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urbanLab Magazin 03/2018 - Regionale Netzwerke

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MAGAZIN<br />

FACHZEITSCHRIFT FÜR STADT- & REGIONALPLANUNG<br />

Ausgabe <strong>03</strong> | März <strong>2018</strong><br />

Heimat<br />

gestalten<br />

Ministerin<br />

Ina Scharrenbach<br />

MHKBG NRW<br />

Das Dorf<br />

von Morgen<br />

Gerhard Matzig<br />

Süddeutsche Zeitung<br />

Das Neue<br />

UrbanLand<br />

REGIONALE 2022<br />

Interview mit der<br />

OWL GmbH und<br />

Urban Catalyst<br />

REGIONALE NETZWERKE<br />

WACHSTUM. KOOPERATION. TRANSFORMATION.<br />

Neue Wohnraumangebote in der Region - Dokumentation des internationalen<br />

NRW.BANK Studierendenwettbewerbs und des dazugehörigen NRW.Symposiums 2017


Die Wohnungswirtschaft Ostwestfalen-Lippe ist<br />

ein Zusammenschluss von Wohnungsbaugenossenschaften,<br />

kommunalen, kirchlichen und<br />

privaten Wohnungsunternehmen. Insgesamt arbeiten<br />

28 Unternehmen zusammen, um Ihnen<br />

sicheren und modernen Wohnraum zu fairen<br />

Preisen anbieten zu können.<br />

Die Unternehmen der Wohnungswirtschaft Ostwestfalen-Lippe<br />

sind dort zu Hause, wo auch Sie<br />

zu Hause sind.<br />

Mit Bauaufträgen in der Region von mehr als<br />

100 Millionen € im Jahr sichert die Wohnungswirtschaft<br />

OWL Arbeitsplätze in der Region.<br />

Gleichzeitig stellen die Unternehmen sicher,<br />

zeitgemäßen und guten Wohnraum anbieten zu<br />

können für Menschen, die hier leben.<br />

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<strong>Regionale</strong> <strong>Netzwerke</strong><br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

mit dem Zuzug von einer Million Geflüchteten im Jahr 2015 haben sich die Maßstäbe, Nöte und Notwendigkeiten<br />

im Bereich des Wohnungsbaus und der Stadtentwicklung erheblich verändert. Es vergeht kaum ein Tag, an dem<br />

nicht in der Presse über fehlenden Wohnraum und überhitzte Wohnungsmärkte in unseren Metropolen berichtet<br />

wird. Kooperationen auf regionaler Ebene sind ein Ansatz, um sich diesen Herausforderungen zu stellen. Dabei<br />

werden die Umlandgemeinden nicht mehr nur als Überlaufbecken der Großstädte, sondern vielmehr als notwendige<br />

Partner begriffen. In der Diskussion sind dabei Lösungen aller Art - von engmaschigeren multimodalen Mobilitätsnetzen<br />

bis hin zur Urbanisierung von Dörfern. Mittlerweile richtet sich der Blick immer weiter aufs Land, bis<br />

hinein in Dörfer und Gemeinden, die lange still und vergessen waren und an Bevölkerung verloren haben.<br />

Aus dieser Notwendigkeit einer Kooperation von Großstadt und Umlandgemeinden heraus besteht nun die Chance<br />

regionale <strong>Netzwerke</strong> zu etablieren, die den Mangel an Wohnungen auf der einen und den Überfluss an Wohnraum<br />

und Baulandreserven auf der anderen Seite dazu nutzen, den Urbanitätsbegriff neu zu definieren, damit<br />

Stadt und Land zu verbinden und ein Stück Urbanität in den ländlichen Raum zu tragen. Urbanität als ein Lebensgefühl<br />

zu begreifen, als einen Raum mit ausreichend hohen Nutzungs- und Ereignisdichte - statt einer rein<br />

baulichen Dichte - eröffnet die Möglichkeit, zukünftige Quartiersentwicklungen und bestehende Schlafsiedlungen<br />

neu zu denken. Nicht zuletzt die weiter voranschreitende Digitalisierung macht dies möglich. Wenn der ländliche<br />

Raum wieder den Anforderungen und Bedürfnissen der Wohnungssuchenden gerecht wird und Teilräume in der<br />

Region an Profil gewinnen, profitiert die Region als Ganzes. Dazu gehört auch, dass sich die Teilräume der Region<br />

ihrer eigenen Begabungen bewusst werden und die Begabungen des jeweils anderen anerkennen. Aus der Not<br />

des Wohnungsmarktes heraus bietet sich die Chance für ein robustes regionales Netzwerk, das gleichermaßen<br />

urbanes und ländliches Leben überall in der Region ermöglicht.<br />

Mit der <strong>Regionale</strong> 2022 "Das Neue UrbanLand" hat sich die Region Ostwestfalen-Lippe das Ziel gesetzt, dieser<br />

neuen Verbindung von Stadt und Land ein großes Stück näher zu kommen. Seit dem positiven Bescheid zur Bewerbung<br />

von Ostwestfalen-Lippe ist eine gespannte Vorfreude und Tatendrang in der ganzen Region spürbar. Im<br />

Laufe der nächsten Jahre wird sich zeigen, wie gut Ostwestfalen-Lippe zusammenarbeiten wird und wie mutig,<br />

innovativ und nachhaltig die Projekte von der Region für die Region sein werden. Allein der Begriff "Das Neue UrbanLand"<br />

weckt Erwartungen, die erfüllt werden wollen. Darüber hinaus ist Ostwestfalen-Lippe die erste Region,<br />

die zum zweiten Mal eine <strong>Regionale</strong> ausrichtet, was die Erwartungshaltung sicher nicht mindert, gleichwohl aber<br />

auch ein gutes Fundament besitzt, auf dem aufgebaut werden kann.<br />

In diesem Sinne laden wir Sie herzlich ein, mit diesem <strong>Magazin</strong> die Möglichkeiten regionaler Kooperationen nachzuvollziehen.<br />

Unter dem Leitthema "Stadt Land Wachstum" beschäftigen wir uns mit der Frage des urbanen Wohnens<br />

außerhalb der Kernstadt. Wir freuen uns Ihnen das NRW.Symposium der NRW.BANK sowie die Ergebnisse des<br />

internationalen studentischen Ideenwettbewerbs "Wachstum in Kooperation" zu präsentieren, den das <strong>urbanLab</strong><br />

im Auftrag der NRW.BANK gemeinsam mit dem Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft der Uni Leipzig<br />

durchgeführt hat. Das Thema "Stadt Land Kooperation" blickt auf Ostwestfalen-Lippe und die <strong>Regionale</strong> 2022.<br />

Wir ermöglichen Ihnen eine aktuelle Übersicht über den Stand des Verfahrens durch Interviews mit den Prozessgestaltern<br />

von der OstWestfalenLippe GmbH und Urban Catalyst. Schließlich gehen einige Autoren in "Stadt Land<br />

Transformation" der Frage nach, wie sich bestehende Strukturen an die heutigen Herausforderungen anpassen<br />

können.<br />

Zum Abschluss geben wir Ihnen in der Rubrik "In eigener Sache" einen Überblick über ausgewählte Forschungsprojekte<br />

des <strong>urbanLab</strong>. Wir berichten über das mit Landesmitteln geförderte Projekt Heimatwerker in Nieheim<br />

und über das BMU Leitprojekt im Klimaschutz HueBro (Haushebung in Überschwemmungsgebieten am Beispiel<br />

Brockwitz). Besonders stolz sind wir über den Zuschlag für das Projekt URBiNAT (Urban Innovative and Inclusive<br />

Nature) im Rahmenprogramm Horizon2020 der EU. Das <strong>urbanLab</strong> ist dabei Partner in einem internationalen<br />

Konsortium mit 29 Mitgliedern.<br />

Wir hoffen, Sie haben Freude an dieser interdisziplinären und umfangreichen Lektüre, die nicht zuletzt aufgrund<br />

der hervorragenden Zusammenarbeit mit der NRW.BANK, namentlich Herrn Suhlrie, Frau Kloth und Frau Austermann,<br />

sowie den Vorsitzenden der Jury Herrn Prof. Ringel und Herrn Dr. Günther, aber auch der fortwährenden Kooperation<br />

mit der Wohnungswirtschaft OWL entstanden ist. Hierfür möchten wir uns ganz herzlich bedanken! Darüber hinaus<br />

geht natürlich auch ein Dank an alle Vortragenden und Schreibenden, ohne die dieses <strong>Magazin</strong> nicht möglich<br />

gewesen wäre!<br />

Prof. Oliver Hall Sprecher <strong>urbanLab</strong><br />

Marcel Cardinali Koordination <strong>urbanLab</strong>


Inhalt<br />

Stadt Land Wachstum<br />

8 • Wachstum von Stadt und Umland in Kooperation: Flüchtige Affäre<br />

oder neue Liebe? - Eröffnung NRW.Symposium 2017<br />

Ministerin Ina Scharrenbach • Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und<br />

Gleichstellung Nordrhein-Westfalen<br />

10 • Wachstum in Kooperation - Neue Stadtquartiere als Chance<br />

Dietrich Suhlrie • Mitglied des Vorstands der NRW.BANK<br />

12 • Die innovativen Lösungen der Studierenden -<br />

Erkenntnisse aus dem NRW.BANK.Studierendenwettbewerb<br />

Prof. Oliver Hall, Marcel Cardinali • <strong>urbanLab</strong><br />

16 • Studentischer Ideenwettbewerb SoSe 2017:<br />

Wachstum in Kooperation - Neue Wohnraumangebote für die Region<br />

NRW.BANK, <strong>urbanLab</strong>, ISB Universität Leipzig<br />

62 • Wachstum in Kooperation - Stärker im Team?<br />

Dr. Andrea Dittrich-Wesbuer • ILS NRW, Bürgermeister Tim Kähler • Stadt<br />

Herford, Sigrid Koeppinghoff • MHKBG NRW, Cornelia Zuschke • Planungsdezernentin<br />

Stadt Düsseldorf<br />

68 • Neue Wohnquartiere im Umland -<br />

Neue Qualitäten durch mehr Urbanität?<br />

Dr. Torsten Bölting • InWIS, Dr. Jörg Hopfe • NRW.BANK, Bürgermeister Stefan<br />

Raetz • Stadt Rheinbach, Karla Schilde • Landeshauptstadt München, Dr. Anke<br />

Valentin • Wissenschaftsladen (WILA) Bonn e.V.<br />

74 • Das Dorf von Morgen<br />

Gerhard Matzig • Süddeutsche Zeitung<br />

76 • Kann man lebenswerte Quartiere planen?<br />

Uli Hellweg • Stadtplaner und Kommunalberater<br />

84 • Instrumente zur Beseitigung der Wohnungsnot<br />

Dr. Uwe Günther • ehem. Abteilungsleiter Bauministerium NRW,<br />

Prof. Johannes Ringel • Direktor des Instituts für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft<br />

an der Universität Leipzig und Gesellschafter bei RKW Architektur<br />

88 • Stadt in der zweiten Reihe?<br />

Dr.-Ing. Bauass. Christine Korous, Dipl.-Ing. Bauass. Stefan Krapp, AOR •<br />

Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Landesplanung, RWTH Aachen University<br />

– Fakultät für Architektur


Stadt Land Kooperation<br />

94 • <strong>Regionale</strong> 2022 - Das Neue UrbanLand<br />

Interview mit der OstWestfalenLippe GmbH<br />

Annette Nothnagel, Herbert Weber • OstWestfalenLippe GmbH<br />

100 • <strong>Regionale</strong> 2022 - Das Neue UrbanLand<br />

Interview mit Urban Catalyst<br />

Prof. Klaus Overmeyer, Andreas Brüning • Urban Catalyst<br />

104 • Entwicklung und Modelle von Stadt-Land-Beziehungen<br />

Julia Krick • <strong>urbanLab</strong><br />

108 • Digitale <strong>Netzwerke</strong> der Region<br />

Prof. Dr. Axel Häusler, Benjamin Dally • nextPlace<br />

112 • Stadt-Land-Partnerschaften<br />

Dr. Klaus Schafmeister • Kreis Lippe, <strong>urbanLab</strong><br />

Stadt Land Transformation<br />

118 • Dorf-Konversionen<br />

Prof. Martin Hoelscher, Prof. Kathrin Volk • <strong>urbanLab</strong><br />

124 • Der Regionalpark - Eine Entwurfsaufgabe<br />

der urbanisierten Landschaft<br />

Angelika Fuchs • FM Architekten<br />

128 • Handelslagen der Zukunft: urban, vernetzt, digital?<br />

Katrin Schade, Marcus Hübscher • Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft<br />

(ISB) der Universität Leipzig<br />

134 • Contested Resilience of a Modern Structure or “Dissonant<br />

Heritage”: Multilayered Identity of the Old Belgrade Fairground<br />

Anica Dragutinovic • ConstructionLab<br />

In eigener Sache<br />

140 • URBiNAT - Urban Inclusive Nature<br />

Marcel Cardinali • <strong>urbanLab</strong><br />

142 • Heimatwerker in Nieheim<br />

Prof. Oliver Hall • <strong>urbanLab</strong><br />

144 • Heimatwerker.Textil<br />

Ricarda Jacobi, Katrin Kollodzey • Hochschule OWL<br />

146 • Haushebung in Ueberschwemmungsgebieten Brockwitz<br />

Carsten Schade • <strong>urbanLab</strong>


6<br />

Abbildung 1: Teilnehmer des NRW.Symposium 2017 Foto: NRW.BANK/Schmidt-Dominé<br />

\Abbildung 2: Abschluss des NRW.Symposium 2017 Foto: NRW.BANK/Schmidt-Dominé


Stadt Land Wachstum<br />

NRW.Symposium 2017:<br />

"Wachstum von Stadt und Umland in Kooperation:<br />

Flüchtige Affäre oder neue Liebe?"<br />

Am 30. November 2017 trafen sich in der NRW.BANK in Düsseldorf die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und<br />

Gleichstellung, Ina Scharrenbach, kommunale Vertreter, Fachleute aus Stadtplanung und Architektur, Vetreter der Immobilienwirtschaft<br />

sowie Studierende, um auf dem NRW.Symposium 2017 über das Thema "Wachstum von Stadt und<br />

Umland in Kooperation" zu diskutieren. Den Anlass hierfür gab der Studierendenwettbewerb "Wachstum in Kooperation",<br />

der von der NRW.BANK in Zusammenarbeit mit dem <strong>urbanLab</strong> der Hochschule Ostwestfalen-Lippe und dem<br />

Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft der Universität Leipzig ausgelobt wurde. Der Wettbewerb fand mit<br />

der Ausstellung und der Preisverleihung auf dem Symposium einen würdigen Abschluss und diskutierte resultiertende<br />

Impulse unter hochkarätigen Fachleuten. Mit der folgenden Dokumentation des Symposium möchten wir Interessierten<br />

die Möglichkeit geben die Debatte nachzuvollziehen und dazu beitragen, das erarbeitete Wissen und die wichtigen Diskussionsbeiträge<br />

nachhaltig in der Planungspraxis zu verankern.


Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

8<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

Wachstum von Stadt und Umland in Kooperation:<br />

Flüchtige Affäre oder neue Liebe?<br />

Eröffnung des NRW.Symposium 2017 durch Ina Scharrenbach,<br />

Ministerin für Heimat, Bau und Gleichstellung<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Ministerin Ina Scharrenbach beim NRW.Symposium 2017, Foto: NRW.BANK/Schmidt-Dominé<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

Nordrhein-Westfalen besteht aus vielen verschiedenen<br />

wohnungswirtschaftlichen Teilmärkten und<br />

damit verbunden, auch Herausforderungen. Die<br />

NRW.BANK hat in Zusammenarbeit mit dem urban-<br />

Lab der Hochschule Ostwestfalen-Lippe und dem<br />

Institut für Stadtentwickung- und Bauwirtschaft der<br />

Universität Leipzig für diesen Studierendenwettbewerb<br />

mit den Regionen Münster, Düsseldorf und<br />

Bielefeld drei Teilmärkte herausgenommen, die sehr<br />

unterschiedlich sind, aber dennoch in vergleichbarer<br />

Weise Herausforderungen mit Wohnen und<br />

Siedlungsentwicklung mit sich bringen. Als neue<br />

Landesregierung haben wir uns sehr intensiv mit der<br />

Situation der Ballungsräume in Nordrhein-Westfalen<br />

beschäftigt. Wir alle kennen die Debatten der<br />

vergangenen Jahre und Monate die sich um den<br />

Mangel an preiswerten, bezahlbaren Wohnungen<br />

in den Ballungsräumen und besonders in den Universitätsstädten<br />

drehen. Gleichzeitig sind aber auch<br />

Entwicklungen abseits der Ballungsräume in Nordrhein-Westfalen<br />

zu beobachten, die gleichsam unsere<br />

Aufmerksamkeit erfordern. Vor diesem Hintergrund<br />

haben wir als neue Landesregierung sehr schnell<br />

beschlossen, dass wir uns nicht nur einseitig auf das<br />

Thema der Ballungsräume, auch im Zusammenhang<br />

mit Forschung und Lehre, fokussieren.<br />

)) Im Grunde liegt der Schlüssel im<br />

Umland und idealerweise in einer<br />

regionalen Siedlungsentwicklung. ((


Schaut man auf die Instrumente anderer Fachressorts<br />

in Nordrhein-Westfalen, dann ist die Regionalität von<br />

Planung für viele Städte und Gemeinden, Kreise und<br />

kreisfreie Städte nichts Neues. Insbesondere wenn<br />

wir an Schulentwicklungsplanung denken, ist Regionalität,<br />

gemeinsame Abstimmung, das Erfordernis<br />

auch nach Lösungen in Städten und Gemeinden zu<br />

suchen, heute schon gesetzlich verankert. Nur bei der<br />

Siedlungsentwicklung tun wir uns insgesamt schwer<br />

in die Diskussion zu kommen, wer sich eigentlich wohin<br />

entwickeln will. Wie weit will z.B. eine Stadt Köln<br />

noch wachsen? Die Ballungsräume sind im Rahmen<br />

der Nachverdichtung ziemlich begrenzt und der bundesrechtliche<br />

Grundsatz Innen- vor Außenentwicklung<br />

stößt in diesen Räumen an natürliche Grenzen der<br />

Flächenverfügbarkeit.<br />

Da der Landesentwicklungsplan der Vorgängerregierung<br />

noch eine Schrumpfung des Landes NRW<br />

intendiert und das auch Auswirkungen auf die Fähigkeiten<br />

hat Wohnbauflächen überhaupt auszuweisen,<br />

sind wir der Meinung, dass der Landesentwicklungsplan<br />

der Vorgängerregierung angepasst werden<br />

muss. Wir beabsichtigen insbesondere die Fähigkeiten<br />

der Städte und Gemeinden zu stärken Wohnbauflächen<br />

an ÖPNV-Achsen und Hauptverkehrsachsen<br />

zu entwickeln. Denn das Entscheidende für<br />

das Gelingen der regionalen Siedlungsentwicklung,<br />

ist auch eine Frage der Mobilität und insbesondere<br />

der Vernetzung der Mobilitätsangebote.<br />

Deswegen finde ich es spannend, daraus einen Studierendenwettbewerb<br />

zu machen und damit wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse und Theorie in die Praxis<br />

zu tragen. Damit helfen Sie der Frage nachzugehen,<br />

wie Quartiere strategisch, zukunftsfest entwickelt<br />

werden können. Es ist ein ungeheuer spannender<br />

Ansatz, dass in drei verschiedenen Teilmärkten in<br />

Nordrhein-Westfalen zu erproben.<br />

)) Die Studierenden der Architektur,<br />

Stadtplanung, Innenarchitektur<br />

und Landschaftsarchitektur gestalten<br />

Heimat: Die Heimat der<br />

Zukunft in Nordrhein-Westfalen. ((<br />

Gestatten Sie mir nun zumindest auf den einen oder<br />

anderen Beitrag einzugehen, um Ihnen zu verdeutlichen,<br />

wie wichtig dieser Studierendenwettbewerb für<br />

uns als neue Landesregierung ist.<br />

Insbesondere in Ostwestfalen-Lippe wird das Thema<br />

der Sicherung der hausärztlichen Versorgung diskutiert.<br />

Immer wenn wir in das Umland von Ballungszentren<br />

wie der Regiopole Bielefeld schauen, stehen<br />

wir vor der Herausforderung die Daseinsvorsorge<br />

der Infrastruktur für die Bevölkerung zu sichern. Vor<br />

diesem Hintergrund, haben wir als Landesregierung<br />

beschlossen die medizinische Versorgung der Region<br />

durch eine Fakultät in Bielefeld zu stärken. In den Studierendenarbeiten<br />

gibt es in diesem Zusammenhang<br />

Vorschläge mit der Siedlungsentwicklung auf einem<br />

Konversionsstandort - davon haben wir noch einige<br />

in Nordrhein-Westfalen - ein Gesundheitszentrum zu<br />

integrieren und mit dem Ballungsraum zu vernetzen.<br />

Also dem Grunde nach Infrastruktur mitzudenken, abgesehen<br />

von der eigenen Fachrichtung. Das halten<br />

wir als Landesregierung für ausdrücklich wichtig.<br />

Die Nähe zum ÖPNV war Impulsgeber für alle Entwürfe<br />

in der Region und stärkt damit auch unseren politischen<br />

Ansatz, Wohnbaupotenziale an ÖPNV-Achsen<br />

zu ermöglichen und damit nachhaltige Mobiltätsangebote<br />

zu unterstützen. In Münster ist das dominierende<br />

Verkehrsmittel das Fahrrad. Mit der neuen Landesbauordnung<br />

beabsichtigen wir das Fahrrad, auch landesweit,<br />

als wichtigen Bestandteil einer nachhaltigen<br />

Mobilität zu stärken.<br />

In der Region Düsseldorf gab es ganz andere Aufgaben<br />

zu bewältigen. Am Standort Meerbusch-Osterath,<br />

ca. 13 km von der Stadtmitte Düsseldorfs entfernt, galt<br />

es landwirtschaftliche Flächen so zu beplanen, dass<br />

die angrenzenden Stadtteile Osterath und Strümp, als<br />

eigenständige Bereiche sichtbar bleiben. Auch das ist<br />

uns als Landesregierung - insbesondere in meinem<br />

Ministerium - besonders wichtig.<br />

)) Wir wollen keine uniformen Stadtentwicklungen.<br />

Das Entscheidende<br />

Entscheidendfür<br />

das Thema Heimat ist aus<br />

unserer Sicht, die Eigenarten<br />

und die Identitäten von Städten<br />

zu erhalten. Das wiederrum verankert<br />

auch Menschen vor Ort. ((<br />

Vor diesem Hintergrund möchte ich den Studierenden<br />

dafür danken, dass Sie mit Ihren Entwürfen dazu beigetragen<br />

haben uns in der politischen Zielsetzung und<br />

Richtung zu bestärken, weil Sie das verbildlichen, was<br />

wir angehen wollen. Wir werden die Wohnraumförderung<br />

der Zukunft hier in Nordrhein-Westfalen im Bereich<br />

der regionalen Siedlungsentwicklung stärken und<br />

befinden uns hierzu bereits im Gespräch mit einigen<br />

Hauptverwaltungsbeamten. Deswegen freue ich mich,<br />

dass das, was die Studierenden hier als Ideen gedacht<br />

haben, dann auch tatsächlich irgendwann Realität wird.<br />

Herzlichen Dank.<br />

Ina Scharrenbach<br />

Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und<br />

Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

9<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017


Dietrich Suhlrie<br />

10<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

Wachstum in Kooperation<br />

Neue Stadtquartiere als Chance<br />

Nordrhein-Westfalen wächst: Das Land gewinnt aufgrund der anhaltenden<br />

Binnenwanderung sowie des Zuzugs aus dem Ausland wieder an<br />

Einwohnern. Das Wachstum konzentriert sich insbesondere auf die<br />

wirtschaftsstarken Großstädte des Landes und sorgt dort für spürbare<br />

Engpässe auf den Wohnungsmärkten.<br />

Abbildung 1: Dietrich Suhlrie beim NRW.Symposium 2017, Foto: NRW.BANK/Schmidt-Dominé<br />

Dieser Druck wird in den kommenden Jahren voraussichtlich<br />

weiter zunehmen: Einer gemeinsamen Modellrechnung<br />

des Ministeriums für Heimat, Kommunales,<br />

Bau und Gleichstellung NRW und der NRW.<br />

BANK zufolge werden bis Ende 2020 pro Jahr rund<br />

80.000 zusätzliche Wohnungen für NRW benötigt.<br />

)) Im Sinne einer nachhaltigen<br />

Stadtentwicklung muss es<br />

vielmehr Ziel sein, lebendige<br />

Quartiere mit urbanen Qualitäten<br />

zu schaffen, die sich gleichwohl<br />

in bestehende Siedlungsstrukturen<br />

integrieren. ((<br />

Allein durch Nachverdichtung und Nutzung bestehender<br />

Baulandreserven in den Großstädten wird<br />

diese Größenordnung nicht erreicht werden können.<br />

Eine Möglichkeit mehr Wohnraum zu schaffen,<br />

könnte das Entwickeln neuer Stadtquartiere sein -<br />

jedoch nicht nur in den Großstädten selbst, sondern<br />

auch in den angrenzenden Nachbarkommunen.<br />

Kooperative Ansätze, um die Wohnungsnachfrage<br />

in den Gesamtregionen zu decken, rücken daher<br />

in den Fokus. Weitere, monofunktionale Einfamilienhausgebiete<br />

im Umland auszuweisen, ist dabei<br />

allerdings nicht die Lösung. Im Sinne einer nachhaltigen<br />

Stadtentwicklung muss es vielmehr Ziel<br />

sein, lebendige Quartiere mit urbanen Qualitäten zu<br />

schaffen, die sich gleichwohl in bestehende Siedlungsstrukturen<br />

integrieren.


11<br />

)) Die eingereichten Wettbewerbsarbeiten<br />

zeigen nachhaltige<br />

städtebauliche Konzepte sowie<br />

überzeugende architektonische<br />

Lösungen. ((<br />

Neue Quartiere zu entwickeln, eröffnet für die Nachbarkommunen<br />

die Chance, ihre Wohnungsangebote<br />

unter qualitativen Gesichtspunkten weiter auszudifferenzieren.<br />

Zudem trägt eine höhere bauliche Dichte auf<br />

den neu in Anspruch genommenen Flächen gleichzeitig<br />

dem Ziel der Bundesregierung Rechnung, sparsamer<br />

mit Grund und Boden umzugehen.<br />

Vor diesem Hintergrund wurde der NRW.BANK.Studierendenwettbewerb<br />

„Wachstum in Kooperation – neue<br />

Wohnraumangebote in der Region“ konzipiert: In den<br />

drei wachsenden Regionen Düsseldorf, Münster und<br />

Bielefeld waren Studierende aufgerufen, in einem städtebaulichen<br />

Entwurf überzeugende und nachhaltige<br />

Konzepte für neue Stadtquartiere zu entwickeln. Neben<br />

der Fragestellung, wie das jeweilige Quartier mit seiner<br />

unmittelbaren Umgebung und der angrenzenden Region<br />

sinnvoll verknüpft werden kann, sollten auch zukunftsweisende<br />

Lösungen für die Themen Wohnen, Arbeiten,<br />

Mobilität und Freiraum aufgezeigt werden.<br />

Als Förderbank des Landes unterstützt die NRW.<br />

BANK mit ihren Finanzierungs- und Beratungsangeboten<br />

bereits heute eine Vielzahl von Projekten, mit denen<br />

bezahlbarer Wohnraum geschaffen und Quartiere aufgewertet<br />

werden. Gleichzeitig bietet sie unterschied-<br />

Abbildung 2: Preisverleihung des Studierendenwettbewerbs auf dem NRW.Symposium 2017, Foto: NRW.BANK/Schmidt-Dominé<br />

lichsten Akteuren eine Plattform für den Dialog zu aktuellen<br />

Themen der Stadtentwicklung. Die Ergebnisse<br />

des NRW.BANK.Studierendenwettbewerbs haben sich<br />

hier als gute Grundlage erwiesen. Im Rahmen einer<br />

großen Abschlussveranstaltung nutzten Vertreter aus<br />

Wissenschaft und Praxis die Möglichkeit, Rahmenbedingungen<br />

und Herausforderungen rund um die Themen<br />

„Neue Stadtquartiere“ und „Interkommunale Kooperation“<br />

eingehend zu diskutieren. Als Ergebnis lässt<br />

sich festhalten, dass der fachliche Diskurs zu beiden<br />

Themen längst eine breite Öffentlichkeit gefunden hat<br />

und auch zukünftig intensiv geführt werden wird.<br />

Die eingereichten Wettbewerbsarbeiten zeigen<br />

nachhaltige städtebauliche Konzepte sowie überzeugende<br />

architektonische Lösungen. Ihre Ideen<br />

zu ganz unterschiedlichen urbanen Wohnformen<br />

auch in ländlicher geprägten Kommunen haben die<br />

Studierenden als Grundlage genutzt, um in den Entwürfen<br />

neue Formen von Wohnen, Arbeiten und Zusammenleben<br />

zu präsentieren, die die Vorteile von<br />

Stadt und Land vereinen. Gleichzeitig sind alternative<br />

Mobilitätsangebote ganz selbstverständlich fester<br />

Bestandteil in vielen Konzepten.<br />

Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des NRW.<br />

BANK.Studierendenwettbewerbs gilt dafür mein<br />

herzlicher Dank. Die Entwürfe zeigen, dass die Neuentwicklung<br />

von Stadtquartieren in kommunaler<br />

Kooperation wesentlich dazu beitragen kann, die<br />

Wohn- und Lebensqualität in den Regionen Nordrhein-Westfalens<br />

zu steigern.<br />

Dietrich Suhlrie<br />

Mitglied des Vorstands der NRW.BANK<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017


Prof. Oliver Hall, Marcel Cardinali<br />

12<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

Die innovativen Lösungen der Studierenden<br />

Erkenntnisse aus dem NRW.BANK.Studierendenwettbewerb<br />

Im Ergebnis sind wertvolle Ideenpläne von jungen angehenden Architekten und<br />

Planern entstanden, die neue Impulse geben für die Diskussion um zukünftige<br />

Quartiersentwicklungen in den Umlandgemeinden. Die Konzepte und inspirierenden<br />

Bilder junger Menschen, die mit ihren Wertvorstellungen bezüglich<br />

Lebensstil, Fortbewegung und Kommunikation neue Wege gehen, können<br />

den Diskurs um das immer drängendere Problem der Wohnraumversorgung<br />

unterstützen und bereichern. Die studentischen Arbeiten unterstützen eine ganze<br />

Reihe wichtiger Thesen, die für hochwertige Quartiersentwicklungen im Umland<br />

der Kernstädte essenziell zu sein scheinen. Sie werden im Folgenden dargestellt.<br />

