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| 09 19<br />
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Vedute von Knittlingen mit seinen Befestigungswerken und dem<br />
wassergefüllten Graben. Aus den Forstlagerbüchern von Andreas<br />
Kieser, 1684.<br />
Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 107/16 Bd 5 Bl. 7 Bild 1<br />
Schritt für Schritt ins Reich der Mythen<br />
und Legenden<br />
Zum 40-jährigen Bestehen des Faust-Museums in Knittlingen wird die Dauerausstellung erneuert und<br />
eine Alchemie-Sonderausstellung eröffnet<br />
„Die Deutschen sind übrigens<br />
wunderliche Leute! Sie machen<br />
sich durch ihre tiefen Gedanken<br />
und Ideen, die sie überall suchen<br />
und überall hineinlegen,<br />
das Leben schwerer als billig.<br />
Ei! so habt doch endlich einmal<br />
die Courage, Euch den Eindrücken<br />
hinzugeben (…)“, soll Johann<br />
Wolfgang Goethe in einem<br />
Gespräch mit Johann Peter<br />
Eckermann im Mai 1827 gesagt<br />
haben. Durch Neuerungen in<br />
der Dauerausstellung und einer<br />
Sonderausstellung zum Thema<br />
„Alchemie – Wissenschaft<br />
oder Teufelspakt“ möchten die<br />
Verantwortlichen im Knittlinger<br />
Faustmuseum es ihren Besuchern<br />
erleichtern, sich dem Gezeigten<br />
zu öffnen.<br />
Besprechen, was es noch zu tun gibt:<br />
Kulturmanager Jeff Klotz, Dr. Denise Roth<br />
(re.) und Romy Abraham. Foto: Freiburger<br />
Besuchern soll es in der neuen<br />
Dauerausstellung leichter<br />
fallen, sich die Exponate ohne<br />
Führung zu erschließen. Konkret<br />
geplant sind Texttafeln als<br />
Hilfestellung. Der Audio-Guide,<br />
den Florian Fitz eingesprochen<br />
hat, wird weiterhin passen. „Dafür<br />
muss die Firma, von der wir<br />
die Geräte haben, nur ein paar<br />
Kapitel neu anordnen“, erklärt<br />
Dr. Denise Roth, die seit 2015<br />
Museumsleiterin ist und bereits<br />
seit 2008 in Knittlingen arbeitet.<br />
Literaturmuseen hätten es<br />
manchmal schwerer als andere,<br />
sagt sie. „Wenn wir eine<br />
Originalausgabe ausstellen<br />
können, heißt es, dass in der<br />
Vitrine alte, braune Seiten liegen“,<br />
beschreibt die Literaturwissenschaftlerin,<br />
„für manche<br />
Besucher ist es verständlicherweise<br />
schwer, die Besonderheit<br />
dahinter zu erkennen.“ Dr. Roth<br />
und ihr Team wollen im Museum<br />
am Knittlingen Kirchplatz präsentieren,<br />
„was zwischen den<br />
Buchdeckeln steht“, wollen den<br />
Inhalt der Bücher, die im Spektrum<br />
des Faust-Mythos entstanden<br />
sind, begreiflich machen.<br />
„Am Umfang der Exponate wird<br />
sich fast nichts ändern: Viele<br />
bleiben der Dauerausstellung<br />
erhalten, andere werden ausgetauscht,<br />
um den Besuchern<br />
weitere wertvolle Sammlungsgegenstände<br />
zugänglich zu<br />
machen“, erklärt Museumsleiterin<br />
Dr. Denise Roth, „die<br />
größte Weiterentwicklung der<br />
neugestalteten Dauerausstellung<br />
liegt in der optischen Dramatisierung<br />
und Akzentuierung<br />
der Ausstellungsstücke“. Der<br />
Umbau soll binnen weniger<br />
Tage zwischen Ende April und<br />
der Eröffnung am Samstag, 9.<br />
Mai, vonstattengehen. Als Kooperationspartner<br />
dafür hat sie<br />
den Remchinger Kulturmanager<br />
