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Online-Ausgabe 10, ET 13.06.2020

Bloß nicht lumpen lassen: Die Konjunktur will angekurbelt werden und deine Lieblingsgeschäfte brauchen jetzt deinen Einkauf. Aber nach acht Wochen der Einkehr weißt du gar nicht, was du wirklich brauchst. Na ja, vielleicht ein paar neue Laufschuhe? Von Michael Zäh

Bloß nicht lumpen lassen: Die Konjunktur will angekurbelt werden und deine Lieblingsgeschäfte brauchen jetzt deinen Einkauf. Aber nach acht Wochen der Einkehr weißt du gar nicht, was du wirklich brauchst. Na ja, vielleicht ein paar neue Laufschuhe? Von Michael Zäh

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14 Corona-Tagebuch | 9. Mai 2020

Der Mann,

der die Maus war

Bund und Länder haben einige Lockerungen beschlossen. Die Hauptbotschaft aber ist,

dass jetzt die Ministerpräsidenten der Länder bestimmen, was wo geschieht. Und Winfried

Kretschmann hat da eine spezielle Ampel-Idee. Von Michael Zäh

Ein Mann denkt, er sei eine Maus. Er kann nicht mehr aus dem

Haus, weil er immer in Panik verfällt, wenn er eine Katze

sieht. Nach langer Behandlung entlässt ihn sein Psychiater

als geheilt: „Sie wissen jetzt, dass sie keine Maus sind!“ „Ja Herr,

Doktor, das weiß ich jetzt. Aber sagen Sie – weiß es die Katze auch?“

Dieser uralte Witz bekommt derzeit eine Neuerung. Wenn es

nach dem Landesvater Winfried Kretschmann geht, soll es ja bald

eine Art Corona-Ampel geben. Das hat er dann auch ausführlich

erklärt: Rot ist das Ampelzeichen etwa bei Großveranstaltungen,

gelb bei den Gastrobetrieben und grün beim Golfen im Freien. Aber

sagen Sie mal, Herr Kretschmann – weiß es das Corona-Virus auch?

Die Ampel ist ja rührend und vorsorglich gemeint. Aber jetzt mal

ehrlich: Wenn es staatlich quasi mit offiziellem Grün gekennzeichnet

ist, wo es angeblich keine Gefahr gibt, wer haftet dann dafür, wenn

es genau dort doch zu einer Ansteckung kommt? Der Corona-Teufel

kann im Detail stecken, sagen wir im Partner beim Golfen.

Und umgekehrt wird es noch schlimmer. Wenn nämlich die

Kretschmann-Ampel, die da vor dem Biergarten steht, plötzlich

von Gelb auf Rot springt, weil so hat es der Landesvater ja erklärt,

dass dies quasi der Sinn von Gelb ist, sowohl auf Grün wie auch auf

Rot springen zu können – heißt das dann, dass Kretschmann eine

Ampel-Koalition anstrebt?

Nun gut, uns entgeht nicht das Fürsorgliche, das der Landesvater

in Baden-Württemberg uns allen zukommen lassen will. Es soll eine

Orietierung sein, für alle, die noch nicht kapiert haben, dass es bei

Großveranstaltungen riskanter ist als zu Hause hinterm Herd.

Die Kretschmann-Ampel lässt sich auch gut mit der Idee

von Jens Spahn kombinieren, der einen Immunitätsausweis

für die Bevölkerung einführen wollte. Und das geht so:

Wer von Corona geheilt ist, hat auf seinem Handy

den Ausweis seiner Immunität gespeichert, quasi

Freibrief! Der darf dann halt mehr machen

als jene bedauernswerten Mitbürger, die Corona noch nicht hatten.

Die Kretschmann-Ampel ist natürlich digital top ausgestattet und

erkennt den Immunen sogleich. Die Ampel springt auf Grün, wo

andere nur rot sehen.

Wir stellen uns die Weiterungen dieser Idee geradezu lässig

vor: Die Profi-Fußballer aller Bundesligisten legen sich gemeinsam

mit nachweislich infizierten Fans gemeinsam ins Entmüdungsbecken.

Bald darauf sind alle Kicker der Liga immun (oder tot) und

man kann auf den ganzen Quatsch mit den Tests und der Hygiene

verzichten und die Spiele durchführen. Das spart Zeit und Geld.

Und na ja, weil die Fans ja auch nicht blöd sind, bestellen jetzt alle

garantiert infizierte Schals im Internet (die Nachfrage macht das

Angebot möglich), um alsbald mit dem Immunitätsausweis an den

Stadiontoren zu stehen.

Okay, Spahn hat seine Idee erstmal auf Eis gelegt und in der

Schalte zwischen den Ministerpräsidenten und Kanzlerin Merkel

wurde eine ganze Reihe von „Lockerungen“ beschlossen. Die Bundesliga

kickt wieder (siehe Seite 16), alle Geschäfte dürfen öffnen,

und auch das Gastro-Gewerbe im Laufe des Mai. Die Hauptbotschaft

war aber, dass es nun erstmal Schluss ist mit den wöchentlichen,

mühsamen Schalt-Konferenzen zwischen Bund und Ländern.

Sprich: Kretschmann und Co. machen es in ihrem Land jeweils so,

wie sie meinen und müssen dafür auch die Verantwortung tragen.

Also: Grüne Ampel für die regionalen Fürsten. Rot hingegen für

Merkels bremsende Strategie.

Natürlich wäre Merkel nicht sie selbst, wenn sie das nicht auch

gut verkaufen könnte: „Wir haben die allererste Phase der Pandemie

hinter uns“, sagte sie. Die Zahlen seien erfreulich, dank der

Bürger, die sich an die Einschränkungen gehalten haben.

Und ein bisschen sind wir wie der Mann, der mal

eine Maus war. Gerne wollen wir wieder raus, wenn da

nur nicht die Corona-Katze wäre.

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