Oliver Hall auf dem NRW.Symposium 2017, Foto: NRW.BANK/Schmidt-Dominé<br />

Technische. Bis heute assoziieren nicht wenige eine<br />

städtebauliche Dichte mit Urbanität, auch wenn das<br />

ohne Zweifel nicht gleichzusetzen ist.<br />

)) 1. Nutzungsdichte ist die neue<br />

Form der Dichte ((<br />

Der Vortrag Edgar Salins mit dem Thema "Urbanität<br />

und das aufkommende Problembewusstsein der<br />

neuen Großwohnsiedlungen" führte in den 1960er<br />

und 1970er Jahren zu dem Leitbild „Urbanität durch<br />

Dichte“ und verengte damit den weitaus umfassenderen<br />

Urbanitätsbegriff Edgar Salins auf das rein<br />

Das Thema Urbanität beschäftigt deswegen auch<br />

im Studierendenwettbewerb nahezu alle Verfasser.<br />

Auf der Suche nach geeigneten Lösungen und<br />

einer angemessenen baulichen Dichte sind einige<br />

Arbeiten (siehe „Bahnhofshügel Altenberge“, S. 22<br />

und „Telgte+“, S. 34) dazu geeignet den Unterschied<br />

zwischen einer baulichen Dichte und einer<br />

Nutzungsdichte zu verdeutlichen. Sie zeigen Quartiersentwicklungen,<br />

die Angebote des täglichen<br />

Bedarfs bereithalten, ohne dafür hochverdichtete<br />

städtische Strukturen bemühen zu müssen. Auf<br />

diese Weise bleibt die Landschaft als wesentlicher


Vorteil des Wohnens auf dem Land weitestgehend<br />

erhalten, während zukünftige Bewohner – im Gegensatz<br />

zur klassischen Einfamilienhaussiedlung<br />

– auf ein attraktives Wohnumfeld mit diversen Angeboten<br />

in fußläufiger Erreichbarkeit hoffen können.<br />

Um die Vorzüge umliegender Landschaften zu<br />

nutzen greifen nahezu alle Arbeiten in Telgte und<br />

einige aus Meerbusch auf das Hofprinzip zurück.<br />

Diese Anordnungsform entpuppt sich nicht nur als<br />

vorteilhaft um Begegnungen zu erzeugen, sondern<br />

auch eine gefühlte Dichte zu suggerieren, die es<br />

erlaubt Urbanität zu erzeugen. Mit der städtebaulichen<br />

Form des Hofs ist der Ansatz Nachbarschaften<br />

und Gemeinschaften zu fördern wie mit keiner<br />

anderen Anordnungsform möglich (siehe „Telgte+“,<br />

S. 34). In der Folge entsteht eine punktuelle<br />

Dichte von Menschen und Nutzungen im öffentlichen<br />

Raum und den angrenzenden Einrichtungen<br />

des täglichen Bedarfs, nicht aber durch das Volumen<br />

etwaiger Geschosswohnungsbauten.<br />

Dies zeigt sich auch an den Nutzungsmöglichkeiten<br />

des Freiraums. Denn Landschaft und insbesondere<br />

Landwirtschaft kann zwar den oft herbeigesehnten<br />

Ausblick in die Natur bieten, aber nicht<br />

die vielfältigen Angebote eines Parks mit Spiel,<br />

Sport und Erholungsangeboten ersetzen (siehe<br />

„Rural U“, S. 40). Das vermeintliche Überangebot<br />

an Freiraum in ländlicheren Regionen ist in seiner<br />

Nutzung oft monofunktional. Auch im Freiraum<br />

bedarf es einer Nutzungsdichte um urbanes Wohnen<br />

zu ermöglichen. Der Wunsch urban zu wohnen<br />

ist deshalb nicht gleichzusetzen mit dem Wunsch<br />

(groß-)städtisch zu wohnen.<br />

geht, nicht so sehr um bauliche Dichte. Gleichwohl<br />

bedingt eine Dichte an Nutzungen eine gewisse<br />

bauliche Dichte, um genug Nachfrage zu erzeugen,<br />

die die Rentabilität solcher Angebote sicherstellt.<br />

Hier gilt es die richtige Balance zu finden, die in<br />

der Regel zwar dazu führt, dass eine höhere bauliche<br />

Dichte als im Umfeld entsteht, aber ohne ein<br />

Stück Stadt in die Landschaft zu übertragen.<br />

Eine möglichst gute Vernetzung zwischen Kernstadt<br />

und Wettbewerbsgebiet war bereits ein<br />

entscheidendes Kriterium bei der Auswahl der<br />

Plangebiete, so dass alle sechs potentielle Entwicklungsflächen<br />

eine Distanz zum Oberzentrum<br />

von deutlich unter 30 Minuten aufweisen. Die<br />

Einheit für die Distanz zwischen Ort A und B wird<br />

damit in Zeit und nicht in Kilometern angegeben.<br />

In der Folge ist es zur Optimierung notwendig die<br />

Mobilitätskette vom ersten bis zum letzten Kilometer<br />

zu denken (siehe „Der Stiftberg Herford –<br />

Alte Orte neu entdecken“, S. 50). Hier helfen die<br />

Sharingprinzipien aus den entwickelten Gemeinschaften<br />

ebenso, wie moderne Mobilitätshubs, die<br />

es erlauben die gefühlte Entfernung zur Kernstadt<br />

auf ein Minimum zu reduzieren (siehe „Bahnhofsquartier<br />

am Lokschuppen“, S. 36). Mit ihren Arbeiten<br />

geben die Studierenden Hinweise, wie eine<br />

effiziente störungsresistente Mobilitätskette für<br />

derartige Quartiere aussehen kann, die den Komfort<br />

des eigenen PKWs in Kosten, Zeit und Störanfälligkeit<br />

überlegen sein kann.<br />

13<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

)) 3. Sharing ist ein wesentlicher<br />

Aspekt zukünftiger Nachbarschaften ((<br />

)) 2. Die Mobilitätskette reicht vom<br />

ersten bis zum letzten Kilometer ((<br />

Die studentischen Entwürfe zeigen, dass es notwendig<br />

ist zwischen Dichte und Nutzungsdichte zu<br />

unterscheiden, dass auch Angebote des öffentlichen<br />

Raums eine Nutzungsdichte aufweisen können<br />

und dass es bei einer angemessenen Urbanität<br />

um Nutzungen und Begegnungsmöglichkeiten<br />

Viele Arbeiten demonstrieren mit ihren Sharingmodellen,<br />

wie der Flächen- und Ressourcenanspruch<br />

neuer städtebaulichen Entwicklungen minimiert<br />

werden kann. Durch Car-Sharing werden beispielsweise<br />

Parkplätze eingespart, die mehr Grünanlagen<br />

ermöglichen. Einige der Arbeiten nutzen die<br />

Typologie des Hofs, die durch ihre städtebauliche<br />

Anordnung schon Erschließungsflächen teilt, andere<br />

die Form des Blocks, um Gemeinschaftsgärten<br />

im Inneren zu integrieren. Dies sind nur einige<br />

Aspekte der zukünftigen Quartiersentwicklungen,<br />

die durch das Prinzip des Teilens Ressourcen einsparen<br />

und weniger Fläche in Anspruch nehmen


14<br />

und so schließlich mehr ökologischen und sozialen<br />

Reichtum erzeugen. In der Folge kann zudem ein<br />

Wohnumfeld entstehen, welches auf dem Markt<br />

bisher kaum angeboten wird und auch von ganz anderen<br />

Milieus als den klassischen „Häuslebauern“<br />

nachgefragt wird. Um die Wohnangebote entsprechend<br />

zu heterogenisieren und für verschiedene<br />

Lebensstile und Situationen Angebote bereitstellen<br />

zu können, reagieren die meisten der Arbeiten<br />

in Form unterschiedlicher Wohnungszuschnitte<br />

innerhalb eines Gebäudes oder einer städtebaulichen<br />

Einheit und werfen damit die Frage auf,<br />

ob die verschiedenen sozialen Milieus überhaupt<br />

gemeinsam miteinander wohnen wollen. Andere<br />

Arbeiten hingegen schaffen Höfe mit jeweils eigener<br />

Prägung, verzichten damit auf die kleinteilige<br />

Durchmischung und erzeugen glaubhafte Hofgemeinschaften,<br />

die in einer ähnlichen Lebensphase<br />

und Lebensstil zu einander finden (siehe „Gemeinsam<br />

zukunftsfähig leben“, S. 26).<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

damit schließlich auch eine gesteigerte Modernisierungsrate<br />

sorgen kann. Nicht zuletzt können<br />

damit sog. Wohnkarrieren im lokalen Markt erfolgen,<br />

die schließlich dafür sorgen, dass die Fluktuation<br />

der Bewohner insgesamt reduziert wird und<br />

damit das Potential der Gemeinschaftsbildung und<br />

der Identität mit Stadt und Stadtteil erhöht.<br />

Darüber hinaus gelingt es einigen Arbeiten das<br />

direkt angrenzende Umfeld sinnvoll mit einzubinden<br />

und nicht zuletzt durch neue Nutzungs- und<br />

Versorgungsangebote einen Mehrwert für die<br />

ansässigen Bewohner zu erzeugen (siehe „Bahnhofshügel<br />

Altenberge“, S. 22 und „Gemeinsam zukunftsfähig<br />

leben“, S. 26).<br />

)) 4. Die Heterogenisierung des<br />

Wohnungsangebotes der Kommunen<br />

stabilisiert den Markt ((<br />

Die Heterogenisierung der Wohnraumangebote in<br />

den studentischen Entwürfen schafft dabei nicht<br />

nur ein neues Wohnangebot für Wohnraumsuchende<br />

in der Kernstadt, sondern bietet ebenso<br />

die Chance den Wohnungsmarkt der Kommune zu<br />

diversifizieren.<br />

In der Folge wird das oft beschriebene Problem<br />

der zu großen Eigenheime im Alter durch neue<br />

Angebote zu einer Rochade der Wohnungssuchenden.<br />

Die neuen Wohnungsangebote für ältere<br />

Menschen, erlauben es den ansässigen Bewohnern<br />

in angemessenen Wohnraum umzuziehen und<br />

trotzdem in ihrer Heimat zu bleiben. Damit wiederum<br />

stehen jungen Familien Einfamilienhäuser zur<br />

Verfügung, ohne das neue Baugebiete für Einfamilienhäuser<br />

ausgewiesen werden müssen (siehe<br />

„Altenberghain“, S. 30). Die Heterogenisierung der<br />

Wohnangebote in neuen Quartiersentwicklungen<br />

ist demnach in der Lage dem gesamten lokalen<br />

Wohnungsmarkt eine Dynamik zu geben, die für<br />

eine angemessene Auslastung des Bestandes und<br />

)) 5. Jede Entwicklungsstufe ist<br />

potentiell die letzte ((<br />

Die Studierenden waren aufgefordert ihren innovativen<br />

Entwürfen eine Entwicklungsstrategie an<br />

die Hand zu geben, die in der Lage ist die vorgenannten<br />

Sharingangebote, Nutzungsdichten<br />

und Mobilitätsketten möglichst von Beginn an zu<br />

erzeugen. Dabei zeigt sich, dass der vorhandene<br />

oder zu entwickelnde Mobilitätsknoten der Ausgangspunkt<br />

der Entwicklung ist. Insbesondere die<br />

Arbeit „Am Anger“ (siehe S. 46) verdeutlicht aber<br />

ein lang vergessen geglaubtes Prinzip der jederzeit<br />

finalen Entwicklung. Der Startimpuls wird hierbei<br />

mit dichten und gemischten Strukturen gesetzt, an<br />

die sich Bereiche anlagern die je nach Wachstumserfordernis<br />

in der Dichte abnehmen oder gänzlich<br />

verändert werden können ohne an Nutzungsdichte<br />

und städtebaulicher Qualität zu verlieren. Im Gegensatz<br />

zur klassischen Etappierung, die erst zum<br />

Abschluss zu einer voll funktionsfähigen städtebaulichen<br />

Figur führt, können die konzentrischen<br />

vom Mobilitätsknoten ausgehenden Entwicklungen<br />

flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen<br />

reagieren. Nicht zuletzt weisen einige Arbeiten auf<br />

Impulse zur Entwicklung und notwendige Akteure<br />

für die Entwicklung hin, die dabei helfen den Entwicklungsdruck<br />

bis zur letzten Realisierungsstufe<br />

aufrecht zu erhalten und das Quartier damit gleich-


zeitig in vorhandene Stakeholderstrukturen in der<br />

Kommune und der Region einzubinden (siehe „The<br />

Frame“, S. 54 und „Der Stiftberg Herford – Alte<br />

Orte neu entdecken“, S. 50).<br />

Resümee<br />

Die Übersicht aller Arbeiten zeigt, dass diese herausgearbeiteten<br />

Thesen nicht unabhängig voneinander<br />

zu betrachten sind, sondern sich gegenseitig<br />

bedingen. Unter anderem die Sharingkonzepte der<br />

Entwürfe bedürfen einer gewissen Dichte und für<br />

die Mobilitätsangebote bis zur Haustür bedarf es<br />

eines Mobilitätsknoten zur Kernstadt. Die Entwürfe<br />

zeigen außerdem, dass Urbanität in der Region<br />

nicht bedeutet ein Stück Stadt auf ein Stück Land<br />

zu übertragen, sondern eine an den Ort angepasste<br />

Nutzungsdichte zu entwickeln, mit heterogenen<br />

Wohnraumangeboten und einer klaren Vernetzung<br />

mit Kommune und Kernstadt.<br />

Die Vorzüge der näheren Natur und Landschaftsräume<br />

bleiben dabei nur erhalten, wenn ressourcenschonend<br />

mit ihnen umgegangen wird und<br />

eine angemessene bauliche Dichte erreicht wird.<br />

Hierfür sollten zukünftige Quartiersentwicklungen<br />

auf die Sharingprinzipien zurückgreifen, die wiederum<br />

nur gelingen können, wenn sich eine Gemeinschaft<br />

innerhalb der Quartiere entwickelt.<br />

Derartige Flächen können durch ihren Bezug zur<br />

Landschaft und ihre zeitliche Nähe zur Kernstadt<br />

bei einer ausreichenden Nutzungsdichte eine attraktivere<br />

Alternative zu Wohnangeboten innerhalb<br />

der Kernstadt sein, die aufgrund der gewachsenen<br />

Stadtstrukturen trotz der vermeintlichen Nähe zum<br />

Stadtkern oder zum Arbeitsplatz oft zeitlich ähnliche<br />

Wegstrecken mit sich bringen.<br />

Prof. Dipl.-Ing. Oliver Hall<br />

HS OWL - Lehrgebiet Stadtplanung & Städtebauliches Entwerfen<br />

Gesellschafter ASTOC Architects and Planners, Köln<br />

Mit der Gründung von ASTOC 1990 und der Professur für „Stadtplanung<br />

und Städtebauliches Entwerfen“ an der HS OWL seit 20<strong>03</strong>, ist<br />

die Arbeitsweise von Oliver Hall geprägt durch das Zusammenwirken<br />

von Berufspraxis, Forschung und Lehre. Er ist zudem Sprecher des Forschungsschwerpunktes<br />

„<strong>urbanLab</strong>“ und beschäftigt sich dort insbesondere<br />

mit der Klein- und Mittelstadtforschung im ländlichen Raum.<br />

15<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

Für die Kernstadt bedeutet dies erstmal eine Entspannung<br />

des Wohnungsmarkts und damit eine<br />

wirksame Mietpreisbremse. Auch die Übernutzung<br />

öffentlicher Räume und Infrastrukturen kann<br />

durch derartige Entwicklungen gedämpft werden.<br />

Gleichzeitig wird der Status der Kernstadt als Zentrum<br />

der Region gefestigt, da die Vernetzung der<br />

Umlandgemeinden mit dem Oberzentrum zunimmt.<br />

Im Ergebnis kann durch ein derartiges Prinzip ein<br />

nachhaltiges resilientes Wachstum einer gesamten<br />

Regiopol- oder gar Metropolregion gefördert<br />

werden, dass der derzeitigen Verdichtung der<br />

Kernstädte überlegen ist.<br />

M.Sc. Marcel Cardinali<br />

<strong>urbanLab</strong> - Koordination Forschung<br />

ist Mitglied im <strong>urbanLab</strong> an der Hochschule OWL und koordiniert dort<br />

als Wissenschaftlicher Mitarbeiter die Forschungs- und Projektarbeit.<br />

Er beschäftigt sich mit den Auswirkungen von gebautem Raum auf<br />

die menschliche Umwelt, untersucht die Wechselwirkungen zwischen<br />

den einzelnen Handlungsfeldern in der Stadtplanung und plädiert für<br />

eine soziale Architektur, die ihre Verantwortung für den menschlich<br />

geformten Lebensraum ernst nimmt.


Prof. Oliver Hall, Marcel Cardinali<br />

16<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Wachstum in Kooperation<br />

Internationaler eingeladener studentischer Ideenwettbewerb<br />

Mit dem Studierendenwettbewerb waren die Teilnehmer dazu eingeladen<br />

Visionen, Bilder, Lösungsansätze und mögliche Szenarien zu entwickeln,<br />

die eine ergebnisoffene Fachdebatte ermöglichen zu dem immer drängender<br />

werdenden Problem der Wohnraumversorgung, das nicht nur in den Großstädten<br />

gelöst werden kann. Für die NRW.BANK, das <strong>urbanLab</strong> der Hochschule OWL und<br />

das Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft der Universität Leipzig hat die<br />

Durchführung und Auswertung des Studierendenwettbewerbs vielfältige Lösungsansätze<br />

für neue Wohnangebote im Umland zu Tage gefördert, die in der Lage<br />

sind Impulse für die Diskussion um zukünftige Flächenausweisungen – nicht nur<br />

in den bearbeiteten Plangebieten - zu unterstützen.


Anlass<br />

Die Zeichen stehen in einigen Regionen Nordrhein-Westfalens<br />

ganz klar wieder auf Wachstum. Durch Binnenwanderung,<br />

Zuwanderung von Arbeitskräften sowie den Zuzug<br />

von Geflüchteten entsteht eine Wohnungsnachfrage, die<br />

in vielen Fällen nicht allein durch Nachverdichtung gedeckt<br />

werden kann. Für alle Regionen, die stellvertretend an diesem<br />

studentischen Wettbewerb teilnehmen, kommt eine<br />

Modellrechnung des ehemaligen Ministeriums für Bauen,<br />

Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW<br />

(MBWSV) und der NRW.BANK zu dem Ergebnis, dass eine<br />

Steigerung des jährlichen Netto-Neubauniveaus um ein<br />

Vielfaches des bisher Realisierten zwingend erforderlich ist.<br />

In unserer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft konzentriert<br />

sich der Nachfragedruck auf den Wohnungsmärkten<br />

dabei nach wie vor auf die regionalen Zentren, weil sie<br />

Arbeit, Kultur, Freizeit und Bildung in erreichbarer Nähe<br />

vorhalten, allerdings mit zunehmenden und auch spürbaren<br />

Auswirkungen in der jeweiligen Region. Die erhebliche<br />

Nachfrage nach neuem Wohnraum kann nicht von den<br />

regionalen Zentren alleine getragen werden. Ihre Flächenreserven<br />

sind begrenzt. Die Nachverdichtung bestehender<br />

Quartiere oder die Nutzung vorhandener Baulandreserven<br />

reichen bei Weitem nicht mehr aus, so dass sich der Blick<br />

inzwischen deutlich auf die Nachbarkommunen der Kernstädte<br />

in den Regionen richtet.<br />

Der enorme Druck auf die Wohnungsmärkte macht es<br />

erforderlich, Stadt- und Siedlungserweiterungen wieder<br />

als Lösungsbausteine in Betracht zu ziehen, obwohl sie in<br />

Zeiten der Schrumpfung, aber auch der Nachhaltigkeit und<br />

dem Leitbild der Stadt der kurzen Wege oft als nicht zeitgemäß<br />

und konsensfähig galten. Gleichzeitig steht der Neuentwicklung<br />

von Bauland das Flächenziel der Bundesregierung<br />

entgegen, die Neuversiegelung auf 30 Hektar am<br />

Tag zu begrenzen. Insbesondere Siedlungserweiterungen<br />

werden jedoch meist mit einem hohen Versiegelungsgrad,<br />

der Inanspruchnahme von Naturräumen und einem starken<br />

Individualverkehr in Verbindung gebracht. In der zweiten<br />

Hälfte des 20. Jahrhunderts sind so vielerorts monofunktionale<br />

Einfamilienhausgebiete in den Regionen entstanden,<br />

die kaum einen Bezug zu ihren Kernstädten haben, auch<br />

wenn die Anziehungskraft dieser Räume in der Regel der<br />

Grund ist, warum sie entstanden sind.<br />

Zukünftige Quartiersentwicklungen stehen demzufolge<br />

vor der Herausforderung, die täglichen Bedürfnisse der<br />

Bewohner auch abseits der regionalen Zentren glaubhaft<br />

abzubilden und die Abhängigkeit dieser Gebiete vom motorisierten<br />

Individualverkehr zu verringern. Gerade auch vor<br />

dem Hintergrund, dass das Wohnen in den klassischen<br />

Stadterweiterungen ansonsten nur für wenige Milieus und<br />

Lebensstile in Frage kommt und so die Ausdifferenzierung<br />

der Gesellschaft auch im regionalen Maßstab immer weiter<br />

fördert. Nicht zuletzt gilt es, eine angemessene Urbanität<br />

und Durchmischung zu erzeugen, die einhergehen mit einer<br />

hohen Wohnqualität, schonendem Umgang mit Grund<br />

und Boden sowie minimaler Flächenversiegelung.<br />

Die aktuell erforderlichen Wohnungsbauaktivitäten dürfen<br />

sich deswegen nicht auf sich selbst und den Ort beschränken,<br />

sondern müssen die Vernetzung mit ihrer Region und<br />

der ihr innewohnenden Qualitäten mitdenken und fördern.<br />

Nur so kann die gesamte Region dauerhaft von den aktuellen<br />

Entwicklungen profitieren und der Nachfragedruck<br />

innerhalb der Region verteilt werden. Gleichzeitig besteht<br />

so die Möglichkeit, regionaler Segregation entgegenzuwirken<br />

und die hohen Miet- und Kaufpreise der Zentren abzufedern.<br />

Für die Nachbarkommunen der Kernstädte in den<br />

Regionen bietet sich zudem die Chance, ihre Wohnungsangebote<br />

zu heterogenisieren und dabei Verdichtungspotentiale<br />

innerhalb ihrer Stadt- und Siedlungskerne zu nutzen.<br />

Wettbewerbsaufgabe<br />

Zu dem studentischen Ideenwettbewerb waren über 300<br />

Studierende der Fachrichtungen Stadtplanung, Raumplanung,<br />

Architektur und Landschaftsarchitektur aus Deutschland,<br />

Österreich und den Niederlanden eingeladen. Sie<br />

waren aufgefordert für eines der ausgelobten Plangebiete<br />

eine Lösung zu entwerfen, die die Potentiale und Ressourcen<br />

des Entwurfsgebiets, seiner Umgebung und der Region<br />

zu einer nachhaltigen Gesamtlösung führt. Es sollte eine<br />

Strategie entwickelt werden, die das Quartier mit der Region<br />

und der Umgebung sinnvoll verknüpft und ein resilientes<br />

und innovatives Konzept für zukünftige Flächenausweisungen<br />

aufzeigt. Im Kern ging es dabei um folgende Fragen:<br />

• Wie sehen attraktive Quartiere in den Umlandgemeinden<br />

von Kernstädten aus, die in der Lage<br />

sind die Anforderungen Wohnungssuchender zu<br />

erfüllen, die eigentlich urban wohnen wollen?<br />

• Welche Wohnraumangebote müssen solche<br />

Quartiere im Unterschied zum klassischen,<br />

vermeintlich marktkonformen Einfamilienhaus<br />

bereithalten?<br />

• Wie kann eine Vernetzung dieser Quartiere mit<br />

Kommune und Kernstadt sichergestellt werden,<br />

die die Abhängigkeit vom Auto verringert?<br />

Erwartet wurde ein sensibler Umgang mit den Anforderungen<br />

verschiedenster Nutzer und ihrer Wohnbedürfnisse<br />

sowie den Anforderungen und Angeboten von Stadt und<br />

Region. Gleichzeitig sollten sich die Studierenden mit der<br />

Thematik der Wachstumsprozesse und einer an den konkreten<br />

Standort angepassten Dichte auseinandersetzen.<br />

Dabei sollten die Vorzüge der Region mit denen der Kernstadt<br />

nachvollziehbar miteinander verknüpft werden und so<br />

eine differenzierte und nachfragegerechte Wohnraumversorgung<br />

verschiedenster Milieus über kommunale Grenzen<br />

hinweg sicherstellen.<br />

Gefordert wurde ein Entwurf an der Schnittstelle von Stadt,<br />

Freiraum und Architektur, der zeigt, wie die unterschiedlichen<br />

Anforderungen an Wohnraum von Kernstadt und<br />

Nachbarkommunen in Beziehung gesetzt werden können<br />

und wie sowohl die regionalen Zentren als auch die<br />

unmittelbar angrenzenden Kommunen davon profitieren<br />

17<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN


18<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

können. Dies manifestiert sich in der klugen Anordnung<br />

von Nutz- und Wohnräumen sowie intelligenten Mobilitätsangeboten,<br />

insbesondere wenn eigene PKWs nicht<br />

zur Verfügung stehen, aber auch in differenzierten Grundrissen,<br />

unterschiedlichen Bauformen, in wohnungsnahen<br />

und quartiersbezogenen Freiräumen sowie ausgewählten<br />

Dienstleistungsangeboten. Es sollten modellhafte und visionäre<br />

Konzepte für zukünftige Flächenausweisungen in<br />

den Regionen, die auf der Ebene des Quartiers mögliche<br />

Handlungs-, Lösungs- und Entwicklungsansätze aufzeigen,<br />

entwickelt werden.<br />

Die innovativen Lösungen der Studierenden<br />

Jede Region stellte den Studierenden zwei Wettbewerbsgebiete<br />

im Umland zur Auswahl, so dass im Herbst 2017<br />

drei hochkarätig besetzte regionale Preisgerichtssitzungen<br />

mit insgesamt 34 Preisrichtern notwendig waren, um aus<br />

den insgesamt 69 eingereichten Arbeiten, die 17 besten<br />

Arbeiten der sechs Wettbewerbsgebiete zu küren.<br />

Das Preisgericht entschied jeweils regional über die Preisvergabe<br />

der insgesamt ca. 70 eingereichten Arbeiten. An<br />

drei Terminen im Herbst 2017 trafen sich die Preisgerichte<br />

in Detmold für die Region Bielefeld, in Telgte für die Region<br />

Münster und in Düsseldorf für die Region Düsseldorf,<br />

um die Preisträger aus den Wettbewerbsregionen auszuwählen.<br />

Die regionalen Preisgerichte setzte sich jeweils<br />

aus Vertretern der Kommunen, von Hochschulen, der<br />

Wohnungswirtschaft, von Investoren, des Ministeriums<br />

für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des<br />

Landes NRW sowie weiteren Fachleuten zusammen. Am<br />

Ende wurden 17 Preisträger aus den hochwertigen Wettbewerbsbeiträgen<br />

ausgewählt, die sich auf Studierende der<br />

Hochschulen aus Aachen, Hannover, Bochum, Dortmund,<br />

Kassel, Aachen und Wien verteilten.<br />

Die Standorte<br />

Die Wettbewerbsaufgabe reagierte auf die unterschiedlichen<br />

Anforderungen der Regionen in Nordrhein-Westfalen.<br />

Dabei standen drei Wettbewerbsregionen stellvertretend<br />

für die unterschiedlichen Wachstumstypen: Die Region<br />

Düsseldorf für den Typ stark wachsende, stark verdichtete<br />

Agglomeration; die Region Münster für den Typ einer stabilen<br />

und prosperierenden Kernstadt in einem ländlich<br />

geprägten Umfeld sowie die Region Bielefeld stellvertretend<br />

für eine Regiopole mit mehreren städtischen Wachstumskernen.<br />

Jede Region stellte den Studierenden zwei<br />

Wettbewerbsgebiete im Umland zur Auswahl, bei denen es<br />

sich entweder um Nachnutzung oder Siedlungserweiterungen<br />

handelte (siehe Seite 20).<br />

Region Düsseldorf<br />

Auslober:<br />

Wettbewerbsorganisation und -koordination:<br />

Region Münster<br />

in Kooperation mit dem:<br />

ISB<br />

Institut für Stadtentwicklung und<br />

Bauwirtschaft - Universität Leipzig<br />

Region Bielefeld


19<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Preisgericht der Region Bielefeld: v.l. Henning Schulz (Bürgermeister Gütersloh), Dr.Uwe Günther, Prof. Bettina Mons (FH Bielefeld), Dr. Kirsten Witte (Bertelsmann Stiftung),<br />

Prof.Johannes Ringel (ISB), Dietrich Suhlrie (NRW.BANK), Marcel Cardinali (<strong>urbanLab</strong> - Vorprüfung) Foto: <strong>urbanLab</strong><br />

Das Preisgericht<br />

Region Düsseldorf<br />

Prof. Johannes Ringel<br />

Direktor des Instituts für Stadtentwicklung und<br />

Bauwirtschaft an der Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultät der Universität Leipzig und Gesellschafter<br />

bei RKW Architektur + (Juryvorsitz)<br />

Michael Arns<br />

Vizepräsident der Architektenkammer NRW<br />

Michael Assenmacher<br />

Technischer Beigeordneter Stadt Meerbusch<br />

Rüdiger Bleck<br />

Ressortleiter Stadtentwicklung und Städtebau Stadt<br />

Wuppertal<br />

Dr. Markus Bradtke<br />

Stadtbaurat Stadt Bochum<br />

Oliver Brügge<br />

Montag Stiftung Urbane Räume<br />

Edmund Grewe<br />

Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und<br />

Gleichstellung NRW<br />

Dr. Uwe Günther<br />

ehem. Abteilungsleiter Bauministerium NRW<br />

Ruth Orzessek-Kruppa<br />

Leiterin Stadtplanungsamt Stadt Düsseldorf<br />

Marco Witte<br />

Witte Projektmanagement GmbH<br />

Region Bielefeld<br />

Prof. Johannes Ringel<br />

Direktor des Instituts für Stadtentwicklung und<br />

Bauwirtschaft an der Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultät der Universität Leipzig und Gesellschafter<br />

bei RKW Architektur + (Juryvorsitz)<br />

Ulrich Burmeister<br />

Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und<br />

Gleichstellung NRW<br />

Petra Eggert-Höfel<br />

Bau- und Siedlungsgenossenschaft für den Kreis<br />

Herford eG und Verbandsdirektorin Wohnungsiwrtschaft<br />

Ostwestfalen-Lippe<br />

Dr. Uwe Günther<br />

ehem. Abteilungsleiter Bauministerium NRW<br />

Prof. Oliver Hall<br />

Hochschule Ostwestfalen-Lippe<br />

Tim Kähler<br />

Bürgermeister Stadt Herford<br />

Prof. Bettina Mons<br />

FH Bielefeld - Architektur<br />

Gregor Moss<br />

Beigeordneter Stadt Bielefeld<br />

Hartwig Schultheiß<br />

hs urban GmbH<br />

Henning Schulz<br />

Bürgermeister Stadt Gütersloh<br />

Dr. Kirsten Witte<br />

Bertelsmann Stiftung<br />

Region Münster<br />

Prof. Johannes Ringel<br />

Direktor des Instituts für Stadtentwicklung und<br />

Bauwirtschaft an der Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultät der Universität Leipzig und Gesellschafter<br />

bei RKW Architektur + (Juryvorsitz)<br />

Joachim Boll<br />

start.klar.projekt.kommunikation<br />

Gordon Brandenfels<br />

brandenfels landscape + environment<br />

Max Delius<br />

Wohn+Stadtbau Münster<br />

Robin Denstorff<br />

Stadtbaurat Stadt Münster<br />

Gerburgis Gievert<br />

LVM Versicherungen<br />

Reinhold Ginski<br />

Fachbereichsleiter Bauwesen Stadt Telgte<br />

Edmund Grewe<br />

Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und<br />

Gleichstellung NRW<br />

Dr. Uwe Günther<br />

ehem. Abteilungsleiter Bauministerium NRW<br />

Ulrich Paßlick<br />

ehem. Stadtbaurat Stadt Bocholt<br />

Univ.-Prof- Dr.-Ing. Ulrike Reutter<br />

Bergische Universität Wuppertal<br />

Christoph Rövekamp<br />

Gemeinde Altenberge<br />

Prof. Joachim Schultz-Granberg<br />

FH Münster msa


Die Standorte - Planungsfall Siedlungserweiterung<br />

20<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Altenberge - Bahnhofshügel<br />

Region Münster<br />

17 Kilometer nördlich der Universitätsstadt<br />

Münster und südlich der<br />

Kreisstadt Steinfurt liegt die Gemeinde<br />

Altenberge mit rund 10.000<br />

Einwohnern. Charakteristisch für<br />

Altenberge ist seine topografische<br />

Lage, die eine Rundsicht über das<br />

Münsterland bis zum Teutoburger<br />

Wald ermöglicht und zum Wandern<br />

und Spazieren einlädt.<br />

Das Wettbewerbsgebiet ist der etwas<br />

über 11 ha große Bahnhofshügel,<br />

der von West nach Ost abfällt<br />

und insgesamt eine Höhendifferenz<br />

von rund 30 Metern aufweist. Umschlossen<br />

ist das Gebiet im Norden<br />

von der Bahnhofstraße, im Osten von<br />

der innerörtlichen Entlastungsstraße<br />

„An der alten Molkerei“, im Westen<br />

vom kommunalen Friedhof und im<br />

Süden von klassischen Einfamilienhausgebieten.<br />

Auf dem Gelände „An<br />

der alten Molkerei“ bestehen bereits<br />

mehrere Nahversorgungsangebote,<br />

die für eine zukünftige Entwicklung<br />

der Fläche genutzt werden können.<br />

Mit dem Bebauungsplan „Bahnhofshügel<br />

Teil I“ wurden an dieser<br />

östlichen Plangebietsgrenze bereits<br />

erste Entwicklungen angestoßen<br />

und die Haupterschließung für das<br />

Gebiet ist sichergestellt. Die Anbindung<br />

des Plangebiets an die Region<br />

zeichnet sich durch die Nähe zum<br />

Bahnhof Altenberge aus, der fußläufig<br />

erreichbar ist. Der Anschluss an<br />

die B54 begünstigt auch die Anbindung<br />

Richtung Münster und Steinfurt<br />

und gewährleistet einen indirekten<br />

Anschluss an das Autobahnnetz<br />

(A1 und A30).<br />

Telgte - Telgte Süd<br />

Region Münster<br />

12 Kilometer östlich von Münster<br />

im Kreis Warendorf liegt die Kleinstadt<br />

Telgte mit rund 19.500 Einwohnern.<br />

Bekannt ist die Stadt als<br />

Wallfahrtsort, sie bietet viele historische<br />

und kulturelle Anlaufstellen.<br />

Umschlossen von der Wolbecker<br />

Straße und der Alverskirchner Straße<br />

erstreckt sich das ca. 13 ha große<br />

Planungsgebiet „Telgte-Süd“.<br />

Für das Gelände liegt bereits eine<br />

Rahmenplanung vor, die aber im<br />

Zusammenhang mit der gestellten<br />

Wettbewerbsaufgabe ergebnisoffen<br />

hinsichtlich einer angemessenen<br />

Dichte und unterschiedlicher<br />

Wohnformen überdacht werden<br />

soll. Am südlichen Rand des Planungsgebiets<br />

ist eine Fortführung<br />

der südlichen Umgehungsstraße K 50<br />

in Richtung Münster– Warendorf<br />

geplant. Das Gelände ist über den<br />

800 Meter entfernten Bahnhof an<br />

die Strecke Münster–Bielefeld angeschlossen<br />

und zusätzlich durch<br />

verschiedene Buslinien im Randbereich<br />

der Fläche erschlossen.<br />

Meerbusch - Bovert Nord Ost<br />

Region Düsseldorf<br />

In direkter Nachbarschaft zu Düsseldorf<br />

liegt im Nordwesten die Stadt<br />

Meerbusch mit rund 55.000 Einwohnern.<br />

Das etwa 40 ha große Gebiet<br />

„Bovert-Nordost“ befindet sich in<br />

städtischem Besitz und ist derzeit<br />

durch seinen hohen Anteil landwirtschaftlicher<br />

Nutzung geprägt. Aufgrund<br />

seiner guten Anbindung an<br />

den öffentlichen Nahverkehr ist es<br />

im Regionalplanentwurf als Sondierungsfläche<br />

ausgewiesen. Zukünftige<br />

Entwicklungen müssen jedoch<br />

die Ablesbarkeit der eigenständigen<br />

Stadtteile Osterath undStrümp sicherstellen.<br />

Das Wettbewerbsgebiet<br />

liegt 13 Kilometer von der Stadtmitte<br />

Düsseldorfs entfernt und ist über die<br />

A57 sowie die U-Bahn-Haltestelle<br />

Bovert direkt an die Düsseldorfer Innenstadt<br />

und die Region angebunden.<br />

In einem weiteren Wettbewerbsverfahren<br />

wird das nahegelegene<br />

Gebiet „Kamper Weg“ westlich der<br />

A57 entwickelt. Das verdeutlicht die<br />

städtebaulichen Entwicklungsdimensionen<br />

der Stadt Meerbusch.


