26.05.2020 Aufrufe

S!S #15 Ansicht

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

STROMMEL-FELL

Kerim, als wir das Interview ausgemacht haben,

wusste keiner, dass die Corona-Sache so groß und

gefährlich wird. Wie gehst du mit dieser Situation um?

Das ist für jeden sehr überraschend gekommen

und wirft viele Fragen auf. Es hat den Anschein,

als würde sich Mutter Natur eine Pause von uns

Menschen gönnen. Damit hat keiner gerechnet,

bis auf ein paar kluge Wissenschaftler, die solche

Szenarien nicht nur einmal prophezeit haben.

Wird vielleicht Zeit, auch auf solche Leute zu

hören und nicht immer nur auf die Wirtschaft.

Ich bin seit Jänner zu Hause und arbeite am

neuen SEPTICFLESH-Album, zusätzlich bereite

ich mich für die geplanten

Sommer-Festivals mit DEVIN

TOWNSEND vor. Absagen wären

natürlich schade, weil das

schon verdammt viel Arbeit

und Energie verschlungen hat.

Ansonsten gebe ich Online-Unterricht, um finanziell

über die Runden zu kommen… Diese

Ungewissheit macht einem zu schaffen, aber

man muss positiv bleiben. Es wird ja hoffentlich

irgendwie weitergehen!

Aber ja. Wir gehen jedoch erstmal zurück… wie bist

du überhaupt zum Schlagzeug gekommen?

Es gibt eine nette Geschichte von meinen Eltern.

Ich war noch ein Baby und mein Vater ein großer

KRIMH

Kerim, Krise, Katastrophen

Kerim „Krimh“ Lechner zählt zu den absoluten Ausnahme-Drummern, und das nicht nur hierzulande. Als wir hörten, dass kein

geringerer als DEVIN TOWNSEND den Guten engagieren möchte, haben wir natürlich nachgefragt – unwissend, dass ein deppertes

Virus alles über den Haufen wirft… (Anm: Das Interview fand zu Beginn der „Krise“ statt, als noch niemand das Ausmaß – auch das

für Musiker und unsere Szene – abschätzen konnte. Manches hier mag daher nicht ganz up to date sein, sorry).

„Mein theoretisches Wissen

über Musik existiert nicht“

LED ZEPPELIN-Fan, die Band daher oft bei uns

zu hören. Eines Tages fiel ihnen auf, wie sehr

mich das Drum-Intro von „Rock‘n‘ Roll“ begeisterte.

Das war wohl meine erste Sympathie fürs

Schlagzeug, obwohl ich mich nicht mehr daran

erinnern kann.

Aber es ließ mich nicht mehr los, wenngleich

es natürlich schwierig war, in einer Wohnung

ein Drumkit aufzustellen. Erst 2004 ergab sich

die Möglichkeit, mein erstes Set zu kaufen und

einen Proberaum in meiner ehemaligen Schule

zu finden. Das war der Startschuss für die große

Leidenschaft. Selbst in den Sommerferien verbrachte

ich viel Zeit in der Schule, um zu üben

und besser zu werden. Als Lehrer

dienten mir meine Vorbilder

und Bands, die ich damals hörte.

Mit deren Hilfe sozusagen

habe ich mir das Spielen selbst

beigebracht.

Wie schon erwähnt, ist SEPTICFLESH deine „Hauptband“,

aber wichtig ist natürlich auch dein eigenes

Projekt KRIMH.

Sogar sehr wichtig, um mich zu 100 Prozent kreativ

entfalten zu können. Im Moment fehlt leider

etwas die Energie und Zeit, um mehr für mein

Solo-Projekt zu komponieren, weil SEPTICFLESH

immer größer und zeitaufwändiger wird. Ich

möchte mich aber darüber nicht beklagen.

© Marie Idlin

Von KRIMH gibt es bis dato drei Alben, die

man auf allen Streaming-Plattformen findet:

„Explore“, „Krimhera“ und „Gedankenkarussell“,

kann man alle auch old-school auf CD bei mir

auf Bigcartel ordern. Wichtig bei KRIMH ist, dass

ich mich damit nicht stressen

möchte. Es gibt kein Label oder

sonst wen, der mir sagt, was

zu tun ist. Es dient hauptsächlich

der Befriedigung meiner

Kreativität.

Und die ist sehr ausgeprägt. Bei

KRIMH spielst du alle Instrumente

selbst ein, würdest du dich als

Multi-Instrumentalist bezeichnen?

