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I. Literatur

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I. <strong>Literatur</strong><br />

1 ANDERSEN, HANS CHRISTIAN, dänischer Märchenerzähler und Dichter, 1805-1875. Eigenhändiges<br />

Gedicht, am Kopf bezeichnet „Die Rose“, 3 vierzeilige Strophen, mit Unterschrift. 1 S. gr.-4°. Unten<br />

wohl etwas beschnitten. (CHF 4’000.00)<br />

„Du lächelst an der Hecke grünen Pfaden,<br />

Wie Engel lächelten dem ersten Paar;<br />

Im Morgenthau sich rings die Blumen baden,<br />

In deinem Kelche glänzt ein Tropfen klar.<br />

Ist’s eine Zähre, die ein Elf vergoßen,<br />

Weil du so schön, und dennoch sterben mußt?<br />

In Jugendfüll’, die Blätter halb geschlossen,<br />

So traumst du an der Erde warmer Brust.<br />

Was traumet dir? Dein Traum kennt keine Schmerzen,<br />

Lieb’ ist dein Leben, deine Seele Duft<br />

Dein Ganzes gleicht dem sel’gen Dichter-Herzen,<br />

Den Himmel siehts, wo Andre sehen Luft.“<br />

Am 18. April 1845 schrieb Andersen an Großherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar: „Norddeutschen<br />

Blätter haben in der letzten Zeit recht gelungene Ubersetzungen mehrer meiner Gedichte, ich erlaube mir ein<br />

Paar abzuschreiben.“ Darunter befand sich auch das Gedicht „Die Rose“ in der Übersetzung von Heinrich<br />

Zeise.<br />

7


„Die Alpen scheinen mir die zusammengefalteten Flügel der Erde zu sein“<br />

2 ANDERSEN, HANS CHRISTIAN, 1805-1875. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift. Stuttgart<br />

2.X.1860. 1 Einzelblatt gr. quer-8°, die erste Seite beschrieben. Oberrand mit alten Montagespuren,<br />

entlang der Ränder schwach gegilbt. (CHF 1’800.00)<br />

Zitat aus Andersens 1852 erschienenem Märchen ‚Unter dem Weidenbaum’:<br />

„Die Alpen scheinen mir die zusammengefalteten Flügel der Erde zu sein; – wie, wann sie diese entfaltete? Die großen<br />

Schwingen mit ihren bunten Bildern von schwarzen Wäldern, brausenden Gewässern, Wolken von Schneemassen ausbreitete?<br />

An dem jüngsten Tage erhebt die Erde die großen Flügel. Steigt gen Himmel und zerspringt wie eine Seifenblase<br />

in dem Strahlenglanze Gottes. / H. C. Andersen. / Stuttgart 2 October 1860.“<br />

1860 unternahm Andersen eine Reise durch die Schweiz und über Süddeutschland nach Dresden.<br />

3 ANDREAS-SALOMÉ, LOU, 1861-1937. L.A.S. Höhenried 21.VII.1919. 1 S. kl.-4°. Mit frankiertem Umschlag.<br />

(CHF 750.00)<br />

An May Purtscher in München. – Bei der Adressatin handelt es sich wohl um eine Verwandte der mit Rilke<br />

befreundeten Schriftstellerin Nora Gräfin Wydenbruck, die in diesem Jahr den Maler Alfons Purtscher<br />

geheiratet hatte.<br />

„... diese Zeilen haben nur den Zweck, mein Bedauern darüber auszudrücken, daß ich bei meiner Durchreise durch München<br />

keinen Besuch mehr mit Eli bei Ihnen abstatten kann. Ich freute mich darauf, Herr R. M. Rilke hatte mir Ihre Adresse<br />

vermittelt. Aber infolge einer leichten Erkrankung blieb ich hier so lange, daß ich nun in München nur eben ankommen<br />

und abreisen darf ...“<br />

4 ANDREAS-SALOMÉ, LOU, 1861-1937. 2 L.A.S. „Eure Altsche“ und 1 L.A. ohne Unterschrift. O.O.u.D.<br />

5 S. folio bis gr.-8°. Bleistift und Tinte. (CHF 750.00)<br />

8<br />

An ihren Neffen, den Schriftsteller Franz Schoenberner (1892-1970) und dessen Frau. – Schoenberner war als<br />

Lektor im Münchner Musarion-Verlag und als Redakteur der „Auslandspost“ tätig, bevor er 1929 die<br />

Chefredaktion des „Simplicissimus“ übernahm.<br />

„… also da ist wieder so eine Chose wie Du sie haben wolltest; ich lege sie Dir also aufs Herz oder richtiger auf das Haupt,<br />

und schreibe Karte an U[llstein] die dran erinnern soll daß Du mein Geschäftserlediger warst ... Wenn ich heut nur dies<br />

Eilige kritzele, so kommt das, weil ich gerade soeben auf paar Wochen fort fahre – zu eventuellen Analysanden in Thüringen<br />

... Hier alles beim Alten, seit ich von Berlin zurück bin. Lese mit Genuß die Auslandspost; das Schönste drin war


aber die russische Anekdote von der ‘großen Sünd’: das ist ganz Rußland was drin steckt ...“ – Geschrieben auf einem<br />

an sie gerichteten Brief des Ullstein-Verlags, Berlin 30.IV.1925.<br />

O.D., nach dem Tod ihres Mannes, des Orientalisten Friedrich Carl Andreas am 3.X.1930. „Habt vielen Dank,<br />

Lo und Franz, für Eure Briefe, das war jedesmal so gut darin zu lesen. Und nun soll’s doch bald mal mündlich sein, meint<br />

Ihr nicht? Ich verlasse ja, wie eine alte Katze, mein Gemäuer nicht mehr ...<br />

Dann sagst Du mir auch über die Ergänzungen zum Buch was: aber ich selbst bin ihm ja längst eine Fremde geworden,<br />

ich könnte nicht mehr dorthin zurück. Als ich es bettlägerig noch, geschrieben hatte, um dies in jedem Fall noch als Auseinandersetzung<br />

mit Freud zu hinterlassen – da legte mein Mann sich. Und dann kam das schaurigste Vierteljahr<br />

meines Lebens ... Freud ist übrigens soeben sehr krank gewesen, akute Lungenentzündung, die um ein Haar übel ausgegangen<br />

wäre ...“<br />

Beiliegend eine Abschrift Andreas-Salomes des Gedichts „Die Magd“ von Regina Ullmann, 1 S. gr.-8°.<br />

- Siehe auch die Nr. 378.<br />

5 ANDRES, STEFAN, deutscher Nachkriegsautor, 1906-1970. Eigenhändiges Manuskript. 1 Einzelblatt<br />

folio, die Vorderseite beschrieben. Mit zahlreichen Streichungen und Korrekturen. Vergilbt, der<br />

Unterrand brüchig. Gelocht. (CHF 250.00)<br />

Blatt „10“ eines stark korrigierten Werkmanuskripts. Der Text beginnt:<br />

„Die Dämonie wird getragen und erzeugt durch den dämonisierten Menschen. Auf welche Weise nun wird ein Mensch<br />

dämonisiert. Um tiefer in das Wesen dieses beklemmenden, ja Furcht erweckenden Vorgangs hinein zu blicken, blicken<br />

wir in uns selbst hinein…“<br />

Beiliegend ein von Dorothee Andres unterzeichneter Begleitbrief (Unkel, o.D.).<br />

„Nous avons ici un hôte illustre, Mr. Mussolini…“<br />

6 ANNUNZIO, GABRIELE D’, italienischer Schriftsteller, 1863-1938. L.A.S. „Gabriellino d’Annunzio“. Gardone<br />

27.V.1925. In Französisch. 3 Einzelblätter 4°, jeweils die Vorderseiten beschrieben. Büttenpapier,<br />

gelocht. Winzige Löcher von alter Heftung. (CHF 900.00)<br />

An [die Schauspielerin und Diseuse Gussy Holl (1888-1966)], die Ehefrau von Emil Jannings, der er für die<br />

Gastfreundschaft während seines Aufenthaltes in Berlin dankt. – Für den in Berlin zurückgelassenen Frühling<br />

entschädige ihn am Gardasee ein berühmter Gast: Mussolini.<br />

„… je n’oublierai jamais toutes les amabilités dont vous avez voulu me combler pendant mon séjour à Berlin, que de belles<br />

choses vous m’avez montrées! J’étais si triste au départ de cette ville que vous avez eu le pouvoir de me faire aimer en si<br />

peu de jours…<br />

J’ai laissé le printemps chez vous, et j’ai trouvé ici l’automne. Il pleut toujours: est-ce vous qui nous avez volé le soleil,<br />

ou est-ce le soleil qui n’a plus voulu quitter vos blonds cheveux qui lui ressemblent?<br />

Nous avons ici un hôte illustre, Mr. Mussolini; et je passe entre lui et mon Père des heures intéressantes…<br />

Voulez-vous dire mille choses de ma part à Mr Jannings?<br />

‚Gabriellino! ..... canooooon!’ Je n’oublierai jamais ses grands gestes sympathiques, et sa bonté souriante…“<br />

Beiliegt ein zum Abwurf am 9.VIII.1918 über Wien bestimmtes gedrucktes Flugblatt, 1 Einzelblatt folio, in<br />

deutscher Sprache, das von D’Annunzio mit dem Motto des Angriffs „Donec ad metam“ in Faksimile überschrieben<br />

und am Fuß mit Datum „Settembre 1917“ und Namenszug versehen ist: „Italiens Schwingen bekräftigen<br />

hierselbst über der feindlichen Kaiserstadt, ihre nunmehr unangefochtene Ueberlegenheit ...“.<br />

9


7 ARNDT, ERNST MORITZ, 1769-1860. L.A.S. Bergen auf Rügen 12.V.1810. 1 1/2 S. gr.-4°. Grünliches Papier,<br />

leicht gebräunt. (CHF1’800.00)<br />

An seinen Freund, den Berliner Buchhändler (Georg Andreas Reimer). Im April war Arndt aus Berlin in das<br />

wieder schwedisch gewordene Greifswald zurückgekehrt, um sich wieder in sein altes Lehramt einsetzen zu<br />

lassen, aus dem ihn 1808 die Franzosen entfernt hatten. In Bergen war sein Bruder Fritz Bürgermeister.<br />

„Hier bin ich auf meinem vaterländischen Boden bei meinem alten wackern Bruder ...<br />

Den Harz mit euch ersteigen kann ich leider nicht, denn das Irdische bindet mich. Ich muß in Greifswald für das Erste<br />

wieder eintreten, theils weil ich bürgerlichen Schutz bedarf, theils wegen Forderungen, die nicht so ganz liquid sind, die<br />

es aber werden können, wenn man sich dienstwilliger stellt, als man vielleicht ist: denn bei der Revision unsrer Familiensachen<br />

… findet sich, daß die Zeit das väterliche Vermögen von circa 36000 Rthl nicht nur aufgefressen hat, sondern<br />

daß uns auch noch Auskehrungen bleiben, um Namen und Stand eines jeden nach Möglichkeit zu decken und zu retten<br />

...“ Erwähnt seinen Freund Eichhorn, den späteren preußischen Kultusminister.<br />

Bei Dühr unter Nr. 87 lediglich registriert („An Unbekannt“).<br />

„das Ungeheuer wird fallen“<br />

8 ARNDT, ERNST MORITZ, 1769-1860. L.A.S. Reichenbach 29.VII.1813. 1 S. 4°. Mit Oblatensiegel und<br />

Adresse. Leicht fleckig, kleine Faltenrisse; beschnitten. (CHF 1’200.00)<br />

Aus dem Hauptquartier der Alliierten im schlesischen Reichenbach, wo sich Arndt als Sekretär des Freiherrn<br />

vom Stein aufhielt, an seine Tochter Charlotte.<br />

„... Wir leben in trüben Zeiten, wir werden vielleicht noch trübere sehen, aber das Ungeheuer wird fallen und das Gute<br />

vorschreiten, wenn gleich langsam, denn es leben der elendigen und schlechten Menschen jetzt gar zu viele. Viele Träume<br />

muß der Mensch als Träume mit ins Grab nehmen, und das ist billig.<br />

Ich lebe jetzt hier, wo die Hauptquartiere sind, arbeite fleißig, habe frische Hoffnung, eine schöne Natur, zuweilen den<br />

Reitz gleichgesinnter und erweckender Menschen – und so läßt es sich aushalten, zumal da vom Leben doch immer<br />

so viel zu lernen ist. Gern will ich die Unruhe noch ein paar Jahre aushalten, wenn nur etwas Freiheit hervorkeimen<br />

will ...“<br />

Bei Dühr nicht gedruckt.<br />

Vor der Völkerschlacht<br />

9 ARNDT, ERNST MORITZ, 1769-1860. L.A.S. Reichenbach 14.IX.1813. 3 1/4 S. 8°. Grünliches Papier.<br />

Schwache Montagespuren. (CHF 1’000.00)<br />

Ebenfalls aus dem Hauptquartier an einen Herrn (in Breslau), den er um Bücher in schwedischer Sprache bittet.<br />

„... Ich liege hier noch vor Anker, bis unsere Truppen jenseits der Elbe festen Fuß haben. Nun beschäftigen der Graf von<br />

Geßler, der hier und in der Nachbarschaft lebt, ein äußerst wissenschaftlicher und gebildeter Mann, und ich uns mit allerlei<br />

Studien. Er wünscht nun in dem Schwedischen einige Fertigkeit der Aussprache und Betonung zu gewinnen, die ich<br />

ihm geben kann; aber uns fehlen die Bücher. Haben Sie deren, oder sind auf Ihrer Bibliothek, so senden Sie uns gütigst 1<br />

– oder 2, gleichviel welche, mit der nächsten Post ...“<br />

Im Sommer 1813 war Arndt dem Freiherrn vom Stein ins Hauptquartier der verbündeten Monarchen nach<br />

Reichenbach gefolgt, wo er bis zur Völkerschlacht auf dem Gut des preußischen Diplomaten Graf Karl Friedrich<br />

von Geßler (1753-1829) lebte.<br />

Bei Dühr nicht gedruckt – Aus der Sammlung Künzel.<br />

10 ARNDT, ERNST MORITZ, 1769-1860. Eigenhändiges Stammbuchblatt mit Unterschrift und Datum<br />

Bonn, „Anfang des Weinmonds“ 1853. 1 S. quer-8°. Leicht gebräunt. (CHF 400.00)<br />

10<br />

„Was der Mensch der Unschuld gewesen<br />

Kann jeder in Kinderherzen lesen.


Bewahre Dir Gott den Kindersinn!<br />

Dann weißt Du immer Woher und Wohin<br />

Und schaust aus verworrenem Erdenscherz,<br />

Stets fröhlichen Blickes himmelwärts.“<br />

„eine so muthwillige Race“<br />

11 ARNIM, BETTINA VON, geb. Brentano, 1785-1859. L.A.S. „Bettine“. (Berlin) 30.III.1846. 1 3/4 S. gr.-4°.<br />

Leicht fleckig. (CHF 2’000.00)<br />

An den späteren Diplomaten Harry von Arnim (1824-1881), der nach Abschluß seines Studiums im Begriff<br />

war, mit seinem Onkel, dem preußischen Gesandten Heinrich von Arnim, nach Paris zu gehen.<br />

„... Sie haben meinen Kindern Ihren Hausrath anvertraut. Diese haben ihn benüzt und zu ihrem Lieblingsameublement<br />

erkoren; Sie aber haben ihn noch lange nicht nötig indem Sie in die große Stadt Paris gehen, und wenn Sie wiederkommen<br />

werden Sie vielleicht als selbstständiger Staatsmann einen ganz andern train de vie führen als daß Ihre Studentenmoebel<br />

noch einigen Werth für Sie haben könnten als den der Erinnerung. – Da ich nun darauf hoffe daß Sie dieser Erinnerung<br />

auch bei uns ein Genüge leisten werden, als Hausfreund und Verwandter, so finden Sie ja die Moebel immer<br />

wieder am rechten Ort. Und Sie werden mir nicht entgegen sein wenn ich sie als rechtmässiges Eigenthum besitzen will.<br />

In meinem Testament soll dafür gesorgt werden daß wenn Wir allenfalls aussterben (was bei einer so muthwilligen Race<br />

sehr wünschenswerth für einen in den Fußstapfen des Herrn wandlenden Staat sein würde und also auch für Sie nützlich<br />

der sich zum Staatsmann bildet) diese Moebel als Erinnerungszeichen muthwilliger heiterer Jugendjahre wieder<br />

Ihnen anheim fallen sollen ...“<br />

Ein ihr gleichfalls anvertrauter Teppich sei den Motten zum Opfer gefallen. „... Ich stehe beschämt vor Ihnen und<br />

bekenne daß wenn Sie mich für kein Genie anerkennen, ich mit Ihnen einverstanden sein muß. Und wenn einstens die<br />

Nachwelt sagen wird, nicht einen Teppich konnte sie vor Mottenfraß bewahren, und doch war ihre Zeit in Dubio ob sie<br />

Praktisch sei oder nicht ...“<br />

„aus Arnims Nachlaß“<br />

12 ARNIM, BETTINA VON, 1785-1859. L.A.S. „Bettine“. (Berlin) 12.IX.1846. 3 S. gr.-8°. Mit zerteiltem Siegel<br />

und Adresse. Winzige Faltenlöcher. (CHF 2’500.00)<br />

An Joseph Lehmann, Redakteur des „Magazins für die Litteratur des Auslandes“, über Lesarten aus „Des Knaben<br />

Wunderhorn“, die er neu herausgeben wollte.<br />

11


12<br />

„... Ich glaube daß Wir in unsern Meinungen zimlich nahrüken nemlich im Sommerlied lassen Wir die theologische Wendung<br />

weg. es ist genug mit den ‘Tausend schönen Palmen’. In der Warnung behalten Wir ‘So trauern alle Äestchen’ ...“<br />

Mit der vorgeschlagenen Erweiterung des Liedes „Auch ein Schicksal“ sei sie nicht einverstanden: „... ‘so mußt<br />

du bei der Wiege stehn’ enthält alles Schicksal, das einem jungen Mädchen drohend erscheint ... Und auch ist noch zu<br />

berücksichtigen, daß die Arbeit des Wunderhorns eine Anerkannte ist, daß sie als Leseart gilt und nicht anderswo<br />

hergenommen; wenn also eine Bearbeitung im Wunderhorn nicht durch zufälliges Auffinden besserer Lesearten kann<br />

gehoben werden ..., so wird es gerathner sein, der des Wunderhorns treu zu bleiben. Denn die Verehrer dieses Buches<br />

haben sich manchem darin so zugethan, daß sie ungern Abweichungen sehen ...<br />

Eben ist ein sehr herrliches Buch aus Arnims Nachlaß im Druck, Der echte und der falsche Waldemar. Die Päpstin Johanna<br />

schicke ich nächster Woche zum Druck, dies ist das erhabenste phantastisch kühnste und über jede poetische Umfassung<br />

sich emporschwingende, in kindlichen Windeln der Fabel eingehüllt aber auf köstlichem Purpur genialen Selbstgefühls<br />

ruhend, streifend an den Faust, aber mit seinem Plan in dem reinsten Aether der Philosophie schwebend, und<br />

zugleich mit dem Leichtsinn der alltäglichen Sprache hingehaucht ...“<br />

13 ARNIM, BETTINA VON, 1785-1859. L.A.S. Berlin 19.VII.1848. 1/2 S. gr.-4°. Leicht fleckig, kleine Randläsuren.<br />

(CHF 800.00)<br />

An einen Hauptmann mit Dank für „die Güte mit welcher Sie meinen Wünschen willfahren“.<br />

„... sollte sich Gelegenheit finden Ihnen dies persönlich auszusprechen, so werde ich es mir zur Ehre und zur Freude<br />

schätzen ...“<br />

Beiliegend ein Brief ihrer Tochter Gisela verh. Grimm.<br />

14 ARNIM, BETTINA VON, 1785-1859. L.A.S. „Bettine“. (Frankfurt a.M.) o.D. 1/2 S. quer-4°. Mit Adresse.<br />

Etwas gebräunt. Minimal fleckig. (CHF 800.00)<br />

An den Publizisten Heinrich Oppenheim, „auf der Zeil“.<br />

„Kommen Sie doch zu mir in die Sandgasse im goldenen Kopf ich bin nur auf ein paar Stunden hier also bitte ich folgen<br />

Sie dem Billet auf dem Fuß wenn Sie mir die Freude machen wollen Sie zu sehen.“<br />

Das Haus Zum Goldenen Kopf in der Großen Sandgasse war von 1777 bis 1820 Wohn-, Handels- und Bankhaus<br />

der Familie Brentano.<br />

15<br />

„meine Dichte Einsamkeit“<br />

ARNIM, BETTINA VON, 1785-1859. L.A.S. „Bettine“. (Berlin) 14.VIII. o.J. 2 S. gr.-8°. Mit Adresse (Poststempel).<br />

Leicht gebräunt, kleiner Einriss in der Bugfalte. (CHF 2’400.00)<br />

An ihre Schwester Lulu Desbordes (Rozier des Bordes) mit der Bitte, den in Frankfurt a.M. weilenden, mit<br />

ihrem Sohn Siegmund befreundeten Schriftsteller Théophile Gautier („Gauthier“) zu einer Reise nach Berlin<br />

zu bewegen.<br />

„... Siegmund ... läßt ... Dich bitten, durch Deine Überredungskunst ihn dahin zu bewegen, seinem Versprechen<br />

nachzukommen, er bittet ihn ein Zimmer in unserer Wohnung anzunehmen ...<br />

Alles ist hier wohl, wir hatten einen Augenblick die brillante Idee Du würdest unsern Wünschen entgegen kommen,<br />

nehmlich hierher; Berlin ist ein Katzensprung von Frankfurt; indessen kann man mit gutem Gewissen den Aufenthalt<br />

von Berlin wen nicht wissenschaftliches Interesse anregt, nicht empfehlen, nur daß die Vier Schwestern“ (Gunda von<br />

Savigny, Bettina, Lulu und Meline von Guaita) „beisammen wären. Meline besucht mich recht oft und recht gern<br />

wie sie sagt, obschon ich sehr wenig Mittel habe ihr Unterhaltung zu gewähren, auch Guaita ist sehr freundlich gegen<br />

mich ... Die Zeiten vergehen und ehe wir dran denken, wird der Reisewagen für die Gute Meline vorfahren. Dann wird<br />

meine Dichte Einsamkeit nicht mehr unterbrochen werden, denn ich hab mich so zimlich gegen allen Menschlichen Umgang<br />

verschanzt und komme nicht aus dem Hause, jedoch vergeht mir die Zeit sehr schnell, ob es mir auch ein Räthsel<br />

ist mit was ich sie verbringe ... die Zeit muß sein wie ein Fluß wenn er Berg ab strömt so ist er reißend ...“<br />

Théophile Gautiers gleichnamiger Sohn ist der Verfasser einer 1856 unter dem Titel „Contes bizarres par<br />

Achim d’Arnim“ erschienenen, von dem Vater eingeleiteten Übersetzung von drei Erzählungen Arnims.<br />

– Siehe auch Nr. 408 und 508.


Nr. 15 Bettina von Arnim<br />

16 ARNIM, LUDWIG ACHIM VON, 1781-1831. L.A.S. Wiepersdorf 30.VIII.1824. 1 1/3 S. gr.-4°. Mit zerteiltem<br />

Siegel und Adresse. Schwach gebräunt. (CHF 2’500.00)<br />

An seinen Schwager, den Juristen Friedrich Karl von Savigny in Berlin, dessen Frau Kunigunde („Gunda“)<br />

eine Schwester seiner Frau war.<br />

„... Ich schreibe Dir auf gut Glück ein Paar Zeilen ... blos um Dir zu sagen, daß ich neugierig bin etwas von Deinen Reiseplänen<br />

zu hören ... Wir sind hier wohl und von meiner Frau lautet der letzte Brief aus Schlangenbad sehr günstig. Sie<br />

meint eine recht wesentliche gute Einwirkung von Bad und Brunnen zu spüren ... Sie fand dort die junge O. v. Göthe“<br />

(Ottilie von Goethe), „die schrecklich weint, wenn sie an ihre Heimreise denkt. Clemens ist am Rhein bey der Toni, er<br />

glaubt mit Christian nicht mehr eine Luft athmen zu können, so gar sehr sind sie verfeindet, wahrscheinlich eben so sehr<br />

über weltliche wie über geistliche Angelegenheiten ...“<br />

Arnims und Savignys Schwager Clemens Brentano hatte sich mit seinem jüngeren Bruder Christian zerstritten.<br />

Clemens hatte bei seinem Halbbruder Franz und dessen Frau Antonia („Toni“) Zuflucht gefunden, während<br />

Christian nach Amerika auswandern wollte.<br />

Siehe die Abbildung S. 14.<br />

13


17 ARNIM, LUDWIG ACHIM VON, 1781-1831. Eigenhändiges Gedicht. (1826.) 3 S. gr.-4°. Leicht fleckig,<br />

kleine Faltenrisse. (CHF 6’000.00)<br />

14<br />

Geburtstagsgedicht auf seinen Schwager Friedrich Karl von Savigny. Zwölf vierzeilige Strophen, in denen auf<br />

Savignys bahnbrechende Arbeiten über das römische Recht Bezug genommen wird.<br />

„Dem 21 Februar 1826.<br />

Wir sind italische Doktoren<br />

Und wollen hier Studenten sein,<br />

Der Doktorhuth ging uns verloren<br />

Als du zogst reisend bei uns ein.<br />

Wir lernten Deutsch, von dir zu lernen<br />

Wie einst Italien gedacht,<br />

Als von der Freiheit Segenssternen<br />

Sein schöner Himmel war bewacht.<br />

Die Sterne sind von uns gezogen,<br />

Sie gingen andern Landen auf,<br />

Doch du, du bliebest uns gewogen<br />

Und nahmst zu uns der Reise Lauf ...“<br />

Nr. 16 Ludwig Achim von Arnim<br />

Aus Savignys Nachlaß. – Gedichthandschriften von Arnim sind sehr selten.


18 – ORIOLA,MAXIMILIANE („Maxe“) GRÄFIN VON, älteste Tochter Ludwig Achim von Arnims und seiner<br />

Frau Bettina geb. Brentano, 1818-1894. 2 Tagebücher mit fast durchweg eigenhändigen Eintragungen,<br />

meist aus den Jahren 1839 bis 1842. Mit Bearbeitungsspuren (Streichungen, nachgetragene<br />

Datierungen usw.).<br />

a) 23.X.1839 bis 8.IV.1840 und 29.IX.1840 (als Rückblick auf die dazwischen liegenden Monate des<br />

Jahres 1840). Eine gemeinsame Widmung, geschrieben von Bettina (Gedicht mit Unterschrift „Mutter“),<br />

Armgart und Gisela von Arnim (zus. 2 S.) und 335 weitere beschriebene Seiten. 4°. Halblederband<br />

mit Rotschnitt (bestoßen).<br />

b) 7.IX.1841 bis nach dem 18.IX.1848. Titelblatt („Tagebuch meiner Gedanken den 7ten September 1841<br />

/ Eine Meiner schmerzlichsten Lebensgeschichten!“) und 118 beschriebene Seiten; vor und hinter dem<br />

Titelblatt einige S. (ohne Textverlust für das am 7.IX. beginnende Tagebuch) herausgeschnitten. Gr.-<br />

4°. Schwarzer Kalikoband mit Goldschnitt (ebenfalls bestoßen). Mit goldgeprägten Initialen auf<br />

dem Vorderdeckel. (CHF 10’000.00)<br />

Die beiden Tagebücher bilden für die Jahre 1839 bis 1842 die Haupt-Unterlage zu den Lebenserinnerungen<br />

Maxe von Arnims, die sie im Alter, stark gekürzt und willkürlich geändert, niederschrieb oder diktierte. Im<br />

Wesentlichen auf die späten Erinnerungen, nicht auf diese aus frischem Erleben entstandenen Tagebücher,<br />

geht das „Lebens- und Zeitbild“ zurück, das Johannes Werner 1937 unter dem Titel „Maxe von Arnim“ herausgegeben<br />

hat; einige 30 Seiten dort stehen 450 in den Tagebüchern gegenüber.<br />

Für die von Maxe später vorgenommenen Änderungen nur ein Beispiel: „er [Georg v. d. Groeben] sagte, sie [Gisela]<br />

wird der Max ähnlich“ (Tagebuch) wird in „Maxe von Arnim“ zu „Georg flüsterte mir zu: ‘Die wird noch<br />

schöner als die Maxe.’“<br />

Das eigenhändige Widmungsgedicht Bettinas lautet:<br />

„Gott bewahre dich zu dieser Frist<br />

Biß du eine schöne Braut bist<br />

So schön und Allerliebst und Gut<br />

Die der Giesel so gern was lernen Thut<br />

Und gern alles zusammen hält<br />

Was andren zu verderben gefällt<br />

Die Acht giebt daß die Schwestern sich nicht verkälten<br />

Und einander nicht mit Unrecht schelten<br />

Die so manches zerissne wieder flickt<br />

Lieber als daß sie Flitter stickt<br />

Die zufrieden ist im stillen Haus<br />

Und nicht verlangt nach Saus und Braus<br />

Die so schön mit Witz vermag zu spicken<br />

Was das Schicksal ihr beweißt an Tücken<br />

In Musick so heiter rein und Klar<br />

Ausspricht was ihr in bewegter Seele war<br />

Tanzt wie eine Nymphe schwätzt und lacht<br />

Auf dem Burghof in der Stillen Mondesnacht<br />

Wüßte Wer, wie ich es weiß welch<br />

Gutes Kind du bist Er würd sagen:<br />

Ach wie glücklich doch die Mutter ist.<br />

Drum wird Gott auch nur lauter Seegen<br />

auf dich giesen, jezt in deines Lebens Mai wenn er wird regnen“.<br />

Ebenso von Bettinas Hand stammt der Eintrag vom 1.I.1840: „Ich wünsch Dir daß es Dir von Jahr zu Jahr besser<br />

geht und daß Du von Jahr zu Jahr schöner wirst; seit dem vorigen Jahr bist Du viel schöner geworden. / Mutter“.<br />

Inhalt in Stichworten:<br />

Bärwalde. Idyllisches Leben mit Mutter, Schwestern und dem übellaunigen Bruder Freimund. Maxe unterrichtet<br />

die hochbegabte, aber widerspenstige und von der Mutter verzogene Gisela. – Berlin. Eintritt in die<br />

Große Welt. Hoffeste. Triumphe Maxes und Armgarts. Ein Scherz König Friedrich Wilhelms III. („nein, mag die<br />

Mädchen nicht, mir unausstehlich, werden nicht wieder eingeladen“). Liebesglück und -leid. Prinz Adalbert von<br />

Preußen. Fürst Felix Lichnowsky. Savignysche „Intrieguen“. – Frankfurt a.M. Lichnowsky im „Kaufmannshaus“<br />

der Brentanos in der Sandgasse, peinliche Auftritte. „Zum zweitenmal enttäuscht, verraten, verlassen“. Bettinas<br />

Mitschuld. Franz Liszt Verehrer Armgarts. – Bärwalde und Berlin. Resignation.<br />

15


Bettinas Erzählungen in Maxes Wiedergabe (in „Maxe von Arnim“ nicht gedruckt):<br />

30.X.1839. „... in einer großen Gesellschaft steht die Albertin [?] und spricht mit Tiekchen, Mutter [Bettina] schlupft<br />

hinter ihr und steckt ihre Arme unter dem Schaal der Albertin wo dieselbe die ihrigen eingehüllt, hervor, packt dem Tiek<br />

seine sehr zärtlich, der ganz flatirt hierüber der Albertin eine Liebenswürdigkeit nach der anderen macht, welche ganz<br />

erstaunt hierüber dennoch die Artigkeiten nicht abweißt; da drückt die Mutter Tieks Hand heftig an den Busen der Albertin,<br />

ihm wird ganz heiß er glaubt sie habe zu viel champagner getrunken, sie aber höchst erschrocken über die Nähe<br />

seiner Hand, fühlt endlich daß ein Doppelgänger mit ihr ist was – was ist denn das! dreht sich um: Bettine was fängst<br />

du an du infames Mensch ... worauf die Mutter spricht ei! was willst du denn ich habe dir auf die schönste Weise ein<br />

zärtlich tète à tète mit Tiek verschaft ...“<br />

16.XI.1839. „... Zu Tisch erzählte uns die Mutter die reizendsten Geschichten aus ihrer Jugend eine Liebes Geschichte<br />

mit dem Moritz Bethmann, eine mit dem schönen Gärtner ... Die Mutter erzählte uns zum Gegenstück ihrer Liebesgeschichten<br />

einige einzige Anekdoten von der Tante Meline“ (die jüngste Schwester von Bettina und Clemens) „ihre<br />

Kurmacher, ein dicker Herr Belli Frankfurter Kaufmann flammte für sie, auf einer Landpartie wollte er ihr dies recht zu<br />

verstehen geben[,] sich im schönsten Lichte zeigen in einer Laube wo zu wenig Bänke waren, stellte er sich auf Händ und<br />

Füße und lud die Meline ein auf seiner Rückenbank so weich gepolstert und elastisch, Platz zu nehmen und so zudringlich,<br />

daß die Tante Meline ihre Schwester beim Arm packte ausspieh und fortlief, mit den Worten, ach was macht mir der<br />

Belli so übel ... Später sagte sie ihm ein mal, er solle nach England gehen um sich zu zerstreuen, und um der schönen Meline<br />

seine grenzenlose Leidenschaft zu beweisen reiset er augenblicklich hin, trägt aber dem Guaita“ (Georg Friedrich<br />

von G., der spätere mehrmalige Bürgermeister von Frankfurt a.M) „der damals noch häßlicher war als jetzt von<br />

dem er also gewiß nichts zu befürchten glaubte, auf zur Meline zu gehn, und ein gut Wort für ihn bei ihr einzulegen.<br />

Guaita setzt sich auch tagtäglich auf den Gaul den der ehrliche Belli ihm hierzu gegeben, reitet zur Meline, aber anstatt<br />

dem Vertrag gemäß, das gute Wort anzubringen, fängt er sächtchen an ihr von sich selbst eine überredende schleichende<br />

Cur zu machen, und eh man sich’s versieht schluckt er ihm den himmlisch schönen Engel [weg] ...“<br />

17.XI.1839. Bettinas Traum von der „Tante Savigny“ (Bettinas Schwester Gunda war seit 1804 mit Friedrich Karl<br />

von S. verheiratet) „die sich im Guten vom Onkel scheiden ließ, den Göthe heirathete und dann wieder beim Onkel einrückte<br />

... Frau von Göthe frägt die Tante sie sei gewiß dem Göthe deßhalb wieder fortgelaufen weil sie nicht genug Weißzeug<br />

gefunden, worauf die Tante antwortet o nein s’sei alles dagewesen bis auf die Handtücher ... der Hausknecht trägt<br />

den Teller nach der Restauration, wo der G. eine Blutwurst verzehren will ...“<br />

7.I.1840. Über Bettinas Eltern und Geschwister. „... Die Paule, ihre Anmuth Kindlichkeit und Eitelkeit vorm Spiegel<br />

... Ihre Verheirathung mit dem Herrn von Wasmer, der ein heimlicher Teufel, sie grade zu umbrachte, der Mutter derbe<br />

Antwort als er nachher ihr die Kur zu machen sich erlaubte; sie droht ihm grade zu ins Gesicht ‘glauben Sie nicht Sie<br />

Blaubart, daß Sie mit mir ebenso auskommen würden, ich nehm das erste beste Küchenmesser und ertheile Ihnen Ihren<br />

Lohn’; Die Schwester Sophie. Ihre großartige Seele und Schönheit, troz dem erblindeten Auge; wenn sie wäre am Leben<br />

geblieben wäre wahrscheinlich die Gundel ganz anders geworden, weil die Sophie, die lauter Liebe athmete, sehr viel Einfluß<br />

auf sie hatte, der Bruder Peter, obwohl er pucklich war, so bildschön ... Vom damaligen Hauswesen wie der Großvater<br />

... alles so fein und nobel gehalten und grandios<br />

... seine Frauen; unsre Großmutter die schönste und zu der er auch die glühendste Liebe hatte; er lag fast täglich vor ihr<br />

auf den Knieen; als er sie heirathete, war sie 15 Jahr; nahm ihre prächtige Wachspuppe mit in den Ehestand, ihr Mann<br />

kauft ihr noch welche ... der Vater vom jetzigen König von Preußen verliebte sich in sie, schickte ihr den andren Tag ein<br />

paar Brillantne Ohringe ... Die Schönheit des Großvaters seine Grazie und Feinheit seine Eigenheiten und Launen, das<br />

rothe Stück Zeug worin er das ganze Haus kleiden ließ, wie er mit seinen Kindern umging, feierlich ... die Mutter der<br />

Liebling des Vaters ... das erste Haus war sein Haus, alle Fürstlichkeiten gingen ein und aus, man sah ihm an der Stirn<br />

an daß er ein geborner Herzog sei ... Meine Mutter erinnert sich immer noch so deutlich wenn er am Sonntag morgen<br />

dastand festlich gekleidet mit dem Degen an der Seite was damals zum feinsten Ton gehörte, obwohl er Kaufmann war<br />

...“<br />

19 BAMM, PETER, Pseudonym für Curt Emmrich, 1897-1975. 2 L.A.S. und 1 C.P.A.S. Königssee, Baden-<br />

Baden und (London) 18.I.1949 bis (12.II.1967). 7 S. folio und die Karte. Zum Teil leichte Randläsuren<br />

und etwas gebräunt. (CHF 250.00)<br />

16<br />

An den Kunsthistoriker und -händler Eduard Plietzsch (1886-1961) und dessen Frau.<br />

Königssee 18.I.1949. „... ‘Ex Ovo’ ist erschienen. Mit einer herrlichen Umschlagzeichnung des alten Meisters Olaf Gulbransson.<br />

Das 1. bis 20. Tausend ist vergriffen ...<br />

Dass ich Ihren Brief vom September noch nicht beantwortet habe, liegt an einer von 372 Seiten – geschrieben von einem<br />

faulen Menschen – begreiflichen Abneigung gegen den Federhalter. Erst durch wochenlanges Skatspielen gewann ich<br />

mein seelisches Gleichgewicht zurück ...“


Baden-Baden 16.II.1963, nach dem Tod von Plietzsch, mit dem Dank für ein zurückgesandtes Manuskript. „...<br />

Ich bin sehr froh, dass ich es wieder habe. Der Ede war doch so ein ungeheuer zuverlässiger Mann. Da hab’ ich ihm damals<br />

das letzte Exemplar geschickt. Das kommt doch dann später mal in die Biographie. Dafür hatte ich einmal den schönen<br />

Titel ‘Der grosse Wicht’ und Ede war es, der mich mit seiner sächsischen Skepsis darauf aufmerksam machte, dass das<br />

doch einen verzweifelten Doppelsinn habe.<br />

Der Ede ... fehlt mir sehr … Ich werde nie vergessen, dass es der Ede war, der als allererster Mensch ... mich als eine literarische<br />

Figur betrachtet hat ...“<br />

„Mon Opium me cause beaucoup d’inquiétudes“<br />

20 BAUDELAIRE, CHARLES, einer der größten französischen Lyriker, 1821-1867. L.A.S. „Charles“. [Paris]<br />

11.XII.1858. 1 Doppelblatt 8°, die erste Seite beschrieben. Am Kopf blindgeprägtes Wappen (von<br />

Baudelaire viermal durchgestrichen). (CHF 5’000.00)<br />

An seine Mutter, Caroline Aupick, der er Neuerscheinungen schickt und der er seinen Kummer über die nicht<br />

recht weitergehende Arbeit an seinen „Les Paradis artificiels. Opium et Haschisch“ mitteilt.<br />

„…Je t’expédie un nouveau paquet; car tous mes retards ne disent pas que j’aie lâché mon but.<br />

Ne m’écris pas, ou si tu m’écris, que ce soit 22, Rue Beautreillis. Seulement il est possible que je sois à Alençon, pendant<br />

que ta lettre arrivera.<br />

J’enlève demain mes dernières affaires de l’hôtel Voltaire.<br />

J’ai encore quatre envois à te faire, dont je ferai faire les caisses ou les enveloppes après mon très-court séjour à Alençon.<br />

Mon Opium me cause beaucoup d’inquiétudes. J’ai dans l’idée que j’ai fait quelque chose de détestable. C’est bien la peine<br />

d’apprendre à connaître les poisons pour n’en pas savoir tirer plus de talent.<br />

Tu as reçu l’Amour de Michelet ; Immense succès, succès de femmes ; je ne l’ai pas lu, et je crois pouvoir deviner que<br />

c’est un livre répugnant.<br />

Fanny, immense succès, livre répugnant, archi-répugnant.<br />

17


Quant aux Sonnets humoristiques, c’est un livre charmant.<br />

S’il me reste un peu d’argent, je ‘t’apporterai des Etrennes. – Je t’embrasse de tout mon cœur. – Charles.“<br />

Die „Paradis artificiels“ erschienen erst 1860; in ihnen verarbeitet Baudelaire seine Erfahrungen mit Drogen,<br />

die er seit den 40er Jahren im Pariser „Club des Haschischins“ gemacht hatte; neben Baudelaire gehörten auch<br />

Théophile Gautier, Nerval, Delacroix und Dumas père zu den Mitgliedern. In den 60er Jahren wurde Baudelaire<br />

opiumsüchtig.<br />

1857 war Baudelaires wichtigster Gedichtband erschienen, die „Fleurs du mal“.<br />

Die im Text genannten Bücher sind: die Romane ‘L’Amour’ des Historikers Jules Michelet (1798-1874) und<br />

‚Fanny’ von Ernest Feydeau (1821-1873) sowie die ‚Sonnets humoristiques’ von Joséphin Soulary (1815-1891).<br />

Gedruckt in: Correspondance, Bibliothèque de la Pléiade, Band I, S. 532.<br />

Aus der Sammlung Armand Godoy.<br />

21 BEAUMARCHAIS, PIERRE-AUGUSTIN CARON DE, Textdichter der „Hochzeit des Figaro“, 1732-1799.<br />

Schriftstück mit Unterschrift Paris 11.XI.(1783). 1 S. 4°. (CHF 800.00)<br />

Mehrere Käufer einer Leibrente, darunter Beaumarchais, verpflichten sich mit ihrer Unterschrift zur Zahlung<br />

von 10.000 Livres zum 1.I.1787.<br />

„payes dabord et tu reclâmeras ensuite“<br />

22 BEAUMARCHAIS, PIERRE AUGUSTIN CARON DE, 1732-1799. L.A.S. „Caron Beaumarchais“. [Paris] „ce 28<br />

prairial, an 5“ (16.VI.1797). 1 Einzelblatt 4°, der Brieftext auf der Vorderseite, die integrale Adresse<br />

auf der Rückseite. (CHF 2’400.00)<br />

An den Citoyen Jean-Baptiste Réveillon (1727-1811), den Besitzer der berühmten Pariser Tapeten- und Papiermanufaktur,<br />

bei dem er in der Kreide stand. Beaumarchais schickt ihm durch seinen Schwiegersohn soviel er<br />

kann: sechshundert Pfund. Er verspricht weitere Zahlungen, protestiert aber gegen die Frist von drei Tagen<br />

und die Androhung der Pfändung seines Mobiliars.<br />

„…Quand on m’a remis hier 15 juin, ou 27 prairial, votre lettre a la quelle vous me demandiés réponse, j’ai voulu la remettre<br />

sur le champs; votre homme était parti. Aujourd’hui je vous envoye, par mon gendre, six cents livres, denier de la<br />

veuve, dont vous lui donnerés un recu. Chaque petite rentrée qui me viendra je metterai de mesme a part pour vous. Mais<br />

l’ordre de payer, sous trois jours, imposition trop forcée, contre la quelle je réclame, sous peine de saisie et vente de meubles,<br />

me force a me garantir a tout prix de cette vexation inouie; car on me dit: payes dabord et tu reclâmeras ensuite.<br />

Je vous salue vous honore et vous aime…“<br />

Beaumarchais war 1796 aus seinem Exil wieder nach Paris zurückgekehrt, wo er – trotz der Erfolge seiner drei<br />

Figaro-Komödien – in ärmlichen finanziellen Verhältnissen lebte.<br />

Sehr selten.<br />

23 BECKETT, SAMUEL, irischer Schriftsteller, erhielt 1969 den Nobelpreis für <strong>Literatur</strong>, 1906-1989. L.A.S.<br />

Paris 19.XI.1968. 1 Briefkarte quer-8°, die Vorderseite beschrieben. Mit dem dazugehörigen, eigenhändig<br />

adressierten Couvert. (CHF 500.00)<br />

18<br />

Notiz an einen Autographensammler in London, der sich eine Handschriftenprobe erbeten und Bücher<br />

gesandt hatte, die Beckett wohl mit Widmungen versehen sollte:<br />

„…Thank you for your moving letter, good to get on such a day as today.<br />

I am returning the books separately.<br />

I am not sure what you mean by a brouillon. These few lines are one certainly – in their need of improvement. I hope they<br />

will not seem to you too inadequate…“


24* BENN, GOTTFRIED, 1886-1956. L.A.S. "G. B." (Berlin) 12.VII.1933. 4 1/2 S. 8° und kl.-8°. Mit eigenhändig<br />

adressiertem Umschlag (etwas defekt). - Dazu 3 Widmungsexemplare. (CHF 3'000.00)<br />

An die Journalistin Käthe von Porada, Feuilleton-Korrespondentin der "Frankfurter Zeitung" in Paris, die den<br />

Auftrag erhalten hatte, Benns politische Haltung zu erkunden. Nach ihrem ersten Zusammentreffen in Berlin<br />

fühlte sich Benn ihr "merkwürdig verbunden" und überschüttete sie mit Briefen.<br />

„Liebe, / wollen Sie bitte den Brief an Jolas nicht anderen Leuten zeigen. Sie selber können ihn natürlich haben, es wird<br />

mir sympathisch sein, ihn bei Ihnen zu wissen. Wollen Sie bitte ganz allgemein, niemanden aufklären über mich. Mir<br />

liegt so absolut nichts dran. Über Dinge u Sachen sollen Sie natürlich aufklären, wenn Sie es mögen. Ich lebe so vollkommen<br />

isoliert u. für mich, mir ist es ganz gleich, was man von mir hält, lassen Sie mich Ihre private Beziehung sein, das<br />

wird mich beglücken.<br />

Vielen Dank für den Katalog über die Schule. Ich meine seit Langem, dass nur die Architektur den modernen Raum enthält<br />

u. das neue Zeitgefühl. Nur sie entwickelt eigentlich einen durchgehenden Stil, etwas Überindividuelles. So auch<br />

hier. Nur ist sie natürlich rein bürgerlich-genusssüchtig, selbst wenn sie eine Karl Marx Schule entwirft u. den tragischen<br />

Akzent einer bestimmten Religion übernehmen will ... Es fehlt in dieser ville juif der Tempel, der allein dem Stil<br />

Tiefe, der Bauart Anthropologie verliehe. Dieser Bau wird aufgeführt wie eine Revue: 40000 Kubikmeter Erde werden bearbeitet,<br />

die elektrische Leitung ist 5 km Gussstahlröhren u. 12 km Drähte, 240000 Mauersteine bilden eine Wand - nun<br />

ist der Prospekt fertig u. die Firmen können inserieren. Das ist die Hauptsache. Und die Kinder, die hier herangesonnt,<br />

gesportelt, geduscht werden, sind u. werden die gleichen marxistisch-opportunistischen Pöbelwesen, mit denen die<br />

Menschheit bereits übervölkert ist. Vom Tempel müsste man ausgehn, von Kultur, sonst bleibt die Architektur doch<br />

immer wohl nur zweitrangig. Niedlich, ausdrucksreich, belebend, aber zweitrangig ...“<br />

Dazu 3 Widmungsexemplare Benns an Käthe von Porada:<br />

I) "Gesammelte Gedichte". Berlin, Die Schmiede 1927. 188 S. Gr.-8°. Leinenband mit Schutzumschlag. - Erste<br />

Ausgabe (WG² 15). - Auf dem Vorsatzblatt die Widmung: "'- in keinem Wort, in keinem Walten ist etwas, wo dein<br />

Dunkel ruht -' / (S. 188) / Frau Käthe von Porada in aufrichtiger Verehrung. / Gottfried Benn / 3/7. 33."<br />

II) "Altern als Problem für Künstler". Wiesbaden, Limes 1954. 46 S. Gr.-8°. Orig.-Broschur. - Erste Ausgabe<br />

(WG² 46). - Auf dem Vorsatzblatt die Widmung: "Kleiner Gruss an [sic] fernem Land an Madame Käte von Porada!<br />

/ Gottfried Benn / Berlin / VI/54".<br />

19


III) "Aprèslude / Gedichte 1955". Wiesbaden, Limes 1955. 40 S. gr.-8°. Orig.-Broschur. - Erste Ausgabe (WG²<br />

48). - Auf dem Vorsatzblatt die Widmung: "'Die weisse Perle rollt zurück ins Meer' / (S 15) / Frau Käte von Porada<br />

mit freundschaftlichem Gruss! / Gottfried Benn. / Berlin / April 1956."<br />

"In alter Zeitgenossenschaftlichkeit"<br />

25* BENN, GOTTFRIED, 1886-1956. L.A.S. "Benn". (Berlin) 30.IX.1933. 2 S. 8° (Briefkarte). Gelocht, etwas<br />

unfrisch. - Dazu 6 Widmungsexemplare. (4'000.00)<br />

An den Schriftsteller und Kritiker Rudolf Kurtz (1884-1960).<br />

"Lieber Kurtz, / ich hoffe, dass unsere kleine Differenz keine Folgen für unsere alte Freundschaft hat. Aber ich habe Sie<br />

so wenig kurz begrüsst u. hatte es so wenig eilig, dass ich gestern am Telefon zunächst garnicht wusste, was Sie meinten.<br />

Ich war nur sehr in Gedanken, in Spannung, Verschlossenheit, unfemininer Sprungstellung u. für gesellschaftliche<br />

Gespräche nicht geeignet. Haben Sie also Nachsicht mit einem armen Geist, der sprunghaft lebt u. häufig umzieht, ich<br />

sehe nämlich gerade Möbelwagen auf der Strasse ..."<br />

Dazu 6 Widmungsexemplare mit eigenhändigen Widmungen und Unterschriften Benns für Kurtz:<br />

I) "Schutt". Berlin, Alfred Richard Meyer 1924. 8 Bl. Folio. Unbeschnitten, geheftet. Das erste und das letzte<br />

Blatt defekt. Papierbedingt gebräunt. - Erste Ausgabe (WG² 11). - Auf Blatt 1 recto die Widmung: "Herrn Rudolf<br />

Kurtz mit bestem Gruß in Erinnerung an ein anderes Flugblatt: 1912. / Benn / 28/4 24."<br />

II) "Spaltung / Neue Gedichte". Berlin, Alfred Richard Meyer 1925. 38 S. Gr.-8°. Orig.-Broschur (Fehlstelle). -<br />

Erste Ausgabe (WG² 14). - Auf dem Vorsatzblatt die Widmung: "Dies erste Exemplar der II. Auflage von 'Schutt'<br />

für Herrn Rudolf Kurtz in alter Freundschaft, Dankbarkeit u. Skepsis: / Motto: Seite 28: / 'Das ist die weiche Birne -' /<br />

Gottfried Benn / 20. XI. 25."<br />

III) "Gesammelte Prosa". Potsdam, Gustav Kiepenheuer 1928. 228 S. Gr.-8°. Leinenband mit Schutzumschlag.<br />

- Erste Ausgabe (WG² 16). - Auf dem Vorsatzblatt die Widmung: "Lieber Herr Kurtz, diesen mehrfach zu Vorlesungen<br />

etc benutzten u. bleistiftverzierten Band erlaube ich mir als späte Zueignung an Sie zu senden. / Ihr / Gottfried<br />

Benn. / (vorm. Pschorr Stammtisch)".<br />

IV) "Fazit der Perspektiven". Berlin, Gustav Kiepenheuer 1930. 141 S. 8°. - Orig.-Broschur. Erste Ausgabe (WG²<br />

17). - Auf dem Vorsatzblatt die Widmung: "Rudolf Kurtz, / in alter Kameradschaft. 26 XI 30 / Gottfried Benn."<br />

V) "Nach dem Nihilismus". Berlin, Gustav Kiepenheuer 1932. 163 S. 8°. Leinenband mit Schutzumschlag<br />

(etwas defekt). - Erste Ausgabe (WG² 19). - Auf dem Vorsatzblatt die Widmung: "Herrn Rudolf Kurtz, / mit<br />

freundschaftlichem Gruss; kein Grund zu stürmischer Ergiessung; - Betrachtungen, Formulierungen, auch Abneigungen,<br />

- der Geist als Ganzes ist wohl nicht sehr machtvoll u. auch nicht sehr verantwortlich in dieser Weihnachtszeit. / In<br />

alter Zeitgenossenschaftlichkeit / Ihr / Benn/ 3 XII 32".<br />

VI) "Der neue Staat und die Intellektuellen". Stuttgart, Berlin, Deutsche Verlags-Anstalt 1933. 164 S. 8°. Leinenband<br />

mit Schutzumschlag. - Erste Ausgabe (WG² 20). - Auf dem Vorsatzblatt die Widmung: "Herrn Rudolf<br />

Kurtz, / '- das Paradies ist im Schatten der Schwerter -' sehr freundschaftlich: / Gottfried Benn. / 4/7. 33."<br />

Beiliegend Benns Todesanzeige für Kurtz.<br />

"Morchen, einziger Mensch, an dem ich hänge ..."<br />

26* BENN, GOTTFRIED, 1886-1956. 2 L.A.S. "G". (Hannover) 4.V. und 22.XII.(1935). Je 2 S. folio (Mittelfalte<br />

eingerissen) und 8° (Briefkarte). - Dazu das Widmungsexemplar: "Ausgewählte Gedichte / 1911-<br />

1936". Stuttgart und Berlin, Deutsche Verlags-Anstalt 1936. 104 S. 8°. Orig.-Leinenband. - Erste Ausgabe<br />

(WG² 24). (CHF 6'000.00)<br />

20<br />

Liebevolle Briefe an seine Freundin, die Schauspielerin Elinor Büller - eine der wichtigsten Frauen in Benns<br />

Leben.<br />

4. Mai. "Aber Morchen, Du sprichst ja sehr sehr energisch mit mir in Deinem gestrigen Brief. Das ist doch wohl schon<br />

mal möglich, dass man einen Namen nicht lesen kann oder sich nicht merkt. Aber Du willst wahrscheinlich auch garnicht,<br />

dass ich Deine Attacke all zu ernst nehme. Du weisst ja, wie sehr ich Deine Wege u. alle Deine Mühen um Arbeit<br />

etc - begleite u. mit Gedanken verfolge. Bist ja blöd, so loszuschimpfen! ...<br />

Herr Reiss: Gottseidank, dass er wieder fort ist. Unerträglicher Nörgler u. Stänker. Aus dem Hotel 'Ernst August' zog<br />

er wieder aus, war nicht gut genug für ihn, der Kasten, da fing er auch Krach an mit dem Kellner. Der kleine Fordwa-


gen, den ich bestellt hatte für Reinhardt, war zu schäbig, ein grosser Buick musste ran. Und dann wieder nach 10 Bier<br />

im Lokal Pöbelei mit dem Geschäftführer. So sind Juden: erst lauschen u wittern sie, ob man sie rausschmeisst; schmeisst<br />

man sie nicht raus, werden sie frech. Mein Bedarf an Juden ist gedeckt ..."<br />

22. Dezember. "Liebes Morchen, manchmal denke ich, es genügt zu Weihnachten, dass man sich klar macht, wie rätselhaft<br />

gut es ist, dass wir alle nicht krank sind, noch am Leben sind, keine ernsten Leiden haben, eine Wohnung, die Kinder<br />

einigermassen zufrieden mit sich u. dem Schiksal, das man ihnen sehr unüberlegt auferlegt hat. Das denke ich heute<br />

manchmal, aber Du denkst es nicht, Du bist realer, dingnäher, vielleicht verfeinerter als ich u. willst ausserdem noch gut<br />

u schön leben! Sollst Du auch, Morle! Das Bild im Profil von Nele" (seiner Tochter) "- hast Du das noch? ... hübsch ist<br />

sie da auch nicht. Ist halt kein hübsches Kind u. wird keine Liebe finden ..."<br />

Das Widmungsexemplar mit einem eigenhändigem Gedicht mit Unterschrift auf dem Vorsatzblatt:<br />

"2. V 1886 / 2. V 1936<br />

Morchen, einziger Mensch, an dem ich hänge,<br />

immer die neuen, die alten, die schmerzlichen Gesänge,<br />

weiss schon selber nicht mehr, wo u. wer das war:<br />

blondes, braunes, schwarzes und jetzt weisses Haar.<br />

Weiss schon selber nicht mehr, wo der einzelne Vers entstand,<br />

in welchem Thule, in welchem verlorenen Land.<br />

Schakale alles, vorüber, Frau u. Mann,<br />

niemand ist geblieben, niemanden sehe ich an,<br />

Morchen allein ist Dauer, Freundschaft u. Menschheitssinn:<br />

Stell in die Klingsorstrasse, die liebe, das Büchlein hin.<br />

Hannover. Gottfried Benn."<br />

21


Die erste Ausgabe der "Ausgewählten Gedichte" erschien 1936 zu Benns 50. Geburtstag. In der SS-Wochenzeitung<br />

"Das schwarze Korps" vom 7. Mai wurde seine Dichtung daraufhin als pervers denunziert, die Ausgabe<br />

wurde im Sommer von den NS-Behörden verboten. Ein bereinigter Neudruck der "Ausgewählten Gedichte"<br />

erschien 1937.<br />

Beiliegend 3 weitere Widmungsexemplare Benns für Elinor Büller:<br />

I) "Das Unaufhörliche / Oratorium / Text von Gottfried Benn / Musik von Paul Hindemith / Textbuch".<br />

Mainz, Schott 1931. 27 S. Gr.-8°. Geheftet. - Erste Ausgabe (WG² 18);<br />

II) Peter Hamecher: "Entformung und Gestalt / Gottfried Benn / Stefan George." Die Blaue Reihe, Verlag Die<br />

Rabenpresse, Berlin 1932. 31 S. gr.-8°. Orig-Umschlag (lose); und<br />

III) "Gottfried Benn: Sechs Gedichte". In: Die <strong>Literatur</strong> / Monatsschrift für <strong>Literatur</strong>freunde. Das Literarische<br />

Echo, 39. Jg., Heft 4, Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt, Januar 1937.<br />

27* BENN, GOTTFRIED, 1886-1956. Widmungsexemplar: "Gedichte". In: Das Gedicht. Blätter für die Dichtung,<br />

hrsg. von Heinrich Ellermann, Folge 2, Nr. 7, Hamburg, Januar 1936. Titelblatt und 18 lose Bll.<br />

Gr.-8°. Orig.-Umschlag (Rückenfalte gebrochen). - Erste Ausgabe (WG² 25). (CHF 800.00)<br />

Auf dem Titelblatt eine eigenhändige Widmung an den Bremer Kaufmann und Juristen Friedrich Wilhelm<br />

Oelze (1891-1978), seinen kritischen Bewunderer und vertrauten Berater:<br />

"'- Wer spricht von Siegen? Überstehn ist Alles!'<br />

Rilke.<br />

Herrn Oelze / von Gottfried Benn. / 2. I 1936."<br />

Darunter die kurze Widmung eines Dritten. - In seinem Brief an Oelze vom selben Tag, Oelzes Geburtstag,<br />

weist Benn auf einen ärgerlichen Druckfehler im Gedicht "Noch einmal" hin; dieser ist im Druck von Benn<br />

handschriftlich verbessert (vgl. G.B., Briefe an F.W. Oelze, Wiesbaden und München 1977, Nr. 58).<br />

28 BENN, GOTTFRIED, 1886-1956. L.A.S. Berlin 24.XII.1941. 2 S. 12° (Briefkarte). Mit gedrucktem Briefkopf.<br />

Klammerspur. (CHF 800.00)<br />

An (Alexander Amersdorfer), Sekretär der Preußischen Akademie der Künste, mit Weihnachts- und Neu -<br />

jahrs wünschen.<br />

„... Das neue Jahr wird ja nun wohl die Entscheidung bringen, die weiter nicht herausgeschoben werden kann ...“ – Am<br />

Kopf ein Antwortvermerk des Empfängers (in Blei).<br />

Beiliegend ein eigenhändiges Billett an denselben, 30.XII.1940.<br />

29<br />

„Nicht unbeachtlich!“<br />

BENN, GOTTFRIED, 1886-1956. L.A.S. [Berlin] 5.VII.1949. 1 Einzelblatt 4°, die Vorderseite beschrieben.<br />

Blaues Briefpapier, gelocht. (CHF 1’200.00)<br />

An den Schriftsteller Gert Micha Simon (geb. 1929), der ihm ein Manuskript zur Lektüre zugeschickt hatte.<br />

„…Nicht unbeachtlich! Was Sie vielleicht noch hätten tun können, ist durchscheinen zu lassen, dass es kein reiner Sonderfall,<br />

keine physiologische Extravaganz, sondern dass im Coitus des Mannes an sich und grundsätzlich die Perversität<br />

und die Kriminalität zu Hause ist, dass es also überraschend ist, wie selten er im Lustmord endet. Arbeiten Sie weiter…“<br />

30* BENN, GOTTFRIED, 1886-1956. Widmungsexemplar: "Trunkene Flut / Ausgewählte Gedichte". Wiesbaden,<br />

Limes Verlag (1952). 120 S. Gr.-8°. Orig.-Pappband (leicht bestoßen) mit Schutzumschlag.<br />

(CHF 800.00)<br />

22


Auf dem Vorsatzblatt (leicht gebräunt) die eigenhändige Widmung:<br />

"'Gesänge', S. 33.<br />

'schon ein Libellenkopf, ein Mövenflügel wäre zu weit und litte schon zu sehr.'<br />

Herrn Dr. Max Marcus in Dankbarkeit für seinen Besuch am 28. IX 54 in der Bozenerstr. / Gottfried Benn."<br />

31 BERGENGRUEN, WERNER, 1892-1964. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift O.O. 17.IX.1928. 1<br />

S. 8°. Mit einem montierten Portrait (Zeitungsausschnitt) am Kopf. (CHF 250.00)<br />

„O Garten süßer Schwüle,<br />

Erblühen und Vergehn!<br />

O ehern-strenge Kühle,<br />

Drin Gottes Engel stehn!“<br />

Auf der Rückseite: „Mit bestem Dank für die freundlichen Glückwünsche!“<br />

„retardierende Momente“<br />

32 BERGENGRUEN, WERNER, 1892-1964. 3 L.S. und 8 C.P.A.S. Achenkirch und Zürich 18.X.1942 bis<br />

17.IX.1953. 3 S. gr.-8° und die Karten. Gelocht, teilweise kleine Einrisse und etwas fleckig, einige<br />

Karten mit Knickfalte. (CHF 400.00)<br />

An den Archivrat Hubert Vogel in München, die ersten sechs Schreiben aus den Kriegsjahren.<br />

Achenkirch 7.I.1943. „... wenn auch das ‘Hornunger Heimweh’ noch in München auf die Möglichkeit der Absendung<br />

warten muß, so hoffe ich Ihnen mit einem andern kleinen Büchlein vielleicht über eine unausgefüllte Stunde, wie ich aus<br />

meiner langjährigen Militärzeit deren so viele kenne, hinweghelfen zu können ... Ihre Ueberzeugung vom Jahre 43 teile<br />

ich grundsätzlich durchaus, dazwischen kommen nur pessimistischere Anwandlungen, in denen die retardierenden Momente<br />

sich mehr in den Vordergrund schieben wollen ...“<br />

Zürich (1948). „... Ich bin seit kurzem aus Deuschland zurück, überwiegend voll positiver Eindrücke und in Zuversicht ...“<br />

Beiliegend 2 signierte Drucke, Dank für Glückwünsche zum Geburtstag (Zürich o.D. und Baden-Baden 1962).<br />

„Nietzsche oder Goethe oder Aeschylos wären entzückt von ihnen gewesen“<br />

33 BINDING, RUDOLF GEORG, 1867-1938. 5 L.A.S. „Dein Freund“. Badenweiler und Buchschlag<br />

14.VI.1911 bis 19.IX.1919. 22 S. gr.-8°. Einige kleine Faltenrisse. (CHF 750.00)<br />

An Eva Connstein geb. Annecke (1877-1942), die „Freundin seines Lebens“.<br />

Badenweiler 14.VI.1911. „... Gestern Abend tanzten hier die beiden übrig gebliebenen Wiesenthals ... Da ich sie noch<br />

nicht gesehen hatte, ging ich hin – und da ich sie nun gesehen habe, würde ich auch wieder hingehen. Denn ich hätte<br />

nicht gedacht, dass so etwas so schön sein könne; so durchdacht und doch so spontané. Es ist wirklich köstlich, wie sie<br />

alle Empfindungen in die Glieder legen können ... Ich glaube, Nietzsche oder Goethe oder Aeschylos wären entzückt von<br />

ihnen gewesen ...“<br />

Buchschlag 2.I.1912. „... Wenn Du, Liebste, sagst, Äußerungen von Freunden oder Freundinnen wie jene, die ich Dir<br />

neulich anführte, beeinflussten unwillkürlich und Du habest mich lieber unbeeinflusst, so ist dieses letztere, das Unbeeinflusst-Bleiben<br />

zwischen uns doch wohl selbstverständlich ... Und zwischen uns selbst? Findest Du, daß Du mich, daß<br />

ich Dich irgendwie beeinflussen will oder auch nur unbewusst beeinflusse?...“<br />

Buchschlag 19.IX.1919. „... Auf Spürwegen gelangte ich neulich zufällig fast an Kants Allgemeine Naturgeschichte<br />

und Theorie des Himmels. Ich bin begeistert. Dass dieser Knöcherne eine derartige Dichtung hervorbringen konnte! Aber<br />

er hat ja wohl für nichts gelebt als nur diesem grossen Gegensatz: das Ich in mir und die Sterne über mir. Dieser wunderbaren<br />

Vision der geordneten Unendlichkeit vermag man nicht zu widerstehen, so naiv, kindlich und überholt so<br />

manches ist, was er vorbringt ...“ – Am Schluß das Gedicht: „Ist es Traum denn, wenn du nahest? / wenn du lächelnd<br />

mich umfassest, / bin ich dann auf Erden noch? / Ja, es ist das heitre Leben, / Sonne, Liebe, Früchte, Reben, / und wir<br />

sind es beide doch.“<br />

23


Beiliegend 3 weitere L.A.S. Bindings; Buchschlag 1929, an Herrn Osterroth wegen der Vertonung seines Gedichtes<br />

„Junges Deutschland“; Buchschlag 1927, an eine Graphologin; und Buchschlag 26.VI.1933, an einen<br />

Freund wegen eines „Artikel in der Köln. Ztg“.<br />

„Muthwillige knaben“<br />

34 BODMER, JOHANN JAKOB, 1698-1783. L.A.S. „Bo“. (Zürich) 7.I.1774. 2 S. 4°. Schwach gebräunt, zwei<br />

winzige Löcher. (CHF 7’500.00)<br />

Inhaltsreicher Brief an einen befreundeten Gelehrten.<br />

„Mein Theuerster. / Ich fürchte nicht, daß es in der macht der sonnenwinde oder des Zodiakus steht, Ihr hertz von mir<br />

abzuwenden oder meine hochachtung und freundschaft für Sie zu verlieren. Klopstoks verlegungsplan ist mir selbst noch<br />

nicht zu sehn geworden. Das blatt das er mir geschikt hat, ist sehr unleserlich, und ich hab es nicht mehr.<br />

Ich verstand durch leute von trägem geist solche die langsamen glaubens sind, die selbst nicht denken, und andere, die<br />

in den ersten wahrheiten viel Schwierigkeiten finden und mühe haben, sich richtige begriffe davon zu machen. Ich denke<br />

der beweis von der Vorsehung sey so auffallend, daß ein nur gewöhnlich offener, heiterer kopf ihn aus begebenheiten, und<br />

verhältnissen der fälle die im alltäglichen leben vorkommen, ohne weiteres herausfertigen könne ... Solchen kopf haben<br />

die gewöhnlichen menschen, die sich kaum in den sinn kommen lassen daß sich an der vorsehung zweifeln lasse. Die<br />

trägheit, die langsamkeit des geistes, die ich verstand, ist ein fehler des charakters, er ist bald dummheit, bald<br />

spizfündigkeit, Sophisterey ..., Sie werden sagen, philosophische subtilität. Nicht faulheit, unthätigkeit oder ϕιλοπονια<br />

... Wie dem seyn mag, so ist der gewis der schwerfälligere, langsamere, trägere mensch, dem man die Vorsehung mit zehntausend<br />

beyspielen ... empfindlich machen muß. Wie unglüklich wären auch die millionen menschen, die nicht in umständen<br />

sind, die geschichte der staaten von Nimrod bis zu Fridrich zu studiren, gegen tausend, die Schlözer, oder Millot<br />

lesen können! ...<br />

Lavater hat mir versichert, daß Klotz und Schirach keinen eindruk auf meine Zürcher gemacht; ich hab es ihm nicht<br />

geglaubt, ich würde es für ein wunder halten, wenn er nicht selbst an meinen versen ... vieles auszusetzen fände; ich sehe<br />

in seinen schriften immer, daß er nicht in meinem verstand denket; also denk ich gewiß nicht in dem seinigen. Muthwillige<br />

knaben, Zürcher oder Frankfurter betreffend, hielten Sie für ein gutes zeichen wenn ich ihren beifall hätte? ... Wie<br />

kömmt es wenn es so leicht ist Gajus Gracchus, Carl von Burgund, selbst odoardo“ (Werke Bodmers) „zu schreiben,<br />

daß keine geschrieben werden? Warum schreibt sie einer von 74 und nicht der von 25 jahren?<br />

Professor Müller in Schafhausen resignirt sein professorat und geht in einigen wochen nach Genf, um mit den grossen<br />

politikern die dort leben, in vertrauliche bekanntschaft zu kommen ...“<br />

„Klopstoks verlegungsplan“: „Die deutsche Gelehrtenrepublik“ (1774); der Versuch, durch Zusammenschluß<br />

der Autoren die Verleger auszuschalten. – „Fridrich“: Friedrich der Große. – „Schlözer“: Der Göttinger<br />

Historiker August Ludwig (von) Sch., 1735-1809. – „Millot“: der französische Historiker Claude François<br />

Xavier M., 1726-1785. – „Klotz und Schirach“: seine Widersacher, der Philologe Christian Adolph K., 1738-1771,<br />

und der Publizist Gottlieb Benedikt v. Sch., 1743-1804. – Zu den „muthwilligen Knaben“ in Frankfurt zählt sicher<br />

der 25-jährige Goethe, der Bodmer 1799 in seinen „Vögeln“ als „alten Schuhu“ verspottete. – „Professor<br />

Müller“: der Schweizer Historiker Johannes (von) M., 1752-1809.<br />

So bedeutende Briefe Bodmers sind im Handel sehr selten.<br />

35 BODMER, JOHANN JAKOB, 1698-1783. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift und Datum. Zürich<br />

6.XI.1779. 1 S. quer-gr.-8°. Altgriechisch. Leicht gebräunt. Kleine Klebefilmspur am Oberrand.<br />

(CHF 600.00)<br />

„Der gottlose Mensch verachtet die göttlichen Gnaden.“ (Übersetzung).<br />

„gemeiner von Tag zu Tag“<br />

36 BÖLL, HEINRICH, deutscher Schriftsteller, erhielt 1972 den Nobelpreis, 1917-1985. L.A.S. Köln<br />

12.XI.1964. 1 Einzelblatt gr.-8°, beidseitig beschrieben. Leicht fleckig. Mit gedrucktem Briefkopf.<br />

(CHF 500.00)<br />

24


Nr. 34 Johann Jakob Bodmer<br />

Nr. 35 Johann Jakob Bodmer<br />

25


Etwas hilfloser Brief an die Schauspielerin Hela Gruel (1902-1991) in Hamburg, die sich bei Böll erkundigt<br />

hatte, ob sie im Alter nach Irland ziehen solle: „… Irland ist ziemlich aussichtslos: das Land nimmt keine ‚Emigranten’<br />

an – weil es Sorge um seine eigene Bevölkerung hat! Und hier? Es gibt eben nur die Altersheime, gute, schlechte –<br />

teure meistens! Ich kenn mich in klösterlichen Dingen nicht so gut aus. Wäre es nicht gut, Sie versuchten es einmal in<br />

Hamburg, evgl. Kirche?<br />

Ich kann mich leider mit ‚Filmen’ gar nicht abgeben, es scheint mir ein ziemlich ‚schnödes’ Gewerbe zu sein, denn der<br />

junge Herr aus Hamburg hat mir nicht einmal geantwortet! Nicht einmal mein Buch bestätigt! Überhaupt: die Menschen<br />

hier werden gemeiner von Tag zu Tag.<br />

Ich würde Ihnen so gern helfen, aber wie? Verzeihen Sie, dass ich durchstreiche!“ [Es folgt ein durchgestrichener erster<br />

Briefschluß]. „Natürlich können Sie in Irland leben, ein Häuschen, eine Wohnung finden, es hängt von den ‚Finanzen’<br />

ab: es ist dort billiger, aber sehr, sehr einsam! Die Menschen sind lieb, still dort – werden Sie es versuchen wollen?<br />

Ich finde ‚Entfernung von der Truppe’ gar nicht so traurig! Aber vielleicht bin ich blind!…“<br />

Heinrich Böll reiste seit den frühen 50er Jahren immer wieder nach Achill Island in Irland; seine Eindrücke<br />

vom Leben in Irland erschienen zuerst in Zeitungen und 1957 unter dem Titel „Irisches Tagebuch“ als Buch.<br />

Die im Brief erwähnte Erzählung Bölls ‚Entfernung von der Truppe’, wurde 1964 in der FAZ vorabgedruckt.<br />

„Zeichne mich groß, ewig, ungeheuer, ironisch“<br />

37 BRECHT, BERTOLT, deutscher Dramatiker und Lyriker, 1898-1956. L.A.S. „Bert Brecht“. (München)<br />

8.XI.1917. 1 3/4 S. gr.-folio, halbspaltig beschrieben. Linker Rand etwas unregelmäßig; kleiner Einriß,<br />

wenige kleine Flecke. (CHF 2’400.00)<br />

Brief des 19jährigen Studenten an seinen Freund Caspar Neher (1897-1962), der ihm Zeichnungen gesandt<br />

hatte – vielleicht Figurinen zu dem Stück „Sommersinfonie“, an dem Brecht im Sommer gearbeitet hatte, als<br />

Neher seinen Fronturlaub in Augsburg verbrachte.<br />

„... Dein Dank für mein Papier, das Du nicht ganz ablehnst, hat mich tief gerührt. Du warst immer galant, wenn es<br />

nichts kostete. Gegen mich warst Du nie galant. Oh Du großer Cas ... Deine Helden haben alle zu viel geleistet, immer<br />

ein Quäntchen mehr als ihnen möglich war ... Der Adam ist wundervoll, man sieht gleich an dem völlig fehlenden Hals<br />

daß Du ihn für keinen Helden hältst, eine Undankbarkeit des Genies, lieber Cas! Augen die fromm nach oben schauen<br />

woran sie keine Stirn hindert – ethisches Empfinden! Dieses Blatt ist vorzüglich ... Der Märchenerzähler ist glänzend,<br />

ich habe nur Angst daß der Bleistiftstrich weg geht. Zeichne doch möglichst viel mit Tinte und Tusche! Ich traue mir<br />

nicht die Sachen zu fixieren! Jedenfalls bekommst Du sie nie wieder – höchstens leihweise.<br />

Jetzt aber eine Aufgabe! 1) Ich bitte Dich um ein Kartönchen für die Rosmarie. Rosa Maria“ (Aman). „2) Der holde<br />

Traum meiner kalten Nächte liebt mich nicht. Es nutzt alles nichts. Du mußt ihr schreiben. Daß ich verzweifle. Oder<br />

besser: Zeichne ihr! Aber mach mich nicht lächerlich, bitte ... Zeichne mich groß, ewig, ungeheuer, ironisch. Usw. Aber:<br />

Zeichne mich nicht nackt! Sie auch nicht. Sonst muß ich Dir den Hals umdrehen ... Kann ich die Zeichnung zuerst<br />

sehen? Denn zuletzt sollst Du sie ihr schicken, aus dem Schützengraben. Bitschlinstraße 4. Sophie Renner. Es sind<br />

anständige Leute. Nicht nackte ...<br />

Schreib mir ... bald und an neue Adresse: Adalbertstr. 12/1. Ich bin umgezogen ... Noch eins: Schick diesen meinen Brief<br />

zurück und Deine Antwort auf dem leeren Rand. Du brauchst nicht zu wissen, warum ...“ – Neher hat den leeren<br />

Rand nicht für die Antwort benutzt.<br />

GBBA Band 28 Nr. 21. – Sehr selten so früh.<br />

„Es ist ein Saustall ohne Kirke hierzulande!“<br />

38 BRECHT, BERTOLT, 1898-1956. L.A.S. „Bert Brecht“. A(ugsburg 26.) VIII.1918. 1 Einzelblatt kl.-4°, die<br />

Vorderseite beschrieben, und ein eigenhändig adressiertes Couvert. Feldpostbrief. Das Blatt am<br />

oberen Rand lose auf das Faltcouvert montiert. Gelocht. (CHF 3’000.00)<br />

26<br />

In rauem Ton geschriebener Brief des Zwanzigjährigen, ebenfalls an Neher, der damals im Feld war.<br />

„Geliebter! Zürnst Du, Gebenedeiter? Was kann ich für die Feldpost?!<br />

Es ist ein Saustall ohne Kirke hierzulande! Mein Da-Sein ist ohne Organisation! Ich bin faul und müd und gelangweilt.<br />

Ich liege nur auf dem Bett und denke an Kanada und blauen, brausenden Himmel! Kommst Du nie? Bittersweet ist fort


Nr. 37 Bertolt Brecht<br />

27


und es macht nichts und ich kann nicht arbeiten und der Himmel ist ein Loch in das man nicht hineinspucken kann und<br />

Du sagst nichts und die deutsche <strong>Literatur</strong> ist Schund und ich bin auch Schund und das ewige Anziehen in der Frühe<br />

und das Warten und das verfluchte Gefühl daß es alles nichts macht und daß einem nichts passieren kann als daß einem<br />

eben einmal nichts mehr passieren kann … Der Teufel muß weinen. Wo torkelst Du rum? Verfluchter Teufel! Himmlischer<br />

Teufel! (Der liebe Gott läßt sich ja alles bieten! Es ist schrecklich mit ihm!) Und BertBrecht“<br />

Neher tat seit Juni 1915 als Freiwilliger Dienst. Brecht, der 1917 sein Notabitur abgelegt hatte, wurde im Januar<br />

1918 für den Militärdienst gemustert, jedoch auf Gesuch seines Vaters bis August 1918 zurückgestellt. Er<br />

konnte dem Wehrdienst schließlich fast ganz entgehen und wurde lediglich vom 1. Oktober 1918 bis 9. Januar<br />

1919 als Sanitätssoldat in ein Reservelazarett verpflichtet. Ganz so faul, wie er sich darstellt, ist Brecht damals<br />

nicht gewesen: Zwischen Mai und Juli war er an der ersten Niederschrift des ‚Baal’ und dichtete Gedichte,<br />

Lieder und Balladen.<br />

Gedruckt in: Günther Glaeser (Hrsg.). Briefe I, Briefe 1913-1936. Berlin und Frankfurt, 1998. Nr. 48, S. 65-66.<br />

Clemens an Bettina<br />

39 BRENTANO, CLEMENS, 1778-1842. L.A.S. „Clemens“. O.O.u.D. (um 1798). 3 S. 8°, eng beschrieben.<br />

Umlaufender Goldschnitt. Prachtvoll erhalten. (CHF 12’000.00)<br />

28<br />

An seine damals 13jährige Schwester Bettina in Frankfurt am Main.<br />

„Deine Liebe und ihre Thränen haben mich recht im innersten Herzen gerührt, und ich gäbe die zarten Augenblike, die<br />

sie mir erschaffen haben, nicht um ein Jahr meines Lebens her, das ich allein mit mir Selbst in vielen stillen traurigen<br />

Erinnerungen wohl noch oft zubringen muß. Ich verstehe dein Gemüth, liebe Betine, ich weiß, wie dir zu Muthe ist, es


ist mir auch noch oft so, daß es mir nicht immer so ist, daran mag ich nicht denken, weil mir dann viele stille Leiden, die<br />

schon längst begraben sein sollten, wiederkehren, und wie Geister einer verlorenen schönen Welt vorüberschweben.<br />

Ich liebe dich recht herzlich, und gesegnet sei der Winter, wenn ich in ihm mit dir eine innige Freundschaft erbauen kann.<br />

Du bist viel jünger als ich, aber das thut nichts, denn auch ich muß wieder jung werden, wenn ich glüklich werden soll.<br />

Deine Jugend stört mich nicht, denn ich ehre und suche die Zeit nicht, ich suche die Liebe, die stille freundliche Zuneigung<br />

der Gemüther, das reine innere Leben, und den zarten Sinn, und die ewige Jugend. Wenn du mich lieben kannst<br />

und schweigen, so sollst du meine einzige Freundinn werden, denn mein Leben ist so, daß es nur der zarten Unschuld<br />

begreiflich ist, und nur die Menschen haben mich, bis izt sonderbar gefunden, die sich in einem leeren Treiben verlohren<br />

haben.<br />

– Du kennst mich noch nicht, ich bin im Herzen anders als von aussen, das äußere das hat alles die Fluth der Welt, und<br />

der Schiksale, die über mich hingerauscht ist weg gerissen, aber in meinem Herzen ist es noch grün, in meinem Herzen<br />

sind noch viele stille Blumen, die sollen alle dein sein, wenn du mich lieben willst mehr als andere ... Sieh ich habe keinen<br />

unter den Geschwistern, der mich so liebt, daß ich viel aus ihm machen könnte, die haben alle keine Zeit darzu, und sind<br />

mit so vielen kleinen äußerlichen Dingen umschlungen, daß ihnen das Herz ziemlich zusammengeschnürt ist, und<br />

schmerzt mich recht innerlich, woran sie aber nie denken können, daß je selbstständiger und vollkomner jedes einzelne<br />

wird, je mehr erweitert sich die Kluft, die es vom andern trennt, und ich werde am allerweitesten von allen zu stehen<br />

kommen, weil meine Bestimmung zur Kunst, mich ganz von ihnen trennen wird ...<br />

Aber wir sollen ja auch Opfer bringen im Leben, und das meinige ist das eines Priesters, ich habe bis izt nur Opfer gebracht.<br />

– Fürchtest du mich nicht, mit meinen ernsten stillen Gedanken, mit meiner Liebe, die nicht so für heute und<br />

morgen ist, so sei mir willkommen du reines zartes Herz! sei mir willkommen in meinem Leben, du freundlicher Geist,<br />

der mich geleiten will. Aber bedenke es wohl, ob dir es ernst ist, ich brauche viel Liebe, biß ich genug habe, mich verlierest<br />

du dann nicht wieder, wenn du auch von mir läßt, denn ich bin treu und einig mit mir.<br />

Sieh! ich bin noch nicht eine halbe Stunde von dir und schreibe dir so, ... wer deiner Brüder oder Schwestern schriebe dir<br />

so.<br />

Aber sei ruhig in dir, und verschwiegen, waß du von mir erhälst ist nur für dich, ich gebe mich wenigen….“<br />

Der sieben Jahre ältere Clemens Brentano hatte sich Bettina bei Besuchen in Frankfurt a.M., wo sie nach dem<br />

Tod der Eltern bei ihrer Großmutter Sophie von La Roche lebte, näher angeschlossen. Den sich entwickelnden<br />

poetischen Briefwechsel zwischen den Geschwistern gab Bettina 1844, einem Wunsch Clemens’ folgend,<br />

unter großen dichterischen Freiheiten heraus („Clemens Brentano. Frühlingskranz“).<br />

40<br />

Clemens Brentano an Friedrich Schlegel<br />

BRENTANO, CLEMENS, 1778-1842.L.A.S. „Clemens Brentano“. (Prag, Anfang Juli 1813.) 2 S. gr.-4°. Kleine<br />

Randläsuren. (CHF 8’000.00)<br />

Großartiger Brief an Friedrich Schlegel in Wien, mit dem er sich 13 Jahre zuvor entzweit hatte, da er ihm die<br />

Schuld an dem zeitweiligen Abbruch seiner Beziehung zu Sophie Mereau – seiner späteren Frau – gab. Sophie<br />

war 1806 im Kindbett gestorben.<br />

„Eingedenck manichfacher Belehrung, Aufmunterung und Schonung, die ich Ihrer ehemaligen Güte für mich zu danken<br />

habe ergreife ich im Begriffe, auf längere Zeit in Wien zu leben, die Feder, um zu versuchen, ob es in ihrer Güte und ihrem<br />

Urtheil liegt, ein finsteres Misverständniß und ein mir sehr drückendes Mistrauen, das mir zwischen meine einst so<br />

aufrichtige Liebe zu Ihnen und ihre Person getreten war, von ihrer Seite fallen zu lassen, und mir wieder eine herzliche<br />

und kindliche Annäherung an ihr Leben und Denken zu vergönnen. Zu aller Selbsterbauung werden die Steine aus dem<br />

Herzen der Freunde gebrochen, aber alle Wunden schließen sich wieder, und waß wäre Schönes an der Zeit, wenn man<br />

nicht in sie wie ein Meer das Unwürdige in Sich und andern versenken könnte. Begehren Sie von mir zu wissen, waß<br />

mich lange mit einem tiefen und bitteren Schmerze von Ihnen gewendet hatte, so werde ich es Ihnen von ganzer Seele<br />

aufrichtig beichten, Sie können zwar nichts, als dadurch erfahren, wie wunderbar man in das Leben eines andern, vielleicht<br />

in aller Unschuld hineinlebt. Ehe Sie es begehren aber wage ich es nicht zu thun, denn es hängt mir mit einer schönen<br />

Seele zußammen, die mir mit den besten Strahlen meines Lebens untergegangen ...<br />

Alles was vielleicht einst ihr gütiges Interesse für mich erregt haben könnte, ist noch in mir, und hoffentlich entwickelter<br />

und ihrer Theilnahme würdiger, wenn ich gleich in Sachen des Weltlebens eben so ungeschickt und unerfahren sein<br />

mag! Sie kennen gewiß ... in sich selbst feierliche Momente, in denen Man unter der gütigen Vermittlung des gerechten<br />

Gottes alle seine Fehler wie einen irdischen Leib niederlegt ..., hindern Sie nicht in meiner Seele einen solchen<br />

willkührlichen ruhigen Tod und lassen Sie mich wieder frei und versöhnt neben Ihnen das gemeinsame Licht anschauen,<br />

um das wir uns alle bewegen, biß wir darin verbrennen, oder biß es uns verklärt. Wahrhaftig, verehrter Mann, es ist<br />

nichts böses in mir, und kein todes Meer, an dem rothwangigte Aepfel wachsen, die Asche umschließend, ich kann und<br />

29


30<br />

darf ruhig in mein Herz schauen, auch wenn es die Welt beschuldigt ...<br />

Wenn Sie geneigt sein sollten, mich zu sehen, so bitte ich Sie mir es durch ein paar Zeilen ‘Erdberggasse No [fehlt] an<br />

der Landstraße’ oder bei H[errn] Adam Müller wissen zu laßen. Mit herzlicher Verehrung / Clemens Brentano“.<br />

Das Haus Erdberggasse 98 in Wien gehörte Brentanos Bruder Franz. Aus dem Fehlen der Hausnummer in<br />

dem Brief scheint uns hervorzugehen, daß er vor Brentanos Eintreffen in Wien geschrieben wurde.<br />

Unmittelbar vor seiner Abreise aus Prag, am 5. Juli 1813, schrieb Brentano an Achim von Arnim: „Das einzige,<br />

was mich drückt, ist mein widerliches Verhältnis zu Schlegel, und wenn es möglich, will ich auch dieses versöhnen,<br />

um mich alles Bessern erfreuen zu können.“<br />

Mit Sammlervermerk am Oberrand (rote Tinte).


41 – BRENTANO, SOPHIE, geb. Schubart, gesch. Mereau, Clemens Brentanos Ehefrau, 1770-1806. L.A.S.<br />

„S. Brentano“. (Heidelberg, um 1805.) 1 S. 4°. Mit Adresse (Poststempel und -vermerk). Durch<br />

Schmelzen des Siegels fleckig und leicht beschädigt. (CHF 900.00)<br />

An Friedrich Rochlitz in Leipzig, dem sie Übersetzungen schottischer Balladen ihrer Schwester Henriette für<br />

das „Frauenjournal“ sendet.<br />

„... Lebten wir nicht jezt in einer Zeit, wo jedes Herz ... sich ... von ängstlicher Ahndung und Trauer bewegt fühlt, so<br />

würde mich unser Briefwechsel ohne Zweifel sehr belustigen. Es ist gewis merkwürdig, zu sehen, wie Sie, mit aller<br />

männlichen Grazie, jedoch mit ein wenig saurem Gesicht, alle Mühe haben, die Vorschläge abzulehnen, die ich, aus Gefälligkeit<br />

für andre, fast über die Gränzen der weiblichen Delicateße hinaus, Ihnen unermüdet thue. Diesmal aber habe ich<br />

vielleicht noch Dank zu verdienen. Ich sende Ihnen einige schottische Balladen, die erst vor kurzem nach Deutschland<br />

gekommen sind, u. gewis zu den Vorzüglichen gehören. Die Uebersezerin ist meine Schwester die in Jena lebt ...“<br />

Sehr selten.<br />

„steile Felswände, Orangengärten, Oliven und Palmbäume“<br />

42 – BRENTANO, Marie, geb. von Guaita, in 2. Ehe mit ihrem Cousin Louis Brentano verheiratet; eine<br />

Nichte von Clemens und Bettina, 1815-1859. – Über 100 an ihre Mutter MELINE BRENTANO verh. von<br />

Guaita (1788-1861) gerichtete Briefe. Verschiedene Orte, darunter Norderney, Karlsruhe, Nizza,<br />

Genua, Sorrent, Florenz, Luzern, Neapel, Meran, Domodossola, Rom, Turin, Venedig, Genf, Basel,<br />

Bremen und Berlin, (7.II.1844) bis 21.III.1856, überwiegend jedoch o.O.u.J. Über 400 S. meist gr.-8°.<br />

Vielfach mit Siegel (einige herausgeschnitten) und Adresse. Weniger als die Hälfte der Briefe mit<br />

meist kleineren Rand- und Faltenschäden. – Mit 9 in die Briefchronologie einsortierten Briefanfängen<br />

(Fragmente). (CHF 4’000.00)<br />

Liebevolle Tochterbriefe, zum allergrößten Teil von ausgedehnten Italienreisen: 7.II. bis 30.VIII.1844, 26.VIII.<br />

bis 10.IX.1850, 19.X.1851 bis 19.V.1852 und 17.VII.1855 bis 21.III.1856. Mit umfangreichen und hinreißend detaillierten<br />

Reisebeschreibungen aus der frühen Zeit des „Tourismus“ sowie mit ausführlichen Nachrichten<br />

aus dem Brentanoschen Familienkreis. – Marie von Guaita, seit 1836 verwitwete Berna, hatte 1840 in zweiter<br />

Ehe ihren Vetter Louis Brentano geheiratet, mit dem sie die gemeinsame Tochter Marie hatte. Aus ihrer Ehe<br />

mit dem Frankfurter Bankier Anton Berna stammte ihr Sohn Georg (von) Berna.<br />

Hier einige repräsentative Auszüge von der ersten Italienreise.<br />

„Long le Sonnier“ 10.II.(1844). Über die Beschwerlichkeiten der Reise. „...Es fing damit an daß wir Mittag’s so<br />

müde und schlechte Pferde erhielten daß wir statt ... um sechs Uhr erst um halb neun Bessançon erreichten. Das Wetter<br />

war abscheulich[,] stockfinstere Nacht und eines der Pferde war so marode daß wir es unter Wegs lassen mußten. Endlich<br />

angelangt, nahm der Postillion beim Einfahren in das Hôtel die Kehr zu kurz so daß wir das Vergnügen hatten am Ziele<br />

noch einmal eine viertel Stunde unter hü, hahü, es geht, nein noch nicht ... u.s.w. zu warten. Nun wir trösteten uns<br />

immer daß wir ja alles bereit finden würden, aber, oh Schrekken, die beiden bestellten Stuben hatte man uns in zwei ziemlich<br />

weit voneinander stehenden Häusern bereitet. Jetzt war große Noth; Endlich gelang es noch ein wahres Horreurchen<br />

für Louis zu erlangen und mittels eines Feldbettes quartirte ich mich bei den Kindern ein. Nach langer Wirtschaft waren<br />

dann die Kinder zu Bett gebracht, jetzt dachten wir daran etwas zu essen. / Abermals große Bestürzung in unserm scharmanten<br />

Hôtel über diesen unbegreiflichen Einfall; es fanden sich zuletzt etwas Kartoffeln und die Schlegel ein[es] Hasen<br />

... Eine sehr theure Rechnung machte das Maas voll ...“<br />

Oneglia 26.II.(1844). „... Fein langsam und deutlich hat uns unser Veturini bis hierher gelohnkutschert. Gestern sind<br />

wir ... [aus Nizza] weggefahren. Bergauf Schritt, Bergab Schritt und auf der Ebene Schritt, allein zu der Kontraktmäßig<br />

festgesetzten Stunde hat er uns an unser erstes Nachtquartier geliefert und so mußten wir es gut finden. Es ist zu<br />

komisch wie er uns einlogiert und für alles sorgt, wir haben uns um gar nichts zu kümmern und sind in sofern sehr<br />

zufrieden mit dieser Einrichtung, da wir uns jetzt auf der Route befinden, deren Gasthäuser in unsern Büchern als Gite<br />

horrible bezeichnet sind ... Dazu ist die Art zu reißen weit billiger und soll einem viel Gezerr an den Poststationen und<br />

in den Hôtel’s ersparen. Alle Finger lang kommen wir an ein Duane, bei denen man aber mit einem Franks herrlich vorbeikömmt.<br />

Noch muß ich erzählen, daß unser Veturini unter seinen Zeugnissen einen von Grimm hatte, welcher ihm auf<br />

deutsch bezeugte daß er fast immer mit ihm zufrieden gewesen sey. Dieses aufrichtige Bekenntniß trug viel zu unserm<br />

Entschluß bei.<br />

Was nun den Weg betrifft den wir jetzt machen so meine ich ganz bescheidentlich daß er ein wenig langweilig wäre wenn<br />

ich nicht so vielfach beschäftigt wäre mich zu ängstigen. Anfangs theilte ich Louis Begeisterung, denn es ist wirklich<br />

großartig so längst dem schäumenden Meere herzufahren und von einer Seite abwechslend steile Felswände, Or-<br />

31


angengärten, Oliven und Palmbäume zu sehen, aber Du mußt denken daß wir das nun schon zwei Tage bewundern und<br />

noch zwei bewundern können ...<br />

Sorrent 25.VI.(1844). „... Jetzt liegt uns Neapel gegenüber in weiter blauer Ferne, den Vesuv haben wir zur Linken ...<br />

Gestern war die See so spiegelglatt daß wir nach Kapri und in die blaue Grotte fuhren ... gewiß auf dreißig Fuß Tiefe sieht<br />

man jedes Steinchen jeden Grashalm auf dem Grund ... in Sorent gelandet blieb ich gleich unten am Strande zu meinem<br />

Bad, welches ein wahres Plaisir ist ... Sorent liegt hart am Meer, aber hoch auf einem ganz steilen Felsen; um an das Ufer<br />

zu gelangen hat man Höhlen und Gänge durch den Felsen gehauen wo man dann endlich hinab gelangt und nun kleidet<br />

man sich aus und badet unter freiem Himmel. Ein kleiner Felsenvorsprung dient als Zufluchtsort vor etwa vorbeikommenden<br />

Schiffen ...“<br />

Domodossola 14.VIII.(1844). „... Noch einen letzten Gruß aus Italien; Morgen um diese Zeit haben wir es wahrscheinlich<br />

hinter uns und wohl für immer. Es hat sich gerächt für die Abneigung die ich dagegen hatte, mit wahrem Kummer<br />

verlasse ich es und was man mir auch von der Schweitz erzählt, ich kann nicht glauben daß sie mir so gefallen wird und<br />

beinah fürchte ich die mir so lieb gewordenen Eindrücke verwischt zu sehen ...“<br />

Mit zahlreichen Beilagen, darunter einige mehrseitige Brieffragmente aus der obigen Korrespondenz, ein<br />

Brief von Louis Brentano (Neapel o.J.) an seinen Schwiegervater Georg von Guaita und 3 Briefe von seiner<br />

Tochter Marie Brentano an die Großeltern, 12 Briefe (um 1880) an Marie Brentano, zum größten Teil von ihrer<br />

Tante Antonie von Hertling geb. von Guaita, sowie weitere Briefe aus dem Familienkreis.<br />

43 – BRENTANO, MAXIMILIANE („Maxe“), zweite Ehefrau von Peter Anton Brentano, geb. von La Roche,<br />

Jugendfreundin Goethes, 1756-1793. L.A.S. „Votre fidelle Mere“. O.O. 2.I.1789. 1 S. gr.-8°, eng<br />

beschrieben. Mit Lacksiegel („PAB“ für Peter Anton Brentano) und Adresse. Zwei kleine Randeinrisse<br />

repariert. (CHF 3’000.00)<br />

32<br />

An ihre älteste Tochter Sophie, die bei Madame<br />

Metzguer, einer Freundin der Großmutter Sophie<br />

von La Roche, in Zabern erzogen wurde.<br />

„… non mon Enfant je ne vous ai point oublié, je<br />

vous aime et aimerai toujours aussi long tems que je<br />

recevrai de bonnes nouvelles de votre conduite, mais<br />

vos trois petites Sœurs“ (Bettina, Lulu und Meline)<br />

„ont eu la petite verole, et cela m’a donné de l’occupation,<br />

elles sont tres bien retabli, il n’y a que la Louise<br />

qui en a été tres malade, mais jespere quelle ne sera<br />

pas marqué ...“ (von den Blattern).<br />

„remerciez bien Madame Metzquer des bontés et attentions<br />

qu’elle a pour vous. j’en suis bien touché assurez<br />

la de mon Estime parfaite. il me faut finir la<br />

poste part. papa et moi nous vous Benissons de tout<br />

notre Coeur ...“<br />

Mit einer Nachschrift: „je prie M. Metzquer de toujours<br />

mettre l’adresse a Madame de La Roche née de<br />

Guttermann alors les lettres sont franches de port.“<br />

Sophie von La Roche, die Jugendfreundin Wielands,<br />

lebte in Offenbach. – Sophie Brentano<br />

starb schon 1800 bei Wieland in Oßmanstedt<br />

und wurde auch dort begraben.<br />

Von größter Seltenheit. Uns sind im Ganzen nur<br />

7 Briefe Maxes in Antiquariatskatalogen bekannt<br />

geworden, davon 5 an Clemens (4 im Goethe-Museum<br />

Düsseldorf, 1 in der Universitätsbibliothek<br />

Basel) und 2 an Franz Brentano.