Die Standorte - Planungsfall Nachnutzung mit oder ohne Bestand<br />

21<br />

Wuppertal - Lokschuppengelände<br />

Region Düsseldorf<br />

Rund 350.000 Einwohner zählt die<br />

Stadt Wuppertal, die in 35 Kilometern<br />

Entfernung von Düsseldorf liegt.<br />

Das Planungsgebiet Vohwinkel ist<br />

ein ca. 5,5 ha großes ehemaliges<br />

Lokschuppen-Gelände. Während die<br />

Fläche selbst nahezu eben ist, sind<br />

ihre Ränder teilweise durch starke<br />

Hanglagen geprägt. Die Veränderung<br />

des Höhenniveaus führt neben den<br />

engen angrenzenden Straßenräumen<br />

zu einer schwierigen Erschließung<br />

der Fläche. Das Umfeld ist durch den<br />

nördlich angrenzenden Wohnungsbestand<br />

und die südlich des Plangebiets<br />

gelegene, stark befahrene<br />

ICE-Trasse geprägt. Das Gelände<br />

befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

des Vohwinkeler Bahnhofs,<br />

des Zentrums von Vohwinkel sowie<br />

der Nordbahntrasse. Durch die Nähe<br />

zum Bahnhof und die hervorragende<br />

Anbindung Richtung Düsseldorf<br />

ist die Fläche insbesondere auch für<br />

Pendler nach Düsseldorf als Wohnstandort<br />

interessant.<br />

Herford - Hammersmith Kaserne<br />

Region Bielefeld<br />

In direkter Nachbarschaft zur<br />

Stadt Bielefeld liegt im Norden<br />

die Kreisstadt Herford mit rund<br />

66.000 Einwohnern. Das Gebiet<br />

der Hammersmith-Kaserne auf<br />

dem Stiftberg befindet sich nur<br />

zwei Kilometer von Innenstadt und<br />

Bahnhof entfernt. Es bildet zusammen<br />

mit der Wentworth-Kaserne<br />

einen ehemaligen Doppelstandort<br />

der britischen Streitkräfte. Während<br />

auf Letzterer bereits der „BildungsCampus<br />

Herford“ realisiert<br />

wird, sind die nördlich angrenzende<br />

Hammersmith-Kaserne und<br />

das Wohnquartier Birkenstraße<br />

im Südosten noch städtebaulich<br />

zu entwickeln. Insgesamt sollen<br />

alle drei Teilbereiche zusammen<br />

gedacht und in eine gemeinsame<br />

Entwicklungsstrategie integriert<br />

werden.<br />

Das Hammersmith-Kasernenareal ist<br />

etwa 10 ha groß und durch ein terrassenartiges<br />

Gelände geprägt. Der vorhandene<br />

Gebäudebestand steht nicht<br />

unter Denkmalschutz, gleichwohl sind<br />

einige Gebäude erhaltenswert. Das<br />

Quartier Birkenstraße besteht derzeit<br />

zum größten Teil aus Reihenhäusern<br />

und Geschosswohnungsbau mit<br />

insgesamt ca. 200 Wohneinheiten.<br />

Auch wenn die beiden Gebiete nur<br />

wenige Kilometer von der Innenstadt<br />

entfernt liegen, sind sie derzeit nicht<br />

ausreichend durch den öffentlichen<br />

Nahverkehr erschlossen. Auch die<br />

wohnortnahe Versorgung ist unterdurchschnittlich.<br />

Gütersloh - Wentworth Kaserne<br />

Region Bielefeld<br />

Im Südwesten von Bielefeld liegt die<br />

Kreisstadt Gütersloh mit rund 95.000<br />

Einwohnern. Das Areal der Mansergh<br />

Barracks ist rund 37 ha groß und<br />

befindet sich südlich der Dalke im<br />

Stadtteil Sundern. Es handelt sich<br />

um eine Kaserne der britischen Armee,<br />

die ab 2019 geräumt werden<br />

soll. Die Fachhochschule Bielefeld<br />

erwägt perspektivisch, ihren Standort<br />

in Gütersloh deutlich zu vergrößern,<br />

und hat hierfür das Gelände der Mansergh<br />

Barracks ins Auge gefasst. Die<br />

bestehende Baustruktur der Kaserne<br />

steht nicht unter Denkmalschutz, ist<br />

aber in großen Teilen architektonisch<br />

prägend und erhaltenswert. Sie besteht<br />

aus blockartigen Bauformen<br />

mit Wohngebäuden, Lagern und<br />

Werkstätten. Der östliche Teilbereich<br />

beherbergt schulische Einrichtungen.<br />

Im Norden und Osten befinden sich<br />

diverse Sportanlagen. Die angrenzenden<br />

Siedlungsbereiche sind durch<br />

landwirtschaftliche und gewerbliche<br />

Nutzungen geprägt. Zu Fuß erreicht<br />

man die Gütersloher Innenstadt und<br />

den Hauptbahnhof mit IC- und ICE-<br />

Halt in etwa 25 Minuten. Zudem<br />

befindet sich in unmittelbarer Nähe<br />

des Geländes eine Bushaltestelle für<br />

mehrere Stadtbus- und Regionallinien.<br />

Mittelfristig besteht die Option,<br />

die im Abstand von circa 250 Metern<br />

südwestlich vorbeiführende Linie der<br />

Teutoburger Wald-Eisenbahn (TWE)<br />

zu reaktivieren. Gleichzeitig gelangt<br />

man in wenigen Minuten auf die A2<br />

und hat damit den Anschluss in die<br />

Region und darüber hinaus.<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN


Polina Popova, Vanessa Nett, Felix Bollmann<br />

Hochschule Bochum, Bachelor Architektur, Prof. Andreas Fritzen, Dipl.-Ing. Sarah Gräfer<br />

22<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Bahnhofshügel Altenberge<br />

Altenberge<br />

1. Platz - 1.200 Euro Preisgeld<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Der Entwurf besticht durch seine klare und nachvollziehbare<br />

Konzeptherleitung und die daraus resultierende<br />

gekonnte Einbindung des Bestands. Umsäumt<br />

werden die entworfenen Hofstrukturen durch einen<br />

mäandernden Grünzug, der den Bewohnern ein gelungenes<br />

Erholungsgebiet zur Verfügung stellt, auf gelungene<br />

Art Bezüge zur bestehenden Nachbarschaft<br />

herstellt und die Topografie des Plangebiets gekonnt<br />

in den Entwurf integriert, um eine nachhaltige Regenwasserbewirtschaftung<br />

anbieten zu können. Der ruhende<br />

Verkehr ist aktuell maßstäblich den Wohnbereichen<br />

zugeordnet, ohne die Wohnqualitäten zu stören.<br />

Insgesamt handelt es sich bei dem Entwurf um ein<br />

durchdachtes Konzept, das sich für die Entwicklung<br />

dieses Standorts in vielen Aspekten empfiehlt und<br />

neue Wohnformen für Neuzugezogene, aber auch für<br />

die ansässige Bevölkerung bereitstellen kann.<br />

Leitbild


23<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Vertiefungsbereich o.M.


24<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Axonometrie Nutzungskonzept<br />

Perspektive Innenhof


25<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Perspektive Park


Henry Dahl, Jonas Rödel, Karolina Sosniak<br />

Hochschule Bochum, Bachelor Architektur, Prof. Andreas Fritzen, Dipl.-Ing. Sarah Gräfer<br />

26<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Gemeinsam zukunftsfähig leben<br />

Telgte<br />

1. Platz - 1.200 Euro Preisgeld<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Die Arbeit überzeugt durch ihre Ausbildung des<br />

neuen Stadtrands und die Verzahnung zwischen<br />

bebautem und unbebautem Raum. Dabei integrieren<br />

die Verfasser gleichzeitig auch eine neue Typologie<br />

für Telgte, die in Maßstäblichkeit und Bauform<br />

zum Bestand passt. Der Nutzungsmix ist gelungen<br />

und die Idee der Ausbildung einer Nachbarschaft<br />

innerhalb der Höfe macht das Quartier zu einem<br />

lebenswerten durchmischten neuen Stadtteil. Die<br />

Ausbildung eines großen Parks, der Alt und Neu<br />

verbindet und Funktionen anbietet, die sowohl den<br />

alteingesessenen als auch den neuen Bewohnern<br />

dienen, wird als besonders positiv bewertet. Die<br />

konzeptionell stringente Trennung von Pkw-Verkehr<br />

und Radverkehr nimmt folgerichtig die Verschränkung<br />

von Landschaft und bebautem Raum auf.<br />

Die unterschiedlichen Milieus, die sich in eigenen<br />

kleinen Gruppierungen zusammenfinden, ergeben<br />

zusammen mit dem qualitätvollen Wohnumfeld einen<br />

wichtigen Impuls für neue Wohnangebote in<br />

der Region, die in der Lage sind, den Druck auf den<br />

Wohnungsmarkt der Kernstadt zu entlasten.


27<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Axonometrie Entwurfsgebiet<br />

Analyse Innenhöfe


28<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Perspektive Park<br />

Perspektive Innenhof


29<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Vertiefungsbereich o.M.<br />

Schnittansicht o.M.<br />

Schnittansicht o.M.


Maximilian Agricola, Maximilian Voss, Lukas Beckert<br />

Hochschule Bochum, BA Architektur, Prof. Andreas Fritzen, Dipl.-Ing. Sarah Gräfer<br />

30<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Altenberghain<br />

Altenberge<br />

2. Platz - 800 Euro Preisgeld<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Die Entwurfsverfasser schaffen eine klare städtebauliche<br />

Struktur, die die zukünftige Allee an der Bahnhofsstraße<br />

im Norden sowie die kleinteilige Bestandsstruktur<br />

im Süden angemessen berücksichtigt. Das<br />

Preisgericht würdigt insbesondere den Ansatz, Wohnangebote<br />

für Jung und Alt zusammenzubringen, und<br />

wertet das als einen möglichen Lösungsansatz für die<br />

von Einfamilienhäusern geprägten Wohnstandorte wie<br />

Altenberge. Das Verkehrskonzept ist ebenfalls schlüssig<br />

strukturiert und bietet mit ÖPNV und Sharing-Angeboten<br />

Anreize für eine nachhaltige Mobilität. Kritisch<br />

bewertet das Preisgericht den introvertierten Grünraum,<br />

der sich in seinen Bewegungsrichtungen nicht in<br />

den Bestand integriert.<br />

Leitbild


31<br />

Entwurfsbeschreibung<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Vertiefungsbereich o.M.<br />

Diagramm<br />

Prinzipschnitt o.M.


Franziska Fischer, Lisa Wulff, Lena Wollenweber<br />

Hochschule Bochum, BA Architektur, Prof. Andreas Fritzen, Dipl.-Ing. Sarah Gräfer<br />

32<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

mehrSTATTland<br />

Telgte<br />

3. Platz - 400 Euro Preisgeld<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Konzept<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Die Arbeit reflektiert zunächst den regionalen Kontext<br />

des Bearbeitungsgrundstücks im Verhältnis zu Münster<br />

mit Aspekten zu Lebensmustern, Bildung, Mobilität und<br />

phasenweiser Entwicklung. Aus diesen Prämissen heraus<br />

wird ein buntes, vielfältiges Repertoire von Höfen<br />

entwickelt, die jeweils aus verschiedenen typologischen<br />

Bausteinen bestehen und durch eine grüne Fuge angemessen<br />

mit dem nördlichen Bestand verbunden werden.<br />

Die bestehenden Höfe werden in das Konzept integriert,<br />

übernehmen Funktionen des Gemeinbedarfs und dienen<br />

als Mittelpunkt des neuen Quartiers. Das Preisgericht<br />

begrüßt den zentralen Gedanken des Wohnkonzepts,<br />

aus dem glaubhaft nachbarschaftliche Wohngemeinschaften<br />

entstehen können, sowie einige Vorschläge für<br />

zukünftige Mobilität, weist aber auch auf Schwächen in<br />

der Durcharbeitung hinsichtlich der Ausrichtung und Orientierung<br />

von Gebäuden und Gärten hin.


33<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Vertiefungsbereich o.M.<br />

Axonometrie<br />

Konzepterklärungen


David Laska, Kyrylo Sobolyev, Marija Lawrinjuk<br />

Hochschule Bochum, Bachelor Architektur, Prof. Andreas Fritzen, Dipl.-Ing. Sarah Gräfer<br />

34<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Telgte+<br />

Telgte<br />

Ankauf - 300 Euro Preisgeld<br />

Axonometrie<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Die Verfasser entwerfen ein klar gegliedertes Quartier,<br />

das sich aus den vorgefundenen Bauernhöfen entwickelt<br />

und dabei intensiv mit neuen Wohnangeboten in<br />

solchen Höfen auseinandersetzt. Kritisch bewertet das<br />

Preisgericht die Verlagerung der Umgehungsstraße in<br />

das Gebiet und die schematische Wiederholung des<br />

Blockprinzips ohne städtebauliche Besonderheit oder<br />

ansprechende öffentliche Räume. Insgesamt würdigt<br />

das Preisgericht die intensive Auseinandersetzung mit<br />

neuartigen Wohnhöfen als guten Beitrag zur Diskussion<br />

um Wohnraumangebote an Standorten wie Telgte-Süd.


Ayse Bilgin, Mamoun Nkangabanshi, Rima El-Salti<br />

Hochschule Bochum, Bachelor Architektur, Prof. Andreas Fritzen, Dipl.-Ing. Sarah Gräfer<br />

Gemeinsam gesund umweltbewusst<br />

Altenberge<br />

Ankauf - 300 Euro Preisgeld<br />

35<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Perspektive Quartiersplatz<br />

Die Arbeit entwickelt aufgelockerte Blockstrukturen<br />

um eine verspringende grüne Mittelachse, die sich zu<br />

einer interessanten Freiraumfolge entfaltet. Das Preisgericht<br />

lobt hierbei das Zusammenspiel zwischen öffentlichen<br />

Nutzungen und Freiräumen, die interessante<br />

und lebendige Räume erwarten lassen. Auch die Aus-<br />

Vertiefungsbereich o.M.<br />

einandersetzung mit den Themen „Gesundheit“, „Nachhaltigkeit“<br />

und „Gemeinschaft“ wird vom Preisgericht<br />

positiv bewertet, auch wenn die Übersetzung in städtebauliche<br />

Strukturen nur schematisch ausgearbeitet<br />

ist. Kritisch sieht das Preisgericht die Ausarbeitung der<br />

Gebäudestrukturen, die an vielen Stellen eine Sensibilität<br />

gegenüber den Bestandsstrukturen vermissen lässt.


Thomas Eltner<br />

TU Dortmund, Master Architektur+Städtebau, Prof. Christoph Mäckler, Prof. Christa Reicher<br />

36<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Bahnhofsquartier am Lokschuppen<br />

Wuppertal<br />

1. Platz - 1.200 Euro Preisgeld<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Der Verfasser legt ein integriertes Konzept für das<br />

Plangebiet vor, das die Umgebung auf vorbildliche<br />

Weise einbezieht. Ausgehend vom Mobilitätsknoten<br />

am Bahnhof wird ein schlüssiges und zeitgemäßes<br />

Mobilitätskonzept und schließlich auch ein<br />

nachvollziehbarer Quartiersentwurf entwickelt. Die<br />

öffentlichen Plätze sind folgerichtig vom Bahnhof<br />

ausgehend entwickelt. Darüber hinaus schlagen die<br />

Verfasser unterschiedliche Wohnformen und Typologien<br />

vor, die schlüssig hergeleitet sind und differenzierte<br />

urbane Qualitäten aufweisen. Insgesamt<br />

lobt das Preisgericht die Arbeit als einen komplexen<br />

Quartiersentwurf mit Einbindung in das Umfeld, der<br />

auf viele der in der Auslobung formulierten Fragen<br />

Lösungsvorschläge anbietet.<br />

Perspektive


37<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Rahmenplan o.M.<br />

Vertiefungsbereich o.M.


38<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Axonometrie<br />

Schnitt o.M.


39<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Typologien o.M.<br />

Perspektive Quartiersplatz


Anqi Liu, Jiuyan Fan<br />

Universität Kassel, Prof. Stefan Rettich, Prof. Ariane Röntz<br />

40<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Rural U<br />

Meerbusch<br />

1. Platz - 1.200 Euro Preisgeld<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Die Arbeit zeichnet sich durch ihre behutsame Verzahnung<br />

des vorhandenen Landschaftsraums und der<br />

neuen Siedlungs- und Freiraumstruktur aus. Durch geschickte<br />

Einschübe von Freiraumachsen werden hochwertige<br />

Wohnlagen und öffentliche Räume geschaffen,<br />

die überzeugen können. Die zurückhaltende Fortschreibung<br />

vorhandener Siedlungsstrukturen wird vom Preisgericht<br />

ebenso begrüßt wie die Lage der öffentlichen<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Räume mit dem Auftakt am vorhandenen Bahnhaltepunkt.<br />

In der Folge ergeben sich klar gegliederte öffentliche,<br />

gemeinschaftliche und private Räume mit<br />

hochwertigen Wohnlagen, die in der Lage sind, den<br />

Druck auf den Wohnungsmarkt in Düsseldorf zu mindern.<br />

Das Verkehrskonzept erscheint mit einem Stellplatzschlüssel<br />

von 1,5 bei der guten ÖPNV-Anbindung<br />

hingegen nicht zeitgemäß.


41<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Vertiefungsbereich o.M.<br />

Perspektive


42<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Perspektive<br />

Entwicklungsprozess


43<br />

Perspektive Innenhof<br />

Radfahren in Meerbusch<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Perspektive


Franziska Brörken<br />

FH Aachen, BA Architektur, Prof. Ulrich Eckey, Prof. Stefan Werrer<br />

44<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Frei Raum Vielfalt<br />

Wuppertal<br />

2. Platz - 800 Euro Preisgeld<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Die Arbeit überzeugt durch ihre klare Strukturierung des<br />

Plangebiets in fünf Baufelder, die in einer aufgelockerten<br />

Blockrandbebauung hochwertige Wohnräume anbieten<br />

und eine stufenweise Entwicklung sicherstellen.<br />

Die Nordbahntrasse wird konsequent an der Südkurve<br />

des Gebiets vorbeigeführt. Im Inneren entsteht eine gelungene<br />

Abfolge von öffentlichen, halböffentlichen und<br />

privaten Räumen. Die topografische Lage greift die<br />

Verfasserin mit gemeinsam nutzbaren gemeinschaftlichen<br />

Dachgärten auf, die durch Stege verbunden sind.<br />

Die Ausbildung eines Quartiersplatzes in Richtung des<br />

Bahnhofs wird ebenfalls begrüßt, wenngleich die Anbindung<br />

nur schematisch ausgearbeitet scheint und die<br />

Dichte des Entwurfs insgesamt in der Lage mit nur 283<br />

Wohneinheiten zu gering erscheint.<br />

Perspektive Innenhof


45<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Vertiefungsbereich o.M.<br />

Axonometrie<br />

Perspektive Quartier<br />

Schnitt o.M.


Tam Hung-Sun, Chen Chung-Yao<br />

TU Wien, BA Architektur, Prof. Christoph Luchsinger, Ass. Prof. Dr. Markus Tomaselli<br />

46<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Am Anger<br />

Meerbusch<br />

2. Platz - 800 Euro Preisgeld<br />

Axonometrie<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Basierend auf einer Anbindung an Knotenpunkten in<br />

der Umgebung entwickeln die Verfasser eine klare<br />

Struktur entlang zweier neuer Verkehrsachsen. Das<br />

Preisgericht begrüßt die Herleitung des Entwurfs aus<br />

dem Knotenpunkt der U-Bahn-Haltestelle Bovert und<br />

würdigt die klare Entwurfshaltung der Verfasser. Das<br />

Entwurfsprinzip entwickelt einen fließenden Übergang<br />

zwischen Siedlung und Landschaft, der entlang der beiden<br />

Achsen auch verdichtete Mischnutzungen enthält<br />

und sich zu den Rändern immer weiter bis zum freistehenden<br />

Einfamilienhaus an einer angerähnlichen Situation<br />

auflockert. Am Kreuzungspunkt beider Straßen<br />

sieht der Entwurf konsequent zentrale Nutzungen vor.<br />

Insgesamt würdigt das Preisgericht die Arbeit für ihren<br />

klaren konzeptionellen und strategischen Ansatz für<br />

die zukünftige Entwicklung, der sich auch in den Entwicklungsstufen<br />

widerspiegelt. Kritisch bewertet das<br />

Preisgericht die vorgeschlagene Architektur entlang<br />

der Hauptachse und die Anbindung an den Ortsteil<br />

Strümp.<br />

Konzept


47<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Konzept<br />

Entwicklungsetappe 2 o.M.<br />

Modellfoto


Maximilian Maciejewski<br />

TU Dortmund, Master Architektur + Städtebau, Prof. Christoph Mäckler<br />

48<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Quartier Vohwinkel<br />

Wuppertal<br />

3. Platz - 400 Euro Preisgeld<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Der Verfasser entwickelt ein aus der Umgebung abgeleitetes<br />

dichtes und urbanes Quartier, das ältere Bebauungsformen<br />

in Wuppertal ansprechend zitiert. Durch die<br />

entstehende Torwirkung der Eingangssituationen und<br />

die Ausbildung der öffentlichen Räume entsteht eine<br />

eigene Quartiersidentität für den Standort. Der Entwurf<br />

bietet eine hohe Dichte der Bebauung, dabei aber reizvolle,<br />

gut proportionierte, ruhige Innenhofflächen und<br />

einen angemessen dimensionierten zentralen Quartiersplatz<br />

mit Angeboten des täglichen Bedarfs. Nachteilig<br />

bewertet wird hier aus Emissionsgründen die Öffnung<br />

des Platzes zur ICE-Trasse. Insgesamt würdigt das<br />

Preisgericht die Arbeit als urbanen Quartiersentwurf<br />

und Beitrag zur Diskussion über zukünftige Entwicklungen<br />

am Standort. Kritisch bewertet das Preisgericht die<br />

Ausrichtung und Belichtung so mancher Wohneinheiten<br />

sowie die Lärmexposition entlang der Bahntrasse.<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.


49<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Vertiefungsbereich o.M.<br />

Perspektive Quartiersplatz


Hendrik Verhülsdonk, Daniel Richter<br />

RWTH Aachen University, Master Stadtplanung. Prof. Rolf Egon Westerheide<br />

50<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Der Stiftberg Herford - Alte Orte neu entdecken<br />

Herford<br />

1. Platz - 1.200 Euro Preisgeld<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Die Arbeit überzeugt besonders durch das stringente<br />

Nutzungskonzept, das viele Fragen der Auslobung<br />

adressiert. Um Bielefeld als Wohnstandort zu entlasten<br />

und dennoch die Berufspendlerströme gering zu<br />

halten, wird auf das Bielefelder Modell rekurriert. Die<br />

Wohnnutzung hebt primär auf eine generationengemischte<br />

Nutzung ab, die sich in der Baustruktur<br />

widerspiegelt. Geschosshöhen und Nachverdichtung<br />

greifen die gewachsenen sensiblen Umgebungsnutzungen<br />

auf und erlauben gleichzeitig eine wirtschaftliche<br />

Entwicklung. Eine Grünachse durchzieht ausgehend<br />

von der Reiterhalle das Gebiet in Richtung<br />

Süden über die Vlothoer Straße hinweg und verbindet<br />

damit die beiden Standorte nördlich und südlich<br />

der Straße. Die gewerbliche Nutzung, Versorgungsund<br />

Einzelhandelsnutzung werten die Wohnqualität<br />

und die Aufenthaltsqualität der zentralen Aufenthaltsachse<br />

auf, ohne durch eine Überdimensionierung<br />

die Innenstädte von Herford und Bielefeld zu<br />

schwächen. Durch die mittige Verkehrserschließung,<br />

ein Parkhaus sowie eine gute Verbindung zwischen<br />

Individualverkehr wird eine gute Verkehrsanbindung<br />

erzielt, ohne unnötige Verkehre im Wohnbereich zu<br />

erzeugen. Durch Verkehrserschließung sowie Abbruch<br />

und Neubau der westlichen Bestandsgebäude<br />

wird das Gebiet konsequent in Richtung der Umgebungsnutzung<br />

geöffnet. Die abgestufte Entwicklung<br />

inklusive der Einbindung zentraler Akteure in die<br />

Entwicklung überzeugt.


51<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Städtebaulicher Entwurf Vertiefungsbereich o.M.<br />

Herleitung der Blöcke


52<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Konzeptfindung<br />

Perspektive Boulevard<br />

Perspektive Kulturzentrum


53<br />

Geschossentwicklung<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Kennwerte Hammersmith-Kaserne<br />

Nutzungskonzept Zentrum


Susanne Tietmann, Christoph Kugelart<br />

RWTH Aachen University, Master Architektur, Prof. Rolf Egon Westerheide<br />

54<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

The Frame<br />

Gütersloh<br />

1. Platz - 1.200 Euro Preisgeld<br />

Visualisierung Quartier


Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Insgesamt legen die Entwurfsverfasser ein Konzept<br />

vor, dass die historische Nutzung achtet und gleichzeitig<br />

ein zukunftsorientiertes Wohnquartier für Gütersloh<br />

verspricht. Bei der Planung wird der Charakter<br />

des militärisch geprägten Quartiers beibehalten – die<br />

umlaufenden Panzerhallen werden erhalten und definieren<br />

den äußeren Rahmen des neuen Quartiers.<br />

Das Preisgericht lobt die flexibel nutzbaren inneren<br />

Wohnblöcke und angebotenen Grundrisse. Das wirtschaftliche<br />

Erschließungssystem bietet übersichtliche,<br />

gut hierarchisierte Straßenräume. Dem Quartier<br />

vorgelagert schlägt der Entwurf nachvollziehbar die<br />

Entwicklung des Hochschulstandorts inklusive Hotel<br />

und Mobilitätsstation vor. In der nördlichen Richtung<br />

bindet das Quartier schlüssig den Landschaftsraum<br />

der Dalke sowie Fuß- und Radwegeerschließungen in<br />

das Plangebiet ein. Das Preisgericht würdigt die differenzierten<br />

Wohnangebote zusammen mit dem qualitätvollen<br />

Wohnumfeld als ein realistisches Bild von<br />

Wohnangeboten in der Region, die in der Lage sind,<br />

den Druck auf den Wohnungsmarkt der Kernstadt<br />

Bielefeld zu entlasten und gleichzeitig den Kasernenstandort<br />

in Gütersloh zu entwickeln.<br />

55<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.


HERLEITUNG // 1. BESTANDSRAHMEN 2. NEUE GEBÄUDESTRUKTUR 3. STRASSENRÄUME<br />

56<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

SERGH BARRACKS<br />

E FRAME<br />

TRATEGIE // QUARTIERSENTWICKLUNG<br />

Zur FH Bielefeld gehören neben dem<br />

Hauptstandort zwei weitere Standorte in Minden<br />

und Gütersloh. Zwischen der FH Bielefeld und<br />

über 100 in Gütersloh ansässigen Firmen besteht<br />

eine Kooperation für ein wachsendes Angebot<br />

praxisintegrierter Studiengänge.<br />

Das Gebiet der Mansergh Barracks ist sowohl<br />

innerhalb der Stadt, als auch überregional sehr gut<br />

angebunden. Das Zentrum der Stadt ist innerhalb<br />

von zehn Minuten erreichbar. Auch die A2 in<br />

Richtung Dortmund und Bielefeld ist nur wenige<br />

Kilometer vom Standort entfernt.<br />

Die neue Mobilitätsstation reduziert nicht nur das<br />

Verkehrsaufkommen im Quartier THE FRAME.<br />

Sie fungiert einerseits als Pendlerparkplatz und<br />

bietet andererseits eCar- und eBikesharing für<br />

die flexible Anbindung an die Umgebung. Hinzu<br />

kommt die neue Haltestelle der Teutoburger-<br />

Waldbahn.<br />

Das Gebiet der Mansergh Barracks grenzt im<br />

Norden an den Dalke-Erlebnispfad. Von dort aus<br />

erreicht man in weniger als 10 Minuten Fußweg<br />

das beliebte Naherholungsgebiet des Stadtparks<br />

mit seinen Grünflächen und dem Botanischen<br />

Garten.<br />

Die Mansergh Barracks sind aktuell ein sehr<br />

introvertierter Standort. Weder von der Verler-<br />

Straße, noch von der nördlichen Dalkeseite<br />

ist es möglich, das Gebiet einzusehen und<br />

wahrzunehmen.<br />

Das neue, beliebte Stadtviertel THE FRAME,<br />

wird von der Verler-Straße aus einsehbarer<br />

gemacht und der Kreisverkehr ermöglicht eine<br />

verkehrsberuhigte Einfahrt ins Gebiet. Der<br />

Landschaftsraum an der Dalke wird durch<br />

diverse Freizeitaktivitäten belebt. Insgesamt drei<br />

Fußgängerbrücken verbinden THE FRAME mit<br />

den nördlich der Dalke gelegenen Stadtteilen.<br />

Das Gebiet der Mansergh Barracks wurde<br />

ausschließlich vom britischen Militär genutzt und<br />

war dementsprechend auch nur für Angehörige<br />

dessen zugänglich.<br />

Im Westen durch die stark befahrene Verler-Straße<br />

begrenzt, liegen die Mansergh Barracks im Nord-<br />

Osten am Naturraum. Besonders gut angebunden<br />

an eine der Haupverkehrsstraßen Güterslohs, ist<br />

das Quartier am Stadtrand trotzdem ruhig gelegen.<br />

THE FRAME wird im Westen durch einen<br />

Waldstreifen vom Lärm der Verler-Straße<br />

abgeschirmt und entsprechend konsequent zum<br />

Landschaftsraum ausgerichtet. Dieser wird als<br />

Aktivstreifen ausgebildet und dadurch erlebbar.<br />

Das Quartier wird in insgesamt zehn<br />

Baufelder aufgeteilt, die alle von<br />

einem Rahmen aus Kasernengebäuden<br />

gefasst werden. Dieser Rahmen gibt dem Quartier<br />

einerseits eine besondere historisch begründete<br />

Identität, andererseits gewährleistet er Flexibilität<br />

im Inneren.<br />

THE FRAME ergä<br />

Angebot um eine<br />

Einzelhandel und Ge<br />

beleben das Quar<br />

erlebbaren Landwirts<br />

regionale Produkte d<br />

zu erwerben.<br />

THE FRAME ist der<br />

oh optimal gelegen.<br />

lefeld und auch die<br />

der Dalke ansässigen<br />

timal gewährleistet.<br />

Im Quartier THE FRAME entsteht daher statt eines<br />

zweiten Naherholungsparks ein Aktivstreifen.<br />

Neben den restaurierten Sportplätzen aus den<br />

Mansergh Barracks werden weitere Freizeit- und<br />

Sportgelegenheiten angeboten.<br />

THE FRAME behält zwar die militaristische<br />

Struktur im baulichen Sinne bei, setzt aber<br />

nutzungstechnisch auf eine hohe Diversität.<br />

Geförderter und studentischer Wohnungsbau,<br />

Luxuswohnen und betreutes Wohnen gehen mit<br />

Gewerbe und Bildungseinrichtungen Hand in Hand.<br />

Das Quartier THE FRAME zeichnet eine hohe<br />

Flexibilität aus. Die zehn Baufelder können je nach<br />

Nachfrage gleich, oder komplett unterschiedlich<br />

behandelt werden. Wichtig ist, dass die produktive<br />

Mitte entlang der historischen Hauptachse der<br />

Kaserne beibehalten wird.<br />

In Zukunft, wenn<br />

umliegenden Stadtteile<br />

ist es wichtig, dass der<br />

erhalten und ablesbar b<br />

diesem Standort wird d<br />

Perspektive Quartiersplatz<br />

1. 2. 2. 2. 3.<br />

3.<br />

3.<br />

Bestandsrahmen<br />

// 1. BESTANDSRAHMEN HERLEITUNG 2. // NEUE 1. BESTANDSRAHMEN HERLEITUNG GEBÄUDESTRUKTUR // 2. 1. NEUE 3. BESTANDSRAHMEN STRASSENRÄUME<br />

GEBÄUDESTRUKTUR 2. NEUE 3. STRASSENRÄUME<br />

GEBÄUDESTRUKTUR 3. STRASSENRÄUME<br />

Neue Gebäudestruktur<br />

Straßenräume<br />

Herleitung<br />

ANSERGH CKS BARRACKS<br />

Das Gebiet der Mansergh Barracks Das Gebiet ist sowohl der Mansergh Das Barracks Gebiet ist der sowohl Mansergh Barracks ist sowohl<br />

innerhalb der Stadt, als auch überregional innerhalb der sehr Stadt, gut als auch innerhalb überregional der sehr Stadt, gut als auch überregional Die sehr Mansergh gut Barracks sind Die aktuell Mansergh ein sehr Barracks sind Die aktuell Mansergh ein Barracks sehr sind aktuell Im Westen ein sehr durch die stark befahrene Im Westen Verler-Straße durch die stark befahrene Im Westen Verler-Straße durch die stark befahrene<br />

angebunden. Das Zentrum der angebunden. Stadt ist innerhalb Das Zentrum der angebunden. Stadt ist innerhalb Das Zentrum der Stadt introvertierter ist innerhalb Standort. Weder introvertierter von der Verler- Standort. Weder introvertierter von der Verler- Standort. Weder von begrenzt, der Verler- liegen die Mansergh begrenzt, Barracks liegen im Nord- die Mansergh begrenzt, Barracks liegen im Nord- die Mansergh Barr<br />

von zehn Minuten erreichbar. von Auch zehn die Minuten A2 erreichbar. von Auch zehn die Minuten A2 in erreichbar. Auch Straße, die A2 noch in von der nördlichen Straße, Dalkeseite noch von der nördlichen Straße, noch Dalkeseite von der nördlichen Osten Dalkeseite am Naturraum. Besonders Osten gut am angebunden Naturraum. Besonders Osten gut am angebunden Naturraum. Besonders gu<br />

Richtung Dortmund und Bielefeld Richtung ist nur Dortmund wenige und Bielefeld Richtung ist nur Dortmund wenige und Bielefeld ist ist nur es wenige möglich, das Gebiet ist einzusehen es möglich, und das Gebiet ist einzusehen es möglich, und das Gebiet einzusehen an eine der und Haupverkehrsstraßen an eine Güterslohs, der Haupverkehrsstraßen ist an eine Güterslohs, der Haupverkehrsstraßen ist<br />

G<br />

Kilometer vom Standort entfernt. Kilometer vom Standort entfernt. Kilometer vom Standort entfernt. wahrzunehmen.<br />

wahrzunehmen.<br />

wahrzunehmen.<br />

das Quartier am Stadtrand trotzdem das Quartier ruhig gelegen. am Stadtrand trotzdem das Quartier ruhig am gelegen. Stadtrand trotzdem<br />

Die neue Mobilitätsstation reduziert Die neue nicht Mobilitätsstation nur das reduziert Die neue nicht Mobilitätsstation nur das reduziert nicht Das neue, nur das beliebte Stadtviertel Das THE neue, FRAME, beliebte Stadtviertel Das neue, THE FRAME, beliebte Stadtviertel THE THE FRAME,<br />

wird im Westen THE durch FRAME einen wird im Westen THE FRAME durch einen wird im Westen THE durch FRAME einen ergänzt das<br />

Verkehrsaufkommen im Quartier Verkehrsaufkommen THE FRAME. im Quartier Verkehrsaufkommen THE FRAME. im Quartier THE wird FRAME. von der Verler-Straße wird aus einsehbarer von der Verler-Straße wird aus von einsehbarer der Verler-Straße aus Waldstreifen einsehbarer vom Lärm der Waldstreifen Verler-Straße vom Lärm Waldstreifen der Verler-Straße vom Lärm der Angebot Verler-Straße um eine neue<br />

Sie fungiert einerseits als Pendlerparkplatz Sie fungiert einerseits und als Pendlerparkplatz Sie fungiert einerseits und als Pendlerparkplatz gemacht und<br />

der Kreisverkehr gemacht ermöglicht und eine der Kreisverkehr gemacht ermöglicht und der eine Kreisverkehr ermöglicht abgeschirmt eine und entsprechend abgeschirmt konsequent und zum entsprechend abgeschirmt konsequent und zum entsprechend konsequent Einzelhandel zum und Geschäfte,<br />

bietet andererseits eCar- und bietet eBikesharing andererseits für eCar- und bietet eBikesharing andererseits für eCar- und eBikesharing verkehrsberuhigte für Einfahrt verkehrsberuhigte ins Gebiet. Der Einfahrt verkehrsberuhigte ins Gebiet. Der Einfahrt ins Landschaftsraum Gebiet. Der ausgerichtet. Landschaftsraum Dieser wird als ausgerichtet. Landschaftsraum Dieser wird als ausgerichtet. Dieser beleben wird das als Quartier. D<br />

die flexible Anbindung an die die Umgebung. flexible Anbindung Hinzu an die die Umgebung. flexible Anbindung Hinzu an die Umgebung. Landschaftsraum Hinzu an der Dalke Landschaftsraum wird durch an der Landschaftsraum Dalke wird durch an der Dalke Aktivstreifen wird durch ausgebildet und dadurch Aktivstreifen erlebbar. ausgebildet und Aktivstreifen dadurch erlebbar. ausgebildet und dadurch erlebbaren erlebbar. Landwirtschaft b<br />

kommt die neue Haltestelle kommt der Teutoburger- die neue Haltestelle kommt der Teutoburger-<br />

die neue Haltestelle der diverse Teutoburger- Freizeitaktivitäten belebt. diverse Insgesamt Freizeitaktivitäten drei belebt. diverse Insgesamt Freizeitaktivitäten drei belebt. Insgesamt drei<br />

regionale Produkte direkt a<br />

Schnittansicht o.M.<br />

Waldbahn.<br />

Waldbahn.<br />

Waldbahn.<br />

Fußgängerbrücken verbinden THE Fußgängerbrücken FRAME mit verbinden Fußgängerbrücken THE FRAME mit verbinden THE FRAME mit<br />

zu erwerben.<br />

den nördlich der Dalke gelegenen den Stadtteilen. nördlich der Dalke gelegenen den nördlich Stadtteilen. der Dalke gelegenen Stadtteilen.<br />

