Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
TITEL<br />
„Die ersten Wochen war ich total verzweifelt“<br />
Profitänzer und Wahlbremer Evgeny Vinokurov im Interview<br />
12<br />
Wie kriegt man einen blutigen Tanzanfänger innerhalb<br />
kurzer Zeit fit für die große Showbühne? Mit dieser<br />
Frage musste sich Profitänzer Evgeny Vinokurov im<br />
letzten Jahr eingehend auseinandersetzen. Gemeinsam mit Realitity-TV-Star<br />
Evelyn Burdecki fegte der 29-Jährige im Rahmen<br />
des RTL-Formats „Let’s Dance“ wöchentlich über das Parkett und<br />
stellte sich dem kritischen Urteil der Jury. Im Interview mit dem<br />
<strong>STADTMAGAZIN</strong> <strong>Bremen</strong> gibt Evgeny Vinokurov Einblicke in die<br />
Welt des Profitanzes, lässt seine Teilnahme bei „Let’s Dance“ Revue<br />
passieren und verrät, warum er mittlerweile in <strong>Bremen</strong> lebt.<br />
Herr Vinokurov, Sie haben die Frankfurter Wolkenkratzer gegen<br />
das Weserufer eingetauscht. Was verschlägt Sie nach <strong>Bremen</strong>?<br />
Evgeny Vinokurov: Das Tanzen, was auch sonst (lacht). Eigentlich<br />
hatte ich 2016 meine Karriere als Profitänzer bereits beendet. Unterrichtet<br />
habe ich zwar nach wie vor, war aber nicht mehr selbst aktiv.<br />
Meine Teilnahme bei „Let’s Dance“ im vergangenen Jahr hat mich<br />
dann zum Umdenken bewegt. Ich habe gemerkt, dass ich die Bühne<br />
vermisse.<br />
Wie ging es dann weiter?<br />
Im Anschluss an die Show bin ich privat mit der Tänzerin Nina Bezzubova<br />
zusammengekommen. Sie hat mir vorgeschlagen, zukünftig<br />
zusammen zu tanzen. Das war natürlich ein tolles Angebot für mich,<br />
das ich angenommen habe. Da Nina beim Grün-Gold-Club tanzt,<br />
lebt sie in <strong>Bremen</strong> und auch ihr Trainerteam ist hier ansässig. Es gab<br />
also zwei Möglichkeiten: Entweder zieht Sie zu mir nach Frankfurt<br />
oder ich ziehe nach <strong>Bremen</strong>. Und seien wir ehrlich – fürs Tanzen ist<br />
<strong>Bremen</strong> einfach die bessere Wahl. Im Oktober 2019 bin ich dann umgezogen.<br />
Und, fühlen Sie sich wohl?<br />
Ja, absolut. <strong>Bremen</strong> ist total süß und sehr herzlich. Außerdem finde<br />
ich es faszinierend, wie die Bremerinnen und Bremer ihre Heimat<br />
wertschätzen. Das kannte ich aus Frankfurt nicht so, da es eine klassische<br />
Arbeiterstadt ist: Viele Menschen arbeiten dort von montags<br />
bis freitags und verbringen ihre Wochenenden dann außerhalb.<br />
Lassen Sie uns einmal an den Anfang Ihrer Karriere zurückspulen:<br />
Wie und wann sind Sie zum Tanzen gekommen?<br />
Sehr früh. Ich habe mit sechs Jahren angefangen und bin mit 14 sogar<br />
für den Sport von Russland nach Deutschland gezogen, um mit meiner<br />
damaligen Partnerin Christina Luft zu tanzen.<br />
Ist Ihre Familie mitgekommen?<br />
Nein, ich bin zur Familie meiner Tanzpartnerin gezogen und habe bei<br />
ihnen gelebt. Wir haben lange zusammen getanzt und waren auch<br />
13 Jahre ein Paar. 2016 habe ich dann, wie gesagt, entschieden, zukünftig<br />
einem „normalen Beruf“ nachzugehen und habe begonnen,<br />
bei einer Consulting-Firma zu arbeiten.<br />
Klingt so, als wäre der Umzug in ein anderes Land keine große<br />
Herausforderung für Sie gewesen.<br />
Naja, ich konnte kein Wort Deutsch, das war definitiv am Anfang<br />
problematisch. Generell glaube ich aber, dass man solche Erfahrungen<br />
und Veränderungen als Kind sehr viel einfacher wegsteckt als im<br />
Erwachsenenalter. Ich fand das alles unfassbar aufregend und cool.<br />
Wie findet man im Tanzsport als Paar zusammen, sind die Vereine<br />
die treibende Kraft oder ergreift man Eigeninitiative?<br />
Da gibt es mehrere Wege. Oft begeben sich die Vereine und Trainer<br />
tatsächlich auf die Suche, da sie entsprechende Beziehungen haben,<br />
von denen man profitieren kann. Man kann sich aber natürlich auch<br />
selbst bemühen und umschauen. Tänzer sind untereinander gut vernetzt.<br />
Man kennt sich einfach. Hat man Interesse an einer Person,<br />
nimmt man einfach Kontakt auf.<br />
Vor einigen Monaten haben Sie öffentlich verkündet, Ihren<br />
Vollzeitjob als Unternehmensberater gekündigt zu haben. In<br />
einem Instagram-Post schrieben Sie dazu, sich in den letzten<br />
Jahren „wie ein Vogel im Käfig“ gefühlt zu haben. Was meinten<br />
Sie damit?<br />
Unternehmensberater haben sehr viel Druck. Es gibt kurze Deadlines<br />
und wenn sich ein Projekt dem Ende zuneigt, sind 16-Stunden-Tage<br />
keine Seltenheit. Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich realisiert<br />
habe: Verdammt, ich warte eigentlich nur darauf, dass endlich<br />
wieder Freitag ist. Ich sage nicht, dass ich diesen Beruf nie wieder<br />
ausüben möchte. Mit meinem momentanen Ziel, mich auf das Tanzen<br />
zu konzentrieren und alles aus meinen Körper herauszuholen, ist<br />
er jedoch nicht vereinbar.