„Ähnlichkeit mit meinem Freunde F“<br />

44 BROD, MAX, 1884-1968. Eigenhändiges Manuskript, bezeichnet „Begegnung“, mit Namenszug am<br />

Kopf. 2 1/4 S. 4°. Leicht gebräunt; drei (Durch-)Schnitte hinterlegt. (CHF 800.00)<br />

Satzvorlage für einen Beitrag im „Berliner Tageblatt“, in dem Brod die Begegnung mit einem „jungen karpathorussischen<br />

Bergjuden“ schildert, der seinem Freund Franz Kafka ähnelte. Beginnt:<br />

„Eine Reise zu einem praktisch sehr bestimmten und doch abenteuerlichen Zweck hatte mich in ein Karpathendorf verschlagen.<br />

Zurück konnte ich vor dem nächsten Vormittag nicht. Im Ofen des elenden Wirtshauses kein Holz, keine Kohle.<br />

Ich fror. Das Bett, sehr wenig einladend. Die Idee, die mich hierher geführt hatte, erschien mir immer verrückter, immer<br />

ferner von mir. Schon verwünschte ich den Einfall, der mich seit Wochen mühsame Wege führte, mich meiner gutgeregelten<br />

Arbeits- und Lebensweise entrissen hatte. Da kam ein dicker Mann. Sein Sohn wolle mit mir sprechen. Verdrießlich<br />

nickte ich. Auch das noch, unangenehme Gesellschaft! Ich erwartete, wie in vielen dieser entlegenen Städte, einem<br />

Ehrgeizigen, dem Lokalgenie zu begegnen, einem fahrigen Menschen, der Verbindungen anknüpfen möchte. Herein trat<br />

ein schlanker blasser Knabe, von wohlgeformtem Wuchs, wiewohl ärmlich gekleidet, glühend schwarze Augen im<br />

feingeschnittenen Gesicht. Mich frappierte eines: die Ähnlichkeit mit meinem Freunde F[ranz Kafka]. Also fand ich, den<br />

ich in Prag verlassen hatte, hier wieder, am Wendepunkt meiner Reise, zu der mich nicht zuletzt sein ernster Wille<br />

getrieben hatte, der immer nur Großes von mir verlangte, der Menschheit und ihrer höchsten Idee Dienendes ...“<br />

Der Schluß: „Ich hörte nichts mehr von dem schönen, wilden, ergreifend reinen Jüngling. – In meinem Roman ‘Räubeni’<br />

trägt die erste und entscheidende Begegnung zwischen dem Helden und dem jungen Molcho die Spuren jenes merkwürdigen<br />

Abends in den Karpathen.“<br />

Beiliegend 2 L.A.S. Brods, Prag 8. und 19.VI. o.J., an Walter Zadek, das obige Autograph betreffend: „... Gern<br />

gestatte ich, daß in der ‘Begegnung’ statt F. wieder ‘Franz Kafka’ eingesetzt wird ...“ (19. Juni).<br />

33


45 BROD, MAX, 1884-1968. L.A.S. „Prag Postdirektion“ o.D. 1 S. gr.-8°. (CHF 150.00)<br />

An einen Redakteur.<br />

„... Ich sende Ihnen die Abschrift meiner Novelle ‘Zwischen zwei Zügen’ und ein unveröffentlichtes Gedicht. Durch tunlichst<br />

baldige Übersendung des vereinbarten Honorars von 24 K[ronen] würden Sie mich verbinden ...“<br />

Die Novelle erschien in den um 1910 vom Wiener Verlag „Die Muskete“ herausgegebenen „Wiederbegegnungen“.<br />

46 BÜRGER, GOTTFRIED AUGUST, 1747-1794. Eigenhändiges Schriftstück mit Unterschrift. Gelliehausen<br />

23.II.1773. 1/2 S. gr.-4°. Schwach gebräunt. (CHF 600.00)<br />

Empfangsbestätigung für Akten, aus seiner Zeit als Amtmann der Familie von Uslar.<br />

„Durch den Richter Mohnkorn habe ich Dato erhalten<br />

1) die Calenbergische Lehnspecification<br />

2) Resolution wegen gesuchter intercessorialium<br />

3) Ein Rescriptum Regiminis an das Amt Herzberg ...<br />

worauf nach geschehener Durchsicht, welche nicht stündlich erfolgen kann, ... die nöthige Antwort erfolgen soll ...“<br />

47 BÜRGER, GOTTFRIED AUGUST, 1747-1794. Urkunde mit Unterschrift „GABürger p.t. Amtmann“. Wollmershausen<br />

2.IX.1776. 1 S. folio. Mit Siegel. Etwas braunfleckig. (CHF 600.00)<br />

34<br />

Vollmacht für den Uslarischen Lehnboten Schmidt.<br />

„Demnach Vorzeiger dieses der ... Uslarische Lehnbote Schmidt abgeordnet ist, sich nach dem Leben, Aufenthalt und<br />

Umständen der Uslarischen AfterVasallen Hartmann im Hessischen und deren getragenen Lehn, bestehend in dem<br />

Zehnten vor Albertshausen, zu erkundigen: So wird ihm dieses an Statt eines Creditivs ertheilet, mit dem Ersuchen an<br />

alle ... Obrigkeiten und Privatpersonen, an welche er sich in dieser Angelegenheit zu wenden nöthig finden sollte, ihm<br />

hierunter mit rechtlicher und billiger Assistance an Hand zu gehen ...“<br />

Nr. 48 Bürger


„Ein Schwabenmädel ...“<br />

48 BÜRGER, GOTTFRIED AUGUST, 1747-1794. L.A.S. Göttingen 27.V.1790. 4 S. 8°. (CHF 3’000.00)<br />

Herrlicher Brief an Karl Ludwig Woltmann, den er seit dessen Studienbeginn in Göttingen kannte. Bürger<br />

berichtet u.a. über seine Osterreise ins Württembergische, wo er das „Schwabenmädel“ Elise Hahn kennengelernt<br />

hatte, die im Oktober 1790 seine dritte Frau wurde.<br />

„Das ist zwar ganz gut ... daß Sie aus des Priester Johannes Lande mit vortrefflicher Waare zurückgekommen sind, und<br />

nun Glückwünsche annehmen können: allein andere Leute müssen nun auch erst aus Eldorado mit dem Säkel angekommen<br />

seyn, wenn ein gedeihlicher Handel zu Stande kommen soll. Freund Dietrich“ (sein Verleger Johann Christian<br />

Dieterich) „wird zwar in dieser Woche alle Tage von Leipzig zurück erwartet, allein zwey Stunden vor Abgang der Post,<br />

da ich dieß schreibe, ist er noch nicht eingetroffen. Er scheint noch in Gotha herum zu junkeriren.<br />

Mir soll es ungemeines Vergnügen machen, ihm sogleich bey seiner Ankunft mit meinem Creditiv in den Weg zu treten,<br />

und das Geschäft, womöglich in der ersten Audienz zu Stande zu bringen. Wenn es ihm nicht entweder im Kopfe oder<br />

im Beutel fehlt, so denke ich wird er ohne viel Federlesens frisch einschlagen ...<br />

Ich habe in den verwichenen Osterferien eine anmuthige Reise durch die Pfalz ins Würtembergische gemacht, um zur<br />

Geschichte unsers Parnassos eine Anecdote bey zutragen, die ganz originell und einzig in ihrer Art ist, seit Palmen, Lorbern<br />

und Eichen grünen. Ein Schwabenmädel, verliebt in meine Poëtereyen und durch einen natürlichen Umgang auch<br />

in mich, hat in poëtischem Scherz um mich angehalten, und ich – heirathe das Mädel in schlichtem prosaischen Ernste.<br />

K[ünftigen] Michaelis hohle ich sie heim. Haben Sie dann etwas nach Heidelberg zu bestellen? Beym Anblick jener romantischen<br />

Gegenden dachte ich Ihrer sehr oft und lebhaft. Wie war es Ihnen möglich, sich von da loszureißen? –<br />

Wie viel Quadrat Schuh Mspt hat Freund Woltmann sich zum täglichen Pensum vorgesetzt? Unsere Schreibgeschäfte<br />

rücken jetzt kaum nach Zollen und Linien fort. Denn wir trinken Molken und<br />

Der Löwenzahn, den Friederich genommen,<br />

Steht unsrer Schwachheit trefflich an.<br />

Daher fällt auch, trotz aller Narren- und Plaudersucht, unser Brieflein so diminutivisch aus.<br />

Wir schließen mit Gebet und Fürbitte, daß der Himmel EW. Waarenlager vor allem Unfall, als da sind Feuersbrünste,<br />

Überschwemmungen von umgestoßenen Dintenfäßern, Ratten-, Mäuse- und Mottenfraß u.s.w. in Gnaden bewahren<br />

und dero Geschäfte, bey eben so rührigen Fingern als sodalen Lenden, bis über den nächsten und alle künftigen erfreulichen<br />

Geburtstage glücklich und glorreich hinausführen wolle. –<br />

Die Prachtausgabe meiner Gedichte, wird, jedoch absque lucro für mich, mit Kummer und Noth wohl noch zu Stande<br />

kommen. Ein halbes Dutzend Nachdrucker aber sollen sich, wie ich höre bisher ganz gut dabey gestanden haben.“<br />

Die übereilt eingegangene Ehe mit dem „Schwabenmädel“ wurde schon nach anderthalb Jahren geschieden.<br />

Strodtmann Nr. 818. – Aus der Sammlung Künzel.<br />

49 BUSCH, WILHELM, Zeichner und Dichter, der Schöpfer von „Max und Moritz“, 1832-1908. L.A.S.<br />

Wolfenbüttel 7.IV.1875. 1 S. gr.-8°. Minimaler Faltenriss, leicht braunfleckig. (CHF 800.00)<br />

Nach einer alten Zuschreibung an (den Schriftsteller Ludwig) Hevesi.<br />

„... Ihr Brief trifft mich auf der Reise. Ich sage Ihnen meinen verbindlichsten Dank für Ihre freundliche Beurtheilung und<br />

will Ihnen jedenfalls noch mal schreiben, wenn ich wieder ruhig in meinem Wiedensahl sitze ...“ – Mit kleinem Sammlungsstempel.<br />

In diesem Jahr erschienen in Heidelberg die „Abenteuer eines Junggesellen“ und in München die erste Sammelausgabe<br />

seiner „Bilderbogen“.<br />

„Ich rauche allerdings Pfeife“<br />

50 BUSCH, WILHELM, 1832-1908. L.A.S. Wiedensahl 2.XII.1875. 1 S. gr.-8°. Kleiner Randeinriß.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

An einen Herrn, der ihn nach seinen Rauchgewohnheiten gefragt hatte.<br />

„... Ich rauche allerdings Pfeife, ich rauche gern Pfeife, ich rauche viel Pfeife. Wenn ich nun eine Pfeife ‘Stinkehaken’ genannt<br />

habe, so wird mir das meine Freundin, welche seit Jahren meine Treue erprobt, und in jenem Punkte ein reines Gewissen<br />

hat, hoffentlich nicht übel nehmen. Daß es übrigens so Welche giebt, läßt sich leider nicht ableugnen ...“<br />

35


51 BUSCH, WILHELM, 1832-1908. Eigenhändiges Gedicht von 67 Versen in acht Strophen, das Einleitungsgedicht<br />

zu seinem Buch „Der Haarbeutel“ von 1878, am Schluß monogrammiert „B“. 1 Doppelblatt<br />

gr.-8°, alle vier Seiten mit Bleistift beschrieben. Mit je einer Zeichnung am Kopf (Initiale)<br />

und am Ende. Gebräunt. Mit kleinen Montagespuren. (CHF 9’000.00)<br />

36<br />

Mit dem Erstdruck von 1878 genau übereinstimmend, möglicherweise handelt es sich um die Druckvorlage.<br />

Es beginnt:<br />

„Der Weise, welcher sitzt und denkt<br />

Und tief sich in sich selbst versenkt,<br />

Um in der Seele Dämmerschein<br />

Sich an der Wahrheit zu erfreun,<br />

Der leert bedenklich seine Flasche,<br />

Hebt seine Dose aus der Tasche,<br />

Nimmt eine Prise, macht habschieh!<br />

Und spricht: Mein Sohn, die Sach ist die!<br />

Eh man auf diese Welt gekommen<br />

Und noch so still vorlieb genommen,


Da hat man noch bei nichts Was bei;<br />

Man schwebt herum, ist schuldenfrei,<br />

Hat keine Uhr und keine Eile<br />

Und äußerst selten Langeweile<br />

Allein man nimmt sich nicht in Acht,<br />

Und schlupp! Ist man zur Welt gebracht.<br />

Zuerst hast Du es gut, mein Sohn,<br />

Doch paß mal auf, man kommt Dir schon! –<br />

Bereits Dein braves Elternpaar<br />

Erscheint Dir häufig sonderbar.<br />

Es saust der Stab, dann geht es schwapp!<br />

Sieh da mein Sohn, Du kriegst was ab.<br />

Und schon erscheint Dir unabwendlich<br />

Der Schmerzensruf: Das ist ja schändlich! – …“<br />

Manuskripte von Wilhelm Busch zu seinen Bildgeschichten gehören zu den großen Seltenheiten im Autographenhandel.<br />

Ein Exemplar des Erstdruckes liegt bei.<br />

52 BUSCH, WILHELM, 1832-1908. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift. O.O.u.D. 1 Einzelblatt<br />

quer-folio, 1 Seite beschrieben. Schwacher Lichtrand. (CHF 4’000.00)<br />

Großzügig gestaltetes Blatt mit schönem Namenszug und dem Vierzeiler:<br />

„Halt dein Rösslein nur im Zügel,<br />

Kommst ja doch nicht allzu weit;<br />

Hinter jedem neuen Hügel<br />

Dehnt sich die Unendlichkeit.“<br />

53 BYRON, GEORGE GORDON NOEL LORD, englischer<br />

Dichter und begeisterter Philhellene, 1788-1824.<br />

L.A. mit Namen am Kopf. (London) 14.V.1813. 1 S.<br />

8°. (CHF 2’000.00)<br />

„Ld. Byron presents his compliments to Mr. & Mrs. Carell –<br />

& regrets that a call of the House“ (Byron war Mitglied des<br />

Oberhauses) „this Even[ing] will prevent him the honour of<br />

dining with Mr. & Mrs. C. this afternoon – but he will certainly<br />

have the pleasure of joining the party in the Evening<br />

about 20 o clock – – – –“<br />

Sehr selten.<br />

37


54 BYRON, GEORGE GORDON NOEL LORD, 1788-1824. Eigenhändig adressierter Briefumschlag. Poststempel:<br />

Ravenna, „March 30th 1820“. 1 S. quer-schmal 8° (zusammengefaltet; linker Rand<br />

beschnitten). Etwas unfrisch. Mit Siegel (zerdrückt). (CHF 900.00)<br />

„To J[oh]n Murray Esq[uir]e. / 50. Albemarle Street. / London / Angleterre / Inghilterra“.<br />

Murray war Byrons Verleger und Freund.<br />

Verso ein eigenhändiger Zusatz: „Address in future directly to Ravenna ... saves time. –“<br />

55 BYRON, GEORGE GORDON NOEL LORD, 1788-1824. Eigenhändige Adresse auf einem mehrfach gefalteten<br />

weißen Bogen folio. Mit (lädiertem) rotem Lacksiegel. Ausrisse bei der Siegelstelle und in<br />

einer Faltung. Fleckig. Echtheitsbestätigung ebenfalls auf der Vorderseite und ein weiterer Eintrag<br />

auf dem Adreßteil von zittriger Hand. (CHF 1’200.00)<br />

An einen „John Laïmis Esqu. Greek Deputy“ gerichtetes Couvert. – Auf einem weißenTeil des als Briefumschlag<br />

verwendeten Blattes die Echtheitsbestätigung des griechischen Marineministers Georgios Roufos (1841-1891):<br />

„Ecriture de Lord Byron Athènes 18 Janvier 1883 / GRouffo / Ministre de la Marine“.<br />

„if ever I come back I will pay a visit to Weimar“<br />

56 – GOETHE, Ottilie von, Schwiegertochter Goethes, 1796-1872. Eigenhändige Abschrift des Briefes<br />

Byrons vom 24. Juli 1823 an Goethe. O.O. und D. 1 Einzelblatt folio, beide Seiten beschrieben. Etwas<br />

fleckig, rückseitig alte Leimspur entlang des rechten Randes. (CHF 800.00)<br />

Abschrift des schönen Briefs von Lord Byron an Goethe vom 24. Juli 1823 aus Livorno; Byron war am 16. Juli<br />

von Genua aus in See gestochen, um nach Griechenland zu reisen.<br />

„… For I am at present on my voyage to Greece once more, and surrounded by hurry & bustle which hardly allow a moment<br />

even to Gratitude & Admiration to express themselves. –<br />

I sailed from Genoa some days ago, was driven back by a Gale of wind and have sailed again and arrived here ‘Leghorn’<br />

this morning to receive on board some Greek passengers for their struggling country.<br />

Here also I found your lines and Mr. Sterling’s letter, and I could not have had a more favourable Omen, a more agreeable<br />

surprise, than a word of Goethe written by his own hand.<br />

I am returning to Greece, to see if I can be of any little use there – if ever I come back I will pay a visit to Weimar, to offer<br />

the sincere homage of one of the many Millions of your admirers. – …”<br />

Byron sollte nicht aus Griechenland zurückkehren; er starb am 19. April 1824 bei Missolunghi. Goethe hatte<br />

seit 1816 Byrons Tun mit Interesse verfolgt. Er veröffentlichte eine Besprechung von Byrons ‚Manfred’, was<br />

diesen hoch erfreute und den kurzen Schriftverkehr zwischen den beiden eröffnete. Das im Brief erwähnte<br />

„word of Goethe written by his own hand” ist Goethes Gedicht ‘An Lord Byron’.<br />

Der Brief Byrons ist gedruckt in: The Works of Lord Byron; Letters and Journals, Vol. 6, Nr. DXXIV.<br />

57 CAMUS, ALBERT, einer der Exponenten des Existenzialismus, erhielt 1957 den Nobelpreis, 1913-<br />

1960. L.A.S. (Paris) 14.I.1947. 1 Einzelblatt gr.-8°, die Vorderseite beschrieben. Briefkopf der Librairie<br />

Gallimard. Papier gleichmässig gebräunt. (CHF 900.00)<br />

38<br />

An den Schriftsteller Charles Autrand (1918-1976), dessen Bitte um Beiträge für seine Zeitschrift er abschlägig<br />

beantwortet: „…Je suis si débordé que je suis obligé de réserver ma collaboration à Combat et à l’Arche. J’ai de la sympathie<br />

pour les vivants. Mais on ne traite pas ce problème en trois phrases. Et je n’ai pas le temps de faire ce qu’il faut, si<br />

je veux garder celui d’écrire pour moi …“<br />

Camus hatte 1943 seine Mitarbeit an dem im Untergrund erscheinenden Blatt ‚Le Combat’ begonnen; nach der<br />

Befreiung Frankreichs 1944 wurde er dessen Chefredakteur.


58 CANETTI, ELIAS, aus Bulgarien gebürtiger deutschsprachiger Schriftsteller, erhielt 1981 den Nobelpreis,<br />

1905-1994. L.A.S. O.O. 18.X.1979. 1 Einzelblatt kl.-4°, die Vorderseite eng beschrieben.<br />

(CHF 1’800.00)<br />

An eine Verehrerin in Marbach, der er entgegen seiner Gewohnheit und angerührt durch ihr Schicksal, über<br />

sein Leben und auch über sein Hauptwerk „Masse und Macht“ Auskunft gibt.<br />

„…Es ist nicht ganz so, wie Sie denken, seit dem Erscheinen der ‚Geretteten Zunge’ kommen Hunderte von Briefen; da<br />

ich an der Lebensgeschichte weiter schreibe und auch sonst sehr viel arbeite, ist es mir einfach unmöglich, sie zu beantworten.<br />

Dieses eine Mal möchte ich aber doch antworten: Sie sollen wissen, dass Ihr Brief mich erreicht hat und dass ich<br />

beeindruckt bin von Ihrem schweren Schicksal und auch davon, dass Sie es gemeistert haben.<br />

Ihre Fragen kann ich aber nicht alle beantworten … An mein wissenschaftliches Hauptwerk ‚Masse und Macht’ habe ich<br />

mehr als zwanzig Jahre meines Lebens gewandt. Das sollen Sie aber nicht lesen, das erfordert noch viel mehr Geduld als<br />

die ‚Blendung’. Ohne die Hilfe meiner Frau, die ein ganz ungewöhnlicher Mensch ist, fände ich nicht die Kraft, in meinem<br />

Alter, da Krankheiten und Gebrechen immer häufiger werden, die Arbeit fortzusetzen.<br />

Ich muss mich dazu an einen Ort zurückziehen, dessen Adresse nur meinem Verleger bekannt ist und die niemand sonst<br />

erfährt. So kann man sich das bisschen Kraft, das man noch hat zusammensparen, um weiter zu schreiben …“<br />

Eine Kopie des Briefes an Canetti liegt bei.<br />

39


59 CAPOTE, TRUMAN (Pseudonym für Truman Streckfus Persons), amerikanischer Schriftsteller und<br />

Drehbuchautor, 1924-1984. C.P.A.S. „Truman“. Verbier 13.X.1965. (CHF 900.00)<br />

Grüße an seinen Agenten Irving Paul ‚Swifty’ Lazar (1907-1993) in Beverly Hills und dessen Frau Mary: „Dearest<br />

Mary and Irving – The Swiss have just come up with a superman version of B-12. Will bring you some. Did you ever<br />

receive a copy of my ‚Gatsby’ script? Am leading a life quiet + healthy as an Alpine cow. Miss you both. Much love –<br />

Truman“.<br />

Paramount lehnte das Drehbuch Capotes für die Verfilmung von Fitzgeralds ‘The Great Gatsby’ ab.<br />

60 CAROSSA, HANS, 1878-1956. C.P.A.S. Rittsteig 29.I.1942. Leicht gebräunt. (CHF 120.00)<br />

An Heinrich Meng, „Lektor für psych[ische] Hygiene“ in Basel.<br />

„... nach Monaten voller Verpflichtungen und Ablenkungen scheint jetzt eine ruhigere Zeit für mich zu kommen, und<br />

wenn Sie mir im Lauf der nächsten Wochen die freundlichst angebotene Schrift übermitteln wollen, freue ich mich, sie<br />

zu lesen ...“<br />

61 CAROSSA, HANS, 1878-1956. Eigenhändiges Gedicht mit Unterschrift 2/3 S. gr.-8°. Kleiner Faltenriß,<br />

rückseitig Montagespuren. (CHF 150.00)<br />

„Der Sturm legt Wälder um / und bringt Schiffe zum Sinken; aber / die zartgrüne Rankenspirale, an / der sich die Weinrebe<br />

festhält, / die vermag er nicht abzureißen.“<br />

Beiliegend ein eigenhändig adressierter Briefumschlag an K. Gallusser in Zürich (Rittsteig 1951).<br />

„in der Mittwochsgesellschaft“<br />

62 CHAMISSO, ADELBERT VON, 1781-1838. L.A. mit Namenszug am Kopf (3. Person). (Berlin) 26.I.1827.<br />

1 S. gr.-8°. Mit Siegelspur und Adresse. Leicht fleckig. (CHF 500.00)<br />

An den Komponisten und Musikgelehrten Heinrich Carl Breidenstein (1796-1876), „Canonier Strasse N. o 16“.<br />

„Adelbert v. Chamisso hat die Ehre den Herrn Professor Breidenstein einzuladen, Montag den 28ten in der Mittwochsgesellschaft<br />

sein Gast zu sein. – Ort und Zeit: wie gewöhnlich. Tagesordnung: Ertheilung des Preises dem besten Gedichte<br />

beliebiger Form und Gehaltes von höchstens 100 Zeilen Umfang.“<br />

Die musisch-literarisch orientierte „Mittwochsgesellschaft“ war am 26. Oktober 1824 durch Julius Eduard Hitzig<br />

gegründet worden.<br />

63 CLAUDEL, PAUL, Dichter und Diplomat, der herausragende Vertreter des ‚renouveau catholique’,<br />

1868-1955. 15 L.A.S. Brangues, Paris, Basel und Zürich 28.IX.1941-27.XI.1948. 13 Einzelblätter 8°, 1<br />

Doppellblatt kl.-4° und 1 Lettre pneumatique, davon 21 Seiten beschrieben. Meist mit gedrucktem<br />

Briefkopf (‚Château de Brangues’, 9, rue Anatole de la Forge und 11, boulevard Lannes), 2 Hotelbriefbogen<br />

(‚Trois Rois’ in Basel und ‚Baur au Lac’ in Zürich). Mit 4 zugehörigen, ebenfalls eigenhändig<br />

adressierten Couverts. (CHF 2’400.00)<br />

40<br />

An seinen Schweizer Verleger Walter Egloff (1909-1986) in Fribourg.<br />

8.I.1942: „… J’ai reçu une lettre de félicitations par le Cardinal Maglione du S. Père, qui, v. le savez, m’a toujours témoigné<br />

une bienveillance bien précieuse pour moi …“<br />

28.XII.1945: „… J’ai bien reçu le contrat que v. avez préparé pour la Rose et le Rosaire, mais j’ai été très surpris de lire à<br />

l’article 2 que mes droits sont de cinq (5) pourcent. Ceux que me donne Gallimard actuellement, ceux par conséquent que<br />

je vous ai demandé… sont de quinze (15) pourcent…“<br />

29.I.1946: „… J’ai choisi 5 dessins de Charlot … Il doit être bien entendu q. je me réserve le droit de reproduire les dits<br />

dessins dans l’édition complète de mon Apocalypse …“


24.XI.1946: „… A ma profonde confusion je m’aperçois que deux des poèmes que je vous ai donnés pour ‚Visages radieux’<br />

… ont déjà paru dans ‚Ecoute, ma fille!’ Sera-t-il possible de les faire disparaître du nouveau recueil? ….“<br />

27.XI.1948: „… J’ai enfin reçu le premier exemplaire de mon Cantique, avec quelle satisfaction! Papier et typographie<br />

sont tout ce que je pouvais désiré, mais que de fautes! Dont deux très graves. Espérons qu’une prochaine réédition permette<br />

de les réparer …“<br />

Von Claudel erschienen bei Egloffs „Librairie de l’Université de Fribourg“ u.a. ‘Présence et prophétie’ (1942),<br />

‚La rose et le rosaire’ (1946)‚ ‘Visages radieux’ (1946) und ‘Paul Claudel interroge Le Cantique des cantiques’<br />

(1948).<br />

64 CLAUDIUS, HERMANN, 1878-1980. Eigenhändiges Gedicht, betitelt „Urians Reise um die Welt 1915“,<br />

mit Namenszug am Kopf („Herm. Claudius“) und am Schluß („HCl.“). 3 S. gr.-folio. Leichte Randläsuren,<br />

etwas unfrisch. Kleiner Sammlerstempel am Unterrand. (CHF 400.00)<br />

Eine kriegsbedingte Umdichtung des berühmten „Wenn jemand eine Reise tut, / so kann er was erzählen“.<br />

„Wenn jemand eine Reise tut,<br />

so kann er was verzählen.<br />

Drum nahm ich meinen Stock und Hut<br />

und tät das Reisen wählen.<br />

Tutti<br />

Da hat er garnicht übel dran getan;<br />

verzähl er doch weiter, Herr Urian!<br />

Und das war garkein leichter Spaß.<br />

War Krieg zu Land und Küste.<br />

Doch borgte ich mir einen Paß<br />

und fuhr als Journaliste.<br />

Tutti (s. oben!) ...“<br />

Es folgen 17 weitere Strophen.<br />

65 CLAUDIUS, HERMANN, 1878-1980. Eigenhändiges Gedicht, betitelt „Mit achtzig Jahren“, mit Unterschrift<br />

und Datum 19.X.1958. 1 S. gr.-folio (zusammengesetztes Blatt). Winziger Randeinriss,<br />

Wischspuren. (CHF 200.00)<br />

Die erste von vier Strophen lautet:<br />

„Nicht, daß es mich reut,<br />

ich habe meine Saaten ausgestreut,<br />

wohin immer sie fielen<br />

auf offenen Acker<br />

oder auf harten Stein.<br />

Ich war immer allein<br />

unter den Allzuvielen.“<br />

„Your mother is sofaing in the pleasant breeze on the porch”<br />

66 CLEMENS, SAMUEL LANGHORNE, bekannt als MARK TWAIN, scharfzüngiger und humoristischer amerikanischer<br />

Schriftsteller, 1835-1910. L.A.S. „Father”. Quarry Farm, Elmira N.Y. 2.VII.1903. 1 Doppelblatt<br />

8°, alle 4 Seiten beschrieben. Goldgeprägter Briefkopf. Mit dem zugehörigen, eigenhändig<br />

adressierten Couvert. (CHF 4’500.00)<br />

An seine Tochter Clara in Riverdale, mit der Bitte, der Mutter einen Brief zu schreiben, um eine Verstimmung<br />

bei einer Angestellten („Miss Sherry“) zu vertreiben; außerdem mit Eindrücken aus der Sommerfrische auf der<br />

Farm seiner Schwägerin.<br />

41


„…if you are sorry you neglected to offer a good-bye to Miss Sherry yesterday at the cars, write to your mother to say so,<br />

but don’t do it in such a way as to betray that you got a hint from here. Miss Sherry is hurt about something, + your<br />

mother thinks it was that…<br />

It is noon. Aunt Sue is down town broiling. Your mother is sofaing in the pleasant breeze on the porch + blinking at the<br />

view – which she concedes is lovely, but doesn’t begin with the noble view from her windows in Riverdale (a place which<br />

she was as homesick for, last night, as ever a lost child was for mother’s breast). Homesick for those Perkinses & Dodges,<br />

too – a malady which we shall all suffer from in the coming days …<br />

The bluebirds have a home in the cherry tree; there was a Bob White in the grounds this morning. I wish Jon was dead.<br />

Lots of love to you + Jean from us. / Father.<br />

P.S. The next to the last sentence gave your mother a cruel shock. In her delicate state of health she is not strong on grammar,<br />

therefore the word ‘was’ did not save her. She thought I was saying ‘I wish you was dead’ whereas I was referring to<br />

the dog (Jon) [I thought I should bust]. Your mother is physically (but not morally or spiritually) languid this morning.<br />

But that is all. I think it marvelous that that horrible trip did not exhaust her.”<br />

Die zur Pianistin und Sängerin ausgebildete Clara Clemens (1874–1962) war das einzige der vier Kinder Mark<br />

Twains, das ihn überlebte; sie wurde seine Nachlassverwalterin. – ‚Quarry Farm’ gehörte Olivia Clemens’s<br />

Adoptivschwester Susan Crane („aunt Sue“) und diente der Clemens-Familie als Sommerdomizil.<br />

67 CLIFFORD BARNEY, NATALIE, amerikanische Schriftstellerin, seit 1898 in Paris lebend, als „Amazone“<br />

bekannt, 1876-1972. L.A.S. (Paris) 27.XII.1914. 1 Einzelblatt kl.-4°, die Vorderseite beschrieben. Unwesentlich<br />

gebräunt. (CHF 350.00)<br />

42<br />

An die Schriftstellerin Rachilde (1860-1953), die Ehefrau von Alfred Vallette, dem Herausgeber des „Mercure<br />

de France“: „…J’ai reçu un joli mot de vous avant la guerre, lorsqu’on pouvait encore se permettre d’être soi-même – …<br />

Mais à présent que Paris reprends un peu a nouveau son aspect – il vous réclame. Où êtes vous ? là ? que je m’en assure<br />

et m’en rassure bientôt en vous revoyant et que cette fin d’année vous porte mes vœux pour l’année nouvelle – en<br />

attendant …“.


Die aus reichem Elternhaus stammende Clifford Barney liebte die Skandale, die ihre zahlreichen lesbischen<br />

Liebschaften auslösten. In ihrem Pavillon an der Rue Jacob – die Adresse ist auf dem Brief vermerkt – führte<br />

sie einen der aufregendsten Salons. Zu den Stammgästen zählten Rodin, Rilke, Joyce, Gertrude Stein, Ezra<br />

Pound, Colette, Cocteau, die Fitzgeralds, usw.<br />

68 COCTEAU, JEAN, Dichter, Maler und Cineast, Mitglied der Académie française, 1889-1963. L.A.S. St.<br />

Jean Cap Ferrat 3.XI.1952. 1 S. gr.-4°. (CHF 400.00)<br />

An Rolf Badenhausen am Düsseldorfer Schauspielhaus, wo Gustaf Gründgens die deutsche Erstaufführung<br />

seines „Bacchus“ inszenierte. Cocteau hatte die letzten Proben gesehen, die Premiere liegt zwei Wochen<br />

zurück.<br />

„... N’oubliez pas les photographies que nous attendons avec impatience. Je suis heureux de vos bonnes nouvelles. Racontez<br />

moi surtout les réactions du public et si Grundgens est en bonne forme dans sa pourpre cardinalice ... L’évèque était<br />

il content de ses cigarettes?“ – Gründgens spielte den Kardinal Zampi.<br />

Beiliegend der Durchschlag des vorausgegangenen Briefes Badenhausens an Cocteau.<br />

„ce sont davantage des années de récolte que des années de création“<br />

69 COCTEAU, JEAN, 1889-1963. L.A.S. (Fragment). St. Jean Cap-Ferrat 9.II.1961 (Poststempel). 2 Einzelblätter<br />

gr.-4°, davon 3 Seiten beschrieben. Mit dem dazugehörigen, eigenhändig adressierten Couvert.<br />

(CHF 500.00)<br />

Seiten „2“ und „3“ eines offenen Briefes an die Zeitschrift ‚Magnum’ in Köln, in dem Cocteau seine Sicht auf<br />

das Kunstschaffen der Zwanziger Jahre darlegt.<br />

„… [En 1913 l’exposition des indépendants présentait une merveilleuse vague d’un romantisme neuf où Picasso – le<br />

douanier Rousseau – Delaunay – Maria Blanchart – Archipenko – Matisse menaient la danse. Ensuite, contrairement à<br />

la victoire d’un Delacroix sur Ingres, Ingres vint étouffer le romantisme neuf sous la forme sévère du cubisme.<br />

Aujourd’hui, grâce à la jeunesse incroyable de Picasso et à son audace perpétuelle, et surtout grâce au fabuleux héritage<br />

de quelques artistes morts dans la misère<br />

(comme Van Gogh ou Rimbaud) une foule de<br />

fils à papa profitent de se que l’art révolutionnaire<br />

soit devenu l’art officiel. Tous ces passionnants<br />

problèmes ne concernent pas ce<br />

qu’on appelle les années folles et qui les furent<br />

bien moins que celles que nous sommes en<br />

train de vivre.<br />

[Ce qui les marque, c’est l’arrivée en France<br />

du Jazz et le style ‘garçonne’ chez les femmes.<br />

Mais, je le répète, ce sont davantage des années<br />

de récolte que des années de création…“<br />

‚Magnum’ (1954–1966) war eine der<br />

wichtigsten deutschen Zeitschriften der<br />

Nachkriegszeit. Der Text Cocteaus erschien<br />

in Heft 35 (April 1961) mit dem<br />

Titel ‚Die tollen Zwanzigerjahre’.<br />

43


70 COLETTE, SIDONIE-GABRIELLE COLETTE gen., französische Schriftstellerin und Variétékünstlerin,<br />

1873-1954. L.A.S. „Colette Willy“. O.O. und D. (um 1899/1900). 1 Doppelblatt 8°, die erste Seite beschrieben.<br />

Briefkopf ‚93, Rue de Courcelles’. (CHF 250.00)<br />

An den spanischen Maler Josep Maria Sert i Badía (1876-1945), den sie in ihren Salon einlädt: „Monsieur Sert /<br />

Si vous êtes mort, il était de la plus stricte politesse de m’en faire part. Je reçois demain, samedi, de 5 à 7 heures. / Colette<br />

Willy. / Je serre affectueusement les petits sabots de Paf, qui est, comme on sait un chevreuil“<br />

Sert kam 1899 nach Paris, wo er sich im Kreis der Nabis-Künstler bewegte. Colette hatte 1893 den Literaten<br />

Henry Gauthier-Villars geheiratet, der unter dem Pseudonym „Willy“ populäre Romane schrieb. Während<br />

ihrer Ehe (1893-1902) lebte das Paar an der Rue de Courcelles.<br />

Beilage: ein von Colette eigenhändig an die Schauspielerin Marguerite Moreno (1871-1948) adressiertes Couvert<br />

(Poststempel: St. Tropez 10.IX.1923).<br />

71 DAHN, FELIX, 1834-1912. Eigenhändiges Billett mit Unterschrift „F. D.“ auf seiner Visitenkarte.<br />

Karlsruhe 27.V.1887. 1 S. quer-32°. Etwas gebräunt. (CHF 80.00)<br />

„Hier, mit wahrer Herzensfreude! Bitte, schicken Sie mir 25 Sonderabdrücke, auch einige von dem Bild ...“<br />

72 DAUDET, ALPHONSE, französischer Schriftsteller, 1840-1897. L.A.S. O.O.u.D. [ca. 1890]. 1 Doppelblatt<br />

kl.-8°, die erste Seite beschrieben. (CHF 300.00)<br />

An den Redakteur der Wiener ‚Neuen Freien Presse’, Hugo Wittmann (1839-1923), über das Fortschreiten seines<br />

neuen Romans und einen Besuch Zolas.<br />

„…Le roman va lentement, mais il avance. Je ne peux pas encore fixer de date précise; dès que j’y verrai claire je vous<br />

écrirai.<br />

Conformément à votre dépêche, je n’ai donné la copie de l’article que je vous ai envoyé – à aucun journal.<br />

Zola, qui passait la soirée chez moi avant-hier, m’a dit vous avoir envoyé une longue étude. La Neue Freie Presse devient<br />

un journal du boulevard. J’en suis content pour vous tous …Les rois en exil viennent de paraître à Berlin. – Quant à<br />

Nord et midi, vous serez mon guide.“<br />

Daudets Roman ‚Les Rois en exil’ war 1879 erscheinen, eine deutsche Übersetzung folgte 1890. Beim unfertigen<br />

Roman könnte es sich um ‚Port-Tarascon’, den letzten Teil der Tartarin-Trilogie, der ebenfalls 1890 erschien,<br />

handeln.<br />

73 DEHMEL, RICHARD, deutscher Dichter und Schriftsteller, 1863-1920. L.A.S. Pankow 3.IX.1895. 1 Doppelblatt<br />

8°, 2 Seiten beschrieben. (CHF 350.00)<br />

Freundlich-kritischer Brief an einen Dichter, dessen Werk ihn „unsympathisch berührt“ habe: „… Für Ihre dramatische<br />

Studie meinen schönsten Dank! Ich kann Ihnen freilich nicht verhehlen, trotz aller Achtung vor dem feinen Stil,<br />

daß mich die Dichtung unsympathisch berührt hat. Ich bin kein Freund des Lebensüberdrusses, und die lebensmüd Geborenen<br />

kann ich höchstens bemitleiden, die gern Sterbenden sind mir widerlich. ‚Das Leibliche zu überwinden’, dürfte<br />

nicht blos schwerer, sondern auch häßlicher sein, als Ihr Wassilij glaubt. Wer so rasch mit dem Leben fertig wird, der hat<br />

es eben noch nicht erlebt. Mit der Bitte, mich nicht mißzuverstehen…“<br />

74 DEHMEL, RICHARD, 1863-1920. Eigenhändiges Gedicht, 3 Strophen, am Kopf betitelt „Letzte Frage“<br />

und am Fuß signiert„Dehmel“. [ca. 1915]. 1 Einzelblatt kl. folio, die Vorderseite mit Bleistift beschrieben.<br />

Winzige Randschäden. Mit einer Korrektur. Schwacher Stempel einer Druckerei.<br />

(CHF 600.00)<br />

44<br />

Kriegsgedicht, frühe Abschrift, möglicherweise Druckvorlage


„Auf die mächtige Schützengrabenkette Plötzlich kommt ein zischender Feuerbogen<br />

vom Gebirge bis zum Meeresbette zwischen Stern und Mond durchs bleiche Dunkel geflogen:<br />

legt der volle Mond sein friedhofstilles Licht. Granate nach Granate kracht.<br />

Keine Seele spricht; Der Gewehrlauf zuckt gradaus in Tausenden Händen,<br />

und der Glanz des Abenteurers spannt Todesfunken ins Weltgrau zu entsenden;<br />

Heimatfrieden über Feindesland. über Kampfbefehle, jäh belebende,<br />

Die Geschütze schweigen. schmettern die Geschütze ihre schwebende<br />

Sphärenmusik.<br />

Eine Weile prasselt’s, rollt, sprüht, saust;<br />

Blitz und Donner in der Menschenfaust,<br />

herrlich spannt ihr über Tal und Hügel<br />

eure gottentsprossenen Siegesflügel<br />

himmelan.<br />

Wollt ihr so den irdischen Geist beschwingen,<br />

sich zum ewigen Frieden hochzuringen?<br />

Sprecht! Euch fragt ein ruhig sterbender Mann.<br />

Die Geschütze schweigen.“<br />

Dehmel hat das Gedicht auf die Rückseite der Druckfahne des mit Bleistift stark überarbeiteten Gedichts<br />

„Vision“ von Gustav Falke geschrieben (1853-1916).<br />

45


75 DEHMEL, RICHARD, 1863-1920. 2 C.P.A.S. „Dehmel“. Blankenese 5.III.1913 und 26.IX.1918 (Poststempel).<br />

Eine gelocht, leicht gebräunt. (CHF 120.00)<br />

1913, an den Komponisten und Musikkritiker Max Marschalk in Berlin-Halensee. „... Die Zukunftsmusik ist<br />

immer anders, als die Klugschwätzer prophezeien ...“<br />

1918, an die „Herren Ltnts. Burschell und Geiger“ in München. „Freiheit, Freiheit, wie lange noch / willst du den Geist<br />

mit Sehnsucht plagen? / Bis die Seele willig das Joch / der Liebe weiß zu tragen.“<br />

76 DEHMEL, RICHARD, 1863-1920. Eigenhändiges Gedicht, betitelt „Die befohlene Linie“. 1 S. gr.-8°. Kariertes<br />

Papier. (CHF 300.00)<br />

„‘Die befohlene Linie ist erreicht’ –<br />

wir warten auf weitern Befehl.<br />

Wo solch ein Generalswort steigt,<br />

spürt jede Soldatenseel:<br />

ich tat meine Pflicht, das genügt.“<br />

Es folgen zwei weitere Strophen.<br />

77 DEUTSCHE UND ÖSTERREICHISCHE DICHTER UND SCHRIFTSTELLER. – 9 Autographen von 8 Dichtern,<br />

dabei 2 L.A.S., 3 C.A.S., 1 L.S. etc. (CHF 200.00)<br />

Es liegen vor: a) Felix Dahn, 1834-1912. C.P.A.S.; - b) Edwin Erich Dwinger, 1898-1981. L.S.; - c) Emanuel Geibel,<br />

1815-1884. D.A.S. (Briefschluß); - d) Wolfgang Hildesheimer, 1916-1991. C.P.A.S.; - e) Rolf Hochhuth, geb.<br />

1931. C.P.S.; - f) Detlev von Liliencron, 1844-1909. B.A.S.; - g) Tony Schumacher, deutsche Kinderbuchautorin,<br />

1848-1931. Gruß und Unterschrift unter einem gedruckten Bild; - h) August Silberstein, österreichischer<br />

Schriftsteller und Dichter, 1827-1900. L.A.S. und 1 B.A.S.; - i) Carl Friedrich Wiegand, 1877-1942. L.A.S. An<br />

Fritz Heberlein.<br />

78 DICHTER UND SCHRIFTSTELLER. – 27 Autographen, meist L.A.S. (CHF 500.00)<br />

Es liegen vor: Ludwig Bäte (Osnabrück 1961), Wolf Heinrich Graf von Baudissin (Dresden 1841), Eduard von<br />

Bauernfeld (eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift, o.O.u.D.), Rudolf G. Binding (5; davon 1 C.P.A.S.,<br />

Buchschlag 1920-1924), Cäsar Flaischlen (2; davon 1 C.P.A.S., Berlin 1897 und 1917), Gustav Freytag (2;<br />

Siebleben 1890 und o.O.u.D.), Emanuel Geibel (Lindau 1854), Karl Gerok (eigenhändiges Albumblatt mit<br />

Unterschrift, Stuttgart 1889), Gunnar Gunnarsson (2; 1 C.P.A.S. und 1 eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift,<br />

Grantofte 1927 und Reykjavik 1961), Enrica von Handel-Manzetti (eigenhändiges Albumblatt, 1923),<br />

Otto Erich Hartleben (C.P.A.S., Berlin 1894), Hermann Hesse (eigenhändiges Schriftstück mit Unterschrift),<br />

Karl von Holtei (Hamburg 1849), Ricarda Huch (o.O. 1902), Joseph Lauff (eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift,<br />

Wiesbaden 1901), Hermann von Lingg (eigenhändiges Gedicht mit Unterschrift, München 1867),<br />

Rudolf Presber (eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift, Berlin 1908), Friedrich Spielhagen (eigenhändiges<br />

Albumblatt mit Unterschrift, Berlin 1885), Johannes Trojan (eigenhändiges Gedicht) und Fedor von Zobeltitz<br />

(eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift, Berlin 1901).<br />

79 DICHTER UND SCHRIFTSTELLER. – 11 Autographen, meist L.A.S. (CHF 200.00)<br />

46<br />

Es liegen vor: Carmen Sylva (Gedicht mit Unterschrift „Elisabeth“), Franz von Dingelstedt (eigenhändiges<br />

Manuskript-Fragment, 2 S. gr.-4°), Georg Ebers (Leipzig 1883), Karl Förster (eigenhändiges Gedicht „An<br />

Elisa“), Emil Frommel (Berlin 1890), Karl Gutzkow (Weimar 1862), Amalie von Helvig (o.O. 1823), Ernst Raupach<br />

(Berlin 1833), Wilhelm Heinrich Riehl (eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift, München 1870), Gustav<br />

Schilling (Dresden 1836) und Johanna Spyri (C.P.A.S., Zürich 1882).


Beiliegend ein Faksimile des Gedichts „Bittschrift“ von Friedrich Schiller sowie ein Faksimile eines Briefumschlags<br />

Schillers.<br />

80 DICHTER UND SCHRIFTSTELLER. – 11 Autographen, meist L.A.S. (CHF 200.00)<br />

Es liegen vor: Hermann Bahr (2; davon 1 C.P.A.S., Venedig 1909), Helene Böhlau (München 1907), Ottomar<br />

Enking (Dresden 1906), Hermann Lingg (L.A.S., München 1890, mit anhängendem eigenhändigen Albumblatt<br />

mit Unterschrift), Max Nordau (C.P.A.S., Paris 1906), Josef Ponten (C.P.A.S., München 1925), Albrecht<br />

Schaeffer (C.P.A.S., Berlin 1924), Thassilo von Scheffer (Berlin 1943), Arthur Seidl (München 1901) und Max<br />

Treu (eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift, Erfurt 1907).<br />

81 DICHTER UND SCHRIFTSTELLER. – 10 Autographen. (CHF 150.00)<br />

Es liegen vor: Hermann Claudius (L.A.S., Fuhlsbüttel 1920), Ludwig Fulda (C.P.A.S., Heidelberg 1883), Hans<br />

Hoffmann (7; 4 eigenhändige Gedichtmanuskripte, 1 L.A.S., 1 C.P.A.S. und 1 eigenhändiges Schriftstück, Berlin<br />

1884 und Potsdam 1892) und Adolf Müllner (L.A.S., Weißenfels 1826).<br />

82 DICKENS, CHARLES, 1812-1870. L.A.S. London, Devonshire Terrace 16.XI.1849. 1 S. 8°. Bläuliches Papier.<br />

(CHF 500.00)<br />

An Mrs. Scott Russell, der er für einen Brief dankt.<br />

„... I do not believe there are many intelligent people disposed to uphold Public Executions, but I hope to find out before<br />

long ...“<br />

Beiliegend seine Portraitphotographie.<br />

47


„vous avez renoncé aux qualités aimables de votre sexe,<br />

pour prendre les vices odieux du nôtre“<br />

83 DIDEROT, DENIS, französischer Schriftsteller, Philosoph, einer der Exponenten des „Siècle des Lumières“,<br />

1713-1784. L.A. Paris 11.VII.1768. 1 Doppelblatt 4°, 3 Seiten beschrieben. (CHF 9’000.00)<br />

48<br />

Einer der berühmten 21 Briefe Diderots an Marie-Madeleine Jodin (1741-1790), die kurz zuvor wegen ihrer<br />

skandalösen Affaire mit dem dänischen Gesandten in Dresden, Graf Werner von Schulenburg, ausgewiesen<br />

worden und mit diesem nach Bordeaux gezogen war. Im ersten Teil des Briefes zeigt sich Diderot empört darüber,<br />

daß sein Schützling seinen Namen vor Gericht genannt hat. Diderot hält sie zur Zügelung ihres wilden<br />

Temperaments an.<br />

„Vous ne me persuaderez jamais, jamais, mademoiselle, que vous n’ayez pas attiré vous même le désagrément qui vous<br />

est arrivé sur la route. Quand on veut être respectée des autres, il faut leur en donner l’exemple par le respect qu’on se<br />

porte à soi même. Vous avez commis une autre indiscrétion, c’est d’avoir donné à cette aventure de la publicité par une<br />

poursuite juridique. Ne concevez-vous pas que c’est une nouvelle objection que vos ennemis ne manqueront pas de vous<br />

faire, si, par des événements qu’il est impossible de prévoir, vous étiez malheureusement forcée à revenir à votre état ? Et<br />

puis vous vous réclamez de moi dans une circonstance tout à fait scandaleuse. Mon nom prononcé devant un juge ne peut<br />

alors donner meilleure opinion de vous et ne peut que nuire à la bonne opinion qu’on a de moi…<br />

Si vous ne travaillez pas sans relâche à modérer la violence de votre caractère, vous ne pourrez vivre avec qui que ce soit,<br />

vous serez malheureuse, et personne ne pouvant trouver le bonheur avec vous, les sentiments les plus doux qu’on aura<br />

conçus pour vous s’éteindront, et l’on s’éloignera d’une belle furie dont on s’ennuiera d’être tourmenté. Deux amants qui<br />

s’adressent des propos grossiers s’avilissent tous deux. Regardez toute querelle comme un commencement de rupture. À<br />

force de détacher des fils d’un câble, quelque fort qu’il soit, il faut qu’il se rompe. Si vous avez eu le bonheur de captiver<br />

un homme de bien, sentez-en tout le prix ; songez que la douceur, la patience, la sensibilité sont les vertus propres de la<br />

femme, et que les pleurs sont ses véritables armes. Si vos yeux s’allument, si les muscles de vos joues et de votre cou se


gonflent, si vos bras se raidissent, si les accents durs de votre voix s’élèvent, s’il sort de votre bouche des propos violents,<br />

des mots déshonnêtes, des injures grossières ou non, vous n’êtes plus qu’une femme de la halle, une créature hideuse à<br />

voir, hideuse à entendre, vous avez renoncé aux qualités aimables de votre sexe, pour prendre les vices odieux du nôtre.<br />

Il est indigne d’un galant homme de frapper une femme, il est plus mal encore à une femme de mériter ce châtiment. Si<br />

vous ne devenez pas meilleure, si tous vos jours continuent à être marqués par des folies, je perdrai tout l’intérêt que je<br />

prends à vous ; présentez mon respect à M. le comte. Faites son bonheur puisque qu’il se charge du vôtre…“<br />

Marie-Madeleine Jodin war die Tochter eines Genfer Uhrenmachers, der an Diderots „Encyclopédie“ mitarbeitete.<br />

Marie-Madeleine kam mehrfach mit der Justiz in Konflikt und wurde wegen immoralischen Gehabens<br />

mehrfach eingekerkert. Trotz Diderots Ermahnungen kam es 1769 zum Bruch mit Schulenburg. Nach der<br />

Trennung versuchte sie sich als Schauspielerin. 1790 veröffentlichte Jodin ihre ‚Vues législatives pour les femmes’,<br />

das wohl erste feministische Manifest der Revolutionsperiode.<br />

Gedruckt in: Diderot, Oeuvres complètes, éd. L. Versini. Paris, 1997. Vol. 5, S. 835-837.<br />

„dieses kolossale Objekt“<br />

84 DÖBLIN, ALFRED, deutscher Schriftsteller und Arzt,<br />

1878-1957. L.A.S. Berlin 6.II.192[7]. 1 Einzelblatt<br />

schmal-8°, beidseitig beschrieben. Rezeptformular<br />

mit Briefkopf ‚Dr. med. Alfred Döblin / Spezialarzt<br />

für Innere und Nervenkrankheiten’.(CHF 1’200.00)<br />

An Friedrich Michael (1892-1986), Schriftsteller und Redakteur<br />

der Zeitschrift ‚Das deutsche Buch’, dem er eine<br />

kurze Rezension von Joyces Ulysses schickt.<br />

„…Hier folgt die versprochene kurze Besprechung des ‚Ulysses’<br />

von Joyce. Ich habe es so kurz gemacht, wie ich konnte, da Sie es<br />

ja so wollen. (Ich werde aber – wie es dieses kolossale Objekt erfordert,<br />

wahrscheinlich an anderer Stelle (‚Liter. Welt’) in der<br />

notwendigen Ausführlichkeit mich äußern, - falls Sie diese Mitteilung<br />

interessiert)…“<br />

James Joyces’ Monumentalwerk ‚Ulysses’ erschien 1927 in<br />

erster deutscher Übersetzung im Basler Rhein-Verlag. In<br />

seinem Großstadtroman „Berlin Alexanderplatz“ nahm<br />

Döblin Stilelemente von Joyce auf.<br />

Der Brief ist in: Muschg, Walter, und Heinz Graber (Hrsg.).<br />

Briefe. Olten und Freiburg i. Br., 1970, nicht gedruckt.<br />

85 DÖBLIN, ALFRED, 1878-1957. L.A.S. In Französisch.<br />

[Paris] 31.X.1939. 1 Einzelblatt schmal-8°, beide Seiten<br />

beschrieben. Etwas knittrig und angestaubt<br />

. (CHF 900.00)<br />

Brief aus dem Exil an das befreundete Ehepaar Elvira und<br />

Arthur Rosin in Berlin. Döblins frieren in ihrer Pariser<br />

Wohnung, die einstmals der Schauspielerin Rachel gehörte:<br />

„… Nous nous trouvons bien, près Paris; je suis sûr que nous chang[e]ons encore une fois le janvier à cause du froid dans<br />

notre ‘château’ (il appartenait autrefois à l’actrice Rachel). La vie continue, un peu restreinte, mais quand même. – Cher<br />

monsieur Rosin, êtes-vous encore en relation avec Mister Sherman? Du livre ‘pays sans mort’ le premier vol. est traduit<br />

en anglais, on fait une traduction des 2 vol. ensemble, mais raccourcie; traducteur un M. Owens. ‘Volume should not exceed<br />

140000 words.’ Le grand volume doit paraître au printemps prochain (‘All Book cooper’). On ne paie pas beaucoup,<br />

mais j’espère de l’Amérique -. Très chers amis, comme je regrette l’évolution du monde et qu’on est si loin l’un de l’autre!<br />

...“<br />

Nach dem Reichtagsbrand verließ Döblin Berlin, 1936 wurde er französischer Staatsbürger. Im Juni 1940 floh<br />

er vor den deutschen Besatzungstruppen über Spanien und Portugal in die USA.<br />

49


Der im Brief genannte Südamerika-Roman ‚Das Land ohne Tod’ war 1937 erschienen.<br />

„Mit dem Bankier Rosin war Döblin schon in Berlin befreundet gewesen. Die Briefe setzen sogleich nach der<br />

Emigration ein und reichen bis in die Nachkriegszeit ... Rosin war Ratgeber, Freund und Gönner. Döblins<br />

Briefwechsel mit ihm stellt eines der wenigen konstanten Elemente in der Unbeständigkeit des Emigrantendaseins<br />

dar ...“ (Heinz Graber in: Briefe, S. 674).<br />

Gedruckt in: Muschg, Walter, und Heinz Graber (Hrsg.). Briefe. Olten und Freiburg i. Br., 1970. S. 237 f.<br />

86 DÖRFLER, ANTON, bayrischer Heimatdichter, 1890-1981. Eigenhändiges Sonett, betitelt „Zeus von<br />

Artemision“, mit Unterschrift Seeshaupt 24.IX.1960. 1 S. folio. (CHF 120.00)<br />

50<br />

Die erste Strophe lautet:<br />

„Er steht wie einer, der nie stehen muß,<br />

der schweben kann, wo er nur immer will<br />

und unter dessen herrscherlichem Fuß<br />

Gewölk und Lüfte werden fest und still.“<br />

87 DROSTE-HÜLSHOFF, ANNETTE FREIIN<br />

VON, 1797-1848. Eigenhändiges Gedicht,<br />

betitelt „Das alte Schloß.“ (Meersburg,<br />

wohl Anfang 1842.) 1 1/2 S. gr.-8°.<br />

Schwach fleckig. (CHF 7’500.00)<br />

Fünf achtzeilige Strophen; die erste und die<br />

letzte lauten:<br />

„In dem Schloß haus’ ich am Berge,<br />

Unter mir der blaue See,<br />

Höre nächtlich Koboldzwerge,<br />

Täglich Adler aus der Höh’,<br />

Und die grauen Ahnenbilder<br />

Sind mir Stubenkameraden<br />

Wappentruh’ und Eisenschilder<br />

Sopha mir und Kleiderladen ...<br />

Ja, mir wird nicht baldigst fade<br />

Dieses Schlosses Romantick,<br />

In den Trümmern ohne Gnade<br />

Brech’ ich Glieder und Genick;<br />

Denn wie trotzig sich die Düne<br />

Mag am flachen Strande heben,<br />

Fühl’ ich stark mich wie ein Hüne<br />

Von Zerfallendem umgeben.“<br />

Unter dem Gedicht von der Hand Levin<br />

Schückings der Name der Verfasserin „Annette<br />

Freiin Droste zu Hülshoff“.<br />

Diese Reinschrift des Ende 1841 / Anfang 1842<br />

entstandenen Gedichts fertigte die Dichterin<br />

für den geplanten Druck an; Anfang Februar<br />

1842 sandte Schücking das Gedicht (neben anderen)<br />

an das „Morgenblatt“, das es allerdings<br />

nicht druckte.<br />

Historisch-kritische Ausgabe Band I.1 S. 85<br />

(mit dem abweichenden Gedichtanfang „Auf<br />

der Burg haus’ ich am Berge“). Das Autograph<br />

ist dort im Kommentar (Band I.2 S. 893) als<br />

„H2“ verzeichnet.<br />

Sehr selten.


88 DÜRRENMATT, FRIEDRICH, Schweizer<br />

Dramatiker und Erzähler, 1921-1990. 1<br />

L.A.S. „Dein Dürri“ und 1 L.S. „Fritz<br />

Dürrenmatt“. Neuchâtel 14.II.1965 und<br />

Festi ob Ligerz, 11.XII.1950. Je 1 Einzelblatt<br />

DINA4, jeweils die Vorderseite beschrieben.<br />

Mit einem zugehörigen eigenhändig<br />

adressiertem Couvert.<br />

(CHF 3’000.00)<br />

Beide Briefe an den Drehbuchautor und Librettisten<br />

Richard Schweizer (1900-1965).<br />

11.XII.1950: „…mit Ihrem Weihnachtsgeschenk<br />

haben Sie mir und meiner Familie eine<br />

grosse und echte Freude bereitet, umso mehr, als<br />

in der heutigen doch wohl nicht recht erfreulichen<br />

Zeit eine so noble und von Herzen kommende<br />

Haltung wie die Ihre doppelt glücklich<br />

macht. Nichts muntert einem so auf, weiter zu<br />

arbeiten, – kein Preis und keine Kritik – wie jene<br />

spontane und herzliche Anerkennung, die ich<br />

von Ihnen erfahren durfte …“<br />

14.II.1965: „…es hat mich tief bewegt, dass Du<br />

dir die Mühe genommen hast, zur Beerdigung<br />

meines Vaters nach Bern zu kommen … Mein<br />

Vater durfte sich schmerzlos davonmachen,<br />

bevor sein hohes Alter schwer und dunkel<br />

wurde, wie es leider alle Anzeichen befürchten<br />

liessen. Und nun verlief sogar die Trauerfeier<br />

gnädig, wenn auch nicht ohne Symbolik; mein<br />

Vater war Zähringer gewesen und darauf vierundsechzig<br />

Jahre Abstinenzler: So standen die<br />

beiden Studenten wie Jugendsünden da und<br />

sein Sarg lag zwischen den Kränzen des<br />

Dia[ko]nissen- und des Schauspielhauses, eine<br />

sicher seltene Position…“<br />

89 DÜRRENMATT, FRIEDRICH, 1921-1990. L.A.S. „Dürrenmatt“. Neuchâtel 5.III.1983. 1 Einzelblatt DIN A4,<br />

1 Seite beschrieben. Mit einem zugehörigen eigenhändig adressiertem Couvert. (CHF 1’500.00)<br />

An den Sänger Arthur Loosli (geb. 1926) in Bern, dem er für eine Sendung von Graphiken dankt.<br />

„… Verzeihen Sie mir, dass ich Ihnen erst jetzt auf Ihren Brief antworte und vor allem für Ihre ‚Piranesiana’ danke. Als<br />

Ihr Geschenk ankam war ich in einer Kur und dann ist meine Frau gestorben.<br />

Piranesi kannte ich schon lange und besitze von ihm 12 seiner ‚Gefängnisse’. Was Sie aus ihm schufen ist eine Weiterführung<br />

dessen, was er geschaffen hatte, nicht im Sinne des Epigonalen sondern so, wie die Musiker Themen übernehmen<br />

und variieren. Verzeihen Sie, dass meine gegenwärtige Lage mir nicht gestattet, genauer zu sein…“<br />

90 DÜRRENMATT, FRIEDRICH, 1921-1990. Eigenhändige Bleistiftzeichnung auf der Rückseite einer Menukarte<br />

des Restaurants ‚Kronenhalle’ in Zürich. (Datum der Menukarte: 7.I.1966). 1 Einzelblatt<br />

29,5 x 20,1 cm, die Zeichnung ca. 17 x 18 cm. (CHF 1’500.00)<br />

Die Karikatur zeigt den ‚Meteor’ mit Lorbeerkranz um den Hals, wie er einen Luftsprung über das gedruckte<br />

Signet der Kronenhalle macht. –‚Der Meteor’ wurde am 20. Januar 1966 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt.<br />

51


91 DÜRRENMATT, FRIEDRICH, 1921-1990. Eigenhändige<br />

Widmung, signiert „Dürri“, und große Zeichnung<br />

auf dem Vorsatzblatt von ‚Herkules und der Stall des<br />

Augias’, Zürich 1954. Widmung und Zeichnung (14 x<br />

10.5 cm) in Kugelschreiber. O.O. u. D. (1963).<br />

(CHF 2’400.00)<br />

An Leonard Steckel (1901-1971), der die Uraufführung von<br />

‚Herkules und der Stall des Augias’ am Schauspielhaus Zürich<br />

(20.III.1963) inszeniert hatte.<br />

„meinem lieben Stecki für seine wundervolle Regie<br />

war die Poesie auch nicht stubenrein; wahre Regie verklärt alles /<br />

herzlichst / Dürri“<br />

Die fast blattfüllende Zeichnung zeigt Herkules mit Dreizack<br />

auf einem Einrad fahrend.<br />

Beiliegen 4 farbige Privatfotos, die Dürrenmatt zeigen.<br />

92 EBNER-ESCHENBACH, MARIE FREIFRAU VON, geb. Gräfin Dubsky, 1830-1916. Eigenhändiges Manuskript.<br />

1 S. 4°. Minimal fleckig. (CHF 300.00)<br />

Drei Aphorismen; der erste lautet: „König Amed hatte zwei Söhne: Behmed und Cehmed. / Und der König schenkte<br />

seinem Erstgebornen, Behmed, tausend gute Bücher und seinem Zweitgebornen, Cehmed, ein gutes Buch. / Und die<br />

wißbegierigen Söhne lasen in einem fort. / Und Cehmed wurde weise und Behmed wurde dumm.“<br />

Beiliegend 2 L.A.S. und 1 L.S. von Marie von Ebner-Eschenbach (Wien 1876 und Zdislawitz 1882 und 1885).<br />

93 ECO, UMBERTO, italienischer Semiotiker und Schriftsteller, geb. 1932. L.A.S. In Englisch. Mailand<br />

2.V.1988. 1 Einzelblatt DIN A4, die Vorderseite beschrieben. Persönliches Briefpapier. Mit dem zugehörigen<br />

Couvert. (CHF 750.00)<br />

52<br />

An den Antiquar Walter Alicke in Liechtenstein, dem er seine Interessensgebiete angibt.<br />

„…As a matter of fact I’m looking for one of your catalogues, which is not in your present list:<br />

305. Alchemy and source books in chemistry<br />

My collection is centered around Semiotica curiosa, magica et pneumatica. Secret languages, symbols, emblems, curious<br />

logic, mnemonics, taxonomies ..... In this sense I am interested also in Kabbalism, alchemy and so on. I have 22 Kircher<br />

(upon 32, and I’m still looking for a copy of Oedipus Aegyptiacus) and other things between science, magics and so on<br />

(my reference book is, obviously, Thorndike)…”.


Mit dem Rolls durch die Wüste<br />

94 EDSCHMID, KASIMIR, 1890-1966. Eigenhändiges Manuskript, betitelt „Im Libanon“, mit Namenszug<br />

am Kopf. 2 S. gr.-4°. Fragment. Mit eigenhändigen Streichungen und Zusätzen. Klammerspuren,<br />

etwas braunfleckig. (CHF 200.00)<br />

Das Manuskript beginnt: „Weise Menschen werden verstehen, was ein winziger Wald, der zu rauschen anfängt, einem<br />

sein kann, wenn man monatelang nur die Sonnenbassins des Mittleren Ostens durchfahren hat. Auf die schwarz<br />

glühende Wüste Petras mit ihren explodierenden Steinen, auf die nackten Riffe des südlichen Syriens, auf die gelben<br />

Sandgründe Lybiens, auf das kahle Samaria, auf die Wüste Sinai und die Nachbarschaft Bagdads mit zusammengebrochenem<br />

Rolls Roys als Wegweiser folgt das Libanonplateau wie ein kaum gekannter Traum von Ackerland ...“<br />

Beiliegend eine L.S. (Bleistift) Edschmids an Walter Zadek, bei Übersendung des Manuskripts für das Berliner<br />

Tageblatt: „... Das Ms. muss aus dem Jahre 28 stammen. Fuer einen Beleg der Zeitschrift waere ich verbunden ...“<br />

(Darmstadt 30.I.1930).<br />

95 FÉNELON, FRANÇOIS DE SALIGNAC DE LA MOTHE, französischer Schriftsteller und Theologe, Erzbischof<br />

von Cambrai, 1651-1715. L.A.S. „Fr. Ar[chevêque] Duc de Cambray“. Cambrai 27.VII.1708. 1<br />

Doppelblatt 8°, die ersten beiden Seiten beschrieben. (CHF 900.00)<br />

An einen Herrn, mit Genesungswünschen für dessen Neffe, der sich verletzt hatte.<br />

„… Les choses très obligeantes par lesquelles vous m’avez fait Lhonneur de me prévenir, Monsieur, m’engagent a être attentif<br />

a tout cequi vous touchez; Jugez s’il vous plait par la, combien je suis faché d’apprendre la blessure de Monsieur<br />

vôtre neveu. Personne ne souhaitte plus sincerement que moi sa prompte guérison…“<br />

Fénelon war 1699 mit seinem Hauptwerk, dem Erziehungsroman ‚Télémaque’, der gegen seinen Willen veröffentlicht<br />

worden war, beim König in Ungnade gefallen und nach Cambrai ins Exil geschickt worden.<br />

53


„Je suis las de tout ce qu’on dit sur l’art,<br />

sur le beau, sur l’idée sur la Forme“<br />

96 FLAUBERT, GUSTAVE, einer der größten französischen Romanciers, der Schöpfer der ‚Madame Bovary’,<br />

1821-1880. L.A. (ohne Signatur). Croisset „Vendredi soir 11h“ [17.IX.1847]. 1 Doppelblatt 8°, alle<br />

4 Seiten beschrieben. Kurze Einrisse in oberen Rand. (CHF 7’500.00)<br />

54<br />

An seine Geliebte Louise Colet (1810-1876), über den Mordfall Praslin, der damals die Gemüter erhitzte. Am<br />

17. August 1847 war Fanny de Choiseul-Praslin in ihrem Haus in der Rue du Faubourg-Saint-Honoré ermordet<br />

aufgefunden worden. Der Verdacht fiel schnell auf ihren Mann, den Duc de Choiseul, der am 21. August<br />

verhaftet wurde. Am 24. August nahm sich der Herzog mit Gift das Leben, um dem Gerichtsverfahren zu<br />

entgehen: „…Je lirai les lettres de M e de Praslin. Le peu que j’en connais me paraît curieux – J’y ai été frappé d’une chose<br />

– c’est que ces lettres m’ont rappelé par places la couleur des tiennes – tu vas rire mais un rapprochement quelque peu<br />

qu’il soit m’a sauté aux yeux par sa justesse. Il faut croire que le rapprochement n’ira pas plus loin et que je ne t’assassinerai<br />

jamais ! mais qui sait ! n’importe ce serait drôle.<br />

C’était après tout un homme de mœurs aimables que Mr de Praslin. Mais il n’aimait pas les grosses femmes…“<br />

Dann weiter über eine Neuerscheinung von Thoré über den Salon von 1847, die ihn nur langweile. Wieviel<br />

spannender sei doch seine Aristophanes-Lektüre : „J’ai feuilleté le livre de Thoré, quel bavardage ! que je m’estime<br />

heureux de vivre loin de tous ces gaillards-là ! quelle fausse instruction ! quel placage, quelle vide ! Je suis las de tout<br />

ce qu’on dit sur l’art, sur le beau, sur l’idée sur la Forme. c’est toujours la même chanson et quelle chanson[.] plus je vais,<br />

plus j’ai en pitié tous ces gens là et tout ce qu’on fait maintenant. il est vrai que je passe virtuellement toutes mes matinées<br />

avec Aristophane. voilà qui est beau et verveux et bouillant – mais ce n’est pas décent, ce n’est pas moral, ce n’est<br />

pas même pas convenable c’est tout bonnement sublime.“<br />

Er habe ein Gefühl der Ohnmacht vor der Größe der Kunst, die ihm das Schreiben quasi verunmögliche: „Du<br />

haut de l’arc de triomphe les Parisiens même ceux qui sont à cheval ne paraissent pas grands – quand on est huché sur<br />

l’antiquité les modernes non plus ne vous semblent pas fort élevés de stature – Quand je me sonde là dessus je ne crois<br />

pas qu’il y ait chez moi sècheresse ni endurcissement à cette restriction graduelle de mes admirations. à mesure que je me<br />

détache des artistes je m enthousiasme davantage pour l’art. J’en arriverai pour mon propre compte à ne plus oser écrire<br />

une ligne, parce que de jour je me sens de plus en plus petit, mince, et faible – la Muse est une vierge qui a un pucelage<br />

de bronze – et il faut être un larron pour …


Non l’épouvante du pauvre artiste devant la Beauté si c’est impuissance n’est ni dureté ni scepticisme. la mer parait immense<br />

vue du rivage … Montez sur le sommet des montagnes – la voilà plus g[ran]de encore – embarquez vous dessus,<br />

tout disparaît … des flots, des flots … que suis je, moi dans ma petite chaloupe ! ‘préservez moi, mon Dieu, la mer est si<br />

g[ran]de et ma barque est si petite’ c’est une chanson bretonne qui dit cela et je le dis aussi en songeant à d’autres abîmes.“<br />

Im weiteren über die mit seinem Freund Maxime Ducamp geplante Reise: „Du Camp n’a pu et n’aurait pu aller<br />

chez toi p[our] prendre ta commission[.] revenu à Paris il est parti de suite p[our] Vichy d’où il doit être revenu le soir<br />

même et je l’attends ici demain à 10 h du soir[.] nous allons passer un mois ensemble à écrire notre voyage, que nous<br />

avions commencé en route….<br />

Tu ferais bien p[our] tes maux de coeur d’aller à la campagne chez ces bons bourgeois – prends beaucoup de bains tièdes<br />

– fais toi soigner – et bois de la Camomille…“<br />

Aus ihrer im Brief erwähnten Reise – einer dreimonatige Wanderung durch das Anjou, die Bretagne und die<br />

Normandie – ging das erst 1885 nach dem Tod Flauberts erschienene Werk ‘Par les champs et par les grèves’<br />

hervor.<br />

Mit einigen kleinen Abweichungen gedruckt in : Correspondance, ed. par Jean Bruneau, Bibl. de la Pléiade,<br />

Band I, S. 470-471 und S. 1035-1036.<br />

Nr. 97 Gustave Flaubert<br />

55


„mon roman a du mal à se mettre en train.<br />

J’ai des abcès de style et la phrase me démange“<br />

97 FLAUBERT, GUSTAVE, 1821-1880. L.A. „Nuit de Jeudi 1h“. [Croisset 23.X.1851]. 1 Doppelblatt 8°, alle 4<br />

Seiten beschrieben. Rostige Klammerspur auf der zweiten Seite. (CHF 9’000.00)<br />

56<br />

Ebenfalls an Louise Colet, sehr bewegter und bewegender, ausführlicher Brief über seinen Seelenzustand und<br />

den Beginn der Arbeit an ‚Madame Bovary’. Erwähnt Goethe.<br />

„Pauvre enfant[.] vous ne voudrez donc jamais comprendre les choses comme elles sont dites. Cette parole qui vous semble<br />

si dure n’a pourtant pas besoin d’excuse ni de commentaire. – et si elle est amère ce ne peut être que pour moi. oui je<br />

voudrais que vous ne m’aimiez pas & que vous ne m’eussiez jamais connu et en cela je crois exprimer un regret touchant<br />

votre bonheur. Comme je voudrais n‘être pas aimé de ma mère ne pas l’aimer, ni elle ni personne au monde – Je voudrais<br />

qu’il n’y eut rien qui partit de mon cœur pour aller aux autres pour venir au mien. Plus on vit plus on souffre. Pour remédier<br />

à l’existence n’a-t-on pas inventé depuis que le monde existe, des mondes imaginaires et l’opium, et le tabac, et les<br />

liqueurs fortes, et l’éther ! Beni celui qui a trouvé le chloroforme ! Les médecins objectent qu’on en peut mourir ! C’est<br />

bien de cela qu’il s’agit. C’est que vous n’avez pas suffisamment la haine de la vie et de tout ce qui se rattache[.] vous me<br />

comprendriez mieux si vous êtes dans ma peau – et à la place d’une dureté gratuite vous verriez une commisération émue,<br />

quelque chose d’attendri et de généreux il me semble. Vous me croyez méchant ou égoïste pour le moins, ne songeant qu’à<br />

moi, n’aimant que moi – pas plus que les autres allez – moins peut-être, il était permis de faire son éloge…<br />

Chacun ne peut faire que dans sa mesure – ce n’est pas un homme vieilli comme moi dans tous les excès de la solitude<br />

nerveux à s’évanouir, troublé de passions rentrés, plein de doutes du dedans et du dehors ce n’est pas celui-là qu’il fallait<br />

aimer[.] je vous aime comme je peux – mal – pas assez je le sais, je le sais mon Dieu ! à qui la faute – au hazard, à cette<br />

vieille fatalité ironique qui accouple toujours les choses pour la plus g[rand]de harmonie de l’ensemble et le plus g[ran]d<br />

désagrément des parties – on ne se rencontre qu’en se heurtant, et chacun portant dans ses mains ses entrailles déchirées,<br />

accuse l’autre qui ramasse les siennes.<br />

Il y a de bons jours cependant – des minutes douces. J’aime votre compagnie – j’aime votre corps – oui ton corps, pauvre<br />

Louise quand appuyé sur mon bras gauche, il se renverse la tête en arrière et que je te baise sur le cou[.] ne pleure plus –<br />

ne pense ni au passé ni à l’avenir – mais à aujourd’hui – ‘Qu’est ce que ton devoir ? l’exigence de chaque jour’ a dit<br />

Goethe – subis la cette exigence, et tu auras le cœur tranquille…<br />

Je me tourmente, je me gratte – mon roman a du mal à se mettre en train. J’ai des abcès de style et la phrase me démange,<br />

sans aboutir. – quel lourd aviron qu’une plume et combien l’idée quand il faut la creuser avec, est un dur courant – Je<br />

m’en désole tellement que ça m’amuse beaucoup. – J’ai passé aujourd’hui ainsi une bonne journée la fenêtre ouverte avec<br />

du soleil sur la rivière et la plus grande sérénité du monde. J’ai écrit une page, en ai esquissé trois autres. J’espère dans<br />

une quinzaine être enrayé mais la couleur où je trempe est tellement neuve pour moi que j’en ouvre des yeux ébahis…“<br />

Gedruckt ohne Kenntnis des Originals in : Correspondance, ed. par Jean Bruneau, Bibl. de la Pléiade, Band II,<br />

S. 12-14 und 1028.<br />

Siehe die Abbildung S. 55<br />

98 FLEX, WALTER, 1887-1917 (gefallen). L.A.S. Eisenach<br />

28.XII.1909. 2 S. gr.-8°. Kleine Einrisse. (CHF 800.00)<br />

Als Student an (Wilhelm Raabe), dem er seinen ersten Gedichtband<br />

„Im Wechsel“ sendet.<br />

„... Verargen Sie es bitte einem jungen unbekannten Autoren nicht, wenn<br />

er unbescheiden genug ist, seinen Wunsch, ein eben herausgekommenes<br />

Bändchen Gedichte in Ihren Händen zu sehen, zu verwirklichen. Das<br />

Werkchen ... wird wohl an sich nicht allzuviel Beachtung finden; um so<br />

größer ist mein Wunsch, es möchte unter seinen wenigen Lesern Sie ...<br />

finden. So übergebe ich es Ihnen denn mit der Bitte, gütigst einen Blick<br />

hinein zu werfen ...“<br />

Sehr selten. – Beiliegend eine L.A.S. des Schriftstellers Rudolf Huch;<br />

ebenfalls an Wilhelm Raabe, dem er ein neues Werk widmen wolle<br />

(Bad Harzburg 8.VI.1901).


99 FOCK, GORCH, Pseudonym für Johann Kinau, 1880-1916 (gefallen). Eigenhändige Feldpostkarte mit<br />

Unterschrift „Gorch Fock“ und Absenderangabe „Matrose Kinau“. Wilhelmshaven 17.IV.1916. Mit<br />

(blassem) Feldpoststempel „II. Matrosen-Division / 1. Kompanie“. Knickspuren. (CHF 1’200.00)<br />

Der letzte Gruß des Dichters an seine Frau in Hamburg.<br />

„Elisabeth Du schrittst bei mir in Rußlands düstern Wäldern und bist mit mir durch Serbien gezogen, standst bei mir<br />

auf Nordfrankreichs Kampfesfeldern: begleite nun mich auf den Meereswogen! Wohin mich Gott läßt, sollst du mit mir<br />

gehen, und wie ich lebe, wie ich mich vollende, so sollst auch du im Lebenswinde stehen! Elisabeth, gib mir die treuen<br />

Hände!“<br />

Geschrieben sechs Wochen vor seinem Tod (31. Mai) in der Skagerrakschlacht als Matrose des Kleinen Kreuzers<br />

„Wiesbaden“.<br />

Sehr selten.<br />

„Keller ist doch mit der beste“<br />

100 FONTANE, THEODOR, der größte deutsche Romancier des 19. Jhs., 1819-1898. L.A.S. Thale am Harz<br />

11.VI.1883. 1 Doppelblatt gr-8°, alle 4 Seiten eng beschrieben, mit acht an die Ränder aller vier Seiten<br />

geschriebenen Teilen (der Briefschluß ist am Fuß der dritten Seite). (CHF 4’500.00)<br />

Inhaltsreicher literarischer Brief an seinen Freund Paul Heyse (1830-1914) in München. Heyse suchte für seinen<br />

‚Neuen Deutschen Novellenschatzes’ biographisches Material über den Marine-Dichter Heinrich Smidt<br />

(1798-1867). Smidt war wie Fontane und Heyse Mitglied in der Berliner literarischen Vereinigung „Der Tunnel<br />

über der Spree“:<br />

„… Noch in den letzten Tagen in Berlin erhielt ich wiederholentlich von ‚Ludchen’ die Zusage: ‚sie werde das H. Smidt-<br />

Material beschaffen’, ich kenne sie aber zu gut, um das Geringste davon zu erwarten. Sie kann nie ‚nein’ sagen und das<br />

‚ja’ hinterher nie leisten, ist überhaupt eine Huschel-Lise, die das Erfinden mehr im Leben als in der Kunst übt. Charakteristisch<br />

für sie ist ein Gespräch, das sie vor Jahresfrist mit meinem ältesten Sohn, dem bekannten ‚Glückauf-Pagen’(?),<br />

über G. Keller führte.<br />

George: Keller ist doch mit der beste.<br />

Ludchen: Nu ja. Wenigstens eine Novelle hat er geschrieben, die sich sehen lassen kann.<br />

George: Welche?<br />

Ludchen: Die Leute von Seldwyla.<br />

In dieser Geschichte leibt und lebt sie, tapfer drauf los, nur keine Antwort schuldig bleiben, der Andre wird es wohl auch<br />

nicht wissen..<br />

Uebrigens glaub ich, daß es zwei Personen giebt, mit deren Hülfe Du sofort ein curriculum vitae, wie’s die … Behörden<br />

ja immer fordern, erhalten könntest: General Banzer und der bair. Militairbevollmächtigte. Der eine oder andere brauchte<br />

nur zu schreiben, so würde man in den Kriegsministerial-Akten nachschlagen u den Lebenslauf wahrscheinlich finden.“<br />

57


58<br />

Auch eine Novelle Fontanes wollte Heyse in seine Mustersammlung aufnehmen, Fontane schlägt seine ‚Grete<br />

Minde’ (1879) vor: „Und nun noch ‚welche Novelle?’ Ich denke mir Grete Minde, doch ist mir auch jede andre Wahl<br />

recht. Daß das eigne Dispositionsrecht, für Fälle die doch wenigstens mal kommen könnten, nicht tangirt wird, nehm’<br />

ich an. Meine so sehr kl: Erfolge sind Ursach, daß ich von all solchen Dingen nichts weiß; in Coursfragen sind nur die<br />

bewandert, die Werthpapiere haben. Was soll mir dergleichen?“<br />

Im Weiteren beklagt Fontane die Indifferenz der aktuellen <strong>Literatur</strong>kritik, dies in Bezug auf eine Besprechung<br />

von Heyses eben erschienen Novellenband ‚Buch der Freundschaft’: „In der letzten Nummer des ‚Magazins’ war<br />

eine Besprechung deines ‚Buches der Freundschaft’ von Hans Wachenhusen. Ich hatte dabei so ziemlich denselben Eindruck<br />

wie bei der Besprechung in der ‚Gegenwart’. Unsrer modernen Kritik ist ganz das Unterscheidungsvermögen für<br />

die verschiedenen Stände verloren gegangen. Egaltité, fraternité! ‚Frère Cochon’ pflegte mein alter Fournier, der berühmte<br />

Ohrfeigen-Fournier zu sagen. Ob du schreibst, oder Hans Wachenhusen, oder Mützelburg oder der sel. Goedsche (Sir<br />

John Radcliffe) macht gar keinen Unterschied. Jedem wird ungefähr dasselbe Maaß von Lob und Tadel zugemessen. Die<br />

Verrohung macht Riesenfortschritte. Dieser traurige Zustand ist natürlich durch vieles bedingt, am meisten aber vielleicht<br />

dadurch, daß sich die sogenannten Gebildeten und am meisten die staatlich Officiösen aller Arten und Grade,<br />

grundsätzlich von diesen Dingen fern halten und dadurch selber in einen so niedrigen Zustand hineingerathen sind, daß<br />

mir das Urtheil einer kleinen niedlichen Nähmamsell immer noch lieber ist als das eines Geheimraths oder Unterstaatssekretairs.<br />

All diese quatschen nur noch und geben ihren Hochmuths-Unsinn für höhere Weisheit aus. In der Regel<br />

schließen sie dann mit einem Alltagscitat aus Horaz oder Dante, um zu zeigen wie hoch drüber sie stehn….“<br />

„Ludchen“ meint die Schriftstellerin Ludovica Hesekiel (1847-1889). Sie war die Tochter des Journalisten<br />

George Hesekiel, der mit Fontane befreundet und wie dieser an der Kreuz-Zeitung arbeitete und ‚Tunnel’-<br />

Mitglied war.<br />

„George“ ist Fontanes ältester Sohn.<br />

Der „Ohrfeigen-Fournier“ meint den Prediger der reformierten Gemeinde Berlins, Auguste Fournier, der eine<br />

Braut geohrfeigt hat; die Anekdote fand Eingang in Fontanes autobiographische Schrift ‚Von Zwanzig bis<br />

Dreissig’ (1898).<br />

Die am Schluß erwähnten Schriftsteller sind Hans Wachenhusen (1823-1898); Adolf Mützelburg (1831-1882);<br />

Sir John Retcliffe (eigentlich Herrmann Ottomar Friedrich Goedsche, 1815-1878).<br />

Gedruckt in: Drude, Otto, et al. (Hrsg.). Briefe. München, Hanser, 1976ff. Band III, Nr. 240, S. 252-254.<br />

Briefverzeichnis Nr. 83/52.


101 FONTANE, THEODOR, 1819-1898. L.A.S. Berlin 20.I.1890. 2/3 S. gr.-8°. Mit eigenhändig adressiertem,<br />

frankiertem Umschlag. (CHF 1’600.00)<br />

An den Redakteur Emil Kneschke (1835-1906) in Lichtenberg bei Berlin, „Dorfstraße 45“.<br />

„Hochgeehrter Herr Doktor. / Empfangen Sie meinen herzlichen, wenn auch leider etwas verspäteten Dank für Ihre<br />

liebenswürdigen Glückwünsche ...“<br />

Am 30. Dezember des Vorjahres hatte Fontane seinen 70. Geburtstag gefeiert.<br />

Briefverzeichnis Nr. 90/51.<br />

102 FONTANE, THEODOR, 1819-1898. L.A.S. Berlin 18.XII.1892. 1 S. gr.-8°. Mit eigenhändig adressiertem,<br />

frankiertem Umschlag. (CHF 2’000.00)<br />

An Kommerzienrat Friedrich Feldheim in Mainz, dem er seinen im Verlag seines Sohnes Friedrich erschienenen<br />

Roman „Frau Jenny Treibel“ sendet.<br />

„... Ganz gegen Erwarten hat mein Sohn (bei dem das Buch erschien) doch noch gebundene Exemplare aus Leipzig erhalten,<br />

was mich in die angenehme Lage bringt, Ihnen ... mein Neustes doch noch vor dem Fest, das Sie bei bester Gesundheit<br />

verbringen, zu überreichen ...“<br />

Briefverzeichnis Nr. 92/155.<br />

„... und wo bin ich dann?!“<br />

103* FONTANE, THEODOR, 1819-1898. L.A.S. Waren 7.IX.1896. 2 S. gr.-8°. Mit eigenhändig adressiertem,<br />

frankiertem Umschlag. (CHF 2’500.00)<br />

Aus der Sommerfrische an der Müritz an Emil Möbis in Hamburg, der ihm – im Hinblick auf den Ruppin-<br />

Band der „Wanderungen“ – eine eigene Monographie über den Alt-Ruppiner Komponisten Ferdinand Möhring<br />

(1816-1887) übersandt hatte.<br />

„... Allerschönsten Dank für ... das kl. Buch ... Ich habe es gleich mit vielem Interesse gelesen und würde für eine neue<br />

Auflage gern ein Möhring-Kapitel schreiben, um so lieber als Alt-Ruppin in meinem Buche verhältnißmäßig schlecht<br />

weg gekommen ist. Aber an solche neue Auflage – da in diesem Sommer erst eine solche erschienen ist – ist vor Ablauf<br />

von vier, fünf Jahren nicht zu denken und wo bin ich dann?!<br />

Sonderbar, daß ich M. nie begegnet bin, trotzdem wir, fast an selber Stelle geboren, dieselben Schulen besucht haben. Ich<br />

war auch auf der Gewerbeschule ...“<br />

Briefverzeichnis Nr. 96/158 (mit dem Vermerk „Vermutlich in Privatbesitz“).<br />

104 FRANCE, ANATOLE, (eig. François-Anatole Thiebaut), einer der elegantesten französischen Schriftsteller,<br />

Nobelpreis für <strong>Literatur</strong> 1921, 1844-1924. L.A.S. St. Cyr-sur-Loire o.D. 1 Doppelblatt kl.-4°,<br />

beidseitig beschrieben. Briefkopf des Landguts La Béchellerie. (CHF 250.00)<br />

Aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, an eine Freundin.<br />

„…nous avons meublé hier un petit appartement de deux pièces avec cabinet de toilette et toutes sortes de commodités,<br />

que notre ami Oury avait aménagé avec son habilité coutumière. Nous serons heureux, bien heureux de vous y recevoir,<br />

vous et mon cher Léopold et, si, comme je l’espère le sort s’éclaircit, si nos vœux sont comblés, nous goûterons un incomparable<br />

bonheur.<br />

Je ne vous dis rien des brillants succès militaires qui réjouissent la France, et qui ont exalté bien des courages. Quant à<br />

leur importance stratégique, je ne puis ni en faire une idée, dans l’ignorance où je suis des circonstances et privé de l’avis<br />

des personnes compétentes; Léopold me parait dans la vérité et dans la juste mesure. Ce qui me ferai croire que rien encore<br />

de décisif n’est accompli ou du moins connu, c’est que Barthou, si jaloux de m’annoncer le premier les bonnes nouvelles,<br />

ne m’a pas encore écrit. J’ai trouvé pour vos vaches hollandaises une petite bordure que le jeune Oury vous apportera…“<br />

59


Nach dem Tod seiner Geliebten Léontine Arman de Caillaret (1910) verband sich Anatole France mit Emma<br />

Laprévotte, einer Zofe seiner verstorbenen Geliebten, mit der er sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs nach La<br />

Béchellerie bei Tours zurückzog, wo er bis zu seinem Tod lebte. 1920 heiratete France seine Emma. Der im<br />

Brief genannte Léopold [Khan] war ein Freund von France und Trauzeuge bei der Heirat; Jean-Pierre Oury<br />

war einer der Architekten, der sich um die Restauration von Frances Villa Saïd kümmerte.<br />

105 FREMDSPRACHIGE SCHRIFTSTELLER DES 20. JHS. – 9 Autographen von 8 Dichtern, dabei 2 L.A.S., 1 L.S.,<br />

2 eigenhändige Namenszüge und 3 signierte Portraitkarten und 1 Couvert. (CHF 300.00)<br />

Es liegen vor: a) Maryse Condé, karibisch-französische Schriftstellerin, geb. 1937. L.A.S. – b) Nadine Gordimer,<br />

südafrikanische Schriftstellerin, erhielt 1991 den Nobelpreis, geb. 1923. L.A.S.; – c) Knut Hamsun, Nobelpreisträger,<br />

1859-1952. Sinnspruch und Signatur unter einem Bild; – d) Astrid Lindgren, schwedische Schriftstellerin,<br />

1907-2002. Autogrammkarte mit eigenhändigem Namenszug; – e) Arthur Miller, 1915-2005.<br />

Eigenhändige Unterschrift auf einem Photo, das ihn mit John Huston bei den Dreharbeiten zur Verfilmung<br />

seines Romans ‚The Misfits’ zeigt; – f) Luigi Pirandello, italienischer Dramatiker und Schriftsteller, erhielt 1934<br />

den Nobelpreis, 1867-1936. Eigenhändiger Namenszug; – g) Upton Sinclair, amerikanischer Schriftsteller und<br />

Sozialreformer, 1878-1968. L.S.; – h) Rabindranath Tagore, indischer Dichter und Schriftsteller, erhielt als erster<br />

Asiate 1913 den Nobelpreis, 1861-1941. Eigenhändiger Namenszug.<br />

106 FRENSSEN, GUSTAV, 1863-1945. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift auf der Rückseite seiner<br />

Portraitphotographie. O.O., Dezember 1917. 1 S. quer-8°. Beschnitten, Montagespuren.<br />

(CHF 120.00)<br />

„Das Leben ist lang genug, etwas aus sich zu machen, wenn man Vertrauen hat und einen festen Willen.“<br />

107 FREYTAG, GUSTAV, deutscher Schriftsteller des Realismus, 1816-1895. L.A.S. Siebleben bei Gotha<br />

25.VI.1862. 1 Doppelblatt 8°, alle vier Seiten beschrieben. Alte Montagespuren auf der ersten und<br />

der letzten Seite. (CHF 400.00)<br />

60<br />

An einen Bekannten, von dem er sich bei einer politischen Versammlung nicht verabschieden konnte; Freytag<br />

wundert sich über die in der Versammlung gefällten Beschlüsse, die ganz dem von ihm beobachteten Verlauf<br />

widersprächen.<br />

„…Es ist wahr, ich bin mit einem Holländerabschied von Ihnen gegangen. Aber ich habe einige Entschuldigung, denn<br />

ich hegte die Hoffnung Sie und die Bekannten der Versammlung zum Nachmittag wiederzusehen…<br />

Ich verließ die Versammlung kurz nach Ihrer vortrefflichen Darstellung unseres Verhältnißes zu Oesterreich in voller<br />

Zufriedenheit mit Lauf u. Richtung der Debatte. Ungern verzichtete ich darauf, selbst hineinzureden, aber ich hielt das<br />

für unbescheiden, seit in der Versammlung die künftige Beschränkung auf Deputirte deutlich geworden war… Und ich<br />

war höchlich überrascht, als ich die Wendung der Debatte u. die letzten Beschlüsse las…<br />

Denn die Hoffnung theile ich nicht, daß sie zu einem Parlament in grader Linie führen werde. Seit wir in allen Ländern<br />

auch in Preußen, Verfassungen, Parteien und aufmerksame Wähler haben, ist die Stellung der einzelnen Deputirten eine<br />

weit mehr durch lokale u. Parteiintereßen gebundene, als früher. Gesetzt auch, daß die nächste Versammlung von den<br />

Führern der verschiedenen lib. Fractionen aus den sämmtlichen Landtagen besucht wird; auch dann werden die Herren<br />

fertige u. hartnäckige Ueberzeugungen für die einzelnen Fragen mitbringen, u. sie werden sich in der Regel heftig gegen<br />

jede Einwirkung auf ihre Anschauungen sträuben, von der sie annehmen müssten, daß sie von der zurückgebliebenen<br />

Maße ihrer Landsleute u. Parteigenossen nicht getheilt wird. So wird es interessante Debatten geben, aber ich fürchte,<br />

zunächst keine Resultate. Freilich gemeinsames Essen u. Trinken thut immer noch etwas bei uns Deutschen, aber es ist<br />

nicht mehr so mächtig, als einst…“<br />

Gustav Freytag engagierte sich schon seit Ende der 1840er Jahre politisch; mit der Übernahme der Redaktion<br />

des „Grenzboten“ 1848 begann seine journalistische Tätigkeit. Seine Berichterstattung über die Niederschlagung<br />

des schlesischen Weberaufstands hatte eine steckbriefliche Fahndung durch Preußen zur Folge; er ersuchte<br />

darauf Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha um politisches Asyl und ließ sich 1851 in Siebleben bei Gotha<br />

nieder. In den Jahren 1867 bis 1870 vertrat er als Abgeordneter die Nationalliberale Partei im Reichstag.


108 FREYTAG, GUSTAV, 1816-1895. L.A.S. Leipzig 12.I.1865. 1 Doppelblatt 8°, 2 Seiten beschrieben. Leicht<br />

fleckig. (CHF 250.00)<br />

An eine Professorengattin, der er für ein Geschenk dankt und ein Treffen in Aussicht stellt.<br />

„…ich war, als die Sendung zu unserem Weihnachtsbaum ankam, gerade auf dem Sprunge ins Badische Land. Da kam<br />

ein äußeres Hinderniß, welches seine verzögernde Macht einen Tag nach dem anderen geltend machte, erst Ende dieser<br />

Woche komme ich bis Carlsruhe, in der nächsten nach Freiburg. Da will ich doch nicht länger säumen, Ihnen zu sagen,<br />

wie groß die Freude war, u. wie innig die Dankbarkeit, welche Sie durch Ihr Geschenk in meinem Hause wachgerufen<br />

haben. Der beste Lohn für die Schaffenden ist doch die Wärme, welche er in anderen hervorzurufen vermag, und wenn<br />

etwas von solcher Warmherzigkeit in sein eigenes Leben zurückstrahlt, wird es doppelte Freude…“<br />

109 FREYTAG, GUSTAV, 1816-1895. L.A.S. Wiesbaden 16.XII.1893. 4 S. gr.-8°. Kleiner Faltenriß.<br />

(CHF 200.00)<br />

An „Lieber, verehrter Herr Doktor“, der über ihn schreiben wollte.<br />

„... dergleichen ist völlig gegen meine Empfindung. Ein Staatsmann mag seine Meinung die er selbst nicht grade hinaus<br />

vortragen kann, wie die Engländer in ihren Wählerreden zu thun pflegen, einmal durch die Feder eines Journalisten in<br />

die Oeffentlichkeit bringen. Auch er wird in solchem Falle klug handeln, wenn er den Inhalt, bis auf den Wortlaut, in die<br />

Feder giebt ... Aber für uns Andere, zumal für einen Schriftsteller, ist dieser Durchgang seiner Ansichten durch die Seele<br />

eines Berichterstatters doch nicht der richtige Weg in das Publicum ...“<br />

Nr. 110 Max Frisch<br />

61


„selber zu wund um Wunden schlagen zu können“<br />

110 FRISCH, MAX, einer der großen Dramatiker des 20. Jhs., 1911-1991. L.A.S. Zürich 12.II.1943. 2 Einzelblätter<br />

folio, alle vier Seiten beschrieben. Die erste Seite leicht fleckig. (CHF 3’000.00)<br />

Kurz nach der Gründung seines Architekturbüros und im Erscheinungsjahr seines Romans ‚Die Schwierigen’<br />

geschrieben, an den Schriftsteller Edwin Arnet (1901-1962), dessen letztes Werk er ausführlich kritisieren wollte,<br />

aber aus verschiedenen Gründen nicht dazu komme: „…Mein nicht frohes Gewissen treibt mich – hier über dem<br />

Reissbrett, also in der Arbeitszeit und unter Verletzung anderer Pflicht – Ihnen endlich zu schreiben. …ich dachte: ich<br />

würde danken, wenn ich es gelesen habe und imstande bin, auch etwas dafür zu geben, wenigstens meinen Eindruck, ein<br />

Echo. Auch habe ich es dann bald gelesen, konnte leider aber wenig damit anfangen. Wenn wir gute Kollegen sind, gibt<br />

es nichts anderes, als dass ich Ihnen davon sage; je genauer und gründlicher, umso kollegialer. Lieber Herr Arnet, ich<br />

konnte auch das nicht – am Montag muß ich in den Dienst, wo ich dann für lange sowieso nicht dazu komme – ich konnte<br />

es nicht in einem Augenblick, wo ich eben selber eine Arbeit abgeschlossen habe, das heißt: wo ich nach zweieinhalb<br />

Jahren plötzlich wieder zur Verzweiflung über die eigene, unabänderliche Begrenztheit erwache. Es fehlt mir das Toupet<br />

zur Kritik der anderen, das ich sonst durchaus habe; es deprimiert mich, Mängel zu sehen – selbst die anderen Mängel<br />

der anderen – selber zu wund um Wunden schlagen zu können: das kann immer nur der Leere, der aus Ahnungslosigkeit<br />

Leere, oder der Gläubige…“<br />

Siehe die Abbildung S. 61<br />

„ohne die mir so grundverhaßte schweizerische Selbstgefälligkeit“<br />

111 FRISCH, MAX, 1911-1991. L.A.S. Zürich 3.XII.1949. 3 Einzelblätter folio, jeweils die Vorderseiten beschrieben.<br />

(CHF 2’400.00)<br />

An seinen Freund, den Drehbuchautor Richard Schweizer (1900-1965), dem er zu dessen neuesten Film gratuliert.<br />

Am 29. November hatte in Zürich die Uraufführung des Films „Swiss Tour“ stattgefunden. Leopold<br />

Lindtberg verfilmte die Geschichte von einigen amerikanischen Soldaten, die im Elsaß stationiert sind und die<br />

einige Ferientage in der Schweiz verbringen.<br />

„… Gestern also habe ich ihn gesehen, den Film, dessen reizende Idee Du damals in Geiselgasteig (April 1946!) erzählt<br />

hast. Wir haben viel Spass gehabt, vor allem an den beiden ersten Dritteln, das Ganze ist leicht und heiter, krampflos –<br />

später habe ich einige Längen verspürt, die vorhanden sind, der Dialog ist reizend und der Ablauf voll charmanter Überraschungen;<br />

…Die Hauptdarsteller zauberhaft. Dir aber, mein Lieber, gratuliere ich über Charme und Handwerk hinaus<br />

für das Kunststück, eine freundliche Sache in unserem Land spielen zu lassen, ohne die mir so grundverhaßte schweizerische<br />

Selbstgefälligkeit – das finde ich ‚Welt’ an dem Film, dass das Diskret-Schweizerische (das hat jetzt nichts mit Deinem<br />

Namen zu tun!) vermieden ist, so ohne Landi: ‚Seht, so sind wir, jämmerlich oder grossartig’. – Dein Film nimmt<br />

endlich die Schweizer nicht so interessant! Und dafür, lieber Schweizer, meinen innigen Dank und Gruß…“<br />

„Swiss Tour“ war die einzige Coproduktion der Zürcher Praesensfilm mit einem amerikanischen Studio, der<br />

Film war entsprechend prominent besetzt. Neben internationalen Stars wie Simone Signoret und Cornel<br />

Wilde spielten auch schweizerische Leinwandgrößen wie Zarli Carigiet, Leopold Biberti und Heinrich Gretler.<br />

112 FRISCH, MAX, 1911-1991. D.A.S. (Zürich) 6.XI.1961. 1 Doppelblatt 7,5 x 10,5 cm (Platzkarte eines Diners<br />

der Zürcher Regierung), beidseitig beschrieben. (CHF 500.00)<br />

Widmung an das Ehepaar Schweizer: „Richard I und seiner Schweizerin – der ergebene Hausdichter / Frisch / im<br />

Kreise seiner geliebten Regierung.“<br />

Beiliegt ein gedruckter Auszug aus Stiller ‚Zürich – Stadt und Landschaft’ (2 Seiten folio) mit eigenhändigem<br />

Namenszug am Schluß. Außerdem liegt bei: eine mit Schreibmaschine geschriebene Parodie auf Frischs Tagebücher<br />

mit dem Titel „Anja“, am Fuß handschriftlich signiert „Max-Joseph (Frisch)“, 1 S. A4.<br />

113 GANGHOFER, LUDWIG, 1855-1920. L.A.S. Jagdhaus Hubertus 11.VII.1906. 2 S. 4°. Mit einer Ansicht<br />

des Jagdhauses am Kopf. (CHF 150.00)<br />

62


An „Verehrteste Frau Baronin“.<br />

„... Wir freuen uns sehr, Ihren Herrn Gemahl und Sie am 2. August bei uns begrüßen zu können. Ihr Besuch ist mir um<br />

diese Zeit erwünschter als im September, da in die zweite Hälfte des August mehrere Neupachtungen des Jagdgebietes<br />

fallen. Da kann ich dann Ihren Herrn Gemahl vorher über alle Verhältnisse der Jagd informieren und seine Meinung<br />

hören ...“<br />

Beiliegend seine Portraitpostkarte.<br />

114 GEIBEL, EMANUEL VON, 1815-1884. 16 eigenhändige Gedichte. 1838 und o.D. 28 S. 4°. Roter Leinenband<br />

der Zeit (Heftung leicht gelockert) mit Blindprägung und sparsamer Vergoldung sowie goldgeprägtem<br />

Namenszug auf dem Vorderdeckel (Rücken defekt). (CHF 1’200.00)<br />

16 frühe Gedichte aus seiner Zeit als Hauslehrer beim russischen Gesandten in Athen (1838-1841).<br />

„Herbstgefühl“ („Athen; bei Casali. Mai, 38“), „In der Ferne“ („Kephissia, Juni 1838.“), „Lied der Spinnerinn“<br />

(„Kephissia, Juli 1838“), „Fac me cruce ...“ („Bonn, gedruckt. / Musenalmanach 1839“), „Rothenburg“ („Bonn“),<br />

„Lied“ (ohne Angaben), „Der Husar“ („Bonn, gedruckt: Musenalmanach 1838“), „Gondoliera“ („Bonn, gedruckt in<br />

der Italia“), „Zigeunerleben“ („Lübeck, gedruckt im deutschen Taschenbuch 1838“), „Romanze vom Spielmann“<br />

(„Berlin“), „Lied“ ( „Lübeck“), „Frische Wanderschaft“ („Berlin“), „Rückerinnerung“ („Sept. 38“), „Traumkönig und<br />

sein Lieb“ („Berlin, gedruckt: Musenalmanach 1838“), „Der Hidalgo“ („Kephissia“) und „Einkehr“ („Berlin“).<br />

Teilweise mit umfangreichen Korrekturen.<br />

63


115 GELLERT, CHRISTIAN FÜRCHTEGOTT, 1715-1769. L.A.S. Leipzig 6.IV.1759. 3 S. 4°. Leicht gebräunt und<br />

fleckig. (CHF 2’000.00)<br />

An den mit ihm befreundeten Schulreformer Friedrich Eberhard von Rochow, dem er für „überschickte Butter“<br />

dankt.<br />

„... Es ist lange, daß ich Ihnen die Danksagung für Ihren sehr gütigen Brief und für das Praesent aus Ihrer Haushaltung<br />

schuldig geblieben bin; allein der Uberbringer dieses Geständnisses wird meine Langsamkeit mit allem seinen guten<br />

Gewissen bis auf den Punkt entschuldigen können, wo Er bey nahe aufhört, ein Fehler zu seyn. Wenigstens ist er der<br />

sicherste Zeuge von der Hochachtung, die ich gegen Ew. Hochwohlgebohren und das ganze Rochauische Haus trage; und<br />

wenn ich bloß meinem Wunsche folgen dürfte: so würde ich ihm keinen Brief, sondern mich selbst zur Gesellschaft geben.<br />

Allein dieser Gedanke, so wahr er nach meinem Wunsche ist, wird ein süsser Traum, so bald ich ihn mit meinen Umständen<br />

der Gesundheit so wohl, als meines Berufs, zusammen halte ... Lebe ich, so kann ichs vielleicht erleben, daß Sie<br />

mir noch selbst Ihren Sohn zubringen. Der Herr von Bose reiset mit dem größten Verlangen der Liebe und Hochachtung<br />

nach Brandenburg, und er verdienet das Vergnügen, das daselbst sein wartet, durch sein gutes Herz und seinen ausserordentlichen<br />

Fleiß vorzüglich ...“<br />

Aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges. – Rochow war in der Schlacht bei Lobositz verwundet worden. Während<br />

seiner Genesungszeit hatte er 1757 in Leipzig Gellert kennengelernt und sich mit ihm angefreundet. Wieder<br />

ins Feld zurückgekehrt wurde er abermals verletzt, mußte daraufhin seinen Militärdienst quittieren und<br />

kehrte auf die väterlichen Güter zurück.<br />

116 GENET, JEAN, französischer Romancier, Dichter und Dramatiker, 1910-1986. Eigenhändiges Manuskript,<br />

am Kopf bezeichnet „Quand ‚le pire est toujours sûr’“. O.O. und D. [zwischen dem 6. und<br />

19.V.1974]. 5 Einzelblätter folio und 2 Einzelblätter quer-8°, jeweils die Vorderseiten beschrieben.<br />

Vorrastriertes Papier, aus einem Ringheft gerissene Blätter, mit Kugelschreiber und verschiedenen<br />

Filzstiften beschrieben. (CHF 4’000.00)<br />

64<br />

Erste Niederschrift seines unmittelbar nach dem ersten Wahlgang (5.V.1974) zur Wahl des französischen<br />

Staatspräsidenten geschriebenen Aufrufs. Am 5. Mai lag der Gaullist Giscard d’Estaing noch hinter dem Sozialisten<br />

Mitterand zurück, am 19. Mai konnte er die Wahl knapp gewinnen. Genet ruft die Franzosen auf,<br />

Mitterand zu wählen. Genet beginnt mit einer Rückerinnerung an die Situation im amerikanischen Wahl-


kampf von 1968; er erwähnt den Watergate-Skandal. Im weiteren über die aktuelle Situation in Frankreich;<br />

Genet fürchtet sich vor der Weiterführung einer gaullistischen Regierung: „… Ici, quand Giscard sera élu, il le<br />

sera pour quatorze ans. La droite sera au pouvoir, mais avec l’extrême-droite et son imbécile mythologie. Au pouvoir cette<br />

fois totalement.<br />

Contre Mitterrand les perfidies qu’ont adressés pendant quinze jours quelques leaders gauchistes à un public sans défense<br />

devant les sottises de l’habituelle télévision, ces perfidies, qui n’étaient pas des mises en garde, risquent de demeurer,<br />

de laisser des cicatrices chez tous les spectateurs, de provoquer la peur du socialisme quelle qu’en soit sa définition.<br />

Cette sorte de spontanéisme apportent environ 3% à l’extrême gauche n’aura servi qu’à cela. La ‘force politique nouvelle’,<br />

comme l’écrit Libération, sera encore plus dispersée quand Giscard sera élu. Elle aura brillé un soir d’élection…<br />

Il est évident : les 44% à Mitterrand au premier tour, sont composés d’hommes et de femmes lucides, capables de comprendre<br />

leur choix. Et la mise en doute de ce choix, l’insulte à Mitterrand appellerait un mot plus dur, beaucoup plus dur,<br />

que celui d’irresponsable. L’erreur politique, si elle n’était pas réparée au second tour mériterait, elle aussi, un autre mot<br />

que celui de bévue…<br />

Mais par-dessus tout ce que je viens d’écrire, qu’est-ce qui me préoccupe et m’oblige à écrire ? Où est mon intérêt ? A<br />

la fois il me dépasse et ne concerne que moi : j’ai besoin de la transformation du sort des travailleurs déshérités, des immigrés,<br />

de la transformation du Tiers-Monde, et même de sa métamorphose, des rapports nouveaux de l’Europe avec le<br />

Tiers-Monde.<br />

L’incertitude est insupportable :<br />

ce qui s’annonce c’est peut-être<br />

l’apparition de pouvoirs populaires<br />

en France et dans toute<br />

l’Europe, ou bien c’est l’imposante<br />

brutalité de l’Anonyme Exploitant,<br />

exploitant d’abord les<br />

ressources du Tiers-Monde, ses<br />

ressources géologiques, ses minerais,<br />

sa main-d’œuvre, la main<br />

d’œuvre non payé selon l’accumulation<br />

de travail qu’on exige<br />

d’elle, le cheptel humain courant<br />

comme déjà des safaris géants.<br />

Alors la France, l’Europe, le<br />

monde du capital blanc, seront<br />

riches et puissants. Cette richesse<br />

sera l’écrasement du Tiers-<br />

Monde, son appauvrissement de<br />

toute sorte : physique, matériel,<br />

culturel. Que passe Giscard il ne<br />

passera pas seul : l’Imbécillité<br />

majeure le suit et le précède.“<br />

Mitterrand unterlag bei den<br />

Präsidentschaftswahlen von<br />

1974 nur ganz knapp, er erzielte<br />

49,1% der Stimmen.<br />

Genet schrieb seinen Aufruf<br />

für die linksgerichtete Zeitung<br />

‚L’Humanité’, er erschien aber<br />

seinerzeit nicht. Erst 1991<br />

wurde er in den „Oeuvres<br />

complètes“ unter dem Titel<br />

‚L’ennemi déclaré’ abgedruckt.<br />

Beiliegt ein Typoskript des<br />

Textes mit zahlreichen eigenhändigen<br />

Korrekturen Genets,<br />

5 Einzelblätter A4.<br />

65


117 GEORGE, STEFAN, deutscher symbolistischer Lyriker, 1868-1933. C.P.A.S. Poststempel: Berlin<br />

7.XI.1898. (CHF 900.00)<br />

An den Verleger Georg Bondi.<br />

„Geehrter Herr Dr! ich hoffe morgen (auch eine frühe stunde) ist Ihnen genehm / Ihr St. G.“<br />

Bei Bondi erschien Anfang 1899 „Das Jahr der Seele“ in erweiterter Neuauflage.<br />

„j’imagine Flaubert le lisant. Croyez-vous vraiment qu’il y souscrivait“<br />

118 GIDE, ANDRÉ, französischer Schriftsteller, erhielt 1947 den Nobelpreis, 1869-1951. L.A.S. Le Mont-<br />

Dore 1.VIII.(1939). 1 Doppelblatt kl.-4°, alle 4 Seiten beschrieben. Briefkopf des Hôtel Sarciron. Mit<br />

dem dazugehörigen, eigenhändig adressierten Couvert. (CHF 1’200.00)<br />

An den <strong>Literatur</strong>wissenschaftler Henri Guillemin (1903-1992) in Concarneau, dessen eben erschienenes Werk<br />

über Flaubert er in der Kur gelesen hatte.<br />

„… Somme toute il me semble que vous restez dans une plus prudente réserve que ne fit Mauriac dans sa préface. La correspondance<br />

de Flaubert a été, pour moi, d’une extraordinaire importance et je m’en suis longtemps nourri.<br />

Ce qu’il apportait à ma faveur? Une nouvelle forme de la sainteté; devant l’art et devant la vie, une attitude exemplaire.<br />

Ce n’est pas sous quelque stupeur que j’ai vu assimiler sa sainteté, d’ordre tout laïque, à la sainteté chrétienne à laquelle,<br />

depuis ma jeunesse, je l’opposais…<br />

Vous citez, de Flaubert, une phrase boiteuse, affreuse, propre à le faire rougir (et que vous êtes près de trouver admirable<br />

parce que, par imprudence, le nom du Christ y est prononcé) ‚… le sang du Christ; rien ne l’extirpera (!!)… Il ne s’agit<br />

pas de la dessécher, mais de lui faire de nouveau ruisseaux (!!!)’ Et ce que vous en déduisez, j’imagine Flaubert le lisant.<br />

Croyez-vous vraiment qu’il y souscrivait? …“<br />

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 zog Gide sich nach Südfrankreich zurück, 1942 ging er nach<br />

Nordafrika, wo er die Exilregierung de Gaulles aktiv unterstützte. – Guillemins Buch trägt den Titel ‘Flaubert<br />

devant la vie et devant Dieu’ und erschien 1939. 1942 flüchtete Guillemin vor den Nazis nach Neuenburg; später<br />

wurde er Kulturattaché an der französischen Botschaft in Bern und unterrichtete an der Neuenburger und<br />

der Genfer Universität.<br />

„I’ve been a workaholic so long!”<br />

119 GINSBERG, ALLEN, amerikanischer Schriftsteller, 1926-1997. C.P.A.S. New York 11.VII.1988. Bildpostkarte<br />

des Heian-Schreins in Kyoto, die Rückseite eng beschrieben. Oberrand leicht<br />

beschnitten. (CHF 500.00)<br />

66


An seinen Freund und Übersetzer, den ungarischen Dichter Istvan Eörsi (1931-2005) in Budapest, dem er in<br />

dem für ihn typischen Stakkato-Stil von seinen Projekten erzählt.<br />

„…I just finished translation conference at Barnard with Italian (Perano) German (Carl Weissner) & Russian Translators<br />

(Soros brought him in.) this weekend…I’ll ask him to invite you next time, I think they have them yearly. That would<br />

be occasion to ask Soros … I’m just back from Japan … Convention of Professors of American Lit., Photograph Show at<br />

Watson Gallery in Tokyo, anti-nuke demonstration in Osaka. You are really welcome to use my Forints to travel or whatever<br />

you think interesting. I’m working on book of Photographs. Trying to answer a month’s mail – Chinese Poets here<br />

(with Soros’s partial help) next week at museum of modern art. I have a young boy friend + am happy! Finishing three<br />

years of psychotherapy – seemed to do some good, less guilt about life, Peter, love, pleasure, leisure – I’ve been a workaholic<br />

so long! ...“<br />

„Peter”: Ginsbergs langjähriger Lover, der Dichter Peter Orlovsky (1933-2010), den er 1954 kennengelernt<br />

hatte.<br />

120 GLEIM, JOHANN WILHELM LUDWIG, 1719-1803. L.A.S. Halberstadt 4.X.1754. 1 S. 4°. Mit Siegel (zerteilt)<br />

und Adresse. Minimale Randläsuren. (CHF 800.00)<br />

An den Verleger Philipp Erasmus Reich in Leipzig mit der Bitte, einem – nicht genannten – Freund einen<br />

Gefallen zu tun.<br />

„... Da ich in so langer Zeit Denenselben nicht geschrieben, so ist es freylich schlimm genug, daß ich vorizt nichts geringers<br />

als eine unangenehme Bemühung mit einer LerchenCommißion veruhrsachen will. Was aber kan ich dafür daß Sie<br />

es im vorigen Jahre so gut gemacht haben? Ich ersuche Sie nemlich ... an beyliegende adresse nach Minden, in zwey nacheinander<br />

von dort abgehenden Posttagen, jedesmahl Ein Schock Lerchen, zu übermachen ...“ – Leipziger Lerchen galten<br />

als Delikatesse.<br />

121 GLEIM, JOHANN WILHELM LUDWIG, 1719-1803. L.A.S. Halberstadt 15.I.1800. 1 S. 8°. (CHF 600.00)<br />

An eine Dame.<br />

„Ihr Besuch, meine liebe gnaedige Frau, war eine Erscheinung, ihr Schreiben ist Brief und Siegel ihres sanft fühlenden<br />

edlen Herzens! Wer mögte der treuste Freund, und aufrichtigste Verehrer von Ihnen zu seyn, nicht wünschen. Ich<br />

wünsch’ es, und darf ichs seyn, so bin ichs von ganzem Herzen ...“<br />

122 GLEIM, JOHANN WILHELM LUDWIG, 1719-1803. Eigenhändiges Gedicht, betitelt „Auf Kleists Grabe“. 3<br />

1/3 S. 8°. Etwas fleckig, kleine Randläsuren. (CHF 1’800.00)<br />

67


13 vierzeilige Strophen auf seinen Freund<br />

Ewald Christian von Kleist, den in der<br />

Schlacht von Kunersdorf (12.VIII.1759)<br />

tödlich verwundeten Dichter. Beginnt:<br />

„In Nacht und Schauer sitz ich hier<br />

Auf deinem Grab’, o Kleist!<br />

Gebeine, heilig unter mir!<br />

Wohin entfloh der Geist?<br />

Hinauf zu Gott entfloh er euch!<br />

O du, mein liebes Grab<br />

Hoch über dir im GeisterReich<br />

Schwebt er, und sieht herab!<br />

Wenn mir im Traum mein Kleist erscheint<br />

Dann hab’ ich himmlisch Glük<br />

Hier seh’ er seinen alten Freund<br />

Mit einem halben Blick!<br />

Mit einem halben Blick seh’ er<br />

Vom SternenZelt herab,<br />

Mein Leben immer trauriger,<br />

Je weiter von ihm ab! ...“<br />

Aus der Sammlung Rötger (am Kopf dessen<br />

Beschriftung in rötlicher Tinte).<br />

„Behaltet mich lieb“<br />

123 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. L.A.S. „Adieu. / G.“ (Frankfurt a.M., Dezember 1773.)<br />

1/2 S. 4°. Mit Siegelrest und Adresse (von Schreiberhand). Außerhalb des Brieftextes etwas braunfleckig.<br />

(CHF 18’000.00)<br />

68<br />

An Hans Buff (1757-1830), einen jüngeren Bruder Charlottes, mit einer Geschenksendung für seine kleineren<br />

Geschwister. – Aus Goethes Frankfurter „Geniezeit“.<br />

Im Sommer war „Götz von Berlichingen“ erschienen, und nun schrieb Goethe an seinem „Werther“, der großenteils<br />

auf die Erlebnisse während seiner nun ein Jahr zurückliegenden Praktikantenzeit am Reichskammergericht<br />

in Wetzlar und seine Liebe zu Lotte Buff zurückgeht.<br />

„Da schick ich lieber Hans indessen was für die Kleinen, theil er die Rosinen[,] Feigen und Bilder unter sie, und das Buch<br />

mögen sie in Gemeinschafft haben, es kommt von H[errn] Kestner.<br />

Behaltet mich lieb. Grüss er den Papa[,] die Schwestern und die Brands. Adieu. / G.“ – Johann Ferdinand Brandt, Advokat<br />

und Hofrat in Wetzlar und seine Familie.<br />

Die Adresse lautet: „An / Herrn Hanns Buff / im Deutschen Hauß / nach Wetzlar / franco“.<br />

Charlotte Buff hatte am 4. Juli des Jahres ihren Verlobten Johann Christian Kestner geheiratet; sie hatte 11 Geschwister.<br />

Sophien-Ausgabe Band 2 Nr. 194.<br />

Aus dieser Epoche von größter Seltenheit.


