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Rauf Ceylan (auth.) - Cultural Time Lag_ Moscheekatechese und islamischer Religionsunterricht im Kontext von Säkularisierung-VS Verlag für Sozialwissenschaften (2014)

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52 A Theoretischer Teil

* Es besteht ein Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher und individueller Säkularisierung,

der hauptsächlich durch die ‚Compartementalization‘ – also die Säkularisierung in den

Köpfen der Menschen – getragen wird.“ 91

Pickel zeigt in Anlehnung an die empirischen Ergebnisse von David Voas, dass der Säkularisierungsprozess

– trotz historischer Faktoren einzelner Länder sowie der dortigen

„speziellen Konstellation“ und der Berücksichtigung der kurvenförmigen Entwicklungen

– zunehmend zu einer Expansion von religiöser Indifferenz führe, die stufenweise erfolge:

„Dabei zeigt sich eine zeitlich verzögerte Wirkung zwischen der Abnahme der Kirchlichkeit

und der subjektiven Religiosität. Zuerst lässt die Bindung an die Kirche nach, dann die Partizipation

an religiösen Aktivitäten und zuletzt sinkt die subjektive Religiosität – über den

Weg zunehmender Indifferenz – ab. Man hat es bei der Entwicklung der religiösen Vitalität

also mit einem graduellen und langsam ablaufenden Prozess zu tun. […] So verläuft der Säkularisierungsprozess

in verschiedenen Kulturen und Ländern teils völlig unterschiedlich.

Was ihn verbindet ist der langfristige Rückgang religiöser Vitalität.“ 92

Diesen aufgezählten Merkmalen des Konzepts setzt Lehman eine negative Kritik entgegen,

wobei er den größten Nachteil darin sieht, dass mit Säkularisierung eine „irreversible

Entwicklung, eines nicht variablen Prozesses der Modernisierung“ 93 impliziert werde. Als

Nachteil dieses Ansatzes zählt er Folgendes auf:

„Ein weiteres Problem mit dem Konzept der Säkularisierung liegt darin, daß mit Säkularisierung

häufig die Transformation des Religiösen von der offiziellen, staatlichen Sphäre in

den Bereich des privaten Lebens beschrieben wird. Nun soll nicht bestritten werden, daß

es diese Transformation tatsächlich gegeben hat. Man sollte jedoch berücksichtigen, daß

die Erforschung dieser Transformation die Wissenschaftler vor außerordentlich schwierige

Probleme stellt. Denn während man kirchliche Organisationen und etablierte Kirchen auf der

Basis der Materialien studieren kann, die diese Einrichtungen im Zuge ihrer geschäftlichen

Aktivitäten produziert haben, ist es schwierig, die Dimensionen privater Religiosität adäquat zu

erfassen. 94 […] Denn individuelle Fälle zeigen in der Regel eben nur individuelle Erfahrungen,

und das gilt auch für die Frage der Religiosität. Die Resultate, die man bei der Erforschung

der privaten Religiosität erzielen kann, sind deshalb möglicherweise deutlich verschieden von

den Überlegungen, die durch die Theorie der Säkularisierung deutlich gemacht werden.“ 95

91 A. a. O., S. 163

92 A. a. O., S. 173 f.

93 Lehmann, Säkularisierung, S. 58

94 Für die vorliegende empirische Studie wurden aufgrund dieser Problematik die individuellen

Lebensstile und religiösen Orientierungen nur indirekt anhand der gesammelten Informationen

der Gemeinden ermittelt. Diese Aussagen sind zwar allgemein gehalten, haben allerdings genug

Aussagekraft darüber, ob die offiziell vertretene Glaubenslehre, wie die täglichen Pflichtgebete,

das Alkoholverbot oder das Verbot vorehelicher Beziehungen, von den Gemeindebesuchern

eingehalten werden. Die Wahrnehmung unterschiedlicher Lebensstile und Differenzen zu

den Glaubensüberzeugungen der Gemeinden haben unmittelbare Folgen für ihre Denk- und

Handlungsprozesse, weil sie konträr zu dem substanziellen Religionsverständnis sind.

95 A. a. O., S. 60

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