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Magazin Weitsicht No. 3 / Frühling 2020

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<strong>Weitsicht</strong> <strong>Magazin</strong> N°3<br />

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Moment meine<br />

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<br />

und unsere Körperlichkeit einwirkt. So<br />

entstehen Schichten zwischen mir und<br />

meiner grundeigenen Lebendigkeit.<br />

Der Weg zu uns führt über den Körper.<br />

Es geht aber nicht darum, die Verbindung<br />

zum Körper zu spüren – wie beispielsweise<br />

beim Yoga. Es geht darum, der Körper<br />

zu sein! Sei die Kniescheibe! Sei der<br />

Fuss! In dem Moment löst sich mein Zentrum<br />

des Erlebens im Kopf auf. Denn ich<br />

bin auf die Welt gekommen und hatte kein<br />

Zentrum. Wenn ich wieder mein Bein bin,<br />

kann der Kopf so viel reden, wie er will.<br />

Dieses Ich, das wir hinter den Augen oder<br />

der Stirn verorten, ist die Summe unserer<br />

Traumata. Es die Summe all dessen, wo<br />

die Welt uns Angst gemacht hat, wo wir<br />

dissoziiert sind, uns verkrampft haben<br />

oder taub geworden sind.<br />

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Trauma ist die Ressource selber. Alles, was<br />

ich jetzt gerade bin, erzählt die Geschichte<br />

meiner Traumatisierungen und meiner<br />

Versuche, da durchzubrechen. Mein Job<br />

und all das, worin ich gut bin, ist auch<br />

geschärft durch Trauma und Wunden.<br />

Wenn Menschen sagen «ich lasse mein<br />

Trauma jetzt los!», geschieht es oft, dass<br />

sie es verpacken. In schön, in therapeutisch,<br />

in wertvoll, in spirituell. Aber man<br />

muss ein Trauma nicht loswerden! In alten<br />

Kulturen nannte man es auch Initiation<br />

– hier liegt der Schatz begraben. Man<br />

sollte es nicht loswerden. Man sollte es<br />

erkennen und zu sich nehmen.<br />

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Das Körperliche durch Bewegung und<br />

Spüren zu erfahren, beziehungsweise das<br />

Körper-werden, das Körper-sein – ist alles,<br />

was ich tun muss, oder eben sein soll,<br />

um mich mit meiner Form von Spiritualität,<br />

meiner Form von Leben, meiner Form<br />

von Sexualität und meiner Form von Ekstase<br />

wieder zu verbinden. Das ist der Highway<br />

in die Lebendigkeit. Und gleich zeitig<br />

unsere grosse Herausforderung, denn wir<br />

muten unseren Körpern viel zu wenig zu.<br />

Wir vertrauen ihnen nicht. Wenn wir nur<br />

wüssten, wie weit unsere Körper gingen,<br />

wenn wir sie nur liessen.<br />

Meine Erfahrung ist: Körper gehen bis ans<br />

Limit. In allem. Wenn wir aufhören, unsere<br />

Körper zu missverstehen und zu demütigen,<br />

dann gehen sie sehr weit. Sehr, sehr<br />

weit. In jeder Geburt, in jedem Orgasmus,<br />

in jeder Träne und in jedem Trauma. Diese<br />

Intensität zu leben ist in jedem Moment<br />

möglich. Wir können etwas dafür tun –<br />

denn wir sind Schöpfer und nicht Opfer<br />

unseres eigenen Energieniveaus. Es ist ein<br />

Training in Intensität von Leben.<br />

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Ja, gut, das ist natürlich eine steile These.<br />

Aber sobald wir ein Wort für «Psyche»<br />

haben, schaffen wir gleichzeitig auch die<br />

Idee, sie vom Körperlichen zu trennen.<br />

In meiner Arbeit mit Menschen habe ich<br />

erlebt, dass das Wort Psyche eher zu<br />

Schwerfälligkeit neigt. Zur Idee «an sich<br />

arbeiten zu müssen». Das erschafft so eine<br />

Art von Kompliziertsein, die einfach nicht<br />

den Tatsachen entspricht. Wir sind komplex,<br />

ja – aber wir sind nicht kompliziert!<br />

Körper an sich sind so unbeeindruckt von<br />

Geschichte und Ballast. Selbstliebe, Vitalität<br />

und Lebensfreude werden wir mit<br />

dem Konzept der Psyche nie erreichen.<br />

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Ja, in dem Moment wärst du sogar im Zustand<br />

eines Ganzkörper-Orgasmus. Weil<br />

wirkliche Entspannung eben nicht bedeutet,<br />

einfach nur weich zu sein. Was<br />

wir oft als Weichwerden bezeichnen, ist<br />

ein Trauma-Symptom. Nämlich Untererregung,<br />

die sich ein bisschen wie halbtot<br />

oder taub anfühlt. Eigentlich ist Untererregung<br />

dasselbe wie Dissoziation und<br />

zeigt sich nicht durch Verkrampfung, sondern<br />

durch Erschlaffung. Der Körper ist<br />

dann in einem traumatisierten, statt in<br />

einem erholsamen Zustand. In dem Moment,<br />

in dem wir sämtliche Muskeln wirklich<br />

aus der Übererregung und aus der<br />

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