Woher kommt die Begabung? Und

singst du auch selbst?

Der Gesang ist das Einzige, das

ich (noch) nicht kann und daher

lasse ich lieber professionelle

Sänger ran. Die Instrumente

wurden alle von mir eingespielt, daher würde

ich mich schon als Multi-Instrumentalisten

bezeichnen, obwohl das Schlagzeug natürlich

mein Hauptinstrument ist. Ich weiß nicht, ob

es wirklich eine Begabung ist oder an meiner

Herangehensweise liegt. Ich bin davon überzeugt:

Wenn man genug Zeit mit einem Instrument

verbringt, wird auch etwas Brauchbares dabei

herauskommen (nur nicht mit mir und

einer Gitarre! Anm. Mike (hingegen ich und die

Mandoline… Andi)).

Mein theoretisches Wissen über Musik existiert

praktisch nicht, ich orientiere mich

nur an meinem Gehör. Daher fällt es mir oft

schwer, Fans Auskunft zu geben, um welche

Akkorde es sich handelt. „Keine Ahnung, aber

es ist nicht so schwer, weil ich es gespielt habe“.

Musikinstrumente sind pure

Inspiration und man sollte

immer genug um sich herum

haben.

Übst du viel? Und vor allem:

WIE übst du?

Ich habe keinen bestimmten

Übungsrhythmus. Je nachdem,

was gerade ansteht, intensiviert

sich mein Plan. Im Moment

ist es extrem, weil es ein neues

Album für SEPTICFLESH zu

schreiben gilt und ich zusätzlich

noch 90 Minuten DEVIN

TOWNSEND-Material lernen

muss. Seit Jänner sitze ich jeden Tag lang hinter dem Drumkit, was natürlich auf

stundenlange

Sicht sehr anstrengend für meinen

Körper ist.

Schlagzeugspielen verlangt viel Konzentration

und Kraft. Diese beiden Faktoren sind nur begrenzt

vorhanden und ich muss gestehen, ich

pushe mich oft über meine Grenzen hinaus. Es

ist schwierig, in solchen intensiven Phasen richtig

zu regenerieren. Wenn mein

Körper streikt, muss ich für ein

paar Tage eine Zwangspause

einlegen.

Ansonsten versuche ich etwa

vier- bis fünfmal die Woche

für ein, zwei Stunden zu spielen.

Dabei übe ich aber kaum

Technik, sondern bereite mich

auf die nächsten Session-Jobs

oder Shows vor. Songs lernen,

bestehende Set-Listen wiederholen.

Und ich versuche,

mich mit Sport und gesunder

Ernährung fit zu halten. Ich

betrachte das Ganze wie ein

Leistungssportler, nur eben hinter

dem Schlagzeug und nicht auf der Laufbahn.

Du giltst als einer der schnellsten Doublebass-Spieler

im Trommelzirkus, wobei du ja überhaupt gerne im

Highspeed-Bereich rumwirbelst. Hast du da spezielle

Techniken entwickelt?

Ich bin bei Weitem nicht der Speed-King, das

wollte ich aber auch nie sein. Speed gehört dazu,

keine Frage, aber mir war Vielseitigkeit viel wichtiger.

Außerdem ist langsam Spielen schwieriger

als man denkt. Für schnelleres Doublebass-

Gewitter verwende ich die sogenannte „Swivel

Technique“, eine zusätzliche Seitwärtsbewegung

pro gespieltem Bassdrum-Kick.

„Swivel“ wird von einigen Metal-Drummern verwendet,

da es mehr Kon stanz und Power bei

höheren Geschwindigkeiten

bringt. Es bedeutet aber auch

mehr Arbeit für dein Hirn,

weil du zusätzlich noch ein

Bewegungsmuster einbauen

musst. Diese Technik hat sich

bei mir von selbst entwickelt

und es dauerte einige Jahre, um

sie zu perfektionieren.

SEPTICFLESH ist im Grunde eine

griechische Band, aber auch ein-

fach eine „europäische“. Wie oft

trefft ihr euch außerhalb von

Touren leibhaftig zum Proben -

eher selten, oder?

Richtig, wir treffen uns nicht oft. Geprobt wird

erst, wenn wir ein neues Set einüben müssen,

meist nachdem ein neues Album erscheint.

Dann überlegen wir uns eine Setlist und ich

26 27

© Marie Idlin

© Marie Idlin

„Musikinstrumente sind pure Inspiration“

„Da ist mir das Herz schon

etwas in die Hose gerutscht“

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!