HE E FRAME<br />

ARTIERSENTWICKLUNG<br />

SSTRATEGIE // QUARTIERSENTWICKLUNG


57<br />

1. 2. 3.<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

HERLEITUNG // 1. BESTANDSRAHMEN 2. NEUE GEBÄUDESTRUKTUR 3. STRASSENRÄUME<br />

1. 1. 1. 1. 2. 2. 2. 2. 3. 3. 3. 3.<br />

MANSERGH BARRACKS<br />

Das Gebiet der Mansergh Barracks ist sowohl<br />

HERLEITUNG HERLEITUNG HERLEITUNG // 1. BESTANDSRAHMEN HERLEITUNG // 1. BESTANDSRAHMEN // 1. BESTANDSRAHMEN // 2. innerhalb 1. NEUE BESTANDSRAHMEN 2. GEBÄUDESTRUKTUR NEUE der Stadt, 2. NEUE als auch 2. GEBÄUDESTRUKTUR NEUE überregional 3. STRASSENRÄUME<br />

3. STRASSENRÄUME<br />

sehr gut 3. STRASSENRÄUME<br />

3. STRASSENRÄUME<br />

angebunden. Das Zentrum der Stadt ist innerhalb<br />

von zehn Minuten erreichbar. Auch die A2 in<br />

Richtung Dortmund und Bielefeld ist nur wenige<br />

Kilometer vom Standort entfernt.<br />

Die Mansergh Barracks sind aktuell ein sehr<br />

introvertierter Standort. Weder von der Verler-<br />

Straße, noch von der nördlichen Dalkeseite<br />

ist es möglich, das Gebiet einzusehen und<br />

wahrzunehmen.<br />

Im Westen durch die stark befahrene Verler-Straße<br />

begrenzt, liegen die Mansergh Barracks im Nord-<br />

Osten am Naturraum. Besonders gut angebunden<br />

an eine der Haupverkehrsstraßen Güterslohs, ist<br />

das Quartier am Stadtrand trotzdem ruhig gelegen.<br />

THE FRAME<br />

Die neue Mobilitätsstation reduziert nicht nur das<br />

Verkehrsaufkommen im Quartier THE FRAME.<br />

Sie fungiert einerseits als Pendlerparkplatz und<br />

bietet andererseits eCar- und eBikesharing für<br />

die flexible Anbindung an die Umgebung. Hinzu<br />

kommt die neue Haltestelle der Teutoburger-<br />

Waldbahn.<br />

Das neue, beliebte Stadtviertel THE FRAME,<br />

wird von der Verler-Straße aus einsehbarer<br />

gemacht und der Kreisverkehr ermöglicht eine<br />

verkehrsberuhigte Einfahrt ins Gebiet. Der<br />

Landschaftsraum an der Dalke wird durch<br />

diverse Freizeitaktivitäten belebt. Insgesamt drei<br />

Fußgängerbrücken verbinden THE FRAME mit<br />

den nördlich der Dalke gelegenen Stadtteilen.<br />

THE FRAME wird im Westen durch einen<br />

Waldstreifen vom Lärm der Verler-Straße<br />

abgeschirmt und entsprechend konsequent zum<br />

Landschaftsraum ausgerichtet. Dieser wird als<br />

Aktivstreifen ausgebildet und dadurch erlebbar.<br />

Vertiefungsbereich o.M.<br />

THE FRAM<br />

Angebot um<br />

Einzelhandel<br />

beleben das<br />

erlebbaren L<br />

regionale Pro<br />

zu erwerben.<br />

NGSSTRATEGIE // QUARTIERSENTWICKLUNG<br />

MANSERGH MANSERGH MANSERGH BARRACKS MANSERGH BARRACKS BARRACKS BARRACKS<br />

Das Gebiet Das der Gebiet Mansergh Das der Gebiet Mansergh Das Barracks der Gebiet Mansergh Barracks ist der sowohl Mansergh Barracks ist sowohl Barracks ist sowohl ist sowohl<br />

innerhalb innerhalb der Stadt, der innerhalb als Stadt, auch innerhalb überregional der als auch Stadt, überregional der als Stadt, sehr auch gut überregional als sehr auch gut überregional sehr gut sehr gut<br />

angebunden. angebunden. Das Zentrum angebunden. Das Zentrum der angebunden. Stadt Das der Zentrum ist Stadt innerhalb Das Zentrum ist der innerhalb Stadt der ist innerhalb Stadt ist innerhalb<br />

von zehn von Minuten zehn von Minuten erreichbar. zehn von erreichbar. Minuten Auch zehn Minuten die erreichbar. Auch A2 in die erreichbar. Auch A2 in die Auch A2 in die A2 in<br />

Richtung Richtung Dortmund Dortmund Richtung Bielefeld Richtung Dortmund Bielefeld ist Dortmund nur wenige ist Bielefeld nur und wenige Bielefeld ist nur wenige ist nur wenige<br />

Kilometer Kilometer vom Standort Kilometer vom entfernt. Standort Kilometer vom entfernt. Standort vom entfernt. Standort entfernt.<br />

Die Mansergh Die Mansergh Barracks Die Mansergh Barracks sind Die aktuell Mansergh Barracks sind ein aktuell Barracks sehr sind ein aktuell sehr sind ein aktuell sehr ein sehr<br />

introvertierter introvertierter Standort. introvertierter Standort. Weder introvertierter von Standort. Weder von Verler- Standort. Weder Verler- von Weder von Verler- der Verler-<br />

Straße, Straße, noch von noch Straße, der von nördlichen noch Straße, der von nördlichen noch Dalkeseite der von nördlichen Dalkeseite der nördlichen Dalkeseite Dalkeseite<br />

ist es möglich, ist es möglich, ist das es Gebiet möglich, ist das es einzusehen Gebiet möglich, das einzusehen Gebiet und das einzusehen Gebiet und einzusehen und und<br />

wahrzunehmen. wahrzunehmen. wahrzunehmen. wahrzunehmen.<br />

Im Westen Im durch Westen die Im durch stark Westen die befahrene Im durch stark Westen befahrene die Verler-Straße durch stark die befahrene Verler-Straße stark befahrene Verler-Straße Verler-Straße<br />

begrenzt, begrenzt, liegen die liegen begrenzt, Mansergh die begrenzt, liegen Mansergh Barracks die liegen Mansergh Barracks im Nord- die Mansergh im Barracks Nord- Barracks im Nord-im Nord-<br />

Osten am Osten Naturraum. am Osten Naturraum. Besonders am Osten Naturraum. Besonders gut am angebunden Naturraum. Besonders gut angebunden Besonders gut angebunden gut angebunden<br />

an eine der an eine Haupverkehrsstraßen der an Haupverkehrsstraßen eine der an eine Haupverkehrsstraßen Güterslohs, der Haupverkehrsstraßen Güterslohs, ist Güterslohs, ist Güterslohs, ist ist<br />

das Quartier das am Quartier Stadtrand das am Quartier Stadtrand trotzdem das am Quartier Stadtrand trotzdem ruhig am gelegen. Stadtrand ruhig trotzdem gelegen. trotzdem ruhig gelegen. ruhig gelegen.<br />

In de<br />

Manse<br />

Vielza<br />

Freize<br />

Die neue Die Mobilitätsstation neue Mobilitätsstation Die neue reduziert Die Mobilitätsstation neue reduziert nicht Mobilitätsstation nur nicht reduziert das nur reduziert das nicht nur nicht das nur das<br />

Verkehrsaufkommen Verkehrsaufkommen Verkehrsaufkommen im Quartier Verkehrsaufkommen im THE Quartier FRAME. im THE Quartier FRAME. im THE Quartier FRAME. THE FRAME.<br />

Sie fungiert Sie fungiert einerseits Sie einerseits fungiert als Sie Pendlerparkplatz einerseits fungiert als Pendlerparkplatz einerseits als und Pendlerparkplatz als und Pendlerparkplatz und und<br />

THE THE FRAME THE THE FRAME FRAME bietet andererseits bietet andererseits bietet eCar- andererseits und bietet eCar- eBikesharing andererseits und eCar- eBikesharing und für eCar- eBikesharing und für eBikesharing für für<br />

die flexible die Anbindung flexible die Anbindung flexible an die Anbindung Umgebung. flexible an die Anbindung Umgebung. an Hinzu die Umgebung. an Hinzu die Umgebung. Hinzu Hinzu<br />

kommt die kommt neue die kommt Haltestelle neue die kommt Haltestelle der neue die Teutoburger- Haltestelle der neue Teutoburger- Haltestelle der Teutoburger- der Teutoburger-<br />

Zur FH Bielefeld gehören neben dem<br />

Waldbahn. Waldbahn. Das Waldbahn. Gebiet Waldbahn. der Mansergh Barracks grenzt im<br />

Hauptstandort zwei weitere Standorte in Minden<br />

Norden an den Dalke-Erlebnispfad. Von dort aus<br />

und Gütersloh. Zwischen der FH Bielefeld und<br />

erreicht man in weniger als 10 Minuten Fußweg<br />

über 100 in Gütersloh ansässigen Firmen besteht<br />

das beliebte Naherholungsgebiet des Stadtparks<br />

ENTWICKLUNGSSTRATEGIE eine Kooperation ENTWICKLUNGSSTRATEGIE für ein wachsendes // QUARTIERSENTWICKLUNG<br />

Angebot // // QUARTIERSENTWICKLUNG<br />

// mit seinen Grünflächen und dem Botanischen<br />

praxisintegrierter Studiengänge.<br />

Garten.<br />

Das neue, Das beliebte neue, Das beliebte Stadtviertel neue, Das Stadtviertel beliebte neue, THE beliebte Stadtviertel FRAME, THE Stadtviertel FRAME, THE FRAME, THE FRAME,<br />

wird von wird der von Verler-Straße wird der von Verler-Straße wird der aus von Verler-Straße einsehbarer der aus Verler-Straße einsehbarer aus einsehbarer aus einsehbarer<br />

gemacht gemacht und der und gemacht Kreisverkehr der gemacht Kreisverkehr und ermöglicht der und Kreisverkehr ermöglicht der eine Kreisverkehr ermöglicht eine ermöglicht eine eine<br />

verkehrsberuhigte verkehrsberuhigte verkehrsberuhigte Einfahrt verkehrsberuhigte Einfahrt ins Gebiet. Einfahrt ins Gebiet. Der Einfahrt ins Der Gebiet. ins Gebiet. Der Der<br />

Landschaftsraum Landschaftsraum Landschaftsraum der Landschaftsraum Dalke der wird Dalke der durch wird an Dalke der durch wird Dalke durch wird durch<br />

diverse Freizeitaktivitäten diverse Freizeitaktivitäten diverse Freizeitaktivitäten belebt. diverse Insgesamt belebt. Freizeitaktivitäten Insgesamt drei belebt. Insgesamt drei belebt. Insgesamt drei drei<br />

Fußgängerbrücken Fußgängerbrücken Fußgängerbrücken verbinden Fußgängerbrücken verbinden THE FRAME verbinden THE FRAME mit verbinden THE mit FRAME THE FRAME mit mit<br />

den nördlich den der nördlich Dalke den der nördlich gelegenen Dalke den der nördlich gelegenen Stadtteilen. Dalke der gelegenen Stadtteilen. Dalke gelegenen Stadtteilen. Stadtteilen.<br />

Das Gebiet der Mansergh Barracks wurde<br />

ausschließlich vom britischen Militär genutzt und<br />

war dementsprechend auch nur für Angehörige<br />

dessen zugänglich.<br />

THE FRAME THE FRAME wird THE im FRAME wird Westen THE im FRAME wird Westen durch im einen wird durch Westen im einen durch Westen einen durch einen<br />

THE FRAME THE FRAME ergänzt THE FRAME das ergänzt THE berei dF<br />

Waldstreifen Waldstreifen vom Waldstreifen Lärm vom Waldstreifen der Lärm vom Verler-Straße der Lärm vom Verler-Straße der Lärm Verler-Straße der Verler-Straße<br />

Angebot Angebot um eine Angebot um neue eine Angebo um produ neu<br />

abgeschirmt abgeschirmt und entsprechend abgeschirmt und entsprechend abgeschirmt konsequent und entsprechend konsequent und zum entsprechend konsequent zum konsequent zum zum<br />

Einzelhandel Einzelhandel und Geschäfte, Einzelhandel und Geschäft Einzelh sowie und<br />

Landschaftsraum Landschaftsraum ausgerichtet. Landschaftsraum ausgerichtet. Landschaftsraum Dieser ausgerichtet. wird Dieser ausgerichtet. als wird Dieser als wird Dieser als wird als<br />

beleben beleben das Quartier. beleben das Quartier. Das beleben das KQ<br />

Aktivstreifen Aktivstreifen ausgebildet Aktivstreifen ausgebildet und Aktivstreifen dadurch ausgebildet und erlebbar. dadurch ausgebildet und erlebbar. dadurch und erlebbar. dadurch erlebbar.<br />

erlebbaren erlebbaren Landwirtschaft erlebbaren Landwirtschaft bietet erlebba<br />

di<br />

Das Quartier wird in insgesamt zehn<br />

regionale regionale Produkte regionale Produkte direkt aus regiona direkt Produk der<br />

Baufelder aufgeteilt, die alle von zu erwerben. zu erwerben. zu erwerben. zu erwe<br />

einem Rahmen aus Kasernengebäuden<br />

gefasst werden. Dieser Rahmen gibt dem Quartier<br />

einerseits eine besondere historisch begründete<br />

Identität, andererseits gewährleistet er Flexibilität<br />

im Inneren.<br />

n des THE FRAME ist der<br />

Gütersloh optimal gelegen.<br />

ch Bielefeld und auch die<br />

ördlich der Dalke ansässigen<br />

n ist optimal gewährleistet.<br />

Im Quartier THE FRAME entsteht daher statt eines<br />

zweiten Naherholungsparks ein Aktivstreifen.<br />

Neben den restaurierten Sportplätzen aus den<br />

Mansergh Barracks werden weitere Freizeit- und<br />

Sportgelegenheiten angeboten.<br />

THE FRAME behält zwar die militaristische<br />

Struktur im baulichen Sinne bei, setzt aber<br />

nutzungstechnisch auf eine hohe Diversität.<br />

Geförderter und studentischer Wohnungsbau,<br />

Luxuswohnen und betreutes Wohnen gehen mit<br />

Gewerbe und Bildungseinrichtungen Hand in Hand.<br />

Das Quartier THE FRAME zeichnet eine hohe<br />

Flexibilität aus. Die zehn Baufelder können je nach<br />

Nachfrage gleich, oder komplett unterschiedlich<br />

behandelt werden. Wichtig ist, dass die produktive<br />

Mitte entlang der historischen Hauptachse der<br />

Kaserne beibehalten wird.<br />

In Zukunft,<br />

umliegenden S<br />

ist es wichtig, d<br />

erhalten und ab<br />

diesem Stando<br />

Zur FH Zur Bielefeld FH Zur Bielefeld gehören FH Zur Bielefeld gehören FH neben Bielefeld gehören neben dem gehören dem neben dem neben dem<br />

Hauptstandort Hauptstandort zwei Hauptstandort weitere zwei Hauptstandort Standorte weitere zwei Standorte in weitere Minden zwei Standorte weitere Minden Standorte in Minden<br />

Minden<br />

und Gütersloh. und Gütersloh. Zwischen und Gütersloh. Zwischen der und FH Gütersloh. Zwischen Bielefeld der FH Zwischen Bielefeld und der FH Bielefeld und der FH Bielefeld und und<br />

über 100 über in Gütersloh 100 in über Gütersloh ansässigen 100 über in Gütersloh ansässigen 100 Firmen in Gütersloh ansässigen besteht Firmen ansässigen besteht Firmen besteht Firmen besteht<br />

eine Kooperation eine Kooperation eine für ein Kooperation eine wachsendes für ein Kooperation wachsendes für Angebot ein wachsendes für Angebot ein wachsendes Angebot Angebot<br />

praxisintegrierter praxisintegrierter Studiengänge.<br />

praxisintegrierter Studiengänge.<br />

praxisintegrierter Studiengänge. Studiengänge.<br />

Das Gebiet Das der Gebiet Mansergh Das der Gebiet Mansergh Das Barracks der Gebiet Mansergh Barracks grenzt der Mansergh im Barracks grenzt im Barracks grenzt im grenzt im<br />

Norden an Norden Dalke-Erlebnispfad. an Norden Dalke-Erlebnispfad. an Norden Dalke-Erlebnispfad. an Von den dort Dalke-Erlebnispfad. Von aus dort aus Von dort Von aus dort aus<br />

erreicht man erreicht in weniger man erreicht in als weniger man erreicht 10 Minuten als weniger man 10 Minuten Fußweg als weniger 10 Fußweg Minuten als 10 Minuten Fußweg Fußweg<br />

das beliebte das beliebte Naherholungsgebiet das Naherholungsgebiet beliebte das Naherholungsgebiet beliebte des Stadtparks Naherholungsgebiet des Stadtparks des Stadtparks des Stadtparks<br />

mit seinen mit Grünflächen seinen mit Grünflächen seinen und mit Grünflächen dem seinen und Botanischen dem Grünflächen und Botanischen dem und Botanischen dem Botanischen<br />

Garten. Garten. Garten. Garten.<br />

Das Gebiet Das der Gebiet Das Mansergh der Gebiet Das Mansergh Barracks der Gebiet Mansergh Barracks der wurde Mansergh Barracks wurde Barracks wurde wurde<br />

ausschließlich ausschließlich vom ausschließlich britischen vom ausschließlich britischen Militär vom genutzt britischen Militär vom und genutzt britischen Militär und genutzt Militär und genutzt und<br />

war dementsprechend war dementsprechend war auch dementsprechend war nur auch dementsprechend für Angehörige nur auch für Angehörige nur auch für Angehörige nur für Angehörige<br />

dessen zugänglich. dessen zugänglich. dessen zugänglich. dessen zugänglich.<br />

Das Quartier Das Quartier wird Das Quartier in wird Das insgesamt Quartier wird insgesamt zehn<br />

wird insgesamt zehn<br />

insgesamt zehn zehn<br />

Baufelder Baufelder aufgeteilt, Baufelder aufgeteilt, Baufelder die aufgeteilt, alle die aufgeteilt, von alle die von alle die von alle von<br />

einem Rahmen Kasernengebäuden<br />

aus Rahmen Kasernengebäuden<br />

aus Kasernengebäuden<br />

aus Kasernengebäuden<br />

einem einem Rahmen einem Rahmen aus<br />

gefasst werden. gefasst Dieser werden. gefasst Rahmen Dieser werden. gefasst gibt Rahmen Dieser werden. dem gibt Quartier Rahmen Dieser dem Quartier gibt Rahmen dem gibt Quartier dem Quartier<br />

einerseits einerseits besondere einerseits besondere historisch einerseits besondere historisch begründete eine besondere historisch begründete historisch begründete begründete<br />

Identität, Identität, andererseits andererseits Identität, gewährleistet Identität, andererseits gewährleistet andererseits Flexibilität gewährleistet Flexibilität gewährleistet er Flexibilität er Flexibilität<br />

im Inneren. im Inneren. im Inneren. im Inneren.<br />

Obwohl<br />

Rahmen<br />

ist die<br />

ausgesc<br />

Erweite<br />

Kleinge<br />

Direkt vor Direkt den vor Toren Direkt den des Toren vor THE Direkt den des FRAME Toren vor THE den des FRAME ist Toren THE der des ist FRAME der THE FRAME ist der ist der<br />

neue Campus neue Campus in neue Gütersloh in Campus neue Gütersloh optimal Campus in Gütersloh optimal gelegen. in Gütersloh gelegen. optimal optimal gelegen. gelegen.<br />

Die Verbindung Die Verbindung nach Die Verbindung Bielefeld nach Die Verbindung Bielefeld und nach auch Bielefeld und nach die auch Bielefeld und die auch und die auch die<br />

Anbindung Anbindung zu den Anbindung nördlich zu den Anbindung nördlich der zu Dalke den der nördlich ansässigen zu Dalke den der nördlich ansässigen Dalke der ansässigen Dalke ansässigen<br />

Kooperationspartnern Kooperationspartnern Kooperationspartnern ist optimal Kooperationspartnern ist gewährleistet.<br />

optimal gewährleistet. optimal gewährleistet.<br />

optimal gewährleistet.<br />

Im Quartier Im THE Quartier FRAME Im THE Quartier FRAME entsteht Im THE Quartier daher entsteht FRAME THE statt daher eines entsteht FRAME statt daher eines entsteht statt daher eines statt eines<br />

zweiten zweiten Naherholungsparks Naherholungsparks zweiten zweiten Naherholungsparks ein Aktivstreifen. Naherholungsparks ein Aktivstreifen. ein Aktivstreifen. ein Aktivstreifen.<br />

Neben den Neben restaurierten den Neben restaurierten den Sportplätzen Neben restaurierten den Sportplätzen restaurierten aus Sportplätzen den aus den Sportplätzen aus den aus den<br />

Mansergh Mansergh Barracks Mansergh Barracks werden Mansergh weitere werden Barracks Freizeit- weitere Barracks werden Freizeit- und weitere werden und Freizeit- weitere Freizeit- und und<br />

Sportgelegenheiten Sportgelegenheiten Sportgelegenheiten angeboten. Sportgelegenheiten angeboten. angeboten. angeboten.<br />

THE FRAME THE FRAME behält THE zwar FRAME behält THE die zwar FRAME behält militaristische die zwar behält militaristische die zwar militaristische die militaristische<br />

Struktur Struktur im baulichen im Struktur baulichen Sinne Struktur im baulichen bei, Sinne im setzt bei, baulichen Sinne aber setzt bei, Sinne aber setzt bei, aber setzt aber<br />

nutzungstechnisch nutzungstechnisch nutzungstechnisch auf eine nutzungstechnisch auf hohe eine auf Diversität. hohe eine auf Diversität. hohe eine Diversität. hohe Diversität.<br />

Geförderter Geförderter und Geförderter studentischer und Geförderter studentischer und Wohnungsbau, studentischer und Wohnungsbau, studentischer Wohnungsbau, Wohnungsbau,<br />

Luxuswohnen Luxuswohnen und Luxuswohnen betreutes und Luxuswohnen betreutes Wohnen und betreutes Wohnen gehen und mit betreutes gehen Wohnen mit Wohnen gehen mit gehen mit<br />

Gewerbe Gewerbe und Bildungseinrichtungen und Gewerbe Bildungseinrichtungen Gewerbe und Bildungseinrichtungen Hand und Bildungseinrichtungen in Hand.<br />

in Hand.<br />

in Hand.<br />

in Hand.<br />

Das Quartier Das Quartier THE Das FRAME THE Quartier Das FRAME zeichnet Quartier THE zeichnet FRAME eine THE hohe FRAME eine zeichnet hohe zeichnet eine hohe eine hohe<br />

Flexibilität Flexibilität aus. Die Flexibilität zehn aus. Die Baufelder Flexibilität zehn aus. Baufelder Die können zehn aus. je Die Baufelder können nach zehn je Baufelder können nach je können nach je nach<br />

Nachfrage Nachfrage gleich, Nachfrage oder gleich, komplett Nachfrage oder gleich, komplett unterschiedlich oder gleich, unterschiedlich<br />

komplett oder komplett unterschiedlich unterschiedlich<br />

behandelt behandelt werden. Wichtig behandelt werden. ist, Wichtig behandelt werden. dass die ist, Wichtig werden. produktive dass die ist, Wichtig produktive dass die ist, produktive dass die produktive<br />

Mitte entlang Mitte der entlang Mitte historischen der entlang Mitte historischen Hauptachse der entlang historischen Hauptachse der der historischen Hauptachse der Hauptachse der der<br />

Kaserne beibehalten Kaserne beibehalten Kaserne wird. beibehalten Kaserne wird. beibehalten wird. wird.<br />

In Zukunft, In Zukunft, wenn In THE Zukunft, wenn In FRAM THE Zuku we<br />

umliegenden umliegenden Stadtteile umliegenden Stadtteile weiter umliegen zusamm weite Stadt<br />

ist es wichtig, ist es dass wichtig, ist der es Grünkeil dass wichtig, der ist es Grün entla dass wic<br />

erhalten und erhalten ablesbar und erhalten bleibt. ablesbar und erhalten Urban bleibt. ables Au<br />

diesem Standort diesem Standort wird diesem dann wird Standort sogar diesem dann noc wS<br />

s<br />

Schnittansicht o.M.


Kathrin Miriam Schmitz<br />

RWTH Aachen University, Master Stadtplanung, Prof. Rolf Egon Westerheide<br />

58<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Quartier mit Vergangenheit - Wohnen mit Zukunft<br />

Gütersloh<br />

2. Platz - 800 Euro Preisgeld<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Beurteilung des Preisgerichts<br />

Der Entwurf für die Konversion der Mansergh Barracks<br />

Gütersloh konzipiert einen Wohn- und Hochschulstandort,<br />

der sich stark an den vorhandenen<br />

städtebaulichen Strukturen und der Nachnutzung der<br />

Bestandsgebäude orientiert. Bemerkenswert ist nach<br />

Auffassung der Jury die Betonung der Eingangssituation<br />

und die Weiterentwicklung der vorhandenen<br />

Torsituation. Die Verkehrsanbindung mit Individualverkehrsmitteln<br />

und dem angedachten Haltepunkt<br />

der Teutoburger Wald-Eisenbahn ist sorgfältig durchdacht.<br />

Der Anschluss an die umgebenden Freiraumstrukturen<br />

zur Dalke ist gelungen. Kritisch bewertet<br />

das Preisgericht den Übergang zur östlichen Landschaft<br />

in Form von mehrstöckigen Punkthäusern.<br />

Die Nutzung der Erdgeschosszonen in den zentralen<br />

Bereichen sollte im Hinblick auf eine tragfähige Nutzungsmischung<br />

noch einmal überdacht werden.<br />

Perspektive Quartiersplatz


59<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Vertiefungsbereich o.M.<br />

Schnitt o.M.<br />

Schnitt o.M.<br />

Schnitt o.M.


Marie Kickhöfel<br />

Leibniz Universität Hannover, Master Architektur, Prof. Andreas Quednau<br />

60<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Regiopolitan Living - Ein atmosphärischer Streifzug<br />

Gütersloh<br />

Ankauf - 300 Euro Preisgeld<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Die Arbeit überrascht mit ihrem außergewöhnlichen Ansatz,<br />

das Überschwemmungsgebiet der Dalke zu einem<br />

künstlichen See zu stauen und als zentralen Ansatzpunkt<br />

des Entwurfs herauszustellen. Der Entwurf schafft neue<br />

Wohnformen, die für eine Durchmischung und Attraktivität<br />

des neuen Wohnquartiers sorgen können und aufgrund<br />

der Wasserlage glaubhaft den Wohnungsmarkt in Bielefeld<br />

entlasten könnten. Von hochpreisigen Eigentumswohnungen<br />

entlang der Wasserkante über familiengerechte<br />

Wohnungen und die Integration eines Gemeinschaftswohnprojekts<br />

mit Urban Gardening bis zu Studentenwohnungen<br />

ist vieles berücksichtigt und umsetzbar. Die<br />

Ansiedlung von Start-ups mit der Verbindung von Wohnen<br />

und Arbeiten in den alten Panzerhallen sowie der ebenfalls<br />

integrierte FH Campus bietet ein vielfältiges, weitere<br />

Zielgruppen ansprechendes Nutzungskonzept. Das Preisgericht<br />

würdigt insgesamt den kreativen und konzeptionellen<br />

Ansatz, weist aber auch auf deutliche Schwächen<br />

im Gebäudezuschnitt und in der Belichtung hin. Es fehlt<br />

ein tragbares Verkehrskonzept mit der Anbindung an den<br />

ÖPNV. Die Realisierung der „5 Bänder“ ist ebenso wie der<br />

Teilrückbau von Bestandsgebäuden architektonisch wie<br />

wirtschaftlich nicht tragbar.<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Perspektive See


Jan Klünker, Reshad Wahabzada<br />

RWTH Aachen University, Master Stadtplanung, Prof. Rolf Egon Westerheide<br />

Grünes Band Herford<br />

Herford<br />

Ankauf - 300 Euro Preisgeld<br />

61<br />

Stadt Land Wachstum - IDEEN<br />

Städtebaulicher Entwurf o.M.<br />

Vertiefungsbereich o.M.<br />

Beurteilung des Preisgerichtes<br />

Die Arbeit zeigt eine breite und tiefe Durchdringung<br />

des Plangebiets und seiner Umgebung. So werden<br />

zum Beispiel die getroffenen Entscheidungen bezüglich<br />

Anzahl und Typologie der zu schaffenden<br />

Wohneinheiten, des Erschließungssystems, des Umgangs<br />

mit dem ruhenden Verkehr sowie der zeitlichen<br />

Abfolge der städtebaulichen Entwicklung analytisch<br />

sauber hergeleitet und begründet. Die neu geschaffenen<br />

Baufelder entwickeln sich nachvollziehbar<br />

beidseitig zur neu geschaffenen Grünachse. Die gewählte<br />

städtebauliche Typologie von „Block-Hof-Hybriden“<br />

ermöglicht eine selbstverständliche Einbindung<br />

von erhaltenswürdigen Bestandsbauten und<br />

andererseits eine einfache Ergänzung mit Neubauten.<br />

Die Entlastungsfunktion des neu geschaffenen<br />

Wohnstandortes, der angemessen um Nahversorgungsstrukturen<br />

ergänzt wurde, ist nachvollziehbar<br />

begründet und glaubhaft umsetzbar. Eine Vernetzung<br />

in alle Richtungen wird durch ein nachvollziehbares,<br />

aber im Ergebnis etwas überdimensioniertes<br />

Erschließungssystem gewährleistet.<br />

Leitbild<br />

Schnitt o.M.


