ZEIT - Pro Scientia
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2.3 Mitochondrien<br />
Mitochondrien sind Bestandteile der Zellen, ihre Aufgabe<br />
liegt vor allem in Energieerzeugung für alle Vorgänge,<br />
die Energie verbrauchen. Sie „verbrennen“ Sauerstoff<br />
und Glukose, wobei das energiereiche Endprodukt, das<br />
ATP 20 , dann das Mitochondrium verlässt. Die<br />
Mitochondrien besitzen ein eigenes Genom (die<br />
mitochondriale DNA – sie ist abzugrenzen von der<br />
„großen“ DNA, die sich im Zellkern, in Chromosomen<br />
verpackt, befindet), wo die mitochondriale Bestandteile<br />
kodiert sind.<br />
Die Integrität der Mitochondrien, scheint im Alter reduziert<br />
zu sein. Hierbei können bei zellulärer Seneszenz im<br />
Mitochondriengenom zunehmende Verluste genetischen<br />
Materials sowie Strangbrüche beobachtet werden. Als<br />
Ursache wird vornehmlich oxidativer Stress<br />
angenommen. [3]<br />
Die mitochondriale Alterungstheorie fußt auf der<br />
Annahme, das reaktive Sauerstoffverbindungen und freie<br />
Radikale (siehe oben), die in der unmittelbaren<br />
Umgebung der Atmungskette 21 während des Lebens<br />
eines Organismus in den Mitochondrien gebildet werden<br />
die mitochondriale DNA schädigen.<br />
Der Alterungsprozess der Mitochondrien führt zu einer<br />
steten Abnahme der Zell-, Gewebe und Organfunktion<br />
und betrifft besonders energieabhängige postmitotische<br />
Gewebe wie Skelettmuskel, Gehirn und Herz. [7][1]<br />
2.4 <strong>Pro</strong>teine<br />
<strong>Pro</strong>teine werden mit ihrer Synthese „geboren“, sie<br />
„sterben“ durch <strong>Pro</strong>teolyse 22 bzw. Degradation. Während<br />
ihrer Lebensspanne können diverse molekulare<br />
Veränderungen auftreten. Mindestens 140 verschiedene<br />
post-translationale 23 <strong>Pro</strong>teinmodifikationen wurden<br />
bereits beschrieben.<br />
Die meisten der <strong>Pro</strong>teinveränderungen sind biologische<br />
Werkzeuge zur Regulation der <strong>Pro</strong>teinfunktion. Posttranslationale<br />
<strong>Pro</strong>teinveränderungen können aber auch<br />
Manifestationen einer <strong>Pro</strong>teinalterung mit<br />
pathophysiologisch relevanten Folgen sein. Sie können<br />
zu einer Akkumulation „abnormer“ <strong>Pro</strong>teine mit<br />
zunehmendem Alter führen, möglicherweise auch mit der<br />
Folge von Funktionsstörungen und Krankheit. Die in<br />
diesem Zusammenhang am häufigsten diskutierten<br />
<strong>Pro</strong>teinveränderungen sind Oxidation, Glykosylierung,<br />
Deamidierung, Razemisierung und Isomerisierung. Alle<br />
diese Modifikationen sind das Ergebnis spontaner, nichtenzymatischer<br />
<strong>Pro</strong>zesse, die zu einer Akkumulation<br />
veränderter <strong>Pro</strong>teine mit dem Alter führen. [8]<br />
Dabei scheint die nicht enzymatische Reaktion von<br />
Zuckern mit <strong>Pro</strong>teinen, und die entstehenden sog.<br />
„Advanced Glycation Endproducts – AGEs“ eine zentrale<br />
Rolle zu spielen. AGEs reichern sich im Laufe des Lebens<br />
an und ihre <strong>Pro</strong>duktion kann die Funktionalität der<br />
<strong>Pro</strong>teine und letztendlich der Gewebe stören. AGEs<br />
können <strong>Pro</strong>teine quervernetzen und so zur<br />
Gewebeversteifung, z.B. der Aorta, im Alter ursächlich<br />
beitragen. Es sind jetzt Medikamente entwickelt worden,<br />
die diese Quervernetzungen brechen (AGE-Crosslinkbreaker)<br />
und die auf diese Weise die Herz- und<br />
Gefäßfunktion verbessern konnten – d.h. man konnte das<br />
Herz sozusagen verjüngen. [1]<br />
Die meisten, wenn nicht gar alle, Reparatursysteme sind<br />
abhängig von intrazellulären 24 Enzymen; Modifikationen<br />
extrazellulärer 25 <strong>Pro</strong>teine können durch sie nicht korrigiert<br />
werden. Wenn kein Reparatursystem zur Verfügung steht,<br />