Nr. 123 Johann Wolfgang von Goethe<br />

69


„Auch trete ich Ostern, mit einem botanischen Werckchen, meine naturhistorische Laufbahn an,<br />

in welcher ich wohl eine Zeitlang fortwandern werde“<br />

124 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. L.A.S. „G“. Weimar 28.II.1790. 1 Doppelblatt 4°, die<br />

ersten 3 Seiten beschrieben. Einriss im Bug, sonst gut erhalten. Montagespur auf der Rückseite.<br />

(CHF 18’000.00)<br />

70<br />

An den Komponisten Johann Friedrich Reichardt (1752-1814) in Berlin, der ihm einen Brief des Schauspielers<br />

Friedrich Ludwig Schröder (1744-1816) übermittelt hatte. Diesen nimmt Goethe zum Anlaß, sich über den Geschmack<br />

der Deutschen in Theaterfragen auszubreiten. Der Brief setzt ohne Anrede ein; Goethe schließt mit<br />

der Ankündigung des Antritts seiner „naturhistorischen Laufbahn“.<br />

„Wundern Sie Sich nicht, wenn ich den Schröderischen Brief nicht gar so toll finde wie Sie ihn finden. Ich wußte voraus<br />

daß er so antworten würde, da ich seine Verhältniße kenne. Ein deutscher Schauspiel Direcktor wäre thöricht anders zu<br />

dencken. Von Kunst hat unser Publikum keinen Begriff und so lang solche Stücke allgemeinen Beyfall finden, welche von<br />

mittelmäßigen Menschen ganz artig und leidlich gegeben werden können, warum soll ein Direcktor nicht auch eine sittliche<br />

Truppe wünschen, da er bey seinen Leuten nicht auf vorzügliches Talent zu sehen braucht, welches sonst allein den<br />

Mangel aller übrigen Eigenschaften entschuldigt.<br />

Die Deutschen sind im Durchschnitt rechtliche, biedere Menschen aber von Originalität, Erfindung, Charackter, Einheit,<br />

und Ausführung eines Kunstwercks haben sie nicht den mindesten Begriff. Das heißt mit Einem Worte sie haben<br />

keinen Geschmack. Versteht sich auch im Durchschnitt. Den rohren Theil hat man durch Abwechslung und Übertreiben,<br />

den gebildetern durch eine Art Honettetät zum Besten. Ritter, Räuber, Wohlthätige, Danckbare, ein redlicher biederer<br />

Tiers Etat, ein infamer Adel pp. und durchaus eine wohlsoutenirte Mittelmäßigkeit, aus der man nur allenfalls abwärts<br />

ins Platte, aufwärts in den Unsinn einige Schritte wagt, das sind nun schon zehen Jahre die Ingredienzien und der<br />

Charackter unsrer Romane und Schauspiele. Was ich unter diesen Aspeckten von Ihrem Theater hoffe, es mag dirigiren<br />

wer will, können Sie dencken.<br />

Machen Sie es indeß immer zum Besten. Ihre Bearbeitung von Elmiren freut mich sehr und wünschte Sie hier bey mir<br />

schon am Claviere zu sehen…<br />

Tasso haben Sie vielleicht schon. Faust kommt Ostern und wird auch Ihnen manches zu thun geben.<br />

Auch trete ich Ostern, mit einem botanischen Werckchen, meine naturhistorische Laufbahn an, in welcher ich wohl eine<br />

Zeitlang fortwandern werde…“<br />

Die Kritik über den Geschmack der Deutschen könnte nach Ansicht eines Vorbesitzers einen unausgesprochenen<br />

Seitenhieb auf Schiller darstellen: Goethe hatte nach seiner Italienreise endgültig seine ‚Sturm und<br />

Drang’-Zeit überwunden und zu einer harmonischen Klassik gefunden und war über die stürmischen Frühwerke<br />

des Jüngeren verärgert.


Goethe hatte 1787 in Rom sein Stück ‚Erwin und Elmire’ umgearbeitet und ganz in Verse gesetzt, die Musik<br />

dazu hatte Reichardt komponiert.<br />

In den Jahren nach seiner Italienreise beschäftigte Goethe sich zunächst vor allem mit der Naturforschung.<br />

1790 veröffentlichte er den ‚Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären’, außerdem begann er mit<br />

seinen Untersuchungen zur Farbenlehre, die ihn bis ans Lebensende beschäftigen sollte.<br />

Sophien-Ausgabe Nr. 9/2803. – Aus der Sammlung Brockhaus, Leipzig.<br />

125 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. Quittung des Ilmenauer Bergwerks (handschriftlich<br />

ausgefüllter Vordruck) mit Unterschrift „JWvGoethe“. Weimar 28.VII.1796. 1 S. quer-8°.<br />

(CHF 2’000.00)<br />

Goethe und sein Ministerkollege C.G. (v.) Voigt quittieren als „Sr. Hochfürstl. Durchl[aucht] zu Sachsen-Weimar<br />

und Eisenach gnädigst verordnete Bergwerks-Commission“ den Erhalt des Zuschusses von vier Laubtalern<br />

„wegen des Ilmenauer Kuxes oder Bergteils No. 836“.<br />

Mitunterzeichnet von dem Kanzlisten Johann Georg Seeger (winziges Loch durch Tintenfraß).<br />

126 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. Schriftstück mit Unterschrift „JWvGoethe“. Weimar<br />

21.XII.1797. 2/3 S. folio. Mit Siegel („F.S.Ilm.Steuer.Com.“) und Adresse. Etwas gebräunt, untere<br />

Hälfte feuchtfleckig. (CHF 2’000.00)<br />

Im Namen der Kommission „zur Aufsicht des Ilmenauer Steuer-Wesens“ an die Kammer in Weimar, die „allhier<br />

desiderirte Ilmenauer Steuer Obligation vom Jahr 1795 über 1500 rthl. Capital“ betreffend. Diese sei „nach Versicherung<br />

des Amtes Ilmenau ausgefertigt, und in copia vidimata zu den Steuer-Rechnungs-Belegen gebracht, auch, soviel<br />

Commissio sich erinnert, zur Fürstl. Cammer in Original abgegeben worden. Damit aber aus diesen Umstand keine Irrung<br />

entstehen möge, so ist die Verfügung getroffen worden, diese 1500 rthl. nebst Intereße zurückzuzahlen ...“<br />

Mitunterschrieben von seinem Ministerkollegen und Freund Christian Gottlob (von) Voigt.<br />

127 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. B.A.S. Jena 17.VII.1811. 1 Doppelblatt 8°, die erste<br />

Seite beschrieben. Einmal gefaltet. (CHF 6’000.00)<br />

An den Herausgeber der Jenaischen Allgemeinen <strong>Literatur</strong>zeitung, Heinrich Karl Abraham Eichstädt (1772-<br />

1848):<br />

„Ew. Wohlgeboren / sende die anvertraute Recension mit vielem Danke zurück; es war mir immer angenehm zu sehen,<br />

mit wie viel Aufmerksamkeit der verf. meinen Bemühungen gefolgt ist.<br />

Mögen Sie die beiliegende Ankündigung publiciren, so werden Sie ein paar braven Künstlern, mir und meinen Freunden<br />

eine Gefälligkeit erzeigen./ Mich bestens empfehlend / Goethe“.<br />

71


Eichstädt hatte Goethe die Rezension des Aschaffenburger Arztes C.J.H. Windischmann über seine Farbenlehre<br />

zukommen lassen, die Windischmann Goethe bereits im November 1810 angezeigt hatte, die aber nicht erschienen<br />

war. Goethe schrieb am 28.März 1811 an Charlotte Schiller in dieser Sache; offenbar hatte Charlotte<br />

Schiller in der Folge Windischmann darauf angesprochen, denn dieser sandte am 7.April seine Rezension direkt<br />

an Goethe. Goethe dankte in seinem Brief vom 2. Mai sehr herzlich für die Rezension. Eichstädt war sichtlich<br />

nicht in Kenntnis davon. Die Rezension Windischmanns über die Farbenlehre erschien erst 1813 in der<br />

Allgemeinen Jenaer <strong>Literatur</strong>zeitung.<br />

Die „Ankündigung“ bezieht sich auf den Karl-den-Grossen-Zyklus der Brüder Christian Johannes und Friedrich<br />

Franz Riepenhausen.<br />

Mit einer wesentlichen Abweichung gedruckt in: Sophienausgabe Nr. 6168.<br />

128 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. Eigenhändiges Gedicht. 8.I.1816. 1/2 S. folio. Grünliches<br />

Papier. Schwach staubfleckig; einige leichte Stockflecken, meist außerhalb der Schrift.<br />

(CHF 28’000.00)<br />

72<br />

Die Reinschrift eines Gedichts zum<br />

„West-östlichen Divan“.<br />

„Sprich! Unter welchem Himmelszeichen<br />

Der Tag liegt,<br />

Wo mein Herz, das doch mein eigen,<br />

Nicht mehr wegfliegt?<br />

Und wenn es flöge, zum Erreichen<br />

Mir ganz nah liegt?<br />

Auf dem Polster, dem süßen, dem weichen<br />

Wo mein Herz an ihrem liegt.<br />

8.J.16.“<br />

Darunter die bekannte Abschlußklammer<br />

Goethes.<br />

Vgl. Sophien-Ausgabe, Werke Band 6, S.<br />

287, sowie 346 und 454 (Lesarten).<br />

Das Gedicht erschien zuerst in der von<br />

Eckermann und Riemer 1836/37 besorgten<br />

zweibändigen Quartausgabe der<br />

„Poetischen und prosaischen Werke“,<br />

die zahlreiche vorher nicht gedruckte<br />

Divan-Gedichte aus dem Nachlaß enthält.<br />

Es handelt sich hier um die datierte<br />

Reinschrift des Gedichtes, die Eckermann<br />

und Riemer für ihre Ausgabe<br />

noch vorgelegen hat, den Bearbeitern<br />

der Sophien-Ausgabe aber nicht mehr<br />

zur Verfügung stand.<br />

In den „Lesarten“ der Sophien-Ausgabe<br />

heißt es a.a.O. S. 346: „Hs. verzeichnet in<br />

dem Katalog des verstorbenen Berliner<br />

Antiquars J. A. Stargardt ‘Reliquien aus<br />

Weimar’. Berlin 1854. S. 7 [recte 5] ...“ –<br />

Die Beschreibung unter Nr. 47 des zitierten<br />

Katalogs lautet: „Eigenh. Gedicht. 8<br />

Zeilen. – Hatem 8.J.1816. / 7 th. / Vgl.<br />

Westöstl. Divan 89“. Über dem Gedicht<br />

ist die ausradierte Bleistift-Überschrift<br />

„Hatem“ noch heute schwach erkennbar.<br />

Prachtvolles Autograph.


Goethe auf dem Land<br />

129 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. L.A.S. „G“. Tennstedt 26.VIII.1816. 4 S. 4°. Mit eigenhändig<br />

adressiertem Umschlag. Leicht gebräunt. Kleiner Einriß in der Bugfalte. (CHF 18’000.00)<br />

Ein in behaglicher Ferienstimmung geschriebener inhaltsreicher Brief an seinen Kollegen, den weimarischen<br />

Staatsminister Christian Gottlob von Voigt („Des Herrn Geheimerath v. Voigt / Exzell[enz]“). Mit Erwähnung der<br />

Brüder Grimm – seiner „jungen deutsch gesinnten Freunde“ – und des Physikers Ernst Chladni, der ihn im Juli<br />

besucht hatte. Goethe weilte mit seinem Freund, dem Maler und Direktor der Weimarer Zeichenschule Heinrich<br />

Meyer, seit mehreren Wochen in dem thüringischen Badeort Tennstedt und genoß dort das Landleben.<br />

„... alle menschliche Mittheilung ist so ziemlich still um uns her, dagegen alles Thierische was sich auf Feldbau bezieht<br />

in steeter Bewegung sich ergeht, brüllt, bät, meckert und klappert. Wenn man aber auch bedenckt was die guten Bürger<br />

von Tennstedt um eine so große 9000 Acker enthaltene Flur zu begatten, geschäftig seyn müßen; so lobt man an ihnen<br />

die Sorgfalt für ihre Heerden im Ganzen und im einzelnen. Daß die verspätete Erndte hier jedermann in Verlegenheit<br />

sezt darf ich kaum erwähnen.“<br />

Im Folgenden über die Ursprungsidee der Monumenta Germaniae Historica, den auf Savigny und Stein zurückgehenden<br />

„Berliner Plan für Deutsche Geschichte“, dessen § 14 die altdeutsche <strong>Literatur</strong> behandelte.<br />

„Der umständliche Aufsatz die neue deutsche Societät für Geschichte betreffend hat mich viel unterhalten. Auch hier ist<br />

wunderbar zu sehen wie der patriotische Enthusiasmus über Zweck und Mittel verblendet: denn wie soll so etwas gethan<br />

werden? und wenn es gethan ist wem solls frommen? Doch sind dergleichen Anstöße und Anläße möglichst zu benutzen.<br />

Ich will meine jungen deutsch gesinnten Freunde, besonders über den § 14 befragen. Dieser scheint mir der schwächste,<br />

und man thut denn doch wohl daß man über das was die Zeit fordert nicht dunckel bleibt ...“ – Interessanterweise betrachtete<br />

Goethe das Vorhaben in seinen gleichzeitigen Briefen an Wilhelm Grimm – den er zur Mitarbeit aufforderte<br />

– und Sulpiz Boisserée wesentlich optimistischer als hier gegenüber dem skeptischen Voigt.<br />

„Wenn Chladni für ein mäßiges in<br />

Jena zu fixiren ist; so wird er immer<br />

wohlthätig wircken.“ (Chladni ging<br />

nicht nach Jena und übernahm<br />

auch später nie ein Amt.) „Er hat die<br />

Klanglehre und die Meteorsteine festgehalten<br />

und emsig durchgearbeitet,<br />

das ist immer ein gros Verdienst. Die<br />

Klangfiguren hat er jetzt auf einfachere<br />

Elemente zurückgeführt und dadurch<br />

der Naturlehre einen wahrhaften<br />

Dienst geleistet, indem dadurch<br />

analoge Erscheinungen andrer Regionen<br />

herangebracht und verglichen<br />

werden können. So ist seit einigen Jahren<br />

eine ganz ähnliche Erscheinung in<br />

der Farbenlehre entdeckt und sorgfältig<br />

bearbeitet worden.<br />

Möge das alte Interdickt uns von dem<br />

Egy[p]tischen Unsinn“ (eine Anspielung<br />

auf Lorenz Okens Zeitschrift<br />

„Isis“) „sträcklich befreyen! Diese und<br />

andere gute Nachrichten hoffe bald<br />

persönlich einzuholen. Denn Mittwoch<br />

den 11ten Sept. hoffe in Weimar<br />

einzutreffen. Gegenwärtiges bringt<br />

Hofr[ath] Meyer der mir diese vier<br />

Wochen gar freundlich beygestanden.<br />

Er wird von Tennstedt mancherley erzählen<br />

das Ew Ex[z]el[lenz] wohl Lust<br />

machen könnte einige Tage hier zu verweilen<br />

... Serenissimi glückliche Rückkehr<br />

soll auch mir ein Festtag seyn ...“<br />

Sophien-Ausgabe Band 27 Nr.<br />

7487, Tümmler Band IV, Nr. 264.<br />

73


130 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. Einblattdruck: „Die Feier des siebenten Novembers 1825<br />

dankbar zu erwiedern.“ („Sah gemalt, in Gold und Rahmen, / Grauen Barts, den Ritter reiten ...“). 1<br />

S. gr.-8°. Mit gestochenem Schmuckrähmchen. Gebräunt, sonst sehr gut erhalten. (CHF 500.00)<br />

Am 7. November 1825 hatte Goethe sein 50jähriges Amtsjubiläum gefeiert.<br />

131 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. L.A.S. Weimar 2.II.1830. 2 S. folio. Deutsche Schrift.<br />

Geringe Randschäden, etwas gebräunt, Einrisse teilweise repariert. (CHF 8’000.00)<br />

An Großherzog Karl Friedrich, dem er zum Geburtstag gratuliert und mitteilt, daß er an dem zur Feier des<br />

Tages stattfindenden Maskenzug aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen könne.<br />

„... Gar öfters komme ich im Laufe des Jahrs in den Fall sehr unangenehm zu empfinden daß meine körperlichen Zustände<br />

mir nicht erlauben an manchem Guten, Schönen und Vergnüglichen Theil zu nehmen; niemals aber ist mir solches<br />

bedauernswürdiger als wenn ich mich gehindert sehe meinen Höchsten verehrten Gönnern, zu rechter Zeit und Stunde,<br />

schuldigst aufzuwarten und, zugleich mit soviel andern anhänglichst verehrenden, wenige aber treu gemeinte Worte vorzutragen.<br />

Daß mich ein gleiches Gefühl in diesem Augenblicke ergreift werden Ew. Königliche Hoheit mir zutrauen, und gnädigst<br />

vergönnen mit diesem Blat, wenn auch nur kurzgefaßt, alles dasjenige auszusprechen und zu wiederholen was Gutes,<br />

Freundliches u. Glückliches, um diesen Tag zu feyern aus soviel tausend Herzen sehnsüchtig hervorgeht.<br />

Hiemit nun, mich und die Meinigen zu ferneren Hulden und Gnaden angelegentlichst empfehlend, erbitte mir das Glück<br />

mich so fort an, lebenswierig unterzeichnen zu dürfen:<br />

Ew. Königlichen Hoheit<br />

Unterthänigst<br />

treugehorsamster Diener<br />

JWvGoethe“.<br />

Sophien-Ausgabe Band 46 Nr. 213, mit kleinen Abweichungen nach dem Konzept gedruckt.<br />

132 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. Eigenhändiges Schriftstück mit Unterschrift<br />

„JWvGoethe“. Weimar 8.II.1831. 1 Doppelblatt Folio, 2 Seiten beschrieben. Geheftet in einen Umschlag<br />

mit dem Deckeltitel „Das Darlehen bei Herrn Hofrath Ritter Meyer betr. / 1832“. Beigeheftet<br />

1 Einzelblatt gr.- 4° und 1 Einzelblatt Folio, jeweils die Vorderseite beschrieben. (CHF 15’000.00)<br />

74<br />

Schuldschein für den Zürcher Maler und Kunstschriftsteller Johann Heinrich Meyer (1760-1832), der Goethe<br />

mit einem Darlehen ausgeholfen hat. Am 8.II.1831 hatte Goethe an Meyer geschrieben: ‚In Erwartung Ihrer<br />

freundlichen Zusprache send’ ich die Anfrage voraus: ob Sie mir mit etwa Dreyhundert Thalern auf kurze Zeit<br />

aushelfen mögen? und können. Mein oekonomisches Wesen erlebt eine wunderliche Krise’ (s. Sophienausgabe<br />

48/105). – Aus den 300 Talern wurden 500 und Goethe blieb seinem (im Oktober des folgenden Jahres, nur<br />

gerade 16 Tage vor seinem eigenen Tod verstorbenen) ‚Kunschtmeyer’ die Summe schuldig.<br />

„Vierhundert Thaler Conventions-Münze, von Herren Hofrath u. Ritter Meyer, als ein zu Ostern zu restituirendes, mit<br />

fünf vom Hundert zu verzinsendes Darlehn, gegen diese meine eigenhändige Bescheinigung, baar erhalten zu haben bekenne.<br />

Weimar d. 8ten Febr. 1831.<br />

JWvGoethe<br />

Anfangs des Jahres 1832, zahlte H. Hofrath Meyer die fälligen Interessen mit 16r16gl. Er lieh mir darauf noch Einhundert<br />

Thaler, zu 11 pr 100, welche Fünfhundert Thaler nunmehr zu 4 pr. Cent zu verintereßiren seyn sollten. Obige Handschrift<br />

nahm ich zurück und händigte ihm eine Obligation ein wie folgt<br />

u.z.w.<br />

Fünfhundert Thaler Conventions Münze, von H. Hofr. Meyer als ein, von dato an, zu vier p Cent verzinsliches Darlehen,<br />

erhalten zu haben bescheinige: zugleich versprechend gedachte Zinsen vierteljährig abzutragen; Wie denn auch die<br />

Rückzahlung nach Ein Vierteljähriger, beyden Theilen zustehender Auskündigung unweigerlich zu leisten ist.<br />

Weimar d. 1 Jan. 1832.“


Beigeheftet eine „Copia“ (1<br />

Einzelblatt gr.- 4°, die Vorderseite<br />

beschrieben) des<br />

ursprünglichen Schuldscheins,<br />

von Goethe mit „G“<br />

gezeichnet und mit einem<br />

eigenhändigen, ebenfalls<br />

mit „G“ unterzeichneten<br />

Zusatz versehen: „Vorgemeldete<br />

Vierhundert Thaler sind<br />

zu Abzahlung nachstehender<br />

Schuldposten, allsogleich verwendet<br />

worden. d 11 febr 1831<br />

/ Nachrichtlich G“<br />

Ebenfalls beigeheftet ist die<br />

Aufstellung (1 Einzelblatt<br />

folio) der „Schuldposten“<br />

von 1830 und Januar 1831:<br />

142 Taler für den Kaufmann<br />

Martini, 198 Taler für den<br />

Fleischer Polster, 46 Taler<br />

für den Bäcker Rückoldt<br />

und 50 Taler für „die Wildprets<br />

Niederlage“. Die gefaltete<br />

Rückdecke des Umschlags<br />

trägt folgende<br />

Adresse: „Herrn Hofadvokaten<br />

Büttner hier“ (vermutlich<br />

Georg Friedrich<br />

Karl August Büttner, geb.<br />

1791, Advokat in Weimar)<br />

und den Vermerk „von Goethesche<br />

Vormundsch[aft]“.<br />

133 GOETHE, JOHANN WOLFGANG VON, 1749-1832. Eigenhändiges Billett mit Unterschrift „G“. O.O.u.D.<br />

1 S. quer-8° („Honig“-Papier). Minimal braunfleckig. (CHF 3’000.00)<br />

„Für die Anzeige habe ich zu danken, dabey nichts zu erinnern. Ein Wort habe ich weggestrichen. Da Sie die Anzeige<br />

wollen hier drucken lassen und wir sie also zurück erhalten; so finde ich noch soviel Zeit in meinem einzuschaltenden<br />

Aufsatz einige Veränderungen zu machen, die aber nur den Styl betreffen werden.“<br />

Offenbar ungedruckt.<br />

75


„die neue Ehrenstelle von unserm Sohn“<br />

134 – GOETHE, KATHARINA ELISABETH, geb. Textor, Goethes Mutter, die „Frau Rath“, 1731-1808. L.A.S.<br />

„C.E. Goethe“. Frankfurt a.M. 28.I.1779. 2 S. 8°. (CHF 6’000.00)<br />

An einen Vertrauten in Weimar, dem sie Goethes Onkel Georg Adolph Melber empfiehlt.<br />

„Ich habe Euch nicht nöthig zu errinnern daß es uns ungemein freuen würde, wens Herrn Vetter Melbert in Weimar<br />

Wohl ginge, und da unser Sohn vielleicht Geschäffte halben nicht immer um Ihn seyn könte; so thut Ihr was Ihr könt und<br />

vermögt um Herr Melbert seinen Auffendthalt angenehm zu machen: besonders ist Er ein Meister im Schlittschu schleifen<br />

und möchte Sich darinen gern sehen laßen; das wird sich schon machen laßen dencke ich. Wir haben uns freylich über<br />

die neue Ehrenstelle von unserm Sohn gefreut, das könt Ihr leicht glauben – Gott erhalte Ihn nur gesund und vergnügt<br />

Amen ...“<br />

Goethe hatte am 13. Januar die Kriegs-Kommission<br />

übernommen und war am 19. Januar<br />

Direktor der Wegebau-Kommission geworden.<br />

Über die Materialienhandlung seines Onkels<br />

Melber schreibt Goethe in „Dichtung und<br />

Wahrheit“: „Hier sahen wir nun dem Gewühl<br />

und Gedränge ... sehr vergnüglich zu, und<br />

wenn uns im Laden unter so vielerlei Waaren<br />

anfänglich nur das Süßholz und die daraus bereiteten<br />

Zeltlein vorzüglich interessirten, so<br />

wurden wir doch allmählich mit der großen<br />

Menge von Gegenständen bekannt, welche bei<br />

einer solchen Handlung aus- und einfließen.“<br />

Beutler, Briefe aus dem Elternhaus, Nr. 37.<br />

Sehr selten.<br />

135 – GOETHE, KATHARINA ELISABETH,<br />

1731-1808. Eigenhändiges Schriftstück mit<br />

Unterschrift „Catharina Elisabetha Goethe“.<br />

Frankfurt a.M. 14.IX.1807. 1/2 S. quer-4°.<br />

Kleines Loch (Verlust von 2 Buchstaben),<br />

Einriss unterlegt. (CHF 1’600.00)<br />

Quittung über ein vierteljährliches Darlehen<br />

von 200 Gulden für „Frau Schöff Schlosser gebohrne<br />

Steitz“ (Margarete, Witwe des Schöffen<br />

Hieronymus Peter Schlosser, 1749-1819), darunter<br />

deren Quittung über die pünktliche<br />

Rückzahlung des Darlehens „nebst 2 f 30 x Interessen“.<br />

136 – GOETHE, CHRISTIANE VON, geb. Vulpius, Goethes Ehefrau, 1765-1816. Diktierter Brief. Weimar<br />

26.IX.1813. 1 Einzelblatt Folio, 1 Seite beschrieben. Gefaltet, leicht fleckig. (CHF 1’200.00)<br />

76<br />

Nr. 134 Katharina Elisabeth Goethe<br />

An Goethes Weinhändler Christian Heinrich Ramann in Erfurt, mit einer Bestellung von Goethes Lieblingswein,<br />

dem ‚Steinwein’ von Schloss Marienburg bei Würzburg.<br />

„Herr Rahmann wird gebeten ein halbes dutz[end] guten Stein Weins zu überschicken, doch bittet man darum dass er<br />

rein sey, und dass der Preis billig sey, so könnte mehr abgesetzt werden. Da Sie die Leibziger Asignation nicht gebrauchen<br />

können, so kann H Voß wenn er hier durchreist baares Geld bekommen. / CvGoethe.<br />

Weimar den 26ten Sept. 1813.“<br />

Alter handschriftlicher Vermerk verso, der Ort, Datum und Bestellerin wiederholt.


„nach und nach“<br />

137 – GOETHE, CHRISTIANE VON, 1765-1816. Brief in ihrem Namen, von der Hand ihrer Gesellschafterin<br />

Karoline Ulrich. Weimar 3.III.1814. 3/4 S. gr.-4°. Mit Siegelrest und Adresse. Leicht fleckig. Kleine<br />

Faltenschäden. (CHF 1’200.00)<br />

Ebenfalls an Ramann in Erfurt.<br />

„... Wenn der Wein wovon Sie uns gestern eine Probe geschickt haben so ist wie die Probe, so haben Sie die Güte uns nach<br />

und nach drey Eimer zu schicken, auf einmal macht es so ein grosses Aufsehen ...“<br />

Die Nachschrift lautet: „Das aber ja der Wein wie die Probe ist.“<br />

138 – GOETHE, AUGUST VON, der Sohn des Dichters, weimarischer Geheimer Kammerrat, 1789-1830. L.S.<br />

Weimar 30.V.1816. 3/4 S. 4°. Mit zerteiltem Siegel und Adresse. Grünliches Papier; schwach fleckig.<br />

(CHF 800.00)<br />

Ebenfalls an Ramann, dem er eine Zahlung von 200 Talern ankündigt und zugleich eine neue Bestellung von<br />

einem „Eymer guten reinen Wertheimer“ und einigen Flaschen Malaga sendet.<br />

139 – GOETHE, AUGUST VON, 1789-1830. L.S. Weimar 12.IV.1818. 2 S. 8°. Mit Siegelrest und Adresse.<br />

Leicht gebräunt, kleiner Randeinriß repariert. (CHF 900.00)<br />

An seine Schwägerin Ulrike von Pogwisch in Bar-le-Duc, der er die Geburt seines ersten Sohnes (Walther, am<br />

9. April) mitteilt.<br />

„Verehrtestes Schwägerchen! Die glückliche Entbindung meiner Frau von einem kleinen Sohn fordert mich auf, Sie an<br />

Ihr in Weimar gegebenes Versprechen zu erinnern, nämlich, bei diesem kleinen Wesen eine Pathenstelle anzunehmen.<br />

Die Taufe soll den 21sten dieses Monats erfolgen ... Ottilie ... hat mir ... aufgetragen, Sie ein wenig auszuschelten, da sie<br />

vergebens auf Einiges von Ihren kunstreichen Händen verfertigtes Kinderzeug gehofft, worauf sie schon im voraus stolz<br />

gewesen ...“<br />

140 – GOETHE, OTTILIE VON, geb. von Pogwisch, Goethes Schwiegertochter, 1796-1872. Eigenhändiges<br />

Manuskript. 1826-1830. 92 S. 4°. Locker (unchronologisch) geheftet zwischen blindgeprägten roten<br />

Pappdeckeln. Kleine Rand- und Faltenschäden; das letzte Blatt defekt und ausgebessert; das vorletzte<br />

Blatt lose. (CHF 4’000.00)<br />

Niederschrift von 29 zum Teil mehrteiligen, vielfach autobiographischen Gedichten und Prosastücken, u.a. an<br />

ihre Freunde Charles des Voeux und Charles Sterling (den Vater ihrer Tochter Anna, 1835-1836) gerichtet. Die<br />

Dichtungen sind durchweg zu Goethes Lebzeiten entstanden. – Darunter:<br />

„Der Blick. Charles des Voeux“. („Du trägst die Züge eines Engels, doch warum entspricht nur dein eines Auge der<br />

himmlischen Abkunft, woher der irrende Blick in solchem Antlitz? ...“, datiert „2t. Dec: 1826“, 4 S.),<br />

„An Lord Douro“, den ältesten Sohn Wellingtons („Als diese Zeilen ich für dich geschrieben, / da glaubt ich einst dir<br />

nah zu stehen, / doch unerfüllt ist dieser Traum geblieben, / Und einsam unsre Pfade gehen ...“, datiert 7.V.1828, 4 S.),<br />

„An eine Blume im Waßer.“ („Du Blume in der Wellen Schooß, / Wir haben ein gleiches trübes Loos; / Bald von der Leidenschaft<br />

gehoben und getragen, / Bald an öde Ufer verschlagen, / Vom Strohme aufs Neue dort weggespült, / Fragt Niemand<br />

was Herz und Blume gefühlt ...“, 24.IV.1828, 1 S.),<br />

„Shall my heart be at rest? / Never oh never! / Grief always haunt my breast? / Ever and ever!“, (4 weitere Strophen,<br />

12.VII.1828),<br />

„Er. Charles Sterling“. („Seine Augen, seine Züge / Wie der Himmel rein und klar ...“, 10.III.1829, 2 S.),<br />

„An August“. („Ist es möglich heiliger Mann / wie kommt dir solche Thorheit an? ...“, März 1829, 3/4 S.),<br />

„An Adam Mieskewitsch“. („Als ich zum erstenmal dein Aug’ verstand, / War es auch schon von Abschiedsthränen<br />

feucht ...“, o.D., 1 1/2 S.)<br />

77


„An Charles Sterling.“ („Als ich Freund nur Freund dich nannte ...“, 13.VI.1830, 3 1/2 S.; entstanden, nachdem August<br />

v. G. jeden brieflichen Kontakt der beiden verboten hatte. Abgedruckt in „Aus O. v. G’s Nachlaß“, Schriften<br />

der Goethe-Gesellschaft Band 28, Nr. 146),<br />

„An Charles des Voeux“. („Sultan Mahmud, Sultan Mahmud! / Zittre für des Harems Ruhe, denn es naht der Lady Killer,<br />

Mr. Charles Des Voeux ...“, 6.III.1830, 1 1/4 S.),<br />

„An Charles Sterling.“ („Von dir getrennt, von dir geschieden, / Bin ich für diese Erdenzeit, nie giebt die Welt mir Ruh’<br />

und Frieden, / mein Hoffnungswort heißt Ewigkeit ...“, o.D., 3 1/2 S.),<br />

„An Charles Sterling.“ („Du willst ich soll des Schweigens Schleier heben, / Noch einmal Worte suchen für mein Herz<br />

...“, „1824“, 2 S.) und<br />

„Als Felix Mendelssohn gespielt hatte. / Trübe Frau. / Du hast des Kummers trübe Nächte / Wie Sternenschimmer mir<br />

erhellt, / Ich fühle wieder Glückes-Rechte, / Ich glaube wieder schön die Welt.“ – Der erste Besuch des jungen Felix<br />

Mendelssohn Bartholdy im Haus am Frauenplan hatte bereits 1821 stattgefunden.<br />

141 – GOETHE, OTTILIE VON, 1796-1872. L.A.S. Dresden 9.XII.1856. 1 Doppelblatt 8°, die erste Seite beschrieben.<br />

Entlang der Ränder gebräunt. (CHF 300.00)<br />

78<br />

An Johann Christian Schuchardt (1799-1870), Goethes ehemaligen Sekretär und Kunstgelehrten.<br />

„… Ich muß Sie sehr um Verzeihung bitten, dass ich über Sybillens Ankunft(?), nicht die 25 l. Ihnen sandte, wie ich beabsichtigte[.]<br />

mit besten Grüßen an Ihre Familie u Walther / Ergeben / Ottilie v Goethe.“


Sibylle Mertens-Schaaffhausen (1797-1857) war Archäologin und Mittelpunkt eines Freundeskreises zu dem<br />

neben Annette Droste-Hülshoff, Johanna und Adele Schopenhauer auch Goethes Schwiegertochter Ottilie<br />

zählte. Sie war auch als Komponistin tätig, so schrieb sie etwa zwei Vertonungen von Gedichten aus dem<br />

‚Divan’. –Schuchardt verfaßte zahlreiche Sammlungsinventare, so auch jenes von Goethes Kunstsammlungen<br />

und das des graphischen Nachlaß von Sybille Mertens-Schaaffhausen.<br />

142 – GOETHE, OTTILIE VON, 1796-1872. Eigenhändiges Manuskript. 1858-1868. 130 S. 4°, dazu 8 S. von<br />

fremder Hand. Weinrotes, ledergebundenes Schreibheft. Leicht berieben. (CHF 3’000.00)<br />

Zum größten Teil Niederschrift von bibliographischen Notizen und Auszügen aus Büchern und Zeitungen<br />

sowie Abschriften von Briefen (u.a. mehrerer von Goethe und ihrer Freundin Anna Jameson), ferner Bücherwünsche<br />

ihrer Söhne Walther und Wolfgang sowie ihres Freundes Romeo Seligmann. – Die Aufzeichnungen<br />

bieten einen Einblick in die weit gefächerten Interessengebiete von Goethes Schwiegertochter.<br />

Einige Beispiele:<br />

„Bücher Titel.“ / „G. F. Händel von Friedrich Chrysander ... / Hansen, friesische Sagen und Erzählungen ... / Dorner<br />

(Edmund) Roswitha, die Nonne aus Gandersheim ... / Schwedische Volkslieder der Vorzeit. Aus der Sammlung von Erik,<br />

Gustav Geijer und Arvid Afzelius ... / Leggende e tradizioni ... opera de F.A. de Felici. Napoli ... / Recollections of the last<br />

four Popes and of Rome in their times ... / Seaside Studies at Ilfracombe, Tenby, the Scilly Isles, and Jersey by Henry Lewes<br />

... / The Life of Percy Byssche Shelley ...“<br />

Einen Kunstkauf betreffend: „Ich habe in Venedig durch Wolf der sie auf der Straße gesehen hatte 2 große Oehlbilder<br />

gekauft, Heilige darstellend, die wahrscheinlich Flügelthüren eines Altar Bildes waren. Sie sind beide Venezianische<br />

Schule, der Kopf der Heiligen besonders schön. / Als der Handel geschlossen war, 5 Napoleon d’or, also kein Grund vorhanden<br />

sein konnte mir etwas falsches zu sagen, ob er nie einen Nahmen gehört hätte, von dem das Bild wohl wäre, sagte<br />

er mir ‘O ja[’], es sei von Carpaccio ...“<br />

Eine Anekdote aus dem Leben der „Familie von Pogwisch“, beginnt: „Von der Familie von Pogwisch existierten im<br />

Jahr 1597 in Schleswig Holstein 28 Mannes Erben die 18 Schlösser und Höfe besaßen. Im Jahre 1322 als 2000 Mann<br />

Holsteiner und Ditmarscher unter Gerhard erschlagen wurden, kam ein Knabe zu einer Pogwisch und sagte: ach liebe<br />

Frau seid getrost, es sind zwar Eure 8 Kinder in der Schlacht gefallen, aber Euer Mann ist am Leben. ‘Was?[’], erwiederte<br />

sie ‘haben mein Landesherr und meine Kinder und Verwandte um ihres Vaterlandes halber so freudig gestritten daß<br />

sie auch ihr Leben darüber verlohren, und mein Mann ist allein entronnen daß er am Leben bleibe? ...’ Darauf ist der<br />

Knabe der Frau in die Rede gefallen und hat gesagt, daß ihr Ehemann ... mit dem Leben schwerlich werde davon kommen.<br />

Als das Weib solches gehört, hat sie wieder Muth gefaßt, ihre Hände zusammen geschlagen, Gott Lob und Dank gesagt,<br />

und sich für ein glückseliges Weib gepriesen ...“<br />

143 – GOETHE, OTTILIE VON, 1796-1872. L.A.S. Wien 19.VI.1855. 2 1/2 S. gr.-8°. Tinte leicht durchschlagend.<br />

(CHF 200.00)<br />

An einen (Berliner) Buchhändler, u.a. wegen der Beschaffung eines Buches aus London, das „zu einem Geburtstagsgeschenk“<br />

bestimmt sei.<br />

„... Das Parlaments Werk um daß ich Sie bat, besitzt mein Sohn schon seit längerer Zeit, ist es also noch Zeit es abzubestellen,<br />

bitte ich es gefälligst zu thun ...“<br />

144 – GOETHE, OTTILIE VON, 1796-1872. Eigenhändiges Gedicht. 2 S. 4°. Leicht gebräunt. (CHF 600.00)<br />

Gelegenheitsgedicht zu einem Geschenk (Schere und Nadel), das vielleicht für ihre Freundin Adele Schopenhauer<br />

bestimmt war.<br />

„Es giebt einen Glauben schon seit manchem Jahr,<br />

Daß es der Neigung bringe Gefahr,<br />

Liefere man Dinge mit spitzigem Ende,<br />

Schenkend je, in Freundes Hände. –<br />

Als da sind, vorzüglich zu tadeln,<br />

Messer, Scheeren, und spitzige Nadeln;<br />

79


Man sagt das zerstöhrte die Liebe ganz,<br />

Von dem Kopf bis auf den Schwanz.<br />

Nun leben wir zwar in aufgeklärten Zeiten,<br />

Und Volksgeschwätz will wenig bedeuten,<br />

Auch ist meine Liebe nicht dem Wechsel ausgesetzt<br />

Und wird durch dergleichen Dinge wohl nimmer verletzt ...<br />

Kurz, die Scheere verbanne alles was Dir zuwieder erscheint,<br />

Die Nadel befestige alles was Dir zum Glück sich vereint.“<br />

Insgesamt 40 Zeilen.<br />

145 – GOETHE, OTTILIE VON, 1796-1872. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift „Ottilie“. O.O.u.D.<br />

1 S. gr.-8°. Mit Siegel (geteilt; schlägt leicht durch) und Adresse. Schwach gebräunt. (CHF 350.00)<br />

„An Friedericke von Serre“ zum 24. Dezember.<br />

„Wenn alle Leiden die Du geendet, Wenn alle Freuden die Du / gespendet Erglänzen als Lichter im / Wiederschein. So<br />

muß Dein Weihnachtsbaum / glänzend sein.“<br />

Gemeint ist ihre Freundin, die Dresdner Mäzenin und Philanthropin Friederike Serre, deren Ehemann Friedrich<br />

Anton Serre zu den Mitbegründern der Deutschen Schillerstiftung gehört.<br />

– siehe auch die Nr. 58.<br />

146 – GOETHE, WALTHER WOLFGANG VON, Goethes älterer Enkel und sein letzter Nachfahre, 1818-1885.<br />

2 L.A.S. Jena 28.XI.und 27.XII.1868. 3 S. gr.-4°. Leicht gebräunt. (CHF 300.00)<br />

80


An einen Hofrat in Weimar, Sendungen des Großherzogs betreffend.<br />

„... Anbey empfangen Sie die mir ... im Auftrage Serenissimi übersandten 3 Journal-Nummern zurück und füge ich noch<br />

Nro 35 der ‘Neuen Zeitschrift für Musik’, welche mir gnädigst auf directem Wege zugekommen, hier bey.<br />

Alles was zur Uebermittlung an Sr. K.H. den Großherzog in Weimar während meiner Abwesenheit eingegangen ... hat<br />

mein Bruder an Ew. Hochwohlgeb. vor Kurzem zu übersenden sich erlaubt ...“ (28.XI.1868).<br />

147 – GOETHE, WALTHER WOLFGANG VON, 1818-1885. L.A.S. Regensburg 15.IV.1882. 1 Einzelblatt 8°,<br />

beide Seiten beschrieben. Randläsuren, langer Faltenriss, fast getrennt. (CHF 250.00)<br />

An einen Rechtsanwalt, den er bittet einen Grußzettel an ein „Minnchen“ weiterzuleiten; den Bruder, Wolfgang<br />

Maximilian (1820-1883), habe er schon über seine „Pilgerfahrt“ unterrichtet.<br />

„…Das einliegende Briefchen vertraue ich Ihrer gütigen Fürsorge an. – Es ist nur ein Grußzettel ohne Ort u. Datum. –<br />

ich möchte das treue Minnchen nicht in Sorge lassen; einzig deshalb sende ich es.<br />

Meinem Bruder habe ich ausführliche Nachricht gegeben über meine Pilgerfahrt.<br />

Ich hoffe, daß der Abschied von Guido nicht allzuschwer gewesen! – Gott segne den lieben Knaben! / Heute, verehrter<br />

Doctor! nur so viel! …“<br />

- Siehe auch Nr. 776.<br />

„die Wahrheit seiner Lehre von den Farben“<br />

148 – GOETHE, WOLFGANG MAXIMILIAN FREIHERR VON, Goethes jüngerer Enkel, 1820-1883. L.A.S. Wien<br />

27.XI.1860. 2 3/4 S. gr.-4°. Kleine Faltenrisse, leicht gebräunt. (CHF 400.00)<br />

An einen Autor, dem er für eine Schrift „zu Gunsten der Farbenlehre“ Goethes dankt.<br />

„... Es wird Eurer Hochwohlgeboren unerklärlich gewesen seyn, daß Sie bis jetzt von mir noch kein Wort des Dankes für<br />

die freundliche Uebersendung der Schrift zu Gunsten der Farbenlehre des Großvaters erhalten haben. Erlauben Sie mir<br />

in diesen Zeilen mich mit der Angabe bei<br />

Ihnen zu entschuldigen, daß ich seit mehreren<br />

Monaten von Dresden abwesend bin<br />

und mich gegenwärtig im Urlaub hier aufhalte.<br />

So geschah es daß Ihr Werk mit anderen<br />

Gegenständen erst vor Kurzem mir hierher<br />

nachgeschickt wurde ... Seitdem hat<br />

mein Bruder Walter mir auch den Abdruck<br />

des an ihn gerichteten Schreibens zugehen<br />

lassen und bitte ich Sie, den so verspäteten<br />

Ausdruck meines herzlichen Dankes auch<br />

jetzt noch freundlich aufnehmen zu wollen.<br />

Zu den Wünschen deren Erfüllung dem<br />

Großvater am Meisten am Herzen lag, gehörte<br />

der, die Wahrheit seiner Lehre von den<br />

Farben anerkannt zu sehen. Es wurde ihm<br />

jedoch diese Anerkennung während seines<br />

Lebens nicht zu Theil ...“<br />

In diesem Jahr war Friedrich Grävells<br />

Werk „Die zu sühnende Schuld gegen<br />

Goethe“ erschienen.<br />

81


149 – GOETHE, WOLFGANG MAXIMILIAN FREIHERR VON, 1820-1883. L.A.S. Wien 5.XII.1860. 3 S. gr.-4°. Faltenbrüche<br />

und Papierrisse zum Teil ausgebessert. (CHF 300.00)<br />

An einen Mathematiker in Jena, dem er u.a. für „die Nachrichten über die schöne umfassende Thätigkeit der Mathematischen<br />

Gesellschaft“ dankt.<br />

„... Wäre ich nur noch so in solche Dinge eingeweiht, wie ich wünschte, dann würde ich auch Bartholomäi’s“ (wohl der<br />

Mathematiker und Philosoph Friedrich B., 1817-1878) „Vorlesungen über Philosophie der Mathematik besser haben<br />

folgen können ... ich ... bin jedoch den Grundlagen seines Werkes durch Leben und Studien jetzt so ferngerückt, daß ich<br />

mich eigentlich außer Stande fühlte seinen Gedankengang ... in mich aufnehmen zu können ...“ – Erwähnt seinen älteren<br />

Bruder, den Komponisten Walther von Goethe.<br />

150 –GOETHE, WOLFGANG MAXIMILIAN FREIHERR VON, 1820-1883. L.A.S. Wien 17.II.1871. 1 Doppelblatt<br />

8°, 3 Seiten beschrieben. (CHF 350.00)<br />

An einen „Geheimenhofrath“: „…Ich hatte gehofft, Ihnen bald im neuen Jahre persönlich meinen ergebensten Dank für<br />

Ihren gütigen ärztlichen Beistand im verflossenen aussprechen zu können, ein längeres Unwohlsein aber, welches bei so<br />

strengem Winter mir das Reisen verbot, hat mich hier zurückgehalten und ich will nun nicht länger zögern, durch diese<br />

Zeilen das Versäumte nachzuholen. In nicht zu langer Zeit hoffe ich nun nach Thüringen zurückkehren zu können und<br />

werde mir dann erlauben, Ihnen über meinen gegenwärtigen Gesundheitszustand Bericht zu erstatten. Ihrer geehrten<br />

Frau Gemahlin sowie Herrn und Frau Geheimhofrath Fischer bitte ich mich den gelegentlichst zu empfehlen. …“<br />

151 – GOETHE, ALMA VON, die jung verstorbene Enkelin des Dichters, 1827-1844. L.A.S. „Deine Enkelin<br />

Alma“. (Wien, Frühjahr 1843.) 3/4 S. gr.-8°. Mit einer 1 1/4seitigen Nachschrift ihrer Mutter Ottilie.<br />

Dünnes Papier, Tinte durchschlagend; durch Tintenfraß beschädigt (Text- und Buchstabenverlust,<br />

restaurierungsbedürftig). (CHF 2’500.00)<br />

82<br />

Reizender Jugendbrief an ihre Großmutter Henriette von<br />

Pogwisch in Berlin.<br />

„Liebe Ammama.<br />

Obgleich ich mich sehr gefreut habe über Deinen Brief so war ich<br />

doch etwaß böse das Du gedacht hast es hätte mir Ueberwindung<br />

gekostet. Ich würde mir gewiß sehr in Berlin gefallen. Hugi [?]<br />

ist recht ungenügsam ich kann ihr aber nicht helfen da ich jetzt<br />

zu viel mit der Lotterie zu thun habe zu welcher ich 100 Loose<br />

unterzubringen habe, ich habe aber schon 73 untergebracht muß<br />

aber auch 20 Gewinne zusammenbetteln und habe leider erst 14.<br />

Sage bitte an Tante Bertha sie könne mir auch ein Loos abnehmen.<br />

Das Loos kostet 5 Sgr. ... Die Zeichnung die ich Dir versprochen<br />

ist schon fertig und harrt Deiner sehnsüchtig wie /<br />

Deine Enkelin“.<br />

Briefe Alma von Goethes sind von größter Seltenheit.<br />

Außer diesem sind uns in Antiquariatskatalogen nur zwei<br />

Briefe, ebenfalls an Henriette von Pogwisch, bekannt geworden.<br />

Aus Ottilies Nachschrift: „... An Fremden fehlt es nicht, und<br />

man könnte alle Tage Gesellschaft haben ... Heute Abend kömmt<br />

... eine Russin, die eine kluge angenehme Frau zu sein scheint; sie<br />

... ist eine große Freundin von Liszt ...“ (Caroline Prinzessin<br />

von Sayn-Wittgenstein).<br />

„... Leider hat mir Walther“ (ihr älterer Sohn, der eine Laufbahn<br />

als Komponist anstrebte) „auf eine Weise geschrieben,<br />

die mir unmöglich macht, auch nur den geringsten Vorschlag<br />

ihm in musikalischer Hinsicht zu machen ...“<br />

Sehr selten.


In Schillers Auftrag?<br />

152 GOETHEKREIS. – BECKER (ursprünglich von Blumenthal), HEINRICH, Schauspieler und Regisseur, in<br />

erster Ehe mit Christiane Neumann (Goethes „Euphrosyne“) verheiratet, 1764-1822. L.A.S. Weimar<br />

21.III.1801. 2 S. 4°. Mit Siegelrest und Adresse. (CHF 900.00)<br />

An den Hofkammerrat Franz Kirms, Goethes Mitarbeiter in der Theaterdirektion, über einen Streit zwischen<br />

den Schauspielerinnen Karoline Jagemann, der Geliebten Carl Augusts, und Friederike Margarethe Voß<br />

(Vohs), in den außer Schiller auch Goethe und die Herzogin Luise verwickelt waren. – Vgl. hierzu Schillers<br />

Brief an seine Frau vom 13. März, worin er erklärt, die Rolle der „Thekla“ im „Wallenstein“ sei gegen seinen<br />

Willen der Jagemann genommen und der Voß zugeteilt worden. Zur Vorgeschichte des Streites gehört, daß<br />

bei der Uraufführung der „Maria Stuart“ am 14. Juni 1800 Friederike Margarethe Voß die Rolle der Titelheldin,<br />

Karoline Jagemann die der Königin Elisabeth gespielt hatte. (Heinrich Becker war der erste „Burleigh“.)<br />

„Ich halte es für meine Pflicht, Ew: Wohlgebohren zu berichten, in wie fern die Behauptung der Madame Vohs, eine Rolle<br />

der Thekla, in Wallenstein, wie Madll: Jagemann, von dem Herrn Hofrath Schiller erhalten zu haben, gegründet ist ...<br />

Da Madame Vohs sich geäussert hatte, sie würde die Thekla spielen, und wie sie sagte, ihr ... auch Hofnung dazu gemacht<br />

worden, so wollte der Herr Hofrath Schiller den Weg der Güte wählen, und ich muste Madame Vohs sagen, daß, wenn<br />

sie die Thekla hier würde spielen wollen, Madll: Jageman ebenfalls auch einmal die Maria Stuart spielen würde, worauf<br />

ich zur Antwort bekam: sie würde die Thekla spielen, die Maria nicht hergeben, und sich von ihrem Recht auf beide Rollen<br />

nichts nehmen laßen! Darauf beschloß der Herr Hofrath Schiller, eine eigene Rolle von seinem Diener schreiben zu<br />

laßen, und sie mit seiner eigenen Unterschrift an Madll: Jagemann zu überschicken, welches auch geschehen ist. Da aber<br />

Mad: Vohs ... ebenfalls eine Rolle der Thekla haben muste, ... so hat sie, auf geheiß des Herrn Hofrath Schiller, die Rolle<br />

der Thekla für Lauchstädt und Rudolstadt durch mich erhalten, und nicht durch den Herrn Hofrath Schiller, wie Mad:<br />

Vohs zu sagen beliebt ...“<br />

Auszugsweise gedruckt in „Charlotte von Schiller“, hrsg. von L. Urlichs, Stuttgart 1860, Band I, S. 277f. Nach<br />

Angabe von Urlichs hat Becker, als Regisseur des Theaters in Lauchstädt für diese Angelegenheit zuständig,<br />

den Brief auf Veranlassung von Kirms im Auftrag Schillers geschrieben (Vgl. Kirms’ Brief an Schiller vom 26.<br />

März).<br />

153 – BEHRISCH, ERNST WOLFGANG, Dichter und Philanthrop; Jugendfreund Goethes, 1738-1809. L.A.S.<br />

Dessau 25.IV.1776. 2 S. 4°. (CHF 600.00)<br />

Als Erzieher des Prinzen Friedrich von Anhalt-Dessau an eine Buchhandlung, der er für ein „Verzeichnüs von<br />

Oekonomischen Büchern“ dankt.<br />

„... Da ich nun eben jezt erst erfahre, daß diese Bücher als ein Geschenk nach Königsberg in Preußen bestimmt sind; so<br />

muß ich Ewr. HochEdln. um die beste Gelegenheit befragen, diese Sendung von Leipzig aus dahin zu bringen. In der<br />

Meße sollten sich dergleichen wohl finden ... Worauf ich Ihnen sogleich den Brief der diese Sendung begleiten soll,<br />

die Bezahlung der Bücher selbst, die Kosten der Fracht, und den Belauf meines Conto zu überschikken die Ehre haben<br />

werde ...“<br />

Sehr selten. – Aus der Sammlung Künzel.<br />

Schädlingsbekämpfung und Archäologie<br />

154 – BERTUCH, FRIEDRICH JUSTIN, Schriftsteller und Verleger; Freund Goethes, 1747-1822. L.A.S. Weimar<br />

10.XI.1821. 1 3/4 S. gr.-8°. Leicht braunfleckig. (CHF 200.00)<br />

Nach einer alten Zuschreibung an den Geologen und Theologen Johann Georg Justus Ballenstedt, Prediger in<br />

Pabstorf, zunächst über das von „H[errn] Kriegs in Nürnberg“ in diesem Jahr entwickelte „RauchPapier“, ein Fabrikat<br />

zur Bekämpfung von Insekten.<br />

„Da ich ein geschworner Feind aller Unwahrheiten und Windbeuteleyen bin, so ließ ich gleich ... einige Bogen davon<br />

kommen, und meinen Gärtner die Proben damit machen. Bey[folgend] sehen Sie seinen Bericht darüber, und daraus, daß<br />

das gepriesene RauchPapier nichts hilft, und bloß eine KopfstückSpeculation von H. Krieg ist. Ich überlaße Ihrer Wahrheitsliebe<br />

in dem Anzeiger Gebrauch davon zu machen, und das Publicum dafür zu warnen.<br />

83


Der in No. 275 angezeigte Fund eines alten eisernen RadNagels und einer dergl. Radfelge bey dem Dorfe Eizen hat mich<br />

sehr intereßirt, ebenso auch unsern Großherzog“ (Carl August). „Könnten Sie mir nicht eine gute treue Zeichnung u.<br />

Beschreibung von beyden Stücken ... für die Curiositäten verschaffen, so würde ich die Abbildungen dazu stechen laßen.<br />

Dieß wäre um so interessanter, da ich ähnliche Funde bey Aufgrabungen unsers aufgeschwemten großen Tuffsteinlagers<br />

... gemacht, und aufbewahrt habe ...“<br />

155 – BOISSERÉE, SULPIZ, Kunstgelehrter und -sammler; führte Goethe in die altdeutsche Kunst ein,<br />

1783-1854. L.A.S. Bonn 20.I.1848. 1 S. gr.-4°. Schwach fleckig, winzige Randeinrisse. (CHF 400.00)<br />

An den „CommerzienRath Oppenheim / Bankier in Köln“; Empfehlungsschreiben für einen Gärtner.<br />

„... der Wunsch, einem braven Mann einen Dienst zu leisten, veranlaßt mich den Überbringer Gärtner Sauer aus Berlin<br />

in Poppelsdorf wohnhaft den Weg zu Ihnen zu erleichtern ... Der Mann war früher am botanischen Garten in Poppelsdorf<br />

angestellt, aber weil er gegen ein Mädchen sein Wort halten wollte, verließ er den Dienst im botanischen Garten<br />

verheirathete sich und kam in Bedrängniß, weil er kein Vermögen hat sich einzurichten und mit den hiesigen<br />

HandelsGärtnern zu concurriren ...“<br />

„der unvergeßliche Lichtenberg“<br />

156 – BÖTTIGER, KARL AUGUST, Philologe und Archäologe; mit Wieland und Goethe im Verkehr, 1760-<br />

1835. L.A.S. Weimar 22.VI.1800. 3 S. 4°. (CHF 600.00)<br />

An den Verleger Johann Christian Dieterich in Göttingen, dem er seinen Besuch ankündigt. – Ein Jahr zuvor<br />

war ihr gemeinsamer Freund Georg Christoph Lichtenberg gestorben, der seit 1768 in Dieterichs Haus gelebt<br />

hatte.<br />

„... Denn, unter uns ... es ist mein völliger fester Vorsatz in der Mitte Augusts ... nach Göttingen zu kommen. Da mag<br />

es denn von Ihnen abhängen, ob Sie die mir vor einem Jahre zugedachte Güte auch ... ausüben und mich unter demselben<br />

Dach aufnehmen wollen, unter welchem der unvergeßliche Lichtenberg so viele Jahre Schutz und Freundschaft fand.<br />

In dem neusten Juniusstück des Merkurs hab ich etwas von Lichtenbergs hinterlassenen Schriften gesagt, was Ihnen ...<br />

nicht unangenehm seyn wird. Denn daß ich die unerschöpfliche Fundgrube des Lichtenbergischen Witzes ... für das erkläre<br />

was sie ist, darüber verdiene ich eben so wenig Dank, als wenn ich dem Sonnenstrahl Wärme und der Rose Schönheit<br />

zuschreibe.<br />

Das werden Sie billigen, daß ich in der Anzeige die Herrn Herausgeber auffo[r]dre, ja nicht alzu ängstlich in der Bekanntmachung<br />

des köstlichen Nachlasses zu seyn. Mich verdrießt es fast, daß sie uns nur noch ein Bändchen versprechen,<br />

da doch, wie ich gewiß weiß, zu noch drei dergleichen Stoff vorhanden wäre ...“<br />

157<br />

„box parthie“ in Weimar<br />

– CARL AUGUST, Großherzog von Sachsen-Weimar, Freund Goethes, 1757-1828. L.A.S. Weimar<br />

20.VIII.1800. 1 S. 8°. (CHF 400.00)<br />

An „Lieber Freund“.<br />

„Hier übersende ich Ihnen die Antwort des Geh. Rath Schmidt“ (Johann Christoph Schm., Jugendfreund Klopstocks<br />

und seit 1788 Goethes Nachfolger als Geheimer Rat). „Vieleicht kommen Sie einen dieser Tage herein u. berichtigten<br />

das Geschäfte mit ihm selbst. leben sie recht wohl, empfehlen mich Ihrer beherrscherinn u. tirannin zu Gnaden<br />

u. behalten mich lieb.“<br />

In der Nachschrift heißt es: „Etl. landes leute haben am vorigen Sonnabend ... eine box parthie mit hiesigen bauern abgehandelt<br />

wo es gewaltige beulen gesezt hat. Hoffentl. werden die Herren nicht klagen, dergl. Dinge muß mann galant<br />

verschmerzen wenn mann sich in die verlegenheit gesezt hat.“<br />

158<br />

„Die Natur unterstützt vieleicht die nothdurft“<br />

– CARL AUGUST, 1757-1828. L.A.S. O.O. 27.II.1805. 1 S. 4°. (CHF 400.00)<br />

84<br />

An einen Vertrauten über anstehende Veränderungen im Geheimen Conseil. Er stimme dessen „sehr menschenfreundlich<br />

billigen Vorschlage“ hinsichtlich des (Weimarer Kammerpräsidenten Johann Christoph) Schmidt zu.


„... Ich ... kan ... einstweilen versuchen ob Sie durch die ... Besuche auf der Cammer den Endzweck zu erfüllen imstande<br />

sind, ohne daran durch den Ob[er] C[ammer] P[räsidenten] gehindert zu werden, u. ohne einen Schritt zu wagen der<br />

dem alten Manne physisch sehr nachtheilig seyn könnte ... Die Natur unterstützt vieleicht die nothdurft ehe wir es uns<br />

versehen; bey N. ... hätte sie einen sehr guten Streich gemacht wenn es war ist, daß sie ihn ausrangirte ...“<br />

Aus der Sammlung Künzel.<br />

- Siehe auch die Nr. 1069.<br />

159 – ECKERMANN, JOHANN PETER, Goethes vertrauter Sekretär und Gesprächspartner, 1792-1854.<br />

L.A.S. Weimar 20.XI.1823. 1 S. 4°. Leicht gebräunt. Faltenrisse (teilweise hinterlegt). (CHF 400.00)<br />

An einen Freund, mit einem Empfehlungsschreiben für „meinen Freund Grosse“, der wohl umgezogen war.<br />

„... Ich bitte Sie ihm wegen Wohnung und sonstiger ersten Einrichtung behülflich zu seyn. / Er wird diesen Winter dort<br />

bleiben. Ich habe ihn von Ihrem Talent unterrichtet und Sie werden an ihm einen theilnehmenden sinnigen Beurtheiler<br />

finden ...“<br />

Beiliegend ein eigenhändiges Billett mit Unterschrift „E.“ (o.O.u.D.); eine Verabredung in der Bibliothek betreffend.<br />

160 –ECKERMANN, JOHANN PETER, 1792-1854. Eigenhändiges Gedicht, 2 Strophen zu sechs Versen, am<br />

Fuß signiert „J.P.Eckermann“ und datiert „Weimar d. 7ten Februar 1836“. 1 Einzelblatt quer-8°, 1 Seite<br />

beschrieben. (CHF 1’800.00)<br />

Das unter dem Titel ‚Lehren der Klugheit’ gedruckte Gedicht lautet:<br />

„Soll dir dein Reden überall gerathen, Sprich mit dem Kaufmann wie man Schätze mehre,<br />

So sprich mit Kriegern von Gefahr und Thaten, Mit wind’gem Fähndrich wie man sie verzehre;<br />

Mit einem Hirten von der besten Weide, Mit der Actrice von der neuen Rolle,<br />

Mit schönen Frauen was am besten kleide, Mit einem Juden daß man zahlen wolle,<br />

Von Kniff und Ränken pfiffig mit dem Diebe, Mit einem Sänger daß sein Lied gefallen<br />

Mit jungen Mädchen hold von Treu und Liebe Und so was alle wollen sprich mit allen.“<br />

85


161 – ECKERMANN, JOHANN PETER, 1792-1854. L.A.S. Weimar 13.IV.1838. 2 S. gr.-8°. Linker Rand angefalzt.<br />

(CHF 600.00)<br />

„Hochgeehrter Herr Hofrath!<br />

Herr Brockhaus schreibt mir, daß er Ihnen ein Exemplar meiner Gedichte übersendet habe. Er ist darin meinen Wünschen<br />

zuvorgekommen ... Bey der in unserer <strong>Literatur</strong> einreißenden Barbarey hat man um so mehr Ursache sich an die<br />

wenigen Heroen anzuschließen, die bey dem fast allgemeinem Schwanken noch fest stehen.<br />

Wenn mich nicht alles täuscht so muß das in meinen Gedichten vorwaltende Streben nach Wahrheit Ihnen gemäß seyn<br />

und wenn dem so wäre so würden einige Worte von Ihnen mich sehr beglücken und mir als leuchtendes Schild dienen<br />

gegen mancherley Anfechtungen ...“<br />

Sein zweiter Gedichtband (der erste war 1821 erschienen) konnte die finanzielle Not Eckermanns, der seit<br />

Goethes Tod 1832 ein unauffälliges Leben führte, nicht lindern.<br />

Aus der Sammlung Heinrich Lempertz, Köln, mit dessen kleinem Stempel.<br />

162 – ECKERMANN, JOHANN PETER, 1792-1854. Eigenhändiges Gedicht. O.O.u.D. 1 S. quer-4° (Unterrand<br />

beschnitten). Leicht gebräunt. Mittelfalte gebrochen (mit Klebefilm ausgebessert). Am Oberrand<br />

montiert. In einem blauen Maroquinband (leicht bestoßen) mit goldgeprägtem Titel: „Johann W. v.<br />

Goethe / ‘An Frau von Heigendorf’ / Autograph Manuscript Poem“. (CHF 1’200.00)<br />

„An Frau von Heigendorf.<br />

Persönchen giebt es, die uns schon behagen;<br />

Doch nach Talent und Kunst darf man nicht fragen.<br />

Talente giebt’s, die man bewundern muss,<br />

Doch ist dabey nicht Freude nicht Genuss.<br />

Dein Gross Talent mit Anmuth ist geschmückt,<br />

Bewundernd Dich, ist man zugleich beglückt.“<br />

„Frau von Heigendorf“: die Schauspielerin Karoline Jagemann, Geliebte von Herzog Carl August und von diesem<br />

in den Adelsstand (Jagemann von Heygendorff) erhoben.<br />

Gedruckt in: „Gedichte von J.P. Eckermann, Leipzig 1838“. – Unten angeheftet eine Notiz des amerikanischen<br />

Sammlers Francis Brooks, der das Gedicht irrtümlich Goethe zuschreibt („This Autograph of Goethe was given to<br />

me in 1844 by Frau Hofräthin Puchenbach ...“) – worauf die falsche Zuschreibung auf dem Einband zurückgeht.<br />

163 – EINSIEDEL, FRIEDRICH HILDEBRAND VON, Oberhofmeister in Weimar; einer der Hauptbeteiligten bei<br />

„des Teufels Zeug“ der lustigen Weimarer Zeit, 1750-1828. L.A.S. Weimar 3.XI.1808. 2 S. 4°.<br />

(CHF 800.00)<br />

86<br />

An den Buchhändler (Göschen), dem er seine Plautus-Übersetzungen anbietet.<br />

„... Nach einem langen Stillschweigen, drängt mich die Sorge um das Schicksal meiner Übersetzung des Plautus, Ihnen<br />

zu schreiben: entschuldigen Sie diese Schwachheit einer verzeihlichen Autorliebe mit Wohlwollen.<br />

Ich habe zwölf Lustspiele des Plautus, die ausgeführtesten und vorzüglichsten, bereits übersetzt, und noch einige sind,<br />

bis zur Revision, fertig: ich kann den ganzen Plautus, im Lauf eines Jahres, von Ostern an bis Ostern 1810 gerechnet,<br />

mit Gewißheit versprechen.<br />

Es würde mir eine große Ermunterung seyn, wenn die vollendete größte Hälfte dieser Übersetzungen, in der nächsten<br />

Ostermesse gedruckt erschiene ...<br />

... Die Aussicht zu einem dauernden Frieden, läßt mich hoffen, daß meine Bitte Ihnen nicht ungefällig sey ...“<br />

Aus der Sammlung Künzel. – Sehr selten.


164 – FRITSCH, KARL WILHELM FREIHERR VON, weimarischer Staatsminister, 1769-1851. L.A.S. Weimar<br />

5.XII.1841. 2 S. gr.-4°. Geringer Tintenfraß, kleine Randläsuren. (CHF 750.00)<br />

An den Meister einer Freimaurerloge, der ihm für eine Schrift über die Freimaurerei gedankt hatte.<br />

„... Wenn sich mir in dem Laufe eines vielbewegten GeschäftsLebens einmal die Gelegenheit darbot, die Ansichten über<br />

den Zweck des Fr. M. Bundes zu berichtigen, so erfüllte ich nur eine Pflicht solche zu ergreifen u. den Vorurtheilen zu<br />

begegnen, welche zum Theil die frühere Geschichte des Ordens hervorgerufen hatte ...“<br />

Fritsch war Meister vom Stuhl der Loge Anna Amalia zu den drei Rosen, der auch Goethe angehörte.<br />

165 – JAGEMANN, CAROLINE, Schauspielerin; Maitresse von Großherzog Carl August, der sie zur Freifrau<br />

von Heygendorff erhob, 1777-1848. L.A.S. Weimar 15.I.1842. 1 S. gr.-8°. Grünliches Papier. Mit<br />

Siegel und Adresse. Schwach fleckig. (CHF 400.00)<br />

An den Leiter des Weimarer Hoftheaters, Karl Emil Frhrn. v. Spiegel, mit der Bitte, ihr eine „Comedie“ zu lesen<br />

zu geben.<br />

„... erhalte ich eine abschlägige Antwort; so stekke ich sie zu den übrigen und nähere mich dadurch immer mehr und mehr<br />

der Märtirer Krone die ich für meine resignation um einer guten Sache willen verdiene ...“ – Mit Bearbeitungsvermerk<br />

am Kopf (Bleistift).<br />

Nr. 166 Karl Wilhelm Jerusalem<br />

87


Die Leiden des jungen W.<br />

166 – JERUSALEM, KARL WILHELM, Jurist und philosophischer Schriftsteller; das Urbild von Goethes<br />

„Werther“, 1747-1772. L.A.S. „Ihr / geh[orsam]ster Sohn / W.“ (Wetzlar) 30.XI.1771. 4 S. 4°.<br />

(CHF 6.000.00)<br />

Als Sekretär des braunschweigischen Gesandten Johann Jakob von Höfler an seinen Vater („Lieber Papa“), den<br />

Theologen und herzoglich-braunschweigischen Hofprediger Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem. Der junge<br />

Jerusalem litt unter seiner stupiden Beschäftigung am Reichskammergericht in Wetzlar und sah sich dort den<br />

ständigen Schikanen und Anfeindungen seines Vorgesetzten ausgesetzt.<br />

„... An den Erbprinzen“ (von Braunschweig) „war ich gleich willens heute vor acht Tagen zu schreiben. Meine lange<br />

Vertheydigung hatte mich aber zu lange aufgehalten – Nun aber da ich Ihnen diese schon zugeschikt, da Sie mit ihm vermuthlich<br />

schon davon gesprochen, ... wäre es wohl zu spät – Was solte ich ihm aber auch schreiben – Schränke ich mich<br />

auf eine Entschuldigung ein, so thue ich mir Unrecht – Stelle ich ihm aber die Sachen so dar wie sie sind, so setze ich ihn<br />

in eine unangenehme Verlegenheit, denn so kann ich ihm, ich mag es drehn wie ich will, nichts weiteres sagen als daß<br />

seines Hrn. Vaters Gesante, aus Haß gegen mich zum Lügner u. Verläumder geworden ist – was soll er dazu antworten<br />

...“<br />

Jerusalem fühlte sich zudem von Graf Bassenheim, dem Präsidenten des Reichkammergerichts, öffentlich<br />

brüskiert. Die unerfreulichen Verhältnisse in Wetzlar und die unglückliche Liebe zu Elisabeth Herd, der Frau<br />

eines pfälzischen Legationssekretärs, führten ein knappes Jahr später zu seinem traurigen Ende.<br />

Von größter Seltenheit.<br />

Siehe die Abbildung S. 87.<br />

167 – JUNG-STILLING, JOHANN HEINRICH, Dichter und Arzt; berühmt für seine Star-Operationen, Freund<br />

Goethes, 1740-1817. L.A.S. „Baden bey Rastadt“ 27.VIII.1804. 1 S. 8°. (CHF 800.00)<br />

Pietistischer Brief an „Lieber theuerer Bruder!“<br />

„Ihre beyden Briefe hab ich erhalten. / Schweighäuser ist ein wahrer Bruder, der Herr seegne und stärke Ihn!<br />

Gestern war auch Herr Siegfried mit seinem Kinde bey mir. Ich hoffe, der Herr werde meine Arzneyen seegnen. Ja wohl,<br />

wird der Knecht des Herrn, unser seeliger Hebeisen, ausruhen an den Wunden des Herrn! Wie wohl wird Ihm nach der<br />

heisen Glut seiner Leyden seyn! – meinen herzlichen Brudergruß an die Wittwe und lieben Kinder. Der Herr führe sie<br />

Alle zu seiner Zeit zum grosen Ziel.<br />

Alles und in Allen Christus! Das sey unsre Losung. Ich war im FrühJahr wieder in Herrnhut und wohnte der Prediger<br />

Conferenz bey. Ein geseegneter Tag, und überhaupt eine geseegnete Reise ...“<br />

168 – KALB, CARL ALEXANDER VON, weimarischer Kammerpräsident, Schwiegervater von Schillers<br />

Freundin Charlotte von Kalb, 1712-1792. L.A.S. Weimar 21.V.1770. 2 S. kl.-folio. Tintenfraß mit Klebestreifen<br />

ausgebessert, etwas gebräunt. (CHF 400.00)<br />

An „Hochwohlgebohrner Herr“ mit dem Dank für die „übersendeten Früchte dero glückl. Muße“.<br />

„... Ew: Hochwohlgebohr. bin vor die gütigste Fortsetzung dero mir so schätzbahren Freundschaft, von welcher ich durch<br />

die erhaltene Zuschrift versichert worden und zu der ich mich auf das gehorsamste auch in Zukunft empfehle, gantz Besonders<br />

verbunden. Ich werde dieselbe jeder Zeit aufrichtigst erwiedern und es würde mir eine ungemeine Freude seyn<br />

wenn ich durch überlaßung des verlangten Anlehns davon einen thätigen Beweiß geben könte. Da aber diese Ostern alles<br />

was zum Ausleyhen vorräthig, bereits ausgeliehen worden, auch bey itzigen nicht gar guten Zeiten vieles rückständig<br />

bleibt, hiernechst aber Bau- und andere große Ausgaben ... bestritten werden müßen; So sehe ich gegenwärtig die Zeit<br />

nicht ab, wenn wieder etwas auszuleyhen seyn möchte ...“<br />

169 – KALB, CHARLOTTE VON, geb. Marschalk von Ostheim, Schriftstellerin; Freundin Schillers und Jean<br />

Pauls, 1764-1843. L.A.S. (Berlin) 10.II. (1807 oder später). 3 S. 4°. Schwach gebräunt. Minimale<br />

Randläsuren. (CHF 500.00)<br />

88


An ihren Vetter Wilhelm von Wolzogen,<br />

den Ehemann von Charlotte<br />

von Schillers Schwester Karoline,<br />

der ihr nach dem Tod ihres<br />

Mannes bei der Regelung des<br />

Nachlasses behilflich war.<br />

„... Herr von Lochner Landes Direction<br />

Rath in Bamberg ist der Vormund<br />

m[eine]r Kinder. – Und mein Beystand.<br />

ist zur Volmacht seine Unterschrift<br />

nötig so muß sie dahin geschickt<br />

werden – und dann kann es<br />

auch mit den doppelten Wappen besiegelt<br />

werden wen dieses – nötig.<br />

Nach Ihren schreiben kan ich mir<br />

nicht deutlich machen ob dieser Weise<br />

zu meiner Witthum zu gelangen ...<br />

Sondern vielleicht von Ihnen und H.<br />

v. Eglofst[ein] ganz aufgegeben ist? –<br />

ich werde also auch ohne Ihre Erlaubnis<br />

in diser Sache nicht mehr an Ihnen<br />

schreiben. –<br />

Ich zögere an Schuman desfals zu<br />

schreiben weil ich vermute, daß er mit<br />

zu den Gläubigern gehört ... Es ist<br />

auch keine Vergangenheit zu wiederholen<br />

und zu aendern ...<br />

Ihre Freundschaft lieber Herr Vetter<br />

ist mir unendlich theuer ich erwiedere<br />

sie mit herzlichen Gesinnungen. Viele<br />

freund[liche] enpfehl[ungen] Ihrer<br />

Frau Gemahl[in]“ (Karoline, die<br />

Schwester von Charlotte von Schiller) „u. Fr[au] v[on] Schiller ...“<br />

Nachdem ihr Ehemann Heinrich von Kalb, ein Offizier in französischen Diensten, das gesamte Familienvermögen<br />

durchgebracht hatte, erschoß er sich 1806. Charlotte von Kalb war bereits 1804 nach Berlin gezogen,<br />

„wo sie von einem kleinen Handel mit Spitzen, russischem Thee u. dgl. kümmerlich lebte und oft in die drükkendste<br />

Noth gerieth“ (ADB).<br />

Aus der Sammlung Künzel.<br />

170 – KESTNER, CHARLOTTE, geb. Buff, Werthers Lotte, 1753-1828. L.A.S. „Charlotte Kestner“. Hannover<br />

6.V.1816. 4 S. kl.-8°. Gebräunt. Faltenrisse ausgebessert. (CHF 800.00)<br />

Liebevoller mütterlicher Brief an ihren jungen Neffen Ludwig Buff.<br />

„Mein bester Lui!<br />

Da ich höre, daß Du ein recht braver Bursche werden wilst, u. recht gehorßam gegen Deine lieben Eltern, auch Tante<br />

Lotte u. Deine übrigen Oncels und Tanten sein wirst, so schicke ich Dir hiebey ein Kästgen mit allerhand Handwercks<br />

Zeug, welches Dir Freude machen soll, da Du so gern dergleichen Sachen magst.<br />

Dagegen bedinge ich mir aus, daß Du nichts ... mit dem Hammer ... entzwei machst, und noch bedinge ich mir aus, daß<br />

wen Du wieder mein Hoffen einmal ungehorßam, oder sonst unartig sein soltest, mußt Du einen ganzen Tag nicht mit<br />

diesem Käst[g]en Dich bescheftigen, sondern es still zumachen und hinstellen. Dieses mein lieber Lui wird Dich beständig<br />

erinnern, daß Du artig bist. Ich habe Dich sehr lieb, darum denke ich so viel an Dich, wie es wohl anzufangen ist, daß<br />

Du recht gut, auch recht gesund wirst ... Denke da also oft daran, erhize Dich nicht, trinke nicht wen Du warm bist, esse<br />

nichts als was Dir erlaubt ist, u. besonders esse mehr bey Tisch, als zwischen der Zeit, den viel Kuchen u. Obst ist Dir<br />

schädl. Du mußt auch nun ein gut Beyspiel an Deinem kleinen Bruder geben, da Du der Aelteste bist ...“<br />

Beiliegend ein eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift (Wetzlar 1816) ihres Bruders Georg Buff (1764-1821).<br />

89


171 – KESTNER, CHARLOTTE, 1753-1828. Eigenhändiges Schriftstück mit Unterschrift 4.X.1821. 1 S. quer-<br />

8° (ca. 10 x 21 cm). (CHF 300.00)<br />

Quittung. „... Erhalten durch meinen Sohn den Archiv Rath von der Witwe Zisenitz 6 Pistolen, schreibe sechs Pistolen<br />

...“ – Georg Kestner, Charlottes erstgeborener Sohn, war Goethes Patenkind.<br />

172 – KESTNER, JOHANN CHRISTIAN, Jurist, Ehemann der vorigen, der „Albert“ in „Werthers Leiden“,<br />

1741-1800. L.A.S. (Hannover) 21.XII.1785. 2 1/2 S. 8°. Minimal fleckig und gebräunt. (CHF 600.00)<br />

Wohl in einer amtlichen Angelegenheit.<br />

„Ich weiß nicht, ob mein Brief ... noch fertig wird. daher mache ich dieses einstweilen zu; und bitte nur die Sache in statu<br />

quo zu lassen, bis Donnerstags Abends ein Brief ankömmt, welcher auf freundschaftliche Auseinandersetzung abzielet<br />

...“<br />

In der Nachschrift heißt es: „Meine Substitution geht nur auf Vollziehung des schon abgewendeten Vergleichs; und<br />

bitte ich den Directorio zu bezeugen, daß ich noch selbst kommen würde, sobald ich reisen dürfte.“<br />

173 – KNEBEL, KARL LUDWIG VON, Goethes „Urfreund“, 1744-1834. L.A.S. Jena 12.II.(1806?). 2 S. 8°.<br />

(CHF 750.00)<br />

Wohl an einen Freund in Weimar, mit der Bitte um eine Gefälligkeit.<br />

„... Dem Silhouetten-macher, H[err]n Klung, gab ich lezthin die beiden Silhouetten von Uz und Göz“ (die ihm befreundeten<br />

Dichter Johann Peter Uz und Johann Nikolaus Götz), „mit dem Versprechen, sie mir baldig wieder zurück zu<br />

schicken, nebst ein paar Exemplaren seiner Arbeit. Da ich nun seitdem nichts erhalten, so bitte ich Sie, ihm die obigen<br />

beiden Silhouetten abfodern zu lassen, damit sie mir nicht aus der Hand kommen.<br />

Das Gedicht Hildegarde hat mir Gries“ (der Übersetzer Johann Diederich G.) „erst vor ein paar Tagen wiedergeschickt;<br />

wenn Sie es brauchen, melden Sie mir’s.<br />

Die Frau Geh. Räthin ist mit Karlinchen vor ein paar Tagen hier gewesen, und hat uns nicht ein Wort wissen lassen: das<br />

nehmen wir sehr übel, sagen Sie ihr es nur.<br />

Wir schwimmen hier in Fluten und unter Eisinseln; doch thut mir der Hauch des nahen Frühlings sehr wohl. Er hat mir<br />

diesen Morgen etliche Zeilen abgelockt, die ich dem Geh. Rath zu überreichen bitte. Und so geht es uns ganz gut ...“<br />

174 – KNEBEL, KARL LUDWIG VON, 1744-1834. L.A.S. Jena 13.X.1829. 4 S. kl.-4°. Leicht gebräunt.<br />

(CHF 400.00)<br />

An „Sehr verehrte Freundin“, der er zu einem Todesfall kondoliert.<br />

„... Der traurige Fall in Ihrer Familie hat mich im Innersten erschüttert. Ich wagte es nicht unserm höchstverehrten Hn<br />

Minister selbst deshalb zu schreiben, denn ich fürchtete die Wunde nur schmerzlicher zu berühren ...<br />

Mit Freude haben wir vernommen, daß Ihr H. Bruder gebesserter aus dem Bade zurückgekommen. Wir waren seinetwegen<br />

in Sorge, und hoffen nun, daß der bessre Zustand dauerhaft seye ...<br />

Was mich betrift, so befinde ich mich meinem Alter nach, noch ganz leidlich. Auch die Meinigen sind wohl, und mein<br />

Bernhard freut sich den Hn Minister als seinen Schuzpatron zu verehren. Gerne wünschte ich ihn künftig einmal nach<br />

dem gepriesenen Berlin zu bringen, aber die Finanzen sind bei mir zu beschränkt ...<br />

In Weimar schmeichelt man sich mit dem nächsten Besuch der durchlauchtigsten Prinzessinnen“ (Marie und Augusta),<br />

„und es ist wohl zu wünschen, daß dieser Besuch einige Erleichterung der guten GrosMama“ (Großherzogin<br />

Luise) „bei ihren abnehmenden Kräften gebe ...“<br />

175 – LEVETZOW, ULRIKE VON, Goethes letzte Liebe („Marienbader Elegie“), 1804-1899. L.A.S. „Ulrike“.<br />

Triblitz 27.V.1883. 4 S. 8°. (CHF 300.00)<br />

90


An „Liebe Bertha“ mit Nachrichten aus dem Familienkreis.<br />

„... Meiner Schwester geht es ganz leidlich u. B... jezt auch wieder besser ...“ Allerdings befürchte sie, „daß sich das<br />

Übel wiederholt da es ja nicht ganz geheilt werden kann wenn es richtig ist was die Herren Doktoren sagen[;] sie irren<br />

aber auch öfters ...“<br />

176 – LEVETZOW, ULRIKE VON,<br />

1804-1899. Portraitphotographie<br />

mit eigenhändigem Namenszug<br />

„Ulrike v Levetzow“<br />

auf dem Untersatzkarton.<br />

Aufnahme: Carl Pietzner,<br />

Teplitz. Kabinettformat.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

Ganze Figur, stehend an einem<br />

Büchertisch; aufgenommen<br />

wohl in den 1880er Jahren. – Das<br />

frische Gesicht der Greisin zeigt<br />

unverkennbare Übereinstimmung<br />

mit den Zügen des jungen<br />

Mädchens auf dem Aquarell von<br />

Marie Krafft im Goethe-Nationalmuseum<br />

Weimar (vgl. Wahl<br />

und Kippenberg, Goethe und<br />

seine Welt, S. 208).<br />

Die Photographie einer von Goethe<br />

geliebten Frau!<br />

177 – LODER, JUSTUS CHRISTIAN VON, Mediziner; Freund Goethes, 1753-1832. L.A.S. Jena 10.VIII.1792. 1<br />

S. gr.-4°. Kleines Loch am Unterrand. (CHF 300.00)<br />

An einen Herrn („Hochgeehrter Herr Professor“), der sich wegen einer Behandlung an ihn gewandt hatte.<br />

„... Das Übel, an welchem Ihr Freund leidet, läßt sich allerdings ohne Gefahr heben ... Wie lang die Kur dauern wird,<br />

kann ich, ohne den Fehler gesehen zu haben, nicht bestimmen; eventualiter setze ich 10 bis 12 Tage höchstens dazu an.<br />

Auf die Jahreszeit kommt es dabey nicht an. In mein Haus kann ich ihn nicht logiren; er kann aber in meiner Nähe im<br />

Bären seyn, wo man gut logirt und nicht übertheuert wird. Meine Bemühung taxire ich nie: wenn der Mann arm ist, so<br />

stehe ich ihm ohne alle Belohnung gern zu Dienst ...“<br />

Aus der Sammlung Künzel.<br />

91


178 – LUISE, Großherzogin von Sachsen-Weimar, Gemahlin Carl Augusts, geb. Landgräfin von Hessen-<br />

Darmstadt, 1757-1830. L.A.S. Darmstadt 30.IV.1774. 2 1/3 S. 8°. Mit Trauerrand (Todesjahr ihrer<br />

Mutter, der „Großen Landgräfin“ Caroline). (CHF 400.00)<br />

An eine befreundete Dame.<br />

„... la Princesse Amélie“ (Schwester Friedrichs des Großen, Äbtissin von Quedlinburg) „... avoit voulu ... me proposer<br />

d’aller de Quedlinbourg avec elle et demeurer à Berlin ... Je n’ai pas la moindre envie d’aller à Berlin ...“<br />

Aus dem Jahr ihrer Verlobung mit Carl August und dessen Bekanntwerden mit Goethe.<br />

179 – LUISE, Großherzogin von Sachsen-Weimar, 1757-1830. L.A.S. Homburg 29.V.1774. 2 3/4 S. 8°. Mit<br />

Trauerrand. (CHF 1’200.00)<br />

Brief der jungen Prinzessin wohl an ihre Schwester Friederike, die Kronprinzessin von Preußen. Nachdem<br />

ihre Mutter am 30. März gestorben war, hatte sich Luise zu ihrer Schwester Karoline, der Landgräfin von Hessen-Homburg,<br />

begeben.<br />

Zunächst über die Amtseinsetzung eines jungen Priesters: „... cette Ceremonie etoit touchante, J’etois attendrie de<br />

meme que tous le monde, auplus fort de mon attendrissement. Le Ministre ... fit son Compliment au nouveau ministre;<br />

J’etois sur le point d’eclater de rire, tant il a prononcé ridiculement le francois.“<br />

Ferner über einen Brand in Frankfurt am Main: „Il brule depuis trois heure du matin ..., on voit la fumée d’ici, 20<br />

maisons sont deja Encendre, c’est dans la rue des Juif, et le feu continue touiour, les pauvres gens que Je les plains ...<br />

J’ai trouvée mon Beaufrere en bonne Santé, de meme que sa femme, & ses enfants, qui sont tous a fait aimables & Jolis:<br />

On n’entend rien de mon pere. J’en suis Inquiète ...“<br />

In den folgenden Monaten warb Carl August um die Hand der Prinzessin; am 19. Dezember fand die Verlobung<br />

statt.<br />

180 – MARIA PAULOWNA, Großherzogin von Sachsen-Weimar, Schwiegertochter Carl Augusts, geb.<br />

Großfürstin von Russland, 1786-1859. L.A. mit Abschlußklammer. O.O.u.D. 1/2 S. 8°. Mit Adresse<br />

(Siegel ausgeschnitten). Kleine Papierschäden; Montagereste auf der Adreßseite. (CHF 250.00)<br />

92


„Pour Sa Majesté l’Impératrice“.<br />

„L’Impératrice est trop bonne de penser à nous informer ma soeur et moi du changement apporté à la Diète que nous attendions<br />

de la part de son frère, lequel sera toujours le très bienvenu de toutes les manières, et que nous suivrons en idée<br />

dans son absence de même que celui qu’il accompagne ...“<br />

Bei der Adressatin handelt es sich vermutlich um eine ihrer Schwägerinnen: Kaiserin Elisabeth Alexejewna<br />

geb. Prinzessin Louise von Baden, die Gemahlin ihres Bruders Kaiser Alexander I. von Russland (1777-1825),<br />

oder Kaiserin Alexandra Fjodorowna geb. Prinzessin Charlotte von Preußen, die Gemahlin Kaiser Nikolaus’<br />

I. (1796-1855).<br />

181 – MEYER, JOHANN HEINRICH, Schweizer Maler und Kunstschriftsteller, Direktor der Freien Zeichenschule<br />

in Weimar; Freund und Hausgenosse Goethes, 1760-1832. L.A.S. Zürich 30.V.1797. 2/3 S. 4°.<br />

Mit Siegelspur und Adresse. Randschäden (durch Siegelöffnung) alt ausgebessert, ein wenig flekkig.<br />

(CHF 300.00)<br />

An den Kunsthändler Johann Friedrich Frauenholz in Nürnberg, dem er Radierungen sendet.<br />

„... gemäß dero schon seit geraumer Zeit übersandten Zuschrift und Verlagsliste, übersende Ihnen nach Verlangen 12<br />

Exemplare von meinen 2 großen radirten Baumblättern. Nemlich 6 von jeder Gattung. Ich überlaße es das erste Mahl<br />

Ihnen um bewußten Preis mir Geld oder Kunstsachen zu übermachen – nur ersuche Sie in letzterm Fall mir keine andern<br />

als geistreich radirte Landschaften entweder von Reinhard ... Gmelin, oder Dietrich zu senden ...“<br />

Aus der Sammlung Künzel.<br />

182 – MÜLLER, FRIEDRICH VON, weimarischer Kanzler, Freund Goethes, 1779-1849. 2 L.A.S. Weimar<br />

26.X.1808 und 21.VIII.1810. 8 S. 4°. Etwas gebräunt. (CHF 450.00)<br />

An den Geheimen Justizrat Gerhard.<br />

1808, nach dem Erfurter Kongreß. „... Seit 5 – 6 Wochen lebe ich in einem solchen Wirbel von Geschäften und Zerstreuungen,<br />

daß ich mich kaum besinnen kann.<br />

3 Wochen war ich fortwährend in Erfurth. Die Zeitungen haben Ihnen bereits von unsern Feste und Ereigniße gemeldet<br />

...<br />

Zwey schöne Andenken sind mir geblieben, eine brilliantne Chiffre Dose vom Kaiser Napoleon, / eine andere Tabatiere<br />

von der Prinzeßin Stephanie ...<br />

An Könige und Fürsten u. ihre Pracht war man so sehr gewöhnt, daß alle Neugierde darnach auf immer befriedigt heißen<br />

mag! Das große Resultat ist doch wenigstens: ‘Friede und Hofnung beßrer Zeiten’! Für Ihr Vaterland ist bekanntl.<br />

vieles geschehen ...“<br />

1810. „... Ich war 3 Wochen in Würzburg, hatte in Jena die Organisation neuer StadtGerichte und gänzl. Reform unserer<br />

Städti. Verfaßungen vorzunehmen ...<br />

Sie gewinnen ..., wenn Sie erst Ende dieses Monats kommen, daß Sie an dem schönen Feste zu Wielands Geburtstag, 5.<br />

Sept. hier seyn können und daß der Herzog dan von Töplitz wieder zurück ist ...<br />

Ihre Nachrichten wegen Oels sind sehr traurig, aber Ihre Ansichten gewiß die einzig richtigen. Handeln Sie ganz darnach<br />

...“<br />

Beiliegend eine weitere L.A.S. (Fragment?) Müllers an denselben Adressaten (o.O.u.D.): „... Unser Hofmarschall<br />

von Egloffstein, der mit unsrem ErbPrinzen nach Petersburg reißt, wird das Vergnügen haben, Ihnen diese Depesche<br />

selbst zu behändigen ...“<br />

183 – MÜLLER, FRIEDRICH VON, 1779-1849. L.A.S. Weimar 28.VI.1825. 4 S. 4°. Heftspuren. Minimal<br />

braunfleckig. (CHF 200.00)<br />

An „verehrter Freund“, der sich wegen seiner – angeblichen – nahen Verwandtschaft zum Hofmarschall von<br />

Wurmb aus Rudolstadt an ihn gewandt hatte.<br />

„... Ich habe Herrn Hofmarschall von Wurm und seine Gemahlin selbst kennen gelernt, ich habe allenthalben Erkundigungen<br />

eingezogen. Niemand weiß von nahen Verwandten, die sie hätten. Sie sind gastlich, heiter, Menschen, wiewohl<br />

Er etwas Sonderling. Ich sprach ihm von Ihnen, doch da Sie ihm noch gar nicht bekannt waren, so war es wohl untun-<br />

93


lich, daß er kein besonderes Intereße äußerteigenhändiges Als ich ihm aber sagte, ich hätte von Ihnen die Verwandschafts-<br />

Verhältniße vernommen u. Ihnen zugeredet, doch ja bey nächster Gelegenheit sich Ihnen persönlich darzustellen so versicherte<br />

er daß ihm dieß viele Freude machen werde ...<br />

So viel sey aber gewiß, daß er noch Niemanden zu seinem Erben auserkoren habe. Es wäre also des Versuches werth, ob<br />

Sie durch einen Aufenthalt von einigen Wochen sich in nähere Verbindung mit dieser Familie setzen könnten ... “<br />

Die „Stimme des ehrwürdigen Meisters“<br />

184 – NICOLOVIUS, GEORG HEINRICH LUDWIG, preußischer Bildungspolitiker; Goethes Neffe, 1767-1839.<br />

L.A.S. Berlin 10.X.1820. 2 2/3 S. 4°. Mit Siegelspur und Adresse. Randschäden durch Siegelöffnung,<br />

kleine Faltenrisse, etwas gebräunt und fleckig. (CHF 500.00)<br />

94<br />

An den Kunsthistoriker August Hagen (1797-1880), damals Student in Königsberg, dem er Goethes – positives<br />

– Urteil über dessen romantisches Märchengedicht „Olfried und Lisena“ mitteilt.<br />

„... Heute ... bietet sich mir eine so schöne Gelegenheit, Schuld u. Dank Ihnen auf eine erfreuliche Weise, u. beßer als ich<br />

je aus eignen Mitteln es vermöchte, abzutragen, daß ich diesen Augenblick erhasche u. flugs schreibe. In einem heute erhaltenen<br />

Briefe von Goethe steht nämlich folgendes:<br />

– Da ich die merkwürdige Stadt Königsberg nenne, von daher so viel Bedeutendes über Deutschland ergangen, so kann<br />

ich mich nicht enthalten ein romantisches Gedicht, Olfried u. Lisena, in Stanzen u. Zehn Gesängen, von August Hagen<br />

bestens zu empfehlen. Der Dichter ist sehr jung, man muß es daher in gewißem Sinne nicht allzu genau mit ihm nehmen.<br />

Er vereinigt mit dichterischem Verdienst auch das Sittliche u. man freut sich in seiner Arbeit keinen der Fehler zu<br />

finden, die man an unserer Jugend bedauert.<br />

Diese Stimme des ehrwürdigen Meisters möge Sie erfreuen u. ermuntern, ernsthaft weiter zu streben, u. geistige u. sittliche<br />

Würde in Sich ferner zu pflegen, u. der wahren Weise von oben immer mehr Theilhaftig zu werden! Erlauben Sie<br />

es mir zu sagen, daß ich mit herzlicher Theilnahme Sie auf Ihrer Bahn begleite ...“<br />

Beiliegend eine L.A.S. seines Sohnes, des Geh. Justizrats Friedrich Heinrich Georg Nicolovius, damals Auskultator<br />

am Stadtgericht, an Hagen in Dresden: „... In Weimar steht es ziemlich, der kleine Walther hat Scharlachfieber<br />

gehabt; der Vater ist wohl nun nach Marienbad, Tante Ottilie sollte nach Carlsbad. Dein Opus hoffe ich, hast Du<br />

geschickt, u um so mehr ohne Anstand, da Goethe bereits schon davon unterrichtet wurde. Hast Du die Dresdner Dichter<br />

... kennen gelernt – Jean Paul doch gewiß? ...“ (Berlin 11.VII.1822).<br />

Nr. 185 Adam Friedrich Oeser


185 – OESER, ADAM FRIEDRICH, Maler, Bildhauer und Radierer; von großem Einfluß auf Goethe und<br />

Winckelmann, 1717-1799. L.A.S. Leipzig 1.III.1788. 3 S. 4°. Leicht gebräunt, Spuren alter Heftung.<br />

(CHF 300.00)<br />

An den Magdeburger Dichter (Friedrich von Köpken, 1737-1811) wegen der Anfertigung einer Gedenktafel<br />

für den Magdeburger Prediger und Dichter Johann Samuel Patzke (1727-1787).<br />

„... vor 200 r: laßen sich die begehrte Tafel mit Inscription, nebst Medaillon und noch einige schickliche Verzierungen<br />

dazu bewerkstelligen; ich finde die Idee, nach der Kenntniß des sel: Patschke, die ich vom Hören sagen habe, sehr trefend,<br />

so bald ich die Gröse des Raumes weiß, und die Inscription erhalte, will ich eine ausführlichere Zeichnung dieser Idee,<br />

überschicken, hier folgt der erste Entwurf / leidet es der Raum des Platzes, so ist es beßer, wenn die Tafel der Breite nach,<br />

genommen wird, man hat weniger abgesezte Zeilen. Vermuthlich, wird das Motto mit grösern, der Tag der Geburt, und<br />

des Todes, mit kleinern Buchstaben geschrieben? Je kürzer, und körniger, die Inscription ist, desto beßer! ie gröser, und<br />

leserlicher, werden alsdenn die Worte. Inschrift, und Werk muß übereinstimmen ...“<br />

Aus der Sammlung Rötger.<br />

„Ein fleißiger Mann ist Schöpfer seines Glücks“<br />

186 – OESER, FRIEDERIKE, Tochter des Vorigen, Vertraute Goethes, 1748-1829. L.A.S. „Deine stets zärtliche<br />

Schwester Fr. Oeser“. Dölitz 26.VI.1774. 4 S. 4°. Etwas gebräunt und leicht fleckig. (CHF 400.00)<br />

An ihren jüngsten Bruder Karl (in Dresden), dem sie über die Familie berichtet sowie Ratschläge und Ermahnungen<br />

gibt.<br />

„Unsere beste Schwester ... ist nun mehr ... außer Gefahr, und scheint sich täglich beßer zu erholen ... Ich bin in dieser<br />

ganzen Zeit, nur zween Tage in der Stadt gewesen ... Wann unser gütiger ... Vater wieder komt, sollst Du weiß seidne<br />

Strümpfe bekommen ...<br />

Unmöglich kanst Du Dich so aufrichtig freuen, und dies so herzlich wünschen, mich zu sehen, als ich mich freue, Dich<br />

zu umarmen. Sobald als Papa seine Geschäfte in Ordnung gebracht geschieht es. Schreibe mir doch ganz aufrichtig, ob<br />

ich, ohne Mad: N. zu beschweren, bey ihr wohnen kann; oder etwa bey Axtens, besuche dieselben doch zu weilen, damit<br />

er gegen Papan, Dich nicht verklagt. Du weißt, es ist ein wunderlicher Mann ...<br />

Ich freue mich daß Du mir versprichst fleißig zu seyn. Keine Tugend führt ihre Belohnung so sicher, u reichlich mit sich,<br />

als der Fleiß. Ein fleißiger Mann ist Schöpfer seines Glücks. Dieß wirst Du aus eigner schöner Erfahrung empfinden,<br />

wenn Du Deinem Vorsaze getreu bleibst ...“<br />

„was tut das?“<br />

187 – OESER, FRIEDERIKE, 1748-1829. L.A.S. „D[eine] tr[eue] S[chwester] Fr[iederike] Oeser“. O.O.u.D. 3 S.<br />

gr.-8°. Mit Adresse. Etwas feuchtfleckig, kleine Schäden ausgebessert. (CHF 250.00)<br />

Reizender Brief an ihre Schwester Wilhelmine, die Ehefrau des Leipziger Kupferstechers Christian Gottlieb<br />

Geyser (1742-1803).<br />

„Liebste Schwester. / Warum hast Du die beyden Gemäldchen nicht gleich in E[utritzsch] behalten? ich schicke sie durch<br />

Justus wieder hinaus, und übrigens werden wir uns wohl vergleichen, da ich sehr gern die kleinen Gemälde von denselben<br />

Gegenstande haben möchte, das Eine ist sehr schön; bey dem Andern, wo bey dem Deinigen der Dame die Beinchen<br />

fehlen, fehlt in dem meinigen, dem jungen Herrn das Gesichtchen, doch was thut das? ...<br />

Gestern hat Schnorr das Geld von Voßen gebracht, an Mad: Berg habe ich geschrieben, und hoffe auf antwort. Neuigkeiten<br />

weiß ich nicht; die Pastorin Hindenburg ist ohne Trost, mit verhängten Zügeln sind die Pers. nacher Leip[zig] gejagt<br />

worden, um dr. Kilian den wundermann, zu holen, allein alle menschl. Hülfe war umsonst ...“<br />

Aus der Sammlung Künzel.<br />

188 – RIEMER, FRIEDRICH WILHELM, Philologe; Hausgenosse und Sekretär Goethes, 1774-1845. L.A.S.<br />

Weimar 21.V.1825. 4 S. gr.-4°. Schwach gebräunt. (CHF 350.00)<br />

An seinen Verleger Frommann in Jena über die vierte Auflage seines Griechischen Wörterbuchs.<br />

95


„... Sehr angenehm war mir das heut von Ihnen erhaltene Lebenszeichen ... denn seit Ihrer Abreise war mir nichts zugekommen,<br />

woraus ich den endlichen Abschluß unsres mühsamen Werks mit Gewißheit hätte entnehmen können. Mir ist<br />

es die ganze Zeit über nicht zum besten ergangen: denn außer dem unlustigen Gefühl einer Abgespanntheit mußten mich<br />

auch noch andre Dinge niederhalten, die theils meine Lage an der Bibliothek betreffen, theils mein häusliches Leben; in<br />

beydem ist eine gewisse Stockung nicht zu verkennen ...“<br />

Freiexemplare des Wörterbuchs sollten nur Wilhelm von Humboldt und der Diakon Ehrlich in Rothenburg<br />

erhalten. „... Ich möchte Niemanden weiter eins geben, u. stehe sogar noch an, ob ich Goethen eins verehren soll ...“<br />

189 – RIEMER, FRIEDRICH WILHELM, 1774-1845. Eigenhändiges Gedicht. 1 S. quer-8°. Kleine Montageschäden<br />

an den Ecken unterlegt. (CHF 250.00)<br />

Achtzeiliges Gedicht, beginnt:<br />

„Hat sich die Erde gedreht, und verkehrt sich in Morgen der Abend,<br />

Daß wo Helios sonst senkte, nun hebet den Lauf ...“<br />

Darunter ein Zweizeiler zum gleichen Thema.<br />

190 – RÖHR, JOHANN FRIEDRICH, Theologe; Generalsuperintendent in Weimar, hielt Goethes Grabrede,<br />

1777-1848. L.A.S. Weimar 11.VIII.1798. 1 S. gr.-8°. Mit Siegelmarke und Adresse. Etwas gebräunt,<br />

kleiner Faltenriß hinterlegt, verso Montagerest. (CHF 120.00)<br />

An Ferdinand Freiherrn von Biedenfeld in Weimar.<br />

„... erlaube ich mir mit der Frage lästig zu fallen: ob Sie mir von dem Abbé Terson, dessen Schrift Sie verdeutscht haben,<br />

irgend etwas Näheres anzugeben wissen, da mich der Mann eben dieser Schrift halber nicht wenig interessirt? Einige<br />

Worte nur werden für diesen Zweck hinreichen ...“<br />

Beiliegend ein Stahlstich-Portrait (leicht fleckig).<br />

191 – SCHLOSSER, JOHANN GEORG, Jurist, Schriftsteller und Übersetzer; Goethes Schwager, 1739-1799.<br />

L.A.S. E(mmendingen) 14.IV.1782. 1 S. 4°. Kleine Randläsuren. Verso Notizen von fremder Hand<br />

(leicht durchschlagend). (CHF 600.00)<br />

An „Liebe Gevatters“ über seine Übersetzung von Aristophanes’ „Die Frösche“.<br />

„Hier einen 2. Dial[og] über die Seelenwandr[ung]. Er ist ... im Bett, wie ein andres Kind auch, lawfully concipirt worden;<br />

und dann ist er hier gebohren worden ... ich möcht gern mehr schreiben aber ich muß zu den Fröschen. Sie sind fertig<br />

biß zu den Eclärcessemens; und das wirft mich in die ekelhafte Scholienlectüre, die nicht Zeit läßt um eine Feder zu<br />

schneiden ...“<br />

Schlossers erstmalige deutsche Übersetzung des Stücks erschien 1783.<br />

„il est sauvé“<br />

192 – SCHÖNEMANN, ANNA ELISABETH, verh. von Türckheim, Goethes „Lili“, 1758-1817. L.A.S. „Elise“.<br />

(Straßburg), „Jeudi matin“ (Juli 1799). 1 S. 4°. Mit Siegel (zerteilt) und Adresse. (CHF 1’600.00)<br />

96<br />

An ihren Bruder Johann Friedrich Schönemann in Frankfurt a.M., dem sie über die Gesundung ihres Sohnes<br />

Heinrich berichtet.<br />

„... il a été bien mal, mais grace à la bonne Providence, à Mr Lauth qui est venue 4 fois par jour, et à l’obeissance exemplaire<br />

du pauvre petit malade, il est sauvé, et je crois aux miracles en le voyant sur pied; nous allons ce soir coucher à la<br />

ruberzau, chez ma belle soeur y continuer une cure que ma santé éxige ... lili“ (ihre Tochter) „est de la partie: elle me<br />

charge ... d’une priaire bien instante ... ma fille desiroit offrir une petite chaine, pareille à celle que la bonne mimi m’a envoyé,<br />

à ma belle soeur qui l’a trouvé fort jolie, mais nous ne pouvons nous procurer ici le fil d’or ...“ – Ferner mit weiteren<br />

Besorgungswünschen.<br />

Bei J. Ries unter Nr. 64 gekürzt gedruckt.<br />

Sehr selten.


