Wien

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JAKOB DEMUS<br />

<strong>Im</strong> <strong>Grenzenlosen</strong> <strong>kommt</strong><br />

<strong>das</strong> <strong>Auge</strong> <strong>zur</strong> <strong>Ruhe</strong> -<br />

Über die Profession des<br />

Schlüsselschmiedens.<br />

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JAKOB DEMUS<br />

<strong>Im</strong> <strong>Grenzenlosen</strong> <strong>kommt</strong> <strong>das</strong> <strong>Auge</strong> <strong>zur</strong> <strong>Ruhe</strong> -<br />

Über die Profession des Schlüsselschmiedens.<br />

ein Beitrag von Dr. Stefan Hammerl, Wien<br />

WER WAHRHAFT VOR DIE NATUR TRITT,<br />

BEGEHRT ZURÜCKGENOMMEN ZU WERDEN<br />

ZUR NICHTMEHRUNTERSCHEIDUNG.<br />

<strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong><br />

Wir haben heute verlernt, über Kunst zu urteilen, weil wir gewohnt sind,<br />

zu verurteilen, eine Meinung zu haben darüber, was Kunst sei. Urteilend verorten<br />

wir auch allzu leicht, weil wir meinen, uns dann besser auszukennen, uns<br />

<strong>zur</strong>echtzufinden in einer Kunstlandschaft, die heute unüberschaubar geworden ist.<br />

Der Begriff von Kunst ist durch einen inflationären Gebrauch diffamiert,<br />

beschädigt. Kunst unterscheidet sich vom Handwerk vor allem dadurch, daß sie<br />

ihren Gebrauchswert transzendiert. Aber Kunst setzt sehr wohl ein Können<br />

voraus, <strong>das</strong> beherrscht werden muss, bevor man ans Werk geht, vor die Natur und<br />

mit ihr in Dialog tritt. Lassen wir uns einen Fingerzeig geben von dem Künstler<br />

<strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong>, dem Kunst vor allem eines bedeutet: die Natur zu verstehen.<br />

„Naturstudium, <strong>das</strong> ist mehr als die Übung zum Zweck und beginnt erst weit<br />

dahinter“, schreibt er in einem sehr persönlichen Bekenntnis. „Es ist <strong>das</strong> heiße<br />

Verlangen, mit dem Engel zu ringen. Es ist die Leidenschaft des Verstummens, es<br />

ist die Lehre, die kein Begreifen endet.“<br />

Der 1959 in Wien geborene Künstler ist der Sohn einer sehr kunstsinnig<br />

engagierten, hochintellektuellen Familie. Schon sein Großvater Otto, ein<br />

bekannter Byzantinist und Kunsthistoriker, war Leiter des Bundesdenkmalamtes<br />

und später Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Wien. Sein Vater<br />

Klaus tritt in seine Fußstapfen und wird Kustos im Kunsthistorischen Museum<br />

Wien. Er ist vor allem auch ein bedeutender Lyriker, der im Löcker-Verlag<br />

zahlreiche Lyrikbände verlegt, und Paul Celan auf’s engste sehr zugetan, der ihn<br />

seinerseits als seinen einzigen Freund bezeichnet. Der Briefwechsel zwischen den<br />

beiden Seelenverwandten wird 2010 veröffentlicht. Sein Bruder Jörg wird ein<br />

bekannter Konzertpianist. Die Mutter Nani ist engagierte Botanikerin.<br />

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Die Kindheit war durch ein wahrhaft phantastisches Ambiente geprägt:<br />

einerseits durch die barocke Üppigkeit des Sommerpalais von Prinz Eugen, in<br />

dessen unterem Trakt neben der Orangerie Eugens Offiziere im <strong>Ruhe</strong>stand<br />

wohnten und wo man später in unserer Zeit Bundesangestellte, wie sein Vater<br />

Klaus einer war, unterbrachte, andererseits konnte man die Fülle der Natur im<br />

