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Rauf Ceylan (auth.) - Cultural Time Lag_ Moscheekatechese und islamischer Religionsunterricht im Kontext von Säkularisierung-VS Verlag für Sozialwissenschaften (2014)

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Einleitung 25

Seit nunmehr vier Jahrzehnten haben muslimische Gemeinden eine Art Monopolstellung

in der institutionalisierten Religionsvermittlung, sodass die Einführung eines islamischen

Religionsunterrichts eine neue Konstellation im Feld der religiösen Erziehung mit sich

bringen wird. Zu den Imamen, die bisher als theologische sowie religionspädagogische

Referenzen in den Gemeinden wirkten, werden neue religiöse – männliche und weibliche –

Autoritäten und Vorbilder in der Rolle und Funktion des Religionslehrers beziehungsweise

der Religionslehrerin hinzutreten. Der bekenntnisgebundene Religionsunterricht wird die

muslimischen Kinder und Jugendlichen mit einem eigenen, den allgemeinen Bildungszielen

der Schulen kompatiblen Curriculum in islamische Grundlagen und Grundfragen einführen

und ihnen Kompetenzen vermitteln, damit sie in religiösen Fragen mündig werden.

Die muslimischen Eltern werden ebenfalls eine neue Form der religiösen Lernerfahrung

ihrer Kinder erleben, wenn das vermittelte Wissen zu Hause oder in den Gesprächen mit

den Religionslehrern kommuniziert und reflektiert wird. Ebenso werden die derzeit entwickelten

religionspädagogischen Schulmaterialien für den Religionsunterricht sowohl

für die Moscheegemeinden als auch für die Eltern eine neue Dimension der methodischen

Religionsvermittlung darstellen, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen.

Moschee versus Schule, Moschee und Schule oder Moschee gleich Schule?

Parallel zu diesen Entwicklungen kristallisieren sich Fragen der religionsdidaktischen

Realisierungen an den beiden zentralen Lernorten ‚Moschee‘ und ‚Schule‘ aus der Sicht

muslimischer Multiplikatoren heraus, die in den Gemeinden eine zentrale Rolle spielen,

da diese Funktionäre sowohl innerhalb der Gemeinden als auch im Diskurs über die Einführung

und Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts aktiv mitbestimmen und

in der Öffentlichkeit einen Einfluss auf die Binnenentwicklungen hinsichtlich der Inhalte

und Ziele der Moscheekatechese ausüben können. Sie nehmen formelle und informelle

Machtpositionen in den Gemeinden ein. Sie fungieren auf der Ebene der Landesverbände,

in den Vorständen der lokalen Gemeinden oder zählen zum religiösen Betreuungspersonal

und haben in der Gemeindekatechese einen unmittelbaren Kontakt zu den Kindern und

Jugendlichen. Sie haben zum Teil den Aufbau wichtiger Strukturen (wie etwa Landesverbände)

und die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an Schulen initiiert

und müssen zugleich die Erwartungen ihrer Gemeindemitglieder an diesen und an die

Politik sowie die Öffentlichkeit herantragen. Mit dem Anspruch, die muslimische Basis

nach innen und nach außen zu vertreten, werden diese Experten in Zukunft eine stärkere

Brückenfunktion zwischen diesen beiden Lernorten einnehmen und ihre inhaltliche

Ausrichtung mitbestimmen.

Allerdings sind mit dieser Rolle sowohl Chancen als auch Risiken verbunden, vor allem

in der Frage der Beziehung zwischen einer Moscheekatechese und eines Religionsunterrichts

an Schulen, also in der Betrachtung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der

beiden Lernorte sowie in der Formulierung der Zielsetzungen für diese, denn nach wie vor

existieren keine schriftlich fixierten, wissenschaftlich-religionspädagogisch reflektierten

und formulierten Ziele in den Gemeinden über diese Differenzen; auch wurden an den

neuen Instituten und Zentren für islamisch-theologische Studien keine wissenschaftlichen

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