193 – SCHÖNEMANN, ANNA ELISABETH, 1758-1817. L.A.S. „Elise“. Krautergersheim 30.VIII.(1805). 1 S. 4°.<br />

Mit Siegelspur und Adresse (Poststempel). (CHF 2’000.00)<br />

Ebenfalls an ihren Bruder Johann Friedrich, mit Familiennachrichten.<br />

„... Lili“ (ihre Tochter) „m’a donné des inquiétudes qui Dieu merci sont dissipées, et Sophie qui nous a fait l’amitié de<br />

venir passer q[uel]ques semaines avec nous, a pris un mal de gorge si violent et si oppiniatre que jai passes plusieures semaines<br />

dans une agitation continuelle ...<br />

Mes deux voyageurs“ (ihr Mann und ihr Sohn) „... sont arrivées ... à Paris. C’est un moment décisif pour Guillaume,<br />

et qui determinera le bonheur de sa vie. puisse-til rester toujours fermement attaché à son devoir, et ne jamais devier de<br />

la route de la vertu et de l’honneur! ...“<br />

194 – SCHRÖTER, CORONA, Schauspielerin; die erste „Iphigenie“ (1779), 1751-1802. Eigenhändiges<br />

Stammbuchblatt mit Unterschrift und Datum Weimar 20.VIII.1780. 1 S. quer-12°. Am linken Rand<br />

scharf beschnitten. (CHF 800.00)<br />

Zitat nach Giovanni Battista Guarini (1538-1612).<br />

„Non è sana ogni gioia, Nè mal ciò che s’annoia: Quello è vero gioire, Che nasce da virtù dopo il soffrire. Guarini Si sovvenga<br />

qualche volta d’una Sua sincera amica Corona [S]chröter.“ (Das weggelassene „S“ des Nachnamens ist in Blei<br />

ergänzt).<br />

Sehr selten.<br />

97


195 – SCHRÖTER, CORONA, 1751-1802. L.A.S. Weimar 26.VI.1794. 3 S. 8°. Mit geringen Montageresten in<br />

der Bugfalte. (CHF 1’800.00)<br />

An einen Komponisten, der ihr seine Lieder übersandt hatte.<br />

„... die Freude die Sie mir mit Ihren vortrefflichen Compositionen gemacht haben, mein edler werther Freund! Ihre Melodien<br />

haben einen so anziehenden Reiz, daß ich nicht aufhören kann sie zu singen und zu spielen, und das Vergnügen,<br />

und die Bewundrung Ihrer hohen Kunst, und Wahrheit der Declamation, und des Ausdrucks gewähren mir die angenehmste<br />

Empfindung, die durch den Gedanken noch erhöht wird, daß ich vielleicht bald die Freude haben werde, von<br />

Ihnen selbst etwas ... vortragen zu hören; vereiteln Sie mir ja diese angenehme Hoffnung nicht ...<br />

Ihrer gütigen Erlaubnis zu Folge ... habe ich 12 Exemplare meiner ersten Lieder beygelegt, und besorge daß dieses schon<br />

eine zu indiscrete Anzahl sey ob ich gleich noch auch 100. Stück liegen habe. Der Subscriptionspreis war auch 1 Convent:<br />

Gulden; allein jezt, als verlegene Waare, ist sie mir um jeden Preis feil ... Meinen Dank, für Ihre Güte und Theilnahme,<br />

edler Freund, weiß ich Ihnen durch Worte nicht auszudrücken, ich kann ihn nur fühlen, und wer versteht gute<br />

Gefühle besser als Sie? ...“<br />

1786 war ein Heft mit 25 Liedern von Corona Schröter erschienen, dem 1794 eine zweite Sammlung folgte.<br />

Sehr selten.<br />

196 – SCHULTHESS, BARBARA, geb. Wolf, Frau des Fabrikanten David Schulthess in Zürich; Freundin<br />

Goethes, die „Gute Schöne“ in Wilhelm Meisters Wanderjahren, 1745-1818. L.A.S. „Sch.“ Z(ürich)<br />

23.IV.1791. 4 S. gr.-8°. Winziger Eckabriß. Mit gesiegeltem Umschlag. (CHF 2’500.00)<br />

98<br />

An „Mademoiselle D: Kaysern“ in Frankfurt a.M., die Schwester von Goethes Freund Philipp Christoph Kayser,<br />

der in Zürich als Musiklehrer wirkte.<br />

Bäbe Schulthess bittet die Adressatin um Besorgung von „3 Duzend Sacktücher“. „... Ein gewaltiger geschäfts morgen<br />

hindert mich ihnen mit der muße zu schreiben die mir so lieb wäre, so lieb um Ihnen recht viel zu sagen, vor die gefällige<br />

freundschaft mit der Sie unsre Commissionen übernommen, und besonders, um etwas zu thun, Sie zu einem nähern<br />

ton gegen mich zu stimmen ... seyen Sie künftig nicht weiter so fremd gegen mich – meine Liebe! ...“<br />

Sehr selten.


197 – STEIN, CHARLOTTE VON, geb. von Schardt, Goethes geliebte Freundin, 1742-1827. L.A.S. (Weimar)<br />

13.VIII.1825. 2 S. gr.-8°. Wasserzeichen: Portrait Carl Augusts. Kleine Randeinrisse, einige kleine<br />

Stockflecken. (CHF 2’000.00)<br />

Schwermütiger Altersbrief an Knebel.<br />

Nr. 196 Barbara Schulthess<br />

„... Ein paar Laugenbäder ... haben mich seit 8 Tagen so kranck gemacht daß ich mich noch nicht erholen kan; ich bin für<br />

mein Geistiges zu alt geworden und das Wesen der Welt erdrückt mich, Sie theuerster Freund wißen sichs beßer zu regte<br />

zu legen, Wielands letzte Worte waren so viel ich mich errinnre to be or not to be, im letzten Augenblick ist einen dieses<br />

ganz gleichgültig das weiß ich aus Erfahrung, aus einer vor einigen Jahren von mir gehabten Kranckheit ...<br />

Die Freundinnen sind noch immer nicht von ihrer Reise zurückgekehrt, wir erwarten sie alle Tage. Viele schöne Grüße<br />

an die liebe Frau, ich hoffe die Schwefel Bäder werden ihr hintertrein noch gut thun. Stäfchen grüßt schön ...“<br />

198 – VOIGT, CHRISTIAN GOTTLOB VON, weimarischer Minister, Freund Goethes, 1743-1819. L.A.S. O.O.<br />

24.VI. o.J. 1 S. 8°. Etwas gebräunt, minimal fleckig. (CHF 200.00)<br />

An einen befreundeten Münzsammler, mit Dank „für die gütige Aufmerksamkeit auf meine Liebhaberey“.<br />

„Ich nehme mir die Freyheit die mir gegönnte Leipziger Medaille mit einer Berliner, (auf den Tod des großen Friedrichs)<br />

zu erwiedern. Ich gewinne dabey, weil ich Amtshalber (denn das herzogl[iche] Cabinet Sächsi[scher] Münzen stehet<br />

unter mir) ein Sächsischer Münzliebhaber bin, und die fremde Medaille lieber von mir gemißt wird, als die Leipziger ...“<br />

Beiliegend eine L.A.S. des Archäologen Otto Benndorf (Wien 1905); über Münzen Kleinasiens.<br />

199 – VULPIUS, CHRISTIAN AUGUST, Schriftsteller, Goethes Schwager, 1762-1827. L.A.S. „Vulpius“. Weimar<br />

15.I.1812. 1 S. kl.-4°. Grau-grünes Papier. Minimal braunfleckig. (CHF 250.00)<br />

99


An einen säumigen Bibliotheksbenutzer.<br />

„Hr. Hofr. Meyer allhier wünscht, seiner Caution für Sie los zu seyn. Sie erhielten am 1. Jun 1810 den Basil u versprachen<br />

binnen 4 Wochen denselben an hies. Herzogl. Bibliothek zurückzuschicken. Seyn Sie so gut, u thun Sie es jetzt,<br />

sonst wird Hr. Hofr. Meyer von uns in Anspruch genommen ...“<br />

Mit Empfangsvermerk: „praesent. 20 Januarii / eod. die respondi huic asino“.<br />

„Ehrten wir den Vater schon ...“<br />

200 – WILLEMER, MARIANNE VON, geb. Jung, Freundin Goethes, die „Suleika“ des „West-östlichen Divans“,<br />

1784-1860. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift „Marianne Willemer“. Frankfurt a.M.<br />

1.I.1821. 1 S. quer-gr.-8°. Schwach gebräunt. – Verso ein eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift<br />

ihres Mannes Johann Jakob Willemer (1760-1838), Bankier in Frankfurt und Freund Goethes<br />

(o.O.u.D.). (CHF 4’500.00)<br />

100<br />

Aus dem Album von Wolfgang Amadeus Mozart Sohn, der sich als Komponist und Pianist seit 1818 auf einer<br />

ausgedehnten Konzertreise durch Europa befand.<br />

„Variationen über das Thema: Weit in nebelgrauer Ferne pp.“ – Mozart jun. hatte das Schiller-Gedicht „An Emma“<br />

vertont. – Die erste und die dritte Strophe des fünfstrophigen Gedichts lauten:<br />

„Weit in nebelgrauer Ferne,<br />

Reist der kaum erworbne Freund!<br />

Er verläßt, was sich so gerne<br />

Um ihn, und mit ihm vereint,<br />

Und dem weisen Alidor<br />

Steht ein groser Kampf bevor…<br />

Nur an diesem schönen Sterne<br />

Weilt das Aug mit Zuversicht,<br />

Auch verlischt in fernster Ferne<br />

Deines Nahmens Sternbild nicht;<br />

Ehrten wir den Vater schon<br />

Lieben wir nun auch den Sohn ...“


Gedichthandschriften von Marianne von Willemer sind sehr selten.<br />

Verso ein eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift (o.O.u.D.) von ihrem Ehemann Johann Jakob Willemer:<br />

„Trau keinem Freunde sonder Mängel / Und lieb ein Mädchen keinen Engel“ (Zitat nach Lessing).<br />

Sehr selten.<br />

201 – WILLEMER, MARIANNE VON, 1784-1860. L.A.S. „dein dich herzlich liebendes Großmütterchen M. Willemer“.<br />

O.O. 24.VI.1858. 1 Doppelblatt 8°, 3 Seiten beschrieben. (CHF 1’200.00)<br />

An ihre Enkelin Emilie Kellner in Frankfurt a.M. über einen Termin in „Stiftsangelegenheiten“.<br />

„……Seit gestern Morgen haben sich nun alle Constellationen geändert und ich kann dir nur unbestimmtes melden, für<br />

den September hat sich eine Maße von Gästen gemeldet … dieses zufällige Zusammentreffen in der ersten Hälfte des<br />

künftigen Monats ist für die gute Räthin etwas angreifend, als auch durch die frühere Ankunft des Bischofs in wenigen<br />

Tagen die wir noch mit St. Germain im engsten Kreise und ruhig verleben wollten, nun sehr verkürzt und gestört sind,<br />

und nun bald ein sehr unruhiges Leben beginnen wird, was auch für mich sehr nachtheilig ist. Ich soll dir also von der<br />

Tante sagen daß bis gegen Ende Septembers mit dem Stift nichts anzufangen ist, da aber Deine Absichten doch erst auf<br />

den 25ten gerichtet sind, so warte ganz ruhig die Zeit ab, und dann können ja neue Berathungen statt finden, die zum<br />

gehörigen Resultat führen. Deine kleinen Thyrannen noch mitzubringen würde ich kaum rathen. Du findest doch wohl<br />

jemand den du für deine Bequemlichkeit bringen könntest; es macht sich alles anders als früher, und auch für die Schlosser<br />

mühevoller, sie ist theilweise schon müde …“<br />

202 – WILLEMER, MARIANNE VON, 1784-1860. L.A.S. „Das herzlich ergebene Großmütterchen“. Frankfurt<br />

a.M. 2.VII.1860. 4 S. gr.-8°. Faltenrisse. (CHF 1’600.00)<br />

An einen Freund („lieber Carl“) mit zahlreichen Nachrichten aus dem Familien-, Freundes- und Goethekreis.<br />

„... Pfingsten und schon einige Tage vor den Feyertagen brachten uns so graüliches Wetter ..., daß mich Clara flehentlich<br />

bat etwas Flammen anlegen zu dürfen, wozu ich denn auch die Erlaubniß gab, aber nur im Eßzimmerchen, wobey<br />

ich noch den Vortheil hatte dann und wann mich auch zu wärmen; aber diese zwiespaltige Temperatur war mir nicht gedeihlich;<br />

ich schlief schlecht, ich hatte keinen Appetit, und kurz und gut, so nervos, daß ich nicht schreiben konnte ... ob<br />

sie nun meinen Brief noch in Wiepersdorf erhalten? hoffe aber man hat ihn mit Claudinens“ (C. von Arnim geb. Brentano,<br />

zweite Ehefrau von Bettinas Sohn Freimund) „Briefen nachgesendet, ich spedire nun die sämtlichen Nachrichten<br />

über Grimms Hausstand“ (Herman Grimm hatte 1859 Gisela von Arnim, eine Tochter Bettinas, geheiratet)<br />

„wie ich sie erhalten, mache aber folgende Bedingungen! daß alles unter uns bleibt was die Grimms betrifft und daß Sie<br />

mir diesen lezten Brief wieder schiken, und zwar ganz gewiß! ...“<br />

Es folgen weitere Nachrichten, wohl entferntere Bekannte betreffend. 1849 hatte Marianne von Willemer dem<br />

jungen angehenden Kunsthistoriker Herman Grimm ihre Liebesbeziehung zu Goethe offenbart.<br />

203 GOTTHELF, JEREMIAS (eig. Albert Bitzius), Berner Pfarrer und Volksschriftsteller, 1797-1854. L.A.S.<br />

„Alb. Bitzius Actuar“. Lützelflüh 19.V.1837. 1 Einzelblatt folio, der Brieftext auf der Vorderseite, auf<br />

der Rückseite die ebenfalls eigenhändige Adresse. Mit papiergedecktem Siegel und Ausschnitt bei<br />

der Siegelstelle. (CHF 2’400.00)<br />

*****<br />

Als Aktuar des Sittengerichts Lützelflüh an den Pfarrer von Walkingen geschrieben, in der Sache einer unehelich<br />

Schwangeren:<br />

„…d 4 Mai erschien vor dem Sittengericht Lüzelflüh Elisabeth Kohler ... von Lüzelflüh auf dem Ramisberg im Dienste<br />

und ergänzte ihre bereits am 3 April dem Pfarramte gemachte Schwangerschaftsanzeige folgendermaßen: Ihre Schwangerschaft<br />

entstand durch Hans Bühler von Biglen, dessen Bekantschaft sie auf dem Weinert am Verfaßungsfeste machte.<br />

Derselbe diente früher zu Bunzenmühle, von wo aus er sie während dem Sommer 1836 öfters und fleischlich besuchte bis<br />

3 Wochen nach dem Neujahr, wo er das Letztemal bei ihr war. Die Schwangerschaft entstand im Laufe des Decembers.<br />

Der Beklagte wohnt jetzt bei Maurer Veli zu Wikartswyl, wo sie ihn besuchte und zur Antwort bekam: Er kenne sie nicht<br />

101


sie sei am Unrechten … Euer Wohlehrwürden sind höflich ersucht den Beklagten zu verhören und seine Aussage uns gefälligst<br />

mitzutheilen…“<br />

Bitzius war seit 1832 Pfarrer in Lützelflüh im Emmental; ab 1836 erschienen seine ersten Romane und Geschichten,<br />

die er unter seinem Pseudonym Gotthelf veröffentlichte und in denen er das bäuerliche Leben im<br />

Emmental Revue passieren liess.<br />

204 GOTTSCHED, JOHANN CHRISTOPH, 1700-1766. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift Leipzig<br />

14.VIII.1738. 1 S. quer-8°. Dreiseitiger Goldschnitt. (CHF 750.00)<br />

Zitat aus Augustinus’ „Gottesstaat“ („De civitate Dei“): „Non alia Homini philosophandi caussa est, nisi ut beatus<br />

sit.“<br />

Gottsched unterzeichnet als o. Prof. der Philosophie, ao. Prof. der Poesie, Mitglied der kgl. preußischen<br />

Akademie und Dekan der Philosophischen Fakultät.<br />

Aus der Sammlung Rötger (mit dessen Beschriftung in rötlicher Tinte).<br />

205 GOTTSCHED, JOHANN CHRISTOPH, 1700-1766. L.A.S. Leipzig 15.VII. o.J. (nach 1763). 4 S. 4°. Etwas gebräunt,<br />

kleiner Randschaden. Mit vielen redaktionellen Streichungen (Bleistift). (CHF 2’400.00)<br />

102<br />

An „Hochzuverehrende, theure Freundinn“, eine adlige Gönnerin in Dresden.<br />

„... Es geschieht auf Dero ausdrücklichen Befehl, daß ich Sie so anred. Aber muß man denn nothwendig unhöflich seyn,<br />

um Ihnen zu gefallen? Der Wohlstand kann ja auch neben der Vertraulichkeit statt finden. Doch, Sie wollen es so haben:<br />

und ich gehorche so liebenswürdigen Personen auch blindlings. Von einem großen Geiste hat man gesaget, daß unter<br />

seinen Briefen, die längsten allemal die Besten wären. Von Ihnen, wertheste Freundinn, muß ich eben das gestehen. Dieses<br />

Ihr letztes Schreiben hat mich so eingenommen, ja mit sich hingerissen, daß ich es gern noch einmal so lang gewünschet<br />

hätte. Wo, zum Geyer! nehmen Sie allen den Witz und Geist her, womit Sie einen bezaubern? Was muß es nicht für ein<br />

Vergnügen seyn, mündlich mit Ihnen umzugehen? ... Aber warum kann ich doch so glücklich nicht seyn? ...


Daß der ‘Verschwender’ Dero Beyfall gefunden, ist meiner sel. Gattinn viel Ehre. Es giebt wenige Zuschauerinnen von<br />

so zartem und sichern Geschmacke. Sie würde sich freuen, wenn sie Dero Urtheil erlebt hätte. Ich will E. H. derselben<br />

Triumph der Weltweisheit schicken, ein Original von ihr: ob es gleich eine Nachahmung des Sieges der Beredsamkeit der<br />

Fr. von Gomez ist. Dieses letzte hatte sie verdeutschet, als es ihr in den Sinn kam, etwas ähnliches zu versuchen. Viele<br />

Kenner haben geglaubt, sie hätte ihre Vorgängerin übertroffen: und ich habe längst gewünschet, daß eine gute französische<br />

Feder es in diese Sprache bringen möchteigenhändiges Allein wie wenige Deutsche können gut französisch? und wie<br />

wenige Franzosen gut deutsch nur verstehen? ... Unlängst ist dieß kleine Werkchen ins russische übersetzt erschienen,<br />

und dem kleinen Großfürsten“ (der spätere Zar Paul I.) „zu seiner Belehrung zugeeignet worden ... Vielleicht könnte<br />

es bey unsers jungen Churfürsten Kön. Hoh.“ (Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen) „auch Nutzen schaffen,<br />

wenn es gelesen würde ...“<br />

Seine am 26. Juni 1762 verstorbene Frau Luise Adelgunde Victorie geb. Kulmus war seine Gehilfin in literarischen<br />

Angelegenheiten und hatte selbst literarische Werke veröffentlicht.<br />

206 GRASS, GÜNTER, deutscher Schriftsteller, erhielt 1999 den Nobelpreis, geb. 1927. Typoskript (Fragment)<br />

mit zahlreichen eigenhändigen Streichungen, Korrekturen und Ergänzungen mit blauer<br />

Tinte, nachträglich im breiten linken Rand mit schwarzer Tinte signiert „Günter Grass“. 1 Einzelblatt<br />

folio, die Vorderseite beschrieben. (CHF 900.00)<br />

Seite „85“ aus dem Werkmanuskript zu „Das Treffen in Telgte“ (1979). Ein Auszug:<br />

„… Jetzt erst stand er auf und begann gelehrt am Beispiel seiner Passionsmusik ‚Die sieben Worte am Kreuz’ seinen Musikalischen<br />

Umgang mit dem Wort zu erläutern. Welche Dehnung es zulassen, welcher Hebung es fähig sein müsse. Wie<br />

sich des Wortes Geste im Gesang zu weiten habe. Wie hoch gestimmt sich das tiefe Trauerwort erheben dürfte. Schliesslich<br />

sang er mit schöner Altmännerstimme die Maria und den Jünger betreffende Stelle … Dann setzte er sich wieder<br />

und verkündete sitzend, die Versammlung abermals erschreckend, zuerst in lateinischer – ‚Ut Sol inter planetas …’ –<br />

dann in deutscher Fassung des Henrico Sagittario Devise: zwischen den Planeten strahle die Musik inmitten der freien<br />

Künste ...“<br />

103


207 GRASS, GÜNTER, geb. 1927. L.A.S. Berlin 26.IV.1960. 1 Einzelblatt folio, die Vorderseite beschrieben.<br />

Kurze Randeinrisse. Gelocht. (CHF 750.00)<br />

An Hans Werner Richter (1908-1993), den Initiator und Spiritus rector der „Gruppe 47“:<br />

„…hier ist meine Anmeldung für die Tagung vom 26. bis 29. Mai, Hochschule Ulm. – Kommt Benno Meyer-Wehlack<br />

auch? Wenn schon Hörspiel, dann nicht ohne Benno.<br />

Mit freundlichem Gruß / Dein Günter Graß.“<br />

Beiliegt eine signierte Portraitphotographie und eine signierte Reproduktion einer Radierung von Grass.<br />

208 GRILLPARZER, FRANZ, österreichischer Schriftsteller und Dramatiker, 1791-1872. Eigenhändiger Gedichtentwurf.<br />

(Dezember 1830.) 2/3 S. kl.-4°. Leicht braunfleckig, minimaler Einriß. (CHF 800.00)<br />

„Schon wieder ein Namenstag? Nun, meiner Treu!<br />

Da braucht man ja Verse wie Häksel und Heu!<br />

Doch, ob auch der Spruch Wiederhohlung nur sey;<br />

Der Stoff ist die Lieb’, der ist alt und ist neu.“<br />

Für Wilhelm Bogner geschrieben, dessen Mutter Barbara geb. Fröhlich am 4. Dezember Namenstag hatte. –<br />

Mit einer Echtheitsbestätigung von Grillparzers „ewiger Braut“ Katharina Fröhlich am Fuß (Wien 6.III.1877).<br />

Auf der Rückseite Grillparzers eigenhändiger Namenszug und der Anfang seiner Adresse: „Grillparzer, Bürgersp[ital]<br />

/ 2ter Stock“. – Seit Dezember 1830 wohnte Grillparzer im Wiener Bürgerspitals-Zinshaus am heutigen<br />

Lobkowitzplatz.<br />

Beiliegend ein Brief von Katharina Fröhlich, Grillparzers Nachlaß betreffend (L.A.S., Wien 26.VI.1872, 1 3/4<br />

S. gr.-8°).<br />

209 GRILLPARZER, FRANZ, 1791-1872. L.A.S. Wien 24.VI.1864. 1 Doppelblatt kl.-folio, der Brieftext auf<br />

der ersten, die Adresse auf der vierten Seite. Mit Monogramm-Siegel ‚FG’. Ausriß bei der Siegelstelle.<br />

(CHF 1’800.00)<br />

Absage an den „Verwaltungsrath des österreichischen Kunstvereins“ in Wien, der Grillparzer darum gebeten<br />

hatte, seine Ehrenbürgerurkunde an einer Ausstellung zeigen zu dürfen.<br />

„… auf die geschätzte Zuschrift vom 20 dM erlaube ich mir zu bemerken, daß das mir vom Wiener Gemeinderath verliehene<br />

Ehrendiplom kein Gegenstand einer öffentlichen Ausstellung zu seyn scheint.<br />

Der künstlerische Werth dieses Diploms besteht nämlich theils in dem vortrefflich gearbeite[te]n Deckel desselben, theils<br />

in dem nicht weniger kunstreich ausgeschmückten Diplome selbst. Es kann daher nicht besehen werden ohne Nachhilfe<br />

einer umwendenden Hand, daß eine solche nicht möglich oder vielmehr im Interesse der Reinhaltung der Urkunde bei<br />

einer öffentlichen Ausstellung nicht wünschenswerth ist, leuchtet von selbst ein…“<br />

In seinen letzten Lebensjahren wurden Grillparzer zahlreiche Ehrungen zu Teil: 1861 wurde er zum Mitglied<br />

des österreichischen Herrenhauses auf Lebenszeit und 1864 zum Ehrenbürger von Wien ernannt, sein 80. Geburtstag<br />

wurde als nationaler Feiertag begangen.<br />

Aus der Sammlung Albin Schram.<br />

210 GRILLPARZER, FRANZ, 1791-1872. L.A.S. (Wien) 16.II.1866. 1/2 S. gr.-folio. Mit Siegel („FG“) und<br />

Adresse. Oben und unten leicht beschnitten, Rand- und Faltenschäden ausgebessert. (CHF 600.00)<br />

104<br />

Grillparzers „Einkommenssteuer Bekenntniß“, gerichtet an die „Löbliche k. k. Steuer-Administration“.<br />

„Der Unterzeichnete genießt eine Pension von jährl[ich] 2520 f. Für literarische Arbeiten hat er im J[ahre] 1865 nichts<br />

eingenommen als die Tantiemen des Hofburgtheaters. Diese betrugen im J[ahre] 1865 zusammen 980 f 81 xr wovon er<br />

ihm die Erwerbsteuer zu bemessen bittet.“<br />

Grillparzer unterzeichnet als „k k Hofrath“.<br />

Mit Vermerken der Steuerbehörde.


211 GRILLPARZER, FRANZ, 1791-1872. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift. Wien 15.III.1860. 1<br />

Einzelblatt gr.-quer-8°, die Vorderseite beschrieben. Rand stark verfärbt von einer alten Montierung.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

Das unter dem Titel „Reflexion“ gedruckte Gedicht lautet:<br />

„Das Denken ist nicht der Empfindung geschenkt;<br />

Es wirkt als leitende Macht,<br />

Nicht was der Dichter beim Dichten denkt,<br />

Nein, was er von jeher gedacht.“<br />

212 GROTH, KLAUS, 1819-1899. Portraitphotographie mit eigenhändiger Widmung und Unterschrift auf<br />

der Rückseite. Kiel 5.V.1890. Kabinettformat. Aufnahme: Schmidt & Wegener, Kiel. Etwas fleckig.<br />

(CHF 250.00)<br />

Brustbild nach halbrechts. Schönes Altersbildnis. – Die Widmung:<br />

„Hier kumt dat ole lange Gesicht,<br />

De langen Been de seht Ji nicht,<br />

Ok nich binn in das plattdütsch Hart,<br />

Dat öller, awer nich köller ward.<br />

Seinen unvergeßlichen lieben Freunden Ladenburg’s“.<br />

Beiliegend eine C.P.A.S. von Klaus Groth an die Verlagsbuchhandlung Freund & Jeckel in Berlin (Kiel 1884).<br />

213 GÜTERSLOH, ALBERT (eig. Albert Conrad Kiehtreiber), österreichischer Dichter und Maler, 1887-<br />

1973. L.A.S. Wien 24.VI.1969. Einzelblatt gr.-8°, die Vorderseite beschrieben. Mit dem dazugehörigen,<br />

eigenhändig adressierten Couvert. (CHF 250.00)<br />

An ein <strong>Literatur</strong>büro in Hilversum“... Ich wohne seit vielen Jahren unter der angegebenen Adresse, und verstehe nicht<br />

wie der Postbote sich irren konnte. Sie müssen sich leider die Mühe machen, den Vertrag und den Check noch einmal zu<br />

senden ...“.<br />

105


214 GUTZKOW, KARL, 1811-1878. L.A.S. Kesselstadt bei Hanau 20.I.1869. 2/3 S. gr.-4°. Kleiner Einriß ausgebessert.<br />

(CHF 400.00)<br />

An einen Theaterdirektor, dem er eine „dramatische Arbeit“, wohl „Der westfälische Friede“, zur Aufführung<br />

empfiehlt.<br />

„... Der Unterzeichnete giebt sich die Ehre, Ew. Hochwohlgeboren eine dramatische Arbeit zu überreichen, die vielleicht<br />

durch die ausgezeichneten Kräfte Ihres Schauspiels zu einiger Geltung gelangen könnte. Mannheim u[nd] Prag werden<br />

die ersten Bühnen sein, die damit hervortreten. Weimar hat die erste Vorstellung auf den 23 März angesetzt ...“<br />

Das Stück fiel in diesem Jahr bei der Premiere in Mannheim durch.<br />

215 HAMERLING, ROBERT, 1830-1889. Eigenhändiges Gedicht mit Unterschrift 1 S. 8°. Leicht fleckig.<br />

(CHF 120.00)<br />

„O glückliche Zeit ...<br />

O glückliche Zeit, da Äuglein mich<br />

Und Busen und Locken und Wänglein<br />

und reizende Beine bethörten –<br />

Gleichgültig wem sie gehörten!“<br />

Es folgen vier weitere Strophen.<br />

„Ein starkes Deutschland ist Norwegens Rettung“<br />

216 HAMSUN, KNUT, Pseudonym für Knud Pedersen, 1859-1952. L.A.S. „Din Knut Hamsun“. Hamaróy<br />

5.VI.1915. 2 S. gr.-8°. Norwegisch. Gelocht. (CHF 1’200.00)<br />

106<br />

An seinen Freund Olaf Gulbransson, dem er für eine „wundervolle<br />

Zeichnung“ dankt.<br />

„... Das war ein Erlebnis für mich, ich bin noch nie zuvor so behandelt<br />

worden. Und Gott weiß, in welcher Welt Du warst, als<br />

du diese tiefe und mystische Herrlichkeit sahst ...<br />

Ein starkes Deutschland ist Norwegens Rettung. Und wenn einmal<br />

die Russen uns alle hier im Norden vereinnahmen – was<br />

keine Macht auf der Erde verhindern kann – so ist auch dann ein<br />

starkes Deutschland zu unserem Besten. England wird sich einmal<br />

vor unseren Nachkommen zu rechtfertigen haben. Aber Norwegen<br />

ist zur Zeit blind und taub und begreift nichts. Ich<br />

schreibe Brief auf Brief an Redakteure und andere und erkläre<br />

das, aber sie antworten zugleich, daß sie neutral sind und nicht<br />

Partei nehmen ...“ (Übersetzung).


217 HANDKE, PETER, österreichischer Schriftsteller, geb.<br />

1942. Eigenhändiges Manuskript (Fragment), am<br />

Fuss signiert und bezeichnet „Peter Handke, aus den<br />

Notizen zu ‚Das Spiel vom Fragen“. O.O.u.D. 1 Einzelblatt<br />

A4, die Vorderseite mit Bleistift beschrieben.<br />

(CHF 750.00)<br />

Zitat aus den Notizen zu ‚Das Spiel vom Fragen’.<br />

„’Ich begehre dich!’ sagte die Welt, und i[ch] meinerseits erwachte<br />

zum Begehren<br />

‚die Welt, in diesem Fall der Mann …’<br />

‚Hilf mir zu lieben!’<br />

Woran erkenne ich, daß die Liebe einsetzt?<br />

…Ich mit meiner Angst, sich mit mir aufzulösen ...“<br />

Das ‚Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land’<br />

erschien 1989, es wurde 1990 von Peymann am Burgtheater<br />

uraufgeführt. – Die zitierte Stelle figuriert so nicht im<br />

Drucktext, gehört aber in den Kontext eines Dialogs zwischen<br />

dem ‚Schauspieler’ und der ‚Schauspielerin’ (S. 97).<br />

„ein ganz bekannter Schürzenjäger“<br />

218 HARDEN, MAXIMILIAN, Pseudonym für Felix Ernst Witkowski, deutscher Publizist und Journalist,<br />

1861-1927. L.A.S. mit Briefkopf der ‚Zukunft’. Berlin 27.X.1892. 1 Doppelblatt 8°, die erste Seite beschrieben.<br />

(CHF 250.00)<br />

Antwort an einen Leser, der sich über eine Meldung in der Zeitschrift ‚Zukunft’ ärgerte, die den viermaligen<br />

Ex-Premierminister Grossbritanniens, William Ewart Gladstone (1909-1898) als Schürzenjäger darstellte.<br />

„…Die englische Notiz stammt von einem in London lebenden, durchaus glaubwürdigen Manne, der mir auch, als ich<br />

vor einiger Zeit in London war, erzählte, Gladstone sei ein ganz bekannter Schürzenjäger und wäre noch bis vor wenigen<br />

Jahren nach den Parlamentsitzungen stets von seiner Frau oder von Parteigenoßen abgefangen worden weil er sonst<br />

die Neigung hatte den kleinen Mädchen nachzusteigen. Er machte mich auch mit einer Dame bekannt, die selbst von<br />

Gladstone mit galanten Anträgen beehrt zu sein behauptete.<br />

Sollte ich getäuscht worden sein, so müßte ich das aufrichtig bedauern. Aber ist es nicht vielleicht nur eine Preß- und<br />

Parteilegende, die von Gladstones sittenstrengem Leben zu berichten weiß? …“<br />

219 HARDEN, MAXIMILIAN, 1861-1927. C.P.A.S. (Berlin-) Grunewald 16.IX.1921. Bleistift. Leicht gebräunt.<br />

(CHF 120.00)<br />

An Theodor Seibert in Gräfelfing wegen eines Zitats aus einem Beitrag von (Francis) Delaisi.<br />

„... mir ist diese oder irgendeine ähnliche Stelle nicht im Gedächtniß. Natürlich könnte sichs allerhöchstens um Citat oder<br />

Angabe anderer Meinung handeln, wenns überhaupt darin stände. Herr Delaisi müßte doch mindestens ungefähr Zeit<br />

angeben; sonst in 30 Jahrgängen nicht verifizirbar. Oft genug wurde gefälscht ...“<br />

Beiliegend eine L.S. von André Maurois (Neuilly-sur-Seine 1931) und eine L.A.S. des Philologen Ernest Renan<br />

(Venedig o.J., defekt).<br />

„Ich beantworte fast nie Briefe“<br />

220 HAUPTMANN, GERHART, einer der bedeutendsten Dramatiker seiner Zeit, erhielt 1912 den Nobelpreis,<br />

1862-1946. L.A.S. „Castella Paraggi / Sta. Margherita-Ligure“ 20.XI.1911. 3 1/2 S. 4°. Stellenweise<br />

leicht gebräunt. Mit frankiertem Umschlag. (CHF 400.00)<br />

107


An die Burg-Schauspielerin Lia Rosen (1893-1981) in Wien, „Sanatorium Dr Offer“.<br />

„... Es war ja freilich nicht schön, dass Sie in Agnetendorf gewesen sind, ohne uns aufzusuchen: der mir undeutbare Vorgang<br />

machte mich einigermassen unsicher, über die Art Ihrer Natur. Das alles wird aber Angesichts Ihres freundlichen<br />

Briefes wirklich bedeutungslos. Reinhard[t] und Hollaender hatte ich schon von Ihnen gesprochen, bevor sie jenen Brief<br />

an mich gelangen liessen, dessen Beantwortung unterblieb. Ich beantworte fast nie Briefe. Betrachten Sie also, liebes<br />

Fräulein Rosen, diesen hier ebenfalls als eine Art Wunder, wenn ich bitten darf. Sie schreiben von einer Operation. Das<br />

ist gewiss etwas sehr, sehr Böses. Auch meine arme Frau hat zur Not, nach einer Operation, ihr Leben davon gebracht.<br />

Doch hinter uns liegen sorgenvolle Tage, Wochen, ja Monate ...“<br />

221 HAUPTMANN, GERHART, 1862-1946. Portraitpostkarte<br />

mit eigenhändiger Widmung und Unterschrift auf der Bildseite<br />

(Rotstift). (Agnetendorf) 1922. Leicht gebräunt.<br />

(CHF 300.00)<br />

Brustbild nach halbrechts. Die Widmung an „Herrn Georg Nave mit<br />

herzlichem Dank / Gerhart Hauptmann / 1922“. – Georg Nave war<br />

Badedirektor in Warmbrunn.<br />

Beiliegend eine L.S. von Hauptmann an denselben mit Dank für „Ihr<br />

schlesisches Gedicht“ (Agnetendorf 3.XII.1922) sowie 3 Photographien<br />

Hauptmanns und seines Hauses in Agnetendorf von A. Jäschke, Görlitz.<br />

222 HAUPTMANN, GERHART, 1862-1946. L.S. Wiesenstein 11.XII.1936. 1 S. quer-8° (Briefkarte). Mit geprägter<br />

Adresse am Kopf. (CHF 120.00)<br />

An Dr. Wilhelm Gierth. „... haben Sie für Ihre Geburtstagswünsche wärmsten Dank! ...“<br />

Beiliegend eine C.P.A.S. von Fritz Mauthner an den Redakteur Fritz Engel in Berlin (Portofino 1914).<br />

„so wüsste ich allerdings nicht, wie das deutsche Theater …<br />

mich aus seinem Bestande eliminieren könnte“<br />

223 HAUPTMANN, GERHART, 1862-1946. L.A.S. Agnetendorf 25.VI.1940. 1 Einzelblatt quer-8° (Briefkarte),<br />

beide Seiten beschrieben. Mit dem dazugehörigen Couvert. (CHF 500.00)<br />

108<br />

An den Dichter Fritz (Friedrich Peter) Kreuzig (1890-1958), damals Oberleutnant im „Heereskurlazarett Semmering“.<br />

„…Erst heut, nachdem ich einige Wochen von Hause abwesend, u. zwar in meinem Geburtsort Salzbrunn i/Schl. verbracht<br />

habe, finde ich Sammlung Ihr letztes Schreiben zu beantworten. Das Zitat welches Sie ‚einem von der brasilianischen<br />

Sonne vergilbten Papier’ entnehmen, drückt eine Ansicht aus, die mich naturgemäss tief bewegen und beschäftigen<br />

muss. Wenn ich die Lauterkeit meiner Institutionen berücksichtige, mein wurzelechtes Deutschtum an Körper u.<br />

Geist u. dessen allenthalben selbstverständlichen, ungesuchten Ausdruck, so wüsste ich allerdings nicht, wie das deutsche<br />

Theater, ohne Sein, Wachsen und Werden zu gefährden, mich aus seinem Bestande eliminieren könnte…<br />

Sie schreiben so wenig von sich selbst, werter Herr Fritz Kreuzig! sind Sie leidend? – und wenn: was hat Sie betroffen?<br />

– Möchte meine Vermutung irren! …“<br />

Kreuzig wanderte 1925 nach Brasilien aus, von wo er 1939 schwer erkrankt nach Österreich zurückkehrte. Er<br />

veröffentlichte u.a. ‚Ave Karl Kraus!’ (1919) und den Gedichtband ‚Die andere Donau’ (1955).<br />

Beilage: ein Telegramm Hauptmanns mit Neujahrswünschen an denselben (Agnetendorf 1.I.1941).


224 HAUSMANN, MANFRED, 1898-1986. 2 L.A.S. Worpswede 24.XI.1941 und 1.V.1946. 2 S. gr.-8°. Mit gedrucktem<br />

Briefkopf. Teilweise leicht gebräunt. (CHF 180.00)<br />

An einen Pfarrer, Lesungen betreffend.<br />

1941. „... Vor Weihnachten kann ich leider nicht mehr zu Ihnen kommen. An einem Sonntag schon garnicht, weil wir<br />

sonntags immer die Proben zu dem ‘Worpsweder Hirtenspiel’ haben, bei dem ich selbst mitwirke. Mitte Januar unternehme<br />

ich wieder eine kleine Vortragsreise, sozusagen als Versuch. Wenn sie glückt, in bezug auf meine Gesundheit,<br />

würde ich gern im Februar oder März zu Ihnen kommen ...“<br />

1946. „... Ich komme gern zu Ihnen. Aber nicht vor September-Ende. Über die äusseren Bedingungen kann man wohl<br />

erst sprechen, wenn die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage etwas deutlicher geworden ist. Sollte die Lage im Herbst<br />

noch so sein wie heute, dann spielt z. B. die Frage des Honorars keine Rolle. Wichtiger wäre schon etwas Benzin ...“<br />

225* HEBBEL, FRIEDRICH, 1813-1863. L.A.S. (Wien) 17.XII.1857. 2/3 S. gr.-8°. Mit geprägtem Monogramm,<br />

Blindsiegel und Adresse. (CHF 800.00)<br />

An Ferdinand Raab in Wien wegen einer Theaterkarte.<br />

„... Wozu die Umstände? Sie wissen, daß wir Ihnen eine so unbedeutende Gefälligkeit jederzeit mit dem größten Vergnügen<br />

erweisen. Heute geht es leider nicht, weil meine Frau schon seit einigen Tagen an einem starken Catarrhal-Fieber<br />

darnieder liegt und nicht spielt, also keine Sitze bekommt. Das nächste Mal aber stehn sie Ihnen zu Diensten und das<br />

classische Stück wird ohne Zweifel noch vor Weihnachten wiederholt ...“<br />

Das „classische Stück“: „Die Grille“ von Charlotte Birch-Pfeiffer. Christine Hebbel spielte in dem Stück die alte<br />

Fadet.<br />

Briefe, Band 8, Nr. 938.<br />

226* HEBBEL, FRIEDRICH, 1813-1863. L.A.S. (Wien)<br />

30.X.1859. 3/4 S. gr.-8°. Mit geprägtem Monogramm.<br />

Kleine Faltenrisse, ein wenig fleckig<br />

und gebräunt. (CHF 800.00)<br />

An den Schriftsteller Viktor Stern (1837-1913) in<br />

Wien, der ihm sein Manuskript „Rosamunde“ zur<br />

Begutachtung geschickt hatte.<br />

„... Sie geben Sich in Ihrem Briefe als einen jungen<br />

Mann, der erst am Eingang des Lebens steht; es wird Sie<br />

daher gewiß nicht überraschen, daß Ihr erster Versuch<br />

in der höchsten und schwersten aller Kunstgattungen<br />

den Ansprüchen, welche die mildeste Kritik noch stellen<br />

muß, nicht genügt.<br />

Möchten Sie Ihr Manuscript ‘Rosamunde’ zurück, oder<br />

wollen Sie mich persönlich sprechen, so bitte ich, des<br />

Morgens vor 10 Uhr zu schicken oder zu kommen ...“<br />

Briefe, Band 8, Nr. 943.<br />

109


227 HEBBEL, FRIEDRICH, 1813-1863. L.A.S. „Fr. H.“ „v[on] H[ause]“ (Wien) 25.IV.1863. 1 S. kl.-4°. Oberrand<br />

beschnitten, Faltenbrüche restauriert, leicht gebräunt. (CHF 600.00)<br />

Aus dem Todesjahr; an einen Dichter: „... Obgleich ich mich besser befinde, so brauche ich doch zur Erledigung Ihres<br />

Dramas noch einige Tage Zeit, indem es diese Woche vor durchreisenden Fremden bei mir nicht leer wurde ...<br />

Zugleich nöthigen mich meine in Gmunden angegangenen Bau-Verpflichtungen Sie zu ersuchen, mir von meinem<br />

Guthaben zu Ende Juny gef: 100 fl zur Verfügung zu stellen. Es ist dann die Hälfte des Jahres, in welchem Sie das Ganze<br />

abtragen wollten, verstrichen und die weiteren Termine setzen wir, wenn es Ihnen recht ist, wohl am besten auf den 1sten<br />

October ...“ Hebbel besaß ein Sommerhäuschen in Orth bei Gmunden.<br />

228 HEBBEL, FRIEDRICH, 1813-1863. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift O.O.u.D. 2/3 S. quergr.-8°.<br />

Braunes Papier. Knickfalten. (CHF 600.00)<br />

„Wer langes Leben wünscht im irdischen Gewimmel,<br />

Der weiß nicht, was er thut: er kürzt sich ja den Himmel.“<br />

Darunter der eigenhändige Vermerk: „Gesammt-Ausgabe der Gedichte von 1851, bei Cotta“.<br />

„ich bin einverstanden, dass das geistige Eigentum aufgehoben wird,<br />

aber dann heben wir auch das Eigentum überhaupt auf“<br />

229 HEBERLEIN, FRITZ, schweizerischer Volkswissenschafter und Journalist, (1899-1988). – 19 Schreiben<br />

von 12 namhaften Schweizer Schriftstellern an Fritz Heberlein in Bern, im Zusammenhang mit der<br />

Umfrage, die Heberlein im Zuge seiner Dissertation („Das Aufführungsrecht im schweizerischen<br />

Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der <strong>Literatur</strong> und der Kunst“) an diese gerichtet<br />

hatte. Es liegen Schreiben von JAKOB BÜHRER (1882-1975), ROBERT FAESI (1883-1972), SIMON<br />

GFELLER (1868-1943), OTTO VON GREYERZ (1863-1940), HERMANN HESSE (1877-1962), ALFRED HUG-<br />

GENBERGER (1867-1960), MEINRAD LIENERT (1865-1933), CARL ALBERT LOOSLI (1877-1959), FELIX MOE-<br />

SCHLIN (1882-1969), RUDOLF VON TAVEL (1866-1934), CARL FRIEDRICH WIEGAND (1877-1942) und<br />

ERNST ZAHN (1867-1952) vor. Zusammen 19 Autographen: 5 L.A.S., 8 L.S., 2 B.A.S., 3 C.P.A.S. und<br />

1 C.P.S. Verschiedene Orte 3.I.-15.II.1922 und 20.IV.-23.IV.1922 (die Dankesbriefe). Verschiedene<br />

Formate (folio – klein-quer-12°), davon 24 Seiten beschrieben. Mit 9 Couverts. An zwei Schreiben<br />

sind Notizen des Empfängers mit Klammer angeheftet. Teilweise gelocht. (CHF 2’400.00)<br />

Die Regelschutzfrist für künstlerische Werke in der Schweiz wurde 1922 neu geregelt (in Ablösung eines Gesetzes<br />

von 1883); das Gesetz vom 7.Dezember 1922 sah eine Schutzfrist von 30 Jahren vor. 1955 wurde die<br />

Schutzfrist auf 50 Jahre angehoben, 1993 in Angleichung an EU-Recht auf 70 Jahre erhöht. Heberlein favorisierte<br />

eine Schutzfrist von 30 Jahre, die Mehrheit der von ihm angefragten Autoren hingegen war für die Anhebung<br />

der Schutzfrist.<br />

Wir zitieren aus dem Schreiben von JAKOB BÜHRER, der am markigsten Stellung nimmt: „…In unserer heutigen<br />

Wirtschafts-Besitz und Erwerbsordnung aber ist es eine durchaus unzulässige Ungeheuerlichkeit den Künstler zu enteignen<br />

und sei es 30 oder 50 Jahre nach dem Tod. Es fällt keinem Menschen ein, das Erbe eines Grosskapitalisten fünfzig Jahre<br />

nach dem Tod des Erblassers als öffentliches Gut zu erklären. Wieso und mit welchem Recht erklärt man hart erarbeitetes<br />

geistiges Eigentum als öffentliches Gut? … Sobald man erklärt jedes Eigentum wird 50 Jahre nach dem Tod des Erblassers<br />

öffentliches Gut, dann wohl, dann kann man auch das geistige Eigentum so behandeln. Aber nicht vorher, wenn man nicht<br />

Raub begehen will. – Noch einmal: ich bin einverstanden, dass das geistige Eigentum überhaupt aufgehoben wird, aber dann<br />

heben wir auch das Eigentum überhaupt auf. Dieser Teilkommunismus ist eine üble Überheblichkeit …“<br />

230 HEINE, HEINRICH, 1797-1856. Eigenhändiges Schriftstück. (Paris 1837/38.) 1 S. kl.-4° (ca. 11,5 x 11,5<br />

cm). Leicht stockfleckig. (CHF 800.00)<br />

110<br />

„Henri Heine / rue Cadet No. 18.“<br />

Im Haus Rue Cadet 18 wohnte Heine von Ende 1837 bis zum Juli 1838. (Zum Einzugstermin vgl. den Brief des<br />

Dichters vom 16.I.1838: „Adresse: rue Cadet No. 18; hier wohne ich noch immer“. Nach Mende, Heine-Chronik,<br />

ist der Dichter erst im Februar 1838 dort eingezogen.)


„ich wollt es wäre wahr“<br />

231 HEINE, HEINRICH, 1797-1856. L.A.S. „H. Heine“. Paris, „41. Faub. Poissoniere“ 7.II.(1847). 2 S. gr.-4°.<br />

Tinte leicht durchschlagend. (CHF 15’000.00)<br />

An Gustav Kolb, den Herausgeber der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“, den er bittet, sogleich einen Artikel<br />

über Jenny Linds Streit mit dem Direktor des Drury Lane Theatre in London drucken zu lassen. Lind war<br />

nach ihrem englischen Debüt im Heymarket Theatre vom Direktor des Drury Lane Theatres auf Schadensersatz<br />

von 10 000 Pfund verklagt worden.<br />

„… Die beyfolgende Einsendung wünsche ich unverzüglich in der Allg[emeinen] Zeitung abgedruckt zu sehen. Daß sie<br />

unverzüglich gedruckt werde ist für mich und meine Freunde, die mich so dringend zur Vertretung aufgefordert, eine<br />

Hauptsache. Können Sie diesen Aufsatz nebst den zwey Aktenstücken nicht im Corps dü Journal aufnehmen, so bitte ich<br />

Sie dringendst dafür Sorge zu tragen daß er als Inserat gedruckt wird und gleich unter den geschlossenen Hauptkolonnen<br />

damit er spezieller und so convenabel als möglich in die Augen falle. Wird er als Inserat gedruckt, so bitte ich mir<br />

wissen zu lassen was ich dafür zu zahlen habe, da meine Freunde mir einen Theil der Kosten zu erstatten sich erboten. –<br />

Drucken Sie ihn jedoch als Nicht-Inserat (wo ich freylich auch Geld spare und was mir also auch in dieser Beziehung angenehm<br />

wäre) so können Sie die zwey Aktenstücke, wenn es Ihnen passender dünkt, in deutscher Uebersetzung geben.<br />

– Interessanter sind freylich die Originale, besonders das fehlerhafte französische. Das Ganze ist ... für das große Publikum<br />

von Interesse und ich glaube was ich geschrieben ist gemäßigt genug. Damit der Stempel des deutschen Prote-<br />

111


stirens gegen John Bull nicht verloren gehe und noch andrer Gründe wegen darf der Ort woher der Art[ikel] eingesannt<br />

(Paris) nicht genannt werden und ich mache Sie besonders aufmerksam für den Fall daß Sie den Auf[satz] im Corps dü<br />

Journal abdrucken.<br />

Die Allg[emeine] habe ich seit mehreren Tagen nicht gelesen und weiß nicht ob mein letzter A[rtikel] schon gedruckt.<br />

Hätte Ihnen heute manch interessantes zu melden, aber meine Augen leiden zu sehr, da ich den Aufsatz über die Lind<br />

selbst abgeschrieben ins Reine. Es geht mir noch immer schlecht, gehe selten und nur wenig aus, wenn gleich deutsche<br />

Blätter melden ich sey schon um 8 Uhr auf den Beinen; ich wollt es wäre wahr. Dabey werde ich, oder vielleicht meine<br />

Thätigkeit, von allen Seiten in Anspruch genommen, wie Sie zum B. heute sehen.<br />

Der Himmel erhalte Sie ...“<br />

Im Nachsatz heißt es: „Ich bitte, bitte, lassen Sie in einer oder der andren Weise den Aufs. nur schleunigst abdrucken,<br />

es liegt mir sehr viel daran und ich habe sonst keine Ruhe.“<br />

Der Artikel über Jenny Lind wurde in der Nummer 46 der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ vom 15.II.1847<br />

veröffentlicht (Säkularausgabe Band 22 Nr. 1172).<br />

Säkularausgabe Band 22 Nr. 1171.<br />

232 – SELDEN, CAMILLA, Pseudonym für Elise Krinitz, Heines „Mouche“, 1828-1896. L.A.S. Varouville<br />

7.IX. o.J. 3 S. kl.-8°. (CHF 600.00)<br />

An einen Redakteur, dem sie einen Artikel über den Mont Saint-Michel sendet.<br />

„... J’espère que vous le recevrez à temps pour le publier Samedi. Malheureusement je n’ai pu trouver le temps de le recopier.<br />

Mais je compte sur vous pour surveiller la correction des épreuves, et éviter que le texte ne soit défiguré. Je viens en<br />

outre vous demander un petit service, celui de m’envoyer par lettre chargée la somme de cent francs dont une partie représentera<br />

le payement de l’article ...“<br />

Sehr selten.<br />

233 HENCKELL, KARL, 1864-1929. Eigenhändiges Gedicht mit Unterschrift 1 S. gr.-4°. (CHF 200.00)<br />

112<br />

„Verschwistert darf ich mich dem Adler glauben,<br />

Der liebend sich dem Gott der Luft erschließt,<br />

Er schwebt für sich – wer kann die Lust ihm rauben,<br />

Wenn Wind und Aether staubrein ihn umfließt ...“<br />

Beiliegend ein Begleitbrief (L.A.S.), München 29.VIII.1920, auf der Rückseite einer Portraitphotographie<br />

(Knickspur).


234 HERDER, JOHANN GOTTFRIED, deutscher Dichter, Philosoph und Theologe, Freund Wielands, Goethes<br />

und Schillers, 1744-1803. L.A.S. (Entwurf). Bückeburg 4.I.1775. 1 S. folio. Etwas gebräunt und<br />

fleckig, eine Ecke ohne Textberührung beschädigt. (CHF 2’000.00)<br />

Als schaumburg-lippischer Konsistorialrat an einen Pfarrer in einer Eheschließungsangelegenheit.<br />

„... In neulich vorgelegter Sache antwortet das Consistorium, daß ohne Eheverschreibung u. Amtsschein der Landesverordnung<br />

gemäß keine Copulation vor sich gehen könne, auch keine Proclamation hätte geschehen sollen. Die Letzte<br />

wird also hiemit inhibirt und in Ansehung der Erstern müßen E. HochEhrwürden drauf ankommen laßen, ob ein<br />

Preuß[ischer] Prediger copulire: und so dann, fernerer Folgen wegen ad Consistorium berichten. Vielleicht sucht copulandus<br />

die Eheverschreibung, wenn er sieht, daß aus der proclamation nichts wird; vielleicht aber steckt auch mehr dahinter<br />

...“<br />

Beiliegend die Abschrift eines amtlichen Schreibens Herders vom 25.I.1776 („Vom H[errn] Sup[erintendenten]<br />

Herder“), 4 S. folio, Bückeburger Schul- und Pfarrangelegenheiten betreffend; ferner beiliegend eine L.S. des<br />

Grafen Albrecht Wolfgang zu Schaumburg-Lippe, 3.X.1729, 4 S. folio; über das „Armen Reglement“ und Maßnahmen<br />

gegen fremde Bettler und Landstreicher, durch die „unsern hiesigen Armen der allmosen geschmälert“<br />

werde.<br />

„gegen Abend wird das Requiem von Mozart gegeben“<br />

235 HERDER, JOHANN GOTTFRIED VON, 1744-1803. L.A.S. O.O. und D. [Weimar 1801 ?]. 1 Einzelblatt quer-<br />

4°, der Brief auf die Vorderseite geschrieben, die Adresse und das Siegel auf der Rückseite.<br />

(CHF 2’400.00)<br />

Billet an „Madame la Comtesse de Munster“, die Reichsgräfin Amélie zu Münster-Meinhövel, die sich damals in<br />

Weimar aufhielt.<br />

„Der gestrige Tag war mir mit so überladenen Geschäften besetzt, daß ich der Ehre entbehren musste, E. Gnaden aufzuwarten.<br />

Am heutigen ist Consistorialseßion, die spät dauert; gegen Abend wird das Requiem von Mozart gegeben, nach<br />

welchem ich längst schon sehnlich geschmachtet habe.<br />

Also morgen; und Sie bestimmen, gn. Gräfin, die Stunde, da ich Ihnen entweder aufwarte oder da Sie bei uns sind. Im<br />

letzten Fall sind uns die Nachmittagsstunden die gelegensten. Ich darf u. will nicht schriftlich wiederholen, wie sehr die<br />

Bekanntschaft Euer Gnaden uns erfreut hat u. erfreut …“<br />

113


„das Denkmal meines Glücks“<br />

236 – HERDER, CAROLINA, geb. Flachsland, seine Frau, die „Psyche“ im Darmstädter Kreis der Empfindsamen,<br />

1750-1809. L.A.S. Weimar 18.I.1804. 3 1/2 S. 8°. (CHF 600.00)<br />

An Herders und Goethes Freund (Johann Isaak von Gerning in Frankfurt a.M.), den sie, einen Monat nach<br />

Herders Tod, bittet, dessen dramatisches Gedicht „Admetus“ abzuschreiben.<br />

„... Ihre schöne Handschrift, die ich schon lange kannte, fiel mir lebhaft in die Augen, gerade jetzt, da ich eine solche aufsuche.<br />

Unser guter Wilhelm“ (ihr dritter Sohn) „schreibt zwar auch eine regelmäßig hübsche Hand, sie ist aber zu<br />

kaufmännisch ...<br />

... ich kenne Ihre Achtung u. Liebe zu unserm Seligen – ich lege sein letztes poetisches Stück, das er in Schneeberg aufgesetzt<br />

hat – ein Heiligthum – die Prophezeihung meines schmerzvollen Schicksals ‘ein häuslich Glück zerstörte, unerbittlich’<br />

– aber auch zugleich das Denkmal meines Glücks des ganzen Lebens in Ihre Hand ...“<br />

237<br />

„Generalsuperintendent im Kleinen“<br />

– HERDER, WILHELM GOTTFRIED VON, Arzt; der älteste Sohn des Dichters, 1774-1806. L.A.S. „D. Herder“.<br />

Weimar 1.X.1801. 4 S. 4°. Minimal braunfleckig. (CHF 300.00)<br />

An den Verleger (Hartknoch in Leipzig), Buchveröffentlichungen betreffend.<br />

„... Ein praktischer Arzt ist ein geplagtes Thier. Da hatte ich nun meinen ganzen Zuschnitt gemacht ein paar Tage Euer<br />

Gaunerleben beim Vogelschießen mitzuführen – aber Tugend und Resignation – oder vielmehr einige hartnäckige Patienten<br />

u. die Abwesenheit meiner Eltern verhinderten meinen Entschluß und raubten mir dabei das Glück Sie in meine<br />

Arme zu schließen. Ich hatte wirklich schöne Dinge mit Ihnen zu reden. Sie sollen u. müßen mich ins große Weltmeer<br />

der Schriftstellerei hinauswerfen, d. h. mich treiben daß ich ein ordentliches medicinisches Werkchen herausgebe, das uns<br />

beiden Freude macht ... Ich offerire Ihnen also vor der Hand.<br />

1.) Meine Erfahrung über den Galvanismus, mit dem ich mich fleißig abgegeben habe; die Facta sind alle schon<br />

aufgeschrieben, es fehlt nur Einkleidung u. die daraus zu folgende Resultats-Zergliederung. Noch ist nichts erhebliches<br />

über die medicinische Wertung darüber erschienen – Augusti’s ist seicht u. enthält nichts. Ich habe mit Ritter viel darin<br />

gearbeitet u. glaube die Sache aus richtigen Gesichtspunkten anzusehen ...<br />

2.) Habe ich mehrere intereßante Fälle aus der Geburtshülfe während meiner Praxis gehabt, die werth sind dem Publikum<br />

bekannt gemacht zu werden ...<br />

3.) Läßt ein Freund u Schwager von mir, durch mich bei Ihnen anfragen, ob Sie eine deutsche Uebersetzung von einem<br />

der neusten ... Englischen Romane, genannt der Traum, in Verlag nehmen wollen ...<br />

Ich bin die ganze Zeit, während meine Eltern in Baiern waren, Generalsuperintendent im Kleinen gewesen, d. h. ich habe<br />

meines Vaters Wohnung in Beschlag genommen, muß aber jetzt wieder fort ...“<br />

Herders Werk „Zur Erweiterung der Geburtshülfe“ erschien 1803 bei Hartknoch in Leipzig.<br />

238 HERZ, HENRIETTE, geb. de Lemos, 1764-1847. L.A.S. „Hen. Herz“. (Berlin) „27“ o.J. 1 1/2 S. 16°. Mit<br />

Siegelspur und Adresse (Adreßblatt ausgebessert). Leicht gebräunt. (CHF 600.00)<br />

An „Madam Spilleke“, die Frau des Pädagogen Gottlieb August Spilleke (1778-1841), Direktor des Kgl.<br />

Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums in Berlin.<br />

„Wie sehr ich auch Ihre zuvorkommende Güte erkenne so bin ich in diesem Augenblik noch ungewiß ob ich sie annehmen<br />

kann, weil ich zum Sontag Abend gewöhnlich versagt bin. Kann ich mich indeß losmachen u[nd] wird ein starker<br />

Schnupfen der mich sehr quält etwas beßer so versage ich mir die Freude nicht Ihre freundliche Einladung anzunehmen.<br />

Kann ich es aber nicht so bringen Schleiermachers Ihnen meine Grüße u[nd] mein Bedauern ...“<br />

Aus der Sammlung Künzel.<br />

239* HESSE, HERMANN, deutsch-schweizerischer Dichter, Nobelpreisträger, 1877-1962. Umfangreiches<br />

Konvolut bestehend aus: 1 eigenhändigen Gedichtmanuskript „An die Freunde in schwerer Zeit“ mit<br />

einem Aquarell in Grautönen am Kopf sowie Gruß und Unterschrift „H. Hesse“ am Schluß, Bern<br />

114


30.I.1918. 1 Doppelblatt kl.-4°, davon 3 Seiten beschrieben; 1 L.A.S. „H. Hesse“. O.O.u.D. „Montag“ ca.<br />

1910. 1 Doppelblatt kl.-8°, alle 4 Seiten beschrieben; 1 L.S. „H. Hesse“. O.O.u.D. 1 Einzelblatt 8°, 1 Seite<br />

beschrieben; 5 eigenhändigen und 1 maschinebeschriebenen Couvert, verschiedene Orte, 1949-1957;<br />

2 Portraitphotos und 1 Portraitpostkarte mit eigenhändigem Gruß und Unterschrift auf der Rückseite,<br />

1 lithographiertes Portrait mit Unterschrift; 13 Separat-, Privat- und Nachdrucken, zum Teil mit<br />

eigenhändigem Gruß und Name oder Initialen, ein Druck mit einem dazugehörigen Couvert; 2 maschinegeschriebene<br />

Blätter (davon 1 Karbonkopie). – Zusätzlich von NINON HESSE (1859-1866): 3<br />

L.A.S. Montagnola 26.IX.1962-12.V.1964. 1 Einzelblatt und 2 Doppelblätter 8°, 7 Seiten beschrieben.<br />

Alle Briefe mit den dazugehörigen, eigenhändig adressierten Couverts. (CHF 6’000.00)<br />

Alles an Lotte Gräfin von Wesdehlen-Abeken (ca.1884-1966).<br />

Das Gedichtmanuskript „An die Freunde in schwerer Zeit“ (Mileck V-D, 28) besteht aus 6 vierzeiligen Strophen.<br />

Das vorliegende, Mileck unbekannt gebliebene Manuskript weist als letzte Strophe eine bisher nicht bekannte<br />

Variante auf:<br />

„Erst auf jenen letzten Stufen<br />

Darf uns eine Rast erfrischen,<br />

Wo wir leicht u. ungerufen<br />

Uns in Gottes Atem mischen“<br />

Im Druck lautet die letzte Strophe: „Erst auf jenen letzten Stufen / Dürfen wir uns Ruhe gönnen, / Wo wir,<br />

väterlich gerufen, / Schon den Himmel schauen können.“ Es scheint, daß die hier vorliegende Variante bisher<br />

nicht bekannt ist.<br />

An das Gedicht fügt Hesse eine Nachricht’: „... Zu berichten habe ich nichts, möchte aber einmal wieder grüßen u.<br />

gute Zeit wünschen. Selten, daß ich zwischen der Arbeit so eine halbe Stunde erwische! ...“<br />

Das etwa halbseitengroße Aquarell zeigt eine Seeansicht in Grau und Schwarz.<br />

Die L.A.S. (ca. 1910) schreibt Hesse vom Krankenbett:<br />

„…Ich kann nicht viel antworten, da das Schreiben noch etwas Mühe macht, aber auf Predigten werden ja keine Antworten<br />

erwartet. Ich füge mich dem ganz still, und wenn ich auch wenig Sonne verspüre u. nicht gerne in diese schöne<br />

115


Welt der <strong>Literatur</strong> u. Geschäfte zurückgekehrt bin, so haben doch Sie und einige andere Freunde mich erfreut u. mir gezeigt<br />

dass im Notfall da u. dort Mitleid u. Liebe u. Trostbereitschaft vorhanden ist, soweit eben Menschen das einander<br />

geben können. Und das ist freilich immer eine gute, beschämend schöne Erfahrung…<br />

Die paar Tage des Dämmerns u. Vergessens u. Ergebenseins waren das Beste an diesem Erlebnis, das ich übrigens nicht<br />

zu den schlimmsten zähle. Die wirklich bösen Sachen geschehen uns ja ohne Wissen u. Handeln…“<br />

Da Hesse in seinem Brief nur zwei Kinder erwähnt, kann eine Datierung zwischen 1909 und 1911 in Betracht<br />

gezogen werden – Hesses zweiter Sohn Heiner kam 1909, der dritte Sohn Martin 1911 zur Welt.<br />

Die Portraitpostkarte mit dem eigenhändigen Zusatz „Herzliche Grüsse / H. Hesse“. Die eine Photographie<br />

zeigt Hesse mit Strohhut beim Aufbinden von Tomaten, die andere den Achtzigjährigen. Die lithographierte<br />

Kohlezeichnung zeigt ein Brustbild des Dichters, das Bild ist signiert.<br />

An Separat-, Privat- und Nachdrucken liegen vor: Eine Bücherei für Kriegsgefangene; Ein Stück Tagebuch; Beschreibung<br />

einer Landschaft; Ein Stück Tagebuch; Traumtheater (mit einem signierten Couvert); Der Bettler;<br />

Rückblick. Ein Fragment aus der Zeit um 1937 (nicht bei Mileck); Begegnungen mit Vergangenem (mit eigenhändigem<br />

Gruß und Initialen am Kopf); Dank für die Briefe und Glückwünsche zum 2. Juli 1952; Geburtstag,<br />

Ein Rundbrief von Hermann Hesse (mit eigenhändigem Gruß in Bleistift; Zum 75. Geburtstag von Hermann<br />

Hesse (nicht bei Mileck); Ein paar Leserbriefe (nicht bei Mileck); Das Lied von Abels Tod (mit eigenhändigem<br />

Gruß); Das letzte Gedicht von Hermann Hesse.<br />

Die beiden maschinegeschriebenen Blätter sind „Musik von Schumann“ und „Hermann Hesse über den<br />

‚Peter Camenzind’ ... Gruß an die französischen Studenten zum Thema der diesjährigen Agregation“. Karbonkopie<br />

des Artikels, der am 4.VIII.1951 in der Neue Zürcher Zeitung erschien.<br />

Die bewegenden Briefe von Ninon Hesse sind nach Hesses Tod geschrieben, Montagnola 26.IX.1962-12.V.1964;<br />

sie beschreiben beredt ihren Schmerz, ihren Alltag und die Bemühungen um das Schicksal des Nachlasses: „...<br />

Sie fragten ob ich in Montagnola bleibe – ja, ich kann bleiben, die Erben von Dr. H.C. Bodmer, der das Haus meinem Mann<br />

‚für Lebenszeit’ zur Verfügung stellte, haben es mir angeboten und ich habe es angenommen. Es ist viel zu groß für mich,<br />

aber vorläufig bis ich den literarischen Nachlaß untergebracht haben werde – in einer Bibliothek, oder einem Archiv – muß<br />

alles so bleiben wie es ist. Und so bin ich froh, das Haus zu haben – hier ist er überall gegenwärtig …“<br />

Beilagen: 2 L.A.S. von Lotte Wesdehlen-Abeken (4. & 16.X.1955) an Hesse.<br />

240 HESSE, HERMANN, 1877-1962. 12 maschinegeschriebene Gedichte, auf dem Titelblatt bezeichnet<br />

„Landschaften“ und mit eigenhändiger Grußformel und Unterschrift „H. Hesse“ in Tinte auf dem<br />

Titel. [Ca. 1911]. 8°, 8 Bl., davon Titelblatt und 12 Seiten mit Schreibmaschine in Rot (Titel) und<br />

Schwarz beschrieben. Etwas stockfleckig. Mit Seidenband geheftet, mit einem aparten Marmorpapierumschlag<br />

(Deckel zertrennt und lädiert). (CHF 1’200.00)<br />

Hübsche, von Hesse wohl selbst broschierte Zusammenstellung von 12 Gedichten. Der eigenhändige Eintrag auf<br />

dem Titelblatt lautet: „Mit Grüssen / von Ihrem / H. Hesse“. Die Sammlung enthält die Gedichte „Spaziergang“,<br />

„Schlimme Zeit“, „Windiger Tag im Juni“, „Eine stille Stunde lang“, „Frühling“, „Berge in der Nacht“, „Abend im<br />

Februar“, „Nachtlager“, „Gewitternacht im August“, „Mittag im September“, „Herbst“ und „Sommernacht“<br />

Die Gedichte sind in den Jahren 1902-1910 entstanden und erschienen mit Ausnahme von „Nachtlager“ 1911<br />

in der Sammlung „Unterwegs“.<br />

241<br />

„ich stehe hungernd von den üppigsten Tafeln auf“<br />

HESSE, HERMANN, 1877-1962. L.A.S. „H. Hesse“. Luzern 18.V.1916. 1 Doppelblatt gr.-8°, 3 Seiten in<br />

Bleistift beschrieben. Briefkopf de ‚Kurhaus Sonn-Matt’. Etwas stockfleckig. (CHF 1’200.00)<br />

116<br />

An seinen Freund [Walter Schädelin], geschrieben in einer schwierigen Phase von Hesses Leben: 1916 verstarb<br />

Hesses Vater, sein Sohn Martin erkrankte an Hirnhautentzündung und bei seiner Frau Maria Bernoulli zeigten<br />

sich erste Anzeichen der Schizophrenie. Schädelin (1873-1953) war Forstwissenschafter, hegte aber auch<br />

literarische Interessen; 1905 erschien ein erster Gedichtband. Mit Hesse verband ihn eine lebenslange Freundschaft.<br />

„…der heilige Vinzenz hat Recht u. ist ein liebes, feines u. heiteres Gebilde, an dem man Freude hat. Der Durigo“ – die<br />

ungarische, in Zürich lebende Sängerin Ilona Durigo (1881-1943) – „habe ich deine Grüße u. andern Schwingungen<br />

nach Möglichkeit weitergegeben, es war ein schöner Abend mit ihr, es fehlte nichts als Schöck am Flügel.“ – der


Schwyzer Komponist Otmar Schoeck gehörte zum Freundeskreis von Ilona Durigo und Hesse – „Mir hingegen<br />

ist auch diese schöne u. geliebte Welt einigermaßen weggerückt(?) u. unwesentlicher geworden – so wie Dinge, die<br />

an der Peripherie des Sehfeldes liegen. Was für neue Zeichen u. Werte sich finden werden, weiß ich nicht. Ich weiß bloß,<br />

die bisherigen wärmen u. sättigen mich nimmer, ich stehe hungernd von den üppigsten Tafeln auf. Und ich fange das<br />

Leben u. Tun u. Schaffen nicht wieder an, ehe ich die neuen Zeichen deutlicher sehen kann. Sie stehen noch auf fernen<br />

Bergen in lauter Wolken, aber sie sind da, u. es besteht ein Magnetismus zwischen ihnen u. mir…<br />

In dem kleinen Buch ‚Am Weg’ steht ein ‚Märchen’. Genau wie es dort steht so ist seit 2 ½ Jahren meine innere Situation,<br />

u. ich will aus diesem Boot nicht aussteigen ich ich [sic] den Sinn der Nachtfahrt erlebt habe…“<br />

„Ich laufe nun schon 2 Monate in Basel herum“<br />

242 HESSE, HERMANN, 1877-1962. L.A.S. „H H“. Basel „Hotel Krafft“ 29.I.1924. 1 Einzelblatt gr.-4°, die<br />

Vorderseite beschrieben. Vorliniertes Papier, kurze Einrisse in der Faltung. (CHF 1’200.00)<br />

Ebenfalls an Schädelin, der als einziger ein neu erschienenes Buch Hesses bestellt hatte. Hesse schreibt von<br />

seinem wachsenden Leiden an der europäischen Kultur.<br />

„… Von meinen paar nahen persönlichen Freunden, denen ich meine Buchanzeige zusandte, bist Du der einzige der das<br />

Buch bestellt hat. Meinen Dank dafür drücke ich Dir dadurch aus, daß ich Dir das Büchlein als Geschenk sende denn natürlich<br />

will ich kein Geld von Dir. Deinen Wunsch es möge aus lauter Eheglück meine geistige Produktion aufhören,<br />

werde ich vielleicht später<br />

einmal erfüllen. Zunächst ist<br />

mein äusseres Schicksal u.<br />

meine seelische Spannung<br />

gegen die Umwelt noch<br />

immer so verzweifelt u. leidvoll<br />

daß ich nicht wüsste wie<br />

ich ohne gelegentlichen Trost<br />

der Produktivität das Leben<br />

sollte ertragen können…<br />

Ich laufe nun schon 2 Monate<br />

in Basel herum, künstlich<br />

im Gang erhalten durch beständige<br />

Behandlung bei<br />

Arzt u. Masseur, u. war wenigstens<br />

über das eine froh<br />

dass ich, nach vier durchfrorenen<br />

Wintern, stets ein<br />

warmes Zimmer hatte. Im<br />

Übrigen ist die Stadt mir<br />

völlig fremd geblieben; jenes<br />

tötende Gefühl mit dem ich<br />

seit meinem innern Erwachen<br />

unserer ganzen ‚Kulturwelt’<br />

gegenüberstehe,<br />

nämlich daß der ganze Kram<br />

mich nichts angeht u. mir<br />

fremd ist wie der Nordpol<br />

…Im Frühling wenn ich<br />

wieder in Montagnola bin,<br />

wird es hierin leichter<br />

sein…“<br />

Hesse hatte am 11. Januar<br />

1924 in Basel Ruth Wenger<br />

geheiratet. Die Ehe wurde<br />

bereits 1927 wieder geschieden.<br />

117


243 HESSE, HERMANN, 1877-1962. L.A.S. mit einer farbigen Zeichnung (Blume) am Kopf. Montagnola<br />

22.IX.1929. 1 S. 8°. Bleistift. (CHF 800.00)<br />

An Walter Behrend, den Feuilletonredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“.<br />

„... Ihrer Anweisung folgend schicke ich hier mein ironisches Feuilleton wieder an Sie ...“<br />

Beiliegend eine C.P.A.S. („Haus Hesse“) an Toni Rosenstern in Pontresina (Steckborn 1911).<br />

244* HESSE, HERMANN, 1877-1962. Häusergruppe an einem Tessiner Berghang. Aquarell über Bleistiftvorzeichnung.<br />

Am Unterrand in der Mitte mit Bleistift signiert „H.Hesse“. [ca. 1940]. Papiergröße:<br />

25 x 32 cm. In der rechten obern Ecke zwei kleine Flecken. In den Ecken winzige Löcher von Reißzwecken.<br />

(CHF 5’000.00)<br />

Für den Maler-Poeten relativ ungewöhnliches Blatt. Als Repoussoir dient im Vordergrund links ein Baum und<br />

rechts ein Felsmassiv. Ein Weg führt in die Bildmitte, wo sich ein merkwürdig zweigeteiltes Haus mit Balkon<br />

erhebt. Im Hintergrund ein sanft abfallender dunkelblauer Bergzug. – Wohl erhalten.<br />

245 HESSE, HERMANN, 1877-1962. L.A.S. „H Hesse“. Wengen „Parkhotel“ [5.VIII.1947]. 1 Einzelblatt kl.-<br />

4°, beide Seiten beschrieben. Große Vignette (Hesse Zeitung lesend in seinem Zimmer) am Kopf.<br />

(CHF 750.00)<br />

118<br />

An Schädelin, ‚Altherrengrüsse’ von einem Ausflug auf die Jungfrau:<br />

„…Vor 14 Tagen haben wir das schon damals glühend heisse Montagnola verlassen, da wir uns in Luzern für einen Tag<br />

mit Th. Mann u. s. Frau treffen wollten. Nachher kamen wir dann hier herauf, u. ich gehöre jetzt zu jenen lächerlichen<br />

alten Herren, die zu Füssen der Jungfrau auf Liegestühlen herumliegen und hie u. da einmal per Bahn sich bis zur Scheidegg<br />

wagen, den Plaid überm Arm u. mit Sonnenbrille …“


246 HESSE, HERMANN, 1877-1962. L.A.S. „Hermann“ unter einem Gedichttyposkript („Klage und Trost“).<br />

O.O. (1954). 1 S. folio. Durchschlagpapier. Faltenriß mit Klebefilm unterlegt. (CHF 400.00)<br />

An seine Schwägerin Elisabeth Isenberg in Kornthal.<br />

„... mit Teilnahme u. Vergnügen lesen wir stets Deine Briefe, bes. die Berichte über Hans u. Vroni, die mir dadurch fast<br />

bekannter sind als meine Enkel. Deren sind es seit Kurzem sieben.<br />

Als Gegengabe schicke ich mein Gedicht. Ninon ist am Abend des 1. Mai von der großen Reise zurückgekehrt ...“<br />

247 HEYSE, PAUL, 1830-1914. L.A.S. Miesbach 4.IX.1889. 3 2/3 S. gr.-8°. Mit frankiertem Umschlag.<br />

(CHF 200.00)<br />

An Fanny Reiss in Frankfurt a.M., der er für ein „Andenken an unsern theuren Freund“ („Gustav“) dankt.<br />

„... Die Erinnerungszeichen an dahingeschiedene theure Menschen, die mich umgeben, mehren sich von Jahr zu Jahr.<br />

Seit Längern habe ich Keinen verloren, dem ich größeren Dank schuldig geworden wäre, von dem ich, so wie von unserm<br />

Freunde, seit frühester Jugend immer nur gutes und Freundliches erfahren hätte ...<br />

Noch eine Bitte möchte ich Ihnen ans Herz legen. Ich bin durch allerlei Erfahrungen ängstlich geworden über den<br />

Mißbrauch, der mit meinen Briefen getrieben werden könnte, wenn sie gelegentlich in unrechte Hände gelangen. In den<br />

Ihrigen wüßt ich sie wohl aufgehoben. Doch würde ich Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie dafür Sorge tragen wollten,<br />

daß diese Blätter, falls unser Freund sie aufbewahrt haben sollte, ... vernichtet oder mir zurückgeschickt würden ...“<br />

Beiliegend eine alte Abschrift von Heyses „Prolog zur Hundertjährigen Geburtsfeier Friedrich Schillers“.<br />

248 HOFFMANN, HEINRICH, Nervenarzt; der Verfasser des „Struwwelpeter“, 1809-1894. L.A.S. „HHoffmann“.<br />

Frankfurt a.M. 29.XI.1876. 3/4 S. gr.-8°. Bläuliches Papier. Minimal fleckig. (CHF 400.00)<br />

Wohl an den Frankfurter Lehrer und Literarhistoriker Theodor Creizenach.<br />

„Lieber Freund / Nicht um Ihre literarischen Schätze zu mehren, sondern weil Sie das Α und Ω des Aufsatzes ... gegeben,<br />

und das ganze mit symbolischen Blumen bekränzt haben, sende ich Ihnen das Heft. Es soll ein Zeichen warm<br />

gefühlter Pietät sein ...“<br />

249 HOFFMANN, HEINRICH, 1809-1894. L.A.S. „HHoffmann Dr med.“ Frankfurt a.M. 20.V.1893. 2 S. 8°. Mit<br />

frankiertem Umschlag. (CHF 800.00)<br />

An Pauline Zajic, die Frau des Violinisten und Musikpädagogen Florian Z. (1853-1926) in Berlin.<br />

„... Der ‘Nußknacker’, dem Sie eine so wohlwollende Freundschaft erhalten haben, ist auch mir das liebste von meinen<br />

kleinen Kinderheften.<br />

Es ist wohltuend, wie immer die kleine Gesellschaft, je mehr Jahre vergehen, um so mehr mir liebe Freunde zuführt. Nun<br />

es geht der menschlichen Seele wie dem alternden Körper; man lässt sich den wärmenden Sonnenstrahl und den wohltuenden<br />

Ausdruck freundlicher Gesinnung gerne gefallen, und bleibt ruhig in stiller Behaglichkeit in dieser Doppeltbeleuchtung<br />

sitzen ... Schmale Saat trägt zuweilen unerwartet reiche Ernte! Und so hoffe ich, trotz meiner 84 Lebensjahre,<br />

daß es, so Gott will, noch eine Zeitlang weitergehe ...“<br />

250<br />

„wir wollen die Einheit und die Freiheit und die Wohlfahrt Deutschlands“<br />

HOFFMANN VON FALLERSLEBEN, AUGUST HEINRICH, 1798-1874. Eigenhändiges Manuskript. Fallersleben<br />

13.VII.(1848.) 1 1/2 S. gr.-8°. Gelbes Papier. Rückseitig Montagespuren. (CHF 800.00)<br />

Zeitungsbericht über eine Zusammenkunft im Politischen Club von Fallersleben. – Vom Höhepunkt der Revolution;<br />

am 29. Juni war Erzherzog Johann zum Reichsverweser gewählt worden.<br />

„... Vorgestern Abend traf hier die Stüve’sche Erklärung ein, welche jetzt durch ganz Deutschland mit gerechter Entrüs-<br />

119


tung vernommen werden wird. Der hiesige politische Club, welcher eben versammelt war, beschloß sofort eine Gegenerklärung<br />

an das Hannoversche Ministerium. Das Schreiben wurde heute in einer Volksversammlung vorgetragen, einstimmig<br />

angenommen und von vielen hundert Bürgern u. Bauern unterzeichnet. Es lautet:<br />

‘Der deutsche Reichsverweser ist erwählt. Mit einstimmigem Jubel haben wir dieses wichtige Ereigniß begrüßt, denn wir<br />

sehen darin den ersten Schritt zur Verwirklichung der deutschen Einheit u. der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für<br />

das ganze Vaterland. – Um so schmerzhafter hat uns die Erklärung berührt, welche das Ministerium Namens Sr. Majestät<br />

am 8. Juli den Kammern gegeben hat. Wir erkennen darin eine gefährliche Mißachtung der öffentlichen Meinung,<br />

die so laut und unverholen und überall bereits gegen eine ministerielle Erklärung in Bezug auf die Reichsversammlung<br />

sich ausgesprochen hat, wir erkennen darin eine Verleugnung der Souveränität der deutschen Reichsversammlung zu<br />

Frankfurt, wir erkennen darin ein sonderbündlerisches Streben, das niemals Deutschland zu Macht und Größe gelangen<br />

lassen will, wir erkennen darin eine undeutsche Gesinnung, die nur gesühnt werden kann durch den sofortigen<br />

Rücktritt eines Ministeriums, welches das Vertrauen des Landes längst verloren hat und durch sein längeres Bestehen<br />

das Hannoversche Volk in den Augen des deutschen Vaterlandes mit Recht verdächtigt ... wir wollen die Einheit und die<br />

Freiheit und die Wohlfahrt Deutschlands, aber keine Zerspaltung, keine Sonderinteressen, keinen Sonderbund.’“<br />

251 HOFFMANN VON FALLERSLEBEN, AUGUST HEINRICH, 1798-1874. Eigenhändiges Gedicht mit Unterschrift.<br />

„Hoffmann von Fallersleben“. (1849.) 1 1/2 S. kl.-8°. Grünes Papier. (CHF 750.00)<br />

„Winterlied“ (Titel geändert aus „Michels Abendlied im Belagerungszustande 1849 / Melodie: Es blüht eine schöne<br />

Blume“).<br />

„Es war einmal ein Frühling,<br />

So schön, so wunderbar,<br />

Wie er so schön noch niemals<br />

Der Welt erschienen war.<br />

Der Baum der Freiheit blühte<br />

In Pracht und Herrlichkeit:<br />

Es war für uns gekommen<br />

Die neue schön’re Zeit.<br />

Da schlug voll Freud’ u. Hoffnung<br />

Gar froh das deutsche Herz;<br />

Begeistert riefen alle:<br />

Willkommen, schöner März! –<br />

Ihr hoffnungsreichen Blüthen,<br />

Wie waret ihr so taub!<br />

Wie waret ihr so taub!<br />

Du Feuer der Begeistrung,<br />

Wie bist du Asch’ und Staub!“<br />

Es folgt eine weitere Strophe. – Mit Korrekturen von fremder<br />

Hand.<br />

252 HOFFMANN VON FALLERSLEBEN, AUGUST HEINRICH, 1798-1874. Eigenhändiges Gedicht mit Unterschrift<br />

„HvF“ und Brüssel 22.V.1856. 1 1/2 S. 8°. Mit umlaufendem Goldschnitt. Schwach fingerfleckig.<br />

(CHF 600.00)<br />

120<br />

„Einem jungen Dichter ins Stammbuch.“ – Beginnt und schließt:<br />

„Wer in allen Sachen nach Maß sucht,<br />

Wer allem Lachen und Spaß flucht,<br />

Sich an keinem Witz freut,<br />

Sich vor jedem Blitz scheut,<br />

...<br />

Will der sich des Dichtens unterwinden,<br />

So soll man ihn auf den Pegasus binden,<br />

Und hinter ihm blasen Hüons Horn,


Daß er lustig werde von hinten und vorn,<br />

Bis er merkt auf seinem Pegasus,<br />

Wie einem Dichter zu Muth sein muß“<br />

Im Ganzen 28 Zeilen. – In Brüssel forschte Hoffmann nach Handschriften für die Neuausgabe seiner „Horae<br />

Belgicae“.<br />

253 HOFMANNSTHAL, HUGO VON, der führende österreichische Dichter im Übergang vom Fin de siècle zur<br />

Moderne, 1874-1929. L.A.S. Weimar 2.III.(1910). 2 S. 4°. Mit geprägter Adresse am Kopf. (CHF 1’800.00)<br />

An den Dichter Ernst Hardt. – Zwei Tage zuvor hatte Hofmannsthal dem Freundeskreis in Weimar (Rilke,<br />

Harry Graf Kessler, Helene von Nostitz, Elisabeth Förster-Nietzsche, Henry van de Velde u.a.) den<br />

„Rosenkavalier“ vorgelesen.<br />

„... ich hatte in den ersten Tagen hier mit Kessler ausserordentlich viel durchgesprochen und verschob alle Besuche auf<br />

später. Als ich vorgestern Frau von Hofmann fragte, zu welcher Stunde man Sie besuchen könnte, ohne Sie in der Arbeit<br />

zu stören, sagte sie mir, Sie wären im Begriffe, nach Oberhof abzureisen. Es thut mir sehr leid.<br />

So wie schon seit Jahren durch eine gewisse gemeinsame Richtung in unseren poetischen Versuchen, sind wir jetzt<br />

überdies durch eine Gruppe gemeinsamer und uns beiden kostbarer Menschen gewissermassen verbunden. Ich hoffe, daß<br />

wir uns bald einmal da oder dort ruhig wiedersehen ...“<br />

In der Nachschrift: „Ich lege meine Comödie bei, die Sie gelegentlich im Herbst werden in einer kürzeren Fassung spielen<br />

sehen, worin der etwas epilogische jetzige dritte Act wird fortgefallen sein.“<br />

„Briefe an Ernst Hardt“, hrsg. von Jochen Meyer, Marbach 1975, Nr. 57.<br />

254 HOFMANNSTHAL, HUGO VON, 1874-1929. L.A.S. „Hofmannsthal“. Rodaun 23.I.[1917]. 1 Doppelblatt<br />

4°, alle 4 Seiten beschrieben. (CHF 1’800.00)<br />

An [den Historiker Eugen Guglia (1857-1919)], der ihm ein Manuskript zur Publikation in der von Hofmannsthal<br />

edierten ‚Österreichischen Bibliothek’ im Insel-Verlag zugesandt hatte:<br />

121


„…Ich bin sehr dankbar, das Maria Theresiamanuscript aus Ihrer Feder in Händen zu haben. Leider ist die Situation<br />

durch die Papiernot in Deutschland eine solche, dass ich mit der Bibliothek peinlichst gehemmt bin. In diesen Tagen erscheint<br />

die IVte Serie welche Dr Kallbrunners allerdings sehr dünn ausgefallenes Bändchen enthält.<br />

Die Vte, worunter Ihr Bändchen an Iter Stelle, gebe ich dann sogleich in Druck u. hoffe dass es dann zum Jubiläum der<br />

grossen Kaiserin, im Mai, vorliegen wird. (Die ganze Unternehmung war, als ich sie März 1915 anfing, darauf berechnet,<br />

ihre weiteren Möglichkeiten aus der ‚noch wenigen Monaten’ zu gewärtigenden Friedenssituation zu ziehen)…“<br />

Der erhoffte Erfolg der ‚Österreichischen Bibliothek’ blieb aus, sie wurde 1917 eingestellt, Guglias Werk konnte<br />

nicht mehr erscheinen. Das erwähnte „schmale Bändchen“ von Josef Kallbrunner ‚Maria Theresia, Kaiserin<br />

von Österreich, 1717-1780: Maria Theresia als Herrscherin’ erschien als 25. und zweitletztes Bändchen.<br />

255 HOFMANNSTHAL, HUGO VON, 1874-1929. L.A.S. „Dein Hofmannsthal“. Rodaun 26.V.1922. 3 Einzelblätter<br />

8°, alle sechs Seiten beschrieben. Mit dem dazugehörigen, eigenhändig adressierten Couvert.<br />

(CHF 2’800.00)<br />

122<br />

Inhaltsreicher Brief an den befreundeten Maler, Architekten und Philosophen Hans Kestranek (1873-1949) in<br />

München. Über sein Ringen um sein Lustspiel ‚Der Schwierige’ (1921), seine Arbeit als Opernlibrettist – er erwähnt<br />

seinen „Rosenkavalier“ – und die bevorstehende Uraufführung seines ‚Salzburger großen Welttheaters’.<br />

„… Das Lob das Du mir gibst indem Du mir ‚Kunst und Stetigkeit’ zusprichst, darf ich mir zu eigen machen, und es hat<br />

Gewicht für mich und kann mich darum erfreuen und aufmuntern, wenn Du es aussprichst. Denn Du bist selbst ein<br />

ernster Mensch, das weiss ich ganz wohl, seit unseren Knabenzeiten, als Du mit Kunst und Mut etwas gegen Goethes<br />

Kunstanschauung vorbrachtest und mich auf das liber veritatis des Claude hinwiesest.“ – Claude Lorrain legte eine<br />

Sammlung von Zeichnungen nach seinen Gemälden an, die er „Liber veritatis“ nannte und die schließlich auf<br />

sechs Bände wuchs; die Zeichnungen wurden früh publiziert.<br />

„Du hast recht, wenn Du vermutest, dass der ‚Schwierige’ für mich keine Nebenarbeit bedeutet. Diesen Begriff kenne ich<br />

überhaupt nicht. Ich habe eine Zeit lang Dinge gearbeitet die man als Unterlagen für die Musik eines lebenden Componisten<br />

bezeichnen kann. Es war mir mit diesen Dingen genau so ernst und ich habe so viele Mühe daran gewandt als an<br />

irgendetwas anderes. – 1907 machte ich den ersten Versuch ein Lustspiel höherer Art, worin wirkliche Charaktere in einer<br />

lustspielmässigen Handlung verknüpft sind, hervorzubringen. Es ist dies sehr schwer, und ich werde mich noch lange<br />

mühen, aber einiges Gültige und vielleicht Dauernde werde ich schliesslich hervorbringen. Der ‚Rosencavalier’ ist nur<br />

ein Glied in der Reihe, der ‚Schwierige’ ein anderes, das Nächste ist meine gegenwärtige Arbeit. – Das Versöhnende und<br />

Lindernde gegenüber den Nöten und Verirrungen der Zeit hast Du nicht ganz aus Deiner Stimmung an jenem Abend<br />

entgegengebracht – es liegt in<br />

der Arbeit selber, an vielen Stellen<br />

die ich fallen liess (und die<br />

sich auf Cari’s Erlebnisse im<br />

Krieg bezogen) trat es deutlich<br />

hervor, jetzt leuchtet es nur für<br />

sehr empfindliche Augen, wie<br />

Deine, gleichsam als beschattetes<br />

Licht an manchen Stellen des<br />

Stückes hindurch, umso schöner<br />

für mich, wenn dann und wann<br />

einer es fühlt. –<br />

…Die Aufführungen meines<br />

‚Salzburger großen Welttheaters’,<br />

wie ich die Arbeit benenne,<br />

finden in Salzburg am 13ten bis<br />

25ten August statt, und zwar<br />

aller Voraussicht nach in der<br />

Collegienkirche, einem Kunstwerk<br />

Fischer v. Erlachs.<br />

Es ist aber diese Arbeit keine Bearbeitung<br />

von Calderons berühmten<br />

Geistlichen Spiel, sondern<br />

sie hat nur das Gerüst, die


das ganze tragende Metapher (Bühne=Welt, Geschick=Rolle) mit ihm gemein, die aber dem großen Mythen- und Allegorienschatz<br />

zugehört den das ausgehende Mittelalter den folgenden Jahrhunderten hinterlassen hat…“<br />

Die Uraufführung des ‚Schwierigen’, fand am 7. November 1921 im Residenztheater München unter der<br />

Regie von Max Reinhardt statt, die des ‚Salzburger große Welttheater’ am 12. August 1922 in der Kollegienkirche<br />

von Salzburg ebenfalls unter der Regie von Reinhardt.<br />

„Jedermann à Paris“<br />

256 HOFMANNSTHAL, HUGO VON, 1874-1929. L.A.S. Rodaun 15.IV.1929. 2 S. gr.-4°. Kleiner Fleck und<br />

Lichtrand. Mit frankiertem Umschlag. (CHF 1’500.00)<br />

An René Graf Philipon (1870-1936) im Chateau de Vertcœur, der um eine Autorisierung seiner „Jedermann“-<br />

Übertragung gebeten hatte.<br />

„... Au sujet de la publication de votre transscription de Jedermann j’ai à vous dire ceci – et j’aurais préféré vous en avertir<br />

avant que vous eussiez entrepris ce travail, mais vous m’avez annoncé le fait accompli seulement. – Comme je vous<br />

l’ai dit, je ne désire pas une représentation de cette pièce sur un des théâtres de Paris. Mais j’ai fait la promesse à Max<br />

Reinhardt que pour le cas qu’il trouverait une occasion de mettre en scène Jedermann à Paris, il trouverait toujours le<br />

texte de la pièce libre et entièrement à sa disposition. Ceci n’empêche pas que je n’autorise la publication de votre transscription,<br />

nullement – et je le ferais volontiers – mais il se pourrait bien que pour sa mise en scène R. eût besoin d’une<br />

autre traduction ou transscription ...“<br />

Aus dem Todesjahr; Hofmannsthal starb am 15. Juli.<br />

257* HOLZ, ARNO, 1863-1929. L.A.S. Berlin 30.VII.1917. 3/4 S. gr.-8°. Fester Bleistift. (CHF 200.00)<br />

An „Hochgeehrter Herr Direktor“ wegen der Subskription auf sein Werk „Die Blechschmiede“, das im Sommer<br />

des Jahres durch die Druckerei Petzschke & Gretschel in Dresden für 250 Subskribenten hergestellt wurde.<br />

„... Ich schließe jetzt die Liste meines Subskriptionswerkes und bitte Sie, mir gütigst mitzuteilen, ob ich Ihren Namen als<br />

Teilnehmer in eins der Exemplare eindrucken lassen darf? Herr Dr. Otto Neumann-Hofer war seiner Zeit so liebenswürdig,<br />

mir aufzugeben, daß Sie ein solches Exemplar wünschten ...“<br />

„Dichten giebt’s nicht“<br />

258 HUCH, RICARDA, deutsche Dichterin, Philosophin und Historikerin, 1864-1947. L.A.S. Bremen<br />

31.XII.1896. 1 Einzelblatt quer-kl.-8° (Briefkarte), beide Seiten beschrieben. Etwas gebräunt. Gelocht<br />

(mit geringem Buchstabenverlust). (CHF 200.00)<br />

An (Fritz Heberlein in der Schweiz), mit Dank für ein Buch, sowie Klagen über ihre große gesellschaftliche Belastung,<br />

die sie vom Schreiben abhalte.<br />

„… Ich bin nämlich ein beklagenswerthes Mittelding zwischen Lasttheil u. Lusttheil um mich nationalökonomisch auszudrücken.<br />

Halb Sklave der Arbeit halb der Geselligkeit, Sie können sich denken, wo dabei meine Zeit bleibt. Dichten<br />

giebt’s nicht, aber das ist ja schließlich kein so großes Unglück, es dichten genug andere Leute. Ob Sie die Essays von<br />

Otto Gildemeister gelesen haben, die auch bei Hertz erschienen sind? Das ist ein sehr [e]rfreuliches Buch. Ich predige<br />

meine Romantiker zwar sehr hübschen aber unverständigen Ohren mit Gewissenhaftigkeit u. halber Wuth…“<br />

Die „Essays“ des Journalisten und Politikers Otto Gildemeister (1823-1902) erschienen 1896/97.<br />

1899 erschien Huchs „Blütezeit der Romantik“, 1902 „Ausbreitung und Verfall der Romantik“.<br />

259 HUCH, RICARDA, 1864-1947. Eigenhändiges Albumblatt, vier Verse, mit Unterschrift „Ricarda Huch“<br />

und Datum „Jena 1941“, auf die Bildseite einer Portraitpostkarte geschrieben. 1 Einzelblatt 8° (Postkarte),<br />

1 Seite beschrieben. Das gedruckte Portrait der Dichterin fest aufmontiert. Tinte an zwei<br />

Stellen etwas verwischt. (CHF 300.00)<br />

123


Die letzte Strophe des Gedichts ‚Sturmlied’ aus den ‚Neuen Gedichten’ (1907).<br />

„O herrliche Fahrt im Windeshauch,<br />

hinauf u hinab u zurück!<br />

Nur kämpfend, u unterlieg ich auch,<br />

Ist Leben Glück.“<br />

Beilage: B.A.S., Jena 30.I.1938, an den Schweizer Schriftsteller Carl Seelig. „... Sprüche u nun gar ungedruckte<br />

kann ich Ihnen nicht anbieten! ...“<br />

260 HUGO, VICTOR, das Haupt der französischen Romantik, 1802-1885. Eigenhändiges Albumblatt mit<br />

Unterschrift „Victor Hugo“. Von fremder Hand bezeichnet „Guernsey“ und mit Datumsstempel<br />

(Guernsey 14.V.1870). 1 Einzelblatt 4°, die Vorderseite beschrieben. In der rechten oberen Ecke die<br />

gestempelte Zahl ‚28’. Linker Rand mit rotem Schnitt. Schwacher Lichtrand und leicht gebräunt.<br />

(CHF 450.00)<br />

Der Sinnspruch lautet: „Ubi spes ibi pax.“ („Wo Hoffnung ist, da ist Friede“), darunter der groß und schwungvoll<br />

geschriebene Namenszug.<br />

Das Motto ist in den Sockel des Brunnens gehauen, der im Garten von Hautevillehouse in Saint Peter Port auf<br />

Guernsey steht, wo Hugo seit 1856 im Exil wohnte.<br />

„Je ne suis pas malade, je ne suis pas même mort“<br />

261 HUGO, VICTOR, 1802-1885. L.A.S. „Victor H.“. Altwies 19.IX.[1871]. 1 Einzelblatt 4°, die Vorderseite<br />

beschrieben. Papier gebräunt, rückseitig alte Montagespuren. In den Ecken kleine Löcher.<br />

(CHF 750.00)<br />

124<br />

Aus Luxemburg an einen Exil-Kollegen, er sei weder krank noch tot. Die erste Nachricht werde seine Freunde<br />

erfreuen, die zweite seine Feinde betrüben:<br />

„Je ne suis pas malade, je ne suis pas même mort. Dites-le à mes amis que la première nouvelle réjouira, et à mes ennemis<br />

que la deuxième nouvelle désolera.<br />

à vous, cher vieux compagnon d’exil, du fond du coeur. / Victor H.<br />

Mettez-moi aux pieds de votre charmante et bonne femme …. Voudrez-vous transmettre le mot à notre ami M. de Cherville“.