Dr. Andrea Dittrich-Wesbuer, Tim Kähler, Sigrid Koeppinghoff, Cornelia Zuschke<br />

62<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

Wachstum in Kooperation: Stärker im Team?<br />

Fishbowl<br />

Moderation: Petra Voßebürger • IKU_DIE DIALOGGESTALTER<br />

Diskutanten: Dr. Andrea Dittrich-Wesbuer • ILS NRW, Bürgermeister Tim<br />

Kähler • Stadt Herford, Sigrid Koeppinghoff • MHKBG NRW, Cornelia Zuschke •<br />

Planungsdezernentin Stadt Düsseldorf<br />

Podiumsdiskussion auf dem NRW.Symposium 2017, Foto: NRW.BANK/Schmidt-Dominé<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Ich darf nun meine<br />

Gesprächspartner herzlich begrüßen. Unser erstes<br />

Gespräch hat die Überschrift „Wachstum in Kooperation<br />

– stärker im Team“. Wir wollen über das "Für und<br />

Wider" interkommunaler Kooperation von Großstädten<br />

und ihren Nachbarkommunen diskutieren, über lohnenswerte<br />

Themen der Zusammenarbeit und die notwendigen<br />

Rahmenbedingungen.<br />

Herr Kähler, Sie hatten auch schon Führungspositionen<br />

in der Kernstadt Bielefeld, sind Politikwissenschaftler<br />

und im Herzen auch ein bisschen Stadtplaner, glaube<br />

ich. Was sind Ihre Erfahrungen rund um das Thema interkommunale<br />

Kooperation? Sie haben ganz konkret<br />

ein realisiertes interkommunales Gewerbegebiet in<br />

Ostwestfalen-Lippe und engagieren sich in der Regiopole<br />

Bielefeld. Welche Erfahrungen macht Herford als<br />

eine der größeren Städte im Umland von Bielefeld?<br />

Tim Kähler: Vielen Dank für die Einladung und gleich<br />

auch einen Dank an die NRW.BANK für die tolle Planung.<br />

Es wurden tolle Perspektiven für Herford geschaffen und<br />

das hilft in der Praxis zu kooperieren. Ich glaube, wenn man<br />

als Bürgermeister realistisch mit seiner Stadt umgeht, dann<br />

begreift man, dass sich jede kommunale Steuerungseinheit<br />

irgendwann an der Realität messen muss. Herford ist<br />

nur sieben Minuten mit dem Zug von Bielefeld entfernt<br />

und hat natürlich ganz eigene Lebensbeziehungen.<br />

Wir haben gute Erfahrungen in der Kooperation. Das<br />

interkommunale Gewerbegebiet gibt es jetzt schon länger.<br />

Es ist ein riesen Erfolg und ausverkauft. Wir haben<br />

Gewinne mit der ganzen Geschichte gemacht und wir<br />

denken jetzt darüber nach, wie wir da weitergehen können.<br />

Übrigens ohne sich zu neiden, dass der Partner auf<br />

seiner Seite ein Unternehmen XY gewonnen hat, weil<br />

wir am Ende gemeinsam gewinnen. Wenn wir es nicht<br />

schaffen gemeinsam Gewerbegebiete zu entwickeln,


Bürgermeister Tim Kähler, Stadt Herford:<br />

)) Wenn man sieht, wie sich die<br />

Räume aufeinander zu entwickeln<br />

und verdichten, dann sind wir<br />

herausgefordert, Planung und<br />

Dienstleistung ohne Grenzen<br />

zu organisieren. Das muss das<br />

Ziel sein. ((<br />

wandern die Unternehmen aus der Region ab. Das ist<br />

auch der Grund warum wir die Regiopole gegründet haben.<br />

Wenn man sieht, wie sich die Räume aufeinander<br />

zu entwickeln und verdichten, dann sind wir herausgefordert,<br />

Planung und Dienstleistung ohne Grenzen zu<br />

organisieren. Das muss das Ziel sein. Da gibt es viele<br />

rechtliche Hürden, da gibt es Finanzbehörden etc., aber<br />

das muss der Lösungsansatz sein.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Könnte man sowas<br />

auch auf Wohnungsbauflächen übertragen?<br />

Tim Kähler: Wir denken gerade darüber nach. Wir haben<br />

jetzt die letzte Sitzung unserer gemeinsamen GmbH<br />

gehabt, um auch hier interkommunale Kooperation zu<br />

ermöglichen. Wir überlegen, ob man nicht auch das Thema<br />

Bauland-Entwicklung gemeinsam betreibt. Denn die<br />

Frage ist auch immer, wo entziehe ich mir gemeinsame<br />

Möglichkeiten, weil wir uns gegenseitig Konkurrenz machen<br />

mit all den Stärken und Schwächen innerhalb einer<br />

Region. Die eine Kommune hat das Theater, die andere<br />

Kommune eine andere Einrichtung. Die Menschen betrachten<br />

das aber nicht anhand der Stadtgrenze. Gleichzeitig<br />

unterbieten wir uns und nehmen uns die Möglichkeiten<br />

in Infrastruktur oder andere Dinge zu investieren.<br />

Wir müssen darüber regionaler nachdenken. Wir setzen<br />

uns zusammen, wir lassen die Verwaltungsvorstände zusammen<br />

tagen und kommen dabei zu gemeinsamen Ergebnissen<br />

und Ideen, die wir im Kontext der <strong>Regionale</strong>n<br />

vorantreiben wollen.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Das müssen Sie<br />

vielleicht nochmal erklären. Die <strong>Regionale</strong> ist ein weiteres<br />

Kooperationsfeld oder?<br />

Tim Kähler: Die OstWestfalenLippe GmbH hat bei der<br />

Bewerbung um Fördermittel eine wunderbare Arbeit<br />

geleistet. Mit dem Zuschlag sind wir nun natürlich aufgefordert<br />

die förderungswürdigen Projekte weiter zu gestalten.<br />

Das Land gibt nicht einfach einen aus, sondern<br />

möchte einen Effekt für die Region sehen. Wenn man<br />

die Region gemeinsam definiert, hat man auch eine große<br />

Chance. Herford ist eine Stadt, die momentan sehr<br />

wachstumsdynamisch ist. Als ich 2014 anfing waren es<br />

64.500 Einwohnerinnen und Einwohner. Jetzt stehen<br />

wir bei knapp 68.000. Uns rennt man die Bude ein, was<br />

Gewerbeflächen angeht. Die Unternehmen haben dann<br />

aber auch Probleme ausreichend Arbeitskräfte zu bekommen.<br />

Also von daher sind wir alle gut beraten, mit<br />

den Ressourcen gemeinsam noch besser umzugehen.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Frau Koeppinghoff,<br />

Sie sind Abteilungsleiterin im Ministerium (MHKBG)<br />

und schon viele Jahre in der Ministerialverwaltung tätig.<br />

Sie haben also auch viel Erfahrung im Wohnungsbau<br />

und bei wohnungswirtschaftlichen Themen. In den letzten<br />

Jahren hat Ihr Haus viel gefördert, von dem hier in<br />

der Runde auch schon Akteure profitiert haben. Was<br />

ist Ihnen beim Thema regionale Kooperation besonders<br />

wichtig?<br />

Sigrid Koeppinghoff: Für uns war ein Neustart des<br />

Themas Kooperation mit einer Auseinandersetzung mit<br />

dem Thema Zuwanderung im Jahr 2015 notwendig. Wir<br />

haben gemeinsam mit der NRW.BANK Marktprognosen<br />

aktualisiert. Wir hatten damals die Situation, dass<br />

Wohnungsmarktprognosen und neue Bevölkerungsvorausberechnungen<br />

durch die starke Zuwanderung<br />

einen Bedarf von rund 80.000 Wohnung jährlich bis<br />

zum Jahr 2020 errechneten. Das wäre eine knappe<br />

Verdoppelung der Bautätigkeit. Wenn man das regional<br />

betrachtet, ist es offensichtlich, dass es in den Wachstumsschwerpunkten<br />

innerhalb der Stadtgrenzen nicht<br />

zu realisieren sein wird. Daher ist auch ein gemeinsames<br />

Verständnis von Stadt und Umland über Entwicklungspfade<br />

notwendig. Diesen Prozess haben wir über<br />

Regionalveranstaltungen begleitet. Es lief dabei in<br />

Schwerpunktregionen auf die Notwendigkeit von Flächenmobilisierung<br />

über vorhandene Flächenreserven<br />

hinaus. Aus dieser gemeinsamen Sichtweise heraus<br />

lässt sich eine Zusammenarbeit ableiten. Dafür konnten<br />

wir Mut machen. Wir können gemeinsame Prozesse<br />

und Sichtweisen initiieren, um auch Entwicklungen<br />

anzustoßen, die allen Beteiligten nutzen - der Kernstadt<br />

und dem Umland.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Da haben Sie auch<br />

verschiedene Angebote gemacht. Ich erinnere mich jetzt an<br />

StadtUmland.NRW, aber auch die Förderkulisse der <strong>Regionale</strong>.<br />

Welche Erwartungshaltung verbinden Sie damit?<br />

Sigrid Koeppinghoff: Diese Initiativen fordern die Regionen<br />

auf, miteinander zu arbeiten und zu reden. Es<br />

gibt ganz unterschiedliche Modelle, wie sich Regionen<br />

gemeinsam organisieren. Aber die muss man vor Ort<br />

finden. Solche Veranstaltungen sind auch sehr hilfreich,<br />

um voneinander zu lernen.<br />

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Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017


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Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Ihr Wunsch wäre es<br />

also, dass mit den Fördergeldern, die dann punktuell fließen,<br />

auch Strukturen entstehen, die längerfristig halten.<br />

Das kann man auch in einigen Regionen sehen, dass das<br />

über viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, funktioniert.<br />

Sigrid Koeppinghoff: Ein Beispiel, das vorhin nicht genannt<br />

wurde, ist die Kooperation von Bonn-Rhein-Sieg.<br />

Die hatten sich in der Trauerarbeit über den Hauptstadtbeschluss<br />

gefunden und daraus ist eine Kooperation<br />

entstanden. Die Region hatte ein gemeinsames<br />

Förderbudget für die soziale Wohnraumförderung und<br />

konnte so, auf einer verlässlichen finanziellen Grundlage,<br />

Planungen aufeinander abstimmen. Wir werden<br />

auch künftig bei dem Wohnraumförderungsprogramm<br />

ab <strong>2018</strong> solche Projekte, die aus regionalen Kooperationen<br />

entwickelt wurden, fördern können.<br />

Cornelia Zuschke: Was Frau Koeppinghoff gerade zu<br />

den Angeboten des Ministeriums gesagt hat, gefällt mir.<br />

Sie haben Pfade gelegt, aber uns nicht die Entscheidungen<br />

genommen. Sie haben gezeigt, was verbindet<br />

und was gemeinsam weiterbringen kann. Das ist kein<br />

Dictum, sondern eine Chance einfach mal zu schauen,<br />

was da passiert, wie zum Beispiel bei StadtUmland. Wir<br />

haben uns gut kennengelernt. Wir haben miteinander<br />

gesprochen. Auf der Arbeitsebene geht das super, aber<br />

je weiter es nach oben oder in die Politik geht, umso<br />

schwieriger wird, es miteinander zu sprechen, weil ganz<br />

andere Hintergründe zusätzlich eine Rolle spielen. Wir<br />

sind in einem guten Diskurs und haben festgestellt,<br />

dass sich besonders an unseren Stadträndern viel abspielt.<br />

Auch wenn weiterhin Innenentwicklung, vor Außenentwicklung<br />

gilt, so sind es doch die Ränder und die<br />

Entwicklungen innerhalb der Ränder, die uns verbinden.<br />

Auf der einen Seite stellt der Rhein eine wichtige Verbindungs-<br />

und Identifikationsfunktion dar und hält die<br />

Region zusammen. Auf der anderen Seite verbindet die<br />

Region das Elend des täglichen Pendelns und das Steckenbleiben<br />

im Wachstum. Das ist Herausforderung<br />

und Chance zugleich. Das spielt in den Wettbewerben,<br />

zum Beispiel in dem gewonnen Zuschlag bei StadtUmland,<br />

mit hinein. Aus diesem Netzwerk gibt es schon<br />

erste Produkte. Zum Beispiel haben wir festgestellt,<br />

dass gar nicht jeder in seinem Paradigma „die Großstadt<br />

kriegt die größten Flächen, hat die größte Dichte,<br />

sie wächst am meisten“ stecken muss. Da entwickeln<br />

wir uns zum Teil ganz unterschiedlich und das finde ich<br />

sehr bereichernd.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Jetzt müssen wir allerdings<br />

nochmal aufklären von welchen StadtUmland-Kooperationen<br />

Sie da sprechen. Sagen Sie doch nochmal,<br />

wer alles zu Ihren Kooperationen gehört. Im Wettbewerb<br />

war sogar Wuppertal ein Kooperationspartner.<br />

Cornelia Zuschke: Das ist richtig, es gibt ganz viele<br />

unterschiedliche Verbünde. Es sind zum einen ganz<br />

kleine Arbeitsgemeinschaften, die sich unmittelbar unter<br />

den Nachbarn abspielen. Da sind Kreis Mettmann<br />

und Kreis Neuss und Düsseldorf im Thema Verkehr und<br />

Mobilität. Im Wettbewerb RegioNetzwerk wachsen wir<br />

))<br />

Cornelia Zuschke,<br />

Planungsdezernentin Stadt Düsseldorf:<br />

Es gibt eine Menge an Kooperationen,<br />

bei denen wir dabei<br />

sind - nicht weil wir es müssen,<br />

sondern weil wir es für notwendig<br />

halten und es auch wollen. ((<br />

mit Duisburg, Krefeld, Meerbusch, Ratingen im Halbmond<br />

zwischen Rhein und Wupper zusammen. Es gibt<br />

auch internationale <strong>Netzwerke</strong> in denen wir mitzuhause<br />

sind. Das sind die, die sich mit den Rändern an großen<br />

Ballungsräumen beschäftigen und gerade dort auch<br />

wieder Kooperationen auslösen. Es gibt eine Menge an<br />

Kooperationen, bei denen wir dabei sind - nicht weil wir<br />

es müssen, sondern weil wir es für notwendig halten<br />

und es auch wollen.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Was versprechen<br />

Sie sich davon? Was möchten Sie gemeinsam in<br />

Kooperation erreichen?<br />

Cornelia Zuschke: Am plakativsten ist in diesem<br />

Zusammenhang StadtUmland, wo die Komponenten<br />

über die Mobilität verbunden werden. Wir sagen, dass<br />

was uns nicht gelingt, verbindet uns auch. Wir müssen<br />

schauen, wie wir uns durch die Mobilitätsnetzwerke ertüchtigen,<br />

um als Region auch lebendig und funktionsfähig<br />

zu bleiben. Mit diesem Netz der Verbindungen ist<br />

wiederum auch gekoppelt, dass jede Kommune eine<br />

Fläche einspielt und dass diese an den Rändern in der<br />

Verknüpfungszone entweder durch eine Mobilitätsachse<br />

oder wie auch immer, durch verbindende Infrastruktur<br />

bespielt wird. So verbinden sich diese Flächenentwicklungen<br />

mit einer gewissen Dichte, aber auch mit Infrastruktur,<br />

die dann nicht gekoppelt wird.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Das bringt mich<br />

nochmal dazu, bei Herrn Kähler nachzufragen. Das Thema<br />

Mobilität war auch eine der Leitfragen des Studierendenwettbewerbs.<br />

Zwischen Herford und Bielefeld<br />

liegen nur wenige Zugminuten. Dabei muss man die Mobilitätsketten<br />

aber bis zum letzten Meter denken - von<br />

Haustür zu Haustür. Wie denken Sie über die Zukunft<br />

der Mobilität in ihrem Kooperationsverband?


Tim Kähler: Die Mobilität ist eine der wichtigsten Fragen<br />

für die Zukunft im Kontext dieser Regiopole. Jedes<br />

Dorf kann sich rundum Bielefeld definieren und einen<br />

Wall um sich herum ziehen oder man akzeptiert, die bestehenden<br />

Pendlerbeziehungen. Da gibt es mehr Beziehungen<br />

zwischen den Orten, als man es vielleicht lange<br />

politisch hat artikulieren wollen. Wenn ich jetzt in die<br />

Stadt Herford gucke, in der ich jetzt etwas mehr als drei<br />

Jahre Bürgermeister bin, habe ich eine nicht akzeptable<br />

Vernetzung zwischen dem Busverkehr und der Schiene,<br />

warum auch immer. Ich habe zehn Jahre lang in Bielefeld<br />

gearbeitet und ich bin de facto zu Fuß schneller am<br />

Bahnhof gewesen, als mit dem Bus. Das sagt eigentlich<br />

alles. Es ist aber eine sehr schwierige Diskussion, wenn<br />

man den Menschen erklären muss, dass ein Marktplatz,<br />

als Verkehrsumsteigeplatz neben einem Hauptbahnhof,<br />

fraglich ist. Das diskutieren wir im Rat. Ein neues Quartier<br />

muss mobilitätstechnisch so angebunden sein, dass<br />

die Nutzung des Busses schneller, als das eigene Auto<br />

ist. Gleichzeitig haben wir nach wie vor in der Planung,<br />

die Landstraße zwischen Bielefeld und Herford vierspurig<br />

auszubauen. Ich sage, lasst das sein. Lasst uns lieber<br />

einen Radschnellweg definieren, lasst uns ÖPNV-Strukturen<br />

definieren und lasst uns da das Geld investieren.<br />

Bürgermeister Tim Kähler, Stadt Herford:<br />

)) Die Mobilität ist eine der wichtigsten<br />

Fragen für die Zukunft<br />

im Kontext dieser Regiopole.<br />

Jedes Dorf kann sich rundum<br />

Bielefeld definieren und einen<br />

Wall um sich herum ziehen<br />

oder man akzeptiert die bestehenden<br />

Pendlerbeziehungen.<br />

Da gibt es mehr Beziehungen<br />

zwischen den Orten, als man<br />

es vielleicht lange politisch hat<br />

artikulieren wollen. ((<br />

Bis vor Kurzem gab es kein gemeinsames Commitment<br />

über einen Radschnellweg zwischen Gütersloh, Bielefeld<br />

und Herford. Das hat sich geändert. Wir werden<br />

das jetzt gemeinsam beantragen und wollen gucken,<br />

ob man da eine Querachse als Entwicklungsachse definieren<br />

kann. Das war vor zwei Jahren nicht möglich.<br />

Ganz konkret ziehen z.B. viele Menschen nach Herford-Elverdissen,<br />

weil es günstiger ist, dort zu wohnen<br />

und zu bauen. Gleichzeitig endet die Stadtbahnlinie<br />

von Bielefeld direkt an der Stadtgrenze. Was da getan<br />

werden muss, kann ich mit Händen greifen, wenn man<br />

über Entwicklungsachsen einer Regiopole nachdenkt.<br />

Unterm Strich sparen alle Ressourcen und wir steigern<br />

die Lebensqualität. Das ist, was wir wollen.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Frau Dr. Dittrich-<br />

Wesbuer, Sie beschäftigen sich in Forschungsprojekten<br />

mit der nachhaltigen Entwicklung beim ILS.<br />

Welche Voraussetzungen erhöhen Ihrer Meinung nach<br />

die Chancen für erfolgreiches Kooperieren?<br />

Dr. Andrea Dittrich-Wesbuer: Wir haben sehr unterschiedliche<br />

Kooperationen, das ist hier auch schon<br />

angeklungen. Das fing an mit regionalisierter Strukturpolitik,<br />

über die <strong>Regionale</strong>, bis hin zu Zweckverbänden.<br />

Was ich wichitg finde ist, dass man sich traut, Region<br />

auch immer wieder neu zu definieren. Das ist eine<br />

große Schwierigkeit. Aber es hat sich bewährt, wenn<br />

Kooperationen über administrative Zusammenhänge<br />

hinausgehen und nicht nur das Einzugsgebiet der Regionalplanung<br />

beachten. Die müssen sich themenspezifisch<br />

immer wieder neugründen. Da kann man natürlich<br />

sagen, das ist völlig unübersichtlich und letztlich<br />

konkurrieren alle. Ich habe aber doch zumindest für<br />

Nordrhein-Westfalen das Gefühl, dass sich da auf Dauer<br />

gute Beispiele für sich verfestigende Kooperationen<br />

finden.<br />

Auch die Region Düsseldorf ist ein gutes Beispiel.<br />

Da hat sich die Regionalplanung auch ganz stark als<br />

Moderator in der Kooperation „in und um Düsseldorf“<br />

verstanden, so hieß das damals. Das ist jetzt in anderen<br />

Kooperationen aufgegangen. Für uns, als außenstehende<br />

Betrachter, ist besonders wichtig: Vielfalt in<br />

der Kooperation und ein langer Atem. Aber auch die<br />

Beteiligung der formellen Planungsebene, die es in<br />

Nordrhein-Westfalen gibt, ist sehr wichtig. Wir haben<br />

eine Regionalplanung und die muss man mitnehmen.<br />

Natürlich haben wir im Moment Wachstumsschmerzen.<br />

Wir haben in Teilen aber auch nach wie vor Schrumpfungsschmerzen,<br />

selbst in wachsenden Regionen. Das<br />

absolute Bevölkerungswachstum, das jetzt so stark diskutiert<br />

wird, wird von sehr speziellen Gruppen getragen.<br />

Inzwischen merken die Städte, dass die Bevölkerungsprognosen<br />

nicht ganz zutreffend sind. Aber bevor Sie<br />

jetzt die falschen Schlussfolgerungen ziehen - das hat<br />

noch nichts unmittelbar mit dem Wohnraum zu tun. Der<br />

Wohnraum ist nicht 1:1 an die Einwohnerzahl gekoppelt.<br />

Da gibt es natürlich noch andere Treiber. Wir haben also<br />

sicher weiter eine Positiv-Entwicklung in der Nachfrage.<br />

Und wir haben möglicherweise neue Entwicklungen, wie<br />

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Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017


66<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

den Anstieg von Zweitwohnungen in den Städten, die<br />

dann weiteren Wohnraumbedarf verursachen. Das ist<br />

auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit sehr spannend.<br />

Wir dürfen also nicht nur das absolute Wachstum<br />

der Bevölkerung sehen.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Das ist genau richtig,<br />

dass wir das hier differenzieren. Die NRW.BANK hat<br />

sich mit dem Studierendenwettbewerb explizit Regionen<br />

ausgesucht, Hochschulstandorte, wo der Druck nochmal<br />

besonders hoch ist. Da gibt es auch innerhalb der Wachstumsregionen<br />

Schrumpfungsprozesse oder Orte, die etwas<br />

abgehängter sind oder draußen wären, wenn sie sich<br />

nicht explizit auf solche Kooperationen einließen.<br />

Dr. Andrea Dittrich-Wesbuer: Wenn Sie sagen, dass<br />

die Orte dann draußen wären, gestatten Sie mir die<br />

Bemerkung: Manchmal wollen die auch gar nicht rein.<br />

Es gibt da genug Kommunen. Es gibt zum Beispiel im<br />

Umland von München eine Gemeinde, die sich gewehrt<br />

hat, den S-Bahnanschluss zuzulassen, weil sie nicht in<br />

diesen enormen Wachstumsdruck hinein wollte. Das<br />

muss ebenfalls thematisiert werden. Kooperation in<br />

Wachstumszeiten ist nicht nur eine Beutegemeinschaft.<br />

Wir haben auch etwas zu verlieren - womöglich die ursprüngliche<br />

Qualität der Gemeinden. Kooperationen haben<br />

sicherlich häufig Vorteile, wenn es um Wohnraum<br />

geht, aber es gibt eben auch Nachteile des Wachstums.<br />

Dr. Andrea Dittrich-Wesbuer, ILS NRW:<br />

)) Kooperation in Wachstumszeiten<br />

ist nicht nur eine Beutegemeinschaft.<br />

Wir haben auch etwas<br />

zu verlieren - womöglich die<br />

ursprüngliche Qualität der Gemeinden.<br />

Kooperationen haben<br />

sicherlich häufig Vorteile, wenn<br />

es um Wohnraum geht, aber es<br />

gibt eben auch Nachteile des<br />

Wachstums. ((<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Frau Koeppinghoff,<br />

befinden wir uns also in einer Phase, die wieder vorübergeht<br />

oder stellen wir uns darauf ein, dass wir zukünftig<br />

immer wieder neue Kooperationen eingehen und immer<br />

größere zusammenhängende Räume suchen müssen?<br />

Sigrid Koeppinghoff: Ich glaube, so einfach können<br />

wir es uns nicht machen. Nach dem Motto: das war ein<br />

vorübergehender Hype und das beruhigt sich wieder.<br />

Ich glaube auch, die Entwicklungen, die uns vor drei,<br />

vier Jahren aufgeschreckt haben, waren Ergebnis von<br />

Trends, die wir lange verschlafen haben. Die Engpässe<br />

und Probleme, die wir in den Großstädten haben, haben<br />

letztendlich nichts mit der aktuellen Zuwanderung zu tun,<br />

sondern haben sich lange aufgebaut. Auch das, was wir<br />

derzeit an Bautätigkeit haben, ist weit unterhalb dessen,<br />

was wir eigentlich bräuchten. Das heißt, die Lücken bauen<br />

sich im Moment noch auf und man muss mit diesem<br />

Wachstum weiter umgehen. Das wird sich erst sehr langfristig<br />

lösen lassen. Insofern hatte ich eben ein leichtes<br />

Störgefühl, weil ich gedacht habe, dass wir da zu unserer<br />

Schrumpfungssichtweise zurückkehren. Man muss in<br />

der Tat regional differenzierter schauen. Ich glaube auch,<br />

dass die Regionen, die hier im Fokus der Betrachtung<br />

stehen, sich auf Dauer mit Wohnungsbedarf und Versorgungsproblemen<br />

im unteren Einkommensbereich auseinanderzusetzen<br />

haben und darauf Antworten finden<br />

müssen. Ebenso müssen Antworten in regionalen Kooperationen<br />

gefunden werden. Das müssen Antworten<br />

sein, die auch Leitbilder berücksichtigen, weil das Umland<br />

nicht nur Überlaufbecken der Kernstadt ist, sondern<br />

weil es auch um gemeinsam gefundene Qualitäten geht.<br />

Es geht auch um urbane Qualitäten im Wohnumfeld,<br />

qualitative Erwartungen und Chancen von Kooperationspartnern,<br />

die darin liegen. Von daher sollten wir es nicht<br />

nur auf die Wohnungsfrage beschränken, auch wenn die<br />

uns alle so aufgeschreckt hat. <strong>Regionale</strong> Kooperation<br />

ist sicherlich eine Frage von Siedlungsentwicklung, eine<br />

Frage von Mobilitätsentwicklung, eine Frage von urbanen<br />

Leitbildern in der Region und eine Frage von Freiraumplanung<br />

zur Erhaltung von Qualitäten. Das ist nichts, das<br />

man so abschmettern kann, sondern ein Thema, das uns<br />

auf Dauer beschäftigt und ein Thema, das es verdient,<br />

dass wir uns damit auf Dauer auseinandersetzen.<br />

Cornelia Zuschke: Wenn es um Kooperationen<br />

geht, geht es nicht nur um Win-Win und abrechenbare<br />

Faktoren, sondern auch um ganz viele Gefühle.<br />

Diese alten Feindschaften und Konkurrenzen gäbe<br />

es schließlich nicht, wenn es nicht auch um Gefühle<br />

ginge. Deswegen bin ich auch entschiedene Befürworterin<br />

der Regionalplanung einerseits, aber eben<br />

auch Planerin bei einer Stadt. Diese Ebene ist ungeheuer<br />

wichtig, weil sie ganz einfach die Struktur<br />

verkörpert, die uns alle verbindet. Es braucht diese<br />

Verkörperung. Ich möchte gerne nochmal auf die<br />

Qualitäten zurückkommen. Dichten sollten einen<br />

neuen Betrachtungsraum schaffen, der wiederum<br />

neue Qualitäten mit sich bringt. Die Verbindungen<br />

bedeuten immer auch neue Chancen. Daher sollte<br />

man nicht nur strukturell und funktional das Thema<br />

Kooperationen betrachten, sondern es individuell,


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Sigrid Koeppinghoff, MHKBG NRW:<br />

)) <strong>Regionale</strong> Kooperation ist sicherlich<br />

eine Frage von Siedlungsentwicklung,<br />

eine Frage von Mobilitätsentwicklung,<br />

eine Frage von<br />

urbanen Leitbildern in der Region<br />

und eine Frage von Freiraumplanung<br />

zur Erhaltung von Qualitäten.<br />

Das ist nichts, das man<br />

so abschmettern kann, sondern<br />

ein Thema, das uns auf Dauer<br />

beschäftigt und ein Thema, das<br />

es verdient, dass wir uns damit<br />

auf Dauer auseinandersetzen. ((<br />

planerisch und qualitativ ausrichten. Leitbilder und<br />

andere Aspekte sollten wir einfließen lassen. Innerhalb<br />

der Qualitäten gibt es weniger Konkurrenz, wenn<br />

man sich mit Funktionen dort verortet. Das ist eine<br />

riesen Chance sich zu finden und zu verbünden.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Das Wort Konkurrenz<br />

bringt mich gerade nochmal zurück auf die Beutegemeinschaft.<br />

Frau Dittrich-Wesbuer, wie haben Sie<br />

das gemeint? Eher im Sinne von Arbeitsteilung oder<br />

im Sinne von Profitmaximierung?<br />

Dr. Andrea Dittrich-Wesbuer: Das Wort stammt eher<br />

aus dem letzteren Bereich. Wir wollen alle gewinnen und<br />

wie teilen wir uns den Gewinn an Einwohnern, denn die<br />

Einkommenssteuer ist nun mal eine wichtige Geldquelle<br />

für die Kommunen. Ich habe aber schon gesagt: es ist<br />

nicht so einseitig. Zusätzliche Wohnraumentwicklung, im<br />

Umland ist nicht nur das gute Geschäft, sondern ist auch<br />

mit Aufwand und Kosten, etwa in der Anpassung der Infrastruktur,<br />

verbunden. Die Frage der Beutegemeinschaft<br />

will ich aber trotzdem nochmal aufgreifen. Kooperationen<br />

basieren auf einem Thema, auf das sich alle einigen: „Wir<br />

wollen den Tourismus fördern.“ „Wir wollen die Kulturlandschaft<br />

entwickeln.“<br />

Das war ein Ursprungsthema von Kooperationen und ich<br />

finde es immer ganz wichtig, dass bei Kooperationen trotz<br />

aller streitbaren Themen, auch ganz klare Übereinkünfte<br />

vorhanden sind. So kann man sich als Region auch ganz<br />

stark nach außen profilieren. Man braucht tragfähige Vehikel<br />

und klare Übereinkünfte, die allen Entwicklungen<br />

standhalten.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Dann will ich ganz<br />

gerne zur Schlussrunde kommen. Sie haben nun alle die<br />

Möglichkeit, einen Wunsch zu adressieren. Ich möchte Sie<br />

bitten den folgenden Halbsatz zu vervollständigen: „Um<br />

dem Thema Wachstum in Kooperation von Stadt und Umland<br />

weiter Schub zu verleiten, wünsche ich mir, ... .“<br />

Dr. Andrea Dittrich-Wesbuer: „ ..., dass die Akteure<br />

einen langen Atem haben.“<br />

Cornelia Zuschke: „ ..., dass uns die Bürgerschaft in<br />

unseren Städten positiv begleitet und das nicht als<br />

Angstkulisse sieht.“<br />

Tim Kähler: „ ..., Mut auf allen Seiten.“<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Frau Koeppinghoff<br />

möchte ich bitten sowohl Ihren Wunsch zu adressieren<br />

als auch vielleicht schon Geschenke, in Form von Fördermitteln<br />

oder Förderprogrammen, in Aussicht zu stellen.<br />

Sigrid Koeppinghoff: Das mit dem Wunschzettel ist<br />

immer schwierig, mit den Geschenken sowieso. Aber<br />

ich wünsche mir Standfestigkeit bei allen Beteiligten,<br />

auch bei Gegenwind und den Mut etwas anzupacken.<br />

Wir bringen immer Dialogbereitschaft und im Förderbereich<br />

verlässliche Planungsgrundlagen mit, sowie<br />

ein offenes Ohr.<br />

Petra Voßebürger: Vielen Dank an die ganze Runde.<br />

Bilder der Podiumsdiskussionteilnehmer sind auf dem NRW.BANK.Symposium<br />

2017 entstanden. Fotos: NRW.BANK/Schmidt-Dominé<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017


Dr. Torsten Bölting, Dr. Jörg Hopfe, Stefan Raetz, Karla Schilde, Dr. Anke Valentin<br />

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Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

Neue Wohnquartiere im Umland -<br />

Neue Qualitäten durch mehr Urbanität?<br />

Fishbowl<br />

Moderation: Petra Voßebürger • IKU_DIE DIALOGGESTALTER<br />

Diskutanten: Dr. Torsten Bölting • InWIS, Dr. Jörg Hopfe • NRW.BANK,<br />

Bürgermeister Stefan Raetz • Stadt Rheinbach, Karla Schilde • Landeshauptstadt<br />

München, Dr. Anke Valentin • Wissenschaftsladen (WILA) Bonn e.V.<br />

Podiumsdiskussion auf dem NRW.Symposium 2017, Foto: NRW.BANK/Schmidt-Dominé<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Herzlich willkommen.<br />

Gemeinsam wollen wir nun über „Neue Qualitäten<br />

durch mehr Urbanität?“ sprechen. Es schließen sich dabei<br />

einige Fragen an. Wie viel Urbanität hält das Umland aus?<br />

Welche Chancen bieten Quartiere in der Umsetzung neuer<br />

Wohn- und Arbeitstrends oder von Aspekten nachhaltiger<br />

Stadtentwicklung? Welche Bodenpolitik und welche<br />

Fördermöglichkeiten helfen bei der Umsetzung?<br />

Frau Schilde, ich stelle es mir in München nochmal viel,<br />

viel herausfordernder als bei unseren Wachstumsmetropolen<br />

in Nordrhein-Westfalen vor. Können sie die Herausforderungen<br />

in München für uns einmal skizzieren?<br />

Karla Schilde: Gerne. Tatsächlich muss ich zunächst<br />

aber das Lob von vorhin an die Regionalplanung in<br />

Nordrhein-Westfalen weitergeben, das ein viel besseres<br />

Standing hat. Dies ist sicherlich auch den Strukturen<br />

hier geschuldet. Aber vielleicht einmal kurz aus<br />

München berichtet: 1,5 Mio. Einwohner, 21 direkte<br />

Nachbarkommunen und in der Region München mit ihren<br />

acht Landkreisen sogar 185. Das ist historisch bedingt,<br />

weil man in den 70er Jahren in Bayern nicht so<br />

kräftig eingemeindet hat. Das heißt, wir sprechen hier<br />

von Kommunen mit durchschnittlich 5.000 bis 10.000<br />

Einwohnern. Dann gibt es noch ein paar, wie Dachau<br />

oder Freising, mit 40.000 bis 50.000. Wir haben da<br />

ganz viele wesentlich kleinere Partnerinnen und Partner<br />

und da ist es natürlich schwierig, selbstbewusst<br />

eine Kooperation auf Augenhöhe mit Leben zu füllen.<br />

Nichts desto trotz wachsen natürlich auch diese Kommunen<br />

mit, zum Teil ganz stark und auch dort sitzen<br />

DAX-Unternehmen. Schon lange, lange heißt es nicht<br />

mehr „alles auf München“ und dem Rest bleiben nur<br />

die Schlafstätten. Das sieht man auch vor allem an den<br />

Bevölkerungswachstumszahlen der letzten zehn Jahre.<br />

München und die Region wachsen ungefähr gleich<br />

stark. Wir haben dann noch die europäische Metropolregion<br />

(EMM), die im Süden bis Rosenheim, im Norden<br />

bis Landshut und im Westen bis Augsburg reicht. Hier<br />

leben fast 6 Mio. Einwohner. Da geht das Wachstum<br />

dann auch sehr stark in die Fläche.