Jeff Klotz und für den alchemistischen<br />
Part den Chemiker Dr.<br />
Rainer Werthmann aus Kassel<br />
an ihrer Seite.<br />
Der Zugang zum Stoff, an<br />
dem Goethe über 60 Jahre<br />
lang gearbeitet hat, soll Besuchern<br />
im europaweit einzigen<br />
Faust-Museum nun Raum für<br />
Raum erleichtert werden. „Wir<br />
leiten die Besucher nicht wie<br />
üblich rechtsherum sondern<br />
links durchs Museum“, gibt<br />
Dr. Roth erste Einblicke, „das<br />
passt zu Faust: immer gegen<br />
die Konventionen“. Von den<br />
wissenschaftlichen Grundlagen<br />
geht es Schritt für Schritt<br />
ins Reich der Mythen und Legenden.<br />
„Mir ist wichtig, dass<br />
Museen den Besucher nicht<br />
mundtot machen“, betont die<br />
Literaturwissenschaftlerin. Entsprechend<br />
werden sie und ihr<br />
Team unterschiedliche Interpretationsansätze<br />
anbieten ohne<br />
sich auf einen einzigen zu versteifen.<br />
Somit überlassen sie es<br />
letztendlich dem Besucher, sich<br />
ein eigenes Bild zu machen.<br />
Dr. Roth dazu: „Wir werden mit<br />
großem Respekt und viel Behutsamkeit<br />
darstellen, was wir<br />
wissen.“<br />
Im Foyer werden Besucher<br />
künftig da abgeholt, wo sie stehen:<br />
in Knittlingen. Mithilfe eines<br />
Stadtmodells von 1500 wird<br />
deutlich, wo der historische Dr.<br />
Faust gelebt hat. Außerdem<br />
geht es im Erdgeschoss darum,<br />
die Geschehnisse zu Lebzeiten<br />
Dr. Fausts in die Weltgeschichte<br />
einzuordnen. Besucher können<br />
der Frage nachgehen, was<br />
es in dieser Zeit bedeutet hat,<br />
Astrologe, Magier, Alchemist<br />
und Heilkundiger gewesen zu<br />
sein. In einem „Stein der Weisen“-Zimmer<br />
wird als Sonderausstellung<br />
die Alchemie im<br />
Mittelpunkt stehen. Roter Faden<br />
der Dauerausstellung ist<br />
das Motiv des Teufelspaktes<br />
und dessen Weg durch über<br />
450 Jahre Faust-Mythos. Dabei<br />
wird den Beziehungen zwischen<br />
und Bezeichnungen von<br />
Gretchen, Faust und Mephisto<br />
in Goethes Faust-Adaption ein<br />
eigener Raum gewidmet. Zur<br />
Entspannung kann man sich<br />
– gesprochen von Florian Fitz<br />
– „Faust in fünf Minuten und in<br />
Goethes Worten“ anhören.<br />
Mit der modernisierten Dauerausstellung<br />
ist Dr. Denise Roth<br />
noch lange nicht am Ende ihrer<br />
Erneuerungspläne angekommen:<br />
Noch dieses Jahr soll es<br />
einen Kinderrundgang geben<br />
und auch das Feiern von Kindergeburtstagen<br />
im Museum<br />
ist in Planung. Außerdem liebäugelt<br />
die Museumsleiterin mit<br />
der Idee von Familiennachmittagen.<br />
Aufgrund der aktuellen<br />
Lage ist ungewiss, ob die<br />
geplante Eröffnung am 9. Mai<br />
<strong>2020</strong> stattfinden kann. Sie soll<br />
zeitnah nach Aufhebung der<br />
Einschränkungen durch die<br />
Corona-Krise stattfinden. Am<br />
Eröffnungswochenende ist der<br />
Eintritt frei. Ramona Deeg<br />
Faust-Museum<br />
Kirchplatz 2<br />
75438 Knittlingen<br />
Telefon 07043 9506922<br />
faustmuseum@knittlingen.de<br />
www. faustmuseum.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
Di. bis Fr.: 9.30 bis 12 Uhr und<br />
13.30 Uhr bis 17 Uhr<br />
Sa., So. und an Feiertagen:<br />
12 bis 18 Uhr<br />
Letzter Einlass:<br />
30 Minuten vor Schließung