Victor Hugo war während seines zwanzigjährigen Exils fünfmal in Luxemburg. Ein letztes Mal kam er 1871<br />

nach Luxemburg – auf der Rückreise nach Paris.<br />

Der Schriftsteller Gaspard de Cherville (1809-1898) war u.a. Mitarbeiter der Dumas’schen ‚Schreibfabrik’.<br />

262 HUGO, VICTOR, 1802-1885. L.A.S. O.O. 31.III. o.J. 1 S. 8°. (CHF 400.00)<br />

An einen Bekannten. „Je Vous envoie ... pour Votre loterie, ces deux lignes extraites du livre les Misérables ...“<br />

„the Exotic Plant Co.”<br />

263 HUXLEY, ALDOUS, britischer Schriftsteller,<br />

1894-1963. L.A.S. Los Angeles<br />

19.II.1957. 1 Einzelblatt kl.-4°, beidseitig<br />

beschrieben. Mit gedrucktem,<br />

durchgestrichenen Briefkopf. Mit dem<br />

dazugehörigen Couvert. (CHF 500.00)<br />

An einen Herrn in Wisconsin, der ihn nach<br />

Quellen für die halluzinogenen Drogen<br />

Meskalin und Peyote gefragt hatte.<br />

„…My only contracts with mescalin have been<br />

through medical research workers, to whom this<br />

drug is mainly supplied. I know nothing about<br />

the firms that make it.<br />

As for peyote buttons, these are, I believe, grown<br />

by a nursery in Laredo, Tex – the Exotic Plant<br />

Co. is the name (at least I seem to remember<br />

having been told this)….“<br />

Huxley hatte 1953 ein erstes Mal in einem<br />

ärztlich betreuten Experiment Meskalin<br />

eingenommen. Seine Erfahrungen mit halluzinogenen<br />

Drogen verarbeitete er in seinen<br />

Büchern ‚The Doors of Perception’<br />

(1954) und ‚Heaven and Hell’ (1956).<br />

264 INGLIN, MEINRAD, Schweizer Schriftsteller, 1893-1971. 4 L.A.S. Schwyz 3.VI.1958-12.VII.1960. 3 Einzelblätter<br />

folio und 1 Einzelblatt 8°, jeweils die Vorderseiten beschrieben. (CHF 300.00)<br />

Alle Schreiben an den Oltener Verleger William Mattheson, Publikationen in dessen ‚Vereinigung Oltener Bücherfreunde’<br />

betreffend.<br />

3.VI.1958: „…Der Atlantis Verlag bringt im Herbst meine Geschichten und Märchen heraus und schöpft meinen ganzen<br />

Vorrat aus, um dem Band den nötigen Umfang zu geben. Sobald ich wieder etwas zur Verfügung habe, werde ich es<br />

für die VOB reservieren und mich von selber bei Ihnen melden. Für Ihre nächstjährige Oster-Publikation aber rechnen<br />

Sie besser noch nicht mit mir ...“.<br />

12.VII.1960: „… Soeben habe ich witternd, tastend und hocherfreut den kostbaren Lederband zur Hand genommen. Ich<br />

bin nur froh, dass meine Erzählung bei urteilsfähigen Leuten Beifall findet und nicht ganz unangemessen in diesem festlichen<br />

Gewande aufzutreten scheint. Ich danke Ihnen herzlich.<br />

Meine Frau hat bis Ende dieser Woche in Zürich zu tun, dann will sie sich hier in aller Eile noch unserer Dienstbotenlosen<br />

Haushaltung widmen, und am Sonntag packen wir die Koffer, um für vier Wochen in die Ferien zu fahren…“<br />

Inglin gilt als einer der großen Schweizer Schriftsteller der Zwischenkriegszeit, sein Hauptwerk ist der 1938<br />

erschienene „Schweizerspiegel“.<br />

125


265 JAMES, HENRY, amerikanisch-englischer Schriftsteller, 1843-1916. L.A.S. „Your fond old H. J.“.<br />

O.O.u.D. „Monday night“ (London, ca. 1904). 1 Doppelblatt 8°, alle vier Seiten beschrieben. Briefpapier<br />

des ‚Reform Club’ in London. Die letzte Seite etwas angestaubt und entlang des oberen Rands<br />

leimschattig. (CHF 1’200.00)<br />

An seinen Freund Jocelyn Persse, den er am nächsten Morgen im Taxi abholen wolle, um sich unterwegs mit<br />

ihm unterhalten zu können.<br />

„I just got your message, & this is a word to say[:] Let me call for you at 10.15 very sharp tomorrow a.m., in a taxi-cab,<br />

to take you along with me to where I go with indecent punctuality to meet my amanuensis & put in my very pressing<br />

a.m.’s work in the depths of Chelsea. I have just got back from 15 days at Rye, & have such arrears to make of!<br />

I tried for you this a.m., but just too late to catch you, & this (I mean that you were then up & doing) emboldens me…”<br />

James siedelte sich 1875 in England an, nachdem er zuvor eine Zeit lang in Paris gelebt hatte. 1915, ein Jahr<br />

vor seinem Tod, wurde er britischer Staatsbürger. – Die enge Freundschaft zum dreißig Jahre jüngeren Iren<br />

Dudley Jocelyn Persse (1873-1943) nahm 1903 ihren Anfang, als sie sich an der Hochzeit von Frances Sitwell<br />

zum ersten Mal trafen.<br />

„Aber ich dürrer Hund soll nichts haben“<br />

266 JOHNSON, UWE, aus Mecklenburg stammender deutscher Schriftsteller, 1934-1984. Eigenhändiges<br />

Gedicht, 18 Verszeilen. 1 Einzelblatt Folio, die Vorderseite beschrieben. Am rechten Rand lateinisches<br />

Motto. Mit einer Korrektur in der ersten Zeile. Am Fuß von fremder Hand mit Bleistift bezeichnet<br />

„Uwe Johnson“. (CHF 2’800.00)<br />

126<br />

Poetischer Versuch des zwanzigjährigen Studenten:<br />

„Die Hässlichkeit sass ganz allein<br />

auf einem Kilometerstein;<br />

sie wusste nichts von Raum und Zeit<br />

und nichts von ihrer Hässlichkeit,<br />

es regnete…


Da kam ein Fotoapparat<br />

den gleich sie um Verzeihung bat;<br />

er sprach ‚oh Du da unvergesslich!’<br />

er sagte unversöhnlich:<br />

[‚]wie bist du heute hässlich[’]<br />

‚Du siehst dir selbst nicht ähnlich.’<br />

Als dies die Hässlichkeit vernahm<br />

ein Wohlgefühl sie überkam<br />

– der Apparat hat sie erschüttert<br />

und mit Erstaunen angesehen – :<br />

ihr hässlich Antlitz war durchzittert<br />

von Freudenstrahlen, sie war schön!<br />

Es regnete…“<br />

Das lateinische Motto, das dem rechten Rand entlang in Versalien geschrieben ist, ist ein (etwas verändertes)<br />

Zitat aus Erasmus’ von Rotterdam ‚Lob der Torheit’: „Nihil officius quam cum muli mutuum scabunt“ (‚Maultiere<br />

kratzen sich gegenseitig’).<br />

Nach Angaben eines<br />

Vorbesitzers soll das<br />

Manuskript im<br />

Herbst 1954 geschrieben<br />

sein; Johnson studierte<br />

damals an der<br />

Leipziger Universität<br />

Germanistik. Im<br />

Frühjahr 1953 war es<br />

an der Universität Rostock<br />

zu starken Spannungen<br />

zwischen<br />

Johnson und dem<br />

Staatssicherheitsdienst<br />

gekommen, da<br />

Johnson sich nicht allein<br />

geweigert hatte,<br />

an einer Diffamierungskampagne<br />

gegen die Jugendorganisation<br />

der evangelischen<br />

Kirche mitzumachen,<br />

sondern<br />

das Vorgehen der Stasis<br />

gar als mehrfachen<br />

Bruch der Verfassung<br />

der DDR gegeisselt<br />

hatte.<br />

Das Gedicht ist vermutlich<br />

bisher unveröffentlicht.<br />

Ähnliche<br />

Jugendgedichte sind<br />

in Naumanns Johnson-Biographie<br />

von<br />

1994 abgedruckt.<br />

127


267 JOYCE, JAMES, 1882-1941. L.A.S. Paris 10.II.1939. 1 Einzelblatt kleines quer-8° (Briefkarte), beide Seiten<br />

beschrieben. Goldschnitt. Drei kleine Wischspuren auf der Vorderseite, gelocht (mit geringem<br />

Buchstabenverlust). (CHF 4’000.00)<br />

An Alex Ponisovsky, der im Namen von Joyce einen Kranz auf das Grab von William Butler Yeats in Roquebrune<br />

bei Nizza gelegt hatte; Yates war zwei Wochen zuvor verstorben.<br />

„…Many thanks indeed for your kindness in going so far to lay that wreath on Yeats’s grave for me. Strangely enough I<br />

had a letter today from a Mrs Ivy(?) Cameron, Hotel Langham, Nice, (unknown to me, so far as I can remember) who<br />

says she went to Roquebrune to see the grave and, seeing my wreath there, at the sugge[s]tion of a friend who h[a]d accompanied<br />

her, painted a little picture of the place and sent it to me. She sent a letter too saying that the roses were still<br />

in flower. I shall write to thank her and her friend for their kind thought.<br />

I hope you are keeping well yourself. The weather here is very treacherous, a false spring, and very trying on nervous subjects.<br />

I gave the money to Léon as you wrote I was to do …”<br />

Yeats (1865-1939) war am 28. Januar 1939 in Roquebrune-Cap-Martin in der Nähe von Nizza beerdigt worden.<br />

1948 wurden seine Gebeine nach Drumcliff in der Nähe von Sligo umgebettet.<br />

Ponisovsky gab James Joyce ab 1928 Russischstunden und war 1932 mit Lucia Joyce verlobt. Paul Léon war<br />

der Sekretär Joyces, er war mit Ponisovskys Schwester verheiratet.<br />

268 JÜNGER, ERNST, 1895-1998. 1 C.P.A.S. und 1 C.P.S. 10.I.1952 und 7.VII.1959. Beide Karten mit Montageresten<br />

auf der Adreßseite. (CHF 300.00)<br />

128<br />

An den Verlag Glock und Lutz.<br />

1952. „... Ihre Ankündigung des Przywara“ (der Theologe Erich P.) „hat mich neugierig gemacht und ebenso würde<br />

ich gern die Übersetzung des ‘Mendiant Ingrat’ einmal durchsehen, des Buches, das vielen als das Kernstück der<br />

Bloy’schen Prosa gilt ...“<br />

Der französische Schriftsteller und katholische Sprachphilosoph Leon Bloy (1846-1917) hatte die Rückkehr<br />

zum Urchristentum gefordert. Der erste Teil seiner Tagebücher war 1898 unter dem Titel „Mendiant Ingrat“<br />

erschienen.<br />

Die zweite Karte mit einer Buchbestellung („das Buch von Herrn Adolph“).<br />

269 JÜNGER, ERNST, 1895-1998. Eigenhändiges Albumblatt<br />

mit Unterschrift. O.O.u.D. 1 S. gr.-8°. Bütten.<br />

(CHF 300.00)<br />

„Das kurze Leben, das der schönen Bildung nach langem Schlaf gewährt<br />

wird, soll nicht bekümmern; der Schmerz darüber ist nur dem<br />

Menschen eigen: dem Tier, das spekuliert. Das Mondhorn nimmt an<br />

ihm nicht teil.“


„ich hatte mir das Alter behaglicher vorgestellt“<br />

270 JÜNGER, ERNST, 1895-1998. 1 L.A.S. (auf die Rückseite einer Photographie geschrieben) und 3 L.S.<br />

mit eigenhändigen Korrekturen. Wilflingen 6.IV.1960-15.VI.1985. 3 Einzelblätter folio, jeweils die<br />

Vorderseiten beschrieben, und die Photographie (24 x 17 cm). Die Photographie mit Stempel Jüngers<br />

am Kopf und Klebeetikette des Fotografen (Rupert Leser) in der Blattmitte. Ein Brief gebräunt.<br />

Briefkopf. (CHF 1’200.00)<br />

An den Theologen Helmut Thielicke (1908-1986), mit Dank für übersandte Bücher, über gemeinsame Freunde<br />

und den Goethepreis.<br />

6.IV.1960: „…Dank für Ihr Trostbüchlein. Es ist für mich, und wohl auch für manchen anderen, zugleich eine Bestätigung.<br />

Ich komme aus Singapur zurück, gedachte dort auch unseres unvergessenen Werner Traber, der uns damals diese schöne<br />

Reise spendete…“<br />

27.I.1962: „… Banines Bekehrung scheint zu halten. Ich überlege, ob ich dafür nicht zum Islam übertreten soll. Zwei Religionen<br />

sollte man haben – eine, die durch strenge Gesetzesfolgung gutes Gewissen und physisches Wohlbehagen schafft,<br />

und eine andere, die dem metaphysischen Menschen volle Freiheit im Modus und in der Rangordnung der Annäherung<br />

lässt, wie die fernöstlichen Universallehren. Aber diese Zweite schafft man sich selbst.<br />

Das Nebeneinander von Qualitäten, das Sie an ‚Strahlungen’ schockiert hat, gehört zu unserer Welt, ihrer Optik, ihrem<br />

Stil. Es kommt ein atomarer Durchschuß in die Kontradiktionen; der Papst erscheint zwischen zwei Bildern der Wochenschau.<br />

Auch ich begrüße, daß es mit Nebel wieder gut geht. Die Entfremdung lag ja weniger an mir als daran, daß er sich für<br />

mich zu stark passioniert hatte. Das bringt immer Gefahr. Spinoza hat darüber einige gute Bemerkungen gemacht – wie<br />

jene, daß die Liebe stärker wird, wenn Haß ihr vorausgegangen ist …“<br />

Die mit Ernst Jünger befreundete, aus Aserbaidschan stammende französische Schriftstellerin Umm-El-Banine<br />

Assadulajew (1905-1992) war zum Katholizismus konvertiert. – Aufgrund einer Kritik Gerhard Nebels<br />

(1903-1974) über „Heliopolis“ kam es zum vorübergehenden Bruch der Freundschaft zwischen den beiden,<br />

der bis 1960 dauerte.<br />

2.I.1983, nachdem Jünger den Goethepreis der Stadt Frankfurt erhalten hatte: „Erst heute finde ich Muße, Ihnen<br />

dafür zu danken, daß Sie im Rückblick auf die Paulskirche als Zensor gewirkt haben. Mir war entgangen, daß dort die<br />

Hochprominenz fehlte, hätte mich nicht die Kritik darauf aufmerksam gemacht. Im überfüllten Saal hatten sich Freunde<br />

versammelt – das ist mir wichtiger als das Protokoll.<br />

In Fällen wie diesem geht es mehr um den Kragen und die Litzen, um einige Pfiffe und hämische Zeitungsartikel – man<br />

kann sich vorstellen, wie es war, als es um den Kopf gegangen ist. Andererseits lernt man Einzelne kennen wie den Frankfurter<br />

Oberbürgermeister Wallmann, der wusste, was seines Amtes war…“<br />

15.VI.1985, auf die Rückseite der Photo geschrieben: „…Der mich betreffende Angriff war mir nicht bekannt; ich<br />

höre die politischen Sendungen nicht, habe auch anderes zu tun. Leider nimmt die Arbeit immer noch zu – ich hatte mir<br />

das Alter behaglicher vorgestellt.<br />

Morgen fliege ich, um mich ein wenig von den Deutschen zu erholen, für drei Wochen nach Zypern. Umstehend Begrüßung<br />

Mitterands vor dem Wilflinger Haus…“<br />

Die Bildseite zeigt Jünger zusammen mit dem französischen Präsidenten Mitterand.<br />

Beilage: Typoskript (Durchschlag) mit Aufzeichnungen von General Hans Speidel (1897-1984) über Ernst Jünger<br />

in Paris und dessen Friedensschrift (Freudenstadt 2.IX.1946. 3 Einzelblätter Folio).<br />

271<br />

„Nur Erdbewegungen können die Ordnung wiederherstellen“<br />

JÜNGER, ERNST, 1895-1998. L.S. Wilflingen 11.IV.1960. 1 Einzelblatt Folio, 1 Seite beschrieben. Mit 1<br />

eigenhändigen Korrektur. Briefkopf. Leicht gebräunt, gelocht. (CHF 750.00)<br />

An den Politiker und Schriftsteller Otto Strasser (1897-1974) in München.<br />

„… Ich habe Ihren Weg in großen Zügen verfolgt, seitdem ich 1933 die Nachricht von Ihrer geglückten Emigration erfuhr.<br />

Als Sie dann in Prag eine Zeitschrift herausgaben, erwähnten Sie einige Male meine Arbeiten. Das war für mich<br />

nicht gerade vorteilhaft…<br />

Wenn Sie meinen, daß ich eine Arbeit wiederaufnehmen möchte, wie ich sie im Anschluß an den sogenannten Versailler<br />

Vertrag in der Standarte, im Widerstand und andern Organen geleistet habe, so unterschätzen Sie den Widerwillen, den<br />

129


der Anblick politischer Vorgänge in Deutschland mir hinterlassen hat. Ich habe in diesem Lande vier Staatsformen erlebt<br />

und trage kein Verlangen danach, an einer neuen Umdrehung des Kaleidoskops mitwirkend zu sein. Nur Erdbewegungen<br />

können die Ordnung wiederherstellen, vermutlich auf schmerzhafte Art…“<br />

Nach der Machtergreifung 1933 emigrierte Strasser zunächst nach Österreich, später wechselte er über Prag<br />

in die Schweiz, nach Portugal und schließlich nach Kanada. Aus der Emigration heraus griff er in vielen Publikationen<br />

die NSDAP an.<br />

272 KÄSTNER, ERICH, deutscher humoristischer Schriftsteller, Kinderbuchautor und Kabarettist, 1899-<br />

1974. L.S. München 24.X.1969. 1 S. folio. Kleine Randläsuren. (CHF 250.00)<br />

An den Kulturwissenschaftler Arthur Hübscher, den Präsidenten der Deutschen Schopenhauer-Gesellschaft<br />

in Frankfurt a.M., der ihn um einen Vortrag über „Humor“ gebeten hatte.<br />

„... Sie werden es mir hoffentlich nicht sonderlich verargen, wenn ich den Vorschlag ablehne. Ich ... bin der Überzeugung,<br />

daß ich einen solchen Vortrag, ohne mich zu wiederholen, nicht zustandebrächte. Und mich andererseits zu wiederholen,<br />

möchte ich mir nicht zumuten, umsoweniger als der mit fortschreitendem Alter zunehmende Hang zum mehr oder weniger<br />

süßen Nichtstun gesundheitlich sehr zuträglich ist ...“<br />

„die parodistisch übertriebenen Träume<br />

eines parodistisch übertriebenen Kitschfräuleins“<br />

273 KÄSTNER, ERICH, 1899-1974. Eigenhändiges Manuskript (Fragment). O.O.u.D. 1 Einzelblatt 8°, die<br />

Vorderseite mit Bleistift beschrieben. Vorliniertes Papier. (CHF 300.00)<br />

130<br />

Seite „2“ eines Manuskripts mit Erinnerungen an einen „vor Jahren, mitten im Bombenkrieg in Berlin“ gesehenen<br />

Film.<br />

„… [Eine entsetzlich banale Geschichte, – wenn<br />

nicht die vier Träume wären! Das Telefonfräulein<br />

träumt nämlich, wie die Ehe mit dem Streber,<br />

mit dem Millionär, mit dem Glückspilz und,<br />

viertens, mit allen Dreien wäre. Die vier Träume,<br />

vor allem der vierte, also die Trauung eines<br />

Mädchens mit drei Männern und die (rechtzeitig<br />

abgebrochene) Hochzeitsnacht zu viert, verzaubern<br />

den Film: sie machen ihn zu einem<br />

Kleinkunstwerk. Und man muß sehr filmentwöhnt<br />

oder sehr voreingenommen sein, wenn<br />

man nicht merkt oder merken will, dass die<br />

Hauptsache an diesem Film eben diese Träume<br />

sind, – die parodistisch übertriebenen Träume<br />

eines parodistisch übertriebenen Kitschfräuleins.<br />

[Der Film ist schon ziemlich alt. Ich sah ihn vor<br />

Jahren, mitten im Bombenkrieg in Berlin, in der<br />

Musikhochschule, zum ersten Mal. Und damals<br />

war er auch schon nicht mehr ganz neu.“


274 KARSCH, ANNA LUISE, geb. Dürbach, die „Karschin“, 1722-1791. L.A.S. „A L Karschin“. (Berlin)<br />

2.III.1773. 3 S. 4°. Mit Siegel und Adresse. Ein Eckchen ausgerissen (durch Siegelöffnung), etwas gebräunt.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

An „Prediger Plän“, der offenbar über seine Heiratsabsichten berichtet und ihr ein Strumpfband geschenkt<br />

hatte; zum größten Teil in Gedichtform.<br />

„Bey dem Apoll und seinem Sohne<br />

den weisen äsculap<br />

der mir bisher gesundheit gab<br />

daß Strumpfband schiket sich vortrefflich<br />

zur Matrone<br />

es ist so weiß wie Silberhaar<br />

und wird zum aschenfarbnen Kleide<br />

sich brauchen laßen bis daß Jahr<br />

den Jungen Schönen sein geschmeide<br />

auff Kopf und Busen überbringt<br />

in ungezähltter Blumenmenge<br />

und wenn die nachtigall ein Lied<br />

von Liebe singt<br />

dann komm ich Sängerrin beflügeltter Gesänge<br />

zu deiner Grünen Gegend hin<br />

und werde dich vielleicht mitt Hannchen überraschen<br />

und als die schlauste Dichtterrin<br />

jedweden Blik von Eurem auge haschen<br />

in welchen mann die Herzensflamme sieht<br />

und auß jedweden Blik entsteht<br />

ein kleines Lied,<br />

Sie haben mich sehr überrascht ... mit den schönen Bande, ich habe ein aschgrau atlaßkleid, und daß wird eine paßende<br />

garnitur darzu abgeben ... meine Tochter“ (Karoline Hempel, spätere Frau von Klencke) „empfiehlt sich, sie ward<br />

vor drey Tagen mitt einen heffttigen flusfieber angegriffen, und ist noch kränklich ... ich wünsch Ihnen beständige muntterkeit,<br />

und noch in diesen Jahre eine größere Heerde, um Ihre Hirrttin heimführen zu können ...“<br />

131


275 KARSCH, ANNA LUISE, 1722-1791. Eigenhändiges Briefgedicht mit Unterschrift „A.L.K.“ und Datum<br />

Berlin 28.VI.1783. 4 S. 8°. Stockfleckig. (CHF 1’200.00)<br />

An den Maler Christian Bernhard Rode (1725-1797), dessen Darstellung des „Esels des Apulejus“ sie als unsitt -<br />

lich kritisiert.<br />

„Den goldnen Esel dank ich Dir<br />

im namen Deutschlands, lieber Rode<br />

...<br />

Verzeye mir mein offnes Herz<br />

mir hatts noch wenig heyl gestifttet<br />

...<br />

Ha dieß Gemählde wirf herauß<br />

Die Farben sind ja nur von Kalk und ZiegelErde<br />

Sie zieren nicht daß Marmorhauß<br />

es ist genug wenn du die Dirne<br />

nachhüpfend Mahlst mitt frecher Stirne<br />

auffs Wollustlager, und sie warm<br />

hinnsinnken läßest untterm Bette<br />

imm ausgestreckten Jünnglingsarm<br />

als wenn sie KopfVerrükung hätte ...“<br />

Mit einer Nachschrift: „Empfehlen Sie mich bestens ann den oberMennttor des Prinzen und erinnern Sie ihn an die<br />

auswahl Einiger Briefe welche ich ann Ihro Königliche Hoheit geschrieben habe ...“<br />

„the blind are men and women with the same feelings and desires as those who see”<br />

276 KELLER, HELEN, taubblinde amerikanische Schriftstellerin, 1880-1968. L.S. „Helen Keller“. New York<br />

30.XII.1942. 1 Einzelblatt folio, die Vorderseite beschrieben. Mit gedrucktem Briefkopf. Der Namenszug<br />

in violettem Kopierstift. (CHF 500.00)<br />

132


An eine Dame in Los Angeles, der sie für Unterstützung für ihre Arbeit für die Rechte Behinderter, besonders<br />

der Blinden dankt.<br />

„… I thank you not only for your gift but also for the encouragement you have given in an attitude which regards both<br />

the normal and the handicapped as parts of a great social whole, dependent upon each other in all that protects, strengthens<br />

and liberates. Too often it is forgotten that the blind are men and women with the same feelings and desires as those<br />

who see. But whatever they can accomplish as standard-bearers of life’s greatness in manhood, the community and victory<br />

for freedom is to them a proud satisfaction — a light which no darkness can extinguish… ”<br />

277 KELLER, GOTTFRIED, Schweizer Schriftsteller, der Schöpfer des ‚Grünen Heinrich’, einer der Meister<br />

des bürgerlichen Realismus, 1819-1890. L.A.S. „Keller / Staatsschr.“ Zürich 12.V.1864. 1 S. gr.-4°. Mit<br />

Briefkopf der „Staatskanzlei des eidgenössischen Standes / Zürich“. Schwach fleckig. (CHF 800.00)<br />

Als Staatsschreiber von Zürich an das reformierte Pfarramt in Luzern, Verheiratungsgebühren betreffend.<br />

„Vom Präsidium des Regierungsrathes beauftragt, habe ich Ihnen ..., betreffend die Einzugsgebühr der Braut des J. J. Aeberli,<br />

mitzutheilen, daß der § 100 des Zürcherischen Gemeindegesetzes folgende Bestimmung enthält:<br />

‘Die Einheirathungsgebühren (Einzugsgebühren, Braut- u. Bechergeld) für Frauenspersonen betragen:<br />

a.) für eine Kantonsbürgerin, die sich mit einem Kantonsbürger aus einer anderen Gemeinde verheirathet, und für eine<br />

Schweizerbürgerin eines andern Kantons Franken 20;<br />

b.) für eine Landesfremde Franken 120 u.s.f. u.s.f.<br />

Da die Erledigung dieser Sache sich aus Versehen verzögert hat, so bitte ich deshalb um Entschuldigung ...“<br />

„Semper steigt noch mit einem Moralischen ... herum“<br />

278 KELLER, GOTTFRIED, 1819-1890. L.A.S. Zürich<br />

31.VIII.1875. 1 Doppelblatt gr.-8°, die<br />

erste Seite beschrieben. (CHF 2’800.00)<br />

An einen Freund, den er in ironischem Ton zu<br />

einem Abend ins Zunfthaus „zur Meise“ mit<br />

dem (damals in Wien lebenden) Architekten<br />

Gottfried Semper (1803-1879) einlädt.<br />

„Hochgeehrter Herr Reg Rath, / Hr. Semper steigt<br />

noch mit einem Moralischen ... hier herum & will diesen<br />

Abend nochmals auf die Meise gehen. Ich werde<br />

dies auch thun unter Voraussetzung bescheidenen<br />

Tranks resp. gewöhnlichen Schöppli-Regimes und<br />

hab es übernommen, Ihnen hiervon ergeb[enst] Anzeige<br />

zu machen für den Fall, daß Sie dem verzweifelnden<br />

Greise noch eine tröstende Stunde widmen<br />

wollen. Er hatte ganz rothe Augen…“.<br />

Semper gehörte zu Kellers engerem Freundeskreis.<br />

Das barocke Zunfthaus „zur Meise“ war<br />

eines von Kellers Stammlokalen. – Semper hatte<br />

die Jahre 1855-1871 in Zürich verbracht, wo er<br />

das Hauptgebäude des Polytechnikums (ETH)<br />

und die Eidgenössische Sternwarte errichtete.<br />

133


279 KERNER, JUSTINUS, 1786-1862. Eigenhändiges<br />

Albumblatt mit Unterschrift und einer Klecksographie<br />

(Schmetterling). O.O.u.D. Ca. 10 x 10 cm. Beschnitten<br />

und aufgezogen, etwas fleckig. (CHF 800.00)<br />

„Aus Dinten Fleken ganz gering<br />

Entstund der schöne Schmetterling.<br />

Zu solcher Wandlung ich empfehle<br />

Gott meine flekenvolle Seele.“<br />

280 – KERNER, Theobald, Arzt und Dichter, Sohn von Justinus Kerner, 1817-1907. L.A.S. Weinsberg<br />

22.XI.1879. 1 Doppelblatt 8°, die ersten beiden Seiten beschrieben. Leicht fleckig, gelocht.<br />

(CHF 120.00)<br />

An einen Herausgeber oder Dichterkollegen, dem er seine Verse zusandte.<br />

„Ich hätte mir kaum erlaubt Ihnen meine Dichtungen zu freundlicher Critik zu übersenden, wenn nicht Dr. Otto Müller<br />

in Stuttgart, der mein lieber Freund ist, mich dazu ermuntert hätte; von ihm soll ich Ihnen auch einen herzlichen<br />

Gruß sagen.<br />

Sollten Sie nach Schwaben kommen, so vergessen Sie ja nicht das Kernerhaus in Weinsberg zu besuchen. Manches was<br />

an meinen Vater erinnert wird Sie interessierten und mir wäre es eine große Freude, Sie persönlich kennen zu lernen…“<br />

Otto Müller (1816–1894) lebte seit 1856 als freier Schriftsteller in Stuttgart; er trat vor allem mit biographischkulturhistorischen<br />

Romanen hervor.<br />

„Wat meiner Ollen sehr jefiel,<br />

War Zürich, Bern und Rapperschwil …“<br />

281 KERR, ALFRED, i.e. Alfred Kempner, einer der gefürchteten Theaterkritiker seiner Zeit, 1867-1948. 2<br />

eigenhändige Gedichte mit Widmung und zweifacher Signatur am Kopf und am Schluß. [London]<br />

10.VI.1947. 1 Doppelblatt kl.-4°, zwei (gegenüberliegende) Seiten beschrieben. (CHF 1’200.00)<br />

134<br />

Die Widmung an den Zürcher Journalisten Adolf Galliker verspricht „Ein heiteres und ein ernstes Gedicht (wenn<br />

auch mit Schreibkrampf)“.<br />

Das humorvolle Gedicht, in lateinischer Schrift, trägt den Titel „Der Berliner zur Schweiz“ und lautet:<br />

„I<br />

Uns ist die Schweiz vertraut und lieb.<br />

Ich will mal äussern, inwiefern:<br />

Solch Hirtenvölkchen – mit Betrieb,<br />

Naturjewöhnt – und doch modern.<br />

II<br />

Die Diplomaten, andrerseits,<br />

Die sollten sich wat schämen:<br />

Drei Sprachen wohnen in der Schweiz<br />

In scheensten Einvernehmen;<br />

Sie wirken in bewusster<br />

Vorbildlichkeit als Muster<br />

II[I]<br />

Wat meiner Ollen sehr jefiel,<br />

War Zürich, Bern und Rapperschwil …


Vom Rütli flooch ein stiller<br />

Postkartengruss an Schiller.<br />

Sein Ruhm strahlt unverjesslich hell;<br />

Nur fehlten ihm die Reisespesen;<br />

Er schrieb das Schauspiel Wilhelm Tell,<br />

Und is doch niemals dort jewesen.<br />

(Na, sind die Farben echt jemischt,<br />

Denn schad’t das nischt).“<br />

Kerr war von 1939 bis 1947 Vorsitzender des Deutschen P.E.N.-Club im Londoner Exil. 1947, ein Jahr vor seinem<br />

Tod, nahm er die britische Staatsbürgerschaft an.<br />

Beide Gedichte sind gedruckt in: Liebes Deutschland. Gedichte. Hrsg. von Thomas Koebner. Berlin, 1991. Bd.<br />

II, S. 280 („Wenn ich noch einmal ...“) und S. 339 („Der Berliner zur Schweiz“).<br />

„einen kleinen, miesen Verleumder mit moraligem Kitschton“<br />

282 KERR, ALFRED, 1867-1948. L.S. Berlin 30.I.1930. 1 Einzelblatt kl.-4°, beidseitig beschrieben. Mit gedrucktem<br />

Briefkopf. Leicht fleckig, gelocht. (CHF 750.00)<br />

An den Vorsitzenden der Redaktionskonferenz der Frankfurter Zeitung, Heinrich Simon (1880-1941), den<br />

‚Fall Karl Kraus’ betreffend. Kerr schildert die Situation aus seiner Sicht und bittet Simon, die Frankfurter Zeitung<br />

möge sich der von Kraus orchestrierten Hetze gegen ihn nicht anschließen.<br />

„…Ich habe Kraus öffentlich einen ‚kleinen, miesen Verleumder mit moraligem Kitschton’ genannt – und als ich vor Gericht<br />

nachwies, wie er gelogen, gefälscht, verdreht hat, zog Herr Kraus die deshalb erhobene Klage vorsichtig zurück. Er<br />

schimpfte hernach lieber in Versammlungen auf mich, wo ein Tatbestand nicht kontrolliert werden kann. Dieses heimtückische<br />

Moralistchen, das mit ‚Einsamkeit’ protzt, hat eine Klicke strengstens organisiert, für ihn Reklame zu machen.<br />

Diese Vereinsmitglieder müssen für den Vorsitzenden Artikel in Blätter schmuggeln (und sie sind ehrlich überzeugt)<br />

sowie den Beifall in der Versammlung tätigen. Widerspruch ist in Berlin, auch wenn er von Weiblichen Wesen kam,<br />

durch körperliche Misshandlung wie in Hitler-Versammlungen systematisch unterdrückt, durch die bestallte Klacke der<br />

Gesamteindruck wissentlich verfälscht worden. So hat er auch im Theater zu arbeiten versucht. Aus seinem Verhalten<br />

gegen mich (er will sich dadurch in Berlin eine ‚Posiziaun’ schaffen, nachdem er in Wien abgewirtschaftet hat) weiss ich,<br />

mit welchen allerletzten ‚Journaille’-Mitteln seine Eitelkeit sich für meine heiteren Kennzeichnungen zu rächen trachtet.<br />

Er lügt allemal das Blaue vom Himmel herunter, in der Zuversicht, ich werde nicht einen besser zu verwendenden<br />

Teil meines Lebens an öffentliches Gezänk mit ihm setzten. Er möchte das.<br />

135


Lieber Herr Doktor, – den Irrtum um diesen [Path]osreisenden mit der käsigen Moral und der gerissenen Verdrehungskunst<br />

(warum heisst er nicht Anton Dreher?): lieber Heinrich Simon, Sie können, können, können das nicht mitmachen…“<br />

Kerr und Kraus waren bereits 1911 aneinander geraten. 1928 kam es erneut zu einem Konflikt mit Kraus, der<br />

dem Pazifisten Kerr dessen Kriegsgedichte vorhielt. Beide Schriftsteller zogen vor Gericht, zogen ihre Anklagen<br />

aber zurück: Kerr weil er realisierte, daß sein Ansehen leiden würde, Kraus weil er die Chance sah, durch<br />

die Veröffentlichung der „Akte Kerr“ in seiner ‚Fackel’ (September 1928) Kerr ungehindert vorzuführen. Eine<br />

ebenfalls in der ‚Fackel’ angekündigte ‚Antwort und Abfuhr’ Kerrs erschien nie, der Streit zog sich hin.<br />

„Ich kenne Sie ...“<br />

283 KERR, ALFRED, 1867-1948. L.A.S. Berlin o.D. 1 S. gr.-4°. Auf Hotelbriefbogen. Kleine Einrisse. Linker<br />

Rand beschnitten. (CHF 300.00)<br />

An (die Sängerin Marya Freund).<br />

„... ich bedaure zweierlei: daß ich Sie jetzt verfehlt habe; und daß am Freitag verschiedne Premiéren sind. Ich kenne Sie:<br />

aus Ahnungen meiner schlesischen Kindheit; aus Erzählungen von Georg Henschel“ (der deutsch-englische Dirigent<br />

und Komponist Sir George H.), „in Aviemore; und aus Ihrem prachtvollen Ruf. Endlich aus einem Zusammensein<br />

mit Ihrem reizenden Sohn ...<br />

Erlauben Sie mir, entfernte Cousine, Ihre Hand zu küssen. (Jetzt, nach dem Theater) ...“<br />

284 KISCH, EGON ERWIN, aus Prag stammender, deutschsprachiger Schriftsteller und Journalist , der<br />

„rasende Reporter“, 1885-1948. L.A.S. Berlin 16.III.1930. 1 Einzelblatt folio, beidseitig beschrieben.<br />

(CHF 400.00)<br />

136<br />

Vergnügt-sarkastische Antwort auf die Kritik eines (vermutlich in Amerika lebenden) Bekannten an seinem<br />

Buch ‚Paradies Amerika’, das eben erschienen war.<br />

„… Aber zugegeben, dass der Durchschnittslohn und die Aufstiegsmöglichkeit in U.S.A. besser wäre, von ‚geistiger’<br />

Gleichheit dürfen Sie nicht reden! Jeder Schuljunge in Russland weiss mehr von <strong>Literatur</strong>, Nationalökonomie, Kunst,<br />

Politik, Wissenschaft als ein amerikanischer Durchschnittsprofessor.<br />

Gewiss, es ist eine Wissenschaft<br />

und eine Politik, die Sie ablehnen, es ist der Marxismus,<br />

es sind die Verhandlungen der Komintern, es<br />

ist Maxim Gorkij oder Meyerhold oder der Film-Eisenstein<br />

oder die ‚Prawda’, – aber das Interesse ist<br />

doch ungeheuer, lebhaft, fundiert, während in<br />

U.S.A. das Gladiatorentum blüht, wie im alten Rom:<br />

man hält sich Politiker, man hält sich Sportleute,<br />

man hält sich Zeitungen aus, auf die das Volk im<br />

Grunde nicht den geringsten Einfluss nimmt. Ja,<br />

sogar die Gesetze, die sie beschliessen, lehnt man fast<br />

100prozentig ab, (Prohibition z.B.) ohne sie (Gesetze<br />

und Gesetzgeber) darum ändern zu können.<br />

Nein, Russland kann man nicht mit Amerika in<br />

einen Topf werfen, auch wenn man kein ‚ekelhafter<br />

Kerl’ wäre. Aber darüber müsste man lange sprechen,<br />

und dieser Brief sollte ja nichts weiter, als<br />

Ihnen über Rasse und Weltanschauung und Ozean<br />

hinüber bestens zu danken…“<br />

1928/29 hatte Kisch eine mehrmonatige Reise<br />

durch die USA unternommen. Er schrieb auf<br />

dieser Reise eine Reihe von Reportagen unter<br />

dem Pseudonym Dr. Becker (!), die er 1930 unter<br />

dem Titel ‚Paradies Amerika’ veröffentlichte.<br />

Zuvor war 1927 sein Buch ‚Zaren, Popen und<br />

Bolschewiken’ erschienen.


285 KLABUND, Pseudonym für Alfred Henschke, deutscher pazifistischer Dichter und Kabarett-Autor,<br />

1890-1928. L.A.S. (Locarno-Monti) 7.XI.1918. 2 S. quer-12° (Briefkarte, mit Trauerrand). Mit frankiertem<br />

Umschlag mit Zensurbanderole. (CHF 400.00)<br />

An seinen Freund Fredi Kaufmann in München, dem er den Tod seiner Frau Irene (Brunhilde geb. Heberle)<br />

mitteilt.<br />

„Lieber Fredi, nun ist der Friede meiner Seele: Irene: dahin. Was sie mir war und was Ihr Wesen war, das werden nur<br />

die wenigen wissen, die sie kannten. Vielleicht nur Gott und ich. Sie war mein Himmel, zu dem ich Tag und Nacht aufsah.<br />

Sie war meine Erde. Nun bin ich entwurzelt. Wir haben umeinander gekämpft ... Irene braucht kein Engel wohl zu<br />

werden; sie war ein Engel, gütig bis zur Selbstaufopferung, tapfer wie ein Held ...<br />

Die große oder kleine Zeit, die jenseits meines Herzens beginnt, lärmt nur undeutlich an meinem Ohr vorbei. Was ich<br />

aus der Presse lese, ekelt mich unsagbar. Ich habe vor 3 Wochen mal einen Appell an Wilson gerichtet (Neue Zürcher<br />

Zeitung). Ich weiß nicht, ob Du ihn gelesen hast. Man ist ja wahrhaft machtlos. Vielleicht sollte man dem Himmel<br />

dankbar dafür sein, sofern man’s wahrhaft ist ...“<br />

Der Brief ist am 8. November in Locarno abgestempelt; am 9. November rief Scheidemann die Republik aus.<br />

286 KLABUND, 1890-1928. L.A.S. Gauting bei München 22.X.1921 1 Einzelblatt gr.-4°, die Vorderseite beschrieben.<br />

Faltenriss rückseitig mit Klebestreifen überklebt. (CHF 400.00)<br />

An einen Dichter, der ihm Gedichte zur Prüfung zugeschickt hatte.<br />

„Ihre Gedichte haben mich sehr interessiert. Ich finde einige ausgezeichnet und werde sie, mit Ihrem Einverständnis, veröffentlichen.<br />

Ihr Brief gibt mir erwünschte Gelegenheit anzufragen, wie es mit der Möglichkeit der Übertragung deutscher<br />

Dichtungen ins Englische für Amerika steht? Ich habe einige Romane, Novellenbücher, Groteskenbände geschrieben,<br />

von denen sich manches vielleicht eignen dürfte. Ich wäre Ihnen für Aufklärung dankbar…“<br />

Beiliegt eine Postkarte, die auf der Bildseite eine Marmorbüste Klabunds zeigt, darunter dessen Namenszug.<br />

Der an Carl Seelig gerichtete Text stammt nicht von Klabund.<br />

287 KLINGER, FRIEDRICH MAXIMILIAN VON, gab mit seinem Stück „Sturm und Drang“ der Epoche ihren<br />

Namen, 1752-1831. L.A.S. (St. Petersburg) 29.IV.1797. 2/3 S. 4°. Mit Siegelrest. Kleine Fehlstelle am<br />

oberen Rand durch Öffnen des Siegels. (CHF 1’800.00)<br />

137


Wohl an seinen Verleger (Johann<br />

Heinrich Hartknoch in<br />

Leipzig) in einer Geldangelegenheit.<br />

„Liebster Freund! Da ich so eben<br />

von meinem Schwager ... einen<br />

Wechsel auf die 20 Ducaten erhalte,<br />

so vermuthe ich, daß sie ihm<br />

dieselben nicht geschickt haben, u.<br />

er sie beym Banquier aufgenommen<br />

hat. Im Falle Sie es noch nicht<br />

gethan haben, so unterlaßen Sie es<br />

nur iezt. Sollte es aber geschehen<br />

seyn, so melden Sie mir es mit<br />

einem Worte, damit ich den Wechsel<br />

honorire, das ich aus dieser Ursache<br />

unterlaßen habe ... Ich hoffe,<br />

es geht Ihnen alles nach Wunsch,<br />

und schmeichele mir mit Ihren freundschaftlichen<br />

Andenken. – Da<br />

Nicolai Präsident der Akademie<br />

ist, so wenden Sie sich an mich,<br />

wenn etwas in diesem Geschäfte<br />

anstößt ...“<br />

Ludwig Heinrich Frhr. von Nicolay<br />

(1737-1820) wurde 1798<br />

Präsident der Russischen Akademie<br />

der Wissenschaften.<br />

288 KLOPSTOCK, FRIEDRICH GOTTLIEB, 1724-1803. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift und Hamburg<br />

14.VI.1776. 1 S. quer-8°. Dreiseitiger Goldschnitt. Leicht gebräunt und etwas fleckig. Verso<br />

schwache Montagespuren. (CHF 800.00)<br />

138<br />

„Tenacem propositi: virum Non ardor prava juventium Mente quatit solida / Klopstock“<br />

Auf der Rückseite ein eigenhändiger lateinischer Sinnspruch des Göttinger Pädagogen und Hymnologen J. E.<br />

Eyring (1739-1803).


289 KÖRNER, CHRISTIAN GOTTFRIED, Jurist, Freund Schillers, der Vater des Dichters, 1756-1831. Eigenhändiges<br />

Albumblatt mit Unterschrift Dresden 15.IV.1802. 1 S. quer-8°. Mit dreiseitigem Goldschnitt.<br />

(CHF 600.00)<br />

„Lieblich blühst Du mir auf, Du bleibst vom giftigen Mehlthau,<br />

Vom zerstörenden Frost, noch, mir zur Freude, verschont;<br />

Und – ich vertraue dem Schutz des gütigen Himmels – erquickend<br />

Ist mir am Abend dereinst noch Dein balsamischer Duft.“<br />

Wohl aus dem Album seiner Tochter, der späteren Malerin Emma Körner (1788-1815).<br />

Auf der Rückseite eine Eintragung seiner Schwägerin, der Malerin Dorothea Stock (1760-1832).<br />

Beiliegend eine L.A.S. seiner Frau Anna Maria geb. Stock an ihre Patentochter Johanna Streckfuß, Tochter des<br />

Dichters Karl St. (1838).<br />

290 KÖRNER, CHRISTIAN GOTTFRIED, 1756-1831. L.A.S. Dresden 19.XII.1811. 1 S. 4°. Mit Siegel und Adresse.<br />

Montagespuren. (CHF 250.00)<br />

An den Buchhändler Kummer in Leipzig.<br />

„Ew. Wohlgeb. ersuche ich um die Gefälligkeit, mir Wolfgang Jägers Geschichte Conrads II. Königs beyder Sicilien ... baldigst<br />

zu verschaffen und mit der Post zu übersenden. Den Betrag haben Sie die Güte sich von der Post geben zu laßen,<br />

oder von Ihrem Stadthauptmann Erkel zu erheben ...“<br />

291 KÖRNER, THEODOR, 1791-1813. Eigenhändiges Gedicht, betitelt „Räthsel“, mit Unterschrift „Theodor“<br />

und Datum (Karlsbad) 29.VII.1810. 1 S. 8°. Bläuliches Papier. Leicht fleckig. (CHF 750.00)<br />

„Ich schmücke still den schönsten Morgen,<br />

Längst vor der Sonne schon erwacht.<br />

In zarter Knospe zart verborgen<br />

Entfaltet sich der Rose Pracht.<br />

Bewunderst du des Mädchens Wangen,<br />

Die ich mit leisem Hauch geschmückt,<br />

Und fühlst du liebend dich gefangen,<br />

Es ist mein Reiz, der dich entzückt.<br />

Doch hängst du mir an jeder Saite<br />

Mit klugem Sinn zwey Zeichen an,<br />

So naht in zarter Anmuth Kleide<br />

Ein schönes Bild auf lichter Bahn.<br />

Dann nenn’ ich dir mit heil’gem Beben<br />

Des Nahmens süße Melodie,<br />

Es tritt das Ideal in’s Leben,<br />

Zur Wahrheit wird die Phantasie.“<br />

Auf der Rückseite von fremder Hand vermerkt:<br />

„Das Räthsel ist – Dorothea“. – Herzogin Dorothea<br />

von Kurland war Körners Patentante.<br />

139


„metaphysicians shut your trap”<br />

292 KOESTLER, ARTHUR, österreichischer<br />

Schriftsteller ungarischer Herkunft, 1905-<br />

1938. Eigenhändiges Manuskript „Wittgensteinomania“,<br />

in Englisch, mit zahlreichen<br />

Streichungen, Einschüben und Korrekturen.<br />

[London VI.1973]. 5 Einzelblätter gr.folio,<br />

jeweils die Vorderseiten beschrieben,<br />

meist mit Korrekturen auf den Rückseiten;<br />

vorliniertes Papier. Dabei eine L.S. (Begleitschreiben)<br />

ebenfalls in Englisch. London<br />

13.II.1974. 1 Einzelblatt kl.-4°, die Vorderseite<br />

beschrieben. Gedruckter Briefkopf.<br />

Mit dem dazugehörigen Couvert.<br />

(CHF 900.00)<br />

An den Verleger Robert Calmann Lévy (1899-<br />

1982) in Paris, dem er das Manuskript seiner<br />

kürzlich erschienenen Rezension für dessen Autographensammlung<br />

schickt, wie aus dem Begleitbrief<br />

erhellt:„Enclosed a recent manuscript for<br />

your collection. It is a review of a book on Wittgenstein,<br />

published by the Observer and included in ‚The<br />

Heel of Achilles’, where you will find all the details. I<br />

do hope the page proofs have reached you at long last<br />

(but they may have been addressed to Alain or just to<br />

the firm and not to you personally). / Amitiés /<br />

Koestler“<br />

‚Wittgensteinomania’ ist Koestlers Rezension von<br />

Alan Janiks und Stephen Toulmins Buch ‘Wittgenstein’s<br />

Vienna’, die am 3.VI.1973 im Observer<br />

erschienen war. Hier ein Auszug aus dem langen<br />

Text: „… The Tractatus became one of the most influential<br />

philosophical works of our century, the source of<br />

an esoteric cult, the dark oracle from which such diverse<br />

schools as Logical Positivism, the Vienna Circle and<br />

the Linguistic Philosophers at Oxford drew their inspiration. But unavoidably – as naïve non-philosophers would expect –<br />

their interpretation of Wittgenstein’s message was based on what he had written, and not on that second part which he had<br />

not written. And as far as the written text goes, the message could be summed up in a simple slogan: ‘metaphysi[ci]ans shut<br />

your trap.’ …”<br />

„In Deutschland wird es bald still wie auf einem Friedhof werden“<br />

293 KOLB, ANNETTE, deutsche pazifistische Schriftstellerin, 1870-1967. L.A.S. „Ihre Annette“. Sanary-sur-<br />

Mer 20.III.[1933]. 1 Einzelblatt 4°, beidseitig beschrieben. (CHF 750.00)<br />

140<br />

Erschütternder Brief aus der Emigration, an einen nur „cher ami“ bezeichnenden Freund, angeblich an Carl<br />

Jacob Burckhardt:<br />

„…Nicht ruhiger, sondern immer fürchterlicher soll alles werden. Bitte also kaufen Sie bald pro forma mein Haus mit<br />

Einrichtung, sagen wir das Haus zu 5000 Mark und die Einrichtung für 2500, diese kann nicht besteuert werden. Ich<br />

bleibe noch eine Woche länger hier, Ich hoffe, Sie verwünschen mich nicht. Was wir über Prag von Deutschland hören ist<br />

zu grauenhaft um es zu sagen. Theodor Wolff ist geflüchtet, wer gefangen sitzt wäre wohl besser tot! …“<br />

1923 hatte sich Annette Kolb in Badenweiler niedergelassen und ein Haus gebaut. 1933 emigrierte sie nach<br />

Paris, 1936 wurde sie französische Staatsbürgerin; 1941 floh sie weiter nach New York.


294 KOLB, ANNETTE, 1870-1967. L.A.S. „Lohn. Kehrsatz bei Bern“ 28.XII.1940. 3 1/4 S. kl.-4°. Etwas braunfleckig,<br />

am Kopf gelocht. (CHF 150.00)<br />

An Franz W. Beidler, einen Enkel Richard Wagners, und dessen Frau.<br />

„... Mögen Sie Beide einem erfolgreichen Jahr entgegen sehen. Wer kann noch von Glück reden, so lang es so aussieht.<br />

Neulich sah ich in einem grossen Musikerbuch ... ein so schönes Porträt Photo von Wagner aus dem Jahr 82 / bitte sagen<br />

Sie mir doch wo ich sie bekommen könnte ... Glück zum Cosimabuch ...“ – Beidlers Biographie seiner Großmutter<br />

„Cosima Wagner-Liszt“ wurde erst 1997 durch Dieter Borchmeyer in Bielefeld herausgegeben.<br />

295 KOTZEBUE, AUGUST VON, 1761-1819. Eigenhändiges<br />

Manuskript. 2 3/4 S. gr.-8°.<br />

(CHF 600.00)<br />

„Prolog“ zu einer Aufführung seiner Schauspiele<br />

„Die schlaue Witwe, oder Die Temperamente“<br />

und „Die barmherzigen Brüder“.<br />

„Sey herzlich gegrüsset und herzlich<br />

willkommen<br />

Wer eines Gatten Gefühle theilt!<br />

Die ihr die Ladung willfährig vernommen,<br />

u. Freude zu würzen herbey geeilt.<br />

Zwar hab’ ich nur wenig Euch anzubieten,<br />

Ergözlich für diesen gebildeten Kreis,<br />

Der gute Wille muß es vergüten,<br />

Der gute Wille gilt auch seinen Preiß.<br />

Auch darf ich am tröstenden Glauben mich<br />

halten,<br />

Ihr selber seyd schon zur Freude gestimmt;<br />

Und werdet willig die Herzen entfalten<br />

dem Funcken der mir im Auge glimmt ...“<br />

Es folgen 41 weitere Zeilen.<br />

296 – SAND, KARL LUDWIG, der Mörder Kotzebues,<br />

1795-1820 (hingerichtet). Eigenhändiges<br />

Stammbuchblatt, an Stelle des Nachnamens ein<br />

kleines Rechteck, beklebt mit drei Streifen aus verschiedenfarbigem<br />

Sand. Hof 1811. 1 S. quer-16°.<br />

Minimal gebräunt. (CHF 750.00)<br />

„Carl Ludwig [Sand] / aus Wunsiedel 1811 // Curiae Variscorum<br />

/ aufgehobener / Primaner des Gymnasii / daselbst.“<br />

141


142<br />

„Das tägliche Leben, das tägliche Sterben.<br />

Halten wir’s durch!“<br />

297 KRAUS, KARL, österreichischer<br />

Schriftsteller, Satiriker, 1874-1936. Eigenhändiges<br />

Manuskript, am Kopf bezeichnet<br />

„Eine prinzipielle Erklärung“.<br />

Arbeitsmanuskript mit zahlreichen<br />

Einschüben, Korrekturen und Streichungen.<br />

[November 1917]. 10 Einzelblätter<br />

8°, jeweils die Vorderseite beschrieben,<br />

am Kopf nummeriert, alle<br />

Blätter auf Korrekturabzüge der Zeitschrift<br />

‚Die Fackel’ fest montiert; auf 3<br />

Bl. Zeitungsausschnitte aufgeklebt; 2<br />

Bl. in der Größe und der Papierqualität<br />

abweichend. (CHF 10’000.00)<br />

Für den Druck in der „Fackel“ (Nrn. 484-<br />

498 vom Oktober 1918, S. 232-240) bearbeitetes<br />

Manuskript der Rede, die Kraus erstmals<br />

am 11. November 1917 gehalten hatte.<br />

Kaiser Karl I. versuchte damals, hinter dem<br />

Rücken Deutschlands, über seinen Schwager<br />

Sixtus von Bourbon-Parma einen Ausgleich<br />

mit den Entente-Mächten zu erreichen.<br />

Der österreichische Außenminister<br />

Ottokar Graf Czernin hatte in einer Rede<br />

einen Verständigungsfrieden gefordert<br />

und war für die allgemeine Abrüstung<br />

nach dem Krieg eingetreten; diese Rede<br />

war in der „Neuen Freien Presse“ als bloß<br />

taktischer „Handgriff“ ohne Bedeutung für<br />

die Bündnistreue und die Kriegsbereitschaft<br />

Österreichs interpretiert worden.<br />

„Es hat vor einigen Monaten einen Augenblick in der Weltgeschichte gegeben, wo die Hoffnung aufleuchtete, daß diese<br />

zerschundene Maschine, die Mensch genannt wird, wieder zum Menschen werden könnte, und weil diese Hoffnung in<br />

Österreich geboren wurde, war’s auch die Hoffnung, ein Patriot zu sein, Patriot im edelsten, längst nicht mehr vorräthigen,<br />

längst vergriffenen, längst ersetzten und verfälschten und nun plötzlich wieder lebendigen und heimatsberechtigten<br />

Sinne. Es waren Worte gesprochen worden, die mehr waren als Taten, denn sie waren die Erholung von Taten; Worte,<br />

deren letztes freilich wieder der Tat glich und darum dem Glauben die Aussicht auf Erfüllung entrückte. Dennoch, es<br />

war die Idee; nach dem verhängnisvollen Walten der Quantität doch etwas vom Geiste. Es war zum erstenmal aus dem<br />

Munde eines mitteleuropäischen Staatsmannes die Sehnsucht der Menschen bejaht worden, sich von dem furchtbarsten<br />

Erdenfluche, unter dem sie je seit Erschaffung ihren Nacken gebeugt hielt, durch ein Machtwort über sich selbst, also<br />

durch den Aufstand der Menschenwürde zu befreien, vom Militarismus nicht als einer wirtschaftlichen Last allein, sondern<br />

von dem Alpdruck der militaristischen Lebensanschauung, und nicht mehr jener, die einst als das Vorrecht eines<br />

Berufs das Leben auf die Spitze eines Säbels gestellt hat, sondern der Geistesrichtung, die das Leben unter dem Verhängnis<br />

tödlicher Zufallswirkungen und einer meuchelmörderischen Technik zum Ersatz für Menschenrechte und zur Sicherung<br />

merkantiler Interessen gefangen hält…<br />

Das tägliche Leben, das tägliche Sterben. Halten wir’s durch! Warten wir ab, wie lange diese Bedingungen ihre Tragfähigkeit<br />

und Geltung bewahren. Es kommt die Zeit, wo stärker als der siegreichste Staat die Erkenntnis sein wird, daß<br />

kein Machtzuwachs, aber selbst nicht die Machterhaltung den Verlust an Lebenswerten, den sie bedingen, lohnen kann.<br />

Ich spreche gegen die Hochverräter der Menschheit! Ich spreche im Namen einer Irredenta des sittlichen Ideals! Die in<br />

der deutschen Ideologie befangene Welt weiß es nicht, aber ich habe schon im Jahre 1914 nicht gezweifelt, daß dies ein Religionskrieg<br />

ist, geführt von der nüchternsten Welt gegen eine, die die eigene Nüchternheit mit abgelegten Machtfetzen<br />

‚aufmachen’ und gar exportieren wollte. Ich erlebe die Genugtuung, daß diese schmerzlichste Intuition nun von Männern,<br />

die im praktischen Leben das Lügen nicht erlernt haben, bestätigt wird…<br />

Im Schlußteil der Rede greift Kraus die Meldung in der „Wiener Allgemeinen Zeitung“ vom 30.Oktober 1917<br />

auf, daß nach dem Krieg die „Heldengräber und Soldatengräber“ touristisch genutzt werden sollen, wogegen


Kraus in scharfen Worten polemisiert: „… Gefallen zur Hebung des Fremdenverkehrs! Keine Heiterkeit, die sonst mit<br />

den Hanswurstiaden unserer Fremdenverkehrssehnsucht verbunden bleibt, dämpfe das Grauen dieser Idee … Meine Metapher<br />

ist wahr geworden: Wir lugen, schrieb ich, noch auf Leichenfeldern nach einem Fremdenverkehr und wir können<br />

es uns nicht versagen, schrieb ich, die endlich herankommenden Hyänen zu würzen. Nun wird es mir buchstäblich erfüllt!<br />

… Denn nie, solange ich Atem habe, werde ich zugeben, daß mir meine Freunde getötet wurden, damit einer aus<br />

Berlin, der daran verdient hat, ihre Gräber besichtigen käme und Geld unter die Leute komme…“<br />

Kraus hatte seine Rede am 11.XI.1917 erstmals gehalten. Im Anschluß an die Vorlesung schrieb er an Sidonie<br />

von Nádherny: „... Die Vorlesung ... Nun ist sie vorbei, und die Wirkung jener so wichtigen, unaufschiebbaren<br />

Rede (‚Verständigungsfrieden’, Czernin etc.) hat alles übertroffen. Der Saal war ganz starr und fand sich<br />

dann in einer Raserei, wie ich sie noch nie gehört habe ...“.<br />

Kraus überarbeitete den Text anschließend für den Abdruck in der ‚Fackel’, wo er am 15. Oktober 1918 erschien.<br />

1919 nahm Kraus die Rede in den ersten Band der Sammlung ‚Weltgericht’ auf.<br />

„Hat er auch sich, nicht nur die Welt geplagt?“<br />

298 KRAUS, KARL, 1874-1936. Eigenhändiges Gedicht, am Kopf bezeichnet „Franz Joseph“. 21 Verse, mit<br />

einigen Streichungen. [1920]. 1 Einzelblatt gr.-8°, die Vorderseite beschrieben. Schwach fleckig.<br />

(CHF 5’000.00)<br />

„Franz Joseph<br />

Wie war er? War er dumm? War er gescheit?<br />

Wie fühlt’ er? Hat es wirklich ihn gefreut?<br />

War er ein Körper? War er nur ein Kleid?<br />

War eine Seele in dem Staatsgewand?<br />

Formte das Land ihn? Formte er das Land?<br />

Wer, der ihn kannte, hat ihn auch gekannt?<br />

Trug ein Gesicht er oder einen Bart?<br />

Von wannen kam er und von welcher Art?<br />

Blieb nichts ihm, nur das Wesen selbst erspart?<br />

War die Figur er oder nur das Bild?<br />

War er so grausam wie er altersmild?<br />

Zählt’ er Gefallne wie erlegtes Wild?<br />

Hat er’s erwogen oder frisch gewagt?<br />

Hat er auch sich, nicht nur die Welt geplagt?<br />

Wollt’ er die Handlung oder bloß den Akt?<br />

Wollt’ er den Krieg? Wollt’ eigentlich er nur<br />

Soldaten und von diesen die Montur,<br />

von der den Knopf nur? Hatt’ er eine Spur<br />

von Tod und Liebe und vom Menschenleid?<br />

Nie prägte mächtiger in ihre Zeit<br />

jemals ihr Bild die Unpersönlichkeit.“<br />

Vermutlich Satzvorlage für den Druck in der Fakkel<br />

Nr. 551, XXII Jahr, August 1920, S. 18f.<br />

Darunter – mit der Überschrift „Erzherzog Friedrich<br />

/ Heroischer Vers“ – und ebenfalls mit einer Streichung<br />

und Korrektur: „Als er, im Kino geschah’s, sie<br />

da fallen sah, rief er: Bumsti!“<br />

Kraus arbeitete in veränderter Form die Anekdote<br />

in die „Letzten Tage der Menschheit“ ein (in der<br />

Erstausgabe: dritter Akt, 16. Szene: im Kinotheater<br />

des Hauptquartiers, S. 260).<br />

143


299 LAGERLÖF, SELMA, schwedische Schriftstellerin, erhielt 1909 als erste Frau den Nobelpreis für <strong>Literatur</strong>,<br />

1858-1940. L.A.S. Landskrona 21.IX.1893. 1 Doppelblatt 8°, davon 3 Seiten beschrieben. Vorliniertes<br />

Papier, leicht gebräunt und knittrig, winzige Defekte in den Rändern. (CHF 300.00)<br />

An den Schriftsteller und Übersetzer Ernst Brausewetter (1863–1904), der Lagerlöfs Roman ‚Gösta Berling’<br />

übersetzen wollte.<br />

[Übersetzung:] „Das wäre ein großes Vergnügen gewesen von einem so bekannten Schriftsteller wie Sie es sind, übersetzt<br />

zu werden, aber mein Roman Gösta Berling ist schon zur Übersetzung vergeben, wie auch einige Novellen, die ich<br />

kürzlich herausgegeben habe. Keine sind bis jetzt auf Deutsch herausgegeben worden, sollten aber in nicht zu langer Zeit<br />

erscheinen.<br />

Sehr wenige schwedische Romane sind dieses Jahr herausgekommen, sonst hätte ich vielleicht gewagt einige zu empfehlen.<br />

‚Titania’ von Axel Lundegård hat das meiste Glück gemacht. Ob der übersetzt ist, ansonsten wäre er sicherlich geeignet.<br />

Einer unsere besten Staatsmänner Freiherr Louis de Geer hat ein sichtlich vortreffliches Memoirenwerk herausgegeben,<br />

das eine Übersetzung verdienen würde. Das ist an vielen Stellen spannender als ein Roman, aber ich wage nicht zu<br />

sagen, ob es diesen Eindruck nur auf Schweden macht. Auszüge daraus könnten sogar in einem Familienblatt für sich<br />

stehen. Ein sehr unterhaltsames Buch ist auch eine Arbeit von Georg Nordensvan ‚Die Geschichte der schwedischen Malerei’.<br />

Aus dieser glaube ich, daß Sie Stoff für mehrere vorzügliche Artikel finden…“<br />

Lagerlöfs Roman ‚Gösta Berlings saga’ erschien 1891; in deutscher Übersetzung von Margarethe Langfeldt<br />

kam er 1896 heraus.<br />

„alles von Pomona“<br />

300 LA ROCHE, SOPHIE VON, geb. Gutermann, Freundin Wielands, Mutter von Goethes „Maxe“, Großmutter<br />

der Geschwister Brentano, 1730-1807. L.A.S. Speyer 10.XII.(1786). 4 S. 4°. Kleine Randeinrisse<br />

alt unterlegt. (CHF 1’200.00)<br />

144<br />

An einen Freund, bei dem sie sich – „vor meiner abreiße“ aus Speyer – gegen Vorwürfe wehrt, sie habe ihren<br />

kranken Mann im Stich gelassen, als<br />

sie im Herbst Frau v. Erthal, eine<br />

Schwester des trierischen Ministers v.<br />

Hohenfeld, als Gesellschafterin nach<br />

England begleitete.<br />

„... Dank sey Ihrem rechtschafenen Caracter<br />

daß Sie freymütig mir von den üblen<br />

nachreden schrieben welche ich Leide ...<br />

Der Himmel weiß daß ich sie nicht verdiene<br />

– man hat von dem kranken La Roche<br />

einen üblen gebrauch gemacht – aber ich<br />

kan nicht auf tretten zu reden – Gegen<br />

wenn müßte ich mich vertheidigen – gegen<br />

die Klagen eines verdienstvollen durch Geschäfte-Kummer<br />

und Krankheit geschwächten<br />

von sonderbaren Caractern<br />

eingenommenen Manns – und gegen eine<br />

Tochter – O mein Freund! daß kan ich<br />

nicht – doch dieß darf ich und Muß ich<br />

sagen – daß ich seit 1783 im May als La<br />

Roche mit v. Dalberg nach Spaa gieng –<br />

nicht f 600 von ihm für die Haußhaltung<br />

nahm sondern alles von Pomona hatte ...“<br />

– Die von ihr 1783 begründete Zeitschrift<br />

„Pomona für Teutschlands<br />

Töchter“ wurde bereits 1784 wieder<br />

eingestellt.<br />

„was die Klagen wegen meiner Reiße betrift<br />

– so bitte ich zu glauben daß ich unfä-


hig gewesen wäre den la Roche hier zu verlassen – aber da Er wohl nach Frankfurt gieng – u. mir Spaa u. Holland auf 6<br />

wochen erlaubt hatte weil ich doch nicht bey ihm gewesen sondern hier geblieben wäre – so bat ich die 6 wochen mit in<br />

Engeland zu seyn – der Himmel vergebe denen die daß Hertz deß La Roche beunruhigten und mir unrecht thun ... Solte<br />

Frau v. Erthal gegen mich sprechen – die so heiß mich liebte Eißkalt wurde – warum? ... sie ist Schwester deß edelsten<br />

Manns – aber nicht Edel – – – – wie Er –<br />

Keiner meiner Freunde soll eine solche Reiße mit ihr machen – thun was ich that – und erfahren was ich erfuhr ...<br />

Gott sey Zeuge daß ich wahr bin so sehr als ich Leide – u. ich Leide viel – recht viel ...“<br />

Im Dezember 1786 folgte sie widerstrebend ihrem kränklichen Ehemann Georg Michael Frank v. La Roche<br />

nach Offenbach.<br />

„Sie, und Clemens“<br />

301 LA ROCHE, SOPHIE VON, 1730-1807. L.A.S. Offenbach 22.VII.1805. 2 S. 8°. Minimal fleckig.<br />

(CHF 1’800.00)<br />

An die Schriftstellerin Sophie Mereau in Heidelberg, die seit 1803 in zweiter Ehe mit ihrem Enkel Clemens<br />

Brentano verheiratet war. – Das Ehepaar hatte soeben ein Kind nach der Geburt verloren.<br />

„Ich ... hätte wohl gewünscht, daß Sie nur einen von zwey urenkel hätten zeigen können[,] wie mich gefreut haben würde,<br />

Ihnen meinen Sohn Franz“ (gest. 1791) „vorzustellen – aber oft muß man sich sagen – Klopstok hat recht – das glük der<br />

besten menschen – besteht in Resignation, und in entbehren –<br />

Daß Sie sich in allen fällen, würden zu<br />

fasen wissen, bin überzeugt, wie von Ihrer<br />

liebenswürdigkeit – der himmel erhalte sie<br />

so – – der herzliche gruß von Clemens –<br />

freute mich – möge er nie eine seiner freuden<br />

so lang erwarten – so lang zu wünschen<br />

haben – ich weiß kein volkslied[,] aber<br />

die volks Comedie – die Schöpfung von<br />

einem Bernhardiner Mönch in Sch[w]aben,<br />

will [sie] wenn er sie nicht schon kent – für<br />

ihn aus dem manuskript copiren lassen ...<br />

Nehmen Sie liebe Frau! dieße blätter von<br />

mir an – der bramine, ist von einer Schülerinn<br />

des Clemens, aber die art wie ich ihn<br />

bekam ganz wahr“ (gemeint ist die „Geschichte<br />

eines Braminen“ von Caroline<br />

von Günderrode, die in Sophie von La<br />

Roches „Herbsttagen“ abgedruckt<br />

wurde).<br />

„diesen augenblik, den es [ist] zehn uhr,<br />

wird Loulou mit H[errn] Jordis getraut –<br />

daß Schiksal mache sie glüklich, wie ich<br />

wünsche daß Sie, und Clemens, es seyn<br />

mögen – Herr von Arnim dem mich empfehle,<br />

wird mit mir glauben – wenn zufriedenheit<br />

– mit dem maaß Schönheit der<br />

natur, im verhältnis ware, so hätte heidelberg,<br />

die glüklichsten menschen, amen ...“<br />

Clemens Brentano und Achim von<br />

Arnim, der ein Jahr zuvor von einer Bildungsreise<br />

durch Europa zurückgekehrt<br />

war, hatten mit der Materialsammlung<br />

zu „Des Knaben<br />

Wunderhorn“ begonnen. Sophie Mereau<br />

starb im selben Jahr im Kindbett.<br />

145


„im Bilde des menschl. Schädels“<br />

302 LAVATER, JOHANN CASPAR, schweizerischer Pfarrer, Philosoph und Schriftsteller, 1741-1801. L.A.S.<br />

Zürich 23.VII.1778. 1 Einzelblatt 4°, beidseitig beschrieben. Linker Rand mit Montagespuren und<br />

kleinen Ausrissen. Mit einer Nachschrift seines Freundes Johann Konrad Pfenninger (1747-1792).<br />

(CHF 1’500.00)<br />

146<br />

Herzlicher Brief an seinen „lieben Rheinhard“, vermutlich den jungen Karl Friedrich Reinhard (1761-1837), der<br />

damals die evangelische Klosterschule in Maulbronn besuchte. Lavater berichtet von einem Besuch beim berüchtigten<br />

Exorzisten Johann Joseph Gassner, über Lessings „Teufeleien“ (vermutlich die in diesem Jahr erschienenen<br />

Schriften zur Evangelienkritik), weiter über seine Lektüre und Pfenningers Arbeit am ‚Christlichen<br />

Magazin’, sowie von seiner Wahl zum Diakon der St. Peterskirche in Zürich.<br />

„…Seit der Zeit, mein Lieber, bin ich selbst bey Gaßnern“ – der seinerzeit sehr berühmte Wunderheiler und Exorzist<br />

Johann Joseph Gassner (1727-1779), der damals in Pondorf in Niederbayern lebte – „gewesen, und bin aufs<br />

neüe überzeügt worden, daß ich einen Menschen sehen muß, wenn ich von ihm urtheilen soll. Ich fand ihn ehrlich, dumm<br />

und höchst einfach in seinem sehr eingeschränkten Kreise. Er existiert in Nichts, wie in seinem Antidämonismus, und<br />

daher in diesem Felde seine Kraft, daher seine Weisheit sogar – bey seiner sonst erstaunlichen Geistesschwäche. Jeder


Mensch ist Genie, ist Wunderthäter, wenn sich seine Schöpfungskraft auf ein Feld conzentrirt. Apostolisches fand ich<br />

nichts bey ihm, so wenig als Trügliches. Er hat Ihnen liebreich nachgefragt …<br />

Ich habe vor etwa 3 Wochen mein schweres Amt, das mir nebst einer Seelsorge für 400 Personen und unfähige Nebengeschäfte<br />

4 öffentliche Aktionen in d Woche und zwar 3 immer 24 Stunden auflegt, angetreten. Ich wohn izt vor der Peterskriche,<br />

unmittelbar hinten vor Dr. Hirzels Haus in der Reblaube. Da bring’ ich nun den ganzen Tag zu, eße zu Mittag<br />

u. zu Nacht bey Hausen bis das Haus zugerichtet ist. In zween Monaten hoff’ ich, mit meiner Familie, einziehen zu<br />

können. Ich muß also mein väterlich Haus u. meine Zimm[er] verlaßen – doch gewinn ich dadurch Pfenningers Nachbarschaft.<br />

Nun noch einige andere Punkte. Die Brelocken“ – ‚Brelocken an’s Allerley der Gross- und Kleinmänner’ von Johann<br />

Jakob Hottinger (1750-1819) erschien 1778 in Leipzig – „hab ich gelesen und vergeßen. Sie sehen daraus, daß<br />

alle meine Hoffnungen, alle meine Ahnungen umsonst waren. Transeat cum ceteris. – Pfenninger arbeitet nun an einem<br />

christlichen Magazin. Wollten Herr Storh“ – der damals in Tübingen unterrichtende Gottlob Christian Storr<br />

(1746-1805), später Hofprediger in Karlsruhe – „u: Sie was einschicken, so weren Sie ihn und mich verbinden. Sollten’s<br />

auch nur Erklärungen einer wichtigen Stelle, einzeln Gedanken, Anekdoten für’s Christenthum seyn? – Leßings<br />

Teüfeleyen erschrecken u: erfreüen mich. Erschrecken wie eine überschwemmende Waßerflut! Erfreüen um des Wortes<br />

willen: ‚wenn die Menschen wider dich wüten so legest du Ehre ein; und wenn sie noch mehr wüten, so bist du auch noch<br />

gerüstet.’ …“<br />

Darunter von der Hand von Lavaters Nachfolger am Waisenhaus, Johann Konrad Pfenninger (1747-1792):<br />

„Mein theürer R! noch treff ich dieß Blatt einen Gruß beyzufügen; u: bekräftigg d obigen Bitte; du stehst in der Liste meiner<br />

vertrauten Gehülfen, lieber Bruder. Xstl. Lectüre für die mittlere Claße zwischen Gelehrten, u: dem Volke ist Zweck<br />

dieses M[a]g[a]zins. Send nächst, was du hast; ehe ich dir darüber schreibe. À Dieu. Pf.“<br />

Das ‚Christliche Magazin’ erschien von 1779-1784. 1778 war der abschließende vierte Band von Lavaters<br />

„Physiognomischen Fragmenten“ erschienen, die seinen europäischen Ruhm begründeten.<br />

Reinhard studierte von 1778 an in Tübingen Theologie und Philosophie; später ging er als Hauslehrer nach<br />

Frankreich. Nach der Revolution kam er in den Staatsdienst und arbeitete an verschiedenen Gesandtschaften.<br />

Nach Napoleons Staatsstreich vom 18. Brumaire war er während einiger Monate bevollmächtigter Minister in<br />

der Eidgenossenschaft.<br />

Aus der Sammlung Röttger, mit den typischen Bezeichnungen in roter Tinte.<br />

Siehe auch die Nr. 982.<br />

303 LAVATER, JOHANN CASPAR, 1741-1801. Eigenhändiges Gedicht. 1.IX.1792. 1 S. 16°. Verso Montagerest.<br />

(CHF 600.00)<br />

„unter ein Bild von einem Schädel unter Blumen, an denen ein Papillon schwebt.<br />

Rein ist alles dem Reinen, und groß ist alles dem grossen,<br />

Heilig dem Heiligen alles; aus allem lernet die Weisheit –<br />

Deine Kleinheit, Mensch, und Deine unendliche Grösse –<br />

Sieht sie klärer, als klar im Bilde des menschlichen Schädels,<br />

Sieht im schwebenden Sohne des Frühlings: Sieht in der Blume<br />

Schatten und Bild und Pfand von des Menschen Verwandlung in’s Schöne.“<br />

304 LENAU, NIKOLAUS NIEMBSCH, Edler von Strehlenau, genannt, 1802-1850. L.A.S. „Niembsch“. Hallstatt<br />

28.VIII.1839. 3/4 S. 8°. Mit Ringsiegel und Adresse. (CHF 2’000.00)<br />

An seine Freundin Sophie Löwenthal geb. von Kleyle in Ischl.<br />

„... In Eile einige Zeilen durch D. Brenner. Caroline“ (die Sängerin Karoline Unger, in die er sich verliebt hatte)<br />

„hat mich zu einem Ausfluge im Salzkammergut eingeladen u wir sind jetzt in Hallstatt vom Regen festgehalten. Morgen,<br />

wenn es etwas erträglich ist gehn wir weiter. Krummnußbaum werd ich nicht besuchen; vielleicht später allein. Den<br />

2. n oder 3. en bin ich wieder in Ischl ...“<br />

Castle Band I Nr. 71.<br />

147


305 LENZ, JAKOB MICHAEL<br />

REINHOLD, 1751-1792. L.A. mit<br />

von fremder Hand hinzugefügtem<br />

Namenszug. O.O.u.D.<br />

(Frankfurt a.M., Ende März<br />

1776?). 1/2 S. 4°. Leicht (unregelmäßig)<br />

gebräunt.<br />

(CHF 4’000.00)<br />

Wohl an den Frankfurter Advokaten<br />

Hieronymus Peter<br />

Schlosser, den älteren Bruder von<br />

Goethes Schwager Johann Georg<br />

Schlosser, in Emmendingen.<br />

„Ew. HochEdelgebohren werden<br />

gehorsamst ersucht gegenwärtiges<br />

Päckgen gedruckter Sachen mit eilf<br />

Dukaten beschwert an Dero Herrn<br />

Bruder Hn. Hofrath Schlosser in<br />

Emme[n]dingen aufs geschwinde -<br />

möglichste gütigst zu befördern.“<br />

Als Lenz im März 1776 von<br />

Straßburg nach Weimar zu<br />

Goethe reiste, empfing er in<br />

Darmstadt eine Geldsendung von<br />

15 Dukaten, zusammen mit dem<br />

ersten Exemplar seiner durch<br />

Herder zum Druck beförderten<br />

Komödie „Die Soldaten“. Auf der<br />

Weiterreise fand Lenz in den<br />

letzten Märztagen in Frankfurt<br />

Aufnahme bei Goethes Eltern, die mit dem Juristen Hieronymus Peter Schlosser (dem Bruder ihres<br />

Schwiegersohnes) gut bekannt waren. Schließlich ist in dieser Zeit von Bücher- und Geldsendungen, die Johann<br />

Georg Schlosser durch seinen jungen Freund Lenz erwartete, in dessen Briefwechsel wiederholt die<br />

Rede.<br />

In den Briefausgaben von Freye/Stammler (1918) und Damm (1987) nicht verzeichnet. Der mit dem Bibliotheksstempel<br />

Fritz Schlossers (des ältesten Sohnes des Adressaten) versehene Brief läßt sich jedoch u.a. in<br />

zwei älteren Antiquariatskatalogen nachweisen (Henrici 107/401, 1926, und Liepmannssohn 219/849, um<br />

1928). Er wurde zuletzt 1992 in einer gemeinsamen Auktion durch das Haus der Bücher, Basel, und J. A. Stargardt<br />

versteigert.<br />

Von größter Seltenheit.<br />

306 LERSCH, HEINRICH, 1889-1936. L.A.S. „Hein Lersch“. Anacapri 18.IX.1928. 1 S. gr.-4°. Rechter Rand<br />

ohne Textberührung schadhaft, Klammerspur. (CHF 250.00)<br />

148<br />

An den Journalisten Walter Zadek (1900-1992), Redakteur des „Berliner Tageblatts“.<br />

„... Daß Sie mit dem Stift an die Geschichte gegangen sind, kann ich verstehn, und trotzdem ich mich gleich hinsetzte<br />

und eine Umfassung vornahm, war es mir keine Enttäuschung: wenn Sie mir einen Beleg schicken, bin ich auf Ihre Streichungen<br />

gespannt. – Weil ich nun so ein alter Stock bin und nur schwer etwas dazu lerne, ist es mir grade Recht, von<br />

einem unbefangenen Stil-Kenner einen Rippenstoß zu bekommen ...<br />

Es hat mich gefreut, daß Sie mir Gelegenheit gaben, über meine alten Freunde etwas auszusagen. Die ersten zwölf Jahre,<br />

die ich bewußt lebte, war ich immer mit ‘Kesselschmieden’ zusammen, der berüchtigte Ein- und Ausbrecher Vogelpoth<br />

hat auch bei meinem Vater gearbeitet: bis vor drei Jahren waren immer die ‘Kerle’ meine besten Freunde. Ich wählte sie<br />

nicht –<br />

Soll ich Ihnen einige ‘Anekdoten’ von Kerlen erzählen? Wie sie der Ergreifung entgingen? Dramatische Szenen. ‘Wie sie<br />

dem Richter entgingen’ ...“


307 LERSÉ, FRANZ CHRISTIAN, Erzieher<br />

und Schriftsteller, Freund<br />

Goethes in Straßburg, 1749-1800.<br />

L.A.S. Colmar 27.IX.1780. 3 S. 4°.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

An eine Gräfin Wartensleben mit<br />

einem detaillierten Zeugnis für ihren<br />

Sohn, ein Zögling der von Gottlieb<br />

Konrad Pfeffel mit Unterstützung<br />

Lersés geleiteten „École militaire“ in<br />

Colmar.<br />

„... Il se fie trop à ses talens qui sont superieurs<br />

à ceux de tous nos Elèves actuels<br />

... Une chose à la quelle nous renonçons<br />

absolument, c’est l’espoir de lui<br />

inspirer de l’ordre dans ses affaires &<br />

une certaine attention pour sa parure ...“<br />

Von Pfeffel mitunterzeichnet. – Sehr<br />

selten.<br />

308 LESSING, GOTTHOLD EPHRAIM, 1729-1781. Eigenhändiges Stammbuchblatt mit Unterschrift Leipzig<br />

1.V.1765. 1/2 S. quer-gr.-8°. – Im Stammbuch des Theologie-Studenten Christian David Hohl (1739-<br />

1792) aus Weißenfels. Lederband der Zeit (etwas bestoßen) mit Rückenvergoldung und Zierleisten<br />

auf den Deckeln. (CHF 6’000.00)<br />

Lessing zitiert einen Hexameter aus dem vierten Buch (Vers 5) des „Astronomicon“ von Marcus Manilius:<br />

„Manilius.<br />

Victuros agimus semper, nec vivimus unquam!<br />

m[emoris] c[ausa] s[cripsit]<br />

Gotthold Ephraim Lessing<br />

Lipsiae 11. Maji 1765.“<br />

Die Eintragung stammt aus<br />

einem Lebensabschnitt Lessings,<br />

von dem nicht viele Zeugnisse<br />

überliefert sind. Auf der Reise<br />

von Breslau nach Berlin – nach<br />

der Trennung von General von<br />

Tauentzien – hielt Lessing sich<br />

von Ostern bis Mitte Mai 1765 in<br />

Leipzig auf, wo er auf der Messe<br />

mit Christian Felix Weiße und<br />

dem Verleger Nicolai zusammentraf;<br />

aus der Entstehungszeit<br />

von „Minna von Barnhelm“.<br />

Sehr selten.<br />

149


Das Stammbuch des Theologiestudenten enthält 132 weitere Eintragungen, meist von Studenten und Professoren<br />

der Universitäten Jena (1761-62) und Leipzig (1764-66), wo der Student sich 1759 (Leipzig) und 1761<br />

(Jena) immatrikuliert hatte. – Hohl war ab 1772 Prediger zu Erlau bei Waldheim.<br />

Unter den übrigen Eintragungen ragen die von Claudius und Gellert hervor:<br />

Matthias Claudius hat sich als 21jähriger Student in Jena am 12.I.1762 eingetragen: „Hagedorn. / – – Das Herz<br />

macht groß, und klein. / Hierdurch empfielet sich Ihrer Freundschaft ihr aufrichtiger Freund und Diener M. Claudius.<br />

aus Holstein.“ – Wohl eines der frühesten Claudius-Autographen, die je im Handel waren.<br />

Christian Fürchtegott Gellert hat sich in Leipzig am 29.X.1765 eingetragen („Verimus licitis ...“).<br />

Unter der Vielzahl von Gelehrten und Schriftstellern, die sich – zum Teil noch als Kommilitonen des Stammbuchbesitzers<br />

– außerdem eingetragen haben, sind hervorzuheben:<br />

die Philosophen C.A. Crusius, Christian Garve, J.C. Hennings und G.A. Tittel; die Philologen J.A. Ernesti, C.A.<br />

Klotz (von Lessing angegriffen) und H.G. Reichard; die Mathematiker L.J.D. Suckow und J.E.B. Wiedeburg;<br />

die Mediziner K.F. Kaltschmied und E.A. Nicolai; der Naturforscher E.I. Walch; die Theologen J.F. Hirt, J.C.<br />

Koecher, J.G. Tympe, J.G. Walch und F.S. Zickler; die Juristen C.G. Buder und J.A. Hellfeld; der Nationalökonom<br />

J.A. Schlettwein.<br />

309 LESSING, GOTTHOLD EPHRAIM, 1729-1781. Eigenhändiges Stammbuchblatt mit Unterschrift.<br />

O.O.u.D. 1/4 S. quer-gr.-8°. Dreiseitiger Rotschnitt. Leicht fleckig, kleiner Randeinriß repariert.<br />

(CHF 5’000.00)<br />

150<br />

Zitat nach Horaz:<br />

„Horat. Omnis Aristippum decuit color et status et res. m[anu] s[ua] sc[ripsit] Gotthold Ephraim Lessing.“<br />

Aus der Sammlung Wolbe (abgebildet in Wolbes „Spaziergänge im Reiche des Autographen“, S. 119).


310 LICHTENBERG, GEORG CHRISTOPH, 1742-1799. Eigenhändiges Stammbuchblatt mit Unterschrift.<br />

Göttingen 8.II.1768. 1 S. quer-gr.-8°. Dreiseitiger Goldschnitt. (CHF 2’500.00)<br />

Zitat aus Lessings Dichtung „Die Religion“:<br />

„Leßing<br />

Der gegenwärt’ge Punckt ist allzu kurtz zur Freude,<br />

Und doch so kurtz er ist, nur allzu lang zum Leide.<br />

Zum Andencken schrieb dieses<br />

Deroselben<br />

ergebenster Diener und Freund<br />

Georg Christoph Lichtenberg Math & Phys: Prof in<br />

acad: Ludov:“<br />

Aus seiner Hofmeisterzeit, in der er junge englische Adlige während ihres Göttinger Studiums betreute. – Den<br />

Professorentitel führte der 25-jährige Lichtenberg aufgrund seiner Berufung durch Landgraf Ludwig VIII. von<br />

Hessen-Darmstadt zum zweiten Professor für Mathematik an der Universität Gießen, der „Academia Ludovica“<br />

– ein Amt, das er nie angetreten hat.<br />

Sehr selten aus so früher Zeit.<br />

„Wenn du in diesem Schwantze nicht siehst, lieber Leser, den Teufel in Sauheit“<br />

311 LICHTENBERG, GEORG CHRISTOPH,1742-1799. Eigenhändiges Manuskript, am Kopf bezeichnet „Silhouetten“<br />

sowie unter einer ersten Zeichnung „Fragment von Schwäntzen“. [1777]. 1 Doppelblatt 4°,<br />

alle vier Seiten beschrieben, mit 3 Federzeichnungen. Mit etlichen Streichungen und Korrekturen.<br />

Geringfügig stockfleckig, kurze Einrisse in der Faltung. (CHF 18’000.00)<br />

Arbeitsmanuskript des ersten Teils seiner berühmten Satire auf Lavaters damals in Erscheinung begriffene<br />

‚Physiognomischen Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe’ (1775-1778), die<br />

Europa-weit Furore machten. Lichtenberg parodiert meisterhaft Lavaters larmoyante Art, seine zum Teil minimalistischen<br />

Darstellungen von Nasenprofilen oder Ohren mit großartigen Charakterattributen zu versehen,<br />

die er dann im Text ausführlich erläutert. Die erste Zeichnung zeigt zwei „Heroische, kraftvolle“ Schwänze,<br />

nämlich „Ein Sauschwantz“ und „Englischer Doggen Schwantz.“<br />

151


152<br />

Lichtenberg führt mit eisigem Spott dazu aus:<br />

„A.Wenn du in diesem Schwantze nicht siehst, lieber Leser, den Teufel in Sauheit, (obgleich hoher Schweinsdrang bey a)<br />

nicht deutlich erkennst den Schrecken Israels in c, nicht mit den Augen riechst, als hättest du die Nase drinn, den niedern<br />

Schlamm in dem er aufwuchs bey d, und nicht zu treten scheinst in den Abstoß der Natur und den Abscheu aller<br />

Zeiten und Völcker, der sein Element war - so mache mein Buch zu; so bist du für Physiognomick verlohren.<br />

Dieses Schwein, sonst gebohrnes Ur-Genie, luderte Tagelang im Schlamm hin; vergiftete ganze Straßen mit unaussprechlichem<br />

Mis[t]-Geruch, brach in eine Synagoge bey der Nacht und entweyhte sie scheußlich; fraß, als sie Mutter<br />

ward, mit unerhörter Grausamkeit 3 ihrer Jungen lebendig, und als sie endlich ihre Canibalische Wut an einem armen<br />

Kind auslassen wollte, fiel sie in das Schwert der Rache , sie ward von Bettelbuben erschlagen, und von Henckerknechten<br />

halb gahr gefressen.“<br />

Und zum Doggenschwanz erläutert Lichtenberg:<br />

„B.Der du mit menschlichem, warmem Hertzen die gantze Natur umfängst, mit andächtigem Staunen dich in jedes ihrer<br />

Wercke hineinfühlst, lieber Leser, theurer Seelenfreund, betrachte diesen Hundeschwantz und bekenne, ob Alexander,<br />

wenn er einen Schwantz hätte tragen wollen, sich eines solchen hätte schämen dürfen. Durchaus nichts weichlich-hundselndes,<br />

nichts“ – hier ist eine schöne Wortschöpfungen Lichtenbergs durchgestrichen: ‚damenschösigtes’ – „Zucker<br />

knapperndes, wintziges Wesen. Ueberall Mannheit, Drangdruck, hoher erhabener Bug und ruhiges, bedächtliches,<br />

krafftherbergendes Hinstarren, gleich weit entfernt von unterthänigem Verkriechen zwischen den Beinen und Hünerhündischer<br />

Wildwitternder, unschlüssiger Horizontalität. Stürbe der Mensch aus, wahrlich der Scepter der Erde fiele an<br />

diese Schwäntze.


Wer fühlt nicht hohe an menschlicher Idiotität gräntzende Hundheit in der Krümmung bey a. An Lage wie nach der Erde,<br />

an Bedeutung wie nach dem Himmel. Liebe, Herzens-Wonne Natur, wenn du dereinst dein Meisterstück mit einem<br />

Schwantz ziren willst, so erhöre die Bitte deines bis zur Schwärmerey warmen Dieners, und verleihe ihm einen wie B.<br />

Dieser Schwantz gehörte Heinrich des VIII ten Leibhund zu. Er hieß Cäsar, und war Cäsar. Auf seinem Halsband stand<br />

das Motto: aut casar, aut nihil, mit goldenen Buchstaben, und in seinen Augen eben dasselbe weit leserlicher mit Feuer.<br />

Seinen Tod verursachte ein Kampf mit einem Löwen, doch starb der Löwe 5 Minuten eher als Cäsar. Als man ihm zurief<br />

Marx der Löwe ist tod, so wedelte er dreymal mit diesem verewigten Schwantze, und starb als ein gerochener Held. / molliter<br />

ossa quiescant!“<br />

Hier folgt die dritte Federzeichnung, die die beiden Schwänze in Cameo-Form vereinigt.<br />

Darunter die Echtheitsbestätigung von Lichtenbergs Schülers Friedrich Kries (1768–1849): „Daß Vorstehendes<br />

des Götting. Lichtenbergs eigene Handschrift ist, kann ich bezeugen. Gotha den 16t Januar 1847.<br />

Fr. Kries.“<br />

Lichtenbergs Göttinger Kollege, der Arzt Ernst Gottfried Baldinger (1738-1804), ließ die Satire 1783 ohne Wissen<br />

Lichtenbergs im ‚Neuen Magazin für Ärzte’ (Band 5) veröffentlichen. Das Manuskript weist Abweichungen<br />

zum Druck auf. Auch fehlt im Druck die hübsche Cameo-Vignette am Schluß des Manuskripts.<br />

Beiliegt der Separatabzug des Erstdrucks, zusammengebunden mit zwei Lichtenberg betreffenden Nummern<br />

des ‚Morgenblatts für gebildete Stände’ von 1807. Halblederband von ca. 1870 mit goldgeprägtem Rückenschildchen,<br />

mit dem Exlibris Eduard Grisebach auf dem Innendeckel.<br />

312<br />

„Wer gibt mir sonst Geld?“<br />

LILIENCRON, DETLEV FREIHERR VON, 1844-1909. L.A.S. Alt-Rahlstedt 7.XI.1905. 3 S. gr.-8° (die 4. Seite<br />

von fremder Hand beschriftet). Leicht gebräunt. (CHF 250.00)<br />

An seinen Freund und späteren Biographen Heinrich Spiero über die Last seiner Vortragsreisen, zu denen er<br />

gezwungen sei, um seine Familie zu ernähren.<br />

„... Gestern kam ich von einer 21. Vorlesereise zurück u. fand 89 Briefe ... Es kommen Zeiten, wo ich über 100 Briefe usw.<br />

täglich bekomme. Na also. Hast Du oder weißt Du einen Platz für mich in einer Idioten-Anstalt? ...“ Einen geplanten<br />

Besuch müsse er absagen.<br />

„... Zu diesen Vorlesereisen bin ich gezwungen: Um meine Familie zu ernähren. Wer gibt mir sonst Geld? Keiner. Na,<br />

also! Wenns auch nur, wie in Münster, 150 M. sind, von denen ich nach Abzug der Reise ... 50-60 nach Hause bringe.<br />

Was habe ich eigentlich vom Dichter? Nichts als die schändlichsten Ekelhaftigkeiten (den ganzen Tag Briefe schreiben<br />

p.p.) Ich wollt, ich säß im Idiotenhaus! und sagt nur noch: Lalalalalalala ...“<br />

Beiliegend ein eigenhändiges Dankes-Billet mit Unterschrift (Alt-Rahlstedt 1901, mit Umschlag; montiert).<br />

313 LILIENCRON, DETLEV FREIHERR VON, 1844-1909. Eigenhändiges Gedicht mit Unterschrift. Alt-Rahlstedt<br />

19.II.1907. 2 S. 4°. Leicht lichtrandig. (CHF 450.00)<br />

„Jedem Menschen hat das Leben,<br />

Hat des Schicksals Wahl und Weben,<br />

Eh ers spürt, sich schon bejaht.<br />

Jeder Mensch wehrt sich vergebens,<br />

Da das Schicksal seines Lebens<br />

Schon in seiner Wiege ruht.<br />

Jeder Mensch, eh noch geboren,<br />

Ist dem Schicksal schon verloren,<br />

Das ihm folgt im Sturmgewirr ...“<br />

Es folgen zwei weitere Strophen.<br />

153


314 LÖNS, HERMANN, 1866-1914. L.A.S. „D[ein] Männe“. Hannover 31.I.1901. 1 1/2 S. gr.-8°. Mit Briefkopf<br />

der „Redaktion des Hannoverschen Anzeigers“. Unregelmäßig gebräunt. Kleine Klebefilm-<br />

Reparatur. (CHF 350.00)<br />

Wohl nach der ersten räumlichen Trennung an seine erste Frau Elisabeth geb. Erbeck („Meine liebe kleine<br />

Frau“), von der er sich im November scheiden ließ.<br />

„... Heute geht es mir etwas besser, Dir hoffentlich auch. Ich schicke Dir morgen Geld. Bitte, stelle mir den Wascheimer, –<br />

wenn Ihr ihn entbehren könnt – Schüsseltücher, Manschetten, Suppenlöffel, Theelöffel, Briefkasten, zurecht, daß Frau Jardaun<br />

(?) es abholt. Den Briefkasten kannst Du fest einwickeln und Alwine kann ihn, nachdem Du [die] Adresse darauf<br />

geschieben hast; in der Expedition abgeben. Ich muß meinen Namen darauf malen lassen. Sonnabend und Sonntag gehe<br />

ich wahrscheinlich zum Kahnstein. Nun lebe wohl, pflege Dich gut, gehe spazieren. Es wird schon Alles gut werden ...“<br />

315 LONGFELLOW, HENRY WADSWORTH, amerikanischer Schriftsteller und Dichter, 1807-1882. L.A.S.<br />

„H.W.L.“. Nahant, Mass. 11.VII.1864. 1 Doppelblatt 8°, die ersten 3 Seiten beschrieben.<br />

(CHF 750.00)<br />

An [Clara] Thies; in Sorge um seinen ältesten Sohn Charles, der bei starkem Wind mit einem Boot unterwegs<br />

ist, sagt Longfellow einen Besuch ab:<br />

„…Many thanks for your note, which passed mine on the way.<br />

The storm to-day prevents my coming. Mr. Thies will hardly be looking for me. I mean to come on Friday, rain or shine,<br />

but hope it will be shine.<br />

We had a violent gale of wind last night, and Charley has gone down the coast somewhere in a yacht, which makes me a<br />

little uneasy, and adds a little to the discomfort of this wet, windy day. You ought to be thankful that you have a quiet<br />

son! …“<br />

Louis Thies (gest. 1871) war ein aus Deutschland eingewanderter Kunsthistoriker; 1843 vermählte er sich mit<br />

Clara Crownshield (1811-1907), einer engen Freundin von Longfellows erster Frau Mary Potter.<br />

316 MADARIAGA Y ROJO, SALVADOR DE, spanischer Schriftsteller und Diplomat, 1886-1978. 4 L.A.S. und<br />

9 L.S. Paris, Genf, Madrid, London und Oxford 17.VIII.1933-19.XII.1963. Verschiedene Formate (4°-<br />

8°), davon 16 Seiten beschrieben. Verschiedene Briefköpfe. (CHF 750.00)<br />

154<br />

Alle Schreiben an den argentinischen Schriftsteller und (späteren) PEN-Präsidenten Antonio Aita (1911-1995)<br />

in Buenos Aires. Hauptsächlich über literarische Themen und Terminabsagen wegen seiner häufigen und<br />

weitläufigen Reisen in diplomatischer und literarischer Mission.


Genf 29.IX.1934; interessante Ausführung über das mangelnde Selbstbewusstsein der Lateinnamerikaner: „...<br />

De acuerdo en todo con los sentimientos que en [su carta] me expresa sobre el discurso de Yepes, así se lo indiqué al proprio<br />

interesado, pero si viniera V. por aquí se daría V. cuenta de que el mal que V. me apunta ha hecho ya muy profundos<br />

efectos en la psicología americana, hasta el punto de que ellos mismos se llaman latino-americanos, sin darse cuenta de<br />

que esta expresión falsa, hasta el punto de ser grotesca, es un sambenito y una desposesión de la palabra ‚americanos’, que<br />

es la verdadera designación española, portugesa o francesa del Continente ...“<br />

Oxford 4.III.1949: „... En cuanto al HAMLET creo que sería preferible leyera Vd. el libro en su forma española que [Antonio<br />

López] Llausás le entregará con gusto ... En estos últimos años mi labor de fondo ha sido la preparación del Bolívar<br />

que espero terminar para el verano ... Ya hace bastante tiempo que mi actividad internacional me roba muchos díasal mes<br />

de los que hubiera preferido dedicar a mi profesión literaria. En particular la presidencia de la International Library y la de<br />

la Sección Cultural del Movimiento Europeo me están dando cada vez más que hacer, aparte de constantes peticiones de<br />

colaboración por parte de UNESCO ...“ Beigelegt ist eine Kurzbiographie in Englisch und eine Liste seiner Bücher.<br />

Madariaga war von 1932 bis 1934 Botschafter in Paris, ebenso war er zwischen 1931 und 1936 Mitglied der<br />

spanischen Gesandtschaft beim Völkerbund. 1936 emigrierte er nach Oxford, wo er 40 Jahre spanische <strong>Literatur</strong><br />

lehrte. 1972 ließ sich Madariaga in Locarno nieder. Erst nach dem Tod von Franco kehrte er – besuchs -<br />

weise – nach Spanien zurück.<br />

317 MALLARMÉ, STÉPHANE, französischer Lyriker, Hauptvertreter des Symbolismus, 1842-1898. L.A.S.<br />

(Briefkarte). Paris IV.1894. 1 Einzelblatt quer-12°, beide Seiten beschrieben. (CHF 750.00)<br />

An den Kunstkritiker Raymond Bouyer<br />

(1862-1935?), dessen neuestes Buch er<br />

mit großem Vergnügen gelesen habe.<br />

„J’achève le Paysage dans l’Art: merci de<br />

cette lecture, ou causerie délicieuse intérieure<br />

comme on l’aimerait faire, elle envisage<br />

tant de mystères et les soulève feuille à<br />

feuille, avec charme toujours, raison au moment<br />

même ; ce qui est tout et rien ne va<br />

plus loin. Les mots exquis également d’amateur<br />

et de passionné, chez vous comme vous<br />

les faites se rejoindre, pour qui sont tout au<br />

long votre véracité ! …“<br />

Gedruckt in: Correspondance: compléments<br />

et suppléments. Oxford, 1998. Nr.<br />

MDCXLVI bis, S. 112f.<br />

„Savez-vous …“<br />

318 MALRAUX, ANDRÉ, 1901-1976. L.A.S. (Paris) „Le 26“ [ca. 1933]. 1 Einzelblatt 8°, die Vorderseite beschrieben.<br />

Gedruckter Briefkopf der Nouvelle Revue Française. Gelocht. Etwas verblaßt.<br />

(CHF 350.00)<br />

An die deutsche Schriftstellerin (Antonia Vallentin-Luchaire), die seit 1929 in Paris lebte. Heiterer Brief mit<br />

verschiedenen Neuigkeiten: Gaston Gallimard sei noch nicht aus Vichy zurück, Meyerhold arbeite Malraux’<br />

‚La Condition Humaine’ (1933) für die Bühne um, etc.<br />

„…Je v[ous] réponds des frivolités, G.G[allimard] n’étant pas rentré de Vichy. Dès qu’il sera là je répondrai à vos questions.<br />

Seul renseignement acquis: Querido demande pour Feuchtwanger beaucoup plus que v[ous] ne l’aviez fait en son<br />

nom – ce qui est d’un excellent effet… Meyerhold monte la Condition humaine pour Moscou, Paris et Londres.<br />

Savez-vous qu’à cinq heures les mosquées des Indes sont pleines d’écureuil du genre petit-gris? Pas érotomanes du tout.<br />

Oui. Et que les insectes sont amoureux, sentimentaux, et, j’espère, psychologues? Aussi. Bon. Savez-vous que le bazar<br />

des armes d’Isfahan est plein de petits chats? Savez-v[ous] …“<br />

155


319 MANN, GOLO, deutsch-schweizerischer Historiker und Schriftsteller, drittes der sechs Kinder Thomas<br />

Manns, 1909-1994. Eigenhändiges Manuskript (Fragment) in Französisch. Im Text datiert<br />

(Paris) 15.XII.1935. 2 Einzelblätter 4°, die Vorderseiten beschrieben; vorrastriertes Papier. Dazu: 1<br />

L.S. als Begleitbrief. Kilchberg 1.IX.1975 2 Einzelblätter gr.-8°, die Vorderseiten beschrieben. Mit gedrucktem<br />

Briefkopf. (CHF 800.00)<br />

Das Manuskript ist ein Fragment aus Golo Manns Tagebuch, das er einem Autographensammler als Geschenk<br />

überläßt. Im Begleitbrief geht er darauf ein: „…Ich kann mit der Hand überhaupt nicht mehr schreiben. Ich habe offenbar<br />

in der Grundschule nicht gut schreiben gelernt, konnte kaum je so schreiben, dass es für andere lesbar war, und<br />

jetzt kann ich es kaum auch noch für mich selber. Darum kann ich Ihre Bitte nicht erfüllen. Um aber doch etwas für Sie<br />

zu tun, schicke ich Ihnen zwei aufs Geratewohl herausgerissene Seiten aus einem Tagebuch, das ich in Vorzeiten führte,<br />

in den dreissiger Jahren als Junger Emigrant in Frankreich. Die beiden Seiten, beginnend mit dem 15.12.1935 enthalten<br />

zunächst ein langes Zitat aus der Histoire Socialiste de la Révolution Française von Jean Jaurès. Jaurès, selber Sozialist,<br />

kritisiert da Karl Marx, der die Tatsache, dass es damals in Deutschland nicht zu einer Revolution kam, zu einfach aus<br />

dem zurückgebliebenen Stand der deutschen Industrie erklärt. Unten auf der zweiten Seite, folgt dann ein Gedanke von<br />

mir, auf deutsch müsste es heissen: Das britische Reich, das so stark zur Zerstörung des Habsburgerreiches beigetragen<br />

hat, könnte eines Tages das gleiche Schicksal erfahren, und zwar noch zu meiner Zeit. …“<br />

Im November 1935 hatte Golo Mann, der Deutschland am 31. Mai 1933 verlassen hatte, ein halbjähriges Lektorat<br />

für deutsche Sprache und <strong>Literatur</strong> an der Universität in Rennes übernommen.<br />

Beiliegt eine große Portraitphotographie Golo Manns.<br />

320 MANN, HEINRICH, deutscher Romancier,<br />

der ältere Bruder Thomas Manns, 1871-1950. Eigenhändiges<br />

Albumblatt mit Unterschrift „Heinrich<br />

Mann“. Berlin 11.I.1928. 1 S. gr.-8°. Mit dreiseitigem<br />

Rotschnitt. (CHF 400.00)<br />

„Geehrtes Fräulein! / Ich warne Sie daher, mich wegen des Ringes<br />

fernerhin in irgend einer Weise zu belästigen, sonst müssten<br />

Sie allerdings gewärtigen, dass ich mein schonendes Verhalten<br />

aufgebe und Ihre unerlaubten Beziehungen zu mir<br />

publik mache. / Mit vollkommenster Hochachtung / Leon Stolzeneck<br />

...“<br />

321 MANN, HEINRICH, 1871-1950. L.A.S. Los Angeles 14.VI.1947. 1 Einzelblatt quer-4°, die Vorderseite<br />

beschrieben. Gelocht (mit geringem Buchstabenverlust). Schwache Spur von Buntstift (unterstrichenes<br />

Datum), etwas knittrig. (CHF 750.00)<br />

156<br />

Mann verhandelt mit einem Verleger die Konditionen für die Veröffentlichung von ‚Professor Unrat’ und ‚Der<br />

Untertan’ in verschiedenen Ländern des Ostblocks.<br />

„…Sie nennen mir das slovakische Angebot von 150 Dollars für Professor Unrat, 5000 Ex. mit Prozenten 7 ½ bis 10.<br />

Ich nehme an, die Anzahlung mit Check auf Amerika sogleich folgt.<br />

Für Man of Straw oder ‚Untertan’ bieten Sie noch keinen Preis. Sobald Sie einen kennen, bin ich bereit zu verhandeln;<br />

ebenso über andere Bücher in allen den erwähnten Ländern.


Von Es kommt der Tag existiert diese Ausgabe: Prˇijde Den, německá čitanka. Vydal Olomonc 1937.<br />

Copien ‚Untertan’ bekommen Sie am besten vom Aufbau Verlag Berlin, er hat eine neue Ausgabe…“<br />

Heinrich und Nelly Mann flohen zusammen mit Golo Mann und dem Ehepaar Werfel 1940 über Spanien und<br />

Portugal in die USA. Heinrich Mann blieben die USA immer fremd.<br />

322 MANN, KLAUS, der älteste Sohn Thomas Manns, 1906-1949. C.P.A.S. (Paris) 8.XII.1928. 1 Karte quer-<br />

8°, die Rückseite beschrieben. Die Bildseite zeigt den Eiffelturm. (CHF 300.00)<br />

An seinen Freund, den Journalisten,<br />

Musik- und <strong>Literatur</strong>kritiker Franz<br />

Goldstein (1898-1982) in Kattowitz:<br />

„…Vielen Dank für den Brief. Meine<br />

Adresse ist jetzt Hotel Foyot, 33, Rue de<br />

Tournon. – Leider bin ich nur bis zum 22.<br />

hier; danach wahrscheinlich München. Belegexemplare<br />

also nicht hierher. – 30 Jahre<br />

ist noch nicht schlimm. Und da Sie die rasche<br />

Jugend mit so viel Grazie und Esprit<br />

vollendet haben …“<br />

„Denn das Leben ist unsere Partei“<br />

323 MANN, KLAUS, 1906-1949. Typoskript (Durchschlag), am Kopf bezeichnet „Selbstmörder“, mit vollem<br />

Namenszug „Klaus Mann“ am Kopf, im Text einige eigenhändige Korrekturen. München<br />

16.IX.1930. 5 Einzelblätter gr.-4°, jeweils die Vorderseiten beschrieben. Klammerspur, das letzte<br />

Blatt leicht fleckig, das erste und das letzte Blatt mit kleinen Randschäden. (CHF 1’500.00)<br />

Nachruf auf seinen Freund Wolfgang D[eutsch], den Klaus Mann in der Odenwaldschule kennengelernt und<br />

in den er sich verliebt hatte, der sich 1930 in Cannes das Leben genommen hatte; dazu weitere Erinnerungen<br />

an andere Freunde, die ebenfalls den Freitod gewählt hatten.<br />

„Einer meiner Freunde, Wolfgang D., hat sich in Cannes erschossen. Er liebte Frankreich sehr, vor allem Südfrankreich;<br />

ich glaube, dass er noch einmal dorthin gereist ist, eigens um dort zu sterben. Ohne selbst Literat zu sein, verkehrte er<br />

hauptsächlich mit unseresgleichen. Er schien genussfreudig, liebte Bücher, Menschen und Landschaften mit einer starken,<br />

sinnlichen Glut. Dabei war in seinem Wesen etwas Zerrissenes und oft Forciertes; er lachte zu laut und hatte eine manierierte<br />

Art zu sprechen. Auf nicht reizlose Weise war er beinahe hässlich; sehr jüdisch, aber mehr mit einem Stich ins Spanische,<br />

als ins Oestliche. Ich war mit ihm zusammen auf der Odenwaldschule; schon damals fiel er durch eine gewisse Heftigkeit<br />

seiner Reaktionen auf, eine Exaltation seiner Gefühle und seiner Ansichten. Er war sowohl sarkastisch als<br />

sentimental, darin sehr jüdisch; dabei immer von einer gewissen Geziertheit, die vielleicht nur Ungeschicklichkeit war.<br />

Es fehlte ihm das Pathos der Distanz. Seine Gefühle trug er mit einer merkwürdigen Nacktheit an einen heran, deshalb<br />

neigte man dazu, sie für untief zu halten. Jetzt zeigt sich uns erst wie schrecklich ernst er es meinte … Ich traf ihn zuletzt<br />

vor ein paar Wochen, in einer gespannten Lustigkeit. Ich erinnere mich, dass er mir von einem Buche sprach, mit<br />

dem ich mich um diese Zeit besonders beschäftigte, dem Roman ‚Les infants [sic] terribles’ von Jean Cocteau. Mit einem<br />

geheimnisvollen Lächeln sagte er mir: ‚Das ist etwas ganz Besonderes, dieses Buch, nur wenige Menschen können das<br />

verstehen.’ Dieses wunderlich eingeweihte Lächeln hätte mich doch stutzig machen können, da ich so genau wusste, was<br />

an diesem gefährlich zaubervollen Buche das ‚Besondere’ war. Es machte mich aber nicht stutzig. Ich hielt es für literarisch,<br />

obwohl es schon ein tödliches Lächeln war…“<br />

Auch Klaus Mann sollte sich – knapp zwanzig Jahre später – in Cannes das Leben nehmen.<br />

324 MANN, THOMAS, einer der großen deutscher Schriftsteller des 20. Jhs., erhielt 1929 den Nobelpreis,<br />

1875-1955. L.A.S. Bad Tölz 24.XI.1913. 1 Einzelblatt 8°, beidseitig beschrieben. Briefkopf.<br />

(CHF 3’000.00)<br />

157


An den Kunst- und Musikhistoriker Oskar Bie (1864-1938), dessen Buch ‚Die Oper’ eben erschienen war.<br />

„Gestern Abend las ich bis tief in die Nacht hinein die Kapitel über Wagner in Ihrem Opernbuch – mit Entzücken; ich<br />

hatte große Lust, Ihnen die Hand zu drücken und Ihnen zu danken. So artistisch und zugleich so gefühlvoll hat vor Nietzsche<br />

nur [E.T.A] Hoffmann über Musik geschrieben und nach Nietzsche nur Sie. Ihre Auffassung der Erscheinung Wagner,<br />

der mächtigen Thatsache Wagner ist gesund und fein zugleich, – eine Erlösung für mich: von Chamberlain-Glasenapp<br />

einer- und diesem unangenehmen Herrn Ludwig andererseits. Nur im Zusammenhang mit der Oper, wie Sie ihn<br />

befragten, sieht man ihn in seinem rechten Licht, nur so vermeidet er die Liebe nicht, die ihm schließlich doch immer gehören<br />

muß. Es ist die Sublimierung der Oper, wie Ibsen die Sublimierung des bürgerlichen Schauspiels war, und Sie hätten<br />

mit Beziehung auf ihn die Notiz aus Ottiliens Tagebuch citieren können: ‚Alles Vollkommene in seiner Art muß über<br />

seine Art hinausgehen, es muß etwas Anderes Unvergleichliches werden’ …“<br />

Der Brief ist nicht enthalten in: Regesten und Register, Band I: Die Briefe von 1889-1933. Frankfurt 1976.<br />

„Recht, Freiheit und Menschlichkeit treten die Herrschaft an,<br />

und die von beiden geläuterten Völker schließen den Liebesbund“<br />

325 MANN, THOMAS, 1875-1955. L.A.S. München 30.I.1919. 1 Doppelblatt 8°, alle 4 Seiten beschrieben.<br />

Satzanmerkungen in Bleistift. Gestempelter Briefkopf „Thomas Mann München Poschingerstrasse<br />

1“. Alter handschriftlicher Besitzvermerk am Schluß. Bruch entlang der Querfaltung mit Japanpapier<br />

restauriert. Etwas unfrisch. (CHF 5’000.00)<br />

158<br />

In ironischem Ton gehaltener Leserbrief an die Frankfurter Zeitung, den angeblichen Plan der aliierten Heeresleitung,<br />

200’000 Kriegsgefangene für den Wiederaufbau Nordfrankreichs einzusetzen, betreffend.<br />

„Habe ich recht gelesen? Sie nehmen die Mitteilung ernst, die oberste Heeresleitung der Alliierten beabsichtige, die vom<br />

Kriege zerstörten Striche Frankreichs durch deutschen Frohndienst wieder instand setzen zu lassen und habe im Verfolg<br />

dieses Planes mit der Konzentration von 200000 deutschen Kriegsgefangenen im Norden des Landes begonnen? Sie<br />

rufen uns zum Protest auf gegen ein solches Vorhaben, das, wie Sie hinzufügen zu müssen glauben, allem Recht, aller<br />

Menschlichkeit, allen Gepflogenheiten gesitteter Völker Hohn spreche? Lassen wir uns nicht in April schicken. Die Franzosen<br />

sind lustige Köpfe, es wäre zu verwundern, wenn der Ausgang des Krieges ihnen nicht Laune machte, uns blöd<br />

glotzende Besiegte ein wenig zum Narren zu halten. Sie wollen uns erschrecken, uns außer uns bringen, uns in eine linkisch-pathetische<br />

Pose der Entrüstung jagen, damit wir desto komischer dastehen, wenn die Drohung sich als das erweist,<br />

was sie ist und sein muss, nämlich als Eulenspiegelei. Wie könnte es anders sein?


