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ZEIT - Pro Scientia

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widerlegen - neben der die B-Reihe als veränderlich<br />

zu bezeichnen - ist es, diesen Widerspruch nicht als<br />

solchen gelten zu lassen.<br />

Damit ein Widerspruch überhaupt zustande kommt,<br />

müssen kontradiktorische oder konträre Prädikate auf<br />

denselben Gegenstand in derselben Hinsicht<br />

angewendet werden. Kein Zweifel, jemand kann<br />

gleichzeitig glücklich über das Überleben seiner Kinder,<br />

aber unglücklich über den Tod seiner Frau sein.<br />

Jetzt kann man behaupten, die A-Reihe beinhalte nur<br />

einen vermeintlichen Widerspruch, denn sie ist<br />

kompatibel im Bezug auf ihre Sukzessivität, aber<br />

inkompatibel im Bezug auf ihre Simultanität, nicht also<br />

im Bezug auf dasselbe. Dieser Einwand scheint<br />

gerechtfertigt. Genauso gut kann jemand die<br />

Verrichtung zweier Tätigkeiten im Bezug auf ihre<br />

Simultanität für inkompatibel (unvereinbar) halten, im<br />

Bezug auf ihre Sukzessivität aber für kompatibel<br />

(vereinbar). Kurz jemand kann Tätigkeiten nicht<br />

simultan, aber trotzdem sukzessive verrichten können.<br />

Das ist kein Widerspruch, denn durch die Adverbien<br />

kann der Widerspruch (etwas verrichten können und<br />

nicht verrichten können) ausgeräumt werden. Die<br />

Hinsicht - ausgedrückt durch Adverbien - spezifiziert<br />

hier und räumt den Widerspruch aus.<br />

Jetzt sollte man sich fragen, welches Verhältnis die<br />

Bezugspunkt (Hinsichten) bei Ereignissen haben. Die<br />

Prädikate “simultan” und “sukzessive” können weder<br />

gleichzeitig wahr noch gleichzeitig falsch sein, zweien<br />

Ereignissen muss notwendig entweder das eine oder<br />

das andere zugeschrieben werden können. Wir sehen<br />

also die Bezugspunkte sind ebenfalls kontradiktorisch.<br />

Jetzt ist die Frage, ob ein Widerspruch auch dann gültig<br />

ist, wenn er sich zwar nicht auf dieselbe Hinsicht<br />

bezieht, aber auf zwei kontradiktorische Hinsichten.<br />

<strong>Pro</strong>bieren wir es zunächst einmal bei einem konträren<br />

Widerspruch:<br />

Ein Gegenstand ist<br />

eckig/mehr Ecken habend im Bezug auf runde Dinge<br />

nicht eckig/weniger Ecken habend im<br />

Bezug auf quadratische Dinge<br />

Hier wurde eindeutig kein Widerspruch produziert,<br />

denn es gibt diesen Gegenstand, es muss einer sein,<br />

der ein, zwei oder drei Ecken hat (ob und wie erstere<br />

geometrisch möglich sind, ist hier irrelevant).<br />

Jetzt mit dem kontradiktorischen Widerspruch in den<br />

Hinsichten.<br />

A-Prädikate sind<br />

kompatibel im Bezug auf ihre Sukzessivität und<br />

inkompatibel im Bezug auf ihre Simultanität.<br />

Versuchen wir einmal die Bezüge hier zu klären. Die<br />

beiden Adjektive “kompatibel/inkompatibel”<br />

beziehen sich kontradiktorisch auf die A-Prädikate, also<br />

nur auf einen Gegenstand, damit entsteht ein<br />

Widerspruch. Die Präpositionalgruppen “im Bezug auf<br />

...” produzierten ebenfalls einen Widerspruch, sofern<br />

sie sich direkt auf den einen Gegenstand bezögen.<br />

Das tun sie aber nicht, sie beschreiben die Adjektive<br />

genauer, und beziehen sich jeweils auf eines von ihnen<br />

und spezifizieren sie damit. Es ist klar, dass hier zwar<br />

Von der Alltäglichkeit zur Apokalypse<br />

Ist unsere Zeit irreal?<br />

41<br />

zwei kontradiktorische Hinsichten vorliegen, sich diese<br />