Garten der Orangerie — sein erster erfahrungsprägender Kinderspielplatz — in<br />

vollen Zügen genießen.<br />

Das Bildliche verschmolz schon damals bei <strong>Demus</strong> mit dem Natürlichen,<br />

oder vielmehr: die Natur war ihm wie ein Fenster, <strong>das</strong> er nur aufmachen und<br />

hinaustreten musste, um hinauszutreten und sich wie Alice in einem<br />

„Wunderland“ wiederzufinden, <strong>das</strong> ihm ebenso real erschien wie die Gemälde an<br />

den Wänden in der Wohnung seiner Eltern. Diese weigerten sich bis ins hohe<br />

Alter strikt, <strong>das</strong> autochthone Ambiente der original barocken Dienstwohnung mit<br />

Wasser und Klo am Gang gegen den Komfort der Neuzeit zu vertauschen. In der<br />

elterlichen Wohnung gab es weder einen Fernseher noch einen Kühlschrank —<br />

dafür eine immense Privat-Bibliothek mit den Klassikern und schöngeistiger<br />

Literatur. In der Literatur wie in der Kunst zuhause zu sein, war darum für <strong>Jakob</strong><br />

<strong>Demus</strong> nicht schwierig. Er war es von frühester Jugend an so gewohnt.<br />

„An den Wänden hingen: die „Grosse Landschaft mit Holzgeländer von<br />

Hercules Segers, zwei bukolische Radierungen von Claude Lorrain, <strong>das</strong> Ecce<br />

Homo und Tobias mit dem Engel von Rembrandt, und Dürers Melancholie. Diese<br />

Bilder studierte ich während der unzähligen langen Abendessen meiner Kindheit,<br />

während der Gespräche der Erwachsenen. Und <strong>das</strong>s ich Maler werden wollte, und<br />

nichts anderes, stand immer außer Zweifel und bedurfte keiner Entscheidung. So<br />

ging ich ungehindert in den Bildern mit den <strong>Auge</strong>n spazieren, sie wurden mir <strong>zur</strong><br />

natürlichen Heimat“, schreibt er in seinen Erinnerungen an diese Zeit der noch<br />

unbeschwerten Jugend.<br />

Doch <strong>das</strong> Geschick wollte es zunächst anders. Seine künstlerische<br />

Laufbahn begann 1975 nach der Matura fast autodidaktisch als es ihn, wie alle<br />

Künstler in ihre Hauptstadt, nach Paris zog, und wo er zum ersten Mal auf sich<br />

alleine gestellt die große Freiheit verspürte, die der eigentliche Motor der Kunst<br />

ist. „..Ich fühlte mich im Nabel der Kunst, die mir zwischen Delacroix und<br />

Degas, zwischen Rodin und Bonnard, zwischen Monet und Cezanne ausgespannt<br />

schien -, und wurde von Gisèle Celan, der Witwe des Dichters, und dem<br />

Graphiker Jörg Ortner in die Praxis der Radierung eingeweiht. Ich erhielt die<br />

erste Unterweisung und die ersten Werkzeuge, Griffel und Schaber und<br />

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Polierstahl, und die Adresse eines Händlers für Druckplatten und graphische<br />

Utensilien, bei dem ich mein gesamtes Reisegeld ließ. Und ich radierte Tag und<br />

Nacht.“<br />

Aus diesem Sommer wieder nach Wien <strong>zur</strong>ückgekehrt, studiert er alle<br />

erreichbaren Lehrbücher über die Radiertechnik, lernt auf der Presse einer<br />

Freundin im Selbstversuch zu drucken, probierte alle Variationen des<br />

Handdrucks, und dessen Mysterien. Gleichzeitig studiert er eifrig<br />

Kunstgeschichte, die Druckgraphik und deren Meisterwerke.<br />

Als sich <strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong> zwei Jahre später um Aufnahme in die<br />

Grafikklasse der Akademie am Schillerplatz bewarb, war dort kein Platz mehr für<br />

ihn frei. Da er aber unbedingt an der Akademie bleiben wollte war die einzige<br />

verbleibende Alternative die Bildhauerei unter der Leitung von Johannis<br />

Avramidis zu begeben. Es ist fast erstaunlich, wie leicht ihm der Entschluss fiel,<br />

sich einem völlig anderen Metier zuzuwenden. Aber es zeigt auch, <strong>das</strong>s <strong>Demus</strong><br />