Das deutsche Volk ist in diesem Kriege nicht nur von der Übermacht seiner Feinde an Menschen und Material – es ist<br />

von ihnen auch moralisch überwältigt worden und dies vor allem. Es hat sich im Lauf dieser 4 ½ Jahre davon überzeugt,<br />

daß es für eine schlechte Sache oder vielmehr für gar keine Sache kämpfe, daß rückständige und rohe Gedanken es beherrschten,<br />

während auf Seiten seiner Gegner die Idee des Rechts, der menschliche Gedanke selber fechte. Hätte es sich<br />

nicht davon überzeugt, – kein Soldat und kein Politiker wird mir ausreden, daß es auch heute noch unbesiegt wäre. Es<br />

sah sich in die Hände von Feinden ergeben, an deren überlegener Sittlichkeit es endlich glaubte. Und nun sollte es glauben,<br />

der edelste dieser Feinde, der Lehrer der Menschheit, ihr Führer zur Demokratie, zur Tugend und zum Lichte, beabsichtige<br />

im Ernst, sich zum Sklavenhalter zu erniedrigen? ...<br />

Es ist tölpelhaft, von einem Scherzwort gallischer Kaustik viel Wesens zu machen, und es zeugt zuletzt von häßlichem<br />

Unverständnis für die Größe des Augenblicks. Die Tugend siegte. Recht, Freiheit und Menschlichkeit treten die Herrschaft<br />

an, und die von beiden geläuterten Völker schließen den Liebesbund …“<br />

Am Schluß eine Anmerkung eines Redakteurs: „…Diese ironische Art der Behandlung ist überaus fein und<br />

gefällt mir persönlich sehr. Eine andere Frage ist aber, ob dem europäischen Durchschnittsleser, für den diese<br />

Sachen bestimmt sind, soviel Verständnis zugemutet werden kann…“. Der Text wurde in der Abendausgabe<br />

der Frankfurter Zeitung und Handelsblatt am 4. Februar 1919 publiziert.<br />

Der Brief ist repertoriert in: Regesten und Register. Band I: Die Briefe von 1889-1933, Nr. 19/9, S. 259. Frankfurt<br />

1976.<br />

„immerhin einige Beziehungen“<br />

326 MANN, THOMAS, 1875-1955. L.A.S. München 4.II.1922. 1 2/3 S. gr.-8°. Mit gedrucktem Briefkopf.<br />

(CHF 2’800.00)<br />

(An Max Liebermann), den er bittet, die Titel-Illustration zu seinem „Felix Krull“ zu übernehmen.<br />

„... ich hatte niemals die Ehre, Ihnen bekannt zu werden, doch sind da immerhin einige Beziehungen familiärer Art, die<br />

es vielleicht weniger dreist erscheinen lassen, daß ich mich mit Folgendem an Sie wende.<br />

Der Wiener Rikola-Verlag beabsichtigt, ein Roman-Fragment von mir, ‘Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull’ als<br />

Luxusdruck herauszubringen und hat Ihnen den Wunsch vorgetragen, Sie möchten den Band mit einer Titel-Radierung<br />

schmücken. Der Verlag hält es für nützlich, daß ich sein Gesuch bei Ihnen unterstütze ... und so bitte ich Sie denn, Ihnen<br />

mit herzlichem Nachdruck sagen zu dürfen, daß es mir eine große Ehre und Freude wäre, eines meiner Bücher von Ihrer<br />

Kunst, die ich von jung auf bewunderte, verschönt zu sehen ...“<br />

Der in diesem Jahr erscheinende „Felix Krull“ wurde schließlich von Oskar Laske illustriert; Liebermann<br />

schuf drei Jahre später das Portrait zu Manns erster Werkausgabe.<br />

„Dürer, Goethe, Schopenhauer, Nietzsche, Wagner ... alles auf einmal da“<br />

327* MANN, THOMAS, 1875-1955. Eigenhändiges, vollständiges Manuskript, am Kopf bezeichnet<br />

„Dürer“. [1928]. 4 Einzelblätter folio, jeweils die Vorderseite beschrieben. Mit zahlreichen Streichungen<br />

und Varianten. Von fremder Hand foliiert und mit redaktionellen Anmerkungen mit Bleiund<br />

Rotstift versehen. Winzige Stockfleckchen. Kleine Randschäden (ohne Textverlust).<br />

(CHF 30’000.00)<br />

Druckvorlage des großen Essays über Dürer und Nietzsche, zuerst gedruckt am 18.VI.1928 in den „Hamburger<br />

Nachrichten“, anläßlich des 400. Todestages Dürers. Er beginnt:<br />

„Dürer kann ich nicht denken, ohne daß ein anderer näherer Name sich zugesellt: Nietzsches reiner und heiliger Name,<br />

in welchem Geschichte und Zukunft, auf eine Weise sich verbinden, daß, ihn anzurufen, tiefstes Erinnern und höchstes<br />

Hoffen auf einmal bedeutet. Durch das Medium Nietzsches habe ich Dürers Welt zuerst erlebt, geahnt, geschaut, mit dem<br />

Gefühl begriffen, wie ja die Jugend, zur Historie unlustig von Natur, des Altertümlichen kaum anders Gewahr wird, als<br />

durch das Moderne, das es nicht lehrt, aber durchscheinend dafür ist. Kommt des Nürnbergers Name bei Nietzsche vor?<br />

Ich wüßte nicht. Wenn er aber etwa von Schopenhauer spricht und seiner Autorität, die Wagners femininem Künstlertum<br />

asketischen Ideal überhaupt erst Mut gemacht habe, – wenn er sagt: ‚Was bedeutet es, wenn ein wirklicher Philosoph<br />

dem asketischen Ideale huldigt, ein wirklich auf sich gestellter Geist wie Schopenhauer, ein Mann und Ritter mit<br />

erzenem Blick, der den Mut zu sich selber hat, der allein zu stehen meint und nicht erst auf Vordermänner und höhere<br />

Winke wartet?’ – an was denkt er, oder, wenn er nicht daran denkt, was meint er bei dieser eigentümlich genauen und<br />

ausführlichen Beschreibung sittlicher Unmittelbarkeit und Männlichkeit? Ginge man fehl, wenn man an den Rand die-<br />

159


160<br />

ser Stelle den Namen Dürers schriebe? Man täte gut, die Lobeverschen hinzufügen, mit denen Goethe, ungeachtet gelegentlicher<br />

klassizistischer Mißlaune über ‚trübe Form und bodenlose Phantasie’ das Wesen von Dürers Kunst kennzeichnet:<br />

Ihr festes Leben und Männlichkeit,<br />

Ihre innere Kraft und Ständigkeit.’<br />

Dürer, Goethe, Schopenhauer, Nietzsche, Wagner – es wäre, an einer ‚Stelle’ mit zwei Randnotizen, alles auf einmal da,<br />

der ganze Schicksalskomplex und Sternenstand, eine Welt , die deutsche Welt mit dem ambitiösen Schauspielertum ihrer<br />

selbst, der zauberisch-intellektualistischen Zersetzung am Ende – und nicht am Ende. Denn neben dem großen Gaukler<br />

und Beschwörer steht der Seher und Überwinder, der Mythosselbst neben dem Theatraliker des Mythos, er, Held und<br />

Opfer, Verkünder neuen, höheren Menschentums.


Meine Jugend, so darf ich sagen, hinderte mich nicht, den Ethiker in Nietzsche zu erkennen zu einer Zeit, als seine Mode=<br />

und Gassenwirkung auf einen kindischen Mißbrauch des Übermenschen=Namens hinauslief. Die seelischen Voraussetzungen<br />

und Ursprünge aber der ethischen Tragödie seines Lebens, dieses unsterblichen europäischen Schauspiels von<br />

Selbstüberwindung , Selbstzüchtigung, Selbstkreuzigung mit dem geistigen Opfertode als herz= und hirnzerreißenden<br />

Abschluß – wo anders sind sie zu finden, als im Protestantismus des Naumburger Pastorssohnes, als in jener<br />

nordisch=deutschen bürgerlich=dürerisch=moralistischen Sphäre, in welcher das Griffelwerk ‚Ritter, Tod und Teufel’<br />

steht, und die auf allen Fahrten die Heimatsphäre seiner Seele geblieben ist? ‚Mir behagt an Wagner’, schrieb er Oktober<br />

1868 an Rohde, was mir an Schopenhauer behagt: die ethische Luft, der faustische Duft, Kreuz, Tod und Gruft.’ Das war<br />

um eine Zeit, als er Basel dreimal in einer Woche – der Karwoche – die Matthäus=Passion hörte … Kreuz, Tod und Gruft!<br />

Das ist ein weiteres Wesenselement der dürerischen=deutschen Charakterwelt, innig verschränkt mit jener ‚Männlichkeit<br />

und Ständigkeit’, jenem Rittertum zwischen Tod und Teufel: Passion, Kryptenhauch, Leidenssympathie, faustische<br />

Melencolia, – idyllisiert auch wohl zum frommen Stubenfleiß rezeptiven Friedens dessen Butzen malende Fenstersonne<br />

den Totenkopf wärmt, und dessen demütiger Kleinlichkeit Ewigkeitsblick und Größe gewahrt ist durch Sanduhr und lagernden<br />

Löwen …<br />

Mann hat sich wiederholt mit Dürer auseinander gesetzt. Dabei spielte Dürers Meisterstich ‚Ritter, Tod und<br />

Teufel’ (1513) eine zentrale Rolle. Mann bezeichnete ihn in seinen ‚Betrachtungen eines Unpolitischen’ (1918)<br />

als persönliches Zeichen und sah in ihm den Inbegriff von Nietzsches und seiner eigenen protestantisch-asketischen<br />

Weltsicht und ein faustisches, deutsches Meistertum. Er folgte darin der Nietzsche-Auffassung von<br />

Ernst Bertram (1884-1957). Mit dem aufkommenden Nationalsozialismus distanzierte sich Thomas Mann zusehends<br />

von Bertram, hielt aber an dessen Nietzsche-Auffassung fest, wie der vorliegende Aufsatz zeigt.<br />

Mann nahm den Text 1930 in „Die Forderung des Tages“ auf.<br />

Beilage: 1 Begleitbrief von Mann, L.S., Küsnacht 8.X.1936, bei Übersendung des Manuskripts an den Berliner<br />

Juristen und Wirtschaftsfunktionär Oscar Meyer (1876-1965), einen der führenden linksliberalen Politiker der<br />

Weimarer Republik.<br />

328 MANN, THOMAS, 1875-1955. L.A.S. München 29.XII.1929. 1 S. gr.-8°. Auf seinem Briefpapier. Leicht<br />

gebräunt. Mittelfalte brüchig (teilweise montiert). Mit Umschlag. (CHF 1’200.00)<br />

An Eugen Roth, damals Redakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, der ihn um einen Beitrag für ein<br />

„München-Büchlein“ gebeten hatte. – Am 10. Dezember war Thomas Mann in Stockholm der Nobelpreis verliehen<br />

worden.<br />

„... verzeihen Sie die verspätete Beantwortung Ihres Briefes! Ich bin seit mehreren Wochen stark überhäuft. Wollen Sie<br />

nicht an meinem guten Willen zweifeln, Ihnen ... zu dienen. Durch einen eigenen Artikel kann es leider nicht geschehen,<br />

aber mir ist Folgendes eingefallen. Bei dem Bankett im Rathaus neulich habe ich in Erwiderung der Ansprache des Oberbürgermeisters<br />

eine kleine Rede gehalten, die von München handelte und sich wohl umkonstruieren ließe ...“ – Das<br />

„Bankett“ hatte die Stadt München für den Nobelpreisträger bei seiner Rückkehr am 23. Dezember veranstaltet.<br />

„ungeheuer schwer, dem Juden im Allgemeinen<br />

eine bestimmte Zukunft zu prognostizieren“<br />

329 MANN, THOMAS, 1875-1955. L.S. Nidden 22.VIII.1930. 1 Einzelblatt gr.-4°, beidseitig beschrieben.<br />

Mit eigenhändigen Streichungen und Korrekturen. Der rechte Rand brüchig und mit kleinen Ausbrüchen<br />

(ohne Textverlust), Eckausrisse, alte Klammerspur, etwas vergilbt. (CHF 2’400.00)<br />

An einen ungenannten Herrn, der Thomas Mann nach dessen jüdischen Wurzeln und einer Einschätzung der<br />

Zukunft des Judentums fragte.<br />

„… Auf die Gefahr hin, Sie zu enttäuschen, muss ich feststellen, dass kein Tropfen jüdischen Bluts in mir fliesst. Das<br />

geht ja aus dem stark autobiographisch gefärbten Buch, das meinen Namen zuerst bekannt gemacht hat, dem Lübecker<br />

Patrizier- und Kaufmanns-Roman ‚Buddenbrooks’ deutlich hervor. Dagegen stelle ich eine deutsch-romanische Blutmischung<br />

dar, da meine Mutter das Kind eines deutschen Vaters und einer Brasilianerin aus Rio de Janeiro war.<br />

So viel, was meine Person betrifft…<br />

Bei der vollkommenen Heterogenität der jüdischen Menschheit auf Erden ist es ungeheuer schwer, dem Juden im Allgemeinen<br />

eine bestimmte Zukunft zu prognostizieren oder zu wünschen. Ich war kürzlich in Palästina und habe dort genug<br />

161


mit Zionisten verkehrt, um für den Gedanken einer Neubesiedelung dieses Landes durch die jüdische Rasse Verständnis<br />

gewonnen zu haben. Rein ideell würde es, glaube ich, für die gesamte Judenheit der Welt viel bedeuten, wenn sie hinter<br />

sich in ihrer historischen und mythischen Heimat einen solchen nationalen und kulturellen Rückhalt wüsste, wie ihn der<br />

Zionismus dort zu schaffen beabsichtigt. Eine Lösung der Frage für die sechzehn Millionen in der Welt zerstreut lebenden<br />

Juden ist das aber nicht, und eine einheitliche Lösung zu finden, die für jeden der vielfachen Typen in aller Welt passt,<br />

wird unmöglich sein. Die Wünsche, Bedürfnisse und Notwendigkeiten sind da zu verschieden, und sowohl Anpassung<br />

und Absorption, wie auch religiöse und rassenmässige Selbstbewahrung werden nebeneinander hergehen. Ich sollte denken,<br />

dass gerade in Anbetracht der religionsgeschichtlichen Tatsache, dass die unsere Kultur bestimmende Religion, das<br />

Christentum, eine Frucht des Judentums ist, die Möglichkeit durchaus einleuchtet, dass der europäische und amerikanische<br />

Jude auch unter voller Wahrung seiner Glaubensüberlieferung ein im Uebrigen durchaus angepasster Bürger seines<br />

Landes sein kann. Für meine Person würde ich dieses Ergebnis, das Treue und Anpassung vereinigt, für das glücklichere<br />

halten …“<br />

Mann hatte Palästina 1925 und 1930 bereist; er arbeitete damals an seiner Joseph-Tetralogie. – Am 17. Oktober<br />

1930 hielt Mann seine berühmte „Deutsche Ansprache“, in der er den Nationalsozialismus in nüchterner Unumwundenheit<br />

anklagte. Ebenfalls 1930 hatten die Manns mit dem Preisgeld des Nobelpreises das Sommerhaus<br />

in Nidden erstanden.<br />

Der Brief ist nicht repertoriert in: Regesten und Register, Band I: Die Briefe von 1889-1933. Frankfurt a. Main, 1976.<br />

330 MANN, THOMAS, 1875-1955. Brief (der Rundfunk-Werbefirma Warwick & Legler) mit eigenhändigem<br />

Vermerk und Namenszug Thomas Manns, New York 18.VII.1944, 1 2/3 S. gr.-4°. (CHF 800.00)<br />

An seinen Verleger Alfred A. Knopf in New York.<br />

Warwick & Legler lassen anfragen, ob Thomas Mann seinen Namen für eine Werbung der Tabak- und Zigarettenfirma<br />

Edgeworth, im Rahmen der Guy Lombardo radio show of ‘Musical Autographs’, zur Verfügung<br />

stellen wolle. Mann bestätigt mit seiner Unterschrift, ein „Edgeworth smoker“ zu sein, und nennt als Lieblings -<br />

schlager „‘Don’t put your daughter on the stage’ by Noel Coward“.<br />

Angeheftet 2 Durchschläge von Briefen Carolyn Staggs (beide o.O. 8.VIII.1944); zum einen mit einer Absage<br />

an Warwick & Leglar und zum anderen an Thomas Mann, dem sie von der Werbung abrät und vom Erfolg<br />

einer Wohltätigkeitsversteigerung berichtet: „... Only this morning I have had word on something which I am sure<br />

will please you. The copy of JOSEPH AND HIS BROTHERS which you inscribed and sent to the Bond Rally at Westport,<br />

Connecticut was auctioned off ... for the sum of $ 20,000. That was the largest offer made for a single copy of a<br />

book ...“<br />

Beiliegend eine L.S. von Thomas Mann, dem ebenfalls Zweifel gekommen waren, an Carolyn Stagg: „... I am<br />

sending you herewith the letter of Mr. Leglar with my signature, but I am rather doubtful, whether we should make use<br />

of it. I would like you to do so only in the case that Alfred Knopf thinks such a kind of advertisement really helpful and<br />

does not see any objection against it ...“ (Pacific Palisades 31.VII.1944).<br />

„ein Armutszeugnis“<br />

331 MANN, THOMAS, 1875-1955. L.A.S. Erlenbach-Zürich 24.VI.1953. 2 S. gr.-8°. Rechter Rand etwas beschädigt<br />

(Klebefilm-Spur). (CHF 1’200.00)<br />

162<br />

An einen Herrn („Rosenheim“), der ihm ein Gedicht übersandt hatte.<br />

„... Ihr Poem gäbe ich Ihnen am liebsten stillschweigend zurück. Es mag sein, dass ich zuviel zu lesen habe, und dass<br />

meine Receptionsfähigkeit darunter leidet. Aber ich habe an dem Vorgelegten nicht viel Freude gehabt. Die Zeit-Kritik<br />

darin ist vollauf berechtigt. Aber sie ist sehr oft geübt worden und wird hier nicht mit besonderer Kunst geübt. Gerade<br />

las ich einen guten Aufsatz von Anni Carlsson: ‘Der Schlußstrich, den die Lyriker und Kritiker unserer Epoche heute<br />

unter die Verskunst eines Jahrtausends ziehen zu können glauben mit der Begründung, dass der Poet nunmehr die veraltete<br />

Zwangsjacke des Reimes abgeworfen habe, um in freien Vers- und reimlosen Rhytmen unerforschte Wege zu<br />

beschreiben, läuft praktisch auf ein Armutszeugnis hinaus. Denn mit Vers, Reim, Strophe, ihrer Melodik und ihren subtilen<br />

Bewegungsgesetzen erhält das Gedicht nun einmal eine Dimension mehr, ein Plus an geprägter Form, an Klang,<br />

an Kunst. Keine Umwertung vonseiten derer, die diese Kunst nicht mehr beherrschen, kann an der Tatsache etwas ändern.’<br />

– Das ist mir ganz aus dem Herzen gesprochen.<br />

Sachlich sympathisch war mir die Zusammenstellung Russlands und Amerikas, die in der Tat viel mehr Gemeinsamkeiten<br />

haben, als sie selber wissen ...“


332 MANN, THOMAS, 1875-1955. C.P.A.S. „Ihre Thomas und Katharina Mann“. Noordwijk 7.VII.1955. Kleiner<br />

Einriß. (CHF 600.00)<br />

Ein Monat nach seinem 80. Geburtstag an Franz W. Beidler, einen Enkel Richard Wagners, in Zürich.<br />

„Einen schönen Gruss von der Noord-Zee, wo es bis jetzt hundekalt war, sich nun aber sanfter anlässt. Kann wieder in<br />

meiner Hütte vor der Brandung schreiben. Wir haben Sie zu wenig gesehen in den Geburtstagstagen, die die liebe<br />

Schweiz so rührend beging. Hoffentlich Anfang August in Kilchberg! ...“<br />

„eine melancholische Einrichtung“<br />

333 – MANN, KATHARINA (KATIA), geb. Pringsheim, seine Ehefrau, 1883-1980. 1 L.A.S. und 1 L.S. Ragaz<br />

14.VI.1937 und Arosa o.D. 4 S. folio und kl.-4°. Gelocht. (CHF 400.00)<br />

Von zwei Kuraufenthalten an Franz W. Beidler („Lieber Jungele“), einen Enkel Richard Wagners.<br />

1937. „... Von Ihrer letzten Vorlesung haben wir noch viel gesungen und gesagt und freuen uns, wenn wir wieder<br />

zuhause sind, bald wieder etwas zu hören. – Hier ist es recht trist. Badeorte sind ja an sich eine melancholische Einrichtung,<br />

drückend heiss ist es auch in diesem Tale, und vor allem zeigt sich die Wirkung der Kur zunächst in einer akuten<br />

Verschlimmerung des Zustandes. Die Aerzte sind sehr erbaut von dem schönen Erfolg, aber für den Patienten ist es ein<br />

rechtes Kreuz. Er fühlt sich arg angegriffen, kann sich garnicht beschäftigen, weil er immer Schmerzen hat ...<br />

Mit Russland, das ist wohl grauenhaft. Aber auch Heinrich Mann hatte noch ganz kürzlich einen Artikel in der Weltbühne,<br />

wo er es als den Hort der Demokratie pries ...“<br />

O.D. „... Leider weiß ich auch nicht genau zu sagen, in welchem Teil der Serie das wagnertrunkene Spießerpaar Verdurin<br />

vorkommt; ich denke am ehesten in ‘Du Coté de Guermante’, bin aber nicht ganz sicher.<br />

Hier ist es ganz schön und erholsam, und tut meinem Mann, wie der selige Hofmannsthal zu sagen pflegte, sehr gut.<br />

Mir wahrscheinlich auch, aber ich habe zu viel zu schreiben ...“ – Im Waldhotel in Arosa hatte Thomas Mann seinerzeit<br />

den „Zauberberg“ zu schreiben begonnen.<br />

334 MAUPASSANT, GUY DE, französischer Schriftsteller, 1850-1893. L.A.S. Paris 4.III.1886. (Poststempel).<br />

1 Einzelblatt quer-12° (Briefkarte), beide Seiten beschrieben; grauer Karton. Briefkopf. Mit dem dazugehörigen,<br />

eigenhändig adressierten Couvert. (CHF 1’200.00)<br />

An die Fotografin Hortense Howland (1835-1920) in Paris, deren Einladung er wortreich und charmant annimmt.<br />

„Oui, Madame, avec le plus grand plaisir,<br />

et toujours avec le plus grand plaisir.<br />

Je suppose d’ailleurs que vous le<br />

voyez bien, sans qu’il soit nécessaire de<br />

vous le dire, car il est impossible qu’une<br />

femme ne sache pas qu’on entre joyeusement<br />

chez elle. Nous ne défendons<br />

cette liberté dont vous parlez que contre<br />

ceux ou celles qui ne nous plaisent<br />

guère – quant aux autres, rien ne nous<br />

est plus agréable que de leur donner<br />

tout ce qu’elles veulent prendre de cette<br />

liberté …“<br />

Hortense Louise Delaroche-Laperrière<br />

war die Gattin des wohlhabenden<br />

Amerikaners William Edgar<br />

Howland. Sie lebte von ihrem<br />

Mann getrennt, verkehrte im Pariser<br />

Künstlermilieu u.a. mit Degas,<br />

den Halévys, Maupassant und Proust<br />

und war als Amateurfotografin<br />

tätig.<br />

163


335 MAURIAC, FRANÇOIS,<br />

französischer Romancier und<br />

Kritiker, seit 1933 Mitglied<br />

der Académie française, er -<br />

hielt 1952 den Nobelpreis, 1885-<br />

1970. Eigenhändiges Manuskript<br />

(Fragment). Malagar<br />

14.VII.1938. 7 Einzelblätter 4°,<br />

davon 8 Seiten beschrieben. Die<br />

Blätter wurden unsorgfältig aus<br />

einem Heft gerissen, die linken<br />

Ränder sind unregelmässig (geringer<br />

Wortverlust). Goldschnitt.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

Über den Zeitraum von mehreren<br />

Tagen auf seinem Landgut Malagar<br />

im Garonnetal, nahe der Stadt<br />

Langon, niedergeschriebene Notizen,<br />

die Mauriac später zu einem<br />

Artikel für den „Figaro“ ausarbeitete.<br />

Mauriac beschreibt zuerst seine Eindrücke bei Ankunft auf dem geliebten Familiengut, in dem er jedes Jahr von<br />

Ostern bis zur Weinlese lebte und das ihn seit dem ersten Aufenthalt im Sommer 1903 fesselt und das alle seine<br />

Sinne anspricht: „Après une journée de Paris où j’ai reçu des Espagnols, des Basques, des Polonais, où j’ai causé avec un<br />

archiduc, un dominicain, un ministre – tout à coup se trouver à Malagar, au cœur de ce Juillet fauve – avec la mouche bourdonnante<br />

de mon enfance, avec cette voix toujours la même a leur cheval, des hommes qui sulfatent la vigne… [L’insignifiance<br />

totale de nos gestes je la connais. J’en prends connaissance dans ce parfum de la vigne chauffée]. Il existe un rapport<br />

que je démêle mal entre l’insignifiance totale de nos gestes et le parfum de la vigne chauffée. Me voici à l’une des extrémités<br />

de ce grand corps qu’on appelle une nation et qui ne prend conscience de cette solidarité terrible que lorsque les cloches<br />

sonnent la guerre …“<br />

Auf der Scholle könne der Mensch noch glücklich sein, da sowohl die unausweichlichen Prüfungen als auch<br />

das Glück menschliche Dimensionen behalten hätten. Gefahr drohe dem Volk vor allem durch größenwahnsinnige<br />

Ideen von Diktatoren, wie etwa Mussolini: „Il n’est pas de pire malheur pour un peuple que d’être obligé de<br />

s’égaler à l’idée qu’un grand homme se fait de lui. L’Italie moderne condamnée à incarner l’idée imbécile de Mussolini et<br />

qui la paye déjà du plus grand malheur qui put lui arriver: ce peuple devorant sur sa frontière. Ces avanturiers que leur<br />

génie précipite dans la faute qu’un Roi d’intelligence mediocre aurait su éviter … Il n’est pas de pire malheur pour une<br />

nation et pour les peuples vaincus, que d’être condamné à égaler l’idée qu’un audacieux se fait d’elle … Moussolini fixé<br />

à jamais sur ces frontières italiennes l’Allemagne dévoratrice – comme Napoléon a fixé sur les notres l’Italie et l’Allemagne:<br />

ces hommes dont ce n’est pas le métier que de conduire leur peuple. Ces rêveurs que sont les … hommes qu’on<br />

devrait avoir le droit de fusiller …“<br />

Mauriac engagierte sich bei der katholischen Linken („Renouveau catholique“); im zweiten Weltkrieg war er<br />

der Résistance nahe.<br />

336 MAY, KARL, Abenteuerschriftsteller, einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller, 1842-1912.<br />

L.A.S. Radebeul-Dresden 3.I.1907. 2 S. 4°. Mitunterschrieben von Klara May, seiner zweiten Frau.<br />

Mit Briefkopf „Villa Shatterhand“ und eigenhändig adressiertem Umschlag. Schwach gebräunt.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

164<br />

An den Schriftsteller Leopold Gheri, Redakteur des „Kunstfreund“ in Innsbruck, dem das Ehepaar zum Tod<br />

seiner Mutter kondoliert.<br />

„... Diese unsere Theilnahme ist aufrichtig und herzlich, doch ohne zu jammern und zu klagen. Die Todtenklage überlassen<br />

wir allein Denen, die nicht glauben. Für uns aber ist, aufrichtig gestanden, der Tag der Geburt ein Trauer- und der<br />

Tag des Todes ein Freudentag. Wir können im Tode nichts Anderes sehen, als die beglückende Erlaubniß, zum Vater heimzukehren,<br />

und diese Erlaubniß gönnen wir allen Denen, die an ihn glauben und sich zu ihm empor, zum Himmel sehnen.<br />

Zu diesen gehörte die liebe Heimgegangene gewiß ...“


„Aber wirklich erlebt ist Alles!“<br />

337 MAY, KARL, 1842-1912. L.A.S. Radebeul 19.IV.1907. 1 Doppelblatt 4°, alle 4 Seiten beschrieben. Briefkopf<br />

der ‚Villa Shatterhand’. Alle Falten durchgebrochen und behelfsmäßig fixiert. Unfrisch.<br />

(CHF 2’400.00)<br />

An Kurt Sachs in Gotha, der ein Werk über May geschrieben und ihm mit der Bitte zugesandt hatte, ihm zur<br />

Publikation zu verhelfen. May nimmt kritisch Stellung dazu:<br />

„… Sie meinen es mit Ihrem Manuscript sehr gut mit mir. Ich sage Ihnen herzlichen Dank. Leider ist es mir unmöglich,<br />

Ihnen behülflich zu sein, es in Druck zu geben. Mein Verleger Feshenfeld nimmt es nicht, und wenn ich Etwas dazu<br />

thäte, würde man mir sofort wieder den Vorwurf machen, es sein von mir beeinflusst, aus Eitelkeit!<br />

Ganz selbstverständlich liegt es mir fern, das kleine Werk rezensieren zu wollen; auf einige Punkte aber muß ich Sie doch<br />

aufmerksam machen, um Ihnen Angriffe und Kränkungen zu ersparen, falls ein Verleger das Manuscript für geeignet<br />

halten sollte, veröffentlicht zu werden:<br />

Seite 3: Ich habe mit E.T.A. Hoffmann nichts gemein. Wenn Sie mich mit ihm vergleichen, wird man über Sie herfallen.<br />

Wozu auch solche Vergleiche? ...<br />

Seite 7: Die Himmelsgedanken sind keine lyrischen Gedichte, sondern etwas ganz Anderes. In ‚Natur und Kultur’ stand<br />

kürzlich sogar zu lesen: ‚diese Gedichte als Lyrik zu bezeichnen, das würde, obgleich sie nur aus innerster Seele klingen,<br />

einem Armuthszeugniß gleichbedeutend sein!’ Sie sehen, es ist nicht leicht, sondern sehr gefährlich, Recensionen zu<br />

schreiben! ...<br />

Marah Durimeh, eine zarte, sinnige und bescheidene Gestalt? O nein, mein Lieber, sondern das Gegentheil: Stark, fest,<br />

energisch, unbeirrt, ohne Furcht, eine Heldin sonder Gleichen! Bitte nehmen Sie sich vor solchen Fehlern in Acht!<br />

Seite 14: Sie sagen, ich habe meine Erlebnisse nie als wahr hinstellen wollen. Das ist grundfalsch. Ich habe stets behauptet,<br />

dass ich nur Selbsterlebtes schreibe. Aber wo ich es erlebt habe, äußerlich oder innerlich, das ist meine Sache. Meine<br />

Erzählungen sind doch bildlich zu nehmen. Was scheinbar in fernen Ländern geschieht, ist theils dort wirklich erlebt und<br />

theils auf fremden, seelischen Gebieten geschehen. Aber wirklich erlebt ist Alles!<br />

Sie sprechen immer von 30 Reisen. Das ist falsch. Sie meinen wohl 30 Bände? ...“<br />

165


338 MAY, KARL, 1842-1912. C.P.A.S. London 1.XII.1908 (Poststempel). (CHF 800.00)<br />

Ebenfalls an Kurt Sachs; Bildpostkarte mit der Darstellung, die „Karl May bei den Tuscarora Indianern“ zeigt.<br />

„Herzlichen Gruß aus Old England, auf der Heimreise von Amerika. / Karl May.“<br />

Karl May bereitete sich fast vier Jahre lang auf seine Amerika-Reise vor, er kam erst im September 1908 in New<br />

York an. May unternahm mit seiner Frau Klara eine Reise an die Niagarafälle und zur Reservation der Tuscarora-Indianer,<br />

wo die vorliegende Photographie entstand – das einzige Foto, das May mit Indianern zeigt.<br />

Beilagen: 3 von May signierte Postkarten (Text von fremder Hand) an denselben, Radebeul und Niagara Falls<br />

14.III., 13.IV. und 1.X.1908. Die Bildseiten zeigen „Karl May am Morgen d. 25. Februar“ (an seinem Geburtstag,<br />

auf einem Stuhl in einem Blumenmeer sitzend), die Niagarafälle und ‚Karl May bei den Tuscarora-Indianern’.<br />

339 MEYER, CONRAD FERDINAND, Zürcher Lyriker und Erzähler, 1825-1898. L.A.S. Küssnacht 18.III.1876.<br />

1 S. gr.-8°. (CHF 1’200.00)<br />

(An den Bankier Caspar Ott-Trümpler), Mitglied des Großen Rates von Zürich, eine Verabredung betreffend.<br />

„... Wenn Sie mir die Freude Ihres Besuches machen wollen, werde ich Ihnen gern – nach bestem Wissen – über den Davoser<br />

Kulm, wo ich – 1871 – einen längeren Aufenthalt gemacht habe, die gewünschte Auskunft geben. Ich bewohne gegenwärtig<br />

hier den Wangensbach, den Sie ja wohl kennen. Ein Sie ankündigendes Telegramm würde die Möglichkeit<br />

mich nicht zu treffen, beseitigen ...“<br />

340 MEYER, CONRAD FERDINAND, 1825-1898. L.A.S. „cfmeyer“. Kilchberg „Ende Mai“ 1881. 1 Doppelblatt<br />

gr.-8°, alle vier Seiten eng beschrieben. Mit einer großen lithographierten Vignette (Ansicht seines<br />

Hauses) am Kopf. Gebräunt, Tinte durchschlagend, Einrisse in den Fälzen (alt fixiert) und im Rand.<br />

(CHF 7’500.00)<br />

166<br />

Wunderbarer Brief an die Schriftstellerin Luise von François (1817-1893), die er über „Irrthümer“ in seinen<br />

„Personalien“ aufklärt und ihr einen Abriß seines Lebens und Schaffens gibt.<br />

„… Also. Ich bin kein med. Doct. – den Doctor hat mir die hiesige Universität neulich ohne mein Wissen und Wollen<br />

honoris causa gegeben – ebenso wenig ein Nachkomme des vortreffl. Goethemeyer. Aus einer alt-städtischen Zürcherfamilie<br />

stammend, verlor ich früh meinen Vater, einen Staatsbeamten u. wuchs unter einer höchst geistvollen und liebenswürdigen<br />

aber überzarten Mutter u. mit gefährlichen Elementen in meinem Naturell zieml. wild auf, ebenfalls langehin<br />

von bedrohter u. auch jetzt keineswegs von fester Gesundheit, viel reisend, bes. in Italien, viel studirend, namentl. alte<br />

Sprachen u. Geschichte, hin u. wieder etwas schreibend, vorzugsweise in französischer Sprache (ich habe lang in Lausanne,<br />

Genf u. Paris gelebt) oder einen französischen klaßischen Historiker wie Augustin Thierry ins Deutsche übersetzend,<br />

aus dessen Conquête de l’Angleterre auch meine Bekanntschaft mit Thomas Beket datirt…<br />

Dann verheiratete ich mich mit einer Tochter des Obersten Ziegler, einer angenehmen u. mir treu ergebenen Frau und<br />

siedelte mich bleibend hier oben (siehe vorn die schlechte Vignette) nahe bei Zürich an…<br />

Ein Berufsschriftsteller bin ich nicht. Dazu fehlen mir der Ehrgeiz (ich weiche der Reputation eher aus als daß ich sie<br />

suchte), die Routine u. auch die Modelle – denn ich habe einen einsiedlerischen Hang. Am liebsten vertiefe ich mich in<br />

die vergangenen Zeiten, deren Irrthümer (und damit den dem Menschen inhaerirende allgemeine Irrthum) ich leise ironisire<br />

und die mir erlauben, das Ewig-Menschliche künstlerischer zu behandeln, als die brutale Actualität zeitgenössischer<br />

Stoffe mir ... gestatten würde.<br />

Über den ‚Dynasten’ habe ich mich wahrscheinlich in meinen letzten Zeilen unklar ausgedrückt – davon ein ander Mal.<br />

Wie viele Sujets liegen noch daneben u. wer weiß, welche ich behandeln kann und darf.<br />

Die Auskunft über die Reckenburgerin hat mir große Freude gemacht, wie mir überhaupt jede Zeile von Ihnen lieb u.<br />

wertvoll ist…“<br />

Einer der ersten Briefe aus der Korrespondenz, die Ostern 1881 begann und bis 1891 andauerte. Louise von<br />

François’ Hauptwerk, der mit großer Anerkennung aufgenommene Familienroman ‚Die letzte Reckenburgerin’,<br />

war 1871 erschienen.<br />

Der Brief ist gedruckt in: Bettelheim, Anton (Hrsg.). Louise von François und Conrad Ferdinand Meyer. Ein<br />

Briefwechsel. Berlin, 1905. Nr. 6.


341 MEYER, CONRAD FERDINAND, 1825-1898. L.A.S. Kilchberg 15.IX.1896. 1 S. kl.-4°. Mit geprägtem Monogramm<br />

am Kopf. (CHF 500.00)<br />

An einen Herrn. „... Empfangen Sie auch meinerseits den herzlichsten Dank für Ihre beiden von Ihnen so fein ausgeführten<br />

Bilder, die auch mir Freude machen ...“<br />

342 MIEGEL, AGNES, 1879-1964. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift 1 S. 4°. Minimale Faltenrisse.<br />

Kleines Fleckchen am rechten Oberrand. (CHF 150.00)<br />

„Du in den Mutterarmen<br />

der Güte, hab Erbarmen, –<br />

Noch lebt Dein Volk in unserm Volke, Kind!<br />

Nr. 340 Conrad Ferdinand Meyer<br />

Du Sonne, tau die harten<br />

in Gram und Groll erstarrten<br />

Herzen der Unsern, daß wir wieder Brüder sind!“<br />

„My German is O. Ça veut dire – schrecklich!”<br />

343 MILLER, HENRY, amerikanischer Romancier, 1891-1980. L.A.S. Pacific Palisades 5.XII.1969. 1 Einzelblatt<br />

folio, die Vorderseite beschrieben. Gedruckter Briefkopf in Schwarz, am Fuß Millers deftiges<br />

portugiesisches Motto („Quando merda tiver valor pobre nasce sem cu“) am Fuß in Rot. Kleiner<br />

Faltenriss. (CHF 500.00)<br />

An Freunde in Deutschland, die eine Art Henry-Miller-Fan-Club gründen wollen.<br />

„Liebe Freunde – / I am not quite sure I understand what you mean in your letter of Nov. 7th. Is it a H.M. Club you are<br />

167


forming as in Hannover and München? What do you hope to accomplish? Get some one, please, to write me in English,<br />

won’t you. My German is O. Ça veut dire – schrecklich!<br />

I enclose some announcements about a documentary film. Maybe one day we will show it in Hamburg. The pink card<br />

(Gift Certificate) is for any one you think needs it. / Herzliche Grüsse! / Henry Miller“<br />

„Der Schwester zum Geburtstag“<br />

344 MÖRIKE, EDUARD, 1804-1875. Eigenhändiges Gedicht, betitelt „Auf einen Geburtstag.“, nachträglich<br />

signiert. (1841.) 1 1/2 S. 8°. Schwach gebräunt. (CHF 6’000.00)<br />

„‘Sie ist mündig!’ Sagt mir, Leute,<br />

Wie versteh’ ich dieses Wort?<br />

Ach, ein Kind war sie bis heute,<br />

Bleibt sie das nicht immerfort?<br />

Hingen denn vor einem Jahre<br />

Um dieß Morgenangesicht<br />

Kindlicher die blonden Haare<br />

Und in goldenerem Licht?<br />

Zögen heut zu diesem Herzen,<br />

Frommgeartet, hold und rein,<br />

Andre Freuden, andre Schmerzen,<br />

Ganz ein neues Wesen ein?<br />

Und, zu glänzen aller Orten,<br />

Würde sie der großen Welt,<br />

An Geberde, Sitt’ und Worten,<br />

Ihren Schwestern gleichgestellt?<br />

Nein! ein Engel dieser Erden,<br />

Ohne Wandel bleibet sie;<br />

Eine Fürstin kann sie werden,<br />

Eine Dame wird sie nie!“<br />

Von G. Baumann in den „Sämtlichen Werken“<br />

unter dem Titel „Zum zehnten Dezember“ mit<br />

dem Kommentar gedruckt: „Der Schwester zum<br />

Geburtstage, als sie 25 Jahre alt wurde; noch bis in<br />

die 1860er Jahre wurde man in Württemberg erst<br />

in diesem Alter volljährig.“<br />

„la griffe du grand créateur“<br />

345 MONTESQUIOU, ROBERT DE, französischer symbolistischer Schriftsteller, Freund Prousts und Joris-<br />

Karl Huysmans’, 1855-1921. L.A.S. O.O.u.D. „17 Mai“. 1 Doppelblatt 8°, davon zwei Seiten beschrieben.<br />

(CHF 150.00)<br />

168<br />

An einen Herrn, dem er eine Auswahl seiner Gedichte für einen Rezitationsabend vorschlägt.<br />

„… J’ajoute que, sans la première forme de votre projet, j’avais fait choix de cinq sonnets pour être récités par Madame<br />

S. Weber. Il est difficile de donner à moins ‚une impression’ un peu forte d’une œuvre importante. C’étaient le I, le XXXIV<br />

(en retranchant au 9ème vers le mot lui, qui est une faute d’impression.) le LXXVI et les deux suivants.<br />

Groupe qui composait – et dans l’ordre indiquée, un ensemble caractéristique, en une récitation de moins de cinq minutes …“<br />

Robert de Montesquiou war eine der schillerndsten Gesellschaftsfiguren des Fin de siècle. Berühmt wurde er<br />

vor allem als Vorbild für Romanfiguren von Marcel Proust (Charlus in ‚ A la recherche du temps perdu’), Joris-<br />

Karl Huysmans (Des Esseintes in ‚A rebours’) und Jean Lorrain (Comte de Muzaret in ‚Monsieur de Phocas’).


346 MONTHERLANT, HENRY DE, französischer Schriftsteller und Dramatiker, 1895-1972. 2 L.A.S.<br />

O.O.u.D. [Neuilly/Paris ca. 1925]. 3 Einzelblätter folio, je die Vorderseite beschrieben. Luftpostpapier.<br />

Ein Blatt mit kleinem Defekt. (CHF 300.00)<br />

Der erste Brief an seinen Freund, den Schriftsteller und Dichter Nicolas Beauduin (1881-1960), Dank für dessen<br />

Rezension von Montherlants 1924 erschienenem Werk ‚Les Onze devant la porte dorée’ (1924):<br />

„Merci pour votre envoi, – que je n’ai pas encore pu lire, mais où on voit au premier coup d’œil la griffe du grand créateur.<br />

Et merci aussi, bien tardivement, pour votre article sur les onze. ‚Il n’a pas connu les contradictions de ceux de mon<br />

âge’. Oh! Oh! ‚Il na pas de ceux qui servent à la fois Dieu et Mammon…? Hélas! Hélas! Il me semble au contraire que<br />

toute ma tragédie (pour employer le vocabulaire d’il y a 25 ans) est de vouloir concilier l’inconciliable; et, au moins, d’alterner<br />

ce que j’échoue à fondre!<br />

Mais comment ne me complairais-je pas dans votre défense du ‚magicien du verbe’? et de la prétendue ‚rhétorique’. En<br />

réalité, ce que certains confrères ont en horreur, c’est le solide, le lyrisme et la force. Vous avez bien dû sentir cela aussi<br />

contre vous. –<br />

Dans quelques jours je vous envoie mon Verdun, - temple sans Dieu.“<br />

Sowohl ‚Les Onze devant la porte dorée’ als auch ‚Chant funèbre pour les morts de Verdun’ waren 1924 erschienen.<br />

– Im zweiten Brief beklagt er, daß ein Gedichtband ihn nicht erreicht habe, weil er aus Neuilly weggezogen<br />

sei.<br />

Beilage: 1 L.S. Montherlants, Paris 27.XII.1961, an den argentinischen Schriftsteller und PEN-Präsidenten Antonio<br />

Aita in Buenos Aires, mit einer Absage.<br />

347 MONTHERLANT, HENRY DE, 1896-1972. L.A.S. O.O. 12.IX.1954. 2 S. 8°. Etwas unfrisch. (CHF 200.00)<br />

Wohl an einen Publizisten.<br />

„... vous savez bien que ceux qui ont vos idées n’ont droit aujourd’hui, en France, qu’à ce collier avec la lettre S, signifiant<br />

silence, collier des chevaliers de Chypre, que j’évoque dans Santiago ...“ – Ferner über seine Kandidatur für die<br />

Académie: „Je ne poserai jamais ma candidature à l’Académie, et en conséquence ne ferai jamais de visites de candidature.<br />

Mais, si j’apprenais un soir que les Académiciens m’ont élu, j’accepterais cette élection ...“<br />

1960 wurde de Montherlant in die Académie française gewählt.<br />

„meine unvollkommene Künstlernatur wird stets zum Extravaganten neigen“<br />

348 MORGENSTERN, CHRISTIAN, deutscher Erzähler und Lyriker, Übersetzer von Ibsen und Strindberg,<br />

1881-1914. L.A. mit Namensnennung im Text, unterzeichnet „Dein theurer Freund u. Gefangener“.<br />

Sorau 21./22.X.1890. 1 Doppelblatt 8°, alle 4 Seiten eng beschrieben. (CHF 4’000.00)<br />

Überschwenglicher Jugendbrief an seinen „geliebten Herzensfreund“, den späteren Schauspieler Friedrich<br />

Kayssler (1874-1945).<br />

„…Weißt Du, wir sind ja noch junge Leute, wir werden schon einmal den Tag erleben, welcher eine Reihe von wunderbar<br />

schönen Wandertagen eröffnet; dann ziehen wir nach dem Süden, auf die Alpen oder auch über die Alpen, oder wir<br />

wandern auch nur bis in meine liebe, schöne bayrische Heimat an den still-träumerischen, doch im Tiefsten wild-erregbaren<br />

Walchensee, von dem die Sage geht, daß er einst das Bayernland überschwemmen werde; und wir legen uns weltvergessend<br />

an die gottdurchatmete Brust der einsamen Natur, tief im Gebirg, wo uns kein Mensch stört in unsern Träumen,<br />

in unsrer Liebe. O mein Freund, wenn ich solche Tage einst verleben dürfte…<br />

Das ist hübsch, daß Du den ‚zerbrochenen Krug’ in Szenen setzen willst, ich sage ja, ganz Wilhelm Meister! Du wirst<br />

wohl das Bärbele machen, was? Na, all Heil dazu! Grüße übrigens Beblo herzlich…<br />

22. Oktober. Heute bin ich in eigenartiger Stimmung[.] Das ist so eine, siehst du mein Lieber, von der ich dir an jenem<br />

Abend sagte, sie könnte Großes hervorbringen – doch ach ich bin festgeschmiedet, sie verfliegt, u. wird sie später, wenn<br />

ich frei bin in gleicher Stärke wiederkehren?...<br />

O Fritz, ich glaube, ich werde nie ein Büchermensch werden, meine unvollkommene Künstlernatur wird stets zum Extravaganten<br />

neigen. Ich verwünsche meinen schwachen Kopf, der mich nicht befähigt inmitten meiner Umgebung unnahbar<br />

dazustehen, nur ergeben der strengen Arbeit. Nun genug – Nulla vestigia retrorsum! Das soll die Christian Morgenstern’sche<br />

Devise sein u. sie soll das Kaysslersche ‚O weh!’ nicht hinter sich lassen! ...“<br />

169


Christian Morgenstern, Fritz Kayssler und Fritz Beblo hatten sich im Sommer 1889 auf dem Magdalenen-<br />

Gymnasium in Breslau kennengelernt. Ab Herbst 1889 besuchte Morgenstern auf Wunsch des Vaters eine Militär-Vorbildungsschule;<br />

zu Ostern 1890 gab Morgenstern diese auf und trat in das Gymnasium in Sorau (Niederlausitz)<br />

ein; damals gründete er mit Freunden die Zeitschrift ‚Deutscher Geist’.<br />

Gedruckt in: Christian Morgenstern Werke und Briefe, Kommentierte Ausgabe. Briefwechsel 1878-1903. Hrsg.<br />

von Katharina Breitner. Stuttgart 2005. Band VII, Nr. 61, S. 52-55.<br />

„Es ist das Motiv meines Lebens und ich werde daran zerbrechen“<br />

349 MORGENSTERN, CHRISTIAN, 1871-1914. L.A.S. (Berlin) 23.III.1895. 2 2/3 S. gr.-8°. Leicht gebräunt. Minimal<br />

fleckig. (CHF 2’400.00)<br />

170<br />

Sehr emotionaler Brief an einen alten Freund („Mein liebes Herz“), nach dem Zerwürfnis mit seinem Vater, dem<br />

Maler Carl Ernst Morgenstern. – Christian Morgenstern hatte sein Studium aus gesundheitlichen und finanziellen<br />

Gründen aufgegeben und war im Frühjahr nach Berlin gezogen, wo er eine Stelle an der Nationalgalerie<br />

antrat.<br />

„Eben komm’ ich heim von der Galerie um Dir zu sagen, dass mich heute endlich die Pieta überwältigt hat, so überwältigt<br />

wie nur etwas ganz Grosses es kann, wie die Neunte, wie Du, – –<br />

verzeih ich ward/werd eben gestört, ich weiss nicht ob ich jetzt weiter schreiben kann. Ich hatte Dir so Heiliges zu sagen,<br />

das ist nun alles profaniert. Lassen wirs. Vielleicht ein andermal.<br />

Weisst Du, dass Böcklin über diese Maria noch die lichten Engel hat malen können – das ist ein namenloser Sieg. Ich<br />

hätt’s nicht gekonnt, heute wenigstens nicht. Lieber, was hab’ ich in diesen Wochen jetzt durchgemacht. Und das Furchtbare<br />

ist: Nicht das Leiden, sondern oft gerade das Nicht-Leidenkönnen, das, was Du vielleicht Sicherheit, Ruhe nennst<br />

und ist – Flachheit. Siehst Du, wenn ich nicht so flach wäre, dann lebte ich längst nicht mehr weiter. Das klingt wie Unsinn,<br />

hat aber ’was Wahres in sich.<br />

Als Junge hab ich eine Zeitlang immer gebetet: Herrgott mach mich tiefer, tiefer! und ich könnt’ es heute noch, jede<br />

Sekunde, wenn ich wollte. Es ist das Motiv meines Lebens und ich werde daran zerbrechen. Ich genüge mir nicht, physisch<br />

u. psychisch nicht, und wenn ich mir genügte, dann würd’ mich ein klarer Moment erst recht vernichten.<br />

Wahnsinn.


Du wunderst Dich dass mich Gena“ (seine Jugendfreundin G. Leroy) „nicht beruhigt. Oh sie thut es – aber gerade<br />

an meinen besten Freunden zerbreche ich am meisten.<br />

Gerade meine Geliebtesten sind mein tiefstes Herzeleid, und meine heiligste Seligkeit zugleich; denn ich fühle, dass ich<br />

ihnen nie gleich sein kann ... “<br />

350 MORGENSTERN, CHRISTIAN, 1871-1914. 2 C.P.A.S. Poststempel: Berlin 21.VI.1904 und Zürich<br />

13.VII.1907. 1 Karte mit Kopf: „Bruno Cassirer, Verlag“ (kleines Eckchen fehlt), 1 Karte in Bleistift.<br />

(CHF 600.00)<br />

An den Berliner Schriftsteller und Theaterkritiker Julius Bab, Verabredungen und Essays betreffend.<br />

1904. „... Über Ihr Stück kann ich Ihnen noch nichts mitteilen. Für ein Zusammentreffen halten wir vielleicht vorläufig<br />

Folgendes fest. Haben Sie Lust mich nächsten Sonnabend zum Mittagessen abzuholen? ... Wir würden dann nach dem<br />

Restaurant von Hans Regenspurger, Potsdamerstr. gehen und dann noch einen Café zusammen trinken ...“<br />

1907. „... Ihr Aufsatz über Calé“ (der Student Walter C. hatte sich 1904 nach einigen Veröffentlichungen umgebracht)<br />

„ist ganz vortrefflich; ich empfand ihn als Dichter ganz abgeleitet, interessant dagegen als Aphoristiker. Ihr<br />

Kayssler-Essai lasse ich mir nochmals kommen und schreibe Ihnen dann ausführlich darüber ...“<br />

„Ich reise nach Italien“<br />

351 MORITZ, KARL PHILIPP, 1757-1793. L.A.S. Potsdam 12.VIII.1786. 1 S. 8°. (CHF 6’000.00)<br />

An einen Verleger, dem er seine bevorstehende<br />

Abreise nach Italien mitteilt und<br />

einen Reisebericht anbietet.<br />

„Ich reise nach Italien, und werde mich, um<br />

die Alterthümer zu studieren, eine ziemliche<br />

Zeit dort aufhalten. Während dieser Zeit<br />

denke ich verschiedenes aus Italien über Italien<br />

zu schreiben. Wollen Sie nun ..., da Sie so<br />

viele Geschäfte machen, mit mir auch ein<br />

Geschäft machen, so bitte ich Sie, mir nach<br />

Braunschweig ... zu schreiben:<br />

ob Sie überhaupt willens sind, sich als Verleger<br />

der Sachen, die ich Ihnen aus Italien<br />

zuschicken werde, mit mir einzulassen?<br />

Und wenn Sie es willens sind, unter was für<br />

Bedingungen sie alsdann mein Verleger seyn<br />

wollen?<br />

Ich wende mich mit diesem Projekt ... an Sie,<br />

... weil ich ... überhaupt viel Zutrauen zu<br />

Ihnen habe ...“<br />

Das Leben in Berlin war Moritz<br />

unerträglich geworden; ohne Urlaub erhalten<br />

zu haben (er unterrichtete am<br />

Gymnasium zum Grauen Kloster) brach<br />

er über Braunschweig – wo er von Campe<br />

Vorschüsse erbat – nach Italien auf. Seine<br />

„Reise eines Deutschen in Italien in den<br />

Jahren 1786 bis 1788. In Briefen“ erschien<br />

1792 bei Maurer in Berlin, dem Verleger<br />

des „Anton Reiser“.<br />

Von größter Seltenheit.<br />

171


352 MÜNCHHAUSEN, BÖRRIES FREIHERR VON, 1874-1945. L.A.S. (Windischleuba) 15.V.1907. 2 S. quer-gr.-<br />

8° (Briefkarte). Mit bekrönter Wappenprägung am Kopf. (CHF 250.00)<br />

An einen Herrn, dem er seine 1906 erschienenen „Balladen“ übersendet.<br />

„... da ist mein Buch, in dessen Inhaltsverzeichnis ich ein paar Gedichte angestrichen und einige Jugendballaden<br />

eingeklammert habe. Möchte Ihnen der Band, der wohl, wenn Sie das grosse Wort gelten lassen, mein Lebenswerk ist,<br />

eine frohe Stunde machen. Es liegen 15 Jahre, viel Glück und viel viel Arbeit zwischen seinen Blättern ...“<br />

Beiliegend eine C.P.A.S. an Gustav Falke in Gross-Borstel, einen Vortragsabend in Hamburg betreffend (Kohren<br />

1907).<br />

353 MUSIL, ROBERT EDLER VON, österreichischer Romancier, der Schöpfer des „Mann ohne Eigenschaften,<br />

1880-1942. L.A.S. O.O.u.D. [Mitte April 1921] „Montag“. 1 Einzelblatt gr.-4°, beidseitig mit Bleistift<br />

beschrieben. Briefkopf der ‚Zeitungs- Druckerei- und Verlags-Gesellschaft Wiener Mittag – Die<br />

Republik’. (CHF 4’500.00)<br />

172<br />

An den Dichter Max Mell (1882-1971), den er für Beiträge zur Prager Presse zu begeistern versucht.<br />

„…Ich habe Ihnen schon einmal einen verunglückten Besuch gemacht und heute gelang es wieder nicht. Zweck war –<br />

neben dem Wunsch, Sie endlich wiederzusehen – : ich wollte Sie fragen, ob Sie für die Prager Presse (das neue, wie ich<br />

hoffe bloß verleumdete Masaryk Organ) schreiben möchten? (Honorar 1000 K für den Aufsatz) Worüber immer, bis auf<br />

Theatervorstellungen und Kunstausstellungen,<br />

für die ich engagiert worden<br />

bin. Vielleicht geben Sie mir Gelegenheit,<br />

das Nähere zu besprechen.<br />

Meine Adresse ist III. Ungargasse 17;<br />

ich bin aber nie zuhause, sondern tagsüber<br />

im Kriegsministerium. Dort habe<br />

ich Telf. Klappe 187 und bin durch dieses<br />

am sichersten zwischen 5 u. 7h nm.<br />

zu erreichen. Wenn Sie wollen, komme<br />

ich auch in ein Café oder zu Ihnen…“<br />

Tomas Garrigue Masaryk (1850-<br />

1937), der erste Staatspräsident der<br />

Tschechoslowakei, gründete die<br />

‚Prager Presse’ 1921 mit dem Ziel<br />

der Integration der deutschsprachigen<br />

Minderheit in das neu gegründete<br />

Staatsgefüge. Musil schrieb bis<br />

Juli 1923 Prosatexte, Glossen etc. für<br />

die Prager Presse, als Theaterkritiker<br />

war er nur bis August 1922<br />

tätig.<br />

Gedruckt in: Robert Musil, Briefe<br />

1901-1942. Hrsg. von Adolf Frisé.<br />

Reinbek 1981. S. 225.


354 MUSIL, ROBERT, 1880-1942. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift Berlin 20.II.1923. 1/2 S.<br />

quer-gr.-8°. (CHF 1’200.00)<br />

„Auf der schiefen Ebene geht es ebenso oft hinauf wie hinunter!“<br />

In Berlin wurde Musil in diesem Jahr der Kleist-Preis verliehen. – Seine Albumblätter sind sehr selten.<br />

355 NESTROY, JOHANN NEPOMUK,<br />

1801-1862. L.A.S. „J. Nestroy“.<br />

Berlin 9.VIII.1844. 3/4 S. gr.-<br />

4°. Kleine Faltenrisse (repariert).<br />

(CHF 3’000.00)<br />

An einen Autographensammler.<br />

„... Ihrem mir höchst schmeichelhaftem<br />

Wunsche, eine Handschrift<br />

von mir zu haben, entsprechend,<br />

habe ich die Ehre, Ihnen beyfolgend<br />

eine im ‘Zerissenen’ vorkommende<br />

komische Definition des Begriffes<br />

‘Vision’ zu übersenden ...“<br />

Nestroys Posse „Der Zerrissene“<br />

erschien erst 1845; der Dichter<br />

wird in Berlin aus dem<br />

Manuskript vorgelesen haben.<br />

Die „Definition“ findet sich in der<br />

9. Szene des 2. Aktes; sie liegt<br />

dem Brief nicht mehr bei.<br />

Sehr selten.<br />

173


„you have helped me to find a chimera again”<br />

356 NIN, ANAÏS, französisch-amerikanische Schriftstellerin, Freundin Henry Millers, 1903-1977. L.A.S.<br />

„Anaïs“. O.O.u.D. 1 Einzelblatt folio, die Vorderseite beschrieben. Luftpostpapier. Leicht geknittert<br />

und fleckig. (CHF 500.00)<br />

An eine „Dear Lucia”:“…I only helped you to finish the beauty and the strength that are in you – And since you like so<br />

much to give, let me tell you what I have to thank you for: for being what you are, you have helped me to find a chimera<br />

again. You know how the ugliness of life here destroys our dreams. Well, you being one of them, being a personage out of<br />

the myth, recreated my own chimera world which occasionally gets shattered – So I feel enormously grateful to you for<br />

being beautiful in so many ways that you can make others dream again…”.<br />

„Tausend Spaß wollen wir haben“<br />

357 NOVALIS, Pseudonym für Friedrich Freiherr von Hardenberg, 1772-1801. L.A.S. „Dein Bruder Fridrich<br />

von Hardenberg“. Düben, „Auf des Herrn Lieutenants v. Raschkau Stube“ (2.V.1794). 1 S. 4°. Leicht<br />

fleckig. Minimale Randschäden. Am Kopf mit roter Tinte beziffert. (CHF 35’000.00)<br />

174<br />

Übermütiger Brief an seinen Bruder Erasmus, dem er seine Ankunft in Leipzig – zusammen mit dem Wittenberger<br />

Kommilitonen Friedrich Wilhelm von Kommerstedt – ankündigt. Dort wolle er mit Erasmus, ihrem<br />

Bruder Karl und ihrem Freund Hans-Georg von Carlowitz (der spätere sächsische Innenminister) zusammentreffen.<br />

– Geschrieben an seinem 22. Geburtstag.<br />

„Lieber Freund,<br />

Ich schreibe Dir von Düben<br />

aus, u. schicke Dir einen Expressen,<br />

den Du aber bezahlen<br />

mußt. So wie Du ihn erhältst,<br />

so nimm Dir einen Gaul u.<br />

komme sogleich nach Leipzig.<br />

Carl kommt auf den 6ten May<br />

– den Dienstag. Ich bin sogleich<br />

von Wittenberg heimlich<br />

abgesegelt um Alle zu überraschen.<br />

Du mußt kommen,<br />

wenn Du Erasmus bist – der<br />

Teufel soll Dich aber holen,<br />

wenn Du nicht Sonntag bey<br />

guter Zeit in Leipzig bist u.<br />

bey Karlowitz Dich meldest<br />

oder im Schiff. Wir reiten<br />

zusammen – Kommerstedt<br />

läßt Dich schön grüßen u. erwartet<br />

Dich mit mir. Tausend<br />

Spaß wollen wir haben –<br />

Komm aber ganz gewiß – ohne<br />

irgend ein Hinderniß, sonst<br />

sind wir geschiedene Leute ...“<br />

Darüber die Adresse: „Auf<br />

des Herrn Lieutenants v.<br />

Raschkau Stube.“<br />

Am linken Rand eine<br />

Nachschrift Kommerstedts:<br />

„Wenn Du nicht Sonntag<br />

früh in Leipzig bist, so<br />

kannst Du mich im Arsch<br />

lecken u. verlierst meine<br />

Gnade auf immer ...“


Bei Samuel unter Nr. 44 mit kleiner Abweichung gedruckt. – Aus dem im Dezember 1930 durch Meyer & Ernst<br />

und J.A. Stargardt versteigerten Nachlaß des Dichters; Nr. 81 des Katalogs.<br />

Von größter Seltenheit.<br />

„privatphilosophische Plauderei“<br />

358 PASTERNAK, BORIS LEONIDOWITSCH, russischer Dichter und Schriftsteller, erhielt 1958 den Nobelpreis,<br />

1890-1960. 2 L.A.S. in Deutsch. (Moskau) 1. und 2.X.1959. 3 Einzelblätter folio, davon 5 Seiten<br />

beschrieben. Mit einem dazugehörigen, eigenhändig in Kyrillisch und Deutsch beschriebenen<br />

Luftpostcouvert. (CHF 5’000.00)<br />

An Karl Pawek (1906-1983), Redakteur der Zeitschrift Magnum, der ihn gebeten hatte, bei einer Rundfrage<br />

zum Thema ‚Was ist der Mensch’ mitzumachen.<br />

„…Ihre Frage: ‚Was ist der Mensch’ werde ich meinen Kräften und Bestrebungen gemäss, in eine bescheidenere und einseitigere<br />

verwandeln müssen, nämlich in die, was der Mensch für mich ist, was er für mich bedeutet…<br />

Aber Sein ist geschichtliches Sein für mich, Mensch ist nicht Fleckensiedler. Zeiten, Jahrhunderte sind Gegende, Länder,<br />

Räume für ihn. Er ist Zeitenbewohner …<br />

Der Mensch ist wahr und wirklich wenn<br />

er tüchtig ist, wenn er Handwerker, Bauer<br />

oder ein grosser unvergesslich grosser<br />

Künstler ist oder ein schöpferischer Gelehrter,<br />

ein Wahrheitenentdecker.<br />

Manche Führer der Sozialdemokratie einerseits,<br />

Nietzsche andererseits wollten<br />

Dichter oder Musiker, Komponisten werden<br />

und litten am Misserfolg. Da wurden<br />

sie kritisch, weltenstürmerisch, wütend.<br />

In ihnen polarisiert sich so zu sagen der<br />

unfruchtbare Teil der intellektuellen europäischen<br />

Gesellschaft um die Jahrhundertwende.<br />

Diese meinten, nahmen an,<br />

beanspruchten. Alles ist hier Schein und<br />

Mutmassung…“<br />

Im Brief vom 2. Oktober 1959 bittet er<br />

Pawek, den Eingang seines Briefes telegraphisch<br />

zu bestätigen und ergänzt<br />

seine vorigen Ausführungen:<br />

„… Was ich hier noch hinzufügen will,<br />

wird unsere privatphilosophische Plauderei<br />

bleiben …Der Mensch erreicht sein<br />

grösstes, wenn er, sein leibliches Selbst,<br />

seine Betätigung Musterbegriff, Symbol<br />

wird. Gäbe es auch nicht andere Gründe<br />

für den unbedingten Wert des Einzelnen,<br />

der Persönlichkeit, hätte es des Gesagten<br />

genügt (über das symbolische Wesen des<br />

Helden und des Heldenideals) um diesen<br />

höchsten Wert zu begründen. Jeder<br />

Mensch, jeder Einzelne ist eine Seltenheit<br />

und Einzigkeit. Weil sein Gewissen eine<br />

Welt bildet. Weil diese Welt in der Einheit<br />

der Idee, im Symbol sich vollendet<br />

und zum Abschluss bringt.<br />

Das wussten die Griechen, das verstand<br />

das Alte Testament. Dass aber das ein<br />

Mysterium der Selbstaufopferung ist, hat<br />

das Neue verschärft…“<br />

175


Die von Pawek mitbegründete ‚Magnum – die Zeitschrift für das moderne Leben’ (1954–1966) war eine der<br />

wichtigsten deutschsprachigen Kulturzeitschriften der Nachkriegszeit. Die Ausgabe von Dezember 1959 trug<br />

den Titel: Mensch bleibt Mensch.<br />

359 PLATEN, AUGUST GRAF VON, 1796-1835. L.A.S. Erlangen 13.III.1826. 1/2 S. gr.-4°. Mit papiergedecktem<br />

Siegel und Adresse (Poststempel und -vermerke). Gebräunt. Winzige Papierschäden. (CHF 800.00)<br />

An den Schriftsteller und Dichter Karl Dräxler (-Manfred) in Prag.<br />

„Ich beeile mich, Ihnen beiliegenden Brief von Rückert zu übersenden, u. danke Ihnen zugleich für Ihr werthes Geschenk,<br />

mit dem ich mich recht bald zu beschäftigen hoffe. Behalten Sie mich in gutem Andenken ...“<br />

Briefwechsel Band 4 Nr. 145 (mit einer falschen Lesung).<br />

360 POUND, EZRA, amerikanischer Dichter, 1885-1972. C.P.A.S. „E.P.“. Washington 20.VI.1947 (Poststempel).<br />

In Bleistift. (CHF 500.00)<br />

Kryptische Nachricht aus der Zeit seiner Internierung, an den<br />

angehenden Dichter William Stanley Merwin (geb. 1927) in<br />

Princeton:<br />

„Tell Om. you need Arioste to bicker with. Probabably he you. / E.P. /<br />

Portagoose - low yield /but very little a little v. good“<br />

1946 war Pound in USA wegen Landesverrats angeklagt worden;<br />

er entging der Todesstrafe einzig dadurch, daß ihn ein<br />

Gutachter für geisteskrank erklärte; er wurde daraufhin im St.<br />

Elizabeth Hospital in Washington interniert. Merwin begann<br />

noch als Student in Princeton eine Korrespondenz mit Pound,<br />

die er mehrere Jahre aufrechterhielt.<br />

361 PROUST, MARCEL, der Schöpfer von „À la Recherche du Temps Perdu“, 1871-1922. Eigenhändiges<br />

Manuskript, Vorlesungsnotizen aus seiner Studienzeit an der Ecole libre des sciences politiques (ca.<br />

1890). 3 Einzelblätter folio und 1 Einzelblatt 4°, alle acht Seiten dicht beschrieben. Alle Blätter mit<br />

Faltspuren. Winzige Randschäden. (CHF 25’000.00)<br />

176<br />

Vorlesungsnotizen des etwa Zwanzigjährigen, der seit 1890 an der „Ecole libre des sciences politiques“ Vorlesungen<br />

von Anatole Leroy-Beaulieu belegte. Leroy-Beaulieu unterrichtete zeitgenössische Geschichte und<br />

war auf östliche Fragen spezialisiert. Prousts Notizen handeln denn auch alle von den Hintergründen und<br />

Auswirkungen des grossen russisch-türkischen Kriegs in Osteuropa und dem Nahen Osten. Die Notizen sind<br />

annalistisch angelegt und umfassen den Zeitraum von 1839 bis 1877. Proust hält die Fakten nicht in ausformulierten<br />

Sätzen fest, sondern in verkürzter Weise. Einige Abschnitte sind überschrieben „Turquie“, „La Serbie“,<br />

„Suite de Turquie“ und „Les Principautés roumaines“.<br />

Zitat aus dem (kleineren) Schlußblatt, das die Entwicklung zum serbisch-osmanischen Krieg von 1876 und<br />

zum russisch-osmanischen Krieg von 1877-1878 festhält:


„En 75 révolte en Herzégovine à cause d’abus fiscaux. La Bosnie la suivit puis Montenegro et Serbie. A cette époque existait<br />

alliance des 3 empereurs. Bismarck Andrassy Gortschakof.“ – während des „Dreikaisertreffens“ 1872 handelten<br />

Bismarck, der russische Aussenminister Fürst Alexander Michailowitsch Gortschakow (1798-1883) und der<br />

österreichische Aussenminister Gyula Graf Andrássy (1823-1890) das sog. Dreikaiserabkommen aus – „La Fr.<br />

était éffacée. L’Italie faible. L’Anglet. regardait surtout la question d’Orient. La Cour de Vienne se fait le porte parole de<br />

l’alliance. Sans modérateurs démarche des consuls en Juillet- Août pour s’entremettre – échoue – note Andrassy demandant<br />

des réformes locales et religieuses en Bosnie Herzégovine. 31 Janvier 1876 elle ne parlait pas d’imposer les réformes<br />

par la force. La Porte par un firman du 12 Décembre avait réédité un programme de réformes générales, les insurgés repoussèrent<br />

les concessions comme insuffisantes – assassinat des consuls à Salonique – memorandum de Berlin plus comminatoire,<br />

rédigé dit on par Gortschakof, inspiré des doléances des Bosniaques et Herzégoviniens, plus de tendance à l’action<br />

Commission de notables Herzégov. et Bosn. chrétiens charger de distribuer des services evacuation( ?) du territoire<br />

pour les turcs chrétiens les reformes. Mesures de coercition si la Turquie refuse – armistice pendant lequel les Turcs se<br />

renfermeront dans les forteresses. En mai Bismarck communique le texte de memorandum aux aux autres France Angl.<br />

Italie espère recevoir réponses télégraphiques. La Fr. et l’Italie adhèrent. L’Anglet. refuse péremptoirement, le cabinet Disraeli<br />

envoya la flotte. On va notifier le memorandum au Sultan q[uan]d il est déposé par Softas“ – fanatische muslimische<br />

Studenten – „encouragés par Midhat-Pacha.“ – der Großwesir Mithat Pascha – „Mourad p[our] le remplacer.<br />

177


178<br />

Les puissances suspendent alors toute démarche. La Bulgarie se soulève à son tour. Tchernaief,“ – der russische General<br />

Michail Grigoriewitsch Tschernjajew (1828-1898) – „un des meilleurs officiers du Czar commande l’armée Serbe.<br />

Milan“ – Milan Obrenovi? IV. (1854-1901) war seit 1868 Fürst von Serbien – „profite du desarrois pour attaquer les<br />

Turcs. Battu. Attaque des Circassiens en Bulgarie. Gladstone fait paraître le pamphlet Bulgares atrocités. L’Angl. Prend<br />

l’initiative de l’intervention. Disraeli forcé de suivre les propositions russes trop radicales, font tomber l’ardeur humanitaire<br />

des anglais. Les serbes avance l’été de nouveau battu et la Prusse se trouve engagée à ne pas les laisser périr – Ignatief“<br />

– der russische Diplomat Nikolai Pawlowitsch Ignatjew (1832-1908) versuchte die europäischen Höfe<br />

Rußland-freundlich zu stimmen – „apporte l’ultimatum de Liradia à Constantinople … elle accepte Demande 6 semaines<br />

d’armistices pour les Serbes – autonomie p[our] Bosnie Herzégovine et Bulgarie. Sommation en 48 heures d’accorder<br />

l’armistice. Porte y consent éloignant l’imminence de la crise. Conférence à Constantinople accord sur un minimum<br />

de réformes et de garanties forts pour le Montenegro. Administration autonome pour Bosnie. Bulgarie … Pendant<br />

la période de réorganisation une armée étrangère ferait la police. Les Turcs pour échapper à cette solution donnent le coup<br />

de théâtre. La constitution ottomane de Midhat P. pour de privilèges au sein de l’égalité. La Con[féren]ce adoucit les prétentions,<br />

en janvier 1877 il n’est plus question que de réformes administratives. Milice indigène mixte. Contrôle pendant<br />

5 ans. Les Turcs considèrent ce programme comme inacceptable. Le Sultan fit poser la Question aux haut fonctionnaires.<br />

Ils disent non. La Conférence se dissout le 20 Janvier 1877. Réquisitoire fulminant d’Ignatief. Février 1877 circulaire<br />

Gortschakof sur les mesures à prendre et Ignatief partit pour une tournée diplomatique. Conférence in extremis à Londres<br />

protocole 31 mars 77 p[ou]r amener le desarmement de la Russie. Réserves de l’Angleterre. Stipule la nullité du protocole<br />

et Russie ne désarme pas. Le protocole ne sert à rien. 24 Avril 1877 déclaration de guerre de la Russie à la suite de<br />

la réaction turque et de la chute de Midhat – Pourparler direct russo-turcs à cause de la permission de Bismark.“<br />

Proust belegte die Kurse an der ‚Ecole libre des sciences politiques’ im Hinblick auf eine diplomatische Karriere,<br />

mit der er damals liebäugelte. Proust soll die politikwissenschaftlichen Vorlesungen nicht sonderlich geschätzt<br />

haben. Die Vorlesungen Leroy-Beaulieus jedoch fesselten ihn, wie sein Freund, der spätere Diplomat<br />

Robert de Billy (1869-1953), der damals Prousts Mitschüler war, in seinen „Lettres et conversations“ (S. 23-25)<br />

schreibt; Proust sei dessen Vorlesungen aufmerksam gefolgt, ohne Notizen mitzuschreiben. Das vorliegende<br />

Manuskript beweist das Gegenteil!<br />

Osteuropa und Russland haben auch in der „Recherche“ ihre Spuren hinterlassen.<br />

Nr. 362 Marcel Proust


„le régime est moins puissant que le tempérament“<br />

362 PROUST, MARCEL, 1871-1922. L.A.S. „MP“. O.O.u.D. [Weihnachten 1910]. 1 Doppelblatt kl.-4°, alle 4<br />

Seiten beschrieben (zwei davon quer beschrieben). Die Blätter getrennt und die erste Seite leicht angestaubt.<br />

(CHF 12’000.00)<br />

Wundervoller, heiterer Brief an (Jean Cocteau); er möge von den geistigen Vergnügen eine Weile Abstand halten,<br />

damit er sie nachher intensiver geniessen könne:<br />

„Mon ami, vos lignes silencieuses se sont adressées à moi avec une scintillation amie et lointaine d’étoile qui m’a remplie<br />

de tendresse et de rêve. Je vous remercie. Je ne vous ai plus fait signe quand je suis sorti pour ne pas vous ennuyer. Mais j’ai<br />

parfois pensé à vous et formé avec la vaine indiscrétion des amis et des philosophes des vœux inutiles ; par exemple que<br />

quelque évènement vous isole et vous sèvre des plaisirs de l’esprit, laisse le temps en vous de renaître après un jeûne suffisant<br />

une faim véritable de ces beaux livres, que vous feuilletez aujourd’hui avec le manque d’appétit de quelqu’un qui a fait<br />

des visites de jour de l’an toute la journée où il n’a cessé de manger des marrons glacés. C’est selon mon pronostic – parfois<br />

clairvoyant pour autrui s’il est toujours impuissant pour moi-même – la pierre d’achoppement à craindre pour vos dons<br />

merveilleux et stérilisés. Mais la vie que je vous souhaiterais serait peu agréable pour vous, du moins tels qu’en ce moment<br />

se peuvent – du sein d’une toute autre – former vos désirs. Aussi fort heureusement mes vœux seront-ils inutiles et rien ne<br />

sera changé. Pour la continuation de votre plus grand agrément – et peut-être sans dommage pour votre bien. Car intellectuellement<br />

comme physiologiquement, le régime est moins puissant que le tempérament et il y a des gens qui marchent dix<br />

heures par jour sans jamais maigrir et d’autres font cinq repas sans engraisser… Je vous envoi du gui pour Noël“.<br />

Gedruckt in: Correspondance de Marcel Proust. Hrsg. von Philip Kolb. Paris, 1983. Band X, S. 233, no. 110.<br />

363 PÜCKLER-MUSKAU, HERMANN FÜRST VON, 1785-1871. L.A.S. Wien 25.VII.1840. 2 S. 8°. Mit geprägtem<br />

Monogramm am Kopf. Leicht gebräunt. (CHF 400.00)<br />

An einen Herrn in Wien, bei dem er sich für erwiesene Aufmerksamkeiten bedankt.<br />

„... je pars, mourant de la fièvre, seulement pour changer d’air, quoique si faible que je puis à peine quitter mon lit pour me<br />

traîner en voiture ... Je fumerai votre tabac dès que je pourrai fumer et à chaque bouffée je penserai à l’aimable donnateur ...“<br />

364 RAABE, WILHELM, 1831-1910. L.A.S. Braunschweig 11.IX.1878. 2/3 S. gr.-8°. Etwas fleckig.<br />

(CHF 300.00)<br />

An einen Herrn mit Dank für Geburtstagswünsche. „... Ich habe mich neulich gefreut, daß auch mein Geburtsort“<br />

(Eschersheim) „glänzend mitgeholfen hat, den von Ihrem München so schnöde verlassenen Stauffenberg wieder in den<br />

Reichstag zu heben ...“ – Gemeint ist der nationalliberale Politiker Franz Frhr. von Stauffenberg.<br />

„auf diesem sonderbaren Ball“<br />

365 RAABE, WILHELM, 1831-1910. L.A.S. Braunschweig 29.IX.1882. 1 S. gr.-8°. (CHF 600.00)<br />

An einen befreundeten Herrn, der ihm zum Geburtstag gratuliert hatte.<br />

„... Sie melden von Gutem und Bösem, von Behaglichem und Unbehaglichem; und von dergleichen gemischten Dasein<br />

kann auch ich singen und sagen. Eine Correspondenz die alles unvermischt enthielte, könnte auf diesem sonderbaren Ball<br />

nur von Moment zu Moment geführt werden, und auch dann nur mit großer Schwierigkeit.<br />

Auch ich sende Ihnen und der Ihrigen meine allerbesten Wünsche ... die Meinige packt eben schiffsmäßig für einen Umzug in<br />

die nächste Gasse. Von Kisten und Kästen mit allem Erdenplunder bis an den Rand des Schreibtisches umdrängt…!“<br />

366 RAABE, WILHELM, 1831-1910. L.A.S. Rendsburg 19.VIII.1909. 1 S. gr.-8°. Mit frankiertem Umschlag.<br />

(CHF 800.00)<br />

An den Pianisten und Musikschriftsteller Albert Friedenthal (1862-1921) in Berlin, der ihn nach seiner Meinung<br />

über eine Verlängerung der Urheber-Schutzfrist befragt hatte.<br />

179


„... Ihre Zuschrift trifft mich auf der Reise, ich beantworte sie jedoch gern sofort. – Meine schon oft in dieser Sache ausgesprochene<br />

Meinung ist folgende:<br />

Wer in der Gesellschaft, in der Presse, in öffentlichen Versammlungen, oder gar im Reichstag dafür stimmt, daß die<br />

Schutzfrist für Werke der Litteratur, der bildenden Künste oder der Musik nach dem Tode der Urheber von dreißig Jahren<br />

auf fünfzig Jahre verlängert werde, macht sich einer schweren Versündigung an seinem Volke schuldig! ...“<br />

367 RAIMUND, FERDINAND, 1790-1836. Eigenhändiges Schriftstück. (Berlin 13.IV.1832.) 1 S. quer-schmal-<br />

8°. Gebräunt. Kleine Einrisse hinterlegt. (CHF 2’000.00)<br />

„Als Bauer weiß ich gut, auf einen Hieb fällt nie ein Baum. Man springt nicht auf den Gipfel, man erklettert ihn / so<br />

kann ich auch die Eiche Ihrer Gunst nur nach und nach erklimmen / nur früher wird es mir gelingen, wenn sich die<br />

Zweige so wie heute, freundlich zu mir niederbeugen“<br />

Nach der Angabe in den „Sämtlichen Werken“ (Brukner und Castle, Band V./II. S. 590) sprach Raimund diese<br />

Worte nach einer Aufführung seines Märchenspiels „Das Mädchen aus der Feenwelt, oder: Der Bauer als Millionär“<br />

in Berlin am 13. April 1832 zum Publikum.<br />

Sehr selten.<br />

368 RAMUZ, CHARLES FERDINAND, einer der bedeutendsten Waadtländer Schriftsteller des 20. Jhs., 1878-<br />

1947. Eigenhändiges Manuskript, als Albumblatt geschriebenes langes Zitat aus seinem Roman<br />

‚Farinet ou la fausse monnaie’ von 1932, mit Widmung am Kopf. 1 Einzelblatt folio, die Vorderseite<br />

beschrieben. O.O. August 1934. (CHF 1’200.00)<br />

180<br />

Für Hans Fischer und den „Cercle amical franco-allemand“ in Hamburg geschrieben:<br />

„Et, là-bas, le Monte Leone en Italie; et là-bas, à l’autre horizon, des pointes perdues dans les vapeurs dont on ne savait<br />

pas le nom, quelque part en Dauphiné : combien ça en fait-il ? Combien ça en fait-il en tout, car il essayait de compter,<br />

mais il perdait dans les nombres. Il cherchait à les nommer avec ordre : ‘Ça, c’est le Mont Rose, ça c’est les Mischabel,<br />

et, ça, c’est le Lyskamm, ou quoi ? ensuite c’est le Breithorn ; ensuite le Weisshorn, et puis il y a le Cervin et puis il y a<br />

la Dent d’Hérens et puis la Dent Blanche et le Grand Cornier …’ On changeait trois fois la langue. On commençait en<br />

Italien, on passait de là à l’allemand, on finissait dans le français : ‘Mais vous, est-ce que vous changez, quel que soit le<br />

nom qu’on vous donne ? Car vous êtes là, je sais bien. Et à présent, je vous connais mieux, parce qu’on se rapproche de<br />

chez nous avec le Pigne d’Arolle, la Ruinette, le Combin, le Vélan, puis les Jorasses, le Mont Dolent ; et il y a toutes les<br />

Aiguiller : La Rouge, la Verte, celle d’Argentière, celle du Tours, celle du Dru…’“<br />

Der Roman über den aus dem Savoyischen stammenden Geldfälscher Farinet (1845-1880), der im Wallis als<br />

alpiner Robin Hood verehrt wird, wurde 1938 mit Jean-Louis Barrault in der Hauptrolle verfilmt. „Farinet“ ist<br />

der einzige Roman Ramuz’, der sich mit einer historischen Persönlichkeit auseinandersetzt. – Beilage: Portraitphotographie<br />

und Übersetzung des Manuskripts.


369 RAMUZ, CHARLES FERDINAND, 1878-1947. L.S. Pully 8.VIII.1937. 1 Einzelblatt 8°, die Vorderseite beschrieben.<br />

Blindgeprägter Briefkopf. Etwas lichtrandig. (CHF 300.00)<br />

An eine Dame, die ihn gefragt hatte, was den „homme cultivé“ ausmache. Ramuz weist auf seine Essaysammlung<br />

‚Questions’ hin, die seine Gedanken zu diesem Thema enthalte.<br />

„…Je pense que ce qu’on appelle un ‚homme cultivé’ est essentiellement un réceptif, non un inventeur, ce qui explique<br />

sans doute ses qualités moyennes, son goût. Et la possibilité où il est de mettre souvent sur le même plan les valeurs de<br />

‚culture’ et les valeurs de confort. Vous voulez bien me demander, Madame, s’il y a peut-être un autre livre de moi où ces<br />

questions seraient abordées: il y en a un, qui est intitulé précisément Questions et qui a paru l’hiver dernier chez Grasset.<br />

Mais je questionne moi aussi (comme le titre l’indique assez) et ne prétends pas répondre: il faut que je vous en prévienne<br />

tout de suite de manière à vous épargner une grave désillusion; j’essaie seulement de distinguer moi-même ‚de<br />

quoi’ il s’agit et c’est déjà bien difficile…“.<br />

„Questions“ war 1936 in Lausanne erstmals erschienen; Grasset brachte es im gleichen Jahr in Paris heraus.<br />

370 RECKE, ELISA VON DER, geb. Reichsgräfin von Medem, 1756-1833. L.A.S. Dresden 1.VII.1830. 2 S. gr.-<br />

8°. Mit Siegel (durch Öffnen zerbrochen) und Adresse (von fremder Hand). Etwas gebräunt.<br />

(CHF 350.00)<br />

Besorgter Brief an einen Studenten („Mein<br />

lieber Lengnick“) in Leipzig, wohl ein Kommilitone<br />

ihres Schützlings August Poppermann.<br />

„... Ich und die guten Eltern sind wegen August<br />

schmerzlich besorgt. Ist er krank? – ist ihm ein<br />

Unfall bei dem Aufruhr in Leipzig gescheen?<br />

mehrere Studierende haben an ihre angehörigen<br />

geschrieben, nur wir sind ohne Nachricht von<br />

August ... Schreiben Sie mir nur in wenigen<br />

Zeilen, ... ob er krank ist oder im Karzer sitzt. –<br />

Lesen Sie August diesen Brief vor. Nehmen Sie<br />

sich seiner auf alle Fälle an ... Verbergen Sie es<br />

uns nicht selbst wenn A. auch gefährlich krank<br />

ist; denn so leichtsinnig kann ich mir unseren<br />

August nicht denken, daß er ohne zureichenden<br />

Grund, uns so lange ohne Nachricht von sich<br />

lassen sollte ...“<br />

In der Nachschrift heißt es weiter: „Hat August<br />

vielleicht Händel gehabt? – ist er verwundet?<br />

so verschweigen Sie mir auch dies nicht,<br />

und geben auf alle Fälle August meinen Brief zu<br />

lesen, nur dann nicht wenn August so krank ist,<br />

daß er diesen Brief nicht ohne Gemüthsbewegung<br />

lesen kann.“<br />

181


371 REINICK, ROBERT, 1805-1852. Eigenhändiges<br />

Gedichtmanuskript, betitelt „Des<br />

neuen Jahres Morgengruß.“. 4 1/3 S. 4°.<br />

Leicht gebräunt. (CHF 300.00)<br />

„Der Morgen kommt und kommt nicht her!<br />

Da schläft noch Alles rings umher,<br />

Ich weck’ sie nicht, so lang ich kann,<br />

Ich schau derweil die Gegend an.<br />

Ihr Wolken macht mir keine Streich’!<br />

Der Mond scheint ohne das so bleich ...“<br />

Es folgen 14 weitere, zum Teil stark überarbeitete<br />

Strophen.<br />

Am Unterrand ein eigenhändiger Zusatz seiner<br />

Frau Maria (Dresden 1857): „Dieses Gedicht ist<br />

von Robert Reinick, nach J.P. Hebel, aus dem Allemannischen<br />

übertragen und eigenhändig geschrieben.“<br />

372 REMARQUE, ERICH MARIA (eig. Erich Paul Remark), einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller<br />

des 20. Jhs., 1898-1970. L.A.S. „Boni“. O.O.u.D. [vor 1957?]. 1 Einzelblatt folio, die Vorderseite<br />

beschrieben. Luftpostpapier. Schwach fleckig, kurzer Einriss im Oberrand. (CHF 450.00)<br />

An seine Freundin Bettina Hoenig in New York über seine Arbeit, über sein Verhältnis zu seiner Frau, seine<br />

Reisepläne:<br />

„… Ich hoffe, es geht dir gut u. der Mehlwurm ist im Mehlwurmkasten, wohin er gehört, und treibt nicht ein erneutes<br />

Unwesen in deinem Kopf. Es ist ja erstaunlich, was Fachleute wie wir, in der Beziehung fähig sind zu leisten.<br />

Der Vogel war in Europa u. muß jetzt wieder in N.Y. sein. Er hat nichts von sich hören lassen, – wahrscheinlich weil er<br />

sich nicht einem erneuten Nein aussetzen wollte, – u. auch wohl, weil er dann doch hätte Farbe bekennen müssen, was<br />

er eigentlich will, – u. das will er sicher auch nicht…<br />

Ich arbeite hier, trinke ab u. zu, habe ganz nette Gesellschaft, hatte sehr gute: eine Psychoanalytikerin, Karen Horney,<br />

Mutter der Schauspielerin, die in N.Y. lebt, hier in den Ferien war. Ein Buch von ihr hat mir plötzlich mich u. den Vogel<br />

als ziemlich klare neurotische Fälle gezeigt u. ich werde es noch einmal richtig durchstudieren … Sehr, sehr gut u. wichtig<br />

für uns, um uns klar zu werden u. uns zu helfen. Mir, glaube ich, hat es sehr genutzt. Ich habe plötzlich die Aussichtslosigkeit<br />

meines Verhältnisses zum Vogel gesehen. Und ich bin dabei mich selbst ‚umzukrempeln’, aus den Neurosen<br />

rauszuwachsen wie das genannt wird…<br />

Zwei Postkarten an dich sind zurückgekommen – ich Esel hatte sie an die 92nd street adressiert im Suff –“<br />

Mit „Vogel“ ist Remarques erste und zweite Frau gemeint, die Schauspielerin Jutta Ilse Zambona, mit der er<br />

1925-1930 und 1938-1957 verheiratet war. Remarque lebte ab 1939 in den USA, 1947 erlangte er die amerikanische<br />

Staatsbürgerschaft.<br />

373 RICHTER, JEAN PAUL FRIEDRICH, 1763-1825. L.A.S. „Richter“. Bayreuth 29.XI.1807. 1 Doppelblatt kl.-4°,<br />

davon drei Seiten beschrieben. Leicht braunfleckig. (CHF 2’400.00)<br />

182


Freundschaftlicher Brief an Auguste<br />

Schlichtegroll in München:<br />

„Ob dieses Couvert gleich nur einen Geschäftsbrief<br />

enthält, gute Auguste, so suchen<br />

Sie doch gewiß noch das Wenige für Sie darin,<br />

was Sie eben hier finden, meine Freude über Ihr<br />

Leben. Das nächste mal will ich die Begeisterung<br />

Jacobi’s für Sie aus seinem Briefe exzerpieren<br />

– und Ihre für Ihn aus Ihrem.<br />

Es war von jeher mein Gebrauch, keinen reinen<br />

Mund zu haben, sondern hin und her zu tragen<br />

zwischen Leuten, die sich lieben –, nämlich<br />

das Gute.<br />

Wie schmacht’ ich in meiner Sandwüste auf<br />

einer Sandbank sesshaft, nach dem frischen<br />

Grün eines solchen Beisammenlebens wie Ihr<br />

alle habt, nach den Blüten solcher Abende, nach<br />

den Früchten solcher Geister! Aber ich dürrer<br />

Hund soll nichts haben. Ich selber ergötze Welt<br />

und Nachwelt und mich keine Katze…“<br />

Auguste Schlichtegroll (1775-1828) war<br />

die Ehefrau des Altertumsforschers und<br />

ersten Mozart-Biographen Friedrich von<br />

Schlichtegroll (1765-1822). Schlichtegrolls<br />

führten ein geselliges Haus in München,<br />

wohin Schlichtegroll als Generalsekretär<br />

der Bayerischen Akademie der Wissenschaften<br />

berufen worden war.<br />

Gedruckt in: Berend, Eduard (Hrsg). Briefe<br />

1804-1808. Sämtliche Werke, Bd. 5, Nr.<br />

434, S. 181-182.<br />

„Trank-Privilegien“<br />

374 RICHTER, JEAN PAUL FRIEDRICH, 1763-1825. L.A.S. „Jean Paul Fr. Richter“. Bayreuth 31.X.1823. 2 S. gr.-<br />

8°. Leicht gebräunt und etwas fleckig. Winzige Montagespuren und -schäden. (CHF 1’800.00)<br />

An den Weinhändler Richard Groote in Frankfurt a.M. mit der Bestellung verschiedener Weine.<br />

„Jetzt kommt vor der Hand die Proben-Bitte an Sie ... u. dann die Eimer-Bitte. In Würzburg war auf Ihrem Lager nichts<br />

mehr zu finden als Beau-Burgunder. / Ich ersuche Sie daher, mit nächster Gelegenheit mir zu senden<br />

1 Bout[eille] von jeder Sorte Ihrer dreierlei Graves-Weine – / 1 B. Serons – / 1 B. Mittel-Sauterne – / 1 B. Piccardon –<br />

Von dem Emballage-Holz aber so wenig als möglich; weil das Mauthamt das Holz unter die ausländischen Flüssigkeiten<br />

rechnet. Ubrigens verleiht die Gelindigkeit der Witterung meinen Nerven viele Trank-Privilegien.<br />

Ich werde am Ende doch mit dem Reifen der Trauben Recht behalten; aber ich könnt’ es noch mehr haben, wenn man die<br />

Lese in die November-Mitte verschöbe und sich um eine, jetzo unfehlbar eintreffende trübe Woche hinweg setzte ...“ –<br />

Mit Bearbeitungsvermerken des Empfängers.<br />

Berend Band VIII Nr. 403 (stark gekürzt).<br />

375 RILKE, RAINER MARIA, in Prag geborener deutscher Lyriker, 1875-1926. Eigenhändiges Gedicht,<br />

betitelt „Sehnsucht“, mit gestempeltem Namenszug am Unterrand: „René Maria Rilke“. (1896.) 3/4<br />

S. 4°. Leicht gebräunt. Kleine Faltenrisse (hinterlegt). Verso Montagespur am Oberrand (beschnitten).<br />

(CHF 3’000.00)<br />

183


„In verathmendes Entzücken<br />

Klingt des Tages Chorlied aus;<br />

Meine Sehnsucht baut sich Brücken<br />

In die blaue Nacht hinaus.<br />

Und sie lenkt auf monderhellter<br />

Spur wie eine Königin<br />

Ihren goldbezäumten Zelter<br />

Zu dem Thor der Träume hin.“<br />

„Meine Arbeit indessen fängt dort an, wo alle Partei aufhört“<br />

Gedruckt in: Sämtliche Werke, Jugendgedichte. Insel-<br />

Verlag, 1955, S. 441.<br />

376 RILKE, RAINER MARIA, 1875-1926. L.A.S. „Rainer Maria Rilke“. Meudon 20.XI.1905. 1 Doppelblatt kl.-<br />

4°, die ersten 3 Seiten beschrieben. Briefkopf der ‚Villa des Brillants’. Gelocht. (CHF 2’500.00)<br />

184<br />

An den Schriftsteller Fritz Gansberg (1871-1950), der Rilke um Texte für seine neu-gegründete reformpädagogische<br />

Zeitschrift ‚Roland’ gebeten hatte. Rilke lehnt ab, da die Zeitschrift nicht seinem Werk entspräche:<br />

„… Meine Arbeit indessen fängt dort an, wo alle Partei aufhört und geht, wie alles künstlerische Formen, in Verwandlungen<br />

vor sich, die das Stoffliche in Nicht-mehr-benanntes steigern; diese künstlerischen Metamorphosen sind nicht<br />

mehr Kampf, auch nicht für die beste der Ideen, und sind daher nicht am Platze, wenn sie in einem Blatt stehen, das etwas<br />

Bestimmtes ‚will’. Und ‚Erfahrungen’, ‚Dokumente’ vermag ich Ihnen nicht zu geben, weil sie für mich Roh-Material<br />

sind … Sie werden das verstehen. Künstlerische Arbeit ist, in gewissem Sinn, ein Auflösen, ein Unkenntlich-Machen<br />

aller Absicht, etwas völlig Unbekanntes, Unbewaffnetes – das nicht kämpfen kann. Darum kann ich in der gewünschten<br />

Weise mit Nichts theil nehmen an Ihrem Wirken, aber vielleicht halten meine Dinge von ferne und auf ihre Art dennoch<br />

ein klein wenig mit; eine Einstimmigkeit ist ja da, nur daß sie nicht ausgesprochen, nicht berechnet, nicht nachgewiesen<br />

werden mag …“.<br />

Von 1905 bis 1906 war Rilke für acht Monate als Sekretär bei Auguste Rodin angestellt.


