Grundschule aktuell - Heft 150
Balancen der Bildung
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Aus der Forschung<br />
mischt. Für Kinder sind am ehesten körperbezogene<br />
Verfahren, evtl. verknüpft<br />
mit imaginativen Vorgehensweisen,<br />
geeignet.<br />
Fremd- bzw. selbstinstruktiv<br />
Eine Unterscheidung der Verfahren ist<br />
auch aufgrund der Art und Weise, wie<br />
die Instruktionen bei den Entspannungsübungen<br />
gegeben werden, möglich.<br />
Hier gibt es Verfahren, bei denen<br />
die Anweisungen von außen erfolgen<br />
(fremdinstruktive Verfahren), und solche,<br />
bei denen sich die Person selbst<br />
Anweisungen gibt (selbstinstruktive<br />
Verfahren). Typisch für die Fremdinstruktion<br />
sind z. B. Fantasiegeschichten,<br />
die Kindern erzählt werden. Als Beispiele<br />
für selbstinstruktive Verfahren<br />
sind die Meditation oder die progressive<br />
Muskelentspannung zu nennen. Ein<br />
weiteres Unterscheidungskriterium ist<br />
der Grad der Beteiligung der Personen,<br />
die sich entspannen. Eine aktive Beteiligung<br />
ist bei der progressiven Muskelentspannung<br />
gegeben, hier muss die Person<br />
selbst etwas tun. Das autogene Training<br />
dagegen kann als passiv eingestuft werden,<br />
da die Entspannung sich eher auf<br />
der Vorstellungsebene abspielt. Schließlich<br />
können die Verfahren auch anhand<br />
ihrer Wirkungszugänge klassifiziert<br />
werden. Zu den imaginativen Verfahren<br />
gehören die Fantasiegeschichten, zu den<br />
sensorischen die progressive Muskelentspannung<br />
und zu den kognitiven das<br />
autogene Training oder die Meditation.<br />
Wirkung von Entspannung<br />
Wirkung von<br />
Entspannung<br />
Prof. Dr. Renate Zimmer<br />
Erziehungswissenschaftlerin mit<br />
dem Schwerpunkt frühe Kindheit.<br />
Professorin für Sport- und Bewegungswissenschaft<br />
an der Universität<br />
Osnabrück. Autorin zahlreicher Fachbücher<br />
zu den Themen Bewegtes<br />
Lernen, Sprache und Bewegung,<br />
Psycho motorik, Wahrnehmung.<br />
Bei allen Entspannungsverfahren geht<br />
es darum, das Aktivierungsniveau zu<br />
senken, aber nur so weit, dass der Übende<br />
nicht einschläft. Bei Entspannungsprozessen<br />
soll der Zustand der Voreinschlafphase<br />
erreicht und erhalten werden.<br />
Dies wird als Zustand »entspannter<br />
Wachheit« (vgl. Petermann 2014) oder<br />
als Zwischenbereich von Hellwachsein<br />
und Einschlafen bezeichnet. Die Aufmerksamkeit<br />
wird mehr nach innen,<br />
auf körpereigene Prozesse gerichtet, die<br />
nach außen gerichtete Reaktionsbereitschaft<br />
dagegen wird reduziert. Entspannungsverfahren<br />
wirken sich auf zwei<br />
Ebenen aus, auf der physiologischen<br />
(körperlichen) und auf der psychischen<br />
Ebene. Auf der körperlichen Ebene<br />
betreffen die Entspannungsreaktionen<br />
den Spannungszustand der Muskulatur,<br />
insbesondere der Stützmuskulatur, also<br />
der Arm-, Bein- und Rumpfmuskulatur:<br />
Sie »erschlafft«. Auf der psychischen<br />
Ebene können Stimmungen und Gefühle<br />
beeinflusst werden (vgl. hierzu auch<br />
Petermann 2014).<br />
auf körperlicher / physiologischer Ebene<br />
• Muskelspannung<br />
• Herztätigkeit<br />
• Gefäßerweiterung<br />
• Körpertemperatur<br />
auf psychologischer Ebene<br />
• Wohlbefinden<br />
• Stimmung / Gefühle<br />
• Wahrnehmung<br />
Abb. 2: Wirkung von Entspannung auf körperlicher / physiologischer Ebene und<br />
auf psychologischer Ebene<br />
Physiologische Wirkungen<br />
Neuromuskuläre Veränderungen<br />
Am unmittelbarsten sind die Veränderungen<br />
am Spannungszustand der Muskulatur,<br />
dem Muskeltonus, zu erkennen.<br />
Bei einer erfolgreichen Entspannung<br />
wird der Grad der Anspannung<br />
der Muskulatur reduziert, die Muskulatur<br />
erschlafft. Die beste Ausgangsposition<br />
zur Entspannung besteht daher<br />
im Liegen. Hier wird die Stützmotorik<br />
– die Arm-, Bein- und Rumpfmuskulatur<br />
– entlastet. Durch die Entspannungsübungen<br />
werden die Blutgefäße<br />
erweitert. Man empfindet dies meist<br />
als Kribbeln und Kitzeln in den Händen<br />
und Armen und in den Füßen und<br />
Beinen. Auch die Wahrnehmung von<br />
Körperwärme ist ein sicheres Zeichen<br />
für Entspannung (insbesondere bei der<br />
progressiven Muskelrelaxation). Es entsteht<br />
ein vermehrter Blutfluss in den<br />
Hauptgefäßen der Extremitäten, dieser<br />
kommt durch die Gefäßerweiterung<br />
zustande. Unterstützt wird dieser Vorgang<br />
durch eine angenehme Temperatur<br />
im Entspannungsraum. Aber auch<br />
die Vorstellung einer »warmen«, angenehmen<br />
Umgebung kann sich auf die<br />
Gefäßerweiterung auswirken (z. B. »im<br />
warmen, weichen Sand liegen, die Hand<br />
wird von warmem Wasser umspült«<br />
usw.). Schließlich ist auch der Blutdruck<br />
durch Entspannungsübungen beeinflussbar:<br />
Körperliche Aktivität steigert<br />
den Blutdruck, Entspannung lässt den<br />
Blutdruck sinken (vgl. auch Vaitl 2009).<br />
Atmung<br />
Bei der Entspannung wird die Atmung<br />
flacher und gleichmäßiger. Die Bauchatmung<br />
nimmt zu, während die Zwerchfellatmung<br />
abnimmt. Auch der Atemzyklus<br />
verändert sich, d. h., es treten<br />
relativ lange Phasen zwischen der Einund<br />
Ausatmung auf.<br />
Psychische Wirkungen<br />
Nach einer Entspannungsphase entsteht<br />
das Gefühl geistiger Frische und des<br />
Ausgeruhtseins. Man fühlt sich erholt,<br />
es tritt ein »entspannter Wachzustand«<br />
ein. Dies erhöht auch die Aufmerksamkeit<br />
und Konzentrationsfähigkeit,<br />
begünstigt die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung<br />
und die Wahrnehmungsfähigkeit.<br />
Motorische Unruhe<br />
30 GS <strong>aktuell</strong> <strong>150</strong> • Mai 2020