<strong>das</strong> Talent des klassischen Universalkünstlers hat. Er ist in jedem Fach, in jeder<br />

Disziplin der Kunst zuhause und bereit, sich darin zu vertiefen. „So legte ich die<br />

Radierung beiseite und studierte, ebenso leidenschaftlich, Bildhauerei. Das hieß,<br />

im Raum und in Massen denken, <strong>das</strong> hieß, zeichnend Dimensionen umschreiben,<br />

<strong>das</strong> hiess, dreidimensionales Erschaffen, <strong>das</strong> hieß, Berührung mit der Materie, mit<br />

Ton, Wachs, Stein, <strong>das</strong> hieß, Berührung mit dem lebendigen Körper, mit dem<br />

Kreatürlichen, mit dem Wandel und Wechsel, mit der Seele.“<br />

Erst nach seinem Diplomabschluss in Bildhauerei 1984 greift er zum<br />

ersten Mal wieder zu einer Kupferplatte und scheint erneut wie elektrisiert —<br />

„...nach wenigen Zeichenstrichen im Asphalt strahlte mir <strong>das</strong> blankgelegte Kupfer<br />

entgegen, wie gleissendes Gold. In diesem <strong>Auge</strong>nblick wusste ich, <strong>das</strong>s ich der<br />

Radierung verfallen sei, mich durchlief ein unbeschreiblicher Schauer, so als<br />

wäre ich an ein Stromnetz angeschlossen worden,“ liest man in einer sehr<br />

persönlichen Notiz.<br />

<strong>Demus</strong> ist von Rembrandt begeistert. Seiner Radiertechnik strebt er nach.<br />

Er radiert in Kaltnadeltechnik, so wie <strong>das</strong> große Vorbild, doch dann kam <strong>das</strong><br />

nächste Schlüsselerlebnis. Er suchte <strong>das</strong> Werkzeug zu verfeinern, indem er die<br />

grobe Linienführung des Grabstichels in Frage stellte, der sich wie eine<br />

Pflugschar mit einigem Druck und Kraftaufwand in die Oberfläche eingräbt und<br />

einen erhöhten Grat auf der Kupferplatte hinterlässt, der dann vor dem Druck<br />

möglichst wieder abgetragen werden muss. Er wollte die Technik revolutionär<br />

verfeinern. Er experimentiert zunächst mit Glasschneide-Diamanten industrieller<br />

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Fertigung, aber die haben einen 90grädigen Anschliffwinkel und sind für die<br />

Praxis des genauen Arbeitens eines Kupferstechers unbrauchbar. Schließlich<br />

findet er einen Schleifer im salzburgischen Aigen, der nach seinen Anweisungen<br />

Industriediamanten in 60grädigem Winkel konisch zugeschliffen, an einem<br />

Stahlrohr in eine Matrix einbettet wie die Spitze einer Graphikmine an einem<br />

Bleistift. Es scheint fast unglaublich, aber <strong>Demus</strong> vermag damit, fünfundzwanzig<br />

bis dreißig feinste Linien auf einem Millimeter seiner Kupferplatten mit sehr<br />

ausgeprägter „Handschrift“ aufzubringen. <strong>Im</strong> Unterschied <strong>zur</strong> Ätztechnik kann er<br />

damit in einem einzigen Arbeitsschritt nur durch unterschiedlichen Druck<br />

Grauabstufungen herbeizuzaubern, die in feinsten Schattierungen von Schwarz<br />

bis zu samtig weichem Grau reichen. Und diese wechselnden Übergänge vom<br />

grafisch Linearen zum Malerisch-Optischen bis an die Grenze des nicht mehr<br />

unterscheidbar abgrenzenden aber doch noch real vorhandenen Strichs des<br />

Diamanten machen <strong>das</strong> Besondere seiner Druckgrafik aus. Es ist dies eine<br />

Technik, die es zu Zeiten Rembrandts noch nicht gab und die von <strong>Demus</strong><br />

erfunden, eigenständig weiterentwickelt und <strong>zur</strong> Perfektion gebracht worden ist.<br />

2005 gab Ed de Heer in Amsterdam bei Hercules Segers Stichting<br />

<strong>Demus</strong>’ Werkverzeichnis heraus: <strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong>: The Complete Graphic Work<br />