Moderatorin Petra Voßebürger: Auf dieser Ebene<br />

haben Sie auch einen Baukulturpreis für gemischte<br />

Wohnquartiere in der europäischen Metropolregion<br />

München vergeben und standen dabei wahrscheinlich<br />

vor ähnlichen Fragestellungen, wie die Studierenden<br />

bei dem Wettbewerb. Wie ist das in München?<br />

Karla Schilde: Der Baukulturpreis der europäischen<br />

Metropolregion, war eine Idee unserer regionalen<br />

Wohnungsbaukonferenzen. Schon unter Herrn Oberbürgermeister<br />

Ude haben wir damit begonnen und<br />

jetzt unter Herrn Oberbürgermeister Reiter weitergemacht.<br />

Jedes Jahr wird eine regionale Wohnungsbaukonferenz<br />

veranstaltet, die gute Beispiele und<br />

weitere Anregungen für informelle Kooperationen<br />

zeigt. Grenzen und gesetzliche Rahmenbedingungen<br />

wurden in der ersten Diskussion schon genannt. Im<br />

Jahr 2015 wurde auf Initiative der bayerischen Architektenkammer,<br />

unserer Stadtbaurätin Frau Dr. Merk<br />

und der EMM ein Baukulturpreis erstmals ausgelobt,<br />

der gebaute Beispiele von nutzungsgemischten<br />

Quartieren vor allem auch im ländlicheren Teilen der<br />

Region würdigt. Das soll auch den Kommunen helfen,<br />

die hier bislang noch zurückhaltend waren. Es<br />

soll gezeigt werden, dass man gute ortsbildbewahrende<br />

Quartiere entwickeln kann und eben nicht das<br />

Hochhaus oder die Trabantenstadt bauen muss. Das<br />

ist natürlich auch die Motivation heute hier zu sein,<br />

denn die Einreichungen der Studierenden gehen<br />

auch in diese Richtung, auch wenn sie noch nicht<br />

gebaut wurden. Wenn diese Vorschläge umgesetzt<br />

werden würden, könnte man der Nachbarkommune<br />

zeigen: so geht's.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Stefan Raetz, Sie<br />

sind seit 1999 Bürgermeister in Rheinbach. Rheinbach<br />

liegt in der Region Bonn und Sie sind schon<br />

sehr lange in Kooperationen unterwegs, da aus der<br />

Zäsur des Hauptstadtbeschlusses ein gewisser Aufwind<br />

für die Kooperationsbestrebungen entstand.<br />

Jetzt sind Sie nicht 185 Kommunen, sondern der<br />

Sprecher von 19 Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis.<br />

Was sind Ihre Erfahrungen, Herr Raetz?<br />

Stefan Raetz: Die Erfahrungen sind eigentlich aus<br />

dieser Notsituation heraus entstanden, weil wir einfach<br />

kooperieren mussten. Wir hatten Angst, dass<br />

die Lichter in der Region nach dem Umzug der Bundesregierung<br />

ausgehen könnten. Da hat dann auch<br />

die Stadt Bonn mit ihren Nachbarkommunen gesprochen<br />

und gefragt: "Was machen wir denn jetzt?"<br />

Erst war da die Stimmung „der Letzte macht das<br />

Licht aus“, aber dann wurde recht schnell erkannt,<br />

dass wir umdenken und neue Qualitäten in der Region<br />

entwickeln müssen. Das haben wir, glaube ich,<br />

auch gut bei den Verhandlungen um Ausgleichsmaßnahmen<br />

und Gelder getan. Wir haben uns dann als<br />

Wohn- und Gewerbestandort weiterentwickelt, aber<br />

auch sehr stark in Bildung und Wissenschaft. Das<br />

alles in Kooperation großer und kleiner Städte. Wir<br />

haben da relativ schnell verortet, was in der Region<br />

wohin passen könnte.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Das klingt so einfach.<br />

Ich kann das gar nicht so ganz glauben, dass Sie<br />

so nüchtern über Hochschulstandorte und anderes<br />

entschieden haben.<br />

Stefan Raetz: Das war relativ klar. Wir haben eine<br />

Hochschule und wir haben ein Technologiezentrum<br />

und wir haben 150 Hektar gewerblichen Siedlungsbereich<br />

in der Zwischenzeit entwickelt. Weitere stehen<br />

jetzt an. Wir haben da den Zug relativ schnell ins<br />

Rollen gebracht. Das haben nicht alle geschafft. Man<br />

musste bereit sein sich weiterzuentwickeln und zu<br />

sagen: Wir sind jetzt nicht mehr nur Schlafstadt der<br />

Bundeshauptstadt Bonn. Man merkt heute, dass die<br />

mutigeren Städte von damals, den Wandel doch gut<br />

geschafft haben. Natürlich war das nicht einfach in<br />

der Kooperation. Einige sind vorweg gegangen und<br />

haben dann die anderen mitgezogen. Schnell kam<br />

auch die Frage: Warum nicht wir? Da hätte man sich<br />

vielleicht eingestehen müssen, dass man zu langsam<br />

war. Man hat grundsätzlich versucht alle mitzunehmen,<br />

aber einige waren ganz sicher Vorreiter.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Nun ist Rheinbach<br />

eher eine kleine Gemeinde. Wenn Sie jetzt solche<br />

urbanen, verdichteten Quartiere anböten, wie würden<br />

Ihre Bürgerinnen und Bürger dann reagieren?<br />

Stefan Raetz: Nun, das ist sicherlich ein schwieriges<br />

Feld. Die kommunale Planungshoheit liegt im Stadtrat<br />

und der ist in vielen Fällen auch überaltert. Zwei Stockwerke<br />

plus Staffelgeschoss galten früher schon als verdichtetes<br />

Bauen und war das Höchste der Gefühle.<br />

Bürgermeister Stefan Raetz, Stadt Rheinbach:<br />

)) Zwei Stockwerke plus Staffelgeschoss<br />

galten früher schon<br />

als verdichtetes Bauen und war<br />

das Höchste der Gefühle. Jetzt<br />

gehen wir aber mit deutlich<br />

mehr Urbanität in die Innenstadt<br />

hinein. ((<br />

69<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017


70<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

Jetzt gehen wir aber mit deutlich mehr Urbanität in die<br />

Innenstadt hinein. Wir hatten noch alte Gewerbeflächen<br />

mit 30.000 qm in der Innenstadt und da geht man dann<br />

schon mit deutlich mehr Urbanität ran, als man das früher<br />

getan hätte. Da holt man sich auch viele Ideen von<br />

Studierenden und lässt das einfach mal ohne große Vorbehalte<br />

präsentieren und diskutiert drüber. Dann sage<br />

ich der Politik aber auch, dass sie mal was durchhalten<br />

muss. Wir wissen auch, dass manche bei ein oder zwei<br />

kritischen Leserbriefen gleich wieder umfallen. Da muss<br />

man dann mit seinen Beratern durchhalten und vertreten,<br />

dass man sich die Entwicklung heute anders vorstellt<br />

als noch vor ein paar Jahren. Das geht, aber das ist<br />

ein längerer Prozess. Da haben sie Recht.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Herr Dr. Bölting, Sie<br />

sind an vielen Wettbewerben und Forschungen beteiligt,<br />

aber auch an kommunalen Wohnkonzepten, die Sie<br />

begleiten. Wenn Sie im Land NRW oder auch darüber<br />

hinaus gucken, verändern sich die Nutzerstrukturen so,<br />

dass NRW oder Deutschland mehr verdichtete Quartiere<br />

im Umland verträgt?<br />

Dr. Torsten Bölting: Ja, da tut sich schon was. Vielleicht<br />

nicht überall gleich schnell, aber es lässt sich<br />

doch durchaus erkennen. Ich komme selbst aus einer<br />

ländlichen Region. Wohnen im ländlichen Umland hat<br />

natürlich viele Vorteile. Ich bin in Bocholt geboren. Aufgewachsen<br />

bin ich allerdings in der Kleinstadt Rhede in<br />

Westfalen. Für bayerische Verhältnisse vielleicht schon<br />

ein Mittelzentrum, aber hier in Nordrhein-Westfalen<br />

eben doch nicht ganz, aber mittlerweile auch eine<br />

Wachstumsregion. Im Zentrum von Rhede lässt sich<br />

erkennen, dass dieser Bereich einen urbaneren Charakter<br />

bekommt. Das liegt nicht daran, dass es einen<br />

großen Druck auf die Fläche dort im ländlichen Raum<br />

gäbe, sondern daran, dass die Menschen das so wollen.<br />

Das hat aus meiner Sicht zwei Gründe. Der eine<br />

Grund ist der demografische Wandel, der seit Jahren<br />

und Jahrzehnten in aller Munde ist. Die Menschen<br />

werden immer älter. Das ist erfreulich, führt aber auch<br />

dazu, dass wir andere Wohnwünsche erfüllen müssen.<br />

Das Zweite ist der gesellschaftliche Wandel und die<br />

einhergehende Pluralisierung, die in der Wissenschaft<br />

auch viel besprochen ist. Die Lebensstile ändern sich<br />

in allen Alterskohorten. Zudem wird heute deutlicher<br />

artikuliert, wie man leben möchte, auch von der älteren<br />

Generation.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Bei den von Ihnen<br />

durchgeführten Mieter- und Nutzerbefragungen<br />

wurden diese Veränderungen auch festgestellt. Was<br />

verändert sich genau? Welche Qualitäten suchen die<br />

von Ihnen Befragten?<br />

Dr. Torsten Bölting: Wir machen Haushaltsbefragungen<br />

und Mieterbefragungen. Bei Mieterbefragungen<br />

sind es entsprechend eher nicht die ganz ländlichen<br />

Regionen. Bei Haushaltsbefragungen kann das aber<br />

durchaus schon mal sein. Ein aktuelles Beispiel ist die<br />

Befragung in Berlin - zugegeben in einer etwas größeren<br />

Stadt. Dort wurde flächendeckend, auch in den<br />

Dr. Torsten Bölting, InWIS:<br />

)) In Bezug auf die Wohnungen<br />

sind die geforderten Qualitäten<br />

durchaus unterschiedlich. Ganz<br />

oben steht aber ein barrierereduzierter<br />

Zugang zur Wohnung -<br />

das halten viele für sinnvoll. ((<br />

Randbezirken, festgestellt, dass die durchschnittlich ca.<br />

50 Jahre alten Mieter im Alter gerne nicht mehr 90qm<br />

Wohnfläche, sondern nur noch 66 qm haben möchten.<br />

Da brauchen wir also andere Wohnungen. Gleiche Mietkosten<br />

würden dabei akzeptiert werden, auch wenn man<br />

20 bis 25 qm weniger zur Verfügung hätte. Es besteht<br />

also die Bereitschaft, einen durchaus höheren Quadratmeterpreis<br />

zu bezahlen, weil man davon ausgeht, dass<br />

das Umfeld mit der Infrastruktur und dem Zugang zu unterschiedlichen<br />

Angeboten, diesen rechtfertigt.<br />

In Bezug auf die Wohnungen sind die geforderten<br />

Qualitäten durchaus unterschiedlich. Ganz oben steht<br />

aber ein barrierereduzierter Zugang zur Wohnung<br />

- das halten viele für sinnvoll. Jedenfalls in den größeren<br />

Städten können sich immerhin 50-60 % der<br />

Befragten, auch ein Leben in gemeinschaftlichen<br />

Wohnformen vorstellen oder würden es zumindest<br />

ausprobieren.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Frau Dr. Anke Valentin,<br />

beim Wissenschaftsladen Bonn untersuchen Sie<br />

Themen wie Flächenverbrauch, Energiewende und soziale<br />

Gerechtigkeit. Alles Themen, die etwas mit Wohnen<br />

zu tun haben. Wie sollte man aus Ihrer Sicht agieren?<br />

Dr. Anke Valentin: Der Wissenschaftsladen Bonn engagiert<br />

sich bei einem breiten Spektrum an Themen.<br />

Wir sind schon ein Fan der Innenverdichtung, aber dabei<br />

natürlich mit hoher Qualität, sodass man weiterhin<br />

eine Wohlfühlatmosphäre schaffen kann. Es ist klar,


Dr. Anke Valentin, Wissenschaftsladen Bonn:<br />

)) Mit Grün im Umfeld fühlt man sich<br />

einfach besser. Diesbezüglich gibt<br />

es ja unzählige Studien. Trotzdem<br />

gibt es bestehende Vorschriften<br />

zur Dachbegrünung, die aber in<br />

den meisten Städten nicht eingelöst<br />

werden oder es gibt furchtbar<br />

einfallsloses Gemeinschaftsgrün. ((<br />

dass ein fünfstöckiges Haus keine Alternative für den<br />

Traum vom eigenen Einfamilienhaus ist. Da habe ich<br />

auch vollstes Verständnis. Wofür ich weniger Verständnis<br />

habe ist, wenn beim Begrünungspotenzial nicht<br />

mehr Chancen wahrgenommen werden. Bei den Entwürfen<br />

dieses Wettbewerbs spielen alle mit Grün. Diese<br />

Qualität wird also wahrgenommen. Mit Grün im Umfeld<br />

fühlt man sich einfach besser. Diesbezüglich gibt es ja<br />

unzählige Studien. Trotzdem gibt es bestehende Vorschriften<br />

zur Dachbegrünung, die aber in den meisten<br />

Städten nicht eingelöst werden oder es gibt furchtbar<br />

einfallsloses Gemeinschaftsgrün. Mit verschiedenen<br />

Wohnungsbaugesellschaften gehen wir auch gerade<br />

der Frage nach, wie gemeinsam mit den Mietern dieses<br />

Gemeinschaftsgrün besser gestaltet werden kann, damit<br />

es auch angenommen wird. Es gibt viele Konzepte<br />

und die versuchen wir in kleinem Maßstab umzusetzen.<br />

Wenn ich jetzt sage, dass wir mit Wohnungsbaugesellschaften<br />

zusammenarbeiten, sind das ganz, ganz kleine<br />

Flächen. Das ist der Bereich zwischen zwei Wohnblöcken.<br />

Auf kommunaler Ebene oder in der Regionalplanung<br />

ist man gleich bei viel größeren Dimensionen. Im<br />

Entwurf kann man eine wunderschöne grüne Achse<br />

planen, aber auch die kleinen Dimensionen darf man<br />

nicht vergessen, weil man da die Chance hat Bewohnerinnen<br />

und Bewohner mitzunehmen.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Herr Raetz, Sie haben<br />

im Rat einen Beschluss gefasst, dass man nur auf<br />

der grünen Wiese bauen darf, wenn gleichzeitig im inneren<br />

Bestand etwas gemacht wird. Wie kam es dazu?<br />

Stefan Raetz: Das ist mir nach wie vor sehr wichtig,<br />

denn wir machen es uns manchmal zu einfach. Wir weisen<br />

neue Baugebiete auf der grünen Wiese aus, solange<br />

es geht und vergessen dann unseren Bestand aus<br />

den 50er, 60er und auch 70er Jahren. Bei uns steht<br />

fest, wenn wir etwas am Rand machen, dann machen<br />

wir auch etwas im Bestand. Unsere Stadt ist sehr kreisförmig<br />

ohne große Auswüchse gewachsen, aber diese<br />

Prämisse gilt immer. Machen wir uns nichts vor - die<br />

Hälfte potenzieller Interessenten kommt aus der eigenen<br />

Gemeinde. Es könnten Bürgerinnen und Bürger<br />

von Innen nach Außen ziehen, wenn wir am Rand etwas<br />

attraktives ermöglichen. Der Bestand ist dann schwieriger<br />

in eine Nachnutzung zu bringen. Deswegen wird<br />

das immer zusammen gedacht. Wir haben zum Beispiel<br />

auch schon Konzepte bei den Bungalow-Siedlungen<br />

realisiert und diese Bauten um ein Geschoss aufgestockt.<br />

So werden diese auch für junge Familien wieder<br />

interessanter.<br />

Bei unseren relativ einfach gestrickten Bebauungsplänen<br />

gehören dann immer auch Baugestaltungshandbücher<br />

dazu. Das haben wir früh im Rahmen einer städtebaulichen<br />

Entwicklungsmaßnahme begonnen. Wir sind<br />

da auch stark im Thema Grün und Dachbegrünung und<br />

zum Beispiel bei nachhaltigen Baustoffen. Eine höhere<br />

Dichte wird bei diesen Gebieten positiv bewertet.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Wenn man die Süddeutsche<br />

Zeitung aufschlägt, Frau Schilde, dann sieht<br />

man eigentlich immer die schönen Beispiele von<br />

Münchener Quartieren im Luxus-Segment. Wie sieht<br />

Qualität im geförderten Wohnungsbau für Familien mit<br />

weniger Geld aus?<br />

Karla Schilde: In München haben wir zum Glück die<br />

Situation, dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften<br />

nicht versilbert wurden, als man dachte, dass<br />

Kommunen sich nicht mehr um diese Themen kümmern<br />

müssten wegen entlastender Schrumpfungsphasen.<br />

Nichts desto trotz fallen auch diese Wohnungen nach<br />

und nach aus der Bindung. Unsere Wohnungsbaugesellschaften<br />

haben also die große Herausforderung, bei<br />

einem sehr dicht bebauten Stadtkörper weitere Ressourcen<br />

für neuen sozialen Wohnungsbau zu finden. Es<br />

bestehen natürlich gleiche Qualitätskriterien, wie beim<br />

freifinanzierten Wohnungsbau hinsichtlich des Grünflächenanteils,<br />

der Wärmedämmung, der Bautechnik und<br />

so weiter, die den Wohnungsbaugesellschaften, gerade<br />

wegen des hohen Einstiegspreises für den Boden,<br />

Mühe machen. Es ist heute keine einfache Aufgabe,<br />

kostengünstig zu bauen, egal ob in Bayern oder in Nordrhein-Westfalen.<br />

Es muss unter anderem beim Vergaberecht<br />

eine Vereinfachung her, um in diesem Segment<br />

etwas anbieten zu können. Im Umland ist es zum Teil so,<br />

dass dort bestehende kommunale Wohnungsunternehmen<br />

abgewickelt wurden, weil es keine Flächen für sie<br />

gab. Das ist tragisch, weil man diese jetzt gut gebrauchen<br />

könnte.<br />

Aber wir müssen uns auch an die eigene Nase fassen: In<br />

den 70er/80er Jahren hat eine unserer Wohnungsbau-<br />

71<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017


72<br />

Stadt Land Wachstum - NRW.Symposium 2017<br />

gesellschaften im Umland eine sehr einseitig belegte<br />

Großsiedlung mit hohem Sozialwohnungsanteil gebaut,<br />

die jahrelang abschreckend gewirkt hat auf interkommunale<br />

Wohnungsbauansätze. Bei der jetzt laufenden<br />

Sanierung ist die Nachbarkommune jedoch mittlerweile<br />

bei der Wohnungsbaugesellschaft miteingestiegen und<br />

eine entsprechende Mitbestimmung ist damit ermöglicht,<br />

so dass beide Kommunen wirklich im Boot sind.<br />

Wir würden heute gerne mit noch besseren stadtplanerischen<br />

Konzepten und weiteren Kommunen kooperieren<br />

bzw. uns freuen, wenn andere Kommunen auch<br />

miteinander kooperieren.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Aber was sind die<br />

stadtplanerischen Qualitäten, die Sie heute auch realisiert<br />

wissen wollen?<br />

Karla Schilde: Damals war sicherlich die einseitige<br />

Belegung ein Fehler. Die Arbeiten der Studierenden<br />

haben heute gut gezeigt, dass eine Nutzungsmischung<br />

und eine gewisse Kleinteiligkeit, gepaart<br />

mit einer Aufwärts-Kompatibilität und mitgedachten<br />

weiteren Entwicklungsstufen, wichtige Erfolgskriterien,<br />

wie auch bei unserem Baukulturpreis, für „gutes<br />

Karla Schilde, Landeshauptstadt München:<br />

)) Die Arbeiten der Studierenden<br />

haben heute gut gezeigt, dass<br />

eine Nutzungsmischung und eine<br />

gewisse Kleinteiligkeit, gepaart<br />

mit einer Aufwärts-Kompatibilität<br />

und mitgedachten weiteren Entwicklungsstufen,<br />

eigentlich die<br />

Kriterien des Baukulturpreises<br />

für „gutes Zusammenleben“<br />

abbilden. Orte der Begegnung,<br />

sei es öffentlicher Freiraum oder<br />

offene Räume im Quartier, werden<br />

immer wichtiger. ((<br />

Zusammenleben“ sind: Orte der Begegnung, sei es<br />

öffentlicher Freiraum oder offene Räume im Quartier,<br />

werden immer wichtiger. Insbesondere, weil in<br />

München und dem Umland Räume für Vereine und<br />

Soziales immer knapper werden. Aber sowas ist sicherlich<br />

dann im Quartiersumfeld auch in privater<br />

Regie denkbar.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Das ist ja auch eine<br />

große Sorge der Umland-Gemeinden, dass das dort<br />

gelebte Dorfleben, dass Vereinsleben wohlmöglich<br />

nicht mehr so gut stattfinden kann. Da zuckte gerade<br />

Herr Dr. Bölting beim Thema Qualität und welche<br />

Nachfrage es gibt.<br />

Dr. Torsten Bölting: Es zuckte deshalb, weil ich mich<br />

natürlich frage, was Urbanität konkret ist. Wir definieren<br />

das häufig mit Dichte. Und natürlich müssen die<br />

infrastrukturell ausgestatteten Kernbereiche im Umland<br />

eine gewisse Dichte aufnehmen können. Die Einfamiliensiedlungen<br />

der 50er, 60er, 70er Jahre haben<br />

wir hier zu hunderttausenden in Nordrhein-Westfalen.<br />

Wir werden uns diese in den nächsten 10, 20, 30 Jahren<br />

alle anschauen müssen, weil die Bewohnerschaften<br />

dort weg sind. Die sind nämlich dann nicht dicht<br />

genug und lassen sich manchmal gar nicht oder nur<br />

sehr umständlich verdichten. Dichte, ok, aber für mich<br />

ist Urbanität mehr als nur Dichte. Da müssen wir Unterschiede<br />

auch zulassen oder sie ermöglichen. Ich bin<br />

ja auch Raumplaner und da malt man anfangs seine<br />

Kästchen und setzt da einen Supermarkt hin und an<br />

anderer Stelle heißt es „hier siedeln wir etwas an“. So<br />

ist es aber ja in der Realität nicht. Da kommt ja niemand<br />

von oben und streut Eisdielen und Supermärkte<br />

irgendwohin. Das ist ja nicht Sim City, was wir da<br />

machen. Wir müssen Möglichkeiten schaffen. Und wir<br />

müssen einen Weg finden, wie die Kommune das jeweils<br />

machen kann. Was Urbanität ist, müssen wir mit<br />

den Menschen in den Kommunen diskutieren können.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Herr Dr. Hopfe,<br />

man braucht ja nicht nur den Sinn für Bauqualität<br />

und Baukultur, sondern auch das nötige Geld. Was<br />

können Förderbanken wie die NRW.BANK dafür tun<br />

damit Qualität entsteht?<br />

Dr. Jörg Hopfe: Als NRW.BANK sind wir zusammen<br />

mit dem Land sehr aktiv im Bereich der Wohnraumförderung<br />

und interdisziplinär in der Fördernehmer-Beratung<br />

und Hausbanken-Beratung. Dabei<br />

geht es auch darum die Infrastruktur durch verschiedene<br />

Programme, die wir selber aufgelegt haben und<br />

subventionieren, zu fördern und für eine Verzahnung<br />

mit den Unternehmen zu sorgen. In den ganzen regionalen<br />

Aufstellungen, Quartiersentwicklung und so<br />

weiter, wird natürlich die Frage sein, wie sich die digitale<br />

Wirtschaft auch auf Wohnsituationen und Räume<br />

bezieht. Daher finde ich es gut, dass junge Menschen<br />

sich hier mit diesen Entwicklungsprojekten beschäftigt<br />

haben, denn das schlimmste sind ja alte Männer,<br />

die auf einem Podium sitzen und ihren Kindern er-


73<br />

Dr. Torsten Bölting, InWIS:<br />

)) Dichte, ok, aber für mich ist<br />

Urbanität mehr als nur Dichte.<br />

Da müssen wir Unterschiede<br />

auch zulassen oder sie ermöglichen.<br />

((<br />

zählen, wie wohl die Zukunft aussehen wird. Vielleicht<br />

brauche ich kein Auto mehr und buche mir über den<br />

Shared-Service nur die einzelne Fahrt. Das Wohnen<br />

auf Zeit und andere Themen werden uns beschäftigen.<br />

Da stellt sich die Frage, wie das ländliche Wohnen<br />

auch für Leute interessant wird, die nicht mehr<br />

jeden Tag ins Büro fahren. Die sind vielleicht ab und<br />

zu in ihrem digital Hub unterwegs, aber ansonsten<br />

im Home-Office. Das alles kann auch die Innenstadt<br />

entlasten. Die sich verändernde Mobilität wird auch<br />

die Anforderungen an Wohnsituationen verändern.<br />

Da können wir als NRW.BANK interdisziplinär Impulse<br />

geben und Unternehmen über die Hausbanken<br />

bei diesen Fragestellungen fördern. Wir haben zum<br />

Beispiel das Projekt “<br />

<strong>Regionale</strong>r Innovationspartner “ ,<br />

das Innovationsprozesse zwischen Hochschule und<br />

Wirtschaft beleuchtet. Die Städte müssen die neue<br />

digitale Arbeitswelt für sich als Chance begreifen.<br />

Da benötigt man natürlich auch neue Strukturen, wie<br />

Breitband, aber auch einen interessanten Wohnraum<br />

für Digital Natives.<br />

Dr. Jörg Hopfe, NRW.BANK:<br />

)) Die Städte müssen die neue<br />

digitale Arbeitswelt für sich als<br />

Chance begreifen. Da benötigt<br />

man natürlich auch neue<br />

Strukturen, wie Breitband,<br />

aber auch einen interessanten<br />

Wohnraum für Digital Natives. ((<br />

eine Quartiersentwicklung überlegen. Die ganzheitliche<br />

Beratung auf kommunaler Ebene, in Bezug auf<br />

Stadt- und Quartiersentwicklung, gehört dazu. Unser<br />

Stadtentwicklungskredit ist auch ein Instrument der<br />

Städtebauförderung. Hier unterstützen und beraten<br />

wir hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, wirtschaftlicher<br />

Umsetzung von solchen Projekten und dem richtigen<br />

Einsatz von Fördermitteln. Für die Kommunen ist die<br />

Beratung kostenlos, weil die NRW.BANK das aus eigenen<br />

Erträgen sponsert.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Vielen Dank. Über<br />

Qualität könnte man eigentlich noch viel länger reden.<br />

Aber ich schließe an dieser Stelle die Runde und<br />

bedanke mich bei allen.<br />

Moderatorin Petra Voßebürger: Wie muss ich mir<br />

das vorstellen? Sie sind unterwegs im ganzen Land<br />

und beraten Kommunen. Geht es da nur um Geld oder<br />

geht es auch um Qualität?<br />

Dr. Jörg Hopfe: Es geht auch sehr stark um Qualität.<br />

Das ist eine sehr gute Frage, denn das habe<br />

ich vorhin nicht erwähnt. Wir haben nicht nur zinssubventionierte<br />

oder tilgungssubventionierte Programme,<br />

sondern widmen einen Teil unseres Förderbeitrags<br />

der Beratung. Wir beraten Städte, wenn sie<br />

Bilder der Podiumsdiskussionteilnehmer sind auf dem NRW.BANK.Symposium<br />

2017 entstanden. Fotos: NRW.BANK/Schmidt-Dominé


Gerhard Matzig<br />

74<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

Das Dorf von Morgen<br />

Verrückte Welt: Während arrivierte Stadtplaner die Städte provinzieller machen,<br />

erfinden sich Studenten eine neue Urbanität auf dem Land. Ihre Vision:<br />

Ein Leben mit schnellem Internet, aber ohne Einfamilienhäuser und<br />

Auto-Wahnsinn.<br />

Gerhard Matzig beim NRW.Symposium 2017, Foto: NRW.BANK/Schmidt-Dominé<br />

Stopp, hört auf zu bauen! Legt die Schaufeln weg, gebietet<br />

den Baggern Einhalt, sperrt die Planungsämter<br />

zu! Es hört sich irre an, aber angesichts der wie mit<br />

Händen zu greifenden Wohnungsnot in Deutschland<br />

wäre es am besten, man würde jetzt mal kurz dieselben<br />

Hände in den Schoß legen. Statt wie in Panik und für<br />

Milliarden Euro in den Städten die falschen, überteuerten<br />

Loftdingswohnungen und auf dem Land die noch<br />

viel falscheren Doppelhaushälften hochzuziehen.<br />

)) Es ist Zeit für den Pause-Knopf.<br />

Es ist Zeit, darüber nachzudenken,<br />

ob die Wohnungsbaupolitik nicht<br />

gerade komplett in die falsche<br />

Richtung läuft. Genau das passiert. ((<br />

Deutschland, ein Land in Not, in existenzieller Wohnungsnot,<br />

läuft in dem Bewusstsein, das gesamte<br />

Thema in den letzten Jahrzehnten auf politischem,<br />

sozialem, ökonomischem Terrain grauenhaft in den<br />

Ortbeton gesetzt zu haben, nun hysterisiert direkt in<br />

den Amok fieberhaften Bauens und Nachverdichtens<br />

- mit der Aussicht, das bestehende Problem<br />

endgültig ins Gigantische zu bugsieren.<br />

Das begreift man am ehesten, wenn man abseits der<br />

großen Städte Berlin, Hamburg, München oder Köln<br />

nach Herford blickt. Man kann es nicht anders sagen:<br />

Herford, die Perle des Ravensberger Hügellandes,<br />

ist die Lösung. Die Provinz ist die Zukunft, das Land<br />

von gestern ist unsere Utopie von morgen. Und das<br />

ist übrigens - noch eine weitere verblüffende Ungeheuerlichkeit<br />

- genau das, was man hört, wenn man<br />

jüngeren Menschen zuhört. Und vielleicht ist es ja an<br />

der Zeit, angesichts eines Wohnraummangels, der<br />

auf herkömmliche Weise und im alten Denken nicht


mehr zu bewältigen ist, die Dinge auf den Kopf zu<br />

stellen. Vielleicht sind ja auch nur die falschen Leute<br />

an den falschen Drückern.<br />

In München kostet der Quadratmeter eines gebrauchten<br />

Ein- oder Zweifamilienhauses nach einem<br />

am Dienstag veröffentlichten Bericht zum Immobilienmarkt<br />

in Deutschland mittlerweile durchschnittlich<br />

8500 Euro. Ein Hexenhäuschen mit etwa 100 Quadratmetern<br />

Wohnfläche ist also in München praktisch<br />

als millionenschwere Top-Villa zu bezeichnen.<br />

))<br />

Mit anderen Worten: Auch Leute,<br />

die gut verdienen, können sich<br />

eigenen Wohnraum in oder nahe<br />

den Ballungszentren nicht leisten. ((<br />

"Einmal im Leben": Dieser nachkriegsmoderne<br />

Traum der deutschen Mittelschicht von den eigenen<br />

vier Wänden ist ausgeträumt. Junge Menschen sind<br />

am Ende dieser Erzählung am Jägerzaun angekommen.<br />

Bliebe die Miete, wenn man in den Zentren<br />

noch Wohnungen finden könnte, deren Miete nicht<br />

einen Großteil des Haushaltes auffressen würde.<br />

Falls man überhaupt eine Wohnung findet. Die Wohnungsnot<br />

ist da, mitten in der Gesellschaft. Kaum<br />

jemand ist dagegen gefeit, Millionen von Existenzen<br />

sind bedroht. Schon Obdachlosigkeit ist kein Randproblem<br />

mehr. Jahrelange Wohnungssuche ist Alltag.<br />

Und der Rest nennt sich Pendler-Delirium.<br />

Die Vision: Landleben mit Turbo-Internet, ohne<br />

Auto-Wahnsinn<br />

)) das Land, nicht als abgehängten,<br />

nur zum Idyll taugenden Gammelraum<br />

der Gestrigkeiten, sondern<br />

als neues urban-vitales Lebensgefühl.<br />

((<br />

In diesem Sinn ließe sich die "Urbanität" von der<br />

"urbs", der Stadt, entkoppeln. Urbanität ist mehr als<br />

nur Stadtraum. Urbanität ist eine Möglichkeitsform.<br />

Oliver Hall, Professor für Städtebau, der den Wettbewerb<br />

begleitete, erklärt: "Der Wunsch, urban zu<br />

wohnen, ist nicht gleichzusetzen mit dem Wunsch,<br />

großstädtisch oder städtisch zu wohnen." Er glaubt:<br />

"Nutzungsdichte ist die neue Form der Dichte."<br />

Das heißt, dass sich junge Menschen, repräsentiert<br />

durch angehende Planer, ein Leben auf dem zunehmend<br />

entvölkerten Land entgegen allen Annahmen<br />

vorstellen können. Gerade jetzt, da es sinnlos wird,<br />

Wohnungen in den Städten dort finden zu wollen, wo<br />

es schon längst keine Grundstücke mehr gibt. Diese<br />

Vorstellung räumt zugleich auf mit der üblichen Idee<br />

vom Landleben, also mit der Typologie des Einfamilienhauses,<br />

der Automobilität und der Gewerbehöllen.<br />

)) Die Studenten nehmen also<br />

jene Strukturen, die bislang die<br />

Stadt zur (Groß-)Stadt gemacht<br />

haben, und implantieren sie<br />

dem Land oder den Rändern<br />

kleinerer Städte. So frech.<br />

Simpel. Naiv. Und: möglich. ((<br />

75<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

Die Ursachen dieser Misere sind bekannt. Die<br />

Wohnraumsuchenden sind in einen Supersturm aus<br />

Staats- und Marktversagen geraten. Die Folge: In<br />

den Städten, wo die Jobs sind, gibt es keine Wohnungen;<br />

umgekehrt gibt es in den kleineren Städten<br />

und in der Region, wo es genug Wohnraum gibt, keine<br />

Zukunft. Keine Infrastruktur, kein Internet, keine<br />

Kulturangebote, keine Bildung - und keine Arbeitsplätze.<br />

Ein Fiasko. Herford könnte ein Ausweg sein.<br />

Oder Gütersloh oder Bielefeld.<br />

Der studentische Ideenwettbewerb "Wachstum in<br />

Kooperation: Neue Wohnraumangebote in der Region",<br />

der von der NRW-Bank initiiert wurde, ist nun<br />

in Düsseldorf entschieden worden. Selbst Experten<br />

könnten dazu erst einmal sagen: Studenten-Wettbewerbe<br />

gibt es viele. Doch diesmal ist etwas anders.<br />

Wer den Studenten, denen die Aufgabe gestellt war,<br />

über urbane Lebensräume abseits der eigentlichen<br />

Urbanitätsmaschinen, also jenseits der Großstädte,<br />

in der nordrhein-westfälischen Region nachzudenken,<br />

in die Entwürfe und Köpfe blickt, der entdeckt<br />

etwas Faszinierendes:<br />

Was sich die angehenden Planer stattdessen vorstellen<br />

- während paradoxerweise das, was der arrivierte Städtebau<br />

in den Städten hervorbringt, immer provinzieller<br />

wirkt -, ist dies: eine durch exzellente Internetverbindungen<br />

möglich gewordene Lebensform, in der Mobilität<br />

beispielsweise keine Frage mehr des Privatautos ist, in<br />

der Sharing wesentlich für Nachbarschaften ist - und in<br />

der ein heterogenes Wohnen, zugleich Arbeiten, in ganz<br />

unterschiedlichen, zeitlich und wohnraumtechnisch flexiblen<br />

Lebensentwürfen unter einem Dach möglich wird.<br />

Jetzt bitte einmal darüber nachdenken. Und dann das<br />

Land neu denken, nämlich städtischer, komplexer und<br />

sehr viel zukunftsfähiger. Der Niedergang des Landes<br />

wäre zu stoppen, die Wohnungsnot in den Ballungsräumen<br />

zu lösen. Vielleicht sollte man die Studenten zu<br />

Planern machen und die Planer noch mal nachsitzen<br />

lassen. Dann aber lasst die Bagger rollen.<br />

Gerhard Matzig<br />

Süddeutsche Zeitung<br />

Dieser Artikel ist zuerst in der Süddeutschen Zeitung<br />

in der Ausgabe vom 13.12.2017 erschienen.


Uli Hellweg<br />

76<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

Kann man lebenswerte Quartiere planen?<br />

Liest man die gelegentlich erscheinenden Städte-Rankings, so stellt man,<br />

bei allen Vorbehalten, die man gegen diese Benchmark-Methoden haben<br />

kann und muss, doch fest, dass es immer wieder dieselben Städte sind,<br />

die bei der Bewertung der Lebensqualität und Attraktivität ganz vorne auftauchen.<br />

Entweder sind es europäische Städte wie Wien, Zürich, München,<br />

Berlin, Amsterdam, Rotterdam, Kopenhagen oder aber wohlhabende Metropolen<br />

in klimatisch bevorzugten Regionen der Welt, mit hohem Freizeitwert wie<br />

Vancouver, Sydney oder Auckland, die die vordersten Plätze belegen.<br />

Uli Hellweg beim NRW.Symposium 2017, Foto: NRW.BANK/Schmidt-Dominé<br />

Die DNA der europäischen Stadt<br />

Fragt man sich, was die sozialen und städtebaulichen Merkmale<br />

sind, die die Städte in Europa – trotz gewisser klimatischer<br />

Einschränkungen - so lebenswert machen, so stellt<br />

man eine Reihe weitgehend übereinstimmender Merkmale<br />

fest, wie z.B.:<br />

• vergleichsweise geringe soziale Gegensätze und ein<br />

ausgeprägter Mittelstand,<br />

• demokratische und/oder zivilgesellschaftliche Traditionen<br />

(zum Beispiel als Bürger- oder Hafenstadt, Kaufmannsmetropole<br />

oder politisch-kulturelles Zentrum),<br />

• vergleichsweise geringe Umweltverschmutzung und ein<br />

allgemein überdurchschnittlich guter Gesundheitszustand<br />

der Stadtbevölkerung,<br />

• ein hoher Anteil an junger, gut ausgebildeter und kreativer<br />

Bevölkerung, gute Bildungseinrichtungen und ein<br />

allgemein hohes Bildungsniveau.<br />

Was sind die besonderen städtebaulichen Merkmale, die<br />

attraktive Städte auszeichnen?<br />

• Sichere und gut nutzbare öffentliche Räume, davon getrennte<br />

geschützte private Sphären, die sich jedoch nicht<br />

aggressiv gegen den öffentlichen Raum abkapseln<br />

(keine „Gated Areas“),<br />

• eine kompakte Baustruktur (GFZ > 1,5) mit dominierenden<br />

Blockstrukturen, die zum öffentlichen Raum, den<br />

Straßen und Plätzen, orientiert sind,<br />

• gut proportionierte Straßenräume und Plätze mit einer<br />

klar lesbaren städtebaulichen Hierarchie,<br />

• hochwertige Grünflächen und Parks,<br />

• öffentlich nutzbare Erdgeschoßzonen an den Hauptstraßen<br />

(Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, Gastronomie)<br />

sowie Nutzungsmischungen im Quartier,<br />

• eine unverwechselbare städtebauliche Atmosphäre mit<br />

Identifikationspunkten, wie zum Beispiel historische Monumente,<br />

Plätze, architektonische Highlights oder einer<br />

Lage am Wasser,<br />

• eine mehr oder weniger hierarchische Struktur von Zentrum<br />

und Peripherie mit dezentralen Stadtteilzentren.