377 RILKE, RAINER MARIA, 1875-1926. L.A.S. „R M Rilke“. Paris 16.XI.1909. 8 S. kl.-4°. Leicht gebräunt.<br />

Minimale Faltenrisse. (CHF 5’000.00)<br />

Äußerst inhaltsreicher Brief an Gräfin Jeanne Bernstorff geb. Luckemeyer, die ihm den Gedichtband „Zwischen<br />

Frühling und Herbst“ ihrer Cousine Erika von Watzdorf zur Beurteilung zugesandt hatte. – Rilke nimmt<br />

die Gedichte zum Anlaß, der Gräfin das Wesen und Entstehen großer Poesie zu veranschaulichen.<br />

„... Ich habe mir eine Menge Seitenzahlen herausgeschrieben (im Guten wie im Bösen) zumal aus den ersten<br />

dreiviertheilen des Bandes; denn die späteren Abschnitte ... wollen mir nichts recht Eigenes geben ... Als Ganzes läßt sich<br />

das Buch ... schlecht übergehen, es ist zu lang ... Für das Einzelne bin ich eher eingenommen, ganz besonders aber für<br />

Einzelnes im Einzelnen: dort in einer Zeile, ja in dem Bruchtheil einer Zeile ist manchmal ein Gedicht: die Konsistenz,<br />

Stärke, und Expansion eines wirklichen Gedichtes ... In dem langen Gedicht von 61/62 lesen Sie die Zeile: ‘Du wärst mit<br />

Gott allein in meiner Seele’: welches hohe Liebesversprechen; man würde ein kurzes unvergleichliches Gedicht vermuthen:<br />

denn wieviele solche Zeilen dürfte man ertragen? Und nun 64: welcher große Dichter muß es sein, der von einer<br />

Nacht zu sagen wagt: ‘Und ist von jungen Härten so erfüllt, / daß man sie ‘Kind’ und ‘Thörin’ nennen möchte’ (vielleicht<br />

des Buches kostbarste Stelle) ..., aber kein ganzes Gedicht konnte mich in dieser Art überzeugen. Sie gehen so rasch<br />

und leicht in ihren Strophen dahin, diese Gedichte, sie sind, wo nichts gegen sie zu sagen ist, so sehr geglückt, daß sie ihr<br />

Gefühl davontragen statt es, stehend, in sich zu sammeln. Ein größerer Künstler müßte diese Geschicklichkeit ablehnen;<br />

er müßte es sich schwerer machen, dies strophenbildende Können überwinden und sich ein nächstes zumuthen ...“ – Es<br />

folgen einige Beispiele sowie von Rilke „umgeschriebene“ Gedichtstellen.<br />

„... sträubte sich die Dichterin gegen ihren glatten Verlauf, so böge sich auch die in allen gleiche Kurve anders, tausendfach<br />

ab, die jetzt in immer demselben ermüdenden Bogen zur ‘Pointe’ hineilt. Uns berührt ein pointiertes Gedicht doch<br />

etwa nur noch wie ein Finger, an dem eine Stelle krankhaft empfindlich ist: überall darf man seine Form gelassen abfühlen,<br />

preist man aber einen bestimmten Punkt, so ist alles mit einem kleinen Schrei fort: so ist auch ein Gedicht, das auf<br />

eine betonte Wendung zugeht am Schluß von einer peinlichen lokalen Empfindlichkeit: es giebt einen Laut von sich,<br />

schmerzhaft oder vergnügt, und entzieht sich mit einem Ruck ...<br />

Es gab ja auch Dichtergenerationen, die in solcher Nachgiebigkeit an die Erfolge rhythmischer Gymnastik etwas durchaus<br />

Gefälliges sahen, und noch sind Leser genug da, die einem Gedicht zusehen wie einem Akrobaten, der schließlich<br />

zu irgend einer erleichternden Schlußpose aus dem Trapez springt. Dies wäre vielleicht also etwas Altmodisches; aber die<br />

Gedichte ... sind altmodisch noch in einem anderen, sympathischen Sinn … Einiges auch denkt man sich, Gott weiß<br />

wieso, nur vorgelesen, nach einem in Park und Wald verbrachten Herbstnachmittag; ein Kaminfeuer rührt sich dazwischen,<br />

die Kerzen flackern ein wenig im Saal, vielleicht gestreift von den äußersten Bewegungen, in denen sich die schöne<br />

Stimme hinzieht, ihr Dunkel an das Dunkel oben der Wölbung verlierend ...“<br />

185


Die letzte Briefseite enthält persönliche Mitteilungen; unter anderem werden Harry Graf Kessler und André<br />

Gide erwähnt:“... An Graf Kessler, da ich ihm doch schreiben mußte, ... gab ich die kleine Mahnung weiter; ich weiß<br />

ihm gar nicht genug Dank für Gide’s Porte Etroite: dieses Buch geht irgendwie über alle bisherige französische Liebesauffassung<br />

vorsichtig und unbeschreiblich taktvoll hinaus; was für ein schönes Buch.<br />

Zum Ende noch eine gute Nachricht, die auch Sie freuen wird: Clara Rilke geht demnächst nach Agnetendorf, um eine<br />

Büste Gerhart Hauptmanns zu machen; Sie können denken, wie froh und groß ihr dies nun bevorsteht ...“<br />

378 RILKE, RAINER MARIA, 1875-1926. Eigenhändige Zeile mit Unterschrift auf einer C.P.A.S. von Lou<br />

Andreas-Salomé. Poststempel: Göttingen 22.VII.1914. Leicht gebräunt. (CHF 600.00)<br />

An den Studenten Franz Schoenberner, den späteren Herausgeber des Simplicissimus, in München. „Lieber<br />

Franz! sicher ist es nicht, und noch nicht am ersten! Würde das Mediale möglich sein? Herzl. Gruß! Lou“ – Rilke fügt<br />

hinzu: „Einen Gruß, unbekannterweise. / Rainer Maria Rilke.“<br />

In einem Nachsatz Lou Andreas-Salomés heißt es noch: „In Eile! (Wohne bei Gebsattel in M.)“ – Der junge<br />

Schriftsteller, angehende Mediziner und Anthropologe Viktor Emil von Gebsattel gehörte ebenfalls zu ihrem<br />

Bewundererkreis.<br />

„mitten in schwerster Zeit“<br />

379 RILKE, RAINER MARIA, 1875-1926. L.A.S. Berlin, „Hôtel Esplanade“ 22.X.1917. 3 S. kl.-4°. Bläuliches<br />

Papier. Minimal fleckig. (CHF 2’400.00)<br />

An eine Dame in Dresden, die ihm half, das Schulgeld für seine sechzehnjährige Tochter Ruth aufzubringen.<br />

„... Gestern bekam ich von der Bank die Mittheilung Ihrer Überweisung, herzlichsten Dank. Heute fängt Ruths Unterricht<br />

an, ich empfing eben noch einen Brief von Clara, der freudig und genau darüber berichtet ... Ich kann Ihnen nur<br />

immer wieder versichern, wie glücklich ich bin, daß wir Ruth mitten in schwerster Zeit diese vortreffliche und sorgfältige<br />

Möglichkeit ihrer Ausbildung einräumen konnten. Für mich seh ich alles gehemmt und gefährdet, – aber je mehr wirs<br />

sind, desto mehr müssen wir hoffen, die Zukunft wenigstens in den Kindern offen halten zu können, die ja weiter als wir<br />

aus den fürchterlichen Jahren hinausreichen und sie arg- und erinnerungsloser überdauern werden.<br />

Leider hab ich Ruth und Clara nicht gesehen, und habe auch die Paula Modersohn-Ausstellung in Hannover versäumen<br />

müssen. An jenem Samstag, der der äußerste Termin gewesen wäre, die Ausstellung noch offen zu finden, war ich unwohl<br />

und nicht reisefähig, und habe dann auch für die hiesigen Verabredungen beinah acht Tage über Unpäßlichkeit verloren.<br />

Nun ist immer noch Etwas Hiesiges, Menschen und Dinge, hinzugekommen, so daß ich ... weit über meine ursprüngliche<br />

Absicht, immer noch weiter in Berlin geblieben bin ... Und schließlich werde ich wohl doch, bei der<br />

Mißlichkeit und Erschwerung des Reisens, auf dem gradesten Weg nach München zurückkehren, unter Verzicht auf<br />

Dresden, wenn mir nicht noch ein plötzlicher Muth bei besserem Befinden aufkommt ... Ich bin, unter dem Druck der<br />

Umstände, gar nicht mehr recht beweglich und muß mit viel Gepäck reisen, was jetzt zu lauter Komplikationen führt ...“<br />

380 RILKE, RAINER MARIA, 1875-1926. L.A.S. „Rainer-Maria“. München, „Montag“ (Poststempel:<br />

14.X.1918). 1 S. kl.-4°. Graues Papier. Mit Umschlag (Siegelspur; Briefmarke abgelöst).<br />

(CHF 1’200.00)<br />

186<br />

An die Studentin und angehende Schauspielerin Else Hotop (Künstlername Elya Maria Nevar), die Rilke im<br />

Sommer des Jahres in einem mittelalterlichen Spiel in der Rolle der Königstochter Elya gesehen und anschließend<br />

persönlich kennengelernt hatte.<br />

„Elya / obgleich nichts verabredet war, hab ich mir doch alle Tage vorgestellt, Du würdest auch den nächsten Mittwoch<br />

zu mir kommen. Wirst Du?<br />

Und kannst Du dann, gleich von hier aus, meine Nachbarin sein in dem (voraussichtlich) schönen Konzert des Bach-<br />

Vereins am gleichen Abend? Ich bekam diesen Morgen zwei Karten und hätte Dich so gerne neben mir, statt aller Fremden.“


„Es gibt nur – die Liebe“<br />

381 RILKE, RAINER MARIA, 1875-1926. L.A.S. Château de Muzot 28.XII.1921. 8 S. 4°. Grünlich-graues Papier.<br />

Minimale Faltenrisse. (CHF 7’500.00)<br />

Inhaltsreicher Brief an die junge Lyrikerin Ilse Blumenthal-Weiss (1899-1987), der seine Werke zur geistigen<br />

„Genesung“ verholfen hatten; ausführlich über die Bedeutung von Dichtung, Glaube und Religion für das<br />

menschliche Dasein.<br />

„... Sie überschätzen gewiss überaus, was den Einfluss meiner Bücher angeht, seine Kraft und Leistung in Ihnen, kein<br />

Buch, sowenig wie ein Zuspruch, vermag etwas Entscheidendes, wenn der, den es trifft, nicht durch ganz Unabsehliches<br />

vorbereitet ist für eine tiefere Aufnahme und Empfängnis: wenn nicht seine Stunde der Einkehr ohnehin gekommen<br />

ist. Die in die Mitte des Bewusstseins zu rücken, genügt dann das oder dies: manchmal ein Buch oder Kunstding, manchmal<br />

der Aufblick eines Menschen, die Stimme eines Kindes oder eines Vogels, – ja, unter Umständen, ein Geräusch des<br />

Windes, ein Krachen im Fußboden, – oder, da man noch am Kaminfeuer saß (was ich ab und zu that im Leben!) ein<br />

Hineinschauen in die Verwandlungen der Flammeigenhändiges Alles dies und noch viel Geringeres, scheinbar Zufälliges<br />

kann ein Sich-finden oder Sich-wiederfinden (wie Sie es nun feiern!) veranlassen und bestärken – , die Dichter, ja,<br />

ab und zu mögen eben auch sie unter diesen guten Anlässen sein ... Nicht aus Bescheidenheit, keineswegs, aber weil mir<br />

selber seine unbeschreiblich eindringliche Kunst durch die Jahrzehnte so bedeutend geblieben ist und mich oft zu Zusammenfassungen<br />

im eigenen Innern angeleitet hat, – möchte ich meinen, dass Jacobsen“ (der dänische Dichter Jens Peter<br />

J.) „viel viel mehr Verdienst hat an Ihren schönen freudigen Erfahrungen und Fortschritten. Geben Sie ihm die Ehre; und<br />

Ihrem lieben Kind ..... und, wenn Sie durchaus wollen, mir, aber wie einem Namenlosen unter hundert unbenennbaren<br />

Kräften.<br />

Glauben! – Es gibt keinen, hätte ich fast gesagt. Es gibt nur – die Liebe. Die Forcierung des Herzens, das und jenes Fürwahr-zu-halten,<br />

die man gewöhnlich Glauben nennt, hat keinen Sinn. Erst muss man Gott irgendwo finden, ihn erfahren<br />

als so unendlich so überaus so ungeheuer vorhanden – , dann, sei’s Furcht, sei’s Staunen, sei’s Athemlosigkeit, sei’s<br />

am Ende – Liebe, was man dann zu ihm fasst, darauf kommt es kaum noch an, – aber der Glaube, dieser Zwang zu Gott,<br />

hat keinen Platz, wo einer mit der Entdeckung Gottes begonnen hat, in der es dann kein Aufhören mehr giebt, mag man<br />

an welcher Stelle immer begonnen haben. – Und Sie, als Jüdin, mit so viel unmittelbarster Gotteserfahrung, mit so altem<br />

Gottesschrecken im Blut, sollten sich um ein ‘Glauben’ gar nicht kümmern müssen. Sondern einfach fühlen, in Ihrer Gegenwart<br />

die Seine; und wo Er, Jehova, gefürchtet sein wollte, da wars ja nur weil es in einzelnen Fällen kein anderes Mittel<br />

gab zu gegenseitiger Nähe von Mensch und Gott, als eben die Furcht. Und Furcht vor Gott ist ja nur, sozusagen, die<br />

Schale eines Zustandes, dessen Innres nicht nach Furcht schmeckt, sondern bis zur unsäglichsten Namenlosigkeit und<br />

187


Süßigkeit reifen kann um den, der darinnen sich verliert. – Sie haben, vergessen Sie das nicht, einen der größesten Götter<br />

des Weltalls in Ihrer Herkunft, einen, zu dem man sich nicht, wie zu jenem Christengott, irgendwann be-kehren kann<br />

– , Einen dem man gehört, von Volkeswegen, weil er einen von jeher in den Vätern gemacht und gestaltet hat, so dass<br />

jeder Jude in Ihm (in dem, den Keiner darf zu nennen wagen) eingesetzt ist, unausreißbar eingepflanzt in Ihm mit der<br />

Wurzel seiner Zunge!<br />

Ich habe ein unbeschreibliches Vertrauen zu jenen Völkern, die nicht durch Glauben an Gott gerathen sind, sondern die mittels<br />

ihres eigensten Volksthums, in ihrem eigenen Stamme, Gott erfuhren. Wie die Juden, die Araber ... Ihnen ist Gott Herkunft<br />

und darum auch Zukunft. Den Anderen ist er ein Abgeleitetes, etwas, wovon sie fort und wozu sie hinstreben als eigentlich<br />

Fremde oder Fremdgewordene, – und so brauchen sie immer wieder den Mittler, den Anknüpfer, den, der ihr Blut,<br />

das Idiom ihres Blutes, übersetzt in die Sprache der Gottheit. Die Leistung dieser Völker ist dann freilich der ‘Glaube’, sie<br />

müssen sich überwinden und erziehen ...; und darum entgleiten ihre Religionen so leicht ins Moralische, – während ein ursprünglich<br />

erfahrener Gott Gut und Böse nicht sondert und unterscheidet im Hinblick auf die Menschen ... Religion ist etwas<br />

unendlich Einfaches, Einfältiges. Es ist keine Kenntnis, es ist kein Inhalt des Gefühls ..., es ist keine Pflicht und kein Verzicht,<br />

es ist keine Einschränkung: sondern in der vollkommenen Weite des Weltalls ist es: eine Richtung des Herzens ...“<br />

Die wilden Zwanziger<br />

382 RINGELNATZ, JOACHIM, eigentlich Hans Gustav Bötticher, deutscher Schriftsteller und Kabarettist,<br />

1889-1934. L.S. „Dein Specht“. München 19.I.1927. 3 1/2 S. gr.-4°. Schwach gebräunt. Faltenrisse<br />

(ausgebessert). Mit Umschlag (Marke ausgeschnitten). (CHF 1’200.00)<br />

Humorvoller Brief an Fritz Otto („Mein lieber Pampig“) in Hersfeld, ein ehemaliges Mitglied der Besatzung des<br />

Minensuchboots „Caroline“, das Ringelnatz gegen Ende des Ersten Weltkriegs kommandiert hatte. – Ringelnatz,<br />

der an seinem Roman „Als Mariner im Krieg“ arbeitete, bedauert, seine alten Kameraden nicht besuchen<br />

zu können und gibt „Tips“ für eine Feier seines Freundes.<br />

„... Du wirst einst auch in diesem Buche lesen, und ob Du dann auch vielleicht verurteilst, dass dies und jenes überhaupt<br />

enthüllt oder zu offen beim Namen genannt ist, so wird Dir doch manches gute und schöne Erinnerungen wachrufen ...<br />

Freilich besuchte ich Dich gern einmal, aber was ich an kleinem Ruhm erwerbe, zieht mir das Schicksal wieder an Geld<br />

ab. Ich komme mit dem Muschelkalk“ (seine Ehefrau Leonharda Pieper) „noch immer so recht gut durch, aber mehr<br />

ergibt sich auch nicht ... Nun, zu Deinem Fest. Ich gebe Dir nachfolgend ein paar Tips ... / Ueberfahrt des Dampfers<br />

Columbus. – – – Einige Taue, Korkpfender, evtl. Rettungsring herumliegend oder aufgehängt. – – Ein Signalmast muß<br />

da sein oder wenigstens eine Signalleine, an der von Zeit zu Zeit ausser Wäschestücken (Schlüpfer), Strümpfen, Plakaten,<br />

Zeitungen auch Flaggen mit Aufschriften gehisst werden, wie zum Beispiel ‘Frische Weisswürste eingetroffen’. – –<br />

An allen Türen müssen Aufschriften sein wie ‘Zweite Kajüte’ oder ‘Rauchsalon’ oder ‘Pantry’. An der Damentoilette<br />

könnte stehen ‘Funkraum’ und an der Herrentoilette ‘Aussenbords’. Die Ausdrücke nicht allzu fachmännisch machen.<br />

– – Plötzlich ein Flaggensignal oder ein Kommando des Kapitäns ‘Mann über Bord’. Aus einer Versenkung oder unterm<br />

Klavier wird jemand heraus-, hervorgezogen. Zwecks Wiederbelebung müssen alle auf sein Wohl trinken. – – Seemannslieder<br />

werden gesungen ... – – Ein Radiotelegramm mit Unterschriften wird aufgegeben an Kuttel Daddeldu<br />

Dreimastbark Springburn Stiller Ozean. – Für zehn Pfennige wird den Herren von Herren, den Damen von Damen ein<br />

gefährlicher Strudel gezeigt, das heisst, man führt sie einzeln auf den Lokus und zieht am Strang ... – – – Signal ‘Eisberg<br />

voraus’ Es gibt einen Krach. Alle Lichter verlöschen für einige Minuten, Gejohle und Gejammere. Dann wieder hell. Eine<br />

Dame wird als Retterin des Schiffes gefeiert. An ihrem warmen Busen wäre der Eisberg im letzten Moment geschmolzen.<br />

Die Reste können bei der Gelegenheit als Speiseeis oder Eisgetränke serviert werden ... Die Freiheitsstatue von Amerika<br />

kommt in Sicht. Durch ein Doppelglas wird irgendwelche kleine Statue gezeigt, die in einer Ofenröhre oder sonstwie im<br />

Schatten steht. – – Tanz. Mitten dazwischen zwei grelle Signale ‘Schiffbruch’ und ‘Rette sich wer kann!’ Wüstes<br />

Durcheinander. Alles Tauwerk wird fortgeschleppt. Paare umschlingen sich ertrinkend. Edle Rettungsszenen, und so<br />

weiter. Dann Heimweg oder gemütliches unseemännisches Beisammensein der Geretteten ...“<br />

383 RINGELNATZ, JOACHIM, 1889-1934. L.S. Köln 11.IX.1929. 1/2 S. gr.-4°. Kleine Randeinrisse unterlegt.<br />

(CHF 400.00)<br />

188<br />

An eine Dame – „oder sind Sie ein Mann? Ich bin sehr beschämt darüber, dass ich sagen muss, ich weiss garnicht wer<br />

Sie sind. Ich spreche jeden Tag so viele Menschen und lerne jeden Tag so viele neue kennen ... Wenn Sie Lust haben, kommen<br />

Sie doch am ... Freitag abends ... einmal an einen neu gegründeten Ringelnatz-Stammtisch zu Denekes Weinlokal ...“<br />

Beiliegend ein Brief seiner Witwe Leonharda geb. Pieper, den Ankauf von Ringelnatz-Briefen betreffend (L.S.<br />

„Frau M. Ringelnatz“, 1938); ferner beiliegend 2 Autographen seines Vaters, des Schriftstellers Georg Bötticher<br />

(1 Eigenhändiges Gedicht mit Unterschrift und 1 L.A.S., 1895, je 3 S. gr.-8°).


384 RINGELNATZ, JOACHIM, 1883-1934. L.A.S. Düsseldorf 23.IX. o.J. 1 Einzelblatt quer-8°, die Vorderseite<br />

beschrieben. Vorrastriertes Papier. Gelocht, gebräunt, brüchig, mit Randausrissen. (CHF 250.00)<br />

An die „Literarische Welt“, die ihn um ein Gedicht gebeten hatte: „Antwortlich Ihrer geschätzten Zeilen vom 17.<br />

d. M. teile ich Ihnen zu dem Beiliegenden mit, daß ich im Augenblick weder über ein besseres Gedicht noch über einen<br />

besseren Briefbogen verfüge. Entschuldigen Sie wenigstens das zweite…“<br />

385 RINSER, LUISE, 1911-2002. Eigenhändiges Manuskript. (August 1960.) 8 S. folio, zum Teil durchstrichen.<br />

Minimale Läsuren am Oberrand. (CHF 900.00)<br />

Vollständiges Manuskript über Freiheit und Ordnung, verfaßt als Beitrag zu einer „Gedenkstunde“. Die letzten<br />

beiden Abschnitte lauten:<br />

„Noch sind wir frei, genügend frei, um den Versuchen, die Freiheit zu brechen, widerstehen zu können. Wir können die<br />

Chance verpassen. Wir tatens schon einmal. Für dies eine Mal können wir Entschuldigungen finden. Für ein zweites<br />

Mal gäbe es keine mehr.<br />

Wer heute schläft, wer heute um einiger privater Vorteile willen kurzschlüssig die potentielle Diktatur wählt, aber auch<br />

wer heute sich blind stellt für die Fehler von Regierungen, welche in besteh[enden] Demokratien den Wunsch nach der<br />

Diktatur einerseits u. nach der Anarchie andererseits geradezu provoziert, der macht sich schuldig vor dem Gericht der<br />

Weltgeschichte ...“<br />

386 RODENBERG, JULIUS VON, eigentlich Julius Levy, deutscher Journalist und Schriftsteller, 1831-1914.<br />

Eigenhändiges Gedicht, am Kopf bezeichnet „An Josef Dessauer“, 5 Strophen zu vier Versen, und<br />

Begleitbrief dazu. Hannover 8.III.1855. 1 Doppelblatt gr.-4°, die erste Seite beschrieben. Mehrfach<br />

gefaltet. (CHF 350.00)<br />

Dankgedicht an den österreichischen Komponisten Josef Dessauer (1798-1876), der einige Gedichte Rodenbergs<br />

zu dessen vollster Zufriedenheit vertont hatte. Es beginnt:<br />

„Im Norden, als der Frühling kam,<br />

Hab’ ich mein Lied gesungen;<br />

Da ist aus Oesterreich wundersam<br />

Ein Echo mir erklungen.<br />

Ich lauschte hin, ich lauschte lang …<br />

Sind das denn meine Lieder?<br />

So reich u. mächtig war ihr Klang –<br />

Ich kannte sie nicht wieder!...<br />

Die Nachschrift lautet: „Das sind die Empfindungen, geehrter Herr, mit denen ich heute in einer Soirée Ihre Compositionen<br />

meiner Gedichte anhörte. Ich war ganz entzückt – bei dem ‚Notturno’ kamen mir die Tränen in die Augen, bei<br />

dem ‚Wach auf’ hätt’ ich aufspringen u. meiner Geliebten – wenn sie mir nicht untreu worden wäre! – um d Hals fliegen<br />

mögen…“<br />

189


387 ROLLAND, ROMAIN, französischer Schriftsteller und Musikologe, Pazifist, erhielt 1915 den Nobelpreis,<br />

1866-1945. L.A.S. Paris 22.XI.1909. 1 1/2 S. 8°. Mit Umschlag. (CHF 200.00)<br />

An die italienische Sängerin und Musikherausgeberin Ida Isori in Paris, die sich nach einem seiner musikwissenschaftlichen<br />

Bücher („Histoire de l’Opéra au XVIIe. Siècle“) erkundigt hatte.<br />

„... Son principal intérêt, à mon sens, est dans la publication de quelques airs admirables d’un compositeur napolitain,<br />

maître de Alessandro Scarlatti: Francesco Provenzale. Je crois en avoir une double copie. Si je la retrouve, je me ferai un<br />

plaisir de vous l’envoyer. J’ai reçu les billets que M. Paolo Litta“ (ihr Ehemann, der Pianist P. L.) „a eu l’obligeance de<br />

m’adresser, et je compte bien assister à quelques-uns de vos concerts ...“<br />

388 ROLLAND, ROMAIN, 1866-1945. L.A.S. Paris 2.II.1913. 3 S. gr.-8°. Gelocht (geringer Buchstabenverlust),<br />

leichte Randläsuren. (CHF 250.00)<br />

An Gaston Sauvebois, dem er für einen Artikel in der „Critique Indépendante“ dankt.<br />

„... Je suis assez souvent loué ou blâmé, rarement compris. Vous avez été droit à l’essence intellectuelle et morale de l’œuvre,<br />

et vous avez dit mon secret désir, – qui procède non pas d’une ambition littéraire, mais d’un besoin instinctif et profondi<br />

– penser avec Vous, parler pour tous. Depuis vingt ans que je suis en communion avec des hommes de tous les pays,<br />

je sais combien étroite est, dans le monde entier, la fraternité des souffrances et des rêves, combien poignant le désir de les<br />

porter en commun. Et, – vous le dirai-je aussi? – j’ai vu, dans tous les pays, – oui, même dans celui qui nous vainquit<br />

par les armes, – j’ai vu les regards se tourner vers la France, attendant, espérant d’elle la voix qui parlerait pour ceux qui<br />

ne peuvent parler. – Je n’ai jamais eu la prétention de pouvoir être cette voix ...“<br />

389 ROLLAND, ROMAIN, 1866-1944. L.A.S. Genf 9.VI.1915. 1 Einzelblatt quer-8°, beide Seiten beschrieben.<br />

Briefkopf des Roten Kreuzes ,Agence internationale des prisonniers de Guerre’. (CHF 750.00)<br />

190<br />

An Helmer Key (1864-1939), Chefredakteur des Svenska Dagbladet; Rolland stimmt der Publikation seiner<br />

Antwort auf eine Rundfrage in Französisch und in Schwedisch zu:<br />

„…Je serai heureux d’affirmer, une fois de plus, et devant un plus large public, des idées de libre fraternité humaine, qui<br />

me sont d’autant plus chères qu’elles sont plus menacées …<br />

… A la 5 e ou 6 e phrase avant la fin : ‘Elles se taisent, sous le baîllon de la dictature militaire …’ veuillez ajouter ‘et civile’.<br />

(‘de la dictature militaire et civile … et …’)<br />

Si vous donnez les portraits des écrivains, je pourrai vous envoyer une photographie meilleure que celle que vous avez reproduite.


Je vous prierai aussi de ne pas me nommer : ‘M. le professeur …’<br />

Je n’ai ni ne veux aucun titre.<br />

Si le texte français que je vous ai envoyé précédemment n’était pas assez net, je serais prêt à vous le retranscrire.<br />

Comme mon adresse, veuillez donner : Paris. Je ne suis à Genève que momentanément.“<br />

390 ROLLAND, ROMAIN, 1866-1945. L.A.S. Villeneuve 26.IV.1928. 1 S. gr.-8°. Grünliches Papier. Drei kleine<br />

Fleckchen im Text. (CHF 200.00)<br />

An den deutschen Reformpädagogen Karl Wilker, der sich wohl wegen einer wissenschaftlichen Arbeit an ihn<br />

gewandt hatte.<br />

„... Vous ne savez pas combien il est pénible de s’arracher à un travail qui vous absorbe, pour répondre à une question<br />

aussi grave. On ne voudrait jamais parler de ces sujets qu’à loisir, en s’y concentrant; il n’est pas permis d’en dire des<br />

paroles banales, de co-plaisance. – Mais si ces quelques lignes peuvent être utiles à votre cause, en une occasion urgente,<br />

acceptez-les et excusez-moi d’avoir dû les écrire précipitamment ...“<br />

Erwähnt die Reformpädagogin Elisabeth Rotten.<br />

391 ROLLAND, ROMAIN, 1866-1945. L.A.S. Vézelay 7.VI.1944. 1 1/2 S. gr.-8°. Mit Umschlag. (CHF 200.00)<br />

Aus dem Todesjahr an den Schriftsteller Jean Réande in Paris, der ihn um „quelques feuilles de manuscrit de Finita<br />

Comoedia“ gebeten hatte.<br />

„... Puis, je suis tombé malade (je ne sors pas des maladies), je le suis encore, je me débats contre une mauvaise grippe ...<br />

Merci bien cordialement pour ce magnifique papier. Puisse-je avoir encore la force de le remplir ...“<br />

392<br />

„Heimweh nach Steiermark“<br />

ROSEGGER, PETER, 1843-1918. L.A.S. „P. K. Rosegger“. Graz 3.I.1886. 1 S. gr.-8°. Mit Briefkopf des<br />

„Heimgarten“. Kleiner Faltenriß. Am Kopf eine Rosegger-Briefmarke montiert. (CHF 250.00)<br />

An einen Autor, dem er für „Alpenbilder“ von St. Moritz dankt.<br />

„Ich danke den lieben Spendern der herrlichen Alpenbilder in St. Moritz. Ich danke dem Verfasser der ‘Beatrice’ u. des<br />

Gedichtes ‘Christnacht’, das mich gerührt hat. Die Bilder erwecken in mir Sehnsucht nach der Schweiz. Ich bin ein wenig<br />

brustleidend u. oft schon hat man mir St. Moritz empfohlen, aber bei all meiner Liebe zur wundervollen Schweiz, das<br />

Heimweh nach Steiermark ist gar so schwer zu tragen ...“<br />

Beiliegend eine L.A.S. von Karl von Holtei (Graz 1856, 2 S. gr.-4°) an einen Autor, der ihm ein Gedicht gesandt hatte.<br />

393 ROSEGGER, PETER, 1843-1918. L.A.S. Graz 4.II.1889. 1 S. gr.-8°. Mit Briefkopf des „Heimgarten“.<br />

Etwas fleckig. (CHF 200.00)<br />

An eine Dame in Dresden, die eine Lesung vorbereitete.<br />

„... Es wird zumeist neues, heiteres Programm sein, welches wir aber öffentlich im Vorhinein nicht näher zu bestimmen<br />

brauchen. Künden Sie vielleicht nur eine heitere Vorlesung in steirischer Mundart an ...“<br />

394 ROSTAND, EDMOND, französischer Bühnenautor, Schöpfer des „Cyrano de Bergerac“, 1868-1918.<br />

L.A.S. Arnaga [1911]. 1 Doppelblatt kl.-4°, die erste Seite beschrieben. Briefkopf. (CHF 500.00)<br />

An die Schriftstellerin Aurélie de Faucamberge (1882-1948), deren Buch ‚Le Couple’ und die Broschüre über<br />

den Kunstkritiker Jean Dolent (1835-1909) er gelesen hat.<br />

„…J’ai emporté ici pour les lire votre beau livre, et cette plaquette sur Dolent dont la dédicace m’a intrigué, car vous parlez<br />

d’une amitié de ce grand esprit pour Cyrano. Il y a longtemps que j’admire Dolent, et j’ai lu avec émotion ce que vous<br />

dites de lui. Quant à ce livre où vous continuez de parler avec tant d’éloquence, d’originalité, de mystérieuse saveur et de<br />

191


vraie poésie sur l’éternelle et tragique histoire du Couple, je l’ai aimé comme vos livres précédents, avec passion et gratitude.<br />

Car sur presque tous les points vous me paraissez soutenir ce qui est mon humble vérité: et vous enseignez à la<br />

femme ce qu’il me semble qu’elle a besoin d’apprendre, et vous savez toute la douloureuse stupidité du mâle …“<br />

Aurélie De Faucamberge schrieb unter verschiedenen Pseudonymen gefühlvolle Romane; ‚Le Couple’ kam<br />

1911 heraus. Ihre Romane sind heute weitgehend vergessen; sie führte seinerzeit an der Rue de Printemps<br />

einen viel frequentierten Salon.<br />

395 ROTH, EUGEN, 1895-1976. Eigenhändiges Gedicht. 1 S. quer-8° (Oberhälfte eines Gr.-8°-Blattes). Kariertes<br />

Papier. – Auf der Rückseite ein eigenhändiges Billett mit Unterschrift, o.O.u.D., 1 S. quer-8°.<br />

(CHF 200.00)<br />

„Der Humorist, meist selbst nicht heiter,<br />

Gibt Frohsinn nur an andre weiter.<br />

Die Wissenschaft, die selten irrt,<br />

Heisst sowas einen Zwischenwirt.“<br />

Darunter der Beginn des Gedichts „Zuversicht“ („Am Abend sieht man manchen Kranken / Gewaltig Medizinen<br />

tanken“).<br />

Das Begleitbillett an einen Autographensammler: „... ich hoffe, mit diesem Original Ihren Wunsch erfüllt zu haben<br />

– im Allgemeinen gebe ich keine Manuskripte aus der Hand, ich habe zu viele schlechte Erfahrungen gemacht ...“<br />

396 ROTH, EUGEN, 1895-1976. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift „ER“ auf der Rückseite einer<br />

signierten Portraitphotographie (Druck). 1/2 S. 8°. (CHF 200.00)<br />

„Ein Glück, dass Leser-Millionen<br />

Mit derlei Wünschen mich verschonen,<br />

weil mir sonst nur der Ausweg bliebe,<br />

Dass Tag und Nacht ich für sie schriebe“.<br />

Die Schwarzweiß-Aufnahme zeigt Roth an seinem mit Papieren überhäuften Schreibtisch.<br />

Beiliegend ein zweites eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift: „Was ist gar vieler Menschen Traum? / Die<br />

Rentenfrucht am Leidensbaum! / Eugen Roth“.<br />

„Ich bin auch ein Klugscheißer. Aber ich verberge es.»<br />

397 ROTH, JOSEPH, österreichischer Schriftsteller und Journalist, 1894-1939. L.A.S. „Ihr alter Joseph Roth“.<br />

Frankfurt a. M. „Englischer Hof“ 14.X.1932. 1 Einzelblatt folio, die Vorderseite beschrieben. Mit dem<br />

(durchgestrichenem) Briefkopf ‚Hotel Schwanen Rapperswil’. Faltenrisse, leicht fleckig.<br />

(CHF 6’000.00)<br />

192<br />

Großartiger Brief an Hans Natonek (1892-1963), mit einer eingehenden Kritik an dessen neuem Roman ‚Kinder<br />

einer Stadt’. Roth gibt seinem Freund handfeste Ratschläge und verteilt dabei auch Hiebe gegen Schriftstellerkollegen,<br />

etwa Thomas Mann. Erwähnt seinen „Hiob“.<br />

„…Ich will versuchen, Ihnen meinen Eindruck von Ihrem neuen Buch zu sagen. Zuvörderst das mangelhafte:<br />

1.) Es liegt bereits in der Anlage. Sie haben zwei Themata ineinander geschlungen, von denen jedes einen mehrbändigen<br />

Roman auszufüllen hätte: a.) Kinder einer Stadt – b.) der vom Haß verfluchte und wieder geheilte Unhold.<br />

Dieser ist eine wahrhaftige Shakespeare-Figur. Neben ihm hätten die andern so quantitativ klein erscheinen müssen, wie<br />

sie es, ihrer Substanz nach sind … In der (stofflichen) Beschränkung zeigt sich der Meister, Sie begehen einen eminent<br />

deutschen Fehler, einen, an dem ganz Große in Deutschland gescheitert sind – auch Goethe im Faust – wenn es nicht lächerlich<br />

wäre, diesem Herrn ein Scheitern zuzumuten. – Sie haben einfach zu viel hineingepackt. Die Geschichte Dowidals<br />

allein erzählt, ganz detailliert, Phase für Phase, hätte genügt, verstehen Sie? So etwa, ein ganzes ‘Kaltes’, wie z. B.<br />

‘Hiob’ von mir ein ‘Warmes’ ist … Sie haben aus einem unerhört metaphysischen Stoff eine reale Geschichte gemacht.<br />

2.) ... Sie würzen zu sehr. Sie versalzen die Suppe, Sie teilen dem Leser mit, Sie verraten ihm das, was sich in Ihrer gehirnlichen<br />

Werkstatt abspielt. Sie kommentieren nicht nur dort, wo Sie aus äußerlich bedingter Flüchtigkeit nicht ganz


gestaltet haben, sondern auch dort, wo Ihnen, ohne Ihr Wissen wahrscheinlich, die Gestaltung glänzend gelungen ist.<br />

Ich bin auch ein Klugscheißer. Aber ich verberge es. Erst, wenn man den Nobelpreis hat, darf man sich erlauben, sein Tagebuch<br />

zu veröffentlichen … Der größte Fehler: die letzte Szene zu sehr deutlich. (Angst, wahrscheinlich, vor dem Unverständnis<br />

des Lesers.)<br />

3.) Die Vorzüge Ihres Romans sind zugleich seine Mängel. Das beweist mir, daß Sie ein wahrer Dichter sind. Ich bin also<br />

nicht voreingenommen – und mich beruhigte dieses Bewußtsein. Der Dowidal ist unvergeßlich! Unvergeßlich die Szene<br />

mit den Rabitzwänden. Die mit Waisels erstem Eintritt. Die mit der Mutter. Unvergeßlich. Die Ehe Waisels! Unvergesslich!<br />

4.) Glänzend die Sprache, bis auf die sehr abstrakten Bemerkungen. Im Roman hat nichts Abstraktes vorzukommen.<br />

überlassen sie das Thomas Mann! Sie haben selbst zu viel konkrete Anschauungsfähigkeit. Nun noch private ‚Eizes’:<br />

a.)Lesen Sie mehr ganz große ewige Sachen, als wie: Shakespeare, Balzac, Flaubert!<br />

b.)Kein Gide! Kein Proust! Auch nichts ähnliches!<br />

c.)Die Bibel. Homer.<br />

d.)Misstrauen Sie nicht allzu sehr dem ‚Leser’!<br />

e.)Versuchen Sie, Sich vom Journalismus innerlich fernzuhalten.<br />

f.)Kein Interesse für Tages-Vorgänge. Sie sind fälschend. Sie fälschen das Menschliche.<br />

g.)Sie haben so viel Einahmen – Gott sei Dank! – daß Sie nicht Neben-Feuilletons schreiben<br />

sollen! Scheißen Sie darauf. Es bringt höchstens einen Hut für die Frau und ein Kleid für die<br />

Freundin.<br />

Entschuldigen, verzeihen Sie diese Besserwisserei, den Ton und was Sie sonst stört.<br />

Horchen Sie, wenn Sie hören, auf die absolute Aufrichtigkeit meiner Worte…“<br />

Hans Natonek zog das Buch kurz nach der Veröffentlichung zurück, nicht wegen Roths Kritik, sondern weil<br />

der Schriftsteller Richard Katz sich in der Figur eines skrupellosen Journalisten zu erkennen glaubte und<br />

Natonek einen Prozess fürchte.<br />

193


„nicht als Schriftsteller jüdischen Blutes – und auch nicht überhaupt“<br />

398 ROTH, JOSEPH, 1894-1939. L.A.S. Paris 22.VII.1933. 1 Doppelblatt kl.-4°, 1 Seite beschrieben. Briefkopf<br />

des Hotel Foyot. Kleiner Wasserfleck. Gelocht. (CHF 2’800.00)<br />

An die Schriftstellerin und Übersetzerin Antonina Vallentin-Luchaire (1893-1957).<br />

„Herr Piha von den Cahiers Juifs schreibt mir: 1.) daß er einen Artikel von mir bis zum 13. August wünscht; 2.) daß Sie<br />

die grosse Liebe haben würden, über mich zu schreiben.<br />

Ich danke Ihnen sehr, sehr herzlich.<br />

Ich habe dem Herrn geschrieben, daß ich einen gewissenhaften Artikel vor dem 16-20 August nicht geben kann.<br />

Einen flüchtigen aber darf man nicht schreiben, als Jude nicht und nicht als Schriftsteller jüdischen Blutes – und auch<br />

nicht überhaupt …“<br />

Joseph Roth verließ Österreich am 30. Januar 1933, am Tag vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, und<br />

ging nach Paris ins Exil.<br />

Die aus Lemberg stammende Antonina Vallentin zog 1929 nach Paris und heiratete den französischen Publizisten<br />

und Politiker Julien Luchaire; sie arbeitete als <strong>Literatur</strong>agentin und Übersetzerin.<br />

„leur séxe est plus porté à la dévotion“<br />

399 ROUSSEAU, JEAN-JACQUES, in Genf geborener Schriftsteller, Philosoph, Komponist und Pädagoge,<br />

einer der Wegbereiter der französischen Revolution, 1712-1778. Eigenhändiges Manuskript.<br />

O.O.u.D. 3 Einzelblätter 4°, alle 6 Seiten halbspaltig beschrieben. Die Ränder schwach gebräunt.<br />

(CHF 4’800.00)<br />

194<br />

Ein für Louise Marie Madeleine Dupin (1706-1799) erstelltes Exzerpt aus dem zweiten Teil des ‚Testament Politique’<br />

des Cardinal de Richelieu, vornehmlich über den Charakter der Frauen und ihre naturgegebene Unfähigkeit<br />

zum Staatsdienst. Rousseau gibt nicht allein Richelieus Standpunkt wieder, sondern kommentiert<br />

aus seiner Sicht heraus.<br />

So gibt er zu Beginn Richelieu wieder:<br />

„Après avoir blâmé l’hypocrisie, il dit, beaucoup<br />

d’esprit dont la foiblesse est équipollente<br />

à la malice se servent quelquefois de ce genre<br />

de ruses d’autant plus ordinaire aux<br />

f[emmes] que leur séxe est plus porté à la dévotion,<br />

et que le peu de force dont il est accompagné<br />

les rend plus capables de tels déguisemens<br />

qui supposent moins de solidité que de<br />

finesse.“<br />

Und dies kommentiert Rousseau dann so<br />

: „Molière étoit en morale un aussi bon politique<br />

pour le moins que le C[ardin]al Richelieu.<br />

Il a démasqué et corrigé certains vices, et<br />

il a trouvé l’original de son Tartuffe chez les<br />

h[ommes]. Selon ce passage il auroit dû le<br />

prendre chez les f[emmes].“<br />

Richelieu kommt dann zu seinem Hauptpunkt,<br />

daß die natürlichen Anlagen der<br />

Frau dem Staatsdienst entgegenstehen:<br />

„Après avoir parlé de ce qui convient selon les<br />

différens cas; de là vient, dit il, que les<br />

f[emmes], paresseuses et peu secrettes de leur<br />

nature sont si peu propres au gouvernement<br />

que si on considère encore qu’elles sont fort<br />

sujettes à leurs passions, et par consequent<br />

peu susceptibles de raison et de justice; ce seul<br />

principe les exclue de touttes administrations<br />

publiques.“ Rousseau meint dazu, daß es


zumindest Ausnahmen geben müsse : „Ce n’est pas qu’il ne s’en puisse trouver quelcune tellement exempte de ces<br />

défauts, qu’elle pourrait y être admises…“.<br />

Madame Dupin unterhielt einen einflussreichen Salon, den neben Rousseau auch Voltaire, Montesquieu und<br />

Buffon frequentierten. Rousseau setzte Louise Dupin und ihren beiden Schwestern in seinen „Confessions“<br />

ein literarisches Denkmal.<br />

„wie ich mir eines solchen Unverstands auch bis dato nicht bewußt bin“<br />

400 RÜCKERT, FRIEDRICH, 1788-1866. L.A.S. Neuseß 23.XII.1858. 1 S. 8°. Leicht fleckig. Am linken Rand<br />

zwei kleine Nadellöcher. (CHF 2’000.00)<br />

An den Advokaten M. Heimendinger in Karlsruhe, der in einem (beiliegenden) Brief an Rückert das Wort „Judengottesacker“<br />

in dessen Gedicht „Nächtlicher Gang“ als ihn schmerzlich berührend beanstandet hatte.<br />

„... Es thut mir herzlich leid, daß ein wildes Jugendgedicht von mir Ihnen so ernstliche Bedenken und so unangenehme<br />

Empfindungen verursachen konnte. Wenn ich mich, soweit es dem zahmen Alter möglich ist, in jene wilde Stimmung<br />

zurückdenke, so hatte die sinnliche Lust auf jenem nächtlichen Gange gegen beßre Mahnungen u. Warnungsstimmen<br />

zu kämpfen, die, aus dem Innern kommend, von der Phantasie grell in die äußre Umgebung versezt wurden. Wäre dort<br />

rechts am Berg herab, statt eines Judengottesacker, der eben wirklich da lag, ein Christengottesacker gelegen gewesen, so<br />

würde der aufgeregte Wandrer auch dort wol Flämmchen auf den Gräbern hüpfen gesehn, u. einen Uhu den anderen<br />

schimpfen gehört haben. Von einer Feindseligkeit gegen irgend eine Glaubensgenossenschaft war natürlich dabei nichts<br />

im Spiel, wie ich mir eines solchen Unverstands auch bis dato nicht bewußt bin ...“<br />

401 RÜCKERT, FRIEDRICH, 1788-1866. Eigenhändiges Gedicht. 1 1/2 S. quer-8°. Leicht gebräunt.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

„Du sagst: ‘Nicht übel ist der Garten deiner Wahl,<br />

Doch mittendurch der Weg, der Weg ist gar zu schmal.<br />

Du scheinst am liebsten nur mit dir allein zu sein,<br />

Es haben zwei nicht Raum, eins an des andern Seiten.<br />

Mitnichten nur allein! es geht sich wohl zu zwein,<br />

Freund mit dem Freunde, wo sich Arm in Arm schlingt ein ...“<br />

Es folgen fünf weitere Strophen.<br />

Beiliegend ein eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift (Neuseß 1861); „Wer sich der Einsamkeit ergibt, / O<br />

der ist bald allein / Göthe“.<br />

195


„It is a long, tough fight, but it must be won”<br />

402 RUSHDIE, SALMAN, indisch-britischer Schriftsteller,<br />

geb. 1947. L.A.S. London 2.XI.1992. 2 Einzelblätter<br />

8°, 3 Seiten beschrieben. Eingangsstempel am Kopf.<br />

(CHF 2’400.00)<br />

Rushdie entschuldigt sich beim Verleger Ernst Piper, mit den<br />

„Satanischen Versen“, wegen derer er einer „fatwa“ von Ayatollah<br />

Khomeini unterworfen wurde, zu Kiepenheuer gegangen<br />

zu sein.<br />

„Thank you very much for the letters book, and for your help in Artikel<br />

19 Verlag, and at the Frankfurt Bookfair; also for your expressions<br />

of solidarity and hope for the future.<br />

As things turned out, it was possibly a mistake to have moved to<br />

Kiepenheuer with the Satanic Verses; but that is what I was advised<br />

at the time, and there is no point in trying to rewrite the past. I can<br />

see from your letter that you were hurt by my decision, and I can<br />

only apologize for that. But, as of course you know, writers (and<br />

publishers) make such choices – good ones, bad ones – all the time…<br />

In the meanwhile, the storm continues – now, as you may have seen,<br />

in Germany also. It is a long, tough fight, but it must be won ...”<br />

Kiepenheuer & Witsch brachten die deutsche Übersetzung<br />

der „Satanischen Verse“ schließlich nicht heraus – zum Schutze<br />

seines Autors. Erst 1989 erschienen diese beim im Brief genannten<br />

Verlag Artikel 19.<br />

403 SACHER-MASOCH, LEOPOLD VON, österreichischer Schriftsteller, 1836-1895. Eigenhändiges Albumblatt<br />

mit Unterschrift. O.O.u.D. 1 Einzelblatt 8°, die Vorderseite beschrieben. Geringfügig fleckig.<br />

(CHF 250.00)<br />

196<br />

Zitat aus seinem Buch ‚Das Vermächtnis Kains’, in französischer Übersetzung:<br />

„Tous les crimes que la loi punit dans la vie privée, les peuples les commettent sans scrupule les uns sur les autres. On<br />

se vole, on se pille, se trahit, s’extermine en grand, sous couleurs de patriotisme et de raison d’état / Le chevalier Leopold<br />

de Sacher Masoch.“<br />

„il faut que je me brûle la cervelle“<br />

404 SADE, DONATIEN ALPHONSE FRANÇOIS<br />

MARQUIS DE, 1740-1814. L.A., aus Diskretionsgründen<br />

ohne Unterschrift. O.O. 10. Frimaire (30.XI.1794).<br />

3 S. 4°. Leicht gebräunt. (CHF 3’500.00)<br />

An seinen Verwalter, dem er seine Notlage nach der Entlassung<br />

aus dem Gefängnis schildert und den er mit dem<br />

Verkauf des Landhauses in Saumane beauftragt.<br />

„Eh bien mon cher citoyen estes vous donc retombé dans votre<br />

cruelle létargie. oh mon dieu comment se peut-il que vous<br />

m’abandonniés dans une aussi cruelle circonstance. songés donc<br />

qu’au sortir de ma prison j’ai trouvé deux mil écus de dettes, pas<br />

un sol veillant ma santé dans le plus grand delabrement possible,<br />

me voila à l’entrée de lhiver obligé de faire quelque provisions et<br />

malade dans mon lit; voila l’etat ou vous me laissés ... ma position<br />

est absolument sans exemple et si vous ne venés sur le champ à<br />

mon secours il faut que je me brule la cervelle. terminés donc cette


vente de la grande bastide de Saumane, mais vendés cela comme il faut, car vous n’ignorés pas que les biens se vendent<br />

aujourdhui des prix fous dans votre departement, je dois avoir au moins 30 ou 35 mil Francs de cet objet ...<br />

le silence de quinquin est quelque chose de fort extraordinaire, il est bien singulier que cet original là ne veuille meme pas<br />

accuser la reception des importans papiers que je lui ai fait passer, je vous prie de vous informer tres exactement de ce quil<br />

peut etre devenue et de lui faire tenir ... la lettre ci jointe en mains propres. ne negligés pas cette importante commission<br />

je vous le demande avec instance comme c’est depuis le 9 termidor que son silence duré ... et sur toutes choses envoyés<br />

moi de l’argent ... car ma position est horrible.“<br />

405 SALIS-SEEWIS, JOHAN GAUDENZ VON, schweizerischer Dichter und Generalstabschef, Dichtergeneral<br />

genannt, 1762-1834. L.A.S. „J.G. Baron von Salis Seewis“. Paris 2.IX.1786. 1 Doppelblatt 4°, die 3 Seiten<br />

beschrieben. Mit mehreren Unterbrechungen und verschiedenen Federn geschrieben.<br />

(CHF 1’800.00)<br />

Inhaltsreicher Brief an den Schriftsteller Heinrich August Ottokar Reichard (1751-1828) in Gotha, der im Sommer<br />

mit seiner jungen Frau eine Reise in die Schweiz und von da über Lyon nach Paris unternommen hatte.<br />

Mit warmen Erinnerungen an den Besuch Reichards, von seiner Beförderung zum Hauptmann der Schweizer<br />

Garde, was eine unwillkommene Versetzung nach Arras zur Folge hatte, über den Tod Friedrichs des Großen<br />

sowie über das Pariser Theaterleben.<br />

„…Freilich werde ich ihm, leider, zu wenigerem nüzlich seÿn können, als ich in Paris, hoffte zu werden – und unsere<br />

Schweizerreise! Erst auf künftigen Herbst (1787) habe ich einige Hoffnung Urlaub zu bekommen. – …Künftige Woche<br />

gehe ich nach Erménonville; Ich kann die hiesige Gegend nicht verlassen, ohne es gesehen zu haben.<br />

Sie können sich kaum vorstellen, wie sehr, die sonst so leichtsinnigen Franzmänner, den König in Preussen betrauern; –<br />

ich glaube kaum, daß sein Tod in Berlin mehr Eindruck als hier gemacht habe. Mir selbst fiel der Gedanke lästig: mit diesem<br />

Unsterblichen, der keine Unsterblichkeit glaubte, zu gleich auf Erden gelebt und ihn nicht von Angesicht zu Angesicht<br />

gesehen zu haben.<br />

… Vogel, ein Deutscher, setzt eine Oper: Jason, ou la Toison d’or, die mit nächstem aufgeführt werden soll. Man verspricht<br />

sich viel Gutes von ihm. Unser Hof geht den 9ten künftiges Monaths nach Fontainebleau, biß dahin wird wohl<br />

wenig neües von Belang gespielt werden; denn alles Gute verspart man biß dahin.<br />

Ich habe sehr viele Geschäfte; zu wenigen Tagen muss ich Paris verlassen, und dazu so unerwartet; Von manchem edeln<br />

Freünd, und den einigen ehrwürdigen Gesellschaften, muß ich mich trennen …“.<br />

197


Salis-Seewis diente von 1779-1789 als Offizier in der Schweizergarde. Erst die Französische Revolution veranlaßte<br />

den Günstling Marie-Antoinettes, seinen Abschied zu nehmen.<br />

Auf einer 1790 unternommenen Deutschlandreise besuchte Salis-Seewis Goethe, Wieland, Herder und Matthisson,<br />

mit dem er sich in enger Freundschaft verband.<br />

Aus der Sammlung Karl Geigy-Hagenbach.<br />

„Un moment d’anarchie“<br />

406 SAND, GEORGE (eigentlich Amandine Aurore Lucie Dupin Baronne Dudevant), Gefährtin von Alfred<br />

de Musset und Chopin, 1804-1876. L.A.S. „G. Sand“. Nohant 15.V.[1871]. 1 Doppelblatt 8°, alle<br />

4 Seiten eng beschrieben. Am Kopf die blindgeprägten Initialen ‚GS’. (CHF 2’400.00)<br />

198<br />

An Alexandre Dumas fils (1824-1895), bei dem sie ihrem Ärger über die Pariser „commune“ in sehr unmißverständlicher<br />

Art und Weise Luft macht.<br />

„Cher fils, je suis contente que vous soyez content de l’état de mon esprit durant ces épreuves tragiques. À présent les<br />

épreuves sont burlesques par-dessus le marché ! Mais n’êtes vous pas frappé de la lâcheté générale ? Qu’après un désastre<br />

les oiseaux de proie s’abattent sur les cadavres, c’est tout simple. Cela s’est toujours vu. Un moment d’anarchie et les<br />

idiots soutenus par messieurs les voleurs viennent se repaître. Mais cette population parisienne qui est en raison de cent<br />

contre un, et qui se laisse opprimer, insulter, voler, avilir ? Ceux qui élèvent encore la voix sont si c…[sic] – qu’ils font<br />

semblant de redouter une restauration<br />

pour se dispenser de résister à quelques<br />

voyous pochards qu’ils devraient et<br />

pourraient jeter dans leurs caves…<br />

Il n’y a pas à pleurer sur les déplacements<br />

de richesse qui vont s’opérer à la<br />

suite de la ruine de Paris. Ceux qui se<br />

laissent plumer comme des oies ne sont<br />

pas intéressants. J’espère que le dénouement<br />

est proche. A présent que tout ce<br />

qui a une valeur intellectuelle et morale<br />

a quitté ce pays d’insanités, j’avoue que<br />

je suis bien endurcie sur le sort de ceux<br />

qui restent…<br />

Dites donc à Me[i]ssonnier de m’écrire<br />

qu’il me dise en deux mots qu’il a de la<br />

sympathie pour moi et je lui en serai<br />

bien reconnaissante. Est-ce qu’il peut<br />

encore travailler au milieu de ce désarroi<br />

? Moi j’essaie quand même de travailler<br />

pour soutenir cette pauvre<br />

Revue qui lutte contre les préoccupations<br />

du public avec un courage dont il<br />

faut lui savoir gré…“<br />

George Sand lernte Alexandre<br />

Dumas 1851 kennen. Ernest Meissonnier<br />

(1815-1891) war einer der<br />

bekanntesten französischer Maler<br />

der 1850 und 1860er Jahre; er war<br />

über Dumas mit George Sand in<br />

Kontakt gekommen.<br />

Der Brief ist – unter Auslassung<br />

eines Paragraphen – gedruckt in:<br />

Correspondance, ed. G. Lubin, Bd.<br />

XXII, Nr. 15448.


407 SARTRE, JEAN-PAUL, französischer Schriftsteller und Philosoph, Hauptvertreter des Existentialismus,<br />

1905-1980. L.A.S. (Paris) 26.XII.1967. 1 Einzelblatt folio, die Vorderseite beschrieben. Vorrastriertes<br />

Papier, mit dem zugehörigen, eigenhändig adressierten Couvert. (CHF 750.00)<br />

An den Schriftsteller Georges Michel (geb. 1926) in Paris, dem er für ein Weihnachtsgeschenk (ein Feuerzeug)<br />

dankt.<br />

„Merci pour le briquet: je le mets sur la table de Castor qui n’a jamais d’allumettes et me prend toujours les miennes; elle<br />

sera désormais sans excuses. C’est un bel objet, il me plait.<br />

Je vous souhaite une bonne année, avec du temps pour écrire et de la satisfaction de ce que vous écriviez…“<br />

Simone de Beauvoir erhielt ihren Spitznamen ‚Castor’ (Bieber), der auf ihren Arbeitseifer anspielt, während<br />

des Studiums von einem Mitstudenten.<br />

408<br />

Bettina in Muskau<br />

SCHEFER, LEOPOLD, 1784-1862. L.A.S. Muskau 20.IX.1833. 2 1/2 S. gr.-4°, eng beschrieben. Mit papiergedecktem<br />

Siegel und Adresse. Tinte leicht durchschlagend. (CHF 400.00)<br />

An K.G.Th. Winkler in Dresden, u.a. über die literarischen Arbeiten und Pläne seines Freundes und Gönners,<br />

des Fürsten Pückler, sowie über seinen eigenen Roman „Die Gräfin Ulfeld“ und die Novelle „Die<br />

Geschiedene“.<br />

„... Jetzt haben wir die Frau von Arnim (Clemens Brentanos Schwester) hier, die uns alle Abende ihre Data, besonders<br />

ihre Geständnisse an Goethe vorgelesen, der sie oft unter seinen Mantel (der Liebe) genommen! Sie wird ihm eine Denk<br />

Statue setzen, die sie selbst imaginirt hat ...“<br />

Beiliegend ein eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift, 1 S. gr.-4°; acht Verse „Aus dem Bhagavad Gita ... a.d.<br />

Sanscr. uebersetzt von / Leopold Schefer“.<br />

409 SCHEFFEL, JOSEPH VICTOR VON, 1826-1886. L.A.S. Karlsruhe 22.XII.1867. 3 S. gr.-8°. (CHF 300.00)<br />

An ein „hochverehrtes Fräulein“, wohl bei Übersendung seiner erst im nächsten Jahr erschienenen Novelle „Juniperus“.<br />

Er hoffe, „... daß Ihnen das Werk einige freudige Stündlein bereiten soll, u. erbitte mir als Gegengabe ein ausführliches<br />

schriftliches Urtheil ... Aber Nichts von Compliment oder Lobspruch, sondern einfach vom fühlenden Herzen aus<br />

gesprochen, denn nur auf diese Art kann ein Autor eigentlich erfahren, ob es seinen Zweck, zu unterhalten und zu<br />

belehren, erreicht oder nicht: Und was Sie daran auszusetzen haben, bitte ich vor Allem, u. motivirt, mir mitzutheilen,<br />

denn ich muß immer wieder lernen, für die neuen Werke ...<br />

Im Hause Scheffel zu Carlsruhe ists zur Zeit sehr einsam da die gnädige Frau“ (Caroline von Malsen) „in ihrer<br />

Trauerzeit vorzieht bei einer Großmama in Oestreich sich zu verbergen. So hab ich nicht einmal das süsse Lächeln meines<br />

Herrn Sohnes zur Winterfreude u. bin wahrhaft zum Studiren gezwungen ...“ – Bereits bei der Geburt seines Sohnes<br />

Victor im Mai des Jahres war Scheffels Ehe zerrüttet; das Ehepaar begann, ein getrenntes Leben zu führen.<br />

Beiliegend ein eigenhändiger „Gedenkspruch“ mit Unterschrift (Karlsruhe 1882, 1 S. kl.-4°); „Mäuse, die Uns das<br />

Brod zernagen, / U. Sammler die nach Schriftproben jagen – / Beide bringen uns grosse Plagen.“)<br />

410 SCHEFFEL, JOSEPH VICTOR VON, 1826-1886. L.A.S. Karlsruhe 15.XII.1870. 1 S. gr.-8°. Mit geprägtem<br />

Briefkopf. Mit Umschlag (Briefmarke ausgeschnitten). (CHF 200.00)<br />

An den Komponisten Adolf Jensen (1837-1879) in Graz, dem er für die „Lieder des Gaudeamus mit Ihrer Composition“<br />

dankt.<br />

„... Ich vertraue, daß sie in diesen Gesangsweisen neue Erfolge erringen u. auch Ihnen, die Sie in der Einsamkeit u. leider<br />

mit angegriffener Gesundheit sich damit heitere Eindrücke u. Stimmungen zu schaffen verstanden, durch Aufnahme<br />

in den Sängerkreisen neue Anerkennung erwerben. Sobald ich die richtigen musicalischen Freunde beisammen habe,<br />

werde ich mich Ihrer Compositionen im Einzelnen erfreuen u. Ihnen gelegentlich Weiteres berichten ...“<br />

199


Aus der Ode ‚An die Freude’<br />

411 SCHILLER, FRIEDRICH VON, 1759-1805. Eigenhändiges Gedichtmanuskript, mit Signaturklammer.<br />

[1785]. 1 Doppelblatt 4°, die ersten drei Seiten mit brauner Tinte beschrieben. Kräftiges,<br />

gelbliches Papier mit Wasserzeichen „IGH“, zweimal gefaltet. Mit einigen Wischspuren; etwas<br />

angestaubt, kurzer Randeinriss und winziges Loch im Falz, einige Braunflecken, das erste<br />

Blatt stärker fleckig. Montagespuren (Siegellack) auf der letzten Seite. Am Kopf der ersten und<br />

am Fuss der dritten Seite mit Bleistift von fremder Hand mit dem Dichternamen bezeichnet;<br />

zwei Zeilen in Bleistift auf der dritten Seite ausgewischt („sehr interessant wegen der Abweichungen“).<br />

(CHF 150’000.00)<br />

200<br />

Bisher gänzlich unbekannte Reinschrift, ohne jegliche Korrekturen, der letzten fünf Chorstrophen der<br />

Ode ‚An die Freude’, mit zahlreichen Abweichungen von der 1786 erstgedruckten Fassung:<br />

„Duldet mutig Millionen,<br />

duldet für die beßre Welt,<br />

droben überm Sternenzelt<br />

wird ein großer Gott belohnen.<br />

Jeder Schuldschein sei zernichtet<br />

ausgesöhnt die ganze Welt,<br />

Brüder überm Sternenzelt<br />

Richtet man, wie wir gerichtet.<br />

Dem der Sterne Wirbel loben<br />

den des Cherubs Ode preißt,<br />

dieses Glas dem guten Geist<br />

überm Sternenzelt dort oben.<br />

Schließt den heilgen Zirkel dichter,<br />

schwört bei diesem goldnen Wein,<br />

dem Gelübde treu zu seÿn,<br />

Schwört es bei dem Sternenrichter.<br />

Eine helle Abschiedsstunde!<br />

Süßen Schlaf im Leichentuch!<br />

Brüder, einen sanften Spruch<br />

aus des Sternenrichters Munde“<br />

Das vorliegende Manuskript umfaßt die letzten fünf von insgesamt neun Chorstrophen des in der Endfassung<br />

108 Verse zählenden Gedichts. Es liegen hier die fünf Strophen mit den Versen 57-60, 69-72, 81-84, 93-96 und<br />

105-108 vor. Das Manuskript weist erhebliche Abweichungen von der 1786 gedruckten Fassung auf. Die vorliegenden<br />

Strophen zeigen das Gedicht in seiner bis heute nicht bekannten ersten Fassung. Auffällig ist, wie<br />

frei und großzügig die Verse geschrieben sind. Möglicherweise war an das vorliegende Manuskriptblatt einst<br />

ein weiteres Blatt mit den ersten vier Chorstrophen angeheftet (daher die Lackspuren ?).<br />

Ein Grund für die Anfertigung der Abschrift mag sein, daß sich Körner unmittelbar nach der Entstehung des<br />

Gedichts an eine Vertonung machte. Schiller könnte die Chorstrophen und die Soli-Partien separat abgeschrieben<br />

haben im Hinblick auf eine Aufführung des Gedichts in der geselligen Runde um Körner. Vermutlich<br />

war das Manuskript, als Schiller das Gedicht 1786 erstmals in seiner „Thalia“ und gleichzeitig in Archenholtz’<br />

„Litteratur und Völkerkunde“ veröffentlichte, nicht mehr in Schillers Hand. Schiller pflegte die<br />

Manuskripte seiner Gedichte zu vernichten, wenn diese gedruckt waren. Wir vermuten, daß das Manuskript<br />

im Hause Körners verblieben war; wie lange, wissen wir nicht.<br />

Die erheblichen Abweichungen gegenüber den gedruckten Fassungen sind:<br />

Vers 69: „Jeder Schuldschein sei zernichtet“ wird zu ‚Unser Schuldbuch sei vernichtet’<br />

Vers 72: „Richtet man, wie wir gerichtet“ wird zu ‚Richtet Gott wie wir gerichtet’<br />

Vers 81: „Dem der Sterne Wirbel loben“ wird zu ‚Den der Sterne Wirbel loben’<br />

Vers 82: „den des Cherubs Ode preist“ wird zu ‚Den des Seraphs Hymne preist’<br />

Vers 105: „Eine helle Abschiedsstunde“ wird zu ‚Eine heitre Abschiedsstunde’<br />

Vers 108: „aus des Sternenrichters Munde“ wird zu ‚aus des Todtenrichters Munde’<br />

Weitere Abweichungen betreffen orthographische Abweichungen und die Interpunktion.<br />

Die Ode entstand im Sommer 1785 im geselligen Kreis um Christian Gottfried Körner in Gohlis, einem Dorf<br />

bei Leipzig. Es ist nicht erwiesen, daß Schiller das Gedicht auf Bitte Körners für dessen Dresdener Freimau-


erloge „Zu den drei Schwertern“ geschrieben hat. „Die Vorstellung von der Freude als des vereinigenden<br />

Bandes unter den Menschen gehört ebenso wie der Gedanke von Freundschaft, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit<br />

zum Themenkreis der zeitgenössischen freimaurerischen Lyrik…“ (Nationalausgabe von Schillers<br />

Werken, 2.Bd., Teil IIA, S. 148.<br />

Bisher waren als handschriftliche Quellen für die „Ode an die Freude“ einzig zwei Abschriften von fremder<br />

Hand bekannt: eine von unbekannter Hand, die möglicherweise aus dem Jahre 1792 stammt, und eine von<br />

der Hand Theodor Körners (nach 1800), aber keine von Schillers Hand. Gedruckt wurde das Gedicht integral<br />

erstmals im Februar 1786 in Schillers eigener Zeitschrift ‚Thalia’ (S.1-5) und auszugsweise gleichzeitig im Februar-Heft<br />

von J.W. Archenholtz’ Zeitschrift ‚Litteratur und Völkerkunde’ (V. 85-108).<br />

Schiller distanzierte sich später von seiner Ode. In einem Brief an seinen Freund Körner vom 21.X.1800 nannte<br />

er es ein „schlechtes Gedicht“, das zu sehr dem Zeitgeschmack verpflichtet sei und die unvollkommene literarische<br />

Bildung des Dichters beweise: „Deine Neigung zu diesem Gedicht mag sich auf die Epoche seiner<br />

Entstehung gründen: Aber dies gibt ihm auch den einzigen Wert, den es hat, und auch nur für uns und nicht<br />

für die Welt, noch für die Dichtkunst.“ Eine umgearbeitete und gekürzte Fassung bestimmte Schiller zur Aufnahme<br />

in die Prachtausgabe seiner „Gedichte“.<br />

Die Wirkung des Gedichts, das Ende 1785, noch vor der Drucklegung, in Abschriften in Leipzig verbreitet<br />

wurde, war bereits zu Lebzeiten Schillers sehr groß. Die bis heute anhaltende Wirkung belegen die mittlerweile<br />

über 100 Vertonungen des Gedichts. Über allen diesen steht die Vertonung durch Ludwig van Beethoven<br />

im Schlußsatz seiner Neunten Symphonie (1823), die die ‚Ode’ zum Allgemeingut werden ließ. Beethovens<br />

Schlußchor wurde zur offiziellen Hymne des Europarats.<br />

Eigenhändige Gedichte Schillers gehören, im Gegensatz zu den ab und zu auftauchenden Dramenfragmenten,<br />

zu den größten Seltenheiten des Autographenhandels.<br />

201


412 SCHILLER, FRIEDRICH VON, 1759-1805. L.A.S. „Sch.“. [Weimar 13.XII.1799]. 1 Einzelblatt quer-8°, die<br />

Vorderseite beschrieben. Leicht knittrig und gebräunt, kurzer Randeinriß. (CHF 9’000.00)<br />

An seine Frau Charlotte geb. von Lengefeld (1766-1826), die bis zum Einzug in die neue Wohnung bei ihrer<br />

Patin Charlotte von Stein wohnt.<br />

„Ich werde mich heute zu Hause halten, Liebes, weil ich gestern die Krämpfe stärker gespürt, also nur diesen schriftlichen<br />

Gruß, den dir der kleine Ernst bringen wird. Mein Trost ist, daß Du in ein paar Tagen selbst wieder da bist und es<br />

der Weitläuftigkeiten nicht bedarf uns zu sehen. Karl sagte mir, daß Du wohl seyst, das freut mich sehr.<br />

Lebe wohl liebes Herz, viele Grüße an Fr. v. Stein. / Sch.“<br />

Um näher bei Goethe zu sein, siedelte Schiller am 3. Dezember 1799 nach Weimar über, wo die Familie eine<br />

Mietwohnung in der Windischengasse bezog. Das heutige Schiller-Haus bezog die Familie erst 1802.<br />

Gedruckt in: Nationalausgabe Band 30, Nr. 143.<br />

413 SCHILLER, FRIEDRICH VON, 1759-1805. Eigenhändiger Briefumschlag. O.O.u.D. Mit großem rotem<br />

Siegel mit dem Wappen Schillers. 1 Einzelblatt gr.-4°, unregelmässig beschnitten. Ausschnitt und<br />

kurzer Riß vom Öffnen des Siegels, schwacher Lichtrand auf der Adreßseite, auf der Rückseite<br />

schwacher Abklatsch eines anderen Dokuments. (CHF 1’800.00)<br />

„an das / Hochfürstliche Sachsen-Weimar- / und Eisenachische / Geheime Consilium / zu / Weimar.“<br />

414 SCHLEGEL, AUGUST WILHELM VON, 1767-1845. L.A.S. Braunschweig 12.II.1796. 3 S. 8°. (CHF 2’000.00)<br />

202<br />

An den Leipziger Verleger von W.G. Beckers Zeitschrift „Erholungen“, dem er eine Übersetzung von Mary<br />

Wollstonecrafts Skandinavischen Briefen anbietet.<br />

„... Man schreibt mir aus England von den eben erschienenen Reisen der Mrs. Mary Woolstoncraft durch Schweden,<br />

Norwegen und Dänemark, als von einem lehrreichen und unterhaltenden Buche. Sie ist in Deutschland als Verfasserin<br />

mehrerer interessanten Werke, worunter die Rechte der Frauen gehören, bekannt ... Ich habe also geglaubt, ein Übersetzer<br />

würde seine Mühe, und ein Verleger seine Kosten nicht dabey verlieren ...“<br />

Im Falle der Annahme sei er zu allem bereit, „was von einer Übersetzung gefordert werden kann; auch Abkürzungen<br />

im Fall sich weniger anziehende Gegenstände oder Raisonnements eingeschlichen haben sollten ...“<br />

In Beckers neuer Zeitschrift erschienen damals Teile von Schlegels Dante-Übersetzung. In Braunschweig verlobte<br />

sich Schlegel um diese Zeit mit Karoline Böhmer geb. Michaelis, die dort bei ihrer Mutter lebte; nach der<br />

Heirat Anfang Juli zog das Paar nach Jena.<br />

Sehr selten so früh. – Beiliegend sein Portrait (Kupferstich, G. Zumpe sc.).


415 SCHLEGEL, AUGUST WILHELM VON, 1767-1845.<br />

L.A.S. O.O. „Donnerst. Morgens“. 2/3 S. (ursprünglich)<br />

gr.-8° (unteres Viertel mit einem Teil der<br />

Adresse abgetrennt). Leicht gebräunt. Etwas flekkig.<br />

(CHF 350.00)<br />

An den Buchhändler Johann Heinrich Bohte in London.<br />

„Ich werde Ihr Packet, mein werthester Herr und Freund,<br />

bestens bestellen. Geben Sie doch meinem Bedienten das Exemplar<br />

des Bhagavad-Gita von Wilkins mit. Ich hoffe meine<br />

Gedichte werden bald eingebunden seyn / Der Ihrige /<br />

Schlegel“<br />

Durch die Übersetzung des Orientalisten Charles Wilkins<br />

wurde eine der zentralen Schriften des Hinduismus,<br />

die Bhagavad-Gita, in Europa bekannt. – Schlegel<br />

veröffentlichte 1823 den Text erstmalig in Sanskrit, mit<br />

lateinischer Übersetzung.<br />

416 SCHLEGEL, FRIEDRICH VON, 1772-1829. Eigenhändiges Manuskript, betitelt „Vom Verfalle der Griechischen<br />

Dichtkunst“. (1797/98.) 4 S. 8°. Bugfalte leicht eingerissen, Montagespuren am linken Rand.<br />

(CHF 2’000.00)<br />

Fragment, wohl aus den Vorarbeiten zu seiner 1798 erschienenen „Geschichte der Poesie der Griechen und<br />

Römer“.<br />

„... Der erste Verfall der Kunst ist nicht Mangel eines der drey Theile der Schönheit, sondern die Verwirrung derselben;<br />

indem die beyden übrigen der Mannigfaltigkeit dienen.<br />

Beym höchsten Verfall der Kunst ist nichts mehr vorhanden als ihre Form: alsdann ist der Trieb des Künstlers nicht<br />

Begeisterung sondern Künstlichkeit, Selbstgefälligkeit ...<br />

Die Selbstgefälligkeit des<br />

Euripides zeigt sich<br />

vorzüglich in den<br />

Philosophemen und kunstvollen<br />

Reden ... er ist<br />

nie erhaben, noch<br />

weniger schön ... – das<br />

Göttliche im Menschen<br />

ist vorhanden, aber völlig<br />

aufgelößt.<br />

... Der Uebergang von der<br />

höchsten Schönheit zur<br />

gänzlichen Gesetz losig -<br />

keit ist nicht allmählig,<br />

sondern plötzlich, durch<br />

einen colossalischen<br />

Sprung. Der Uebergang<br />

zur Periode der Mattigkeit<br />

ist gleichfalls<br />

schnell ...“ – Mit Streichungen<br />

und Änderungen.<br />

Werkmanuskripte<br />

Schlegels sind im Handel<br />

sehr selten.<br />

203


„über geistliche Poesie und christliche Dichtkunst“<br />

417 SCHLEGEL, FRIEDRICH VON, 1772-1829. Eigenhändiges Manuskript, betitelt „Vorrede“. 4 S. 4°. Vorderund<br />

Rückseite mit leichtem Lichtrand; etwas braunfleckig. (CHF 2’000.00)<br />

204<br />

Die erste Hälfte seiner „Vorrede“ zu Johann Peter Silberts „Dom heiliger Sänger, oder fromme Gesänge der<br />

Vorzeit“ (Wien und Prag, Haas 1820). Beginnt:<br />

„Nachdem die früheren dichterischen Arbeiten und Uebersetzungen des Verfassers schon so vielen werth und lieb geworden<br />

sind, darf sich gewiß die gegenwärtige reiche Sammlung um so mehr eine günstige Aufnahme und viele Freunde versprechen.<br />

Mit der mannichfaltigsten Auswahl sind zu diesem Chor des geistlichen Gesanges die Stimmen aller Jahrhunderte und<br />

der verschiedensten Nationen der christlichen Zeit vereinigt; von den Kirchenvätern, d. heil. Ambrosius u Gregorius von<br />

Nazianz, und den großen geistlichen Lehrern des Mittelalters, dem seel. Petrus Damianus, heil. Bonaventura, Thomas a<br />

Kempis, der heil. Gertrudis, bis zu den als Gelehrten berühmten Bolde, Vida, Erasmus und Sarbievius, und den von<br />

heiliger Liebe begeisterten Gesängen des Johannes a Cruce, und seel. Liguori, sind hier die Stücke, aus dem Griechischen,<br />

Lateinischen, Italienischen, Spanischen, Altfranzösischen, übersetzt und in einer angemessenen Stufenreihe von fünf<br />

Büchern, wie ein herrliches Monument liebevoller Begeisterung und geistlicher Dichtkunst zusammengestellt. Indem ich<br />

es aber dem Leser ... überlassen muß, bey so großer Mannichfaltigkeit in das Einzelne einzugehen; finde ich es ... an der<br />

Zeit, über geistliche Poesie und christliche Dichtkunst überhaupt Einiges zu sagen ...<br />

Wenn wir ... mit ganzem Ernste nach dem erhabenen Ziele der christlichen Vollkommenheit streben, ... so müssen alle<br />

natürlichen Anlagen und wesentlichen Eigenschaften, die im Menschen liegen, auf dieses Eine Ziel gerichtet ... werden<br />

... Gehören aber nicht unstreitig auch Gefühl u Fantasie, welche eben die aesthetische Seite des Menschen bilden, mit zu<br />

den wesentlichen Eigenschaften ... der menschlichen Natur? Auch sie müssen, und zwar nach christlichen Grundsätzen<br />

u Begriffen, zur christlichen Vollkommenheit gebildet werden ...“<br />

Der vorliegende Text entspricht weitgehend dem Druck der Originalausgabe bis Seite VIII Zeile 22 (aber z.B.<br />

„gewöhnlich“ statt „gottähnlich“).<br />

Silbert (1777-1844) machte sich als Verfasser von asketischen und erbaulichen Schriften sowie als Übersetzer<br />

einen Namen.


418 SCHLEGEL, FRIEDRICH VON, 1772-1829. L.A.S. O.O.u.D. 1 1/3 S. schmal-gr.-8°. Etwas gebräunt, scharf<br />

beschnitten. Roter Sammlerstempel. (CHF 400.00)<br />

An „Geehrter Freund“, dem er zunächst zu einem Todesfall kondoliert.<br />

„... Der jetzige Trauerfall, so sehr wir auch darauf vorbereitet waren, hat mich doch in vielfacher Hinsicht gerührt und<br />

mit dem innigsten Antheil erfüllt. – Auch auf Sie mein werther Freund ist meine Theilnahme hiebey gerichtet. Ich wünsche<br />

und hoffe Sie nun um so mehr recht oft und häufig zu sehen, und Ihnen im näheren Umgange meine Freundschaft<br />

zu bewähren ... Zu Haus treffen Sie mich heute Nachmittag wahrscheinlich und heute Abend gewiß; ganz sicher auch<br />

morgen Vormittag bis 12 oder 12 1/2 Uhr. Ich hoffe Sie werden meinen Wunsch erfüllen, ... und freue mich darauf, Sie<br />

zu sehen, und Ihnen manches auch Litterarische mitzutheilen ...“<br />

419 SCHNITZLER, ARTHUR, österreichischer Dramatiker und Arzt, 1862-1931. L.A.S. Ischl 15.VII.1897. 1<br />

Doppelblatt 8°, die ersten 3 Seiten beschrieben. (CHF 500.00)<br />

An den Dichter Richard Specht (1870-1932), aus der Sommerfrische in Ischl geschrieben:<br />

„…hier ist der gewünschte Brief von mir an Fischer. Ob er Erfolg haben wird? Ich würd mich sehr freuen. – Wir sehen<br />

uns dieser Tage in Unterach hoff ich. Ich warte auf eine neue Axe für mein Vorderrad. Vorläufig knirscht es und jammert<br />

– und ich fahre weiter drauf, aber es kann jeden Moment zusammenbrechen. Erinnern Sie sich an die schöne Zeit, wo<br />

man zu einem solchen Satz hinzugefügt hätte: So ist das Leben - ? …“<br />

Schnitzler verbrachte Juli/August 1897 in Ischl. Dort traf er auf Risa Strisower, eine frühere Freundin, mit der<br />

er damals wieder anbandelte.<br />

420 SCHNITZLER, ARTHUR, 1862-1931. L.A.S. Wien 9.XII.1897. 2 S. kl.-4°. Tinte etwas durchschlagend. Mit<br />

frankiertem Umschlag. (CHF 400.00)<br />

An Hermann Ubell, damals Archivar am<br />

archäologischen Institut der Universität<br />

Graz, der sich wohl wegen einer literarischen<br />

Arbeit an ihn gewandt hatte.<br />

„... Sie bald in Wien begrüssen zu können,<br />

wird mich sehr freuen – vielleicht können wir<br />

dann über alles plaudern, was Sie im Hinblick<br />

auf Ihren Essay interessiren sollte. Es wäre mir<br />

lieber mich mündlich auszusprechen, als Ihnen<br />

auf brieflichem Wege Fragen zu beantworten,<br />

wo ich mich vielleicht kürzer halten müsste, als<br />

Ihrem Zweck entsprechend wäre ...“<br />

Ubell wurde später langjähriger Direktor<br />

des oberösterreichischen Landesmu -<br />

seums.<br />

205


„in meiner Weise“<br />

421 SCHNITZLER, ARTHUR, 1862-1931. L.A.S. Wien 14.I.1915. 2 S. quer-gr.-8° (Briefkarte). Mit gedrucktem<br />

Briefkopf „Dr. Arthur Schnitzler“. Leichte Wischspuren. (CHF 750.00)<br />

An den Schriftsteller und Dramatiker Ernst Hardt, nach einer Aufführung von dessen Komödie „Schirin und<br />

Gertraude“.<br />

„... da meine Frau“ (die Schauspielerin Olga Gussmann) „sich doch nicht abendlichen Gasthausfährlichkeiten aussetzen<br />

wollte, mußten wir auf das Vergnügen verzichten, nach der Generalprobe wieder mit Ihnen beisammen zu sein –<br />

und falls Sie nicht etwa noch zu einem Cottagegang“ (Schnitzlers Haus in der Sternwartestr. 7 lag im sogenannten<br />

Cottageviertel des 18. Wiener Bezirks) „Zeit finden sollten, sagen wir Ihnen auf diesem Wege ein herzliches Auf Wiedersehen!<br />

Ich hoffe Sie werden eine gute Erinnerung zu der Wiener Aufführung mit nach Hause nehmen – ich fand sie<br />

ganz vorzüglich, wenn ihr auch insbesondre in der zweiten Hälfte einige Beschleunigung nicht schaden könnte. Mir war<br />

das Stück, wie schon bei der Lectüre, dort am reizvollsten, wo Schirin für Gertraude den Jüngling vorstellt, und ich hab<br />

es innerlich in meiner Weise von da aus weiter gesponnen, – wo es dann allerdings alles eher als ein Scherzspiel geworden<br />

wäre. Und am Ende hat immer der Dichter recht, dem das Stück eingefallen ist ...“<br />

422 SCHNITZLER, ARTHUR, 1862-1931. L.A.S. Wien 25.V.1927. 2 S. gr.-8°. Bläuliches Papier. Minimale<br />

Fehlstelle am Oberrand. (CHF 500.00)<br />

An einen Freund, dem er von der bevorstehenden Hochzeit seiner Tochter Lili berichtet. Die Siebzehnjährige<br />

hatte sich Hals über Kopf in den älteren italienischen Faschisten Arnoldo Cappelini verliebt.<br />

„... Sie haben wohl gelesen dass meine Tochter sich verlobt hat (– da wir die Sache recht officiell nehmen, hab ich eine<br />

Anzeige aufgegeben;) wenn sie mir auch leider nach Italien entführt wird; ihre Wahl heiß’ ich von ganzem Herzen gut –<br />

selten bin ich einem Menschen innerhalb weniger Stunden so nah gewesen wie dem Bräutigam meiner Tochter. Wir<br />

waren jetzt in Venedig viel zusammen; die Wohnung für das junge Paar ist schon genommen (wir haben glaub ich viel<br />

Glück gehabt) Hochzeit dürfte noch vor Juli stattfinden. Ich selbst dürfte erst zwischen 10. u. 15.8. Wien verlassen –<br />

Südtirol, ev. Campiglio am wahrscheinlichsten; dann wohl Venedig – aber nicht lange; vielleicht eine kleine Seereise. Lil<br />

ist eben jetzt mit ihrer Mutter“ (der Schauspielerin Olga Gussmann, von der Schnitzler 1921 geschieden worden<br />

war) „in Karlsbad, bis circa 10. Juni ...“<br />

Die Hochzeit fand am 30. Juni statt. Nur 13 Monate später beging Lili Selbstmord – ein Schicksalsschlag, von<br />

dem Schnitzler sich nicht mehr erholte.<br />

423 SCHOPENHAUER, JOHANNA, geb. Trosiener, Schriftstellerin; die Mutter des Philosophen, 1766-1838.<br />

L.A.S. Dresden 29.VIII.1810. 1 2/3 S. 4°, eng beschrieben. Schwach fleckig. (CHF 1’200.00)<br />

206


Inhaltsreicher Brief an einen Freund in Weimar (Karl Bertuch?), dem sie für „die mir überschickten ersten Bogen“<br />

ihres Erstlingswerks „Carl Ludwig Fernow’s Leben“ dankt.<br />

„... ich nehme mich so schwarz und weiß recht gut aus, gebe nur der Himmel daß andre Leute dies auch finden, Freund<br />

Böttcher hat mich schon so mit Lobpreisungen überhäuft daß mir ganz bange dabei geworden ist ... sollte er auf den Einfall<br />

kommen alles drucken zu laßen was er mir gesagt hat so könnte es mir leicht gehen wie der Winkel“ (die Malerin<br />

und Schriftstellerin Emilie Henriette W., 1784-1867). „Ich weiß nur nicht wie ich es anfange um ihn zu bitten daß er<br />

es nicht thut ... Zelter ist hier, und seine Bekanntschaft hat mich recht gefreut. Ich habe, beim Durchlesen dieser Probebogen<br />

ein paar recht arge Druckfehler bemerkt, die den Sinn entstellen … geben Sie sich die Mühe selbst zu sehen wie sie<br />

etwas andres sagen als ich sagen wollte ...<br />

Ich lebe hier noch immer mein Künstlerleben fort, mein Netscher macht mir viel zu schaffen, ich werde nur das eine Bildchen<br />

zu Hause bringen, meine Krankheit, die ich indeßen jezt ganz abgeschaft habe, und Kügelgens Abwesenheit sind<br />

Schuld daran ...“ Unter Kügelgens Anleitung übte sie sich in Dresden in der Kopie alter Meister.<br />

... Die Nachricht daß meine Straße gepflastert wird ist mir eine der angenehmsten, die Sie mir melden konnten, nun wird<br />

es allso keine Heldenthat mehr seyn wenn meine Freunde mich auch im Winter besuchen, und der mir so verhaßte Staub<br />

wird mich auch weniger plagen ... und ich werde H.v. Müffling recht freundlich danken daß er mir sein Versprechen<br />

gehalten hat ...<br />

... Sagen Sie Vater Wieland daß ich den fünften September mit Kügelgen ganz in der Stille aber mit umso herzlicherer<br />

Freude hier feyern will ...“ (Wielands 77. Geburtstag).<br />

„Carl Ludwig Fernows Leben“ erschien in diesem Jahr bei Cotta.<br />

424 SCHRÖDER, RUDOLF ALEXANDER, 1878-1962. Eigenhändiger Namenszug auf der Rückseite einer<br />

Gruppenphotographie. O.O. (1937). Quer-8° (Postkarte). (CHF 180.00)<br />

Gruppenaufnahme von dem „Lippoldsberger Dichtertreffen“ im Juli 1937.<br />

Rückseitig signiert haben neben Schröder u. a. Paul Alverdes, Rudolf G. Binding, Hans Carossa, Hermann<br />

Claudius, Hans Grimm, Benno von Mechow und August Winnig.<br />

207


425 SCHÜCKING, LEVIN, 1814-1883. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift. Sassenberg 22.VII.1880.<br />

1 S. gr.-8°. Auf ein Kalenderblatt montiert. (CHF 150.00)<br />

„Den Künstler muß Ruhe charakterisieren, eine innerliche Stille, wie ja der Schöpfer sich ruhig und still verhält, der Urkünstler.<br />

Wer mit in einem Zuge schreitet, kann den Zug nicht überschauen, nicht erkennen, nicht beschreiben. Ein Spiegel<br />

muß, um richtig ein Bild aufnehmen zu können, fest hängen!“<br />

426 SCHWEIZER SCHRIFTSTELLER. – 33 Autographen von 19 Schriftstellern, dabei 5 L.A.S. und 12 C.A.S.<br />

und weitere Autographen (Widmungen, Albumblätter, signierte Postkarten etc.). (CHF 1’200.00)<br />

Es liegen vor: a) Friedrich Dürrenmatt, 1921-1990. Reproduktion einer Zeichnung („Werde Lehrer, mache Ferien“)<br />

mit eigenhändigem Monogramm; – b) Nanny von Escher, von Keller und Meyer geschätzte Dichterin,<br />

1855-1932. L.A.S.; – c) Max Gertsch, 1893-1979. 5 C.A.S., zumeist an Fritz Heberlein; – d) Hermann Hesse,<br />

1877-1962. C.P.A.S. und B.A.; – e) Alfred Huggenberger, Thurgauer Volksdichter, 1867-1960. 5 C.P.A.S. und 2<br />

zugehörige Couverts; – f) John Knittel, Schweizer Schriftsteller englischer Expression, 1891-1970. Eigenhändiges<br />

Albumblatt und Widmung unter einem gedruckten Portrait; - g) Eduard Korrodi, <strong>Literatur</strong>kritiker, 1885-<br />

1955. L.A.S.; – h) Mary Lavater-Sloman, 1891-1980. L.A.S.; – i) Meinrad Lienert, 1865-1933. L.A.S.; – j) Guido<br />

Looser, 1892-1937. L.A.S. an Fritz Heberlein; - k) Carl Albert Loosli, Schriftsteller und Journalist, 1877-1959. 2<br />

L.A.S.; – l) Adolf Muschg, geb. 1934. L.S.; – m) Josef Reinhart, Solothurner Dramatiker und Lyriker, 1875-1957.<br />

C.P.A.S.; – n) Max Rychner, Essayist, 1897-1965. L.A.S.; – o) Felix von Schumacher, Journalist, 1909-2002. Visitenkarte<br />

mit eigenhändigem Gruss; – p) Gerold Späth, geb. 1939. Eigenhändige Widmung mit Unterschrift auf<br />

einer gedruckten Rede; - q) Emanuel Stickelberger, 1884-1962. L.A.S.; – r) Elisabeth Thommen, Basler Journalistin<br />

und Schriftstellerin, 1888-1960. Dank mit Unterschrift auf einer gedruckten Karte und eine Portraitphotographie;<br />

– s) Ernst Zahn, 1867-1952. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift.<br />

427 SCOTT, SIR WALTER, schottischer Schriftsteller, Verfasser historischer Romane, 1771-1832. L.A.S. Abbotsford<br />

23.X.1825 (Poststempel). 2/3 S. 4°. Mit Siegel und Adresse. Minimal fleckig. (CHF 500.00)<br />

208<br />

An den schottischen Balladensammler Peter Buchan (1790-1854), der ihm ein Werk widmen wollte.<br />

„... I am sorry I must decline the honour of dedication which you propose for me for having declined something of the same<br />

kind lately. I cannot with civility to others accept your offer. I will willingly be a subscriber for two copies of that work ...“<br />

428 SCOTT, SIR WALTER, 1771-1832.<br />

L.A.S. Edingburgh, „Castle Street“ 5.III. o.J.<br />

1 S. 4°. Papierdefekte ausgebessert, leicht<br />

gebräunt und fleckig. (CHF 400.00)<br />

An „Dear Lady Sire“, die ihn auf einem Maskenball<br />

um ein Autograph gebeten hatte.<br />

„... Though there is an appearance of vanity in recollecting<br />

the request you made me among the gay masquers<br />

last night I prefer answering that suspicion to<br />

neglecting the lightest of your commands & therefore<br />

send your Ladyship a specimen of a hand which<br />

was never a good one at least not for many years ...“


429 SCOTT, SIR WALTER, 1771-1832. L.A.S. „WScott“. (London) o.D. „Jermyn Street / Friday“. 1 Einzelblatt<br />

quer-8°, die Vorderseite beschrieben. Eckausschnitt, das Blatt auf einen etwas größeren Karton fest<br />

aufgezogen. (CHF 400.00)<br />

An einen nur „Sir James“ titulierten Herrn, den zu treffen er sich freue.<br />

„I am truly glad to find there is a Prospect of our meeting [.] I could not conceive how the two Sketches had found their<br />

way to me[.] I will call on you tomorrow before twelve as I breakfast at Sir George Beaumonts at no great distance from<br />

Charles Street[.] …“<br />

Sir George Beaumont (1753-1827) war ein Mäzen und Amateurmaler, seine Sammlung bildet den Grundstock<br />

der National Gallery. - Beiliegt ein kleines gedrucktes Portrait Scotts.<br />

430 SEIDEL, INA, 1885-1974. L.A.S. Eberswalde 26.VIII.1919. 3 3/4 S. gr.-8°. Schwache Klammerspur. Mit<br />

Umschlag. (CHF 180.00)<br />

An den Juristen Paul Eltzbacher in Berlin-Grunewald, der ihr seine Schrift „Der Bolschewismus und die<br />

deutsche Zukunft“ gesandt hatte.<br />

„... bisher war es mir noch nicht geglückt, den Strom des Bolschewismus bis an seine Quellen zu verfolgen, und diese<br />

scheinen mir nach Ihrer Darstellung von einer beglückenden Lauterkeit zu sein ... hier scheint mir, könnte man den menschlichen<br />

Geist in seiner ursprünglichen Erneuerungskraft wieder anbeten lernen ...“<br />

Der Plan zu einem neuen Buch sei bis zu dem Punkt gediehen, „wo die Heldin – zugleich eine symbolische Gestalt<br />

der unentwegten Treue gegen das zertretene Land – ‘hinging und verkaufte alles, was sie hatte ...’“<br />

431<br />

„das wäre ich wohl zufrieden“<br />

SEUME, JOHANN GOTTFRIED, 1763-1810. L.A.S. Leipzig (30.III.1809). 1 S. 8°. (CHF 3’000.00)<br />

An seinen Leipziger Verleger Hartknoch.<br />

„... Haben Sie doch die Güte, mir die Bemerkungen über den<br />

Plutarch mit der bewußten Vorrede so bald als möglich<br />

herunter zu schicken. Ich will sie unter irgend einer Gestalt<br />

drucken lassen, damit sie nicht verloren gehen, weil einige<br />

Philologen nicht übel damit zufrieden sind ...<br />

Meine Gesundheit ist weder zum Leben noch zum Sterben.<br />

Vielleicht neigt [sie] sich zum letztern; das wäre ich wohl<br />

zufrieden ...“<br />

Seume starb am 13. Juni 1810. – Die Vorrede zu „Plutarch“<br />

mit Seumes Reformprogramm vom 1. Januar<br />

1809 wurde erst 1819 gedruckt.<br />

Sehr selten.<br />

209


432 SHAW, GEORGE BERNARD, irischer Dramatiker und Politiker, Nobelpreis für <strong>Literatur</strong> 1925, 1856-<br />

1950. C.P.A.S. „GBS“. London 25.III.1889. Leicht gebräunt. Knickspur. Kleiner Schaden in der Kartenmitte.<br />

(CHF 300.00)<br />

Wohl an einen Mitarbeiter der British Library („W.W. Bartlett“) wegen einer Sitzung des Athenaeum Clubs.<br />

„... There will be a special general meeting at the Atheneum ... on Friday ... to consider alterations in the rules. Bunting“<br />

(wohl der Gesellschaftsreformer und Journalist Sir Percy William B.) „will take chair. Important resolutions will<br />

be submitted. I was unable to attend the last council, so know nothing further ...“<br />

433 SHAW, GEORGE BERNARD, 1856-1950. Grußkarte mit eigenhändigem Zusatz, Unterschrift „GBS“ und<br />

Datum „Ayot St. Lawrence. Welwyn. Herts. 22/6/25“. 1 S. quer-32°. Aufgezogen. (CHF 400.00)<br />

(An seine Nichte Ethel Shaw in London,) die ihn um ein Geldgeschenk für eine Frankreich-Reise gebeten<br />

hatte. Statt des Geldes kam dieser „gute Rat“:<br />

„Why not stay there and marry a Frenchman?“<br />

Beiliegend ein eigenhändiger Briefumschlag (Adreßseite) an dieselbe, ebenfalls aufgezogen, sowie mehrere<br />

Photographien Shaws.<br />

„Trade with a small t and Art with a large A“<br />

434 SHAW, GEORGE BERNARD, 1856-1950. L.A.S. London 29.III.1928. 1 2/3 S. quer-gr.-8°. Auf seinem<br />

Briefpapier. Geringfügig angestaubt. Klammerspur. (CHF 600.00)<br />

210<br />

An den ihm befreundeten Kunstkritiker Frank Rutter, der ihn wohl gebeten hatte, einer irischen Schrifstellerin<br />

(„Cranwill“) behilflich zu sein.<br />

„... You know what artists are: they start wailing like lost spirits the moment any official person asks them to wipe their<br />

feet on the mat. And I know what Irish Guilds are, with their forged charters signed ... Carolus Rex or God knows who,<br />

and their ‘legal’ privileges which they cannot enforce.<br />

I do not doubt Miss Cranwill’s assurance that she has gone into it thoroughly; but that does not get me any further. I<br />

must know the charter and the grievance and the remedy before I can interfere with any effect. And I don’t know Miss<br />

Cranwill’s work.<br />

Trade restrictions, though very irritating to our anarchic artists, are sometimes necessary to protect the livelihood of the<br />

less independent workers ... The day for writing Trade with a small t and Art with a large A has gone by ...“


„nothing more horrible can be imagined than the doom<br />

of the Wandering Jew and the Flying Dutchman”<br />

435 SHAW, GEORGE BERNARD, 1856-1950. C.P.A.S. „G.<br />

Bernard Shaw“. London 2.II.1935. 1 Einzelblatt 8°,<br />

die Vorderseite sehr eng beschrieben, mit eigenhändiger<br />

Adresse auf der Rückseite. Briefkopf<br />

„4, Whitehall Court, London, S.W.1.“<br />

(CHF 1’800.00)<br />

An Reverend J.B. Brooks, Pfarrer der Stalybridge<br />

Methodist Church, der ihn nach seiner Meinung<br />

zur Unsterblichkeit gefragt hatte. Shaw holt zu<br />

einem veritablen Rundumschlag aus:<br />

„…The preacher you quote was probably thinking of a<br />

fact that every table rapping spiritualist can confirm:<br />

namely, that the desire to communicate with a lost and<br />

beloved friend or relative is the strongest incentive to believe<br />

in personal immortality among people who are free<br />

from the mere vulgar fear of death which leads to the<br />

common pretence that it does not exist.<br />

The pretence will not stand examination. Those who<br />

maintain it make it a condition that the person who survives<br />

for ever and ever shall not be like themselves but an<br />

ecstatically happy and sinless soul with nothing to do<br />

but enjoy being happy in a celestial city where nobody<br />

works and everybody wears beautiful clothes and the sun<br />

shines always. In this fairy tale there is no real continuity<br />

and identity with Tom and Dick, Jenny and Sally.<br />

The so-called immortality is accepted only on impossible<br />

conditions of transfiguration and depersonalization.<br />

As to real immortality – persistence of the individual<br />

with all his limitations and imperfections and memories to all eternity, I do not desire it, not only because no senile man<br />

desires what he knows he cannot get, but because nothing more horrible can be imagined than the doom of the Wandering<br />

Jew and the Flying Dutchman…”<br />

Das Antwortschreiben von Brooks’ vom 4.III.1935, liegt bei. Es beginnt: „Dear Mr. Shaw, Thanks for your P.C.<br />

What a lot you get on a card! …“<br />

Beilage: 1 C.P.A.S. London 22.XII.1910 an seinen Übersetzer Siegfried Trebitsch in Wien. Der Text auf der Bildseite<br />

im weißen Rand umlaufend: „Burgess is a surname, like Trebitsch, not a Christian name like Siegfried. The preface<br />

will reach you tomorrow (Friday) morning. I wish you were both coming with us to Jamaica. My nerves are as bad<br />

as yours this time.“<br />

436 SHAW, GEORGE<br />

„Neither of them understands Communism. I do.”<br />

BERNARD, 1856-1950. Eigenhändiges Manuskript, gezeichnet „G.B.S.“. O.O.<br />

21.V.1946. 1 Einzelblatt gr.-8°, die Vorderseite mit roter Tinte beschrieben. Am Kopf gelocht, verso<br />

Montagerest. (CHF 2’400.00)<br />

Aperçu über das Verständnis des Begriffs ‚Kommunismus’ bei verschiedenen Gruppierungen:<br />

„The word Communism has never changed its meaning.<br />

Lenin and Morris went through the same process, beginning with every possible mistake in practice by trying to combine<br />

their middle class Bohemian anarchism with catastrophic Marxism, and ending as Fabians, Lenin with his N.E.P.,<br />

and Morris with his abandonment of the ‘anti-state’ Socialist League and his ‘I dare say it will come about in Webb’s<br />

way’.<br />

Unfortunately the organized worker had the money to adopt Fabianism but not the brains nor the knowledge and character.<br />

But the Capitalists grasped its economies and turned it into State Aided Capitalism which is the proletarian form<br />

of Fascism.<br />

211


Neither of them understands Communism. I do. It’s the indispensable basis of all society and civilization, and still means<br />

exactly what it meant when St Peter struck Ananias and Sapphira dead for treason to it…”.<br />

Die „Fabian Society“ war im 19. Jh. eine der Wegbereiterinnen der Labour Party. Shaw spielte eine herausragende<br />

Rolle in der Fabian-Society. Er gilt auch als einer der Mitbegründer der London School of Economics.<br />

„tatsächlich ist sie weder Satire noch Groteske“<br />

437 SINOWJEW, ALEXANDER ALEXANDROWITSCH, russischer Soziologe, Logiker und Schriftsteller, 1922-<br />

2006. Eigenhändiges Manuskript, bezeichnet„Ein Fragment aus dem Vortrag über die sowjetische <strong>Literatur</strong><br />

und meine eigene Werke“, mit Namenszug am Kopf. 3 Einzelblätter folio, jeweils die Vorderseite<br />

beschrieben. Mit einigen Korrekturen und Einfügungen. Leicht gebräunt. (CHF 750.00)<br />

212<br />

Schönschrift eines in sich abgeschlossenen Abschnitts aus einem Vortrag.<br />

„Die <strong>Literatur</strong>kritiker des Westens betrachten meine literarische Werke als eine satirische und groteske Beschreibung der<br />

Sowjetgesellschaft. Aber meine Bücher sind nur teilweise satirisch und grotesk. Hauptsächlich sind sie realistisch. Das<br />

Sowjetleben selbst ist solch ein, dass jede seine realistische Abbildung als eine Satire und Groteske aufgefasst werden<br />

kann. Diese Abbildung sieht so aus, als ob sie eine Satire oder Groteske wäre. Aber tatsächlich ist sie weder Satire noch<br />

Groteske.<br />

Hier haben Sie einige charakteristische Beispiele dazu.<br />

Eines Tages habe ich eine folgende Szene in Moskau beobachtet. Ein Fleischladen auf eine Seite der Strasse. Und gegenüber<br />

liegt der Fischladen. Ein Mann<br />

ist in den Fleischladen hineingegangen.<br />

Gibt es hier keinen Fisch, – fragte<br />

er die Verkäuferin. In der russischen<br />

Sprache werden manchmal positive<br />

Fragen in negativer Form ausgedrückt.<br />

So, ein Mann ist in den Fleischladen<br />

hineingegangen. Gibt es hier keinen<br />

Fisch, – fragte er die Verkäuferin. Bist<br />

du ungebildet, – schrie sie, – hier gibt<br />

es kein Fleisch. Aber keinen Fisch gibt<br />

es im Fischladen gegenüber.“<br />

Alexander Sinowjew wurde 1978<br />

nach der Veröffentlichung seines<br />

Romans ‚Gähnende Höhen’ ausgebürgert.<br />

Erst 1999 kehrte er aus<br />

dem Münchner Exil nach Rußland<br />

zurück.


„Ich entschuldige mich für die egozentrischen Reminiszenzen“<br />

438 SPIEL, HILDE, österreichische Schriftstellerin und Journalistin, 1911-1990. Eigenhändiges Manuskript,<br />

am Kopf signiert und bezeichnet „Hilde Spiel: Nur noch selten ein Schauer“. O.O.u.D. [ca.<br />

1980]. 7 Einzelblätter folio, jeweils die Vorderseite beschrieben. Sechs der Blätter am Kopf verklebt<br />

(Teil eines Schreibblocks). (CHF 750.00)<br />

Der autobiographische Text, der ihr Leben anhand großer Theateraufführungen, der Begegnung mit Regisseuren<br />

und Schauspielern umreißt, beginnt:<br />

„Mehr als doppelt so lange wie es ‚Theater heute’ gibt, hat diese einstige Mitarbeiterin sich über Dinge, die auf oder in<br />

den Bühnenräumen stattfanden, kritisch geäussert. Das begann im Frühsommer 1933 mit einem Bericht über Erika<br />

Manns ‚Pfeffermühle’, bald nachdem das Kabarett aus München nach Zürich ausgewandert war.<br />

Allzu viel und allzu Bewegendes hatte hier, in den Wiener Zwanziger Jahren auf das theaterbesessene Kind eingewirkt<br />

… Alexander Moissis ‚Hamlet’ mit vierzehn bereits fünfmal gesehen, viermal dazu im ‚modernen Gewand’, das damals<br />

ein … Wagnis darstellte …<br />

‚Old Wives’ Talk’. Ich entschuldige mich für die egozentrischen Reminiszenzen. Vielleicht nicht ganz unwichtig als Begründung<br />

einiger Abgebrühtheit, mit der man in die Periode 1960-85 eintrat, von der hier die Rede sein soll. Denn um<br />

diese Zeit waren die Schauer schon selten geworden, eine déformation professionelle, eine Kluft zwischen der Veteranin<br />

u. den jungen Enthusiasten, die sich in die Theaterwelt warfen und alles neu, aufregend, und wunderbar empfinden<br />

konnten, was man selbst schon besser … gesehen hatte …“<br />

Hilde Spiel lebte in Wien, bis sie 1936 nach London emigrierte, wo sie 1941 die britische Staatsbürgerschaft annahm<br />

und bis 1963 mit kurzen Unterbrechungen lebte. 1946 kehrte sie als Korrespondentin im Auftrag der<br />

Zeitschrift ‚New Statesman’ nach Österreich zurück. Während eines weiteren, zweijährigen Aufenthalts in der<br />

amerikanischen Besatzungszone Berlins von 1946 bis 1948 begann ihre Karriere als Theaterkritikerin in der<br />

deutschsprachigen Presse.<br />

„Aeusserlich Weltmann, innerlich Waldmensch“<br />

439 SPITTELER, CARL, in Liestal geborener Schweizer Schriftsteller und Dichter, der erste und bisher einzige<br />

als Schweizer geborene Nobelpreisträger (1919), 1842-1924. L.A.S. Luzern 22.I.1909. 1 Doppelblatt<br />

8°, alle 4 Seiten beschrieben. Mit dem zugehörigen, ebenfalls eigenhändig beschriebenen Umschlag.<br />

(CHF 1’500.00)<br />

Inhaltsreicher Brief an den Schriftsteller und Oberlehrer Gerhard Heine in Bernburg, zuerst mit ausführlichen<br />

biographischen Angaben, dann über seinen Werdegang als Schriftsteller:<br />

„Innerer Lebenslauf<br />

Vor allem festzuhalten: Habe nie den gewöhnlichen literarischen Bildungsgang durchgemacht. Kenne die allerwenigsten<br />

Bücher der deutschen <strong>Literatur</strong>, nicht einmal Goethe und Schiller. Ich las einiges als 15jähriger, seither nur noch 2 oder<br />

3 Bücher von G. u. Sch.<br />

Mein inneres Leben seit dem 16ten Lebensjahr gewaltig stürmisch, äussere Einwirkungen ablehnend, innerlich und seitdem<br />

18ten Lebensjahr visionär, poetisch visionär. Siebzehn Jahre lang – wie bildgeschichtlich (visionär) gedichtet. Habe<br />

nicht bloß erst mit 35 Jahren mein erstes Buch geschrieben, sondern auch für mich nichts vorher niedergeschrieben, außer<br />

Notizen als Anhaltspunkte der visionären Bilder. Also ein Dichter der 17 Jahre lang die Feder nicht braucht und die Tinte<br />

nicht kennt und an die Sprache nicht denkt. Zur Erklärung, für Sie, ganz im Vertrauen, Verbot davon Gebrauch zu machen,<br />

allein zu Ihrem Verständnis meiner Dichterpersönlichkeit: Dionysos im III Kapitel des olymp. Frühlings ist Lebensgeschichte<br />

eine Episode meiner privaten Lebensgeschichte, manches buchstäblich geschehen, fast aber buchstäblich<br />

im ersten Theil des Dionysos und daß nicht auch die Sterbensgeschichte buchstäblich erlebt wurde, lag an einem Haar.<br />

Also jetzt kennen Sie mich und den Kern meiner Dichtung. Ich wiederhole: hüten Sie meine Dionysosgeheimniß, es leben<br />

keine 6 Menschen die es kennen. Warum ichs Ihnen mittheile weiß ich nicht. Summa Aeusserlich Weltmann, innerlich<br />

Waldmensch. Da Sie Kunstwerk kennen, kann Ihnen ‚Mein Schaffen und mein Werk’ nicht entgangen sein. Kennen Sies<br />

nicht, dann müssen Sie das lesen. Sei müssen ferner lesen, wenn Sie mich kennen wollen: die Musik mein Zuchtmeister<br />

kürzlich erst erschienen … Also kommen Sie einmal in Lucern auf Besuch im Sommer…“<br />

Mit seinem Versepos ‚Olympischer Frühling’, 1905 erschienen, hatte Spitteler einen ersten großen Erfolg, es<br />

trug ihm 15 Jahre danach den Nobelpreis ein.<br />

Beilage: ein weiteres, von Spitteler an Heine adressiertes Couvert (Poststempel: Luzern 6.XI.1907).<br />

213


„Ich gehe immer zu weit“<br />

440 SPITTELER, CARL, 1842-1924. 1 L.A.S., 1 C.A.S. und 1 C.P.A.S. Luzern 26.IV.1911 – 26.I.1914 (Poststempel).<br />

1 Doppelblatt 8°, alle 4 Seiten beschrieben, 1 Briefkarte quer-8°, beide Seiten beschrieben,<br />

und die Postkarte. Zusammen 7 ½ Seiten. Mit zwei zugehörigen, ebenfalls eigenhändig beschriebenen<br />

Umschlägen. (CHF 1’200.00)<br />

214<br />

An den Zofinger Stadtbibliothekar und Lehrer Ernst Jenny (1876-1940), der Spitteler seine mit Virgile Rossel<br />

gemeinsam verfasste ‚Geschichte der schweizerischen <strong>Literatur</strong>’ zugesandt und – vermutlich im Hinblick auf<br />

eine neue Ausgabe – um kritische Lektüre gebeten hatte; Spitteler nimmt markant, teilweise bissig Stellung<br />

und schlägt massive Änderungen vor.<br />

26.IV.1911 (Poststempel; von fremder Hand am Kopf datiert „Mai 1911“): „… Da Sie mich aber ausdrücklich ersuchen<br />

Sie auf unzweifelhafte Irrthümer aufmerksam zu machen, will ich es thun: (Aber Widmann laß ich dabei aus dem<br />

Spiel; beschränke mich auf Corrigenda über mich.)<br />

Seite 275 die Vermuthung, Prometheus wäre ein wenig von W[idmann]’s Buddha beeinflußt worden ist völlig irrig, grotesk<br />

irrig sogar. Das muß weg.<br />

S. 282 ‚Wir glauben nicht alles, was Sp. sagt’ Ich glaube Sie würden richtiger thun wenn Sie glaubten was Sp. sagt…<br />

Daß Ol[ympischer] Frühling nach den gleichen Principien aufgebaut wäre wie in Pr[ometheus] u. Ep[imetheus] ist unrichtig.<br />

Ol. Frhl. ist nach epischen Gesetzen gebaut, Prom. ist im wesentlichen ein lyrisches Gedicht…<br />

Endlich noch eine Berichtigung über einen Satz in Ihrem Brief, ‚daß Sie unendlich viel gelitten haben.’ Ob ich gelitten<br />

habe, weiß ich nicht; es hat mich auch nie sonderlich interessiert es zu wissen ob ich leide oder nicht Mir genügte, jede<br />

Zeile zu fühlen, daß ich richtig handle, meiner Poesie, der ‚Strengen Frau’ gegenüber. Dadurch wurde auch immer mein<br />

innerstes Fühlen gekost, zwar pathetisch öfters, ja, aber ein mit bedacht beseeltes und daher schön anzufühlendes Pathos.<br />

Wenn Sie sich für mich näher interessieren, so empfiehlt es sich, mich einmal mit Ihrem Besuch zu erfreuen, dann kann<br />

ich Ihnen mündlich jeden Aufschluß erteilen, den Sie wünschen oder für nöthig achten. Schriftlich würde das zu umständlich<br />

sein…“<br />

Die Briefkarte vom 26.I.1914 steht im Zusammenhang mit dem Tod Joseph Viktor Widmanns 1911: „…Sie wissen<br />

ja ohnehin, daß Widmann mein liebster Jugendfreund war und daß ich seiner treuen, immer dienstbereiten äußern<br />

Förderung in schweren Zeiten unbegränzten Dank schulde. Das kann genügen für Ihren Zweck. Kommen Sie nur wie-


der zu mir. Unterhaltung mit gebildeten Männern rechne ich nicht zu den Störungen. Ob ich mit meinem Aufsatz<br />

‚D[ichter] u. D[enker]’ nicht zu weit gegangen bin? Ich gehe immer zu weit. Das liegt von meinem Denk- und Wahrheitsstil.<br />

Ich rede immer in Paradoxen, damit die Wahrheit auch klar sitzt. Die kleinen Einwendungen u.s.w. gebe ich<br />

gerne zu, überlasse sie aber weil leicht zu finden, dem Leser.<br />

Es geht da ein bischen zu wie in den Evangelien. Ein gewisser Jesus z. B. redete auch immer in Paradoxen und ging<br />

immer zu weit. Z. B. das Kamel durchs Nadelöhr u.s.w. Das Paradoxon ist der Accent des Wahrheitseiferers…“.<br />

Im Januarheft 1914 des „Kunstwart“ erschien von Spitteler der Aufsatz „Dichter als Denker“.<br />

Die Briefe sind von Heinrich Riggenbach veröffentlicht worden in: Baselbieter Heimatblätter 61. Jg., Nr. 1,<br />

März 1996, S. 17ff., zusammen mit Gegenbriefen resp. Karten von Jenny.<br />

„bald ist es vielleicht überhaupt genug<br />

mit allem Erzählen bei mir“<br />

441 SPYRI, JOHANNA, schweizerische Jugendschriftstellerin<br />

(„Heidi“), 1827-1901. L.A.S.<br />

„Deine Johanna“. Zürich 8.II.1893. 1 Doppelblatt<br />

8°, alle 4 Seiten eng beschrieben. Am<br />

Kopf von fremder Hand beschriftet.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

In zittriger Altersschrift an eine Verwandte, die<br />

Spyri um einen Beitrag für ihr „Jugendblatt“ gebeten<br />

hatte, was sie abschlägig beantwortet:<br />

„…mit allem guten Willen könnte ich zu dem Vorschlag,<br />

in das Jugendblatt zu schreiben, nicht ja sagen,<br />

denn ich weiß ganz bestimmt, daß ich mein Versprechen<br />

nicht halten könnte. Schon in den ‚deutschen Jugendfreund’<br />

sende ich nichts mehr, weil ich nichts habe<br />

u. einem andern Blatt, dem ich unglücklicher Weise<br />

einmal so halb und halb etwas versprochen habe, nur<br />

damit mich der Redaktor endlich in Ruhe lässt, bin ich<br />

nun seit Jahren einen Beitrag schuldig. Ich kann nicht<br />

so drauf los schreiben, eine Erzählung im Jahr ist<br />

Alles, was ich kann und bald ist es vielleicht überhaupt<br />

genug mit allem Erzählen bei mir, ich könnte mich<br />

auch überschreiben, das wäre doch misslich, vorher<br />

aufhören ist doch besser, ich weiß nur nicht, ob man<br />

den rechten Augenblick selbst so recht merkt. Neues<br />

will ich jedenfalls nicht mehr anfangen, ich sage ganz<br />

entschieden nein zu allen solchen neuen Aufforderungen<br />

und muß es wirklich thun …“<br />

Im weitern mit Fragen über Verwandte, die Reisepläne<br />

ihrer Korrespondentin, etc.<br />

442 SPYRI, JOHANNA, 1827-1901. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift „Johanna Spyri“. Zürich<br />

1894. 1 Einzelblatt klein-quer-8°, die Vorderseite beschrieben. Abgerundete Ecken, Goldschnitt.<br />

Etwas lichtrandig und fleckig. (CHF 250.00)<br />

„Es gibt doch kein so tiefes Dunkel,<br />

das nicht ein Stern durchbricht.“<br />

215


443 STAËL-HOLSTEIN, ANNE-<br />

LOUISE-GERMAINE BARONNE DE,<br />

geb. Necker, französischer Schriftstellerin,<br />

1766-1817. L.A.S. „N. Stael<br />

de H.“. [Weimar, Dezember 1803]. 1<br />

Doppelblatt 8°, die erste Seite beschrieben.<br />

Leicht lichtrandig, kleiner<br />

Defekt von Öffnen des Siegels<br />

im weissen Rand. (CHF 1’500.00)<br />

Offenbar an Charlotte von Schiller in<br />

Weimar.<br />

„Voulez vous Madame, vous charger de<br />

faire parvenir cette lettre, et voulez vous<br />

me prêter le camp de vallenstein, qu’on<br />

donne demain et que je veux relire à<br />

l’avance, j’espère vous aller voir aujourd’hui<br />

ou demain, vous serez mon interprète<br />

avec votre illustre époux, je ne<br />

conçois pas comment mon admiration<br />

pour lui ne m’inspire pas tout à coup la<br />

langue…“<br />

Auf ihrer Deutschlandreise im Jahr<br />

1803 machte Frau von Staël in Weimar<br />

von Dezember 1803 bis März 1804<br />

Station, wo sie neben Goethe und<br />

Wieland auch mehrfach Schiller traf.<br />

Das vorliegende Billet an Charlotte<br />

von Schiller (1766-1826) ist in der Correspondance<br />

générale nicht gedruckt;<br />

dafür aber ein nachfolgendes, in welchem<br />

Mme de Staël den ausgeliehenen<br />

‚Wallenstein’ an Frau von Schiller<br />

retourniert und sich dafür die ‚Jungfrau<br />

von Orleans’ erbittet (Correspondance<br />

générale, Bd. V, S.158).<br />

444 STAËL-HOLSTEIN, ANNE LOUISE GERMAINE BARONNE DE, geb. Necker, 1766-1817. L.A. (Coppet)<br />

19.III.1815 (von fremder Hand). 1 S. gr.-8°. Mit Blindsiegel und Adresse. (CHF 450.00)<br />

An ihre Freundin Madame Odier, die Ehefrau eines Genfer Arztes, deren Einladung sie annimmt.<br />

„... je vous amennerai j’espère mon fils que j’attends avec impatience à chaque instant – plaignez moi plaignez nous ...“<br />

Einen Tag vor Napoleons Rückkehr in die Tuilerien geschrieben.<br />

„ce nigaud nommé Friederich III.“<br />

445 STENDHAL (Pseudonym für Marie-Henri Beyle), einer der großen französischen Romanciers des 19.<br />

Jhs., 1783-1842. L.A.S. „Beyle“. Braunschweig 3.X.1807. 1 Doppelblatt gr.-4°, alle 4 Seite beschrieben,<br />

zusätzlich die Adresse auf der vierten Seite. (CHF 4’800.00)<br />

216<br />

An seinen Freund Francois Périer-Lagrange (1770-1816) in Grenoble, über seine Geldsorgen; Stendhal setzt<br />

seinem künftigen Schwager seine schlechte finanzielle Lage auseinander und rechnet vor, daß er sich, selbst<br />

wenn er eine versprochene Beförderung zugesprochen bekommt, nur mit finanzieller Unterstützung des Vaters<br />

aus der Misere retten könnte. Er bittet Périer, sich bei seinem Vater für ihn einzusetzen.