(ISBN 978-3-00-035619-3) gilt heute als Referenz und Standardwerk für diese<br />

Drucktechnik und wurde zum „Schönsten Buch der Welt“ gekürt. Es ist heute<br />

noch vom Künstler selbst zu beziehen.<br />

Die zweite Technik, mit der er brilliert, ist die Bister- oder<br />

Rohrfedertechnik, in der Schilfrohr als älteste Schreibgerät der Welt, erstmals als<br />

Zeichenwerkzeug eingesetzt wurde. Das Faszinierende daran war, für Rembrandt<br />

eben so wie für <strong>Demus</strong>, die Einfachheit der Beschaffung, die im krassen<br />

Gegensatz zum Diamanten steht. Schilf gab es für Rembrandt auf jedem Kanal in<br />

Holland. Man brauchte <strong>das</strong> Rohr nur zuzuspitzen und in der Mitte zu teilen. „Ich<br />

suchte nach dem minimalsten Werkzeug mit der maximalsten<br />

Anwendungsmöglichkeit!“ — so <strong>Demus</strong>, und er schneidet seither selbst sein<br />

Schilf, in der Lobau, wenn <strong>das</strong> Brackwasser der Donau zugefroren ist.<br />

Rembrandt entwickelte diese Technik zu einer Virtuosität, die von vielen<br />

seiner Schüler nachgeahmt, aber nie erreicht wurde. Aber welche Bewandtnis hat<br />

es eigentlich mit dem dabei verwendeten Farbstoff, dem Bister? Das Wort ist<br />

verwandt mit franz. bistre und bezeichnet eine bestimmte Farbe, nussbraun oder<br />

schokoladebraun; die Etymologie ist ungeklärt. <strong>Im</strong> Prinzip handelt es sich um in<br />

Wasser aufgeschwemmten Ruß, sogenannten Glanzruß, der aus alten Kaminen<br />

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stammt, großen natürlich, wie sie in Schlössern üblich waren, in die man<br />

hineinkriechen konnte, um die dunkle Kruste abzukratzen und sie so von<br />

gefährlichen Verharzungen zu befreien, die einen Kaminbrand auslösen konnten.<br />

Glanzruß zeichnet sich im Gegensatz zu Kohle- oder Brikettruß durch gute<br />

Lasurfähigkeit aus.<br />

Die Technik geriet bis in die Mitte des 19. Jh. in Vergessenheit und wurde<br />

erst von einigen Rembrandt imitierenden Künstlern wie Millet oder van Gogh<br />

wieder aufgegriffen. <strong>Im</strong> 20. Jahrhundert wurde sie von den deutschen<br />

Expressionisten wieder angewandt, in Österreich von Böckl und Max Weiler.<br />

<strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong> veranstaltet regelmäßig Bistertechnik-Malkurse in Millstatt in<br />

Kärnten, dem Heimatort seiner Mutter, bei denen jeder und jede Talentierte<br />

willkommen ist.<br />

Millstatt liegt am gleichnamigen See und ist eine der am ursprünglichsten<br />

erhaltenen Gegenden Österreichs. Die Stille der Natur und die Bewegung des<br />

Wassers, seine Reflexe, Farbunterschiede, fließenden Übergänge, die<br />

Sonnenuntergänge, Regentage und wieder heller Sonnenschein, Bachläufe,<br />

Felsschluchten, all <strong>das</strong> ist jene Natur, in die <strong>Demus</strong> regelmäßig eintaucht, um sich<br />

zu regenerieren. Aus der Begegnung mit ihr schöpft er seine Kraft. Wenn<br />

Künstler und solche, die es werden wollen, sich dort zum Naturstudium<br />

zusammenfinden, geht es vor allem um die darum Erfahrung der Freiheit in und<br />

mit der Natur. Es ist eine Art Epiphanie, ein Eintreten ins Offene. „Die Natur<br />

macht frei“, sagt <strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong>. Wir sind in ihr nur die Akteuere. Aber „sie stellt<br />

