24.03.2020 Aufrufe

Protest / dérive – Zeitschrift für Stadtforschung, Heft 79, (2/2020)

Ein roter Faden der 79. Ausgabe von dérive – Zeitschrift für Stadtforschung mit dem Schwerpunkt Protest ist das Verhältnis von Partizipation und Konsens zu Protest und Konflikt. Partizipations-Strategien, die vor allem Kritik und Protest abschwächen wollen, erweisen sich zunehmend als Einbahnstraße. Bestehende Machtungleichheiten im Diskurs und der Unwille Kontrolle abzugeben, verunmöglichen eine Koproduktion von Stadt und eine Aushandlung von Differenzen auf Augenhöhe. Die Artikel des Schwerpunkts beschäftigen sich mit der Frage nach der heutigen Relevanz von kommunikativer Planung sowie der Kritik an ihr und stellen demokratietheoretische Überlegungen zu Stadtplanung vor. Sie analysieren umstrittene Beteiligungsprojekte und zeigen alternative Praktiken in Opposition zu offiziellen Beteiligungsverfahren. Der Schwerpunkt entstand in Kooperation mit Alexander Hamedinger und Lukas Franta vom Forschungsbereich Soziologie der TU Wien sowie Cornelia Dlabaja. Weitere Beiträge: die Geschichte der Donauregulierung in Wien und die Ränder der Stadt Graz. Das Kunstinsert in dérive 79 stammt von Christoph Schäfer. Das Heft kann hier https://shop.derive.at/products/protest-heft-79 bestellt werden.

Ein roter Faden der 79. Ausgabe von dérive – Zeitschrift für Stadtforschung mit dem Schwerpunkt Protest ist das Verhältnis von Partizipation und Konsens zu Protest und Konflikt. Partizipations-Strategien, die vor allem Kritik und Protest abschwächen wollen, erweisen sich zunehmend als Einbahnstraße. Bestehende Machtungleichheiten im Diskurs und der Unwille Kontrolle abzugeben, verunmöglichen eine Koproduktion von Stadt und eine Aushandlung von Differenzen auf Augenhöhe. Die Artikel des Schwerpunkts beschäftigen sich mit der Frage nach der heutigen Relevanz von kommunikativer Planung sowie der Kritik an ihr und stellen demokratietheoretische Überlegungen zu Stadtplanung vor. Sie analysieren umstrittene Beteiligungsprojekte und zeigen alternative Praktiken in Opposition zu offiziellen Beteiligungsverfahren. Der Schwerpunkt entstand in Kooperation mit Alexander Hamedinger und Lukas Franta vom Forschungsbereich Soziologie der TU Wien sowie Cornelia Dlabaja. Weitere Beiträge: die Geschichte der Donauregulierung in Wien und die Ränder der Stadt Graz. Das Kunstinsert in dérive 79 stammt von Christoph Schäfer. Das Heft kann hier https://shop.derive.at/products/protest-heft-79 bestellt werden.

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Editorial

Die Schlussphase der Produktion der vorliegenden dérive-

Ausgabe fällt mit dem Beginn der Corona-Virus-Ausgangsbeschränkung

in Österreich zusammen. Wir haben daher unsere

Redaktion kurzfristig auf Home-Office umgestellt. Auch den

Vertrieb des Heftes wollen wir so gut wie möglich aufrechterhalten,

hier kann es aber aufgrund der momentanen Einschränkungen

zu Verzögerungen kommen. Ein guter Anlass darauf

hinzuweisen, dass alle vergriffenen Ausgaben von dérive in unserem

Webshop als PDF zum Download zur Verfügung stehen

(https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/pdf).

Sofort nach Bezahlung landet der Downloadlink für das

gewählte Heft in Ihrer Mailbox und hilft dabei, die Zeit mit

Wissen aus der Welt der Stadtforschung zu füllen. Erhältlich

sind u. a. die Schwerpunkthefte Bidonvilles & Bretteldörfer –

Ein Jahrhundert informeller Stadtentwicklung in Europa, Perspektiven

eines kooperativen Urbanismus, Smart Cities, Stadt

selber machen oder Vom Superblock zur Überstadt – Das Modell

Wiener Wohnbau.

Die Auswirkungen von Covid-19 auf das Alltagsleben

sind jetzt schon unglaublich, und doch scheint das erst der

Anfang zu sein. Alle öffentlichen Veranstaltungen sind abgesagt,

Geschäfte und Restaurants sind geschlossen, der Aufenthalt im

öffentlichen Raum nur mehr in Ausnahmefällen gestattet.

Zigtausende Menschen verlieren gerade ihre Arbeitsplätze, viele

Kleinunternehmen fürchten den Konkurs, die Kultur- und

Kunstszene steht vor dem Abgrund.

Die Coronakrise macht sichtbar, was kritischen BeobachterInnen

seit langem klar war: Die Austeritätspolitik der

letzten Jahre hat dazu geführt, unsere Gesellschaften zu schwächen

und nicht – wie immer behauptet wird – »fit zu machen«.

