KEM Konstruktion 06.2020
Trendthemen: System Engineering, Entwurftools, SonderteilConnected mobile Machines & Mobility (CMM); KEM Porträt: Carl Fruth, Vorstandsvorsitzender FIT AG, Lupburg
Trendthemen: System Engineering, Entwurftools, SonderteilConnected mobile Machines & Mobility (CMM); KEM Porträt: Carl Fruth, Vorstandsvorsitzender FIT AG, Lupburg
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MAGAZIN<br />
PORTRÄT<br />
Carl Fruth,<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
FIT AG, Lupburg<br />
Bild: Lisa Kirk/FIT AG/Konradin Mediengruppe<br />
„Ich würde mich jetzt nicht<br />
als Laien auf dem Gebiet<br />
der additiven Fertigung<br />
bezeichnen, aber auch ich<br />
tue mich schwer, die unterschiedlichen<br />
Verfahren, die<br />
es heute gibt, qualifiziert zu<br />
bewerten.“<br />
mente zurückgreifen, die etabliert sind. Ein Beispiel<br />
sind Metallgefüge. Deren Prüfung ist etabliert. Natürlich<br />
ist es auch machbar die Gefüge-Struktur eines<br />
Polymers zu analysieren, aber das ist deutlich komplexer.<br />
Das heißt, die Qualitätssicherung im Bereich der<br />
metallischen Verfahren ist Stand heute einfacher.<br />
• Und der zweite Punkt ist, welche Wettbewerbsverfahren<br />
es gibt. Im Kunststoffbereich haben wir mit dem<br />
Spritzguss ein gutes, günstiges und etabliertes Verfahren.<br />
Bei Metall ist das anders, denn in Metall fräsen<br />
ist teuer und beim Gießen haben wir ein großes Qualitätsthema.<br />
Das ist der Grund, warum metallische Verfahren<br />
auf dem Markt eine zunehmend wichtige Rolle<br />
spielen. Aber ich würde nicht sagen, dass Metall an<br />
sich besser ist als Kunststoff.<br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Aber erschließt der Metall-<br />
3D-Druck nicht gewisse Anwendungsbereiche, für die<br />
Kunststoff nicht geeignet ist – etwa Turbinen für die<br />
Raum- oder Luftfahrt?<br />
Fruth: Wie erwähnt, sprechen wir beim 3D-Druck davon,<br />
neue Bauteile zu entwickeln. So eine Bauteilentwicklung<br />
kostet mit Tests viel Geld – hundert-, zweihundert- oder<br />
fünfhunderttausend Euro sind da normal. Bedenkt man<br />
zusätzlich, dass es vielleicht um 100 Bauteile geht, die<br />
letztendlich gefertigt werden, hat man schnell sehr hohe<br />
Stückkosten. Das heißt, man braucht wirklich wertige Applikationen,<br />
die den hohen Preis rechtfertigen. Wenn ich<br />
einem Kunden sage, dieses Plastikbauteil kostet dreißigtausend<br />
Euro, dann sagt jeder ‚Uff‘. Wenn ich ihm sage,<br />
das ist ein spezielles Bauteil aus einem Titanmaterial für<br />
ebenfalls dreißigtausend Euro, sagt jeder: ‚Ja, Titan ist<br />
halt teuer‘. Bei Metallwerkstoffen ist die Akzeptanz für<br />
hohe Preise größer. Kunststoffbauteile sind einfach viel<br />
billiger, das heißt, in diesem Bereich die hohen Kosten zu<br />
rechtfertigen, ist sehr schwer. Aber ich denke, das ist die<br />
momentane Situation. Und man darf Technologien, die eine<br />
so hohe Entwicklungsdynamik haben, wie die additive<br />
Fertigung, nicht zwangsläufig danach bewerten, wie es<br />
heute aussieht. Man muss Bauteile und Materialien auf<br />
Anwendbarkeit prüfen und das kann man erst, wenn die<br />
Produkte auch wirklich auf den Markt sind. Denn ein neues<br />
additiv gefertigtes Produkt ist ja nichts, was eben mal<br />
in drei Monaten im Laden steht, sondern wir reden hier<br />
sehr häufig von Entwicklungszyklen von drei, fünf oder<br />
acht Jahren.<br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Welche Bedeutung hat das Thema<br />
Künstliche Intelligenz im Bereich der Additiven<br />
Fertigung?<br />
Fruth: Wenn die additive Fertigung wirklich groß Fahrt<br />
aufnehmen will, wird man nicht umhinkommen, Methoden<br />
wie die Künstliche Intelligenz zu verwenden. Wir beschäftigen<br />
uns bei der FIT intensiv damit, und zwar schon<br />
seit längerer Zeit. Das Kernproblem dabei ist, eine mit<br />
schlechten Daten gefütterte KI liefert auch ein schlechtes<br />
Ergebnis. Und die Schwierigkeit ist, dass wir so wenig<br />
gute Daten haben. Wir glauben wir würden gute Daten<br />
haben, aber wenn man diese wirklich überprüft, stellt<br />
man fest, irgendwas mit unseren Daten stimmt nicht. Wir<br />
haben das über die letzten Jahre sehr intensiv betrieben<br />
und viele Millionen in die Qualitätssicherung gesteckt,<br />
um genau solche Effekte herauszufinden. Und Tatsache<br />
ist, wenn ich Maschinen nach einer gewissen Parametrik<br />
einstelle und nach zwei Monaten wieder mit derselben<br />
Parametrik arbeite, kommt etwas anderes heraus. Wenn<br />
man genau hinschaut, ist das auch nachvollziehbar. Denn<br />
die Maschine wurde in der Zwischenzeit gewartet, die<br />
Laser wurden neu justiert, die Maschine wurde neu kalibriert,<br />
das Pulver ist gealtert, etc. Vielleicht hat auch der<br />
Maschinenbediener gewechselt. Es gibt also viele Störgrößen,<br />
die dazu führen, dass die Daten einfach nicht<br />
mehr valide sind. Und es erfordert ein sehr tiefes Verständnis<br />
der Prozesse, um das zu erfahren.<br />
<strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>: Wie komme ich zu diesem Verständnis?<br />
Fruth: Dieses tiefe Verständnis zu entwickeln, ist tatsächlich<br />
nicht ganz ohne. Es ist aber unabdingbar, um tatsächlich<br />
verlässlich Qualität zu erzeugen und natürlich auch,<br />
um Künstliche Intelligenz effizient anwenden zu können,<br />
um die Kosten runterzubringen. Wir sprechen bei der additiven<br />
Fertigung heute nicht über Stückzahlen von zehntausend,<br />
hunderttausend und ähnlichem. Wir haben mit<br />
der additiven Fertigung heute ein Verfahren, das sich gut<br />
eignet für zehn, für hundert, vielleicht auch mal bis zu tausend<br />
Teilen. Danach werden die Applikationen rarer, bei<br />
denen man mit der additiven Fertigung zum heutigen<br />
Zeitpunkt wirtschaftlich Bauteile fertigen kann, da etablierte<br />
Alternativ-Technologien einfach einen Kostenvorteil<br />
bieten. Also um das auf den Punkt zu bringen, KI ist unbedingt<br />
notwendig, aber wir müssen einen Schritt nach<br />
dem anderen machen und wir müssen erstmal vernünftige<br />
und validierte Daten generieren, um die KI damit zu<br />
füttern. Und dann denke ich, können wir sie nach und<br />
nach in den verschiedenen Bereichen einsetzen.<br />
www.fit.technology<br />
Details zu Verfahren der additiven<br />
Fertigung:<br />
hier.pro/rJI7J<br />
16 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> 06 2020