uns an den rechten Ort; sie nimmt uns — bis wir bar und nackt stehen im<br />

Bekenntnis gänzlicher Unwissenheit — Hülle um Hülle den Zweck ab und die<br />

Absicht. Dem Schauenden bewegt sie ihre Wolken. Aus dem Nebel wallenden<br />

<strong>Auge</strong>nscheins rückt sie die Erscheinung nicht teilbarer Wirklichkeit. Man nähert<br />

sich ihr nur unverhüllt, wie dem Licht. Sie verlangt, <strong>das</strong>s man sich in den Strom<br />

stürzt, blindlings, ohne Gedanken auf Rettung. Sie wird sich nicht erklären. Sie<br />

gewährt soviel Anblick, wie man zu tragen vermag.“<br />

Himmelstudien sind und waren immer schon ein großes Thema von<br />

<strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong>. Die Liste der Vorbilder ist lang. Und vielleicht sind Wolken auch<br />

wirklich der einzige Stoff, aus dem die Träume sind... Zuerst waren seine Bilder<br />

mit Ausblicken in den Himmel quadratisch, dann wurden sie rund - Tondi, wie sie<br />

<strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong> nennt. Und er malt diese in letzter Zeit vorwiegend bunt und in Öl.<br />

Ein Vorbild Max Weilers Schwebende Erde, <strong>das</strong> <strong>Demus</strong> mit Stolz erwarb und wie<br />

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einen Augapfel hütet war an der Rundung des Rechtecks und Quadrats zum<br />

Tondo ebenso beteiligt wie eine Kindheitserinnerung: <strong>das</strong> Spiel mit Murmeln, <strong>das</strong><br />

seine Mutter oft mit ihm im Belvederegarten spielte. „Ich denke, diese<br />

Glasmurmeln waren der Ursprung all meines sich fortentwickelnden<br />

Glücksbegriffs absoluter Vollkommenheit, viel später kam dann für mich in der<br />

Volksschule <strong>das</strong> Wunderding „Zirkel“ als geometrisches Werkzeug, ja, als Fetisch<br />

gehütet. Ich bin bis heute ein „Zirkelomane“, sammle Zirkel und erfinde neue<br />

immerzu, also die Wunder des Zirkels, des Kreises, aller sich daraus ergebenden<br />

geometrischen Gesetze schloss mir die Welt auf - eine Welt des Absoluten.“<br />

Das Betrachten der Welt durch etwas Rundes — ein Fernrohr —<br />

natürlich ein ausziehbares, wie es die alten Kapitäne hatten, war in späteren<br />

Jahren Stolz und nicht wegzudenkender Bestandteil der „Ausrüstung“, mit der<br />

<strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong> nicht nur die Welt des Tages, sondern auch den Sternenhimmel<br />

erforschte. Alles Runde zog ihn magisch an, sei es eine Blechtrommel, die man<br />

dem Jungen schenkte, später ein Tamburin mit Schellen und schließlich eine bei<br />

der Firma Hammerl am Josefsplatz im Durchgang bei der Augustinerkirche<br />

erstandene magische Kugel aus Bergkristall und weitere Kugeln aus den<br />

verschiedensten Mineralien, die es in Wien nur dort zu kaufen gab.<br />

Der Kreis ist für <strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong>’ Spätwerk der Begriff des Totalen wie der<br />

Unendlichkeit. Mathematisch gesehen: <strong>das</strong> Makellose der Konstruktion, <strong>das</strong><br />

Infinitesimale in der Linearität. Die Rückkehr zum Ursprung. Das Ankommen bei<br />

sich selbst. Auch der Blick ins Weltall durch <strong>das</strong> Rund des Fernrohres ist immer<br />

offen. Er repräsentiert die unendliche Weite des Universums, wo die Mitte des<br />

Ganzen zum Ganzen selbst wird. „Das Ganze ist ohne Grenze“, schreibt er. Aber<br />

erst „im <strong>Grenzenlosen</strong> <strong>kommt</strong> <strong>das</strong> <strong>Auge</strong> <strong>zur</strong> <strong>Ruhe</strong>“ - vielleicht erst jenseits von<br />

Nacht und Licht.<br />

Das Runde ist aber in der Geschichte des Begriffs zugleich auch eine<br />

Metapher des Brunnens, in den man hineinfallen kann, wie es Thales von Milet,<br />