hängt die Bedeutung der <strong>Pro</strong>teinveränderungen im<br />
Erdgeschichte, Evolution und Lebenszeit<br />
Wesentlichen von der <strong>Pro</strong>teinumsatzrate ab. <strong>Pro</strong>teine mit<br />
hohem Umsatz werden ausgetauscht, bevor posttranslationale<br />
Modifikationen relevant werden können.<br />
Mit zunehmender Halbwertszeit 26 steigt das Risiko einer<br />
<strong>Pro</strong>teinschädigung durch Alterung. Die am meisten<br />
betroffenen <strong>Pro</strong>teine sind permanente <strong>Pro</strong>teine, die früh<br />
synthetisiert und dann nicht mehr ausgetauscht werden.<br />
Die Daten wurden aber auch für diverse andere<br />
Gewebe erhoben, wie beispielsweise für die Media 27<br />
verschiedener Arterien für Organkapseln und<br />
Lungenparenchym. Ein Nachweis relevanter<br />
Konzentrationen permanenter <strong>Pro</strong>teine wurde in<br />
zahlreichen weiteren Geweben festgestellt,<br />
beispielsweise in Zahnschmelz und -zement, in Knorpel,<br />
Knochen und der weißen Hirnsubstanz. Diese Daten<br />
beweisen, dass verschiedenste Gewebe signifikante<br />
Konzentrationen permanenter, alternder <strong>Pro</strong>teine<br />
enthalten. [8]<br />
2.5 Andere Mechanismen<br />
Viele Studien zeigen einen Anstieg von<br />
proinflammatorischen Zytokinen mit dem Alter. Diese<br />
sind chemische Botenstoffe, die im Körper zirkulieren und<br />
eine Entzündung fördern und aufrechterhalten können.<br />
Man findet eine Aktivierung des unspezifischen<br />
Immunsystems (z.B. der Monozyten) und eine Reduktion<br />
der Funktionalität des spezifischen Immunsystems (z.B.<br />
der T-Zellen). Diese Veränderungen wichtiger Zellen der<br />
Immunabwehr mit dem Alter ist schon oft beschrieben<br />
worden. Interessanterweise ist das Immunsystem direkt<br />
über das autonome Nervensystem mit der Regulation<br />
der Herzfrequenzvariabilität mit dem kardiovaskulären<br />
System verbunden. Damit ergibt sich die neue<br />
Möglichkeit, durch direkte Intervention in die<br />
Inflammationslast, z.B. durch regelmäßige Impfung,<br />
Einfluss auf das Altern des Herzens zu nehmen. [1]<br />
Bei wechselwarmen Tieren ist bekannt, dass eine<br />
Verringerung der Umgebungstemperatur und Reduktion<br />
der körperlichen Aktivität zu einer längeren<br />
Lebenserwartung beitragen. Dies lässt sich auch bei<br />
Insekten beobachten. Eine Erniedrigung der<br />
Umgebungstemperatur um 10% oder eine künstliche<br />
Herabsetzung der Flugfähigkeit von Drosophila<br />
melanogaster kann zu einer Lebensverlängerung von<br />
bis zu 250% führen. Es wird angenommen, dass<br />
entscheidende Faktoren die Reduktion des<br />
Grundumsatzes und dadurch auch eine<br />
Aktivitätserniedrigung freier Radikale sind, welche eine<br />
Reduzierung an DNA- und <strong>Pro</strong>teinschäden zur Folge<br />
haben. [2]<br />
Neue Studien belegen, dass asketische Lebensweise bei<br />
ständiger Schmalkost die durchschnittliche<br />
Lebenserwartung verlängern, bei der Fliege Drosophila<br />
und der Maus ebenso wie beim Menschen. Anders als<br />
erwartet, bewirkt viel anstrengende körperliche Aktivität<br />
nicht ein Hinauszögern des Alterns, sonder dessen<br />
Beschleunigung. Gegenwärtige Hypothesen bringen<br />
dies alles mit mitochondrialen Funktionen in Verbindung.<br />
Wenn die mitochondriale Atmungskette bei hoher<br />
Nahrungszufuhr und hohem ATP-Bedarf auf Hochtouren<br />
läuft, entstehen als unvermeidliche Nebenprodukte<br />
auch mehr aktive Sauerstoffverbindungen, und diese<br />
wirken schädigend auf die Zelle. [9]<br />
3. TOD<br />
Altern aus biologischer Sicht<br />
29<br />
Alterung führt zum Tod. Nicht nur zum Tod der Zelle<br />
sonder auch eines Zellenverbandes oder eines<br />
mehrzelligen Organismus.<br />
Ein Einzeller, eine Amöbe zum Beispiel, nimmt bei gutem<br />
Nahrungsangebot an Masse zu und teilt sich in zwei