aber auf zwei kontradiktorische Adjektive beziehen<br />

und somit nicht auf einen Gegenstand. Dieses Argument<br />

kann man auch daran überprüfen, dass die<br />

Adjektive lediglich mit den Hinsichten permutierbar<br />

sind, so ist es nicht möglich “kompatibel im Bezug auf<br />

ihre Simultanität und inkompatibel im Bezug auf ihre<br />

Sukzessivität” zu sagen. Folglich ist es nicht möglich,<br />

die Bezüge zwischen Hinsichten und Adjektiven zu<br />

missachten. Die oben angeführten Bedingungen für<br />

Widersprüche also nicht mehr vorhanden, denn es<br />

existiert kein Bezug zweier kontradiktorischer<br />

Eigenschaften auf eine Sache.<br />

Es gibt allerdings noch ein überzeugenderes Argument,<br />

den Widerspruch in dem Satz zu widerlegen.<br />

Schauen wir uns ein analoges aber alltagstauglicheres<br />

Beispiel an.<br />

Das Medikament ist<br />

kompatibel mit dem Tod und<br />

Inkompatibel mit dem Leben.<br />

Hier sieht man, dass die kontradiktorischen Elemente<br />

beider Spalten sich neutralisieren. Kompatibel mit dem<br />

Tod zu sein impliziert inkompatibel mit dem Leben zu<br />

sein, die beiden Ausdrücke haben dieselbe<br />

Bedeutung. Sie sind redundant.<br />

Bei den A-Prädikaten ist dasselbe der Fall. Wir haben<br />

festgestellt, dass zwei A-Prädikate - wenn sie<br />

Ereignissen zugeschrieben werden - zwar sukzessiv<br />

kompatibel, aber simultan inkompatibel sind. Es kann<br />

nicht sein, dass ich einem Ereignis zwei A-Prädikate<br />

gleichzeitig zuschreiben kann, sehr wohl aber kann<br />

ich sie nacheinander zuschreiben. Ereignisse können<br />

jetzt aber nicht gleichzeitig simultan und sukzessive<br />

stattfinden, wohl aber eines von beiden. Das heißt,<br />

wenn Ereignisse nicht simultan stattfinden, ist es<br />

impliziert, dass sie sukzessive stattfinden müssen (oder<br />

gar nicht). Daraus folgt, wenn ich diesen Ereignissen<br />

zwei A-Prädikate nicht gleichzeitig zuschreiben kann,<br />

dann ist es automatisch impliziert, dass ich sie ihnen<br />

nacheinander zuschreiben muss. Die Prämisse hierfür<br />

ist, (1) dass “sukzessiv inkompatibel” und “simultan<br />

kompatibel” tatsächlich nicht nur in ihren einzelnen<br />

Teilen kontradiktorisch sind, sondern auch als ganzer<br />

Ausdruck und dass (2) die A-Prädikate simultan<br />

inkompatibel sind. (1) haben wir gezeigt, im Bezug<br />

auf Ereignisse, denen die A-Prädikate zugeschrieben<br />

werden und die entweder simultan oder sukzessiv<br />

kompatibel sind. (2) haben wir schon eingangs aus<br />

der Analyse der zeitbeschreibenden Sprachelemente<br />

festgestellt. In der Tat, anders entwertete es den Sinn<br />

des Satzes. Abschließend kann man sagen, dass der<br />

Widerspruch hier mit der einfachen Frage nach den<br />

Hinsichten der beiden Adjektive gehörig in Zweifel<br />

gezogen werden kann.<br />

Ein anderes <strong>Pro</strong>blemfeld dieses Beweises ist die<br />

indexikalische Natur der A-Prädikate. Lowe<br />

behauptet, dass “McTaggart´s argument simply turn<br />

on a blunder in the logic of indexicals” (Lowe 1987,<br />

65). Wie meint er das? Nun, was meint man, wenn<br />

man “second order tenses” benutzt? Wenn man sagt,<br />

“Das Ereignis E wird gegenwärtig sein”, meint man<br />

korrekter Weise, “Wenn E existieren wird, wird es<br />

möglich sein den dann wahren Satz `E ist<br />

gegenwärtig´ zu äußern.” Lowe schreibt, “The mistake<br />

consists in forgetting the uneliminably indexical na-

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