Natürlich gelten diese Merkmale nicht für alle Städte<br />

gleichermaßen, aber sie bilden grundsätzlich die DNA<br />

eines Stadtmodells, das seit Max Weber und Hans Paul<br />

Bahrdt als die „europäische Stadt“ genannt wird und<br />

das seine Wurzeln in einer gemeinsamen christlich-jüdischen,<br />

abendländischen Tradition hat.<br />

In seiner Geschichte durchlief dieses Stadtmodell viele<br />

Krisen und Wandlungen, die dazu führten, dass sich die<br />

europäische Stadt immer wieder neu erfinden musste<br />

– das gilt auch heute im Zeitalter der digitalen Revolution,<br />

in der die traditionellen Grenzen zwischen Privatheit<br />

und Öffentlichkeit, Wohnen und Arbeiten zunehmend<br />

verwischen. Immer wieder musste und muss neu darüber<br />

nachgedacht werden, wie sich unsere Städte verändern<br />

müssen, um sich den jeweiligen gesellschaftlichen,<br />

ökonomischen und technischen Bedingungen anzupassen,<br />

ohne ihre grundlegenden zivilisatorischen und<br />

demokratischen Qualitäten zu verlieren.<br />

Besonders grundlegend und radikal waren die Veränderungen<br />

im 19. und 20. Jahrhundert, aufgrund der sich rasant<br />

beschleunigenden Industrialisierung und Motorisierung.<br />

Die hygienischen und sozialen Missstände der Stadt<br />

in der Industriellen Revolution riefen seit der Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts zahlreiche Reformer auf den Plan. Das wohl<br />

einflussreichste Gegenmodell zum industriellen „Monster<br />

Stadt“, war die „Gartenstadt“ von Ebenezer Howard. Sie<br />

vereinte die Vision einer Verschmelzung von städtischer<br />

Urbanität (Garten-Stadt) mit dem gesunden Leben, in<br />

einem landwirtschaftlich-gärtnerischen neuen Stadttypus<br />

- der Garten-Stadt. Dass diese großartige Idee im 20.<br />

Jahrhundert in den Niederungen pseudo-garten (vor-)<br />

städtischer Einfamilienhaussiedlungen zugrunde ging, bezeichnet<br />

ein nicht untypisches Schicksal von Stadtutopien<br />

der letzten 500 Jahre. Dennoch erweisen sich, die dem<br />

Gartenstadtgedanken zu Grunde liegenden Ideale, einer<br />

Verbindung von Stadt und Land in einem Modell regionaler<br />

Kooperation, auch nach 100 Jahren noch als richtungsweisend<br />

und bedenkenswert. Es ist daher auch kein<br />

Zufall, dass Städte wie Berlin, München, Hamburg oder<br />

Frankfurt heute über eine Wiederbelebung des eigentlichen<br />

Gartenstadtgedankens nachdenken. Diese Diskussion<br />

dürfte in Zukunft zunehmen; denn es wird immer<br />

deutlicher, dass das neue Stadtwachstum nur durch neue<br />

Kooperationsmodelle zwischen Stadt und Umland gelöst<br />

werden kann, wie sie im Gartenstadtgedanken von Ebenezer<br />

Howard angelegt sind.<br />

)) Diese Diskussion dürfte in Zukunft<br />

zunehmen; denn es wird immer<br />

deutlicher, dass das neue Stadtwachstum<br />

nur durch neue Kooperationsmodelle<br />

zwischen Stadt und<br />

Umland gelöst werden kann, wie<br />

sie im Gartenstadtgedanken von<br />

Ebenezer Howard angelegt sind. ((<br />

Lebenswert heißt gesund, aktiv und gerecht<br />

Wie aktuell das historische Ziel des Gartenstadtgedankens<br />

ist, zeigt die aktuelle politische Diskussion über<br />

die Stickstoffdioxid- und Feinstaubbelastungen in vielen<br />

Städten. Stadtluft macht auch heute noch krank –<br />

und das nicht nur in Delhi, Peking oder Kairo, sondern<br />

auch in Paris, Hamburg, Berlin oder Stuttgart.<br />

Eine erste zentrale Schlussfolgerung für lebenswerte<br />

Quartiere in der Stadt lautet also: Verbesserung der Umweltsituation,<br />

insbesondere Reduktion der Emissionen<br />

und Immissionen aus dem motorisierten Individualverkehr<br />

bzw. aus Verbrennungsmotoren jeglicher Art, auch der Logistik-Verkehre,<br />

der Busse und des Schiffsverkehrs.<br />

Wie eine umwelt- und gesundheitsfreundliche Stadt aussehen<br />

kann, führen uns Städte wie Kopenhagen, Amsterdam, Zürich<br />

oder in Deutschland Münster und Freiburg seit Jahren vor.<br />

Im Modal Split ihres Stadtverkehrs wurde der Individualverkehr<br />

systematisch zugunsten umweltfreundlicher<br />

Verkehrsarten, vor allem des Fahrrads zurückgedrängt.<br />

Dem Ansehen und der Attraktivität dieser Städte hat<br />

dies nicht geschadet. Im Gegenteil: in allen Städte-Rankings<br />

liegen diese Städte immer ganz vorn.<br />

Die Förderung des Fahrradverkehrs in den Top-Ranking-Städten<br />

ist Teil einer weitergehenden Strategie, die darauf<br />

abzielt, den Städter zu mehr körperlicher Bewegung und<br />

gesünderer Ernährung zu ermuntern. Jeder Stadtteil, oder<br />

jedes Quartier, das heute neu geplant wird, muss den Prinzipien<br />

einer gesunden und aktiven Stadt gerecht werden. Dies<br />

gilt nicht nur in Bezug auf Kinder und Jugendliche, sondern<br />

auch – angesichts des demografischen Wandels – für ältere<br />

Menschen. Die Planung für sie setzt bislang dann ein, wenn<br />

sie gesundheitlich oder mobilitätsmäßig eingeschränkt sind<br />

- Stichwort Barrierefreiheit. Mindestens genauso wichtig ist<br />

jedoch, dass eine „Active City“ durch Bewegungsangebote,<br />

wie zum Beispiel sicheres Fahrradfahren, aktiv zur Förderung<br />

und Erhaltung der Gesundheit älterer Menschen beiträgt.<br />

Im unmittelbaren Zusammenhang mit der immissionsarmen<br />

gesunden und „aktiven Stadt“ steht ein dritter Aspekt lebenswerter<br />

Quartiere, nämlich die Umweltgerechtigkeit. Viele<br />

empirische Untersuchungen zeigen heute: je schlechter die<br />

städtebaulichen und freiräumlichen Qualitäten des Wohnorts,<br />

desto ärmer, kränker und übergewichtiger die Bevölkerung.<br />

Eine wesentliche Ursache hierfür liegt darin, wie unsere<br />

Städte gebaut wurden. Aufgrund der vorherrschenden Westwinde<br />

wurden in unseren Regionen die besseren, um nicht<br />

zu sagen „lebenswerten Quartiere“, im Westen und z.T. im Süden<br />

der Stadt gebaut - die noblen Westends, wie wir sie aus<br />

fast allen Großstädten kennen. Die Quartiere der ärmeren<br />

Bevölkerung, die Arbeiterviertel, entstanden in unmittelbarer<br />

Nähe der Fabriken, die wiederum vorrangig im Norden und<br />

Osten der Städte angesiedelt wurden. Nicht nur die Stadterweiterungen<br />

Londons und Hamburgs, Kölns, Frankfurts<br />

oder Dresdens vollzogen sich nach diesem Muster, sondern<br />

auch die gesamte industrielle Entwicklung des Ruhrgebiets.<br />

Ich denke, ich muss hier auf den Unterschied zwischen der<br />

Emscherzone und der Hellwegzone nicht weiter eingehen.<br />

77<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT


Auto<br />

ÖPNV<br />

Fahrrad<br />

Fußgänger<br />

Auto<br />

ÖPNV<br />

Fahrrad<br />

Fußgänger<br />

78<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

Prozent (%)<br />

Freiburg<br />

Münster<br />

Scheitern der modernen Stadtutopie und Rehabilitation<br />

der gemischten Stadt<br />

Die radikalste Stadtutopie, die umweltgerechte und gesunde<br />

Städte bauen wollte, war die Moderne des 20.<br />

Jahrhunderts. Die 1933 von der CIAM (Congrés International<br />

d’architecuture moderne) herausgegebene<br />

Charta von Athen, gab die eindeutige Marschrichtung<br />

der Stadtplanung im 20. Jahrhundert, nämlich die Funktionstrennung,<br />

vor. Nach diesen Prinzipien wurden in den<br />

60er und 70er Jahren überall in Europa neue Städte und<br />

Siedlungen gebaut. Und noch heute prägen die Prinzipien<br />

der Charta von Athen in den Schwellenländern das<br />

vorherrschende Muster der Stadtentwicklung.<br />

Leiden<br />

Eindhoven<br />

Groningen<br />

Prozent (%)<br />

Kopenhagen<br />

Amsterdam<br />

Abbildung 1: Städte mit 100.000 - 500.000 EW mit einem Fahrradanteil von > 30% , Quelle: EPOMM<br />

Bremen<br />

In all diesen Merkmalen waren die neuen Städte und<br />

Quartiere das genaue Gegenteil der verhassten gründerzeitlichen<br />

Stadt. Angesichts der gewaltigen Investitionskapazitäten,<br />

die durch die neuen Quartiere und<br />

Stadtgründungen gebunden wurden, war es nur folgerichtig,<br />

dass die Innenstädte und Gründerzeitviertel<br />

zunehmend verkamen oder gigantischen Verkehrsplanungen<br />

zum Opfer fielen, die mit der neuen funktionsgetrennten<br />

Stadt zwangsläufig einhergehen mussten.<br />

Es bedurfte des Buches einer jungen Frau, die niemals<br />

Architektur oder Stadtplanung studiert hatte, um der Öffentlichkeit<br />

die Augen zu öffnen und der Planerwelt eine<br />

neue Orientierung zu geben. Jane Jacobs war eine großartige<br />

Beobachterin, die das Leben in ihrem Stadtquartier<br />

„Greenwich Village“ in New York, scharf analysiert<br />

hatte. Mit ihrem Buch „Tod und Leben großer amerikanischer<br />

Städte“ formulierte sie die Voraussetzungen für<br />

lebenswerte Quartiere, die bis heute eine Richtschnur<br />

für Stadtplaner und Architekten bilden, nämlich:<br />

Antwerpen<br />

Region Nord-Ost-Brabant<br />

Kennzeichen der neuen Vor-, Satelitten- und Trabantenstädte,<br />

der New Towns und Banlieues, wurden:<br />

• Aufgabe der Nutzungsmischung zugunsten<br />

funktionaler Trennung,<br />

• Dominanz des motorisierten Individualverkehrs<br />

(„Autogerechte Stadt“) und urbaner Funktionsverlust<br />

der Straße,<br />

• Ausprägung reiner Wohnfunktion mit ergänzender<br />

Infrastruktur,<br />

• Städtebau durch große Volumina, statt durch Straßen<br />

und Plätze,<br />

• Reduzierung der städtebaulichen Dichte gegenüber<br />

der Gründerzeitstadt,<br />

• Hoher Anteil von Grünflächen bei gleichzeitiger<br />

Verunklarung der Grenzen von öffentlichen und<br />

privaten Freiräumen,<br />

• Sozial und kulturell homogene Bewohnerschaft<br />

• hoher Anteil an Sozialem Wohnungsbau.<br />

• ein menschlicher Maßstab der Bebauung,<br />

• ein dichtes Netz kleinerer und fußgängerfreundlicher<br />

Straßen, um Begegnungen zu ermöglichen („Eyes on<br />

the Street“)<br />

• vielfältige Nutzungsmischungen im Quartier und eine<br />

bunte soziale Nachbarschaft<br />

• Erhaltung der alten Häuser, um preiswerte Mieten zu<br />

schützen,<br />

• umweltfreundliche Verkehrsarten wie Fahrradfahren.<br />

Der von der Moderne propagierten Entflechtung von<br />

Funktionen, setzte sie das Primat des Schutzes und des<br />

Erhalts von Komplexität und Vielfalt entgegen.<br />

Seit den späten 70er Jahren des letzten Jahrhunderts<br />

wurden erste Stadterneuerungsprojekte im Geiste Jane<br />

Jacobs umgesetzt. Ein Pionier der Rettung und Erneuerung<br />

alter Quartiere war die Internationale Bauausstellung,<br />

IBA, in Berlin 1984/87. Ähnlich wie Greenwich<br />

Village, waren große Teile Kreuzbergs von absurden<br />

Autobahnplanungen und spekulativer Abrisssanierung<br />

bedroht. Es ist der Verdienst der Internationalen Bauausstellung<br />

in Berlin, erstmals großflächig gezeigt zu<br />

haben, dass den bis dahin vorherrschenden Prinzipien<br />

der modernen Stadtplanung, ein neuer rehabilitierender


und behutsamer Umgang mit den heruntergekommenen<br />

alten Quartieren entgegengesetzt werden konnte<br />

und dass die sozialen und Umweltprobleme der Gründerzeitstadt<br />

nicht ein Problem des Städtebaus, sondern<br />

der Spekulation und Überbelegung der Wohnungen<br />

waren.<br />

Den Erfahrungen mit der behutsamen Stadterneuerung<br />

der 80er und 90er Jahre verdanken wir wichtige<br />

Erkenntnisse für die Planung lebenswerter neuer<br />

Quartiere, nämlich:<br />

• Aus den Betroffenen müssen Beteiligte werden.<br />

Die Bewohner müssen frühzeitig in die Planung<br />

einbezogen werden. Politik und Verwaltung müssen<br />

lernen, die Betroffenen ernstzunehmen und mit ihnen<br />

gemeinsam Lösungen erarbeiten.<br />

• Verträgliche Nutzungsmischung („Kreuzberger Mischung“)<br />

ist durch städtebaulich-architektonische Lösungen<br />

machbar.<br />

• Die soziale Vielfalt der Stadt hängt von Eigentumsstrukturen<br />

ab.<br />

• Urbanität ist nicht nur eine Folge von städtebaulicher<br />

Dichte, sondern auch von städtischer Atmosphäre<br />

(„Kreuzberger Nächte sind lang“)!<br />

)) Mit der erst vor wenigen Monaten<br />

neu in die Baunutzungsverordnung<br />

eingeführten Gebietskategorie<br />

„Urbanes Gebiet“,<br />

knüpft der Gesetzgeber an<br />

das städtebauliche Ideal der<br />

Mischung von Wohnen und verträglichem<br />

Arbeiten an. ((<br />

Mit der erst vor wenigen Monaten neu in die Baunutzungsverordnung<br />

eingeführten Gebietskategorie<br />

„Urbanes Gebiet“, knüpft der Gesetzgeber an das<br />

städtebauliche Ideal der Mischung von Wohnen und<br />

verträglichem Arbeiten an. Tatsächlich ist dieses Ideal<br />

heute eher erreichbar als jemals zuvor; denn die digital<br />

gestützten Technologien – Stichwort Industrie 4.0 – lassen<br />

heute ganz andere Nachbarschaften von Wohnen<br />

und gewerblicher Arbeit zu als in der Industriemoderne<br />

mit ihren rauchenden Fabrikschloten.<br />

Neue Quartiere - neue Akteure - neues Bodenrecht<br />

Wenn wir also wieder Wohnen und Arbeiten kleinteilig<br />

mischen können, kann auch ein anderes Prinzip der<br />

modernen Stadtplanung in Frage gestellt werden,<br />

nämlich das der „großen Akteure“ - will sagen: der<br />

großen Wohnungsbaugesellschaften, Projektentwickler<br />

und institutionellen Anleger. Sie haben sich in den<br />

vergangenen Jahrzehnten immer mehr auf einzelne<br />

Marktsegmente wie Wohnungsbau, Büro- oder Einzelhandelsflächen,<br />

Logistikbauten etc. spezialisiert und<br />

so wesentlich zur Mono-Funktionalität unserer Städte<br />

beigetragen.<br />

Selbstnutzer, genossenschaftlicher Wohnungsbau,<br />

Baugemeinschaften – also heterogene kleinteilige<br />

Eigentumsstrukturen und Nutzungsmischung können<br />

und müssen heute wieder zur DNA der Stadt des 21.<br />

Jahrhunderts werden. Tatsächlich gibt es schon einige<br />

gute Beispiele, die diese Prinzipien mit großem Erfolg<br />

angewandt haben. Pioniere dieses neuen parzellenorientierten<br />

und gemischten Stadtbaus sind z.B. die neuen<br />

Quartiere Vauban und das Rieselfeld in Freiburg, das<br />

französische Viertel in Tübingen oder auch Adlershof<br />

und die Rummelsburger Bucht in Berlin. Im Gegensatz<br />

zu vielen anderen in den letzten Jahrzehnten gebauten<br />

monofunktionalen Wohngebieten, die von Projektentwicklern<br />

„hochgezogen“ wurden, sind in Vauban, im<br />

Rieselfeld, im französischen Viertel oder an der Spree<br />

tatsächlich lebendige urbane Quartiere entstanden. Neben<br />

einem Städtebau im menschlichen Maßstab, liegt<br />

die Ursache für die Anziehungskraft dieser Gebiete, in<br />

den vielen Akteuren – von Baugemeinschaften, über<br />

Genossenschaften und kommunale Wohnungsbaugesellschaften,<br />

bis hin zu Bauträgern und Privatleuten.<br />

Es ist ermutigend zu sehen, dass immer mehr Städte<br />

dazu übergehen, in solchen vielfältigen Eigentumsstrukturen<br />

zu denken. Eine Grundvoraussetzung dafür<br />

ist allerdings, der politisch nicht immer einfache Wechsel<br />

der Grundstücksvergaben vom Höchstpreis- zum<br />

Konzeptgebot. Das heißt nicht mehr der maximale<br />

Preis entscheidet, an wen die Stadt das Grundstück<br />

verkauft, sondern das beste Konzept. Somit verliert<br />

der Preis sein Alleinstellungsmerkmal und die neuen<br />

Quartiere können durch soziale oder genossenschaftliche<br />

Konzepte an Attraktivität und Lebensqualität gewinnen.<br />

Angesichts der grassierenden Spekulation<br />

in den wachsenden Städten, stellen allerdings heute<br />

auch schon einige Kommunalpolitiker und Planer, wie<br />

die Münchner Initiative für ein soziales Bodenrecht, die<br />

berechtigte Frage, ob Städte überhaupt noch Grundstücke<br />

verkaufen oder nur noch gemeinwohlorientiert<br />

im Erbbaurecht vergeben sollten – wie dies vielerorts in<br />

den 20er Jahren gang und gäbe war.<br />

Urbanität und Dichte<br />

Noch in einem anderen wichtigen Aspekt sind die<br />

oben genannten Beispiele neuer Quartiere richtungsweisend,<br />

nämlich in der Frage der Urbanität. Mit<br />

städtebaulichen Dichten von GFZ bis 2,5 liegen diese<br />

Gebiete deutlich über der Dichte der Siedlungen<br />

der Moderne, wenngleich sie auch nur sehr selten die<br />

Dichten der traditionellen Gründerzeitviertel oder historischen<br />

Altstädte erreichen. Nun wissen wir spätestens<br />

seit den gescheiterten Konzepten der „Urbanität<br />

durch Dichte“ aus den siebziger Jahren, dass städtebauliche<br />

Dichte allein noch keine Urbanität kreiert.<br />

Allerdings: Ohne eine gewisse Dichte, ist Urbanität<br />

eine Illusion. Tatsächlich lässt sich nachweisen, dass<br />

bestimmte städtebauliche Typologien an bestimmte<br />

Dichten geknüpft sind.<br />

79<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT


80<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

)) Nun wissen wir spätestens seit<br />

den gescheiterten Konzepten<br />

der „Urbanität durch Dichte“<br />

aus den siebziger Jahren, dass<br />

städtebauliche Dichte allein<br />

noch keine Urbanität kreiert.<br />

Allerdings: Ohne eine gewisse<br />

Dichte, ist Urbanität eine Illusion.<br />

Tatsächlich lässt sich nachweisen,<br />

dass bestimmte städtebauliche<br />

Typologien an bestimmte Dichten<br />

geknüpft sind. ((<br />

Stadt- Typologie<br />

Block-Bebauung<br />

19. Jahrhundert<br />

Geschoßwohnungsbau<br />

20er<br />

Jahre 20. Jhdt.<br />

Zeilenwohnungsbau<br />

nach 1950<br />

Zeilenwohnungsbau<br />

nach 1990<br />

Geschosswohnungsbau<br />

nach<br />

1990<br />

Freistehende EFH<br />

Reihenhäuser, verdichteter<br />

Flachbau<br />

Bevölkerungsdichte<br />

(EW pro ha BBL)<br />

120-130<br />

EW<br />

90 - 250<br />

EW<br />

90 - 190<br />

EW<br />

90 - 190<br />

EW<br />

80 - 190<br />

EW<br />

10 - 60<br />

EW<br />

70 - 110<br />

EW<br />

GFZ<br />

0,8 - 3,0<br />

0,6 - 1,6<br />

0,6 - 1,3<br />

0,6 - 1,3<br />

0,5 - 1,2<br />

0,15 - 0,4<br />

0,4 - 0,7<br />

Abbildung 2: Dichte und Schrumpfung , Quelle: Christine Westphal<br />

So ist beispielsweise eine Siedlungsdichte von<br />

30-50 Einwohner/Hektar Brutto-Bauland typisch<br />

für Einfamilienhausgebiete (siehe Abbildung 2),<br />

während funktional gemischte Gebiete bei einer<br />

Einwohnerdichte von mindestens 100 bis 150<br />

Einwohnern pro Hektar BBL bzw. einer GFZ von<br />

1,3 – 1,5 „anfangen“. Neben der Wohnbevölkerung<br />

spielt für die funktionale Mischung die Zahl<br />

der Arbeitsplätze eine zentrale Rolle. Es ist daher<br />

sinnvoll, neue Quartiere nicht primär nach der Einwohnerdichte,<br />

sondern nach der „Nutzungsdichte“<br />

zu planen. Sie ergibt sich aus der Summe von Bewohnern<br />

plus Beschäftigten oder Arbeitsplätzen.<br />

Um eine gewisse Urbanität neuer Quartiere zu erreichen,<br />

ist eine Nutzungsdichte von > 200 (also<br />

EW + AP) notwendig.<br />

Urbanität ist jedoch nicht nur eine Frage der Dichte,<br />

sondern auch der Atmosphäre eines Quartiers. Entscheidend<br />

für diese „atmosphärische Dichte“ sind<br />

die öffentlichen Räume, die Proportionen der Straßen<br />

und Plätze und der Städtebau. Das von Jane<br />

Jacobs definierte „menschliche Maß“ von Gebäuden<br />

erfordert eine Kommunikation zwischen Wohnung<br />

und Straße, selbst aus den obersten Geschossen,<br />

d.h. die maximale Geschoßzahl beträgt vier bis maximal<br />

sechs Geschosse. Wie eine Untersuchung<br />

Berliner Blöcke durch die Senatsverwaltung für<br />

Stadtentwicklung zeigt, ist mit einer solchen Geschosszahl<br />

auch die höchste Dichte zu erreichen.<br />

Bei einer weiteren Erhöhung der Geschossigkeit<br />

nimmt die durchschnittliche Dichte ab.<br />

Für die Atmosphäre eines Quartiers spielt – wie<br />

erwähnt - die Versorgung mit Geschäften und privaten<br />

Dienstleistungen eine zentrale Rolle. Allerdings<br />

nur, wenn die notwendige Anzahl von Kunden<br />

vorhanden ist, lassen sich Supermärkte, Apotheken,<br />

Drogerien, Ärztezentren etc. wirtschaftlich<br />

betreiben. Untersuchungen haben gezeigt,<br />

dass gemischt genutzte Quartiere mit vielfältigen<br />

Einrichtungen der Daseinsvorsorge, erst ab einer<br />

bestimmten Dichte existieren können. Dabei<br />

wirkt sich die Tendenz zum zunehmenden Wohnflächenkonsum<br />

nicht gerade „urbanitätsfördernd“<br />

aus; denn es muss umso dichter gebaut werden,<br />

je mehr Quadratmeter Wohnfläche wir in Anspruch<br />

nehmen, um den gleichen „Kundenbesatz“ für Einzelhandel<br />

und Dienstleistungen sicherzustellen.<br />

Verschärfend kommt hinzu, dass der Internethandel<br />

eine immer größere Mantelbevölkerung für den<br />

stationären Handel im Quartier erforderlich macht.<br />

Daher gilt: Je dichter ein Quartier, desto:<br />

• größer und vielfältiger wird das Versorgungsangebot<br />

in jedem Wirtschaftssektor,<br />

• länger halten sich Menschen im öffentlichen Raum<br />

auf,


180,00<br />

160,00<br />

140,00<br />

Einwohner pro<br />

Hektar<br />

120,00<br />

81<br />

100,00<br />

80,00<br />

60,00<br />

40,00<br />

20,00<br />

0,00<br />

Innerstädtisches Mischgebiet<br />

Kompaktes Innenstadtgebiet<br />

Dezentrales Stadtquartier<br />

(Groß-) Wohnsiedlung<br />

Eigenheimgebiet<br />

Sozialwohnungsgebiet<br />

Mittelwertgesamt<br />

Einrichtungen<br />

pro Hektar x<br />

Faktor 10<br />

Einrichtungen<br />

pro 1.000<br />

Einwohner<br />

Abbildung 3: Zusammenhang zwischen städtebaulicher und Nutzungsdichte, Quelle: Heike Brandt, Helmut Holzapfel, Ilka Hopmeier<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

• geringer ist der Mobilitätszwang, da alle Angebote<br />

des täglichen Bedarfs sowie alle sozialen Infrastruktureinrichtungen<br />

in der Regel in der Nähe liegen.<br />

Fast überflüssig zu erwähnen, dass auch die Kosten-Nutzen-Relationen<br />

von Infrastrukturinvestitionen<br />

sowohl für den Privaten, wie für die öffentliche Hand<br />

in dichteren Gebieten – jedenfalls bis zu einer gewissen<br />

Grenze – günstiger liegen, als in den entdichteten<br />

Einfamilienhausgebieten.<br />

Neue Quartiere - neue Chancen für die europäische<br />

Stadt<br />

Als Ende der 80er Jahre, des letzten Jahrhunderts,<br />

die Städte aufgrund von Zuwanderung wieder zu<br />

wachsen begannen, wurden erstmals nach den großen<br />

Siedlungsprojekten der 60er und 70er Jahre, wieder<br />

neue Quartiere gebaut.<br />

Es entstanden, neben den richtungsweisenden Quartieren<br />

in Freiburg und Tübingen, neue Quartiere, wie die<br />

HafenCity in Hamburg, die Messestadt München Riem<br />

auf dem alten Flughafen der Bayrischen Hauptstadt,<br />

das Deutschherrn Viertel und der Frankfurter Westhafen.<br />

Besonders beliebt waren die aufgegebenen Hafennutzungen<br />

am Wasser: in Berlin die Wasserstädte<br />

an Oberhavel und Spree, die Bebauung des Duisburger<br />

Binnenhafens oder der Düsseldorfer Rheinhafen.<br />

Bei allen Projekten diente die „europäische Stadt“ - nicht<br />

die Stadt der Moderne – als Orientierung für den Städtebau.<br />

Das gilt übrigens auch für viele internationale Projekte,<br />

die zeitgleich in Frankreich, den Niederlanden oder<br />

Skandinavien entstanden und die nicht selten die Lehren<br />

der Vergangenheit beherzter berücksichtigten, als die<br />

Planer und Politiker in Deutschland es sich trauten.<br />

In den nächsten Jahren und Jahrzehnten stehen wieder<br />

große Quartiersentwicklungen an – nicht nur in Deutschland.<br />

In fast allen wachsenden Städten und Regionen sind<br />

die Konversionsflächen, die große Reserve der neuen<br />

Quartiersentwicklungen in den 80er und 90er Jahren,<br />

weitgehend aufgebraucht oder nur noch sehr schwer mobilisierbar.<br />

Auch die Potenziale der inneren Entwicklung<br />

wie Nachverdichtungen, Aufstockungen etc. stoßen an<br />

ihre räumlichen und politischen Grenzen.<br />

Immer mehr Städte gehen daher dazu über, wieder Flächen<br />

an den Siedlungsrändern, also „die grüne Wiese“,<br />

in den Fokus des weiteren Stadtwachstums zu nehmen.<br />

Diese Aufgabe ist ungleich riskanter und anspruchsvoller<br />

als die Entwicklung der Quartiere auf den aufgegebenen<br />

Hafen- und Industrieflächen, da diese meistens<br />

noch im Kontext der gebauten Stadt lagen.<br />

Einige vielversprechende Beispiele, die entweder noch<br />

im Planungsstadium oder in der ersten Realisierungsphase<br />

sind, will ich zum Schluss erwähnen:<br />

Wien<br />

Vor den Toren Wiens entsteht auf einem ehemaligen<br />

Flughafengelände rund um einen 5 ha großen künstlichen<br />

See die klug konzipierte Seestadt Aspern, in der<br />

bis 2028 10.500 Wohnungen für rund 20.000 Menschenentstehen<br />

sollen. Außerdem sind rund 20.000<br />

Arbeitsplätze geplant.<br />

München<br />

München plant in Freiham auf 350 ha einen Stadtteil für<br />

25.000 Menschen und 7.500 Arbeitsplätze nach den<br />

Prinzipien einer modernen Gartenstadt des 21. Jahrhunderts.<br />

Gebaut wird bis 2040. Ein weiteres Großprojekt,<br />

für 30.000 Menschen und 10.000 Arbeitsplätze<br />

wird auf 595 ha im Münchner Nordosten vorbereitet.


82<br />

Hamburg<br />

Hamburg entwickelt nach der Hafencity ein zweites<br />

großes Generationenprojekt in Oberbillwerder, wo einmal<br />

auf 120 ha 6.000 - 7.000 Menschen wohnen und<br />

5.000 - 6.000 arbeiten sollen. Leitmotiv dieses Stadtteils<br />

ist die „Active City“.<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

Aber auch kleinere oder mittlere Städte entwickeln ehrgeizige<br />

Pläne für neue lebenswerte Stadtquartiere:<br />

Freiburg<br />

Freiburg plant in Ergänzung und direkt angrenzend<br />

an das erfolgreiche Pionierprojekt Rieselfeld, ein neues<br />

gemischtes Gebiet mit 5.000 Wohnungen für rund<br />

11.500 EW und rund 5.000 Arbeitsplätze.<br />

Konstanz<br />

Die Stadt Konstanz entwickelt im Nordwesten auf 46<br />

ha ein neues modellhaftes Quartier mit 2.550 Wohnungen<br />

für ca. 5.500 Menschen sowie Gewerbe- und<br />

Dienstleistungsflächen.<br />

Potsdam<br />

Potsdam entwickelt mit hohen Ansprüchen an Urbanität<br />

und Umweltfreundlichkeit vor der Stadt, auf dem<br />

140 ha großen ehemaligen Kasernenareal Krampnitz,<br />

ein neues Stadtquartier für 7.000 bis 10.000 EW und<br />

rund 1.000 Arbeitsplätze.<br />

Die Reihe ließe sich (fast) beliebig fortsetzen. Noch ist<br />

es zu früh um zu sagen, ob und welche dieser Projekte<br />

einmal Baugeschichte für eine neue gelungene Planung<br />

lebenswerter Quartiere schreiben werden. Aber schon<br />

jetzt zeigen die erwähnten Beispiele, dass die Dichten<br />

und Mischungsanteile Wohnen zu Gewerbe intensiver<br />

diskutiert werden, als dies in den 90er Jahren der Fall<br />

war – obwohl die Widerstände gegen Dichte und innovative<br />

Verkehrslösungen, vor allem in der Politik, aber<br />

auch bei manchen Bürgern, immer noch hoch sind. Die<br />

Gefahr, wieder in alte Muster zu verfallen, ist auch angesichts<br />

des enormen Zeitdrucks noch nicht gebannt.<br />

Dennoch gibt es Grund für Optimismus; denn auch<br />

eines zeigen die neuen Quartiersgründungen der letzten<br />

25 Jahre, nämlich dass die Lernprozesse unter<br />

dem Druck der Probleme sehr schnell gehen können.<br />

Natürlich gibt es keine Patentrezepte. Aber wir können<br />

heute auf einen Fundus von realisierten Projekten,<br />

Erfahrungen, Analysen, wissenschaftlichen Untersuchungen<br />

zurückgreifen, wie keine Generation vor<br />

uns. Nutzen wir diesen Schatz.<br />

Uli Hellweg<br />

Stadtplaner und Kommunalberater<br />

Nach dem Abschluss (1976) des Architekturstudiums an der RWTH<br />

Aachen ist Uli Hellweg als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen<br />

Institut für Urbanistik DIFU (1976/77) in Berlin und später<br />

als Sachgebietsleiter im Stadtplanungsamt der Stadt Gelsenkirchen<br />

(1977 – 1980) tätig. Von 1980 - 1987 betreut Uli Hellweg Selbsthilfe-<br />

und Pilotprojekte bei der Internationalen Bauausstellung Berlin<br />

GmbH – IBA ’84/’87. 1987 bis 1992 koordiniert er die Stadterneuerungsaktivitäten<br />

der IBA-Nachfolgegesellschaft, S.T.E.R.N.<br />

GmbH in Berlin Moabit.<br />

Von 1992 bis 1996 ist Uli Hellweg Dezernent für Planen und<br />

Bauen der Stadt Kassel. In den Folgejahren von 1996 bis 2006<br />

leitet Uli Hellweg mehrere große Entwicklungsgesellschaften,<br />

u.a. die Wasserstadt Berlin GmbH, die DSK (Wiesbaden) und die<br />

agora s.a.r.l. (Großherzogtum Luxemburg). Unter seiner Leitung<br />

werden die Entwicklungsgebiete Rummelsburger Bucht (Berlin),<br />

Wasserstadt Spandauer See (Berlin) und Belval (Luxemburg) mit<br />

rd. 20.000 WE, 2 Mio. Quadratmeter Gewerbe- und Dienstleistungsflächen<br />

sowie zahlreichen Einrichtungen der öffentlichen<br />

und privaten Infrastruktur entwickelt.<br />

Von September 2006 bis Ende 2013 ist Uli Hellweg Geschäftsführer<br />

der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg GmbH. Unter seiner<br />

Leitung entstehen mehr als 1.700 modellhafte Wohnungen, darunter<br />

ca. 500 energetisch exzellente Modernisierungen, 1 Mio. qm Büro- und<br />

Gewerbeflächen, soziale Infrastruktur für Seniorinnen und Senioren,<br />

acht Bildungseinrichtungen (Schulen, Kindergärten), vier Sport- und<br />

Freizeiteinrichtungen, 71,5 ha Parks und Grünflächen, 2,7 km neue<br />

Wasserwege sowie die stadttechnische Infrastruktur (Gesamt-Investitionsvolumen<br />