(625-545 v. Chr.) widerfuhr, als er die Sterne beobachtend vor sich hin ging, sagt<br />

man. Und dennoch gilt er vermutlich als der Begründer der Philosophie . Denn er<br />

versuchte als erster einen Ursprung (griech. arché) ein Grundprinzip der Natur zu<br />

finden, und er fand es im Wasser. Für ihn schwamm die Erde auf dem Wasser, wie<br />

eine Holzscheibe und gerät immer wieder wie ein Boot ins Schwanken. Es<br />

<strong>kommt</strong> daher nicht von ungefähr, daß <strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong> sein Atelier „Bateau Libre“<br />

nennt. Diesem „freie Schiff“, <strong>das</strong> er 1992 zum ersten Male enterte, sollten noch<br />

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sieben weitere folgen, eine ganze Flotte sozusagen. Die Ähnlichkeit zu<br />

Rimbaud’s Bateau Ivre - dem Trunkenen Schiff, ist sicher nicht zufällig. <strong>Demus</strong><br />

schätzt Rimbaud sehr, seit er ihm von seinem „Ziehonkel“ Paul Clean<br />

nahegebracht wurde. Und wenn man <strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong> in Aktion sieht an seiner<br />

Druckerpresse, die ihm vom Rembrandthaus in Amsterdam als Förderungsbeitrag<br />

für seine Kunst auf Lebenszeit <strong>zur</strong> Verfügung gestellt wurde und auf der er heute<br />

noch druckt, wird die Analogie zum Kapitän an seinem Steuerrad offenbar.<br />

„Kunst ist immer <strong>das</strong> Wagnis über den Horizont zu reisen“, sagt <strong>Demus</strong>.<br />

„Man trägt alles im Herzen, was an Land <strong>zur</strong>ückblieb. Und so vergleiche ich<br />

mich gerne mit dem Seefahrer, der ich in höherem Sinne auch bin. - Dazu bedarf<br />

es der Freiheit des Schiffes, <strong>das</strong> zu lenken <strong>das</strong> Leben bedeutet, nicht nur meines,<br />

sondern <strong>das</strong> der gesamten Fracht der bisherigen angesammelten Früchte Aller,<br />

mit inbegriffen auch den eigenen Schatz der selbsterschaffenen Güter.“<br />

Der Steuermann muss seine ganze Kraft einsetzen, geht es doch darum,<br />

nicht bloß mit dem Wind, sondern oft genug auch gegen ihn zu segeln und<br />

trotzdem voranzukommen. Er kennt die Natur und er kennt auch ihre Kräfte<br />

ebenso gut wie die seinen. Es gilt, die Natur und sich selbst aufeinander<br />

abzustimmen und in Einklang zu bringen! „Die ‚Freiheit des Schiffes‘ ist, dem<br />

Steuermann den Kurs anzuvertrauen, <strong>das</strong>s er selbst frei den rechten finden<br />

möge.“—<br />

Somit ist der Künstler aber auch Hephaistos, ein Schmied unter den Göttern<br />

und der Schmied des Göttlichen. Nur er kann uns nur ‚aufsperren‘ und uns <strong>das</strong><br />

Tor <strong>zur</strong> Welt zeigen. „Das Schlüsselschmieden ist die Profession des Künstlers,<br />

die Schatzkammern öffnen sich im Betrachter selbst.“<br />

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<strong>Demus</strong>, <strong>Jakob</strong>, Mag.art.,<br />

akad. Bildhauer, Maler, Grafiker (*Wien 9.6.1959)<br />

Beingasse 27/1, A-1150 Wien Tel.:+43 6766005064<br />

jakobdemus@mac.com<br />

STUDIUM: Akademie d. bildenden Künste Wien, Meisterschule für Bildhauerei,<br />

bei Joannis Avramidis. Malerei bei Georg Eisler, Josef Mikl. Graphik bei Jörg Ortner<br />

und Gisele Celan-Léstrange<br />

PREISE: Akademiefreundepreis 1983; Meisterschulpreis 1984; Goldene Letter 2006<br />