Resiliente Strukturen, um so eine Krise zu meistern, sind nur

mehr in Ansätzen vorhanden. Mit dem Abbau des Sozialstaats

wurden in den letzten beiden Jahrzehnten mit großem ideologischen

und finanziellen Aufwand unzählige Menschen in die

Selbständigkeit gedrängt, von denen viele jetzt vor dem Nichts

stehen, ohne Aufträge und ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Das Gesundheitssystem wurde in vielen Ländern kaputtgespart,

sodass jetzt Kapazitäten zur Versorgung der vielen Kranken

fehlen. In Ländern wie den USA sind Millionen Menschen gar

nicht versichert und können sich nicht einmal die Corona-

Tests leisten.

In Österreich stellt man verwundert fest, dass Schutzbekleidung

und Schutzmasken für den Krankenhausbereich nur

in sehr geringem Ausmaß im Land produziert werden. Schon

eine kurzfristige Grenzsperre gefährdet die Versorgung. Das

gleiche gilt für Medikamente. Produktionsbetriebe schließen,

weil die globalen Lieferketten für Bestandteile zusammenbrechen.

Baustellen in Wien werden dicht gemacht, weil viele der

(schlecht bezahlten) BauarbeiterInnen in Ungarn, Polen oder

der Slowakei leben. Landwirtschaftliche Betriebe fürchten aus

demselben Grund Ernteausfälle. Wer soll all das Gemüse zum

üblichen Hungerlohn ernten? Gleichzeitig nehmen österreichische

Tourismusgebiete die Ansteckung von tausenden von

UrlauberInnen in Kauf, um ihre Profite nicht zu gefährden.

Wie in jeder Krise zeigt sich auch in der Corona-Krise,

dass es ohne Solidarität und Kooperation nicht geht. Alle RegierungspolitikerInnen

reden vom notwendigen Schulterschluss

aller Kräfte und vom Team Österreich. Selbst konservativen

PolitikerInnen ist sonnenklar, dass der Markt in solchen Situationen

nichts dazu beitragen kann, die Krise zu bewältigen. Jetzt

braucht es staatliche Unterstützungen und gegenseitige Hilfe,

damit das System nicht kollabiert. FernsehreporterInnen, die

Regierungschefs fragen, ob durch all die angekündigten

Maßnahmen das angestrebte und zum heiligen Gral der Austeritätspolitik

erhobene »Nulldefizit« nicht in Gefahr sei, ernten

Kopfschütteln. Und es zeigt sich, wie wichtig viele der am

schlechtesten bezahlten Jobs in der Krise sind: Reinigungskräfte

in Krankenhäusern, Personal in Supermärkten, TransportdienstleisterInnen

oder Pflegekräfte halten mit ihrem Einsatz die

Gesellschaft am Laufen.

Das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe ist

Protest. Die Geschichte zeigt, dass Krisen immer wieder zur

langfristigen Einschränkung von Rechten und Freiheiten genutzt

werden. Wir sollten also, um noch einmal auf die aktuelle Situation

Bezug zu nehmen, dafür sorgen, dass Ausgangssperren,

Versammlungsverbote und Überwachungsmaßnahmen ebenso

schnell wieder zurückgenommen werden, wie sie eingeführt

wurden, wenn sich die Situation wieder beruhigt. Ein roter

Faden der vorliegenden Ausgabe ist das Verhältnis von Partizipation

und Konsens zu Protest und Konflikt. Partizipations-

Strategien, die vor allem Kritik und Protest abschwächen wollen,

erweisen sich zunehmend als Einbahnstraße. Bestehende

Machtungleichheiten im Diskurs und der Unwille Kontrolle

abzugeben, verunmöglichen eine Koproduktion von Stadt und

eine Aushandlung von Differenzen auf Augenhöhe. Mehr

dazu im Einleitungsartikel ab Seite 4 von Alexander Hamedinger

vom Institut für Raumplanung, Forschungsbereich Soziologie

der TU Wien, der gemeinsam mit Lukas Franta und Cornelia

Dlabaja diesen Schwerpunkt redaktionell betreut hat.

Einen Beitrag zur Wiener Stadtgeschichte hat Friedrich

Hauer für den Magazinteil verfasst: Die Donauregulierung von

1870–1875 und die damit im Zusammenhang stehende

Stadtentwicklung als ausgedehntestes, landschaftsveränderndes

Bauvorhaben der Stadt. Die Ränder der Stadt Graz, ihre

Vernachlässigung und ihre Potenziale stehen im Mittelpunkt des

Projekts NORMAL x 4 – Direkter Urbanismus für neue

Stadtplanungsprozesse von Barbara Holub und Paul Rajakovics

(transparadiso) gemeinsam mit Michael Petrowitsch, das wir

ebenfalls im Magazinteil vorstellen. Das Kunstinsert stammt

diesmal von Christoph Schäfer (Hamburg), der als Künstler und

Stadtaktivist und Teil von u. a. Park Fiction oder der PlanBude

idealtypisch zeigt, wie Aneignung und Teilhabe im Stadtteil quer

durch die Gesellschaft gemeinsam organisiert werden können.

Christoph Laimer

01

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