„… Quant à ma dépense si mon père me veut donner cent Louis ou mille écus par an je donne ma parole de n’en pas demander<br />

davantage, mais il faut de l’exactitude. On me demande 41 liv. d’une Paire de Bottes, si je paie tout de suite, je<br />

rabats 3 liv. et j’ai les Bottes pour 38 liv. Si je paie au bout de 3 mois, je donne 41 liv. et 3o sols d’étrennes. De même pour<br />

tout.<br />

Quant au besoin de 250 liv. par mois, il n’est que trop aisé à justifier. Un travail immense et avoir l’air de ne pas travailler,<br />

être de toutes les parties de Mr. D[aru] et recevoir chez moi tous les camarades qui passent; être jour et nuit sur pied<br />

et toutes les Semaines faire au moins 40 Lieues, les chevaux ne me coûtent rien bien entendu, mais, les étrennes, mais la<br />

nourriture, mais une immensité d’habits qui s’usent. Tout cela pour 200 liv. de traitement et 125 liv. de frais de Bureau,<br />

arriérés toujours de 2 mois. Depuis 8 jours j‘ai 2 Secrétaires, et voici 3 nuits que j’ai passées à travailler avec eux, avant<br />

été obligé d’aller le jour à la Chasse, avec le Beaufrère de M[arti]al qui a passé ici, et pour 45 liv. de fournitures de B[ure]au<br />

et pour 13 ou 14 liv. de port de lettres de Service que les gens qui me prennent pour une autorité oublient d’affranchir.<br />

Voilà, mon meilleur ami, une légère esquisse de mes finances…<br />

Si mon père veut faire compter tous les 1er du mois, chez MM. Perier Place Vendôme 200 fr. le 1er mai 300 fr. de plus, le<br />

1er octobre, autres 300 fr. en tout 3.000 liv. je ne lui demande plus rien. Je diminuerai même cela dès que je serai simple<br />

adj[oin]t au Com[missai]re des Guerres pour les app[ointemen]ts comme je le suis pour la dépense …<br />

Cette ennuyeuse matière terminée, je te dirai que je meurs de fatigue. Tu le vois à mon écriture. Je ne puis plus penser.<br />

Je suivrai tes conseils pour Paris, mais il faut que je sois C[ommissaire] d[es] G[uerres] et je ne le serai pas de si tôt à ce<br />

qu’il me semble. Mr. D[aru] reste en Prusse cet hiver. Je ne crois pas q’on rende Berlin, ni la Silesie à ce nigaud nommé<br />

Friederich III. Les provinces ne payent …“<br />

Stendhals Schwester Pauline heiratete 1808 François Périer-Lagrange, Sprößling einer reichen Grenobler Familie.<br />

217


Pierre Daru (1767-1829) und dessen Brüder hatten den ihnen entfernt verwandten Stendhal aufgenommen, als<br />

er nach Paris kam. Die Darus gehörten zur näheren Umgebung Bonapartes. Als ihr Verwandter und Protégé<br />

profitierte auch Stendhal, der zum Kaiserlichen Kriegskommissar und anschließend zum Verwalter der kaiserlichen<br />

Domänen in Departement Oker des 1807 gegründeten Königreichs Westfalen avancierte. Stendhal<br />

lebte von November 1806 bis März 1809 in Braunschweig; in seinen ‚Zeugnissen aus und über Braunschweig<br />

(1806-1808)’ gibt er eine amüsante Beschreibung der Braunschweiger Gesellschaft.<br />

Mit kleinen Abweichungen gedruckt in: Correspondance. Edition de la Pléiade. Bd. 1, Nr.165.<br />

446 STENDHAL, 1783-1842. L.A.S. „Beyle“. O.O. 18.IX.o.J. 1 S. 8°. Mit Adresse. Winzige Schäden in der<br />

Bugfalte. (CHF 1’600.00)<br />

An „Monsieur Moore“.<br />

„My dear Sir / I will send you tomorow the letter for M. Col. / I hope you have the Chek for the 120. f due the 2. d of September.<br />

I am my dear Sir, your most obliged Servant / Beyle“<br />

Stendhal, der zwischen 1821 und 1824 mehrfach in London gelebt hatte, veröffentlichte ab 1826 in „The London<br />

Magazine“ regelmäßig Artikel über die französische Politik und die Pariser Gesellschaft.<br />

447 STOLBERG, CHRISTIAN GRAF ZU, 1748-1821. Eigenhändiges Stammbuchblatt mit Unterschrift Neuenburg<br />

25.XI.1788. 2 S. quer-16°. Umlaufender Goldschnitt. Nadelspuren am Kopf. (CHF 2’000.00)<br />

Gedicht auf den Tod seiner Schwägerin<br />

Agnes geb. v. Witzleben (am<br />

15.XI.1788), geschrieben für deren<br />

Schwester Tina.<br />

„Heilige Bande fesseln uns ewig! Bande<br />

des tiefsten<br />

Seelenschmerzes der nun, Tina, das Herz<br />

uns zermalmt,<br />

Aber auch Bande schöner Wonne; bald<br />

wird uns die Schwester,<br />

Sie der die Thräne nun fließt, jenseit der<br />

Gräber, auch uns,<br />

Ihren Himmel im Engelauge, mit Armen<br />

der Liebe,<br />

Ihrer Lieb’! o auch uns, segnend empfangen<br />

am Ziel!<br />

Laß uns indess erheben die weinenden<br />

Blicke, laß Trost uns,<br />

Flehen, göttlichen Trost für den Verlassnen<br />

und uns!“<br />

448 STOLBERG, FRIEDRICH LEOPOLD GRAF ZU, 1750-1819. Eigenhändiges Stammbuchblatt mit Unterschrift<br />

O.O.u.D. 5,3 x 15,2 cm (Ausschnitt); am unteren Rand sind Oberlängen weiterer Schriftzüge,<br />

vielleicht der Datumszeile, erkennbar. (CHF 1’200.00)<br />

218<br />

„– – Was Männer thun,<br />

Posaunt der Ruhm in späte Zeiten aus<br />

Indeß am stillen Heerde, nicht bemerckt,<br />

Im dunckeln Schatten der Bescheidenheit<br />

Die Weiber Tugend tiefe Wurzel schlägt.“


„die größte Wonne“<br />

449 STORM, THEODOR, 1817-1888. L.A.S. Husum 17.II.1875. 2 S. gr.-8°. Winziger Randausriß.<br />

(CHF 2’400.00)<br />

An den jungen Schriftsteller (Heinrich Seidel) mit Ratschlägen zur literarischen Arbeit.<br />

„... Schicken Sie an Westermann nur eine Novelle. Ist es aber die, welche Rodenberg Ihnen zurücksandte – es sind<br />

gleichzeitig mehreren namhaften Poeten ihre Arbeiten zurückgesandt – so rathe ich Ihnen, eine gute rechte frische Stunde<br />

abzuwarten und dann die Novelle noch einmal tüchtig durchzuarbeiten; namentlich zu streichen, unbarmherzig! Sie<br />

glauben kaum, welch ein Genuß darin liegt, ganze, halbe oder auch viele Seiten wegzuwerfen und zu sehen, wie dadurch<br />

das Wesentliche der Dichtung überall ungeschwächt und kräftig zusammenrückt und hervortritt.<br />

Ueberflüssiges zu streichen ist mir immer hinterher die größte Wonne gewesen ...“<br />

450 STORM, THEODOR, 1817-1888. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift. O.O.u.D. 1 S. quer-gr.-8°.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

„Dein jung Genoß in Pflichten<br />

Den Schritt nach dir thät richten.<br />

Da kam ein andrer junger Schritt,<br />

Nahm deinen jung Genossen mit.<br />

Sie wandern nach dem Glücke,<br />

Sie schau’n nicht mehr zurücke.“<br />

Aus „Spruch des Alters. 2“.<br />

„il faut finir cette comédie“<br />

451 STRINDBERG, AUGUST, schwedischer Schriftsteller, 1849-1912. L.A.S. in Französisch. Paris 23.V.1895.<br />

1 Doppelblatt 8°, die ersten 3 Seiten beschrieben. Leicht gebräunt. Kleine Einrisse ausgebessert. Von<br />

fremder Hand am Kopf bezeichnet. (CHF 1’500.00)<br />

An Dr. Robert Fuchs in Wien, den Rechtsanwalt seiner zweiten<br />

Frau, mit der in Scheidung liegt. Strindberg drängt ungeduldig<br />

darauf, die Scheidungsformalitäten vorwärts zu treiben.<br />

„Maintenant le moment paraît arrivé où il faut finir cette comédie que<br />

vous fait jouer votre cliente.<br />

Elle demande le divorce et je ne dis pas non. Elle annonçe son arrivé à<br />

Paris chez moi. Elle m’invite à visiter l’enfant qui reste chez elle; j’accepte<br />

parce que la mère m’écrit que l’enfant est rachitique, et quand je<br />

prépare mon voyage elle me lançe une communication de son avocat,<br />

qui me menace avec le divorce. Je suis seulement étonné que ce divorce<br />

n’a pas eu lieu après quatre mois de travail. Et je suis encore plus<br />

étonné que votre cliente en plein procès me déclare dans une dernière<br />

lettre que nous, elle et moi ‚sont faits l’un pour l’autre’ etc, enfin une<br />

lettre qui dit tout le contraire que les lettres qu’elle adresse à vous.<br />

Pardonnez donc si je ne puis plus m’occuper avec cette correspondance<br />

qui me semble plus apte pour l’infinité la plus conjugale que pour la<br />

publicité et que je me permets d’agir d’après conscience et bon sens…“<br />

Strindberg hatte 1893 die zwanzigjährige österreichische Journalistin<br />

Frida Uhl kennen gelernt und einige Monate darauf geheiratet,<br />

1894 wurde die Tochter Kerstin geboren. Bereits im November<br />

1894 trennte sich das Paar; rechtskräftig geschieden<br />

wurde die Ehe erst 1897. Nach der Trennung von Uhl durchlebte<br />

Strindberg eine düstere Phase, die von ihm so genannte ‚Inferno-Krise’.<br />

219


452 STRINDBERG, AUGUST, 1849-1912. Eigenhändiger Briefentwurf (Fragment). 2/3 S. 8°. Mit 2 Korrekturen<br />

von fremder Hand. Etwas gebräunt, minimal fleckig. (CHF 1’200.00)<br />

An das „Bibliographische Bureau, / Berlin“, das 1893 die deutsche Ausgabe seines Erinnerungsbandes „Die<br />

Beichte eines Toren“ („En Dares Försvarstal“) verlegte.<br />

„Die Vergangenheit eines Thoren giebt in drei Volumen die ganze Entwickelungsgeschichte der Seele, welche wir in der<br />

Beichte getroffen haben. Mit schamloser“ (von fremder Hand geändert in „rücksichtsloser“) „Offenheit schildert der<br />

Verfasser seine Kindheit, seine bewegte Jugend und seine stürmische erste Liebe“ (der Entwurf bricht hier ab; das letzte<br />

Wort stammt ebenfalls von fremder Hand).<br />

453 SUDERMANN, HERMANN, 1857-1928. L.A.S. Nervi 14.II.1927. 3 1/2 S. 4°. Etwas gebräunt. Lochung<br />

ausgerissen. (CHF 200.00)<br />

An Heinz Saltenburg, Intendant des Deutschen Künstlertheaters in Berlin, der eines seiner Stücke aufführen<br />

wollte.<br />

„... Sie kennen die Entwicklung unseres Theaterlebens viel zu gut, als daß ich Ihnen auseinandersetzen müßte, in welcher<br />

kuriosen Zwangslage gerade ich mich befinde. Wenn ich wieder auf einer ersten Berliner Bühne erscheine, dann muß<br />

es in bester Form und zu bester Zeit geschehen, oder ich bleibe ihr fern wie bisher.<br />

Für einen Festaufführungstermin mit Wegener können Sie leider ebensowenig eine Gewähr übernehmen wie vorher mit<br />

Bassermann, mir aber widerstrebt es, über die Leiche eines hoffnungsvollen jungen Kollegen hinweg die Bühne zu<br />

beschreiten ...<br />

So bleibt nur die Möglichkeit, es bis zur nächsten Spielzeit zu verschieben. Es liegt schon drei Jahre und ist nicht schimmlig<br />

geworden, es kann auch noch länger liegen ...“<br />

Erwähnt sein Stück „Hasenfellhändler“.<br />

454 SUTTNER, BERTHA VON, geb. Gräfin Kinsky, österreichische Schriftstellerin und Friedensaktivistin,<br />

sie erhielt 1905 den Friedensnobelpreis, 1843-1914. L.A.S. O.O. 25.XII.1893. 2 S. 8°. Mittelfalte brüchig<br />

(montiert). Linker Rand etwas beschnitten. (CHF 200.00)<br />

An den Dichter und Schriftsteller Karl Henckell, über dessen Anthologie „Buch der Freiheit“.<br />

„... Die Freiheitsanthologie ist groß – groß – großartig! Das war ein gewaltiges Stück Arbeit. Diese zerstreuten Kräfte<br />

auf diesem engen Raum (vielleicht nicht eng genug, das wäre mein einziger Tadel) zusammengebracht zu haben, das gibt<br />

ein Explosiv-Buch! – Und wie schön nimmt sich unter all diesen Dichtungs Fürsten – und Rittern ihr eigenes Ritterlied<br />

aus! Natürlich werd ich ... das Buch besprechen ...<br />

Mit dem ‘Gewitter’ sind [Sie] zu glimpflich. Es war kein aus dem Herzen herausgeschriebenes Buch. Eine bestellte litterarische<br />

Arbeit, in welcher ich eben so viel als möglich etwas von den Saiten erklingen ließ die auch bei Ihnen nachgeklungen<br />

haben, aber nichts Gewaltiges ist drin ...“<br />

Beiliegend eine L.A.S. von Paul Heyse (München 1883); an Baronin von Hornstein mit einer Einladung für<br />

deren Schwester, falls diese mit seiner „novellistischen Hausmannskost“ vorlieb nehmen wolle.<br />

„Sie Mitarbeiter der ersten Stunde“<br />

455 SUTTNER, BERTHA VON, 1843-1914. L.A.S., geschrieben auf die Rückseite eines lithographisch gedruckten<br />

Schreibens. Harmannsdorf 16.X.1901. 1 Einzelblatt 8°, die Vorderseite hektographisch bedruckt<br />

und eigenhändig signiert „Bertha von Suttner“, die Rückseite eigenhändig beschrieben und<br />

erneut signiert „B.Suttner“. (CHF 200.00)<br />

220<br />

Der hektographierte Text an die Mitglieder der ‚Gesellschaft der Friedensfreunde’ mahnt den ausstehenden<br />

Mitgliederbeitrag für das Jahr 1901 an. Suttner schreibt an den Publizisten und späteren Dramaturgen und<br />

Drehbuchautor Heinrich Glücksmann (1891-1912), den sie um Hilfe für den Weltfriedenskongreß bittet:<br />

„die Gelegenheit dieses mir zur Unterzeichnung überschickten Rundschreibens benütze ich, geehrter Herr Glücksmann,<br />

um Ihnen meinen getreulichen herzlichen Gruß zu übersenden und Sie zu fragen, wie es Ihnen geht.


Im Jahre 1902 findet in Wien die Interparl. Conferenz, in 1903 der Weltfriedenscongress hier statt. Da wird uns Ihre publizistische<br />

Hilfe ungeheuer Wertvoll sein – bewahren Sie uns also Ihre alte Treue, Sie Mitarbeiter der ersten Stunde…“.<br />

Suttner hatte die ‚Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde’ 1891 ins Leben gerufen, Sitz der Gesellschaft<br />

war Suttners Gut Harmannsdorf.<br />

456 THOMA, LUDWIG, bayerischer satirischer Volksschriftsteller, 1867-1921. L.A.S. „lucke“. O.O.u.D.<br />

[1905]. 1 Einzelblatt gr.-4°, die Vorderseite beschrieben. Briefkopf des Albert Langen Verlags/ Simplicissimus/<br />

München. Alte Faltenrisse hinterlegt, leicht fleckig. (CHF 300.00)<br />

Nachricht an seine Frau Marion, eine Einladung betreffend.<br />

„liebes süßes mädle, / Schirach kommt vielleicht. Er hat kein Fieber mehr + glaubt, daß es geht. Wir müssen auf alle Fälle<br />

die Einladung bestehen lassen. Langen will auch seine Frau Schwester bringen. Ich habe natürlich ja gesagt. / Adieu Gokkelhenne<br />

/ dein lucke“<br />

Mit Schirach ist vermutlich Karl Baily Norris von Schirach (1873-1949) gemeint, der Vater von Baldur und Rosalind<br />

Schirach. Dieser war 1909 bis 1918 Intendant des Nationaltheaters Weimar.<br />

457<br />

„das unvergeßliche Verdienst der Arbeiter“<br />

THOMA, LUDWIG, 1867-1921. L.A.S. Rottach 12.XI.1917. 4 S. gr.-8°. Minimaler Papierdefekt und Faltenriß,<br />

gering fleckig. (CHF 600.00)<br />

An einen Redakteur, dem er eine „Stelle über die Bauern in meiner Rede vom 10. des Monats“ mitteilt.<br />

„... Es wird immer so dargestellt, als sei es das unvergeßliche Verdienst Bethmann-Hollwegs, daß sich die<br />

Sozialdemokratie an der Vertheidigung des Vaterlandes rückhaltlos beteiligt hat.<br />

Das ist nicht wahr, und das wissen wir anders.<br />

Am 1. August 1914 hat der Arbeiter die Vermittlung des Kanzlers nicht gebraucht, er hat Niemand gebraucht, der ihm<br />

das erst gesagt hätte, daß es ums Ganze gehe, und daß seine Wohlfahrt, seine Ziele, seine gehobene Stellung mit dem<br />

Lande zu Grunde gehen müßten. Es ist das unvergeßliche Verdienst der Arbeiter, daß sie keinen Augenblick an Partei<br />

und andere Dinge gedacht haben ...“<br />

Am 10. November hatte in der Münchner Tonhalle eine Kundgebung der am 2. September gegründeten Deutschen<br />

Vaterlandspartei stattgefunden; Ludwig Thoma zählte zu deren eifrigsten Unterstützern.<br />

458 THOMA, LUDWIG, 1867-1921. L.A.S. „LThoma“. Rottach 8.II.1920. 1 Doppelblatt kl.-4°, die ersten 2<br />

Seiten beschrieben. Gelocht. (CHF 500.00)<br />

Absage an eine Dame, die Thoma zu Verhandlungen im Hinblick auf die Verfilmung seiner Werke in Hollywood<br />

eingeladen hatte.<br />

„…die Möglichkeit, dass auf Umwegen eine Verfilmung eines meiner Bücher in Deutschland vorgeführt würde hindert<br />

mich doch den amerikanischen Dollarsegen anzustreben. Zudem, weder meine Magdalena noch die Lausb[uben] Geschichten<br />

eignen sich für Film im Ausland.<br />

Darum schließe ich den Vertrag nicht ab, und wenn Sie mich beim V.D.F.A. angesagt haben, ersuche ich Sie, mich wieder<br />

abzumelden. / Es geht nicht…“<br />

459 TIECK, LUDWIG, 1773-1853. Eigenhändiges Gedicht, betitelt „Andacht“. 1 S. gr.-8°. Geringe Montagespuren,<br />

leicht gebräunt. (CHF 1’500.00)<br />

„Wann das Abendroth die Haine<br />

Mit den Abschiedsflammen küßt, –<br />

Wann im prächt’gen Morgenscheine<br />

Lerchenklang die Sonne grüßt, –<br />

221


O dann werf ich Jubellieder<br />

In’s Lobpreisen der Natur,<br />

Echo spricht die Töne wieder,<br />

Alles preißt den Ew’gen nur.<br />

Mit den Quellen geht mein Grüßen,<br />

Und das taube Hertz in mir<br />

Hat dem Gott erwachen müssen,<br />

Der uns schirmet für und für.<br />

Meereswogen laut erklingen,<br />

In den Wäldern wohnt manch Schall:<br />

Und wir sollten nicht besingen,<br />

Da die Freude überall? –“<br />

Aus seinem Lustspiel „Prinz Zerbino“, zuerst erschienen<br />

bei Frommann in Jena 1799. – Gedichthandschriften Tiecks<br />

sind sehr selten.<br />

460 TIECK, LUDWIG, 1773-1853. Eigenhändiges Gedicht. 1 S. quer-4°. Schwach fleckig. Geringe Montagespuren.<br />

(CHF 500.00)<br />

„Grell und matt. –<br />

Wenn übersatt<br />

Manche von Kraut und Möhren<br />

Wassergekocht sich nähren,<br />

Ist’s drum noch nicht<br />

Zu Kraft und Licht<br />

Und zur Natur naives Wiederkehren. –“<br />

461 TIMMERMANS, FELIX, 1886-<br />

1947. Eigenhändiges Albumblatt<br />

mit Unterschrift<br />

und Federzeichnung (rot<br />

gehöht). O.O. 3.II.1938. 1<br />

S. quer-gr.-8°. Am linken<br />

Rand schwache Montagespuren.<br />

(CHF 300.00)<br />

222<br />

Ein Bäckergeselle mit einem<br />

Landstreicher im Gespräch:<br />

„Melk de dag en drink!“


„christean brethren of which they have heard<br />

…only as of ennemys in the Crimean war”<br />

462 TOLSTOI, LEO, 1828-1910. L.A.S. „L. Tolstoy”,<br />

in Englisch. Moskau 22.I.(1892). 1<br />

Doppelblatt 8°, die ersten 2 Seiten beschrieben.<br />

Mit dem dazugehörigen Couvert.<br />

(CHF 5’000.00)<br />

An Gilbert Coleridge in London, den Schatzmeister<br />

des ‚British Russian Relief Fund’.<br />

Tolstoi bedankt sich für die Spenden, die zugunsten<br />

Hungernder in Rußland zusam men -<br />

gekommen waren.<br />

„…The money destined for the suffering peasants<br />

can be sent to any chosen bank, or as a cheque to<br />

my wife C. Sophia Tolstoy, Moscou Chamovniky,<br />

15.<br />

I am very much touched by the tokens of sympathy<br />

that we receive from England. I will try to incubate<br />

to the people which will receive relief from the<br />

English fund that it is a gift from far out of christean<br />

brethren of which they have heard for the most<br />

part only as of ennemys in the Crimean war…”<br />

Tolstoi engagierte sich für die Opfer der im<br />

Winter 1891/1892 einsetzenden Hungersnot<br />

in Russland. Er ging mit seinen Töchtern in<br />

die Dörfer, um vor Ort zu helfen, und veröffentlichte<br />

Aufrufe in russischen und internationalen<br />

Zeitungen.<br />

Beiliegt das Schreiben Coleridges vom<br />

15.I.1892 an Tolstoi, in dem er sich erkundigt,<br />

wohin er die gesammelten Gelder schicken<br />

soll.<br />

463 TUCHOLSKY, KURT, deutscher Journalist und Schriftsteller, 1890-1935. Eigenhändiges Schriftstück<br />

(vollständiges Formular aus seinem Postscheck-Heft, mit eingedrucktem Namen und Adresse) mit<br />

Unterschrift „Dr. Peter Panter“. Paris, „Wagram“ (Herbst) 1928. 10,7 x 23,4 cm. Violette Tinte.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

Scherzhafter Überweisungsauftrag<br />

über „Zwei Millionen<br />

M 40 Pf“ an<br />

„Herrn Kaiserl. Professor<br />

Albert Jarosy<br />

zwecks leihweiser<br />

Überlassung seiner<br />

Frau Frau“.<br />

Tucholsky wohnte<br />

damals an der<br />

Place de Wagram.<br />

223


„eine ‚hysterische Käsemilbe’“<br />

464 TUCHOLSKY, KURT, 1890-1935. L.S.<br />

„Tucholsky“. Berlin 17.III.1933. 1 Einzelblatt<br />

kl.-4°, beide Seiten beschrieben.<br />

Briefkopf der ‚Weltbühne’. (CHF 900.00)<br />

An Fritz Heberlein, der sich einer „Sache“ –<br />

möglicherweise der Verhaftung Ossietzkys<br />

oder das Verbot der Weltbühne durch die Nationalsozialisten<br />

– in der schweizerischen Presse<br />

annehmen wollte.<br />

„… Da Sie schon so freundlich und kameradschaftlich<br />

sind, sich dieser Sache anzunehmen: ich würde<br />

es sehr begrüssen, wenn Ihr Blatt auf die hervorragend<br />

tapfere Haltung Ossietzkys hinwiese, der es<br />

die ganze Zeit hindurch verschmäht hat, zu fliehen,<br />

obgleich er natürlich dazu die Möglichkeit hatte.<br />

Die Ritterlichkeit der aufbauwilligen Elemente, wie<br />

sich diese Burschen nennen, wird es ihm nicht danken.<br />

Sie kann es ihm nicht danken: er hat noch<br />

jüngst die Courage gehabt, den kleinen Goebbels<br />

eine ‚hysterische Käsemilbe’ zu nennen, und das hat<br />

ihm der Schreihals sicherlich nicht vergessen…“<br />

Tucholsky hatte die Leitung der ‚Weltbühne’<br />

1926 von Siegfried Jacobsohn übernommen<br />

und 1927 an Carl von Ossietzky (1889-1938)<br />

weitergegeben. Nach dem Reichstagsbrand<br />

verboten die Nationalsozialisten die Wochenzeitschrift,<br />

die am 7. März 1933 letztmals erschien.<br />

Im Exil wurde die Zeitschrift bis 1939<br />

unter dem Titel Die neue Weltbühne fortgeführt.<br />

465 UHLAND, LUDWIG, 1787-1862. Eigenhändiges Billett mit Unterschrift (Frankfurt a.M., vor Oktober<br />

1848.) 1 S. quer-kl.-8° (Unterrand beschnitten). Mit Adresse. Rechter Rand unter Verlust der oberen<br />

Ecke leicht beschädigt. (CHF 400.00)<br />

„Herrn Abg[eordneten] Jakob Grimm.“<br />

„Verehrtester Freund! / In großer Verlegenheit einem Landsmann eine Karte in die Paulskirche zu verschaffen, erlaube<br />

ich mir um die Ihrige für heute [zu bitten], wenn Sie solche noch verfügbar haben. / Der Ihrige / Uhland.“<br />

Aus Uhlands Zeit als liberaler Abgeordneter der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. –<br />

Jacob Grimm, der keiner Partei angehörte, hatte in der Nationalversammlung einen Ehrenplatz inne; er verließ<br />

Frankfurt enttäuscht im Oktober 1848.<br />

466 UNDSET, SIGRID, 1882-1949. 1 L.A.S. und 1 L.S. Stockholm und Bjerkebaek 13. und 22.VI.1931. 2 S. 4°<br />

und gr.-8°. Mit einem Umschlag (Briefmarke ausgeschnitten). An den Ecken montiert, Klammerspuren,<br />

leicht gebräunt. (CHF 200.00)<br />

224<br />

An die „Katholische Deutsche <strong>Literatur</strong>gemeinde“ in Nürnberg.<br />

13. Juni. „... Antwortlich ... muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ich Ihren Wunsch nicht nachkommen kann, da mir alle<br />

Arbeit vorläufig auf jedenfalls 3 Monate wegen Ueberanstrengtheit verboten wurde ...“<br />

22. Juni, das „Übersetzungsrecht ins Deutsche für einige kleinere Arbeiten“ betreffend. „... Vielleicht findet sich darunter<br />

etwas, was für Ihren zweck angewandt werden konnte – andere kleine Arbeiten die nicht schon disponiert sind habe<br />

ich z. Zt. nicht zur Verfügung ...“


467 VALÉRY, PAUL, französischer Lyriker, Philosoph und Essayist, 1871-1945. L.A.S. (Lettre pneumatique)<br />

„P.V.“. Paris (Poststempel: 27.IV.1915). 1 Einzelblatt kl.-4°, die Vorderseite beschrieben, auf der<br />

Rückseite die ebenfalls eigenhändig Adresse (Name des Empfängers gelöscht). (CHF 500.00)<br />

An seinen Freund, den belgischen symbolistischen Dichter André Fontainas (1865-1948) in Paris, den er zu<br />

einem Besuch einlädt. Valéry befürchtet, in den Zivilkriegsdienst eingezogen zu werden.<br />

„…Les jours, maintenant, sont comme tirés et éjectés par une mitrailleuse, – avec peu d’effet et une consommation folle.<br />

Sentez vous cette impression?<br />

Voulez vous venir, Vendredi dès après le déjeuner? –<br />

Je ne garde encore nulle aiguille ni de sémaphore, pont, ou passage à niveau. Cela viendra. Les ultimes classes et même<br />

les postes ultimes seront appelées très certainement, et il faut qu’elles le soient. Il importe de durer et quoiqu’à la vérité<br />

on ne voie pas encore se dessiner l’issue, – jamais efforts si tendus ne furent si prolongés, il faut à tout prix y arriver…<br />

Une dame me demande le Thibaudet. Je crois que vous l’avez. Si vous n’en usez pas pouvez vous me l’apporter Vendredi?“<br />

Mit „le Thibaudet“ ist wahrscheinlich der Roman ‚Les Heures de l’Acropole’ (1913) des <strong>Literatur</strong>kritikers Albert<br />

Thibaudet (1874-1936) gemeint.<br />

„je n’ai jamais fait ce que j’ai voulu“<br />

468 VALÉRY, PAUL, 1871-1945. L.A.S. O.O. „Vendredi“ (Poststempel: 10.XII.1926). 1 Einzelblatt 4°, beide<br />

Seiten beschrieben. Mit dem dazugehörigen, eigenhändig adressierten Couvert. (CHF 1’500.00)<br />

Wunderbarer Brief an seinen Freund, den Literaten André Lebey (1877-1938) in Paris, der einen Artikel über<br />

Valéry verfaßt hatte. Valéry bedankt sich für den schönen Text. Valéry schildert, wie ihn vor allem die überaus<br />

umfangreiche Korrespondenz und die vielen Besuche lähmten.<br />

„On a écrit sur moi – en bien ou en mal – 30 ou 50 fois plus de lignes que je n’ai tracées moi même en toute ma vie, et je<br />

me perds entre tous ces MOI que l’on m’a donnés et qui me ressemblent comme ils peuvent.<br />

Mais enfin, Toi, tu as peint comme un<br />

Van Eyck et comme un ami, avec la fidélité<br />

de ces deux espèces, - ce que tu as<br />

vu et entendu, témoin que tu es d’une<br />

bizarre et diverse carrière.<br />

Tu es témoin que je n’ai jamais fait ce<br />

que j’ai voulu, – ayant d’ailleurs voulu<br />

bien peu de chose ; le minimum fut<br />

dans mes goûts. Les circonstances<br />

m’ont tenu longtemps dans l’état le<br />

plus terne, et le plus favorable à juger<br />

simplement de toutes choses. Ensuite,<br />

elles m’ont exalté. Mais rien, malheureusement,<br />

ne me monte à la tête, et je<br />

ne ressens pas ce qui je devrais, peutêtre,<br />

ressentir. Tu me connais assez<br />

pour te figurer le fond de mes sentiments.<br />

Quand je veux m’expliquer à moimême<br />

cette étrange fortune, j’y trouve<br />

des causes de trois ordres – dont les premières<br />

et les plus certaines consistent<br />

dans la grande indigence de notre<br />

époque en vraies valeurs. J’ai profité,<br />

sans doute, de cette raréfaction. Quand<br />

nous avions 15 ans, que d’hommes de<br />

première grandeur vivaient et respiraient<br />

encore ! – Aujourd’hui, l’on est<br />

réduit à glorifier qui l’on peut. – On<br />

exhausse son serviteur !!<br />

225


En second lieu, j’ai été servi curieusement par ma longue absence des lettres, pendant laquelle j’ai d’assez loin tant de<br />

modes naître et passer, tant de carnavals défiler, être acclamés, disparaître ... l’observateur immobile a pu, sans le vouloir,<br />

s’instruire de bien des causes de fragilité.<br />

Et enfin, – point capital et mon véritable orgueil, – je dois à mes amis presque tout ce que je suis. Ils ont cru en quelqu’un<br />

qui ne croyait pas en soi même. Ils m’on dessiné une figure digne d’eux, de leur qualité, de leurs talents, de leur affection<br />

.. Et puis ils m’ont tant appuis et instruit de tant de choses ! – Mon vrai orgueil, vois tu, est d’avoir excité en eux cette<br />

attention, ce grand et inestimable intérêt qu’ils m’ont porté.<br />

….En vérité, on me dévore tout vif et je sens mes idées craquer sous la dent inévitable des choses pressantes. J’étais mille<br />

fois plus libre à l’époque où je ne l’étais point. Je traversais l’avenue, je faisais mon office; je revenais et me retrouvais tel<br />

que je m’étais quitté, entre mon cahier et mes questions éternelles –. Mais à présent ! – Je me lève entre 5 et 6, m’assieds<br />

devant un fouillés de choses forcées ; je peine sans désir contre des œuvres de commande – A 8h le maudit facteur – Un<br />

courrier de ministre sans secrétaires. Ce choc de lettres m’assomme et me pulvérise l’esprit .. A 10h, les visites. Jusqu’à<br />

1h recevoir – Parler, parler, parler – et plus de rue Chalgrin – A l’heure du déjeuner, je suis mort —-<br />

…On prend pour utopie ce qui crève les yeux. Et ce qu’on prend pour le positif est l’ombre d’une ombre. On ne prend au<br />

sérieux que le rang et l’argent…“<br />

Nicht gedruckt in: Hontebeyrie, Micheline (Ed.). Valéry-Lebey. Au miroir de l’histoire. Paris, 2004.<br />

„da ich kein Philosoph vom Fach noch<br />

ein so zu sagen amtlicher Schriftsteller bin“<br />

469 VARNHAGEN VON ENSE, Karl August, deutscher Publizist und Biograph, Diplomat, der „Chronist<br />

der deutschen Romantik“, Gemahl von Rahel geb. Levin, 1785-1858. L.A.S. „Varnhagen von Ense“.<br />

Berlin 21.V.1843. 1 Doppelblatt 8°, blaues Papier, alle 4 Seiten in kleiner Schrift eng beschrieben.<br />

(CHF 1’800.00)<br />

226<br />

Inhaltsreicher Brief an den schottischen Historiker<br />

Thomas Carlyle (1795-1881): über<br />

seine Autographensammlung, Carlyles<br />

neuestes Buch ‚Past and Present’, seine verstorbene<br />

Frau Rahel, einen Besuch bei den<br />

Gebrüdern Grimm, die Auffindung eines<br />

germanischen Kriegers im Torfmoor, einen<br />

literarischen Angriff auf Schelling und Neuerscheinungen<br />

in deutscher Sprache von<br />

Humboldt, Bettina von Arnim und Eckermann.<br />

„… Wie bedaur’ ich … daß Rahel nicht mehr<br />

lebt! Wie würde die Ihnen beigestimmt, Ihnen zugejauchzt<br />

haben! Ich weiß auf Erden kein Herz<br />

mehr, das mit so leidenschaftlicher Liebe, wie das<br />

Herz Rahel’s, für alles Menschengute schlägt,<br />

und diese Liebe so unmittelbar thätig ausübt! –<br />

Durch erneuertes Unwohlsein … bin ich viele<br />

Tage abgehalten worden vor das Thor zu fahren,<br />

wo die beiden Brüder Grimm wohnen. Erst gestern<br />

ist es mir gelungen, und ich habe wegen<br />

Ihrer nordischen Anliegen die nöthigen Fragen<br />

gethan. … Von der Edda des Saemund hatten die<br />

Brüder Grimm eine isländisch-deutsche Ausgabe<br />

unternommen, die aber durch die Kopenhagener<br />

in Stocken kam. Über Island gibt es nichts besseres<br />

als was Reisende darüber gegeben haben. Saxo<br />

Grammaticus und Torfaens werden Ihnen bekannt<br />

und zugänglich sein. Die Zeitschrift ‚Bragur’<br />

ist alt, und enthält Gutes und Geringes<br />

durcheinander, sie würde Ihnen kaum nützen<br />

können…


… Mich dünkt, die Auffindung des alten germanischen Kriegers im Torfmoor geschah in Gröningen oder Friesland, und<br />

da könnte er eher ein Chauke gewesen sein. Allzu sehr ist indeß allen solchen Angaben oder Vermuthungen nicht zu trauen,<br />

solage nicht ein tüchtiger Gewährsmann dabei zu nennen ist. Ich will sorgfältige Erkundigungen einziehen ...<br />

Schon wieder ist ein Buch wider Schelling erschienen, diesmal von keinem Hegelianer, sondern von einem seiner eigenen<br />

Schüler, Dr. Kapp in Heidelberg, den er früher abscheulich misshandelt hat. Seit Fichte’s ‚Leben und Meinungen Nicolai’s’<br />

haben wir kein solches Todtschlagebuch mehr gesehen. Schelling wird als Plagiarius, Lügner, Verläumder, weltkluger<br />

Intrigant dargestellt, der sein großes Talent in sophistischen und selbstsüchtigen Bestrebungen aufgezehrt und jetzt<br />

mit den Pfaffen und Frömmlern in lügenhaften Bund getreten ist. Die Anklagen sind mit gründlichen Erörterungen und<br />

zahlreichen Belegen, so daß ich nicht sehe, wie Schelling sich vertheidigen und herausziehen kann. Denken Sie nicht, daß<br />

dieses eine bloße Gelehrtenstreitigkeit ist, an welcher die übrige Welt keinen Antheil zu nehmen braucht; nein, es ist eine<br />

Sache von größter Wichtigkeit, die tief in unser wissenschaftliches, religiöses, politisches und sogar gesellschaftliches<br />

Leben eingreift. Es handelt sich darum, ob in allen diesen Beziehungen falsche Autorität, Unwahrheit und Unsitte gelten<br />

soll. Es ist leider wahr, daß in dem ganzen Zusammenhange der sogenannten romantischen Schule, zu der auch<br />

Schelling litterarisch und persönlich gehört, große Massen von Unsittlichkeit, Heuchelei, schlechter Verabredung und<br />

Partheiung zu Ehren gekommen sind; von denen Fichte, Goethe, Schiller und Hegel sich frei gehalten haben…“<br />

Das ‚ Todtschlagebuch’: Christian Kapp ‚Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: ein Beitrag zur Geschichte des<br />

Tages von einem vieljährigen Beobachter’, Leipzig, 1843. Der Zeitpunkt der Erscheinung hängt vermutlich<br />

mit Schellings Berufung auf den Lehrstuhl Hegels in Berlin zusammen.<br />

Die genannten Neuerscheinungen sind Bettina von Arnims „Dies Buch gehört dem König“, das aus fiktiven<br />

Dialogen zwischen der Mutter Goethes und der Mutter des preußischen Königs besteht. Der dritte Teil von<br />

Johann Peter Eckermanns „Gesprächen mit Goethe“ erschien erst 1848, Humboldts „Kosmos. Entwurf einer<br />

physischen Weltbeschreibung“ erst 1845.<br />

470<br />

Varnhagen als Autographensammler<br />

VARNHAGEN VON ENSE, KARL AUGUST, 1785-1858. L.A.S. „Varnhagen von Ense. / Königl. Geh. Legat.<br />

Rath. / Mauerstraße 36.“ Berlin 13.X.1846. 2 S. 8°. Mit Bearbeitungsspuren. (CHF 400.00)<br />

An den Buchhändler Theodor Oswald Weigel in Leipzig, mit Geboten auf Autographen von Conring, Guerikke,<br />

Jung-Stilling, Naubert und Spener. – T.O. Weigel hatte 1843 erstmalig in Deutschland eine Autographen -<br />

auktion abgehalten, der bis 1855 weitere folgten.<br />

„Ew. Wohlgebohren / bin ich so frei mit einigen, freilich für jetzt nur wenig erheblichen Aufträgen ergebenst anzugehen,<br />

in Betreff der Autographen, welche am 4. November ... zur Versteigerung kommen sollen ...<br />

Ohne eigne Ansicht der Blätter ist es überaus schwierig, einen Preis für solche zu bestimmen, da der Werth so sehr verschieden<br />

ausfallen muß, je nach der äußern Beschaffenheit und nach dem Inhalte. Die drei ersten Nummern sind nur als<br />

Stammbuchblätter bezeichnet, und da wird der Werth um so ungewisser. Ich will daher im Allgemeinen für jedes der bezeichneten<br />

fünf Blätter den Preis von Einem Thaler bestimmen ...“<br />

471 VARNHAGEN VON ENSE, KARL AUGUST, 1785-1858. 2 L.A.S. Berlin 5. und 21.IV.1847. Zusammen 5 S.<br />

gr.-8°. Minimale Läsuren. (CHF 600.00)<br />

An den Schriftsteller August Kahlert in Breslau, der eine Biographie des dortigen Lustspieldichters und Theaterdirektors<br />

Karl Schall schreiben wollte. Varnhagen rät ihm, die „Galerie der Angebeteten in Schall’s Leben“, zu<br />

denen er auch Rahel und deren Schwägerin, die „schöne Friederike Robert“ rechnet, nicht zu vernachlässigen.<br />

5.IV.1847. „... Die größte Schwierigkeit, dünkt mich, ist das rechte Maß zu finden, daß in dem lustigen, leichtsinnigen<br />

Lebemann nicht der würdige und tiefe Ernst, in diesem wiederum die Fallstaff’sche Erscheinung nicht verloren gehe; die<br />

Mischung so widerstreitender Bestandtheile ist einmal Schall’s Wesenheit ...<br />

Sogleich nach Empfang Ihrer ... Zuschrift habe ich meine Papiere nachgesehen, und einige Blätter gefunden ... Die beiden<br />

frühen Briefe an Rahel dürften des Druckes gewiß werth sein ...<br />

Sie sammeln Autographen; ich ebenfalls, doch nur seit einigen Jahren, nachdem ich bis dahin alles derartige willig weggegeben,<br />

und hundert ergiebige Gelegenheiten gänzlich versäumt hatte! Ich besitze vielleicht einige Blätter, die Ihnen angenehm<br />

wären, und dürfte andere von Ihnen hoffen. Ist Ihnen mit Maupertuis, Vattel, de Catt (Vorleser Friedrichs des<br />

Großen) gedient? Können Sie mir Fülleborn, Manso, Kayßler und Schummel geben? – ...“<br />

227


21.IV.1847. „... Leider muß ich gleich bekennen, daß mir wenig Hoffnung bleibt, für Sie noch einiges Brauchbare von<br />

Schall’s Briefblättchen zu erlangen. Die beiden Damen haben mir bereitwillig alles von Schall’s Hand ihnen Zugekommene<br />

vorgelegt, hunderte von bunten kleinen Zetteln; aber wahrlich unter ihnen keinen einzigen, der sich zur öffentlichen<br />

Mittheilung schickte. Wir waren auf’s neue erstaunt und wirklich beschämt, so wenig Gehalt, so durchaus nichts<br />

Merkwürdiges zu finden, alles verläuft in kleinen Wortspielen und gesellschaftlichen Witzeleien, die mit dem Augenblikke,<br />

wo der Empfänger sie liest, auch sogleich ihr Leben verhauchen. In der That, nur die unerschöpfliche Lust, die unser<br />

Freund an solchen Spielen hatte, und die ungeheure Menge derselben, machen sie bemerckenswerth ...“<br />

„Ich werde mich ja ganz schämen müßen“<br />

472 VARNHAGEN VON ENSE, Rahel, (Taufname ab 1814 Friedericke Antonie) geb. Levin, deutsche Schriftstellerin<br />

und Salonière, Ehefrau von Karl August, 1771-1833. L.A.S. „RL“. [Berlin] „Mitternacht“ 30.XI.1808.<br />

1 Einzelblatt quer-8° (Ausschnitt von 7 x 19 cm), die Vorderseite beschrieben. (CHF 1’200.00)<br />

An einen Freund, dem sie ein Schreiben von Varnhagen weiterreicht, auch mit Dank für eine erwiesene Wohltat:<br />

„Kaum war ich gestern auf meinem Kastel, als man mir einen Brief von Varnhagen überreichte. Dies was ich Ihnen schikke<br />

lag für Sie darin. Ich hatte Ihr Blatt gelesen u mußte noch an meine Briefe etwas hinzufügen. Ich werde mich ja ganz<br />

schämen müßen wenn ich Sie sehe! Ich glaube, ich bin jetzt in meine Vergütigun[g]s Zeit getreten, u das Unrecht was<br />

mir vielfach geschah soll mir jetzt von einer ganzen Verbrüderung Menschen gut gethan werden; u wie immer ein solcher<br />

Urtheilsspruch ausgeübt werden muß; so zimlich aus milden Kassen, u fremden Güthern. Ich nehme freudig an was<br />

Sie mir geben; u dies wird mich so machen helfen, wie Sie mich sehen; von gütigen Augen wird man beßer. Und so werd’<br />

ich wirklich helfen düstere Lethargie zu vertheilen wenn sie Sie quelen will. Kommen Sie also hübsch zu mir! RL.“<br />

Rahel Levin hatte Karl August Varnhagen 1803 kennen gelernt, seine Frau wurde sie erst 1814, nach der Konversion<br />

Rahels zum Christentum.<br />

473 VARNHAGEN VON ENSE, RAHEL, 1771-1833. L.A.S. „Friedericke Varnhagen v: Ense“. (Berlin) 3.I.1830. 2<br />

S. quer-schmal-8° (Abschnitt eines Quartblattes). (CHF 750.00)<br />

228<br />

An ihre Freundin und Hauswirtin (in der Mauerstraße) Friederike Liman (Liepmann), eine verspätete Mietzahlung<br />

betreffend.<br />

„Liebe Madam Liman! Sie finden mich gewiß recht unbedacht Ihnen weder 8. FridrichsDor noch irgend einen Zettel oder<br />

Dank zu schiken! Ich bin so unwohl, daß ich’s noch nicht besorgen konnte: u. besonders bin ich, seit Varnh. auch liegt,<br />

ganz verwirrt. Nehmen Sie, gute Wirthin! Dies indes, als Wechsel: heute noch soll er ausgelöst werden. Ich brauche nicht<br />

hinzuzufügen, daß ich in allem wieder zu Diensten stehe. So wie ich die Treppe herunter; u. und besonders hinauf kann,<br />

mache ich Ihnen den Besuch, den ich Ihnen u. der armen Jetchen schuldig bin ...“


„quelque argent, si minime qu’il soit“<br />

474 VERLAINE, PAUL, aus Metz gebürtiger französischer<br />

symbolistischer Dichter, 1844-1896. L.A.S. [Broussais<br />

Dezember 1892 / Januar 1893]. 1 Einzelblatt schmales<br />

kl.-8°, beide Seiten beschrieben. Montagespuren.<br />

(CHF 1’500.00)<br />

An Léon Deschamps (1864-1899), den Redaktor der Zeitschrift<br />

‚La Plume’, über die Publikation einiger Sonette und die dringend<br />

benötigte Entlöhnung dafür.<br />

„Je viens vous prier de ne pas imprimer le sonnet à M.lle Zilcken que<br />

je donne à la revue: l’Art et la Vie.<br />

Je vous serais obligé, si pouvez, de me donner quelque argent, si minime<br />

qu’il soit, des autres sonnets envoyés par moi à la Plume.<br />

Vous remettriez la somme à M.lle Julie, porteur de ce billet à moins<br />

que M.lle Philomène ne soit venue munie d’un mot à l’avance (hier<br />

elle est allée rue Bonaparte pour vous trouver) continuant à son<br />

choix s’il y a lieu.<br />

Je suis en affaires pour le livre sur la Hollande. Laissons donc dormir<br />

le projet de publications pour souscriptions …– Venez donc me voir,<br />

de 1 à 4, tous les jours.“<br />

Verlaine hatte im November 1892 eine Vortragsreise nach Holland<br />

unternommen, auf der er beim Peintre-Graveur Philippe<br />

Zilcken (1857-1930) wohnte. Verlaine freundete sich mit der<br />

Tochter Renée an, für sie schrieb er das erwähnte Sonett. 1893<br />

gab Zilcken Verlaines ‘Quinze jours en Hollande’ heraus.<br />

Beiliegt 1 L.A.S. (Amiens 17.I.1889, 1 S. kl.-8°) des französischen<br />

Dichters Gustave Levasseur (1819-1896), in der die Not<br />

Verlaines thematisiert wird: „… Je ne connais pas M. Verlaine,<br />

mais je devine en lisant ses vers, les tourments de son réel talent. En<br />

se compilant des souffrances de la maladie et des angoisses de la pauvreté,<br />

ils n’en sont pas moins intéressants ...“<br />

475 VERLAINE, PAUL, 1844-1896. B.A.S. [Paris] 29.XI.1894. 1 Doppelblatt 8°, die erste Seite beschrieben.<br />

Lose aufgelegt auf einen Unterlagekarton. (CHF 450.00)<br />

An seine Gefährtin, die Prostituierte Eugénie Krantz, die ihn nach einem heftigen Streit unter Mitnahme von<br />

Verlaines Manuskripten und weiteren persönlichen Effekten verlasen hatte; Verlaine war einmal mehr in das<br />

Hotel de Lisbonne gezogen: „Ma chère Eugénie, Je suis forcé d’être au repos absolu pendant quelques jours, au bout<br />

des quels t’écrira / Ton / P. Verlaine“.<br />

Am 1. Dezember tritt Verlaine als Patient ins Hopital Bichat ein. Am 15. Dezember erscheint Verlaines letzter<br />

zu Lebzeiten veröffentlichter Gedichtband, ‚Epigrammes’. Im August war Verlaine als Nachfolger von Leconte<br />

de Lisle zum „Prince des Poètes“ gewählt worden. Ende Januar 1895 verließ Verlaine das Spital und lebte<br />

fortan wieder mit Eugénie Krantz.<br />

476 VOLTAIRE (eig. Francois Marie Arouet), 1694-1778. L.A.S. „Voltaire“. Berlin 7.IX.1743. 1 Einzelblatt<br />

4°, die Vorderseite beschrieben. 3 Eckausrisse und 1 Faltenriss alt mit Papierstreifen hinterlegt.<br />

(CHF 6’000.00)<br />

An Mathurin de Veyssière de La Croze (1661-1739) in Berlin, den Philosophielehrer Friedrichs II., der ihn offenbar<br />

eingeladen hat, die Antikensammlung zu besuchen. Er sei zum Diner bei der Königinmutter Sophie<br />

Dorothea (1687-1757) eingeladen, bei der Königin Elisabeth Christine (1715-1797) gäbe es danach Musik.<br />

„jay trouvé monsieur en arrivant chez moy un peu tard, un billet signé dun nom bien cher et bien respectable a tous ceux<br />

qui aiment la litterature. si ma mauvaise Santé me permettoit de sortir ce matin je ne manquerois pas de venir vous re-<br />

229


mercier. je compte voir larsenal aujourduy apres la parade, jay lhonneur ensuitte, daller diner chez S[a] M[ajesté] la reine<br />

mere. il y a musique a ce que je crois chez la reine regnante. il reste, me semble peu de place pour voir les antiquitez. mais<br />

je tacheray de trouver un moment pour venir vous assurer que ceux qui portent le nom de M dela croze me sont plus chers<br />

que tous les antiquites de rome et d’athenes. …“<br />

Bei Besterman D2831 auszugsweise gedruckt.<br />

477 VOLTAIRE, 1694-1778. L.A.S. „V“. (Potsdam 1751/52.) 3/4 S. 8°. Leicht gebräunt und fleckig, verso<br />

schmaler Falzrest am Oberrand; winziger Eckabriß. (CHF 2’500.00)<br />

An den preußischen Minister (Baron Samuel von Marschall), den er einlädt, der Aufführung einer Komödie<br />

beizuwohnen.<br />

„vous avez manqué la comédie ces jours passez. venez monsieur réparer cela aujourduy; apres le soupé de la reine mere“<br />

(Königin Sophie Dorothea). „je joue malgré ma maladie je vous feray entrer assurément. il nous faut des spectateurs<br />

comme vous“.<br />

Besterman Nr. 4053. – Auf den freien Rändern des Briefes Notizen von der Hand des Voltaire-Herausgebers<br />

L.N.J.J. de Cayrol (1775-1859).<br />

478 WALSER, MARTIN, deutscher Schriftsteller, geb. 1927. Eigenhändiges Manuskript (Fragment), mit<br />

zwei verschiedenen Kugelschreibern auf die Rückseite von Makulatur geschrieben und paginiert<br />

„4a“, „5“ und „6“. 3 Einzelblätter DIN A4, jeweils die Vorderseiten beschrieben. Dazu eine Begleitbrief:<br />

L.A.S. O.O. 15.III.1977. 1 Einzelblatt A4, die Vorderseite beschrieben. (CHF 750.00)<br />

230


Aus dem Begleitbrief ist ersichtlich, daß ein Autographensammler um eine Handschriftenprobe gebettelt<br />

hatte: „…Ich lege Ihnen ein paar Seiten bei, die aus meinem Theaterstück ‚Das Sauspiel’ stammen; aus der letzten Szene.<br />

Sehr dekorativ fallen die Manuskripte bei mir allerdings nicht aus …“<br />

Das „Sauspiel: Szenen aus dem 16. Jahrhundert“ erschien 1975. Es spielt in Nürnberg, kurz nach dem Bauernkrieg.<br />

Als Personen treten u.a. Camerarius, Dürer, Pfinzing und Tucher auf. Das vorliegende Manuskript gibt<br />

einen Monolog von Camerarius wieder, in dem er Architektur-Entwürfe erläutert.<br />

479 WALSER, ROBERT, schweizerischer Schriftsteller,<br />

1878-1956. L.A.S. „Biel, Schweiz, Hotel Blaues<br />

Kreuz“ 25.IX.1918. 1 Einzelblatt kl.-4°, die Vorderseite<br />

beschrieben. Randausriß, großer Eingangsund<br />

Erledigungsstempel. (CHF 2’400.00)<br />

An die Feuilleton-Redaktion des ‚Wiener Mittag’ Wien,<br />

der er Beiträge geschickt hatte:<br />

„Ich sandte Ihnen ‚Rückblick’ und ‚Freundschaftsbrief’ und<br />

gebe Ihnen hier als drittes ‚Kinderspiel’, indem ich glaube,<br />

dass Sie es veröffentlichen werden.<br />

Ich bitte Sie, falls Sie etwas gebracht haben, um gütige Zusendung<br />

von betreffendem Belegexemplare und Honorar…“<br />

Walser hat beim ‚Wiener Mittag’ kein Glück gehabt,<br />

seine Kurzgeschichte „Kinderspiel“ erschien im Januar<br />

1919 in ‚Wissen und Leben’; „Rückblick“ blieb zu Lebzeiten<br />

unveröffentlicht.<br />

480 WASSERMANN, JAKOB, deutscher Schriftsteller, 1873-1934. L.A.S. Wien 24.IV.1919. 1 Einzelblatt gr.-<br />

8°, eine Seite beschrieben. (CHF 300.00)<br />

An einen Redaktor, der ein Werk Wassermanns publizieren wollte; Wassermann schlägt ihm seine Novelle<br />

„Lucardis“ vor:<br />

„…es wäre eine und zwar die folgende Möglichkeit: im Januar 1913 der Neuen Rundschau ist eine Novelle Lucardis von<br />

mir erschienen, die ich bis jetzt als Buch nicht veröffentlicht habe. Vielleicht können Sie sich das Heft davon verschaffen,<br />

ich selbst besitze es momentan nicht. Lesen Sie die Geschichte und sagen Sie mir, ob sie Ihnen für Ihre Zwecke geeignet<br />

erscheint und unter welchen Bedingungen Sie sie erwerben würden…“<br />

„Lucardis“ erschien im ersten Band des „Wendekreises“ 1920 bei Fischer, aber nicht als Einzelpublikation.<br />

Später hat Wassermann den Stoff zu einem Schauspiel umgearbeitet.<br />

481 WEDEKIND, FRANK, deutscher Erzähler und Dramatiker, wuchs auf der Lenzburg auf, 1864-1918.<br />

L.A.S. Lenzburg 7.X.1895. 4 S. 8°. Leicht sporfleckig. (CHF 400.00)<br />

An den Dramaturgen Otto Eisenschütz (in Wien), wohl die Bühnenbearbeitung seiner im gleichen Jahr erschienenen<br />

Tragödie „Erdgeist“ betreffend.<br />

„... Sie schreiben, die Directoren dürften wie Piraten über das Stück herfallen. Jetzt, nachdem Sie es gelesen, halten Sie<br />

die Gefahr vielleicht selbst nicht mehr für so dringend. Ich rechne darauf, daß das Stück in der literarischen Welt, in der<br />

Presse einiges Aufsehen erregt und auf diesem Wege trotz seiner Extravaganz auf die Bühne gelangt.<br />

Was aber die Agentur betrifft, so hat sich mein Verleger namentlich das Recht des Bühnenvertriebes vorbehalten. Albert<br />

Langen ist ein rühriger Mensch und ich habe einiges Vertrauen in seine Unternehmungen. Auf jeden Fall muß ich erst<br />

abwarten, wie er sich darstellt ...<br />

Für meine Person habe ich die Überzeugung, daß das Stück auf der Bühne Erfolg haben werde, auch wenn es von<br />

schlechten Kräften gegeben wird. Aber ich bezweifle, daß ohne Anregung irgend ein Director den Muth finden wird, es<br />

aufzuführen ...“<br />

Beiliegend eine C.P.A.S. (München 1909); an den Konzert- und Theateragenten Emil Gutmann in München.<br />

„... Für Morgen Samstag liegen zwei Plätze für Sie an der Kasse ...“<br />

231


482 WEDEKIND, FRANK, 1864-1918. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift. 1 Einzelblatt quer-8°<br />

(Postkarte), die Vorderseite beschrieben. (CHF 300.00)<br />

Die letzten zwei Zeilen aus dem Gedicht ‚Der Zoologe von Berlin’ aus der Sammlung ‚Herbst’.<br />

„Denn es schlummert in den meisten Tieren<br />

Eine Majestätsbeleidigung“.<br />

483 WEINHEBER, JOSEF, 1892-1945 (Selbstmord). L.A.S. O.O.u.D. (nach 1931). 1 S. quer-4° (oben beschnitten).<br />

(CHF 500.00)<br />

Wohl an einen Redakteur, eine Veröffentlichung betreffend.<br />

„... Dieser Artikel ... wurde 1931 geschrieben. Was darin gesagt ist, muss so stehen bleiben wie es steht. Sie haben blos<br />

das Entstehungsdatum 1931 anzufügen. Ich gebe Ihnen die Erlaubnis zum Druck gegen ein Honorar von 30 RM. Durch<br />

welche Macht sollten meine damaligen Äusserungen, die 100% richtig waren, Gefahr laufen, gestrichen zu werden?<br />

Durch Ihren Verleger? Wenn der Artikel nicht so erscheint, wie ich ihn geschrieben habe, dann müssen Sie ihn ganz<br />

kassieren. Heil Hitler! ...“<br />

Beiliegend eine L.A.S. von Karl Heinrich Waggerl (Salzburg o.D., mit Umschlag); an einen Autographensammler.<br />

„wenigstens fehlt der public spirit“<br />

484 WEISSE, CHRISTIAN FELIX, 1726-1804. L.A.S. Leipzig 18.VIII.1769. 3 S. 4°. Mit Siegelrest und Adresse.<br />

Leicht gebräunt. (CHF 1’200.00)<br />

232<br />

An den Maler und Gemmensammler Philipp Daniel Lippert in Dresden, „Professeur de l’Antiquité de l’Academie<br />

de Peinture & de Sculpture de & à Dresde“.<br />

„... Wie sehr freue ich mich, daß Sie immer noch mit solchem Eifer für das Publikum arbeiten, und sich [durch] den Undank<br />

desselben nicht abhalten laßen: es kömmt doch eine Zeit, und wenn es auch erst nach dem Tode ist, daß Verdienste<br />

erkannt und gepriesen werden. Freylich möchte man immer noch fragen, ob es unter uns deutschen auch ein Publikum<br />

gäbe, wenigstens fehlt der public spirit gewiß, auf den sich die Engelländer immer so viel zu gute thun können. Unsere<br />

Großen wenden zu viel auf Ihre Vergnügungen, oder auf ihre Soldaten: den Gelehrten fehlt es an Geschmack oder an<br />

Kräfften, und die Künstler sind größtentheils zu faul, sich ihrem gewöhnlichen Schlendrian zu entreißen, und neue<br />

Wege, durch eine bessere Kenntniß des Alterthums zu suchen. Indessen glaube ich doch, daß Sie durch Ihre Dactyliotheck“<br />

(Lipperts 1755 erstmals auf Latein erschienene Gemmenkunde, die er 1767 und 1768 ins Deutsche übersetzt<br />

hatte) „unvermerkt viele auf andre Gedanken gebracht ... haben ... Allerdings werden wir noch lange Ursache<br />

haben, den ehrlichen Winkelmann zu beweinen“ (ihr gemeinsamer Freund Winckelmann war im Juni des Vorjahres<br />

in Triest ermordet worden). – „Bey den meisten, die ihm itzt nachäffen, ist ein affectirter Enthusiasmus, der<br />

einem wahren Kenner, wie Sie sind, ordentlich kindisch und lächerlich vorkommen muß. Wie wohl haben Sie gethan, das<br />

Sie Sich nicht in die kritischen Zänkereyen unserer jungen Antiquarien gemenget haben ... Ich habe mir Ihr Beyspiel zum<br />

Muster genommen und so viel man sich auch Mühe gegeben, mich oder meine Bibliothek mit in Streit zu flechten, so<br />

habe ich doch alles vermieden, und werde meinen Gang fortgehen ohne auf die eine oder die andere Seite zu sehen ...“


485 WEISSE, CHRISTIAN FELIX, 1726-1804. L.A.S. „Weiße“. Leipzig 3.VI.1784. 1 1/2 S. 8°. Leicht gebräunt<br />

und beschnitten. (CHF 350.00)<br />

An „verehrungswürdiger Herr u[nd] Freund“ vor dessen Abreise aus Leipzig.<br />

„Ich war gestern eben ein wenig spatzieren geritten, als ich Abends bey meiner Zurückkunft in Stötteritz Ihren gütigen<br />

Brief fand. Wenn mich nicht eine Cur abhielt würde ich noch in die Stadt kommen um mich bey Ew. Hochwohlgeboren<br />

zu beurlauben. Indessen will ich Sie ... mit meinen besten Wünschen zu Ihrer Reise begleiten. Empfehlen Sie mich unserm<br />

gemeinschaftl[ichen] Freunde, dem H[err]n Geh[eimen] R[at] v[on] Thümmel aufs beste ... Sein Sohn befindet sich<br />

wohl u[nd] ist itzt noch einige Tage mit mir u[nd] meiner Familie auf dem Lande ...“<br />

486 WERFEL, FRANZ, deutschsprachiger böhmischer Schriftsteller, einer der Exponenten des literarischen<br />

Expressionismus, 1890-1945. Eigenhändiges Sonett, betitelt „Der Reim“. (1938.) 3/4 S. gr.-4°.<br />

Tinte, mit einer Korrektur in Blei. (CHF 750.00)<br />

„Der Reim ist heilig. Denn durch ihn erfahren<br />

Wir tiefe Zwieheit, die sich will entsprechen.<br />

Sind wir nicht selbst mit Aug-Ohr-Lippenpaaren<br />

Gepaarte Reime ohne Klang-Gebrechen?<br />

Das Reimwort meinst du mühsam zu bestechen,<br />

Doch wird es unversehens offenbaren,<br />

Wie Liebeskräfte, die zerspalten waren,<br />

Zum Kuss des Gleichklangs durch die Fernen brechen.<br />

Allein nicht jede Sprache hat geheiligt<br />

Den reinen Reim. Wo nur sich deckt die Endung,<br />

Droht leeres Spiel. Der Geist bleibt unbeteiligt.<br />

Dieselben Silben lassen leicht sich leimen.<br />

Doch Stämm’ und Wurzeln spotten solcher Blendung.<br />

Im Deutschen müssen sich die Sachen reimen.“<br />

487 WERFEL, FRANZ, 1890-1945. L.A.S. St. Germain en Laye 29.I.1939. 1 S. gr.-4°. Mit Umschlag.<br />

(CHF 400.00)<br />

An den katholischen Priester und Schriftsteller Georg Moenius in Paris, der gleich ihm emigriert war.<br />

„... Leider fehlten in dem Abdruck meiner Rede, der Sie solch unverdientes Lob spenden, die wichtigsten, auf den religiösen<br />

Sinn des heutigen Geschehns hindeutenden Stellen. – Ich würde mich vom ganzen Herzen freuen, Sie recht bald<br />

kennen lernen zu dürfen. Ich wohne gegenwärtig, einer neuen Arbeit wegen“ (Werfel arbeitete damals an seiner<br />

Trilogie über die halbjüdische Pianistin Cella Bodenheim), „hier draußen ...<br />

Zum letzten Satz Ihres Briefes möchte ich noch bemerken, daß ich immer stolz war, mit einem wahren Diener Christi zu<br />

sprechen, in welchem Gewande er auch erschien ...“<br />

„das Problem des Gottesglaubens“<br />

488 WERFEL, FRANZ, 1890-1945. Eigenhändiges Manuskript (Fragment), auf dem dritten Blatt nachträglich<br />

bezeichnet „(aus ‚Gottesglauben’)“ und signiert „Franz Werfel“ und datiert „Wien 1933“. 3 Einzelblätter<br />

gr.-8°, jeweils die Vorderseiten beschrieben. Mit Korrekturen, teils mit Bleistift, und Streichungen.<br />

Am Kopf mit Rotstift foliiert. Klammerspur und unbedeutende Wischspuren.<br />

(CHF 1’200.00)<br />

Drei Seiten aus seiner Rede ‚Können wir ohne Gottesglauben leben’, die er am 5. März 1932 in Wien gehalten<br />

hatte. Werfel nimmt vehement für den Glauben Stellung; ohne ihn sei keine wirklich geistige Existenz möglich.<br />

Der Text beginnt:<br />

233


„Wir haben hier den verpönten Versuch unternommen, das Problem des Gottesglaubens aus dem Reich der Religion in<br />

das Gebiet allgemein menschlicher Betrachtung zu tragen. Die streng wissenschaftlich Gesinnten werden die zwingende<br />

Schlüssigkeit vermissen, die sie von einer Deduktion fordern. Die streng Gläubigen werden den Hinweis auf den dogmatischen<br />

Bau der Religion entbehren, in dem für sie alles in Ewigkeit geordnet und gefestigt ist. Einige dürften sich darüber<br />

aufhalten, daß die Aesthetik, das Prinzip des Wohlgefallens, angerufen wurde, um zwischen der gotterfüllten und<br />

gottlosen Welt zu entscheiden, wie zwischen zwei Gläsern gleichwertigen Weins … Es kann nach unseren Ausführungen<br />

kein Zweifel mehr darüber herrschen, daß die Wahl der gotterfüllten Welt einen differenzierteren, werthaltigeren,<br />

‚geschmackvolleren’ Geist voraussetzt als die Wahl der gottlosen Welt…<br />

Nun herrscht freilich unter den Geistigen heutzutage eine merkwürdige Feigheit, die sehr viele daran hindert, der größten<br />

Frage dieses Lebens offen ins Auge zu sehn. Die Gründe für diese Feigheit haben wir mehrfach angeführt. Zu dem<br />

Irrglauben, die wahre Wissenschaft maße sich eine Entscheidung an, trifft eine unbewusste Verwechslung der Gottesidee<br />

nicht einmal mit der tatsächlichen sondern mit einem politischen Zerrbild der Priesterschaft, wie es die Jahrhunderte der<br />

Aufklärung und des Freisinns in die Seelen gepresst haben. So lächerlich es klingt, für sehr viele kluge und aufgeschlossene<br />

Leute erweckt der Name Gottes und der Gedanke einer geistigen Überwelt die fürchterlichen Assoziationen: Finsteres<br />

Mittelalter! Inquisition! Folterkammer! Galilei! Progrom! Absurder Märchenglaube. – Hier warten große Aufgaben<br />

für eine Psychologie der Völker, Klassen und Generationen. Ehe die analytische Psychologie darangeht, mit ihrem Messer<br />

den menschlichen Gottesbegriff zu sezieren, müsste sie aufrichtigerweise untersuchen, welche dunkle Rachsucht ihr<br />

dieses Messer schleift.<br />

Es ist hoch an der Zeit, daß der geistig wache Mensch erkenne: Ich darf mich der letzten Frage nicht entziehen, ohne auf<br />

Erden ein feiger Schwächling zu bleiben, der keinen festen Stand hat …“<br />

Unter dem Titel „Können wir ohne Gottesglauben leben“ erschien 1932 bei Zsolnay ein Band mit Reden und<br />

kleinen Schriften.<br />

„Mahlers Musik darf in W. nicht aufgeführt werden. Werfels Bücher nicht gelesen!“<br />

489 – WERFEL,ALMA MAHLER-, geborene Schindler, in erster Ehe mit Gustav Mahler, in zweiter mit Walter<br />

Gropius und in dritter mit Franz Werfel verheiratet, 1879-1964. 3 L.A.S. Düsseldorf, Wien und<br />

234


(Venedig) 24.V.1937 und o.J. (jedoch vor 1929). 2 Doppelblätter und 1 Einzelblatt gr.-8°, davon 10<br />

Seiten beschrieben (wobei die Doppelbogen jeweils quer über beide Seiten beschrieben sind). Ein<br />

Brief knittrig und mit Faltenrissen. (CHF 1’800.00)<br />

An ihre Freundin Aenne Grünthal in Düsseldorf, die sie um Spenden für das geplante Gustav Mahler-Denkmal<br />

in Wien angeht.<br />

Der undatierte Brief:„… Franz Werfel ist selbstverständlich nicht getauft. Er ist Jude - und leidenschaftlicher Jude<br />

dazu! …“<br />

Venedig 22.V.o.J.: „…Wieder ist ein Frühjahr vergangen – und Sie waren nicht hier in meinem Venedig.“ Alma Mahler<br />

hatte Anfang der 1920er Jahre zusätzlich zur Wohnung in der Wiener Elisabethstrasse und dem Haus am<br />

Semmering einen kleinen Palazzo in Venedig erworben. „– Nun geht es heimwärts nach Wien. Hauptsächlich zu<br />

einer Sitzung des Mahler-Denkmahl Comitées – zu dem ich eingeladen bin, meinen Rat hören zu lassen…<br />

Mahler ist der erste Jude, der in Wien ein Denkmal bekommen soll. Ich möchte sagen, dieses Monument ist nicht ein<br />

Denkmal für die Musik allein …<br />

Es wäre schön, wenn Sie in Ihrem Circle sammelten und so der guten Sache helfen würden…“<br />

Ursprünglich war Anton Hanak mit dem Auftrag für ein Mahler-Denkmal betraut worden; nach vier konfliktreichen<br />

Jahren trat er Ende 1933 zurück; 1934 konnte Carl Moll den jungen Fritz Wotruba für das Projekt gewinnen.<br />

Dieser schuf 12 Modelle, die bei einer Ausstellung im Juli 1936 in der Wiener Neuen Galerie Anklang<br />

fanden; das Projekt wurde dann aber endgültig fallengelassen.<br />

Der Brief vom 24.V.1937 ist gezeichnet von den Schrecken der Nazidiktatur: „…Ja – wir spüren es auch an allen<br />

Ecken und Enden. Mahlers Musik darf in W. nicht aufgeführt werden. Werfels Bücher nicht gelesen! –<br />

Man ist zurückgeworfen auf viele Jahre! –<br />

Es ist unsäglich traurig – aber es muß einen Sinn haben, sonst müsste man sich aufhängen! Vielleicht ist es verhindert<br />

worden, dass das Judentum sich in den Wirtsvölkern auflöst, wozu es große Lust bezeigte!, und so seine Mission, gezwungenermaßen<br />

vorsetzen muß!?!!! ...“<br />

235


490 WERNER, ZACHARIAS, 1768-1823. L.A.S. Warschau 13.X.1798. 1 S. 4°. Leicht stockfleckig. (CHF 750.00)<br />

Wohl an den Kriegsrat Ernst Friedrich Peguilhen in Bialystok, den späteren Bekannten Heinrich von Kleists.<br />

„Mein sehr braver Freund! / Ich überschicke Euch durch H. Schweder den schönen französischen Aufsatz retour. Ich habe<br />

ihn bis jezt liegen lassen, um ihn wo möglich zu übersezzen, das ist aber, da ich von Morgen bis in die Nacht in Dienstarbeiten<br />

schwizze, nicht möglich ...<br />

Euren Brief, der mir ein theurer Beweis Eures redlichen Hertzens war, werde ich ... als ein Pfand Eurer Freundschafft in<br />

meinem Innersten verschliessen. Auch werde ich Euch ein paar passable Gedichte schicken ...“<br />

Werner war seit 1796 Sekretär bei der preußischen Kammer in Warschau.<br />

Nicht bei Floeck (Briefe, 1914).<br />

„literarische Gewissenssache“<br />

491 WERNER, ZACHARIAS, 1768-1823. L.A.S. Warschau 28.IV.1805. 4 S. gr.-4°. Leicht fleckig, Nadellöcher<br />

in der Bugfalte. (CHF 1’200.00)<br />

236<br />

An (H.K.A. Eichstädt), den Herausgeber der Jenaischen <strong>Literatur</strong>-Zeitung, dem er – verspätet – seine Rezensionen<br />

von 2 Jahrgängen des Kotzebue’schen „Almanachs dramatischer Spiele“ sendet.<br />

„... ich kann Ihnen bey Gott und Ehren versichern, daß theils überhäufte Dienst- und PrivatGeschäffte, zum Theil auch<br />

die Vollendung des 1sten Theils eines von mir verfertigten neuen dramatischen Werkes, unter dem Titel: Das Kreuz an<br />

der Ostsee, an dieser Verspätung schuld sind ...“<br />

Er habe „Kotzebue’s würklich unglaublich elenden Almanach“ scharf kritisieren müssen – „Ich lasse ihm in manchen<br />

seiner Schauspiele Gerechtigkeit widerfahren, aber diese Spiele im Almanach sind würklich von der Art, daß es die Würde


eines literarischen Tribunals zu erheischen scheint wenigstens der Zukunft ein Zeugniß abzugeben, daß es an dem Unwesen<br />

des sogenannten gebildeten Zeitgeistes keinen Antheil genommen.<br />

Das war der Grund warum ich diese Rezension so bitter gemacht. Ich habe gegen H. von K. gar nichts persönlich, aber<br />

ich halte es für literarische Gewissenssache so mit ihm zu verfahren. Dagegen muß ich Ew Wohlgebohrnen ... inständigst<br />

bitten, Niemanden zu sagen, daß ich der Verfasser der Rezension von Kotzebues Almanach sey, da mich das, weil ich selbst<br />

dramatische Sachen schreibe, in unabsehliche Verlegenheit setzen und in meiner ganzen Carrière behindern könnte ...“<br />

Vom „Churfürsten ErzKanzler (von Dahlberg)“ habe er als Dank für ein Exemplar seiner „Söhne des Thales“ ein<br />

„sehr gnädiges Handschreiben“ erhalten, „begleitet von einem ... goldenen mit einem Solitair und meiner Nahmens<br />

Chiffre versehenen Crayon, worin Feder und Bleystift“.<br />

Floeck Nr. 71, nach Holteis „Dreihundert Briefe aus zwei Jahrhunderten“; „Handschrift unbekannt“.<br />

492 WIECHERT, ERNST, 1887-1950. L.S. mit eigenhändigem Zusatz. Ambach 11.VIII.1934. 3/4 S. folio.<br />

Kleine Randeinrisse (hinterlegt). (CHF 150.00)<br />

An den Herausgeber Fritz Endres in Lübeck, den er um „Generalstabskarten und Prospekte, möglichst mit vielen<br />

Bildern, von der Gegend Plön-Eutin und nördlich davon bis ans Meer“ bittet.<br />

„... Es ist nämlich möglich, dass wir ... uns in Ihrer Gegend niederlassen, möglichst in einem auszubauenden Bauernhaus,<br />

zwischen Wald, See und Meer. Weil uns nämlich die Erleuchtung gekommen ist, dass wir hier nicht hingehören<br />

und dass wir alle paar Tage am Meeresufer sitzen müssten, um in das grosse Gleichmass zu kommen.<br />

Worüber Sie, je nach Geschmack und Bedarf, fröhlich oder traurig sein können ...“<br />

493 WIECHERT, ERNST, 1887-1950. L.A.S. Hof Gagert 31.III.1944. 1/3 S. quer-gr.-8°. Auf seinem Briefpapier.<br />

Leicht gebräunt. Mit Umschlag. (CHF 120.00)<br />

An den Komponisten Paul Greff in Köln-Klettenberg.<br />

„... Im allgemeinen empfange ich garkeine Besuche mehr, aber da es sich um ein altes Versprechen handelt, sollen Sie<br />

willkommen sein.<br />

Da ich am 17.4. zur ‘Musterung’ muß, weiß ich nicht, wie alles werden wird ... schreiben Sie vorher ein paar Zeilen. Zwei<br />

Wochen vorauszudenken, ist heute schon eine Herausforderung an das Schicksal ...“<br />

Beiliegend eine C.P.S. (Hof Gagert 1.V.1944) an denselben: „... eben sehe ich, das der erste der einzige ist, den Sie<br />

benutzen können. Wenn Sie in W. im Haderbräu essen und langsam heraufkommen, passt es. Ab 14, 15 bin ich zu Ihrer<br />

Verfügung.“<br />

494 WIELAND, CHRISTOPH MARTIN, deutscher Dichter zwischen Aufklärung und Klassik, der Senior des<br />

„Weimarer Quartetts“,1733-1813. Eigenhändig adressierter Briefumschlag, mit 4 weiteren eigenhändigen<br />

Zeilen mit Unterschrift „W.“ auf der Vorderseite. (1792.) Quer-kl.-8° (8 x 11,5 cm). Mit Siegel<br />

(zerdrückt). Leicht fleckig. (CHF 1’200.00)<br />

Der Umschlag zu Wielands Brief aus Weimar vom 6.IX.1792 an die Malerin Angelica Kauffmann (1741-1807).<br />

„An / Madame Angelica Kauffmann-Zucchi / in Rom.<br />

Dem Herrn Consul Haigelin zu gütiger Bestellung empfohlen von Seinem ewig zugeeigneten Verehrer und Freund / W.“<br />

Beiliegend eine zeitgenössische Abschrift des Briefs (4 S. 4°), in dem Wieland die „Mahlerin der Grazien“ bittet,<br />

zwei Oberon-Illustrationen zu der geplanten Prachtausgabe seiner Werke beizusteuern. – Der Überbringer,<br />

der – aus Stuttgart stammende – Konsul Christian Heigelin aus Neapel, wird in Wielands Brief als „unser liebenswürdiger<br />

Landesmann“ bezeichnet, der in Weimar die Herzogin (Anna Amalia) besucht habe.<br />

Beide Handschriften – Umschlag und Briefabschrift – stammen aus der Sammlung Künzel. Das Autograph<br />

des Briefes scheint nicht überliefert zu sein.<br />

Briefwechsel Band 11 Nr. 329.<br />

237


495 WIELAND, CHRISTOPH MARTIN, 1733-1813. L.A.S. „Wieland“. Oßmannstedt 29.VI.1801. 2/3 S. 4°. Mit<br />

schönem Ringsiegel und Adresse. Grünliches Papier. (CHF 6’000.00)<br />

An die Weidmannsche Verlagsbuchhandlung in Leipzig wegen einer neuen Auflage von „Horazens Briefen“.<br />

„Ew. Wohlgebohren / erinnern Sich ohnezweifel, daß ich kurze Zeit vor der lezten Messe mich auf Dero zweite Äusserung<br />

über meinen Vorschlag einer allgem. Ausgabe meiner sämmtlichen Übersetzungen p. erklärt, daß es mir angenehm seyn<br />

würde, wenn Sie diesen Vorschlag als nicht geschehen betrachten wollten, und daß ich hingegen, falls Sie eine neue Auflage<br />

von Horazens Briefen machen wollten, das angebotene Exemplar, zu nochmahliger Durchsicht und Beyfügung der<br />

etwa noch Statt findenden Verbesserungen oder Zusätze, gewärtigen wolle.<br />

Da ich mich seitdem ohne Antwort befinde, so nehme ich die Freyheit Sie, wofern Sie nicht etwa das Vorhaben einer neuen<br />

Auflage der H. B. aufgegeben haben, nochmahls um ein Exemplar derselben zu besagtem Gebrauch zu ersuchen, da ich<br />

izt gerade zu einer solchen Beschäftigung die Muße habe ...“<br />

Die neue Auflage erschien noch im selben Jahr.<br />

Briefwechsel Band 15.1 Nr. 437.<br />

„einen herzerfreuenden Sonnblick in die Abenddämmerung meines Lebens“<br />

496 WIELAND, CHRISTOPH MARTIN, 1733-1813. L.A.S. Weimar 3.III.1806. 1 Doppelblatt 8°, der Brieftext<br />

auf der ersten Seite, die integrale Adresse auf der vierten. Eckausriss durch Öffnen des Siegels.<br />

(CHF 4’000.00)<br />

238


An den Dichter Johann Ernst Wagner (1769-1812) aus Meiningen, der ihn in Weimar besucht hatte.<br />

„So leben Sie denn wohl, mein liebenswürdiger Freund, und nehmen meinen wärmsten guten Wunsch und die Versicherung<br />

mit Sich, daß Ihre, wiewohl so kurze, persönliche Bekanntschaft einen herzerfreuenden Sonnblick in die Abenddämmerung<br />

meines Lebens geworfen hat. Bleiben Sie mein Freund, geben mir zuweilen ein schriftliches Zeichen davon, und<br />

erlauben mir, dass ich den 1. Theil Ihrer reisenden Mahler zu Ihrem Gedächtniß und als ein Unterpfand Ihrer mir so werthen<br />

Zueignung zurückbehalte…“<br />

Wagner hatte wegen seines Nervenleidens den Arzt Johann Christian Stark in Weimar konsultiert. Sein von<br />

Wieland als Unterpfand der Freundschaft einbehaltener Roman „Die reisenden Mahler“ war 1806 bei<br />

Göschen in Leipzig erschienen.<br />

Gedruckt in: Briefwechsel, Bd. 17, Nr. 35.<br />

497 WIELAND, CHRISTOPH MARTIN, 1733-1813. Eigenhändiges Widmungsblatt mit Unterschrift. O.O.<br />

13.III.1811. 1 S. 8°. Gebräunt, schwach fleckig. (CHF 1’200.00)<br />

„Dem<br />

Herrn Cammerherrn u. Schloß-<br />

Hauptmann von Schardt<br />

zu<br />

Freundschaftlichem Andenken<br />

von dem Verfaßer<br />

C. M. Wieland.<br />

d. 13. März<br />

1811.“<br />

498 WILDER, THORNTON, amerikanischer Schriftsteller, 1897-1957. L.A.S. Douglas, Arizona 7.XI.1962. 1<br />

Einzelblatt kl.-4°, beide Seiten mit Tinte und Bleistift beschrieben. Mit gedrucktem Briefkopf. Mit<br />

dem dazugehörigen, eigenhändig adressierten Couvert. (CHF 750.00)<br />

An Philip L. Graham in Bronxville, N.Y., dem er – als Nachtrag zu einem früheren Brief – Wörter chinesischen<br />

und japanischen Ursprungs in Joyces „Finnegan’s Wake“ auflistet und Deutungsvorschläge unterbreitet. Sowohl<br />

Graham als Wilder hatte sich intensiv mit „Finnegan’s Wake“ beschäftigt und darüber publiziert.<br />

„….A postscript:<br />

Your ‚Gates of Hell’ is certainly supported by<br />

535.9 Yeddo<br />

535.20 Shogun<br />

Is this acceptable?<br />

494.24 haha<br />

.25 chitschats-cheese<br />

.25 bonetry = Feast of Bon<br />

203.35 KISO River<br />

214.11 Kimono<br />

408.26 bonzeye<br />

The pages 483-486 is filled with Chinese material in which you have given us the welcome and stairing? myself passage<br />

484.26-27<br />

But there are some more:<br />

483.9 Bonz<br />

485.36-486.1 nipponnippens<br />

486.11-12chinese …japo.<br />

Could there be some more Japanese in there? [Joyce is listing the stages of degree in the priesthood: 483.30 postulant<br />

483.32 investive. 484.1 confessor .... 484.12 catechumen etc .... IT would be fascinating if he had ‚studied up’ the<br />

Japanese terms<br />

598.9 Sendai …<br />

… Maybee = among all the Jewish holidays =<br />

245.4-5 [Feast of Lanterns]<br />

25-26 Feast of BON“<br />

239


499 WOLZOGEN, CAROLINE FREIFRAU VON, geb. von Lengefeld, Schriftstellerin; Schillers Schwägerin,<br />

1763-1847. L.A.S. „Caroline von Beulwitz“. Rudolstadt 30.XII.1786 und (1.I.1787). 4 2/3 S. 8°. Leicht<br />

gebräunt. (CHF 350.00)<br />

Wohl an den Schriftsteller und Verlagsbuchhändler Rudolf Zacharias Becker (1752-1822) in Gotha.<br />

„Tausend Dank ... für die liebe Art, mit der Sie unsern guten Willen, Ihnen eine kleine Freude zu machen, aufnehmen.<br />

Laßen Sie mich nur Ihnen selbst sagen wie viel herzliche Wünsche ich für das Glück Ihres künftigen Lebens zum Himmel<br />

schicke, u. für das der guten Seele die sich mit Ihnen verbindet. Tugend u. edler Sinn, geben eine reine dauernde<br />

Glückseligkeit ...<br />

Ich erhielt nicht längst einen Brief von Carolinen, nach einen sehr langen Schweigen, an den sie keine Schuld hatte. Alle<br />

Briefe an sie werden eröfnet, u. die ihren glaub’ ich gar, oft unterschlagen. Auf diese Art fürcht’ ich wird sie nie gesund.<br />

Wenn ie etwas Liebe überwinden könnte so müste es wieder Liebe sein, Härte u. Mistrauen werden sicher nie etwas über<br />

ein edles Herz vermögen ...<br />

Neujahrstag – Ein schönes neues Jahr, lieber Becker! Wir sangen uns gestern, in der Gesellschaft guter Freunde, aus den<br />

alten Jahr ins neue, mit den Wunsch, der gewis auch Ihnen der liebste ist:<br />

Gut sein, ja gut sein, immerdar / Sei unser Wunsch zum neuen Jahr! ...“<br />

Becker heiratete 1787 Sophie Caroline Döbling, die Tochter eines Pfarrers.<br />

500 WOLZOGEN, CAROLINE FREIFRAU VON, 1763-1847. L.A.S. „CWolzogen“. Jena 28.VIII. o.J. 1 S. 8°. Mit<br />

Siegelrest und Adresse. Etwas gebräunt. An der Siegelstelle leicht defekt. (CHF 250.00)<br />

An „Doctor Brück / aus Osnabrück / gegenwärtig / in Weimar / im Elephanten“.<br />

„... Ich sende Ihnen hier den Brief an Herders Schwester, u. hoffe Sie sind wohl u. zufrieden von Rudolstadt angekommen.<br />

Den Meinen in Osnabrück sagen Sie die herzlichsten Grüße, u. ich würde nächstens Schreiben. Allen Seegen zu Ihren<br />

ferneren Plänen ...“<br />

501 ZOLA, EMILE, einer der großen französischen Romanciers des Naturalismus, 1840-1902. L.A.S.<br />

Médan 9.X.1891. 1 Doppelblatt 8°, die erste und die dritte Seite beschrieben. Leicht abgegriffen.<br />

(CHF 750.00)<br />

240<br />

An einen Kollegen, der zu einer China-Reise aufbricht.<br />

Zola ist offenbar gar kein Reisender, schon eine kleine<br />

Reise in die Pyrenäen jage ihm Angst und Schrecken ein.<br />

„Mais, mon cher confrère, ‚le docteur Pascal’ ne paraîtra que<br />

dans deux ans; et, si je sais à peu près ce que je désire faire, rien<br />

n’est arrêté, rien ne le sera avant un an au moins. Vous voyez<br />

que vous avez le temps de revenir et de m’interroger de vive<br />

voix.<br />

Je suis, pour le moment, tout au roman sur la guerre, qui ne sera<br />

terminé avant avril ou mai.<br />

En Chine, mon cher confrère, moi qu’un petit voyage aux Pyrénées<br />

vient d’ahurir ! Je ne suis pas du tout voyageur et j’ai tant<br />

de peine déjà à voir clair dans ce qui se passe chez nous, que la<br />

prétention de comprendre les Chinois me paraiterait absolument<br />

folle …“<br />

Zola arbeitete damals an seinem Roman „La débacle“, der<br />

1892 als 19. und vorletzter Roman seines großen Zyklus<br />

„Les Rougons-Macquart“ erschien; darin beschreibt Zola<br />

den Zusammenbruch des Zweiten Kaiserreichs.


502 ZOLA, ÉMILE, 1840-1902. Eigenhändiges Schriftstück mit Unterschrift „Zola“. 1 S. quer-kl.-4°. An<br />

den Ecken montiert. (CHF 350.00)<br />

In einer Geldangelegenheit.<br />

„Accepté, mais deux mille premier novembre et deux mille premier décembre. Répondre définitivement. / Zola“<br />

503 ZUCKMAYER, CARL, deutscher Schriftsteller, 1896-1977. L.A.S. „Zuck“. Berlin 1.V.1925. 1 Einzelblatt<br />

4°, die Vorderseite beschrieben, Briefkopf ‚Direktion des Deutschen Theaters zu Berlin’.<br />

(CHF 750.00)<br />

Launiger Brief, teils in Gedichtform, an den damaligen Intendanten der Kölner Schauspielbühne, Ernst Hardt<br />

(1876-1947), dem er aus Geldnot eine neue Arbeit anbieten möchte:<br />

„Am fünften Tage der glorreichen Regierung des ehrwürdigen Greises von Hannover.<br />

Teurer Maëstro!<br />

Seid Ihr noch Magaziner grossen Stiles?<br />

Kann man Euch noch mit Schund überschwemmen?<br />

Darf man Euch noch mit Stories beglücken?<br />

Hat man Hoffnung, klingende Münze zu ernten?<br />

(Wo man nicht gesäet hat?)<br />

Siehe: es lenzet ringsum<br />

Und auch in meiner Seele lenzet allerlei.<br />

(Nennen Sie das auch Seele?)<br />

Aber mein Konto ist kahl<br />

Wie eine Herbstzeitlose im frostigen Debet.<br />

Drum Drob Dran und Drauf<br />

Grüsset Euch / Zuck<br />

(Die Anfangsbuchstaben von unten nach oben gelesen ergeben noch lange kein Wort!)“<br />

504 ZUCKMAYER, CARL, 1896-1977. 2 L.A.S. „Zuck“. Woodstock 4. und 6.VI.1955. 7 S. (quer-)gr.-8°. Lochungen<br />

ausgebessert, z.T. etwas fleckig. (CHF 600.00)<br />

An seine Sekretärin und Freundin Hella Jacobowsky in Hamburg, nach einer Knieverletzung.<br />

4. Juni. „... nach 4 Tagen, in denen hauptsächlich das Knie zum Abschwellen gebracht werden musste, haben sie mich<br />

heute ganz konservativ in Gips gegossen ... Ich kann froh sein, wenn ich zu meiner Première“ (gemeint ist die Uraufführung<br />

seines Stücks „Das kalte Licht“ im September des Jahres in Hamburg) „mit dem Stock und ohne Krücken<br />

erscheinen kann! ... Natürlich bin ich recht deprimiert. Jobs“ (seine Ehefrau) „darf mich morgen wieder heimfahren,<br />

was es ein bischen besser macht. Muss dann versuchen zu arbeiten, obwohl mir die technische Seite davon, das Sitzen<br />

und Schreiben, noch unklar ist, (an die fehlenden Spaziergänge nicht zu denken) ...<br />

... Nicht mal ein Whiskey schmeckt mir noch. Könnte alles gleich wieder ausspucken ...“<br />

6. Juni. „... Dein Brief heute hat mir besonders wohlgetan. Es ist ja wirklich so, dass es keine Zufälle im Sinne der<br />

Sinnlosigkeit gibt, sondern was uns zu-fällt, muss seine innere Notwendigkeit und Bedeutung haben, mindestens die,<br />

dass wir gezwungen sind, damit fertig zu werden. Warum ich nun diesen Sommer stillhalten und als lahmer Spatz nach<br />

Hamburg kommen muss, weiss ich nicht, aber ich weiss, dass so was immer ein Zeichen ist und vermutlich irgendetwas<br />

Schlimmeres verhütet. In meinem Fall wars überhaupt ein Glück, dass es mir nicht allein passiert ist, – denn, da das Knie<br />

schon einen kleinen Schaden hatte, hätte es immer geschehen können, auch wenn ich grade diesen Sprung nicht getan<br />

hätteigenhändiges Als Zoologentochter hast Du ja gleich das Richtige geahnt, nämlich dass das keine so kleine Sache ist,<br />

wie ich mir zunächst (mit Hilfe unsres local Doctors) einzureden versuchte ...“<br />

505 ZUCKMAYER, CARL, 1896-1977. Eigenhändiges Albumblatt mit Unterschrift „Carl Zuckmayer“. Saas-<br />

Fee o.D. 1 Einzelblatt quer-8°, die Vorderseite beschrieben. Persönlicher Briefkopf. (CHF 400.00)<br />

Zitat aus „Des Teufels General“: „Das Leben ist schön. Die Welt ist wunderbar. Wir Menschen tun sehr viel um sie<br />

zu versäumen, aber wir kommen nicht auf gegen das ursprüngliche Konzept.’…“<br />

241


242<br />

„so eine dunkle ungewisse Zeit hat<br />

die Welt noch nie erlebt“<br />

506 ZWEIG, STEFAN, 1881-<br />

1942. 7 Autographen: 4 L.A.S.,<br />

1 L.S. und 2 C.P.A.S. Zürich,<br />

Rüschlikon und o.O. 11.II.1918<br />

bis 20.VI.(1918) und o.D. 6 S.<br />

gr.-4° und die Karten. Gelocht,<br />

teilweise kleine Faltenrisse<br />

und etwas braunfleckig.<br />

(CHF 2’800.00)<br />

An Ludwig Bauer, einen Mitarbeiter<br />

der Basler „Nationalzeitung“.<br />

– Kurz nach der Veröffentlichung<br />

seines Antikriegsdramas<br />

„Jeremias“ hatte der Direktor des<br />

Zürcher Stadttheaters sich erboten,<br />

das Stück zur Uraufführung<br />

zu bringen und Zweig zu der Premiere<br />

eingeladen. Dieser erhielt<br />

vom Wiener Kriegsministerium<br />

offiziell die Erlaubnis zu einer<br />

„Vortragsreise“ in die Schweiz,<br />

wo er im November 1917 eintraf<br />

und bis Kriegsende blieb.<br />

Zürich 11.II.1918. „... Ihr Kommen<br />

wird mir gewiss eine grosse Freude<br />

sein und ich hoffe, die Aufführung<br />

eine ganz ausgezeichnete. Die Herren<br />

geben sich hier besondere Mühe<br />

und das Stück selbst freut sich der<br />

Freiheit des Worts, die ihm in<br />

Deutschland versagt geblieben<br />

wäre[.]<br />

Anbei das Buch! Ich bemerke, dass 3 Bilder ganz fortbleiben (III. Das Gerücht, V Die Prüfung, VII Die letzte Not) um<br />

den Abend bei den jetzigen Verhältnissen nicht zu verlängern: auch wird die innere biblische Weitschweifigkeit und die<br />

abschweifende Art mancher Scenen natürlich beseitigt. Das Stück war ... für eine Bearbeitung zur Bühne bestimmt und<br />

will mehr ein dramatisches Zeitgedicht sein als eine Bühnentragödie. Aber ich hoffe gerade durch das Rabiate meiner<br />

Kürzungen auf eine lebendige Wirkung …<br />

Sie fragen, weshalb ich mich noch nicht sehen liess? Ich war bisher noch nicht in Basel, sondern nur in Zürich, in der<br />

französischen Schweiz und im Engadin; dabei arbeite ich nach 3 Jahren Gefangenschaft mit solcher Freude am Freisein,<br />

dass selbst eine Tageszeitung mir schon ein schwerer Verlust erscheint ...“<br />

Rüschlikon (5.IV.1918). „... Ihre Sendung beschämt mich doppelt: ich hatte das Feuilleton in der Zeit gesehen und wollte<br />

Ihnen in Basel immer dafür danken. Aber ich bin von einer ganz merkwürdigen Unfähigkeit zur Herzlichkeit im<br />

gesprochenen Wort und – den ganzen Tag mit dem gewollten Wort im Munde – kam ich nicht dazu, so herzlich und dringend<br />

ich das Bedürfnis empfand. Aber ich hoffe das Leben, das wir Beide noch vor uns haben, gibt mir Gelegenheit, Ihnen<br />

meine Erkenntlichkeit zu erweisen ...“<br />

Rüschlikon 20.IV.1918. „... ich habe eben der Nationalzeitung die Adresse Romain Rollands geschrieben und mache ihn<br />

selbst auf Ihre Aufsätze aufmerksam. Wirklich, ich muss Ihnen gratulieren: ich habe jetzt in Bern gesehen, wie alles<br />

abends auf Ihr Wort wartet: ich kenne kaum einen ähnlichen publicistischen Erfolg ... Wenn Sie heute ... Ihre Aufsätze<br />

über Czernins Reden und Taten vereinigen, ... so würde diese Broschüre hier in tausenden Exemplaren verkauft werden.<br />

Schade dass ich nicht Verleger bin ...<br />

In Bern sah ich unzählige Leute, darunter auch Kommer ... Wir haben uns recht gut vertragen, obwohl er Alldeutscher<br />

ist und ich – wie man seit Norbert Jaques Denunziation endlich öffentlich weiss – Defaitist und Agent der amerikanischen<br />

Propaganda. Auch von Österreich hörte ich viel, was sich nicht schreiben lässt. Wirklich: so eine dunkle ungewisse<br />

Zeit hat die Welt noch niemals erlebt ...“


507 ZWEIG, STEFAN, 1881-1942. L.A.S. Salzburg (1931). 2 S. quer-gr.-8°. Auf seinem monogrammierten<br />

Briefpapier. Winziger Randeinriß. (CHF 800.00)<br />

Vermutlich an seinen Freund Emil Lucka über dessen neuen Roman „Der blutende Berg“.<br />

„... ich danke Dir innig für Deinen Roman, den ich als Leser mit Spannung, als Freund mit Liebe las: wie schön tritt die<br />

Landschaft hinter den Menschen vor und wie sehr bemühst Du Dich, gerecht zu sein. Ob nicht aber, was rein gemeint<br />

war, für Nationalisten, die ja nur Schwarz oder Weiss sehen, ein guter Anlass sein wird, kann ich nicht überschauen und<br />

im Grund bleibt es ja gleichgiltig: wir können nicht über jedes einzelne Werk die Hand halten und ihm Commentare auspendeln,<br />

so habe ichs gemeint und so nicht – wir geben das Brot und könnens nicht hindern, dass einer es mit reinen, der<br />

andere mit schmutzigen Händen anpackt. Sprachlich ist das Stück ausserordentlich ...<br />

An Deinen Michelangelo denke ich oft. Es ist ein grosses Buch und man war dagegen nicht gerecht ...“<br />

„ein pathologischer Genius“<br />

508 ZWEIG, STEFAN, 1881-1942. L.S. Salzburg 21.III.1932. 1 3/4 S. gr.-4°. Mit seinem gedruckten Monogramm<br />

am Kopf und einem ebenfalls monogrammierten Umschlag. (CHF 1’500.00)<br />

An Alexander Herenguer in Cardo (Korsika), der wohl an einer Biographie Bettina von Arnims arbeitete, über<br />

eine „Geschichte mit Bettina“: 1930 habe man ihm ein „eigenhändiges“ Gedicht Beethovens an Bettina von Arnim<br />

angeboten.<br />

„... es waren seine Züge ... und doch, und doch, etwas wollte mir, der ich die Schrift Beethovens gut im Gedächtnis hatte,<br />

daran nicht stimmen. Der Händler sah mein Zögern und sagte mir; ‘Sie brauchen kein Bedenken zu haben, das Blatt<br />

kommt direkt von Beethoven her und ist nie in fremde Hände gekommen; Beethoven hat es an Bettina geschickt (–) Bettina<br />

hat es Josef Joachim geschenkt und von der Familie Joachim habe ich es direkt erworben ...’ Ich nahm das Blatt nach<br />

Wien mit, zeigte es Frimmel, dem ersten Kenner, der mir an der Hand seiner Beethovenschriftzeichentabellen nachwies,<br />

dass es eine sehr geschickte und raffinierte Fälschung ... sei und da der Lauf des Stückes ganz klar ist, kann die Fälschung<br />

von niemand anderem stammen als von Bettina, die zuerst an einer versteckten Stelle das Gedicht lanzierte (in dem sie<br />

Beethoven auf zarte Weise seine Neigung zu ihr gestehen liess) und dann um ein Beweismoment zu haben, das Autograf<br />

fälschte. Das Autograf ist dann niemals mehr zum Vorschein gekommen, nachdem es der Händler sofort an die Familie<br />

Joachim zurückgab.<br />

Sie sehen also, wie verwegen diese Frau war und wie sie gewaltsam als echte Hysterikerin alle grossen Männer der Geschichte<br />

in sie verliebt gelten lassen wollte ... Es wird ungeheuer wichtig sein, dass Sie einmal das Pathologische dieses<br />

Typus darstellen ohne zu vergessen allerdings, dass es ein pathologischer Genius war, denn der Instinkt dieser Frau für<br />

alle grossen Männer ist wirklich phänomenal. Sie hat Hölderlin, Novalis und alle Wesentlichen früher verstanden als die<br />

andern und verdient schon eine gleichzeitig genaue wie gerechte Würdigung ...“<br />

243


509 ZWEIG, STEFAN, 1881-1942. L.S. New York 20.II.1939. 1 S. kl.-4°. Auf Hotelbriefbogen. (CHF 400.00)<br />

An Dr. Barrett, dessen Autographensammlung er besichtigt hatte. Barrett besaß ein Buch mit einem Shakespeare<br />

zugeschriebenen Namenszug.<br />

„... I wish to make a suggestion. During my lecture tour I met in Salt Lake City Professor B. Ronald Lewis ... He is today<br />

undoubtedly the best expert in this subject, and only a year ago he has proved the authenticity of a Shakespeare signature<br />

with all the modern means of technique. I think that it might be very interesting for you to have him examine your signature<br />

...“<br />

„misery in Central Europe, especially for the refugees<br />

becomes more und more terrible from day to day”<br />

510 ZWEIG, STEFAN, 1881-1942. L.A.S. Bath 30.XII.1939. 1 Einzelblatt 4°, beidseitig beschrieben. Mit dem<br />

dazu gehörenden eigenhändig adressierten Couvert. Kleiner Adress-Stempel Zweigs am Schluß.<br />

(CHF 1’500.00)<br />

244<br />

Von den Sorgen und Nöten des Exilanten geprägter Brief an seine Freundin Liesl Monath geb. Burger, die<br />

Tochter von Friederike Zweigs Bruder, die in die U.S.A. emigriert war.<br />

„Dear Liesl, I am so glad to know that your parents arrived safely and I hope they will like America; we had here in England<br />

a better time, than we expected. Till now the war is more an economical one and the consequences will appear but<br />

in later times for the whole of Europe and perhaps in a complete social transformation of the whole world. In any case: we<br />

expected bombardements, we have been<br />

prepared for the worst and there is now a<br />

certain feeling of relief. I am very glad to<br />

have gone away from London to the country<br />

and – as I hope you will see it soon – it<br />

is a delicious quiet place and I can start to<br />

work again after six month of nervousness.<br />

We have all a heavy stain on our nerves to<br />

overcome and I understand how difficult<br />

the business of Paul must be nowadays; but<br />

if it were only our own worries! We have<br />

everyone so many people to help and the<br />

misery in Central Europe, especially for the<br />

refugees becomes more and more terrible<br />

from day to day…<br />

From Gertrud I have no news … I am not<br />

very happy with her going to America just<br />

now - if she could wait only till to the<br />

spring. Every crossing contains a good deal<br />

of risk during the foggy winter month."<br />

Mit "Gertrud" könnte die Journalistin<br />

Gertrud Adelt gemeint sein, die mit<br />

ihrem Mann Leonhard zu Zweigs Freunden<br />

zählten.<br />

"When shall we meet again? I would like to<br />

come again for a few weeks immediately<br />

after the war, but who can tell when this<br />

will be? I am glad for you, that you have<br />

your family in safety - from Frizi" -<br />

Zweigs erste Frau Friederike - "I have<br />

good news, her son in law is finally out of<br />

the camp. I would like to visit her in Paris,<br />

but all is too complicated now und so I stay<br />

like an eremit in my home - I have not yet a<br />

dog, because I am afraid, that I could give<br />

him not all the good care like in former<br />

times…"

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