Stadt-Magazin, Ausgabe Herdern, Neuburg, Brühl-Beurbarung (März 2020)
Bilder sind Gedanken: Wolfgang Haack gestaltet abstrakte Fotografien voller Spielraum für Interpretationen.
Bilder sind Gedanken: Wolfgang Haack gestaltet abstrakte Fotografien voller Spielraum für Interpretationen.
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GASTKOLUMNE
Gastkolumne von Psychologin
Birgit Schwetje
Werbung
Ich muss ständig alles
Mögliche hinterfragen. Ich
hab es einfach nicht im Griff...
Es passiert unwillkürlich.
Welcher fanatische Pazifist
ist bitte Urheber des Spruches
„Leben und leben lassen“?
Nein, ich möchte mich
aufregen und genervt sein,
will lästern, möchte die Augen
verdrehen, den Kopf schütteln,
schmunzeln, spotten oder aber
manchmal auch grübeln und
philosophieren über …
Zur Autorin
Birgit Schwetje lebt, lacht und lamentiert
eigentlich sehr weit nördlich von Freiburg.
Sie ist verheiratet, hat zwei Töchter, rennt
gern durch Felder und Wälder, entstaubt ab
und zu ihr Rennrad, hasst Schwimmbäder,
liebt Berge und ihren Garten und arbeitet
als Diplom-Psychologin, Kolumnistin und
Autorin (ein Gedichtband unter dem
Pseudonym Friederike Kniese wurde 2017
veröffentlicht).
Als ich neulich Abend unter der Dusche stand und nach
meiner neuen Shampoo-Flasche griff, wäre ich vor Scham
am liebsten mit im Siphon verschwunden. Was hatte ich
denn da gekauft? Erstens glitzerte und schimmerte die
Verpackung in den gleichen schillernden Farben wie die
Flosse der Barbie-Nixen-Attrappe meiner Tochter, die ich ihr
zunächst auszureden versucht hatte (was für ein Nippes!)
und zweitens war der augenscheinlich zweifelhafteste
Werbeslogan aller Zeiten darauf abgebildet: Haarprachtkreierendes
Shampoo. Ja klar, vorher nur Flusen auf
dem Kopf und hinterher die Mähne des Schwarzkopf-
Models! Au weia! Wie hatten diese Marketing-Schergen
nur so plump die Macht über meine Kaufentscheidung
übernehmen können? Tja, eigentlich ist die Antwort darauf
ganz einfach. Im Grunde genommen macht Werbung
nichts anderes, als unsere Intelligenz zu untergraben.
Wir werden überlistet, Einkäufe zu tätigen, von denen
wir den Eindruck haben, dass sie frei und unabhängig
durch die gewissenhafte Analyse der Produktmerkmale
sowie logisches Abwägen gefällt wurden. Im Lichtschein
einer grellen Neonreklame betrachtet ähneln die
Werbebotschaften letztlich jedoch eher aufdringlichen
Fake-News als der Information über das Fabrikat. Selbst die
wiederholten Forderungen der Verbraucherschützer nach
inhaltlichen Korrekturen der unrealistischen großspurigen
Versprechungen, haben keinen nachhaltigen Effekt. Der
Kunde springt - egal wie aufgeklärt - immer wieder auf
die gleichen Mechanismen an. Werbung funktioniert
so simpel: Ein bestimmtes Produkt wird zusammen mit
Worten oder Bildern präsentiert, die unsere Wünsche
abbilden. Oder es wird zusammen mit Menschen
dargestellt, die in allen sichtbaren Attributen unfassbar
perfekt sind: beliebt, stilsicher, glücklich, gesund,
erfolgreich und schön. Diese Assoziation wird nun genau
so in unserem impliziten Gedächtnis abgespeichert und
beeinflusst unser Verhalten, indem wir unbewusst immer
wieder den Umkehrschluss ziehen: Konsumiere oder
besitze ich dieses Produkt, bin auch ich beliebt, stilsicher,
glücklich, gesund, erfolgreich und schön!
StadtMagazin | 13