GEGENSTAND/TECHNIK: Natur, Wolkenmalerei, Stilleben, Figur, Masken, Idole<br />

(Diamantkaltnadel, Silberstift, Ölmalerei, Stein, Holz, Wachs)<br />

VERTRAGSGALERIEN: Wienerroither & Kohlbacher; Wien, C.M.Nebehay; Wien,<br />

NewYork/Düsseldorf, C.G.Boerner; Florenz, Il Bisonte; Paris, La Hune-Brenner;<br />

Northampton,William.P.Carl<br />

JAKOB DEMUS – WERKE IN MUSEEN UND SAMMLUNGEN<br />

Albertina Wien<br />

Berliner Kupferstichkabinett<br />

British Museum<br />

Dresdener Kupferstichkabinett<br />

Fondation Custodia Paris<br />

Historisches Museum der Stadt Wien (Wien Museum)<br />

Kupferstichkabinett der Wiener Akademie der bildenden Künste<br />

Leipziger Kupferstichkabinett<br />

Leopold Museum Wien<br />

Memorial Art Gallery Rochester<br />

Metropolitan Museum New York<br />

Minneapolis Institute of Art<br />

Museum of Modern Art New York<br />

Museum Het Rembrandthuis Amsterdam<br />

Nationalbibliothek Wien<br />

Paul Getty Museum Los Angeles<br />

Rijksprentenkabinet Amsterdam<br />

Sammlung Sumowski Stuttgart<br />

Schäfer Museum Schweinfurth<br />

Staatsgalerie Stuttgart<br />

Sherwood Collection London<br />

Victoria & Albert Museum London<br />

Wuppertal, Von der Heydt Museum<br />

WERK IN ÖFFENTLICHEM RAUM<br />

Nestroy-Denkmal in Wien, Csokorgasse 52<br />

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JAKOB DEMUS EINZELAUSSTELLUNGEN<br />

1985 Düsseldorf, C.G. Boerner<br />

1987 Tokyo, Galerie Ryokuinshosha<br />

Admont, Kunsthistorisches Museum<br />

Wien, Österr.Tabakmuseum<br />

Regensburg, Kunstkabinett<br />

Eisenstadt, ORF-Zentrum<br />

Mödling, Galerie Arcade<br />

Tokyo, Galerie Kohrin<br />

1988 München Galerie List<br />

München, Galerie Ehmer<br />

Wien, C.M. Nebehay<br />

1989 Stuttgart, Galerie Kunsthöfle<br />

Tokyo,Galerie Garuda<br />

1990 Düsseldorf, C.G. Boerner<br />

Tokyo, Yoseido Gallery<br />

Tokyo, Salone Christofori<br />

New York, Boerner Inc.<br />

Wien, Atelier Sorg<br />

1991 New York, Boerner Inc.<br />

1992 Düsseldorf, C.G.Boerner<br />

Wien, Goldschmiedemuseum<br />

1993 Tokyo, Yoseido Gallery<br />

Tokyo, Salone Christofori<br />

New York, Boerner Inc.<br />

Wien, Atelier Sorg<br />

1994 Wien, Atelier Bateau Libre<br />

Wien Palais Colloredo<br />

1995 Hagenberg, Schloss Haggenberg<br />

1996 Wien, Kulturverein Sievering<br />

1997 Frankfurt, Galerie Fach<br />

Paris, Galerie LaHune-Brenner<br />

1999 Wien, C.M. Nebehay<br />

Wien, St.Ruprecht<br />

2000 St.Georgen, Stift<br />

2001 Amsterdam, Galerie Petit<br />

Fulda, Galerie Raab<br />

Florenz, Galleria Il Bisonte<br />

2002 New York, Ursus<br />

2005 Amsterdam, Museum Het Rembrandthuis<br />

2006 Northampton, William.P.Carl<br />

2008 Wien, Wasserturm Favoriten<br />

2010 Wien, Vernissage Galerie Akum<br />

2014 Wien, Vernissage in den Räumen des Kürschners Johann Wolensky<br />

2016 Wien, <strong>Jakob</strong> <strong>Demus</strong>. Eine Hommage an Rembrandt. Galerie Fruth<br />

2017 Wien, Galereie Lichtraum eins (mit Wolfgang Kellner, Fotograf)<br />

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