1,25 Milliarden Euro). Von 2014 bis 2015 baut Uli Hellweg<br />

als Geschäftsführer die IBA Hamburg-Nachfolgegesellschaft auf,<br />

die als öffentliche Entwicklungsgesellschaft mehr als 5.000 Wohnungen<br />

und 125.000 qm BGF Handel, Dienstleistungen und Gewerbe in<br />

den Hamburger Bezirken Mitte und Harburg entwickelt.<br />

Derzeit leitet er das Planungs- und Consultingbüro HELLWEG URBAN<br />

CONCEPT. Er berät Städte und Gemeinden bei der Entwicklung großer<br />

städtebaulicher Gebiete und Projekte und moderiert komplexe städtebauliche<br />

Verfahren. Darüber hinaus ist Uli Hellweg als Stadtplaner tätig.<br />

Berlin (2012) Leitbild Gartenstadt. http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungsbau/de/gartenstadt/ (abgerufen am 19.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong>).<br />

BBSR (2015) Kennzahlen in der Daseinsvorsorge. http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BMVI/BMVIOnline/2015/BMVI_<br />

Online_01_15.html (abgerufen am 19.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong>). MVI/B<br />

Berlin (2012) Städtebauliche Dichte. http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/umweltatlas/i609.htm (abgerufen am 19.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong>).<br />

(2014) Überleben nach Krebsdiagnose hängt vom Wohnort ab. https://www.stern.de/gesundheit/neue-studie-ueberleben-nach-krebsdiagnose-haengt-vom-wohnort-ab-3138900.html<br />

(abgerufen am 19.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong>).<br />

(2014) Sag‘ mir wo Du wohnst und ich sag‘ Dir was Du wiegst. https://www.hna.de/gesundheit/wohnort-beeinflusst-gewicht-kindern-mz-3420987.html<br />

(abgerufen am 19.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong>).<br />

Für bezahlbaren Wohnraum und lebenswerte Städte. http://www.initiative-bodenrecht.de/ (abgerufen am 19.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong>).<br />

MVIOnline/2015/BMVI_Online_01_15.html)


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Dr. Uwe Günther, Prof. Johannes Ringel<br />

84<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

Instrumente zur Beseitigung der Wohnungsnot<br />

Die gegensätzlichen Entwicklungsdynamiken der Stadt und der ländlichen<br />

Räume stellen die Kommunen vor große Herausforderungen. Der Artikel<br />

skizziert, wie diesen Herausforderungen begegnet werden kann. Er stellt<br />

das rechtliche Instrumentarium und Vorschläge zu dessen Verbesserung<br />

vor. Ferner wird analysiert, wo kurzfristig Wohnraumpotenziale erschlossen<br />

werden können, um die Bedarfslücke zu verkleinern.<br />

Abbildung 1: Baulücken bieten ein enormes Potential zur Verdichtung vorhandener Strukturen und für neuen Wohnraum, bergen aber auch die Gefahr, überhöhter Mietkosten.<br />

Passivhouse-Refurbishment in Bonn, D, 2011, Foto: Hans Drexler, flickr.com, Lizenz: CC-BY 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0<br />

Die Ausgangslage<br />

)) Megatrends wie Urbanisierung,<br />

Individualisierung und Globalisierung<br />

führen dazu, dass<br />

in lokal differenzierter Weise,<br />

ländliche Regionen schrumpfen<br />

und Städte wachsen. ((<br />

In Ballungsräumen übersteigt die Wohnungsnachfrage<br />

die Angebote exorbitant. Die Mieten sind zum Teil<br />

drastisch gestiegen und Haushalten mit kleinerem<br />

und mittlerem Einkommen ist der Zugang zum Wohnungsmarkt<br />

versperrt.<br />

Diese Situation ist ein Politikum aus zwei Gründen. Zum<br />

einen, weil Wohnen eine elementare Notwendigkeit ist<br />

und Wohnungsnot Menschen ins Unglück stürzt. Zum<br />

anderen gefährdet eine Stadt, die einkommensschwache<br />

Haushalte buchstäblich an den Rand der Stadt drängt,<br />

den sozialen Zusammenhalt der Stadt insgesamt und<br />

ist zudem ökologisch fragwürdig. Würde heute der Ruf:<br />

„Stadtluft macht frei“ ertönen, würde er kaum als Glücksversprechen,<br />

sondern als Zynismus verstanden werden.<br />

Das rechtliche Instrumentarium<br />

In der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland gibt es<br />

weder ein (Grund-)Recht auf Wohnen, noch ein entsprechendes<br />

Staatsziel, noch ein Recht auf Stadt im Sinne einer<br />

Teilhabe an urbanen Qualitäten oder an der zentralen Infrastruktur.<br />

Die Weimarer Reichsverfassung legte immerhin als<br />

Staatsziel fest, „jedem Deutschen eine gesunde Wohnung


zu sichern“. Kaum Honig saugen kann man auch aus Art<br />

72 des Grundgesetzes. 1949 wurde dort die „Gleichwertigkeit<br />

der Lebensverhältnisse“ zu einem Politikziel erklärt<br />

und 1975 ersetzt durch den ähnlich dunklen und unklaren<br />

Begriff „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“.<br />

Unterhalb der Ebene des Grundgesetzes gibt es ein reichliches<br />

unterfassungsrechtliches, insbesondere mietrechtliches<br />

Instrumentarium. Bei der Mieterhöhung haben Vermieter<br />

für unterschiedliche Gebietskulissen Grenzen einzuhalten,<br />

nämlich die ortsübliche Vergleichsmiete, § 558 Abs.1 BGB<br />

oder die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB (ausreichende<br />

Versorgung zu angemessenen Bedingungen gefährdet)<br />

oder die Mietpreisbremse gemäß § 556d BGB (bei<br />

angespannten Wohnungsmärkten). Die Mieten haben sich<br />

jedenfalls in Ballungsgebieten ungeachtet dieser rechtlichen<br />

Begrenzungen erhöht und dadurch Wohnungsnot verstärkt.<br />

Insofern mag man am Sinn dieser Bestimmungen zweifeln.<br />

Zu Verstärkungen des Ungleichgewichts von Vermietern<br />

und Mietern dürfte die Regelung für die Modernisierungsumlage<br />

gemäß § 559 BGB beigetragen haben. Danach<br />

ist zulässig, 11 % der Kosten der Modernisierung dauerhaft<br />

auf die Miete umzulegen. Diese Regelung ist ökonomisch<br />

für Vermieter angesichts von Niedrigzinsen attraktiv, da in<br />

nur 9 Jahren die Modernisierungskosten refinanziert sind.<br />

Zugleich wird es dem Vermieter ermöglicht, durch „Luxussanierungen“<br />

einen weniger gut situierten Mieter, der sich<br />

die Wohnung nach Sanierung nicht mehr leisten kann, durch<br />

einen finanziell potenten Mieter zu ersetzen.<br />

Das mietrechtliche Instrumentarium zur Begrenzung von<br />

Mieterhöhungen birgt grundlegende Probleme, die dessen<br />

Wirksamkeit begrenzen und die auch nicht durch rechtliche<br />

Modifikationen verändert werden können, wie sie im Koaltionsvertrag<br />

zwischen CDU/CSU/SPD vereinbart sind<br />

(Verschärfung der Mietpreisbremse durch Auskunftspflichten<br />

zur Vormiete, Absenkung der Modernisierungsumlage<br />

auf 8 % plus Kappungsgrenze). Solche Probleme sind<br />

zum einen, dass der gedankliche Ansatz, Vermietern und<br />

Mietern eine Vereinbarung über einem bestimmten Preisniveau<br />

zu untersagen, ein Legitimationsproblem hat. Viel, um<br />

nicht zu sagen, zu viel, wird in unserer Gesellschaft geregelt<br />

über die Macht des Geldes. Wird ein gesellschaftlicher<br />

Bereich durch Recht ausgenommen von den Wirkungsmechanismen<br />

des Geldes, führt das fast unweigerlich zu<br />

Umgehungstatbeständen mit Hilfe des Geldes. Zum anderen<br />

ist es eine Illusion zu glauben, in Verhältnissen unterschiedlicher<br />

Macht könne sich Recht durchsetzen, weil es<br />

gesetztes Recht ist. Ohne Bürokratie, die mit Meldepflichten,<br />

Auskunftspflichten, Kontrollen, Bußgeldern und einer<br />

auch personell stark besetzten Wohnungsaufsicht operiert,<br />

wird das gesetzte Recht die Vermieter lediglich trennen zwischen<br />

diejenigen, die naiv sind und die sich an das Gesetz<br />

halten und diejenigen, die ihren materiellen Interessen Vorrang<br />

einräumen und für die das Recht von sekundärer Bedeutung<br />

ist. Entsprechende politische Forderungen, Recht<br />

bürokratisch zu unterfüttern, sehen sich jedoch konfrontiert<br />

mit dem in der Öffentlichkeit wirksamen Vorwurf der „Planwirtschaft“<br />

oder des „Bürokratismus“, was politische Durchsetzung<br />

erschwert oder unmöglich macht. Zum dritten bewirkt<br />

auch ein noch so wirksames Recht zur Begrenzung<br />

von Mieterhöhungen nicht, dass der Vermieter vorrangig<br />

einkommensschwache Haushalte als Mieter bevorzugt. Im<br />

Gegenteil: Einkommensschwache Mieter sind gegenüber<br />

einkommensstarken Mietern strukturell immer im Nachteil,<br />

wenn sie im gleichen Mietpreissegment konkurrieren.<br />

Diesen strukturellen Nachteil zu kompensieren ist einer der<br />

ursprünglichen Gedanken des „sozialen Wohnungsbaus“<br />

bzw. der „sozialen Wohnraumförderung“. Auslaufende Bindungen<br />

und Prognosen der Vergangenheit, wonach insgesamt<br />

mit Bevölkerungsrückgang zu rechnen ist, haben<br />

bewirkt, dass die Zahl der gebundenen Wohnungen heute<br />

viel zu klein ist, um preisdämpfend zu wirken.<br />

Die Problematik fehlender Bauflächen<br />

)) Ebenso wie exorbitante Mietsteigerungen<br />

sich letztlich<br />

nur durch einen ausgeglichenen<br />

Wohnungsmarkt vermeiden<br />

lassen, indem also in Ballungsräumen<br />

neu gebaut wird,<br />

werden sich Wohnungen für<br />

einkommensschwache Haushalte<br />

nur finden, wenn in Ballungsgebieten<br />

neu und mehr<br />

gebaut wird. ((<br />

Es gibt eine Reihe von bedenkenswerten Vorschlägen, wie<br />

der Bau von Wohnungen vorangetrieben werden kann. Die<br />

Mehrzahl der Vorschläge hat allerdings den Nachteil, dass<br />

die Prozesse zur Umsetzung dieser Vorschläge erst in einem<br />

langen Zeithorizont wirken. Die Reform der Grundsteuer mit<br />

dem Ziel, bebaubare, aber nicht bebaute Grundstücke, stärker<br />

zu besteuern, bedarf erst der gesetzlichen Umsetzung.<br />

Die jahrzehntelangen Debatten der Vergangenheit zur Reform<br />

der Grundsteuer lassen nicht auf kurzfristige Ergebnisse<br />

hoffen. Die Empfehlung an die Kommunen, Bodenvorratspolitik<br />

zu betreiben oder der Vorschlag, staatliche oder<br />

kommunale Gesellschaften zu gründen, setzen voraus, dass<br />

zuerst eine Vielzahl von Organisationprozessen durchgeführt<br />

werden muss, bevor Bauplanung in den Blick genommen<br />

werden kann. Der Vorschlag, das Bauen steuerrechtlich attraktiver<br />

zu machen, setzt zunächst einmal nur die Gesetzgebungs-<br />

oder Normungsmaschinerie in Gang. Die Absenkung<br />

von Baustandards oder serielles Bauen zu fordern, heißt<br />

noch nicht, dass hierfür Marktchancen bestehen. Für all diese<br />

Forderungen, wie für die Forderung nach Quotenvorgaben<br />

in der Bauleitplanung, gilt überdies, dass sie unterstellen, es<br />

gäbe Bauflächen, die bebaut werden können oder bei denen<br />

die Baureife hergestellt werden kann. Das Vorkaufsrecht der<br />

Kommunen aktiv in Angriff zu nehmen, hat zwar dieses Problem<br />

nicht, es löst aber nur rudimentär Probleme.<br />

Das Nadelöhr zur Beseitigung von Wohnungsnot ist, dass<br />

entsprechende Bauflächen nicht zur Verfügung stehen.<br />

Entgegen manchen politischen Verheißungen sind die Probleme<br />

jedenfalls nicht kurzfristig zu lösen. Bodenpolitik ist im<br />

Gegensatz zur Nachkriegszeit durch „Privatisierung“ „entpolitisiert“<br />

worden und nunmehr ist – bei veränderten Bedarfen<br />

85<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT


86<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

– der Zugriff auf Flächen politisch schwierig oder unmöglich<br />

und der Rückgriff auf das drakonische ordnungsrechtliche<br />

Arsenal der Vergangenheit kaum denkbar.<br />

Flächen im Umland der Kommunen zu kaufen, zu beplanen<br />

und zu bebauen, lässt sich kaum früher als in einem<br />

Zeithorizont von 5 bis 10 Jahren realisieren. Die Zahl 5<br />

ist eher übertrieben optimistisch. Abgesehen davon wäre<br />

ein solches Vorhaben ökologisch suboptimal und ökonomisch,<br />

wegen der neu zu schaffenden Infrastruktur, teuer.<br />

Erhebliches Potenzial liegt in der Verdichtung der Städte<br />

durch Aufstockung, Dachgeschoßausbau, Schließung von<br />

Baulücken, die Bebauung von Innenhofflächen und die Aktivierung<br />

von Konversionsflächen für Wohnzwecke, die Aktivierung<br />

von Handelsflächen, auch für Wohnzwecke in neu zu<br />

errichtenden obergeschossigen Bereichen. Allerdings hebt<br />

sich dieses Potenzial nicht von selbst, sondern muss durch<br />

eine aktive Ansprache durch die Kommunen und durch Förderangebote<br />

erschlossen werden. Beide Voraussetzungen<br />

für die Aktivierung von Flächen scheinen nicht gegeben.<br />

)) Großes Potenzial dürfte auch<br />

in der Aktivierung von Flächen<br />

liegen, die zwar im Umland eines<br />

Ballungszentrums gelegen, aber<br />

an die Kernstadt angebunden<br />

sind oder angebunden werden<br />

könnten. Hier bedarf es einer<br />

engen Kooperation zwischen<br />

den beteiligten Kommunen. ((<br />

oder senkt den Daumen, ist aber nicht bereit, sich<br />

durch demokratische Teilhabe zu engagieren. Ändert<br />

sich dieses Verhältnis nicht, sind Bauprojekte über<br />

die Schwierigkeiten hinaus, die solchen Projekten<br />

immer innewohnen, gefährdet. Bei jedem größeren<br />

Bauprojekt muss frühzeitig über Partizipation und Beteiligungsformen<br />

nachgedacht und müssen Angebote<br />

formuliert werden, mit dem Ziel, dass Bürger und Bürgerinnen<br />

über ihre individuellen Interessen hinaus, bei<br />

ihrer Meinungsbildung, auch gesamtstädtische Interessen<br />

berücksichtigen.<br />

Dr. Uwe Günther<br />

Rechtsanwalt<br />

Dr. Uwe Günther studierte Rechtswissenschaften. Er war beruflich als<br />

Rechtsanwalt, Justitiar und Geschäftsführer der Bundestagsfraktion DIE<br />

GRÜNEN, Zentralabteilungsleiter im Bauministeriums NRW, Staatssekretär<br />

im Umweltministeriums Hessen, Geschäftsführer des BLB NRW,<br />

Geschäftsführer der LEG S und als Abteilungsleiter für soziale Wohnraumversorgung<br />

im Bauministerium NRW tätig. Nebenamtlich war er Aufsichtsratsmitglied<br />

in diversen Wohnungsgesellschaften sowie Lehrbeauftragter<br />

an den Universitäten in Bielefeld, Essen, Düsseldorf und Leipzig.<br />

Diese müsste erfassen: eine abgestimmte Verkehrsplanung,<br />

einer Abstimmung über Zielgruppen, Baustile, Wohnungszuschnitte,<br />

Nutzungsarten und Vertrieb. Gerade auf<br />

die Kooperation von Kernstadt und umliegender Region<br />

zielte der studentische Ideenwettbewerb „Wachstum in<br />

Kooperation“, den die NRW.BANK hat durchführen lassen.<br />

Überlegt werden sollte, wie in wachsenden Regionen die<br />

Wohnraumversorgung abseits der Kernstädte gewährleistet<br />

werden kann. Die Ergebnisse des Wettbewerbs sind<br />

durchaus vielversprechend, wie sich den Ergebnissen entnehmen<br />

lässt.<br />

Beteiligung ist mehr als Wahrnehmung eigener<br />

Interessen<br />

Prof. Johannes Ringel<br />

Direktor des Instituts für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft<br />

an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität<br />

Leipzig und Gesellschafter bei RKW Architektur<br />

Neben fehlenden Bauflächen, liegt ein weiteres riesiges<br />

Problem in der Haltung von Bürgern und Bürgerinnen.<br />

Wo immer gebaut wird, nehmen Bürgerinnen<br />

und Bürger bestenfalls murrend Bauprojekte<br />

hin. Ursache hierfür ist ein verqueres Verhältnis zwischen<br />

Politik und Bürgerinnen und Bürgern, denn es<br />

wird beidseitig oft missverstanden als ein Verhältnis<br />

zwischen dem Dienstleister – Politik – und Bürgern<br />

und Bürgerinnen als Kunden. Der Dienstleister – Politik<br />

– muss liefern und der Kunde – Bürger – hebt<br />

Prof. Johannes Ringel studierte Architektur an den Universitäten Berlin<br />

und Dortmund und beendete seine Ausbildung mit einem Aufbaustudium<br />

in Denkmalpflege an der technischen Universität München. Bereits neben<br />

seinem Studium war er als Architekt bei RKW Architektur + in Düsseldorf<br />

tätig, wo er seit 1998 geschäftsführender Gesellschafter ist.<br />

Seit 2001 ist Prof. Johannes Ringel Inhaber der Professur für Stadtentwicklung<br />

und Direktor des Instituts für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft an<br />

der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Zudem<br />

ist er Mitherausgeber der Zeitschrift für Immobilienökonomie und leitet das<br />

Forum der Architektur des German Council of Shopping Centers.


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87<br />

Wolfgang Overath zu seiner<br />

Geschichte als Investor.<br />

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Christine Korus, Stefan Krapp<br />

88<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

Stadt in der zweiten Reihe?<br />

Die Großstädte in Nordrhein-Westfalen müssen in regionalen Wohnungsmärkten<br />

denken, um prognostizierte Wohnungsbedarfe noch abbilden zu<br />

können. Dadurch ist der „städtische“ Entwicklungsdruck bereits „in der<br />

zweiten Reihe“, also auf den Gemeindegebieten im Umland, angekommen.<br />

Hier stehen die Umlandgemeinden vor der Herausforderung, wie sich<br />

höhere Dichten, soziale und funktionale Mischung – Urbanität – realisieren<br />

lassen, ohne die Identität der Orte aufzugeben.<br />

Abbildung 1: Luftbild Ortslage Roetgen, farbliche Hervorhebung grüner Binnenbereiche (ISL, 2015)<br />

Urbanität als Entwicklungsperspektive im Umland<br />

der Großstädte<br />

Die „zweite Reihe“ muss keine „zweite Wahl“ sein,<br />

sondern kann eine attraktive Alternative zum Leben<br />

in der Großstadt bieten. Das setzt voraus, dass der<br />

Arbeitsplatz und Schulen gut erreichbar bleiben, die<br />

neuen Wohnraumangebote in bestehende Nachbarschaften<br />

integriert sind und das Wohnumfeld darüber<br />

hinaus eine funktionale Mischung bietet. Die<br />

Herausforderung und zugleich Chance, die „Überschwappeffekte“<br />

aus den Großstädten aufzunehmen,<br />

beschränkt sich also nicht nur auf die Erhöhung<br />

des Angebots an vielfältigen Wohnraumangeboten,<br />

sondern umfasst insbesondere auch zukunftsfähige<br />

Konzepte für ein räumliches Nebeneinander von<br />

Wohnen und Arbeiten, für individuelle Mobilität und<br />

intelligenten Gütertransport, vielfältige Bildungseinrichtungen<br />

und soziale Infrastruktur. Wer in der<br />

Großstadt keinen Wohnraum mehr findet, sucht im<br />

Umland Alternativen, die zugleich Alternativen zu<br />

dörflichen Bau- und Nutzungsstrukturen sind.<br />

Das Umland soll aber auch kein Teil der Großstadt<br />

werden. Das expansive Flächenwachstum der Großstädte<br />

an ihren Rändern ist Ende des 20. Jahrhunderts<br />

zunächst ein Phänomen der Industrialisierung<br />

und rund 50 Jahre später der planerischen Idee von<br />

Entlastungsstädten geschuldet. Am Anfang des 21.<br />

Jahrhunderts besteht der Anspruch aus beiden Entwicklungen<br />

die richtigen Schlüsse zu ziehen.<br />

Ein Ansatz ist, die „Überschwappeffekte“ nicht als<br />

Klon der Großstadt rein quantitativ im Umland abzubilden,<br />

sondern umgekehrt aus der Perspektive der<br />

jeweiligen Orte Position zu beziehen, welche Vorteile<br />

durch den urbanen Wachstumsdruck im Vergleich zu<br />

einer Entwicklung aus endogenen Ressourcen und<br />

Potentialen jeweils entstehen können. Die Alleinstellungsmerkmale<br />

der Umlandgemeinden sind als eigene<br />

Qualität gegenüber dem Leben in der Großstadt<br />

und dem Leben auf dem Land herauszuarbeiten.


89<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

Abbildung 2: ortstypische Baustruktur, Roetgen (ISL, 2016)<br />

Beispiel Gestaltgutachten Roetgen<br />

Die Gemeinde Roetgen liegt nur rund 20 km südlich<br />

des Oberzentrums Aachen. Eine schienengebundene<br />

Verbindung gibt es zwar nicht, für automobile<br />

Pendler nach Aachen ist die Entfernung jedoch gut.<br />

Reizvoll ist aber vor allem die Nähe zum Nationalpark<br />

Eifel. Die besondere Siedlungsstruktur der Ortslage<br />

Roetgen zeichnet sich durch eine lockere Bebauung<br />

entlang eines schon früh ausgebildeten, weitmaschigen<br />

Straßennetzes aus. Fast jedes bebaute Grundstück<br />

hat einerseits einen mit Hecken und Bäumen<br />

abgegrenzten Kontakt zum Straßenraum und andererseits<br />

einen unmittelbaren Bezug zum angrenzenden<br />

Landschaftsraum bzw. zu großen, grünen Binnenbereichen<br />

(siehe Abbildung 1).<br />

Orts- bzw. regionaltypische Bautypologien sind im<br />

gesamten Siedlungsbereich zu finden. Dabei handelt<br />

es sich zum einen um historische Bausubstanz, aber<br />

auch um moderne Gebäude, die eine ortstypische<br />

Gebäudekubatur und vor allem eine ortstypische<br />

Stellung des Gebäudes auf dem Grundstück übernehmen<br />

bzw. ortsbildgerecht transformieren.<br />

Der historische Bautyp des Winkelhauses mit giebelständigem<br />

Haupthaus und kurzem Quertrakt definiert<br />

den städtebaulichen Grundtypus der Siedlungsstruktur<br />

(siehe Abbildung 2 und 3). Der Baukörper steht nur<br />

leicht zurückversetzt vom Straßenraum und nicht<br />

mittig auf dem Grundstück, so dass sich zumindest<br />

einseitig größere Abstandsflächen zu einem Nachbargebäude<br />

und damit Blicke in die angrenzenden<br />

Gärten bzw. Landschaftsräume ergeben.<br />

Abbildung 3: Schematische Skizze der ortstypischen Baustruktur in Roetgen (ISL, 2016)


90<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

Abbildung 4: ortsuntypische Gebäudestellung (links), ortsbildverträgliche Gebäudestellung (rechts) (ISL, 2016)<br />

Im Rahmen des Gestaltgutachtens, das das Institut<br />

für Städtebau an der RWTH Aachen University<br />

im Auftrag der Gemeinde Roetgen in den Jahren<br />

2014 - 2017 erstellt hat, wurde vor diesem Hintergrund<br />

untersucht, wie die Bautätigkeit gesteuert<br />

werden kann, um die Wohn- und Lebensqualität<br />

und die Unverwechselbarkeit der baulichen Prägung<br />

zu erhalten.<br />

Während des Erarbeitungsprozesses mit öffentlichen<br />

Werkstätten und in der Diskussion mit Politik und<br />

Verwaltung wurde deutlich, dass ein ausgeprägtes<br />

Bewusstsein für die baukulturellen Alleinstellungsmerkmale<br />

des Orts- und Landschaftsbildes sowie ein<br />

hohes Interesse am Erhalt der dadurch bedingten Lebensqualität<br />

im Wohnumfeld vorhanden ist. Andererseits<br />

wurde auch immer wieder herausgestellt, dass<br />

Vorgaben zum Schutz des Ortsbildes bauliche Entwicklungen<br />

nicht verhindern und private Handlungsund<br />

Gestaltungsspielräume nicht zu restriktiv einengen<br />

dürfen – weder in Bezug auf die Umnutzung,<br />

Ergänzung bzw. Veränderung des Gebäudebestandes<br />

noch in Bezug auf neue bauliche Entwicklungen.<br />

Deshalb wurden für verschiedene, abgrenzbare homogene<br />

Bereiche innerhalb der Siedlungsstruktur<br />

sehr differenziert Gestaltkriterien definiert, mit deren<br />

Hilfe die weitere bauliche Entwicklung mit unterschiedlichen<br />

städtebaulichen Instrumenten, aber vor<br />

allem im Sinne eines Beratungsleitfadens gesteuert<br />

werden kann.<br />

Die bebauten Grundstücke innerhalb eines Bereichs<br />

zeigen einheitliche Bebauungsmuster hinsichtlich<br />

Art und Maß der baulichen Nutzung, der<br />

Gebäudepositionierung auf dem Grundstück und<br />

der Gestaltung privater Außenräume, die in den<br />

Straßenraum hineinwirken. Das so definierte „Grundrauschen“<br />

bildet die Grundlage für die Gestaltvorgaben<br />

der zukünftigen baulichen Entwicklung.<br />

In Abhängigkeit von der Lage innerhalb des Siedlungskörpers<br />

und der Prägung durch eine ortstypische<br />

Baustruktur und Architektur wurden restriktivere<br />

oder weichere Gestaltvorgaben definiert.<br />

Sowohl quantitative Wahrnehmungsräume, wie<br />

Haupt- und Durchgangsstraßen, als auch besondere<br />

Orte, wo der ortstypische Charakter noch besonders<br />

gut zu erkennen ist, wurden als besonders<br />

sensibel bewertet. Sie bedürfen einer größeren<br />

planerischen Aufmerksamkeit. Rand- und Binnen-<br />

)) Der städtische Wachstumsdruck<br />

macht sich in den gewachsenen<br />

Ortslagen zunehmend durch die<br />

Nachverdichtung der bisher unbebauten<br />

Binnenbereiche und<br />

durch eine höhere Ausnutzung<br />

der Einzelgrundstücke bemerkbar.<br />

Die ortstypische Siedlungsstruktur<br />

einer offenen ein- bis<br />

zweigeschossigen Einzelhausbebauung<br />

wird durch kompaktere<br />

Baustrukturen überformt. ((


91<br />

Abbildung 5: Siedlungsentwicklung Ortsteil Roetgen 1995 (links), 2015 (rechts) (ISL auf Basis TIM-Online NRW, Juli 2016)<br />

Stadt Land Wachstum - STATEMENT<br />

bereiche, wo Architekturen hinter „grünen Kulissen“<br />

verschwinden, erlauben dagegen eine größere<br />

Baufreiheit.<br />

Die schematische Skizze soll verdeutlichen, dass<br />

sich auf der Grundlage der definierten Gestaltvorgaben<br />

auch kompaktere Bauweisen, wie hier ein<br />

Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten, ortsbildverträglich<br />

realisieren lassen (siehe Abbildung<br />

4). Der städtische Wachstumsdruck macht sich in<br />

den gewachsenen Ortslagen zunehmend durch die<br />

Nachverdichtung der bisher unbebauten Binnenbereiche<br />

und durch eine höhere Ausnutzung der<br />

Einzelgrundstücke bemerkbar. Die ortstypische<br />

Siedlungsstruktur einer offenen ein- bis zweigeschossigen<br />

Einzelhausbebauung wird durch kompaktere<br />

Baustrukturen überformt.<br />

Während im links skizzierten Beispiel (siehe Abbildung<br />

4) durch die Positionierung des Baukörpers<br />

sowie durch Stellplätze und Garagen, Durchblicke<br />

vom Straßenraum in den Gartenbereich „verbaut“<br />

werden, bleibt im rechts skizzierten Beispiel, durch<br />

die Orientierung der Schmalseite des Baukörpers<br />

zum Straßenraum und der seitlichen Anordnung von<br />

Stellplätzen die Möglichkeit, die straßenseitige Vorzone<br />

zu begrünen.<br />

Während sich grundstücksbezogen höhere Dichten<br />

ortstypisch realisieren lassen, bleibt die suk-<br />

zessive Nachverdichtung bisher unbebauter, grüner<br />

Binnenbereiche ein planerisches Dilemma. Zur<br />

Erreichung des Planungsziels „Innen- vor Außenentwicklung“<br />

erscheint die Nachverdichtung dieser<br />

„eingebauten“ Bereiche zunächst naheliegender<br />

als eine weitere Entwicklung in die Fläche. Die<br />

grundsätzliche Aufgabe grüner Binnenbereiche<br />

führt langfristig aber zur Aufgabe des gewachsenen<br />

Siedlungsmusters einer grundstückstiefen<br />

Bebauung entlang eines weitmaschigen Erschließungsnetzes,<br />

die wesentlich für die besondere<br />

Wohnqualität in Roetgen ist (siehe Abbildung 5).<br />

Die Gemeinde Roetgen verfügt mit dem „Gestaltgutachten“<br />

über ein Instrument, auf dessen Grundlage,<br />

die weitere bauliche Entwicklung - auch der<br />

urbane Wachstumsdruck aus dem Oberzentrum<br />

Aachen - gesteuert werden kann und das das ortstypische<br />

„Grundrauschen“ zu bewahren hilft.<br />

Dr.-Ing. Bauass. Christine Korus<br />

Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Landesplanung,<br />

RWTH Aachen University – Fakultät für Architektur<br />

Dipl.-Ing. Bauass. Stefan Krapp, AOR<br />

Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Landesplanung,<br />

RWTH Aachen University – Fakultät für Architektur<br />

Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Landesplanung, RWTH Aachen University – Fakultät für<br />

Architektur (Hrsg. 2017): Gestaltgutachten Roetgen, 2017.


\


Stadt Land Kooperation


Annette Nothnagel und Herbert Weber im Gespräch<br />

mit Prof. Oliver Hall, Marcel Cardinali und Julia Krick.<br />

94<br />

Stadt Land Kooperation - INTERVIEW<br />

<strong>Regionale</strong> 2022 - Das neue UrbanLand<br />

Interview mit der OstWestfalenLippe GmbH<br />

Die <strong>Regionale</strong> 2022-Managerin, Annette Nothnagel und der Geschäftsführer<br />

der OWL GmbH, Herbert Weber, entwickeln maßgeblich den Prozess der<br />

<strong>Regionale</strong> 2022 „Wir gestalten das neue UrbanLand". In einem Interview<br />

beantworten sie Fragen von Oliver Hall, Marcel Cardinali und Julia Krick,<br />

zum derzeitigen Stand des Prozesses der <strong>Regionale</strong> in Ostwestfalen-Lippe<br />

und werfen einen Blick nach vorne, in die bevorstehenden spannenden<br />

Jahre in der Region.<br />

Herbert Weber und Annette Nothnagel, Foto: <strong>urbanLab</strong><br />

Marcel Cardinali: Frau Nothnagel, Sie sind erst kürzlich<br />

für Ihre neue Stelle als Managerin der <strong>Regionale</strong> 2022<br />

in die Region Ostwestfalen-Lippe gezogen. Was sind<br />

Ihre ersten Eindrücke von dieser Region? Was ist das<br />

Besondere dieser Region?<br />

Annette Nothnagel: Es war ein sehr herzliches Willkommen<br />

und eine sehr große Offenheit mir gegenüber,<br />

aber auch für das Thema <strong>Regionale</strong>. Das Besondere<br />

der Region ist sicherlich das Selbstbewusstsein auch<br />

der kleineren Städte und die Besonderheiten der ganz,<br />

ganz kleinen Kommunen. Das ist für mich auch neu.<br />

Marcel Cardinali: Herr Weber, Ostwestfalen-Lippe ist<br />

die erste Region, die zum zweiten Mal eine <strong>Regionale</strong><br />

durchführt. Karl Jasper (MHKBG) hat sich auf dem ersten<br />

Workshop am 05.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong> gewünscht, dass die Projekte<br />

diesmal von der Region, für die Region entwickelt werden<br />

und es nicht so sehr einzelne Projekte innerhalb der<br />

Region sind. Wie stark haben sich die Erwartungen des<br />

Ministeriums, aber auch der Region selbst, im Vergleich<br />

zur ersten <strong>Regionale</strong> 2000 verändert?<br />

Herbert Weber: Wir haben einen ganz anderen Ansatz<br />

als beim ersten Mal. Beim ersten Mal, im Jahr 2000,<br />

haben wir mit der Expo ein Ereignis von außen genommen.<br />

Das Themenfeld der Expo "Mensch-Natur-Technik",<br />

haben wir auf unsere Region übertragen. Es war das<br />

Ziel sich als ein interessanter Partner der Expo in Hannover<br />

zu präsentieren. Natürlich haben wir Themen gewählt,<br />

die für uns von Interesse waren: Technologie, Gesundheit<br />

und Kultur.<br />

Diesmal haben wir einen ganz anderen Ansatz. Wir fangen<br />

bei der Region an und haben uns gefragt, was sind denn<br />

die großen Herausforderungen vor denen wir stehen.


Dabei wurde deutlich, dass ganz unterschiedliche Entwicklungsdynamiken<br />

in Ostwestfalen-Lippe festzustellen<br />

sind. Darüber hinaus gibt es Dinge unter denen viele<br />

leiden, wie Demografie, der Sog von Metropolen und dem<br />

Fachkräftemangel als Konsequenz. Zusätzlich bestehen<br />

gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, wie die<br />

Digitalisierung und dergleichen mehr.<br />

Vor diesem Hintergrund haben wir uns gefragt, was<br />

wir tun müssen, um die Region fit für die Zukunft zu<br />

machen. Insofern ist der Unterschied deutlich und die<br />

Handlungsfelder mit denen wir uns beschäftigen wollen,<br />

gehen ganz stark in eine neue Richtung. Der andere<br />

Aspekt, den Herr Jasper angesprochen hat, war der,<br />

dass er uns zu noch mehr gesamtregionaler Arbeit bei<br />

den Projekten ermuntert. Das haben wir uns selber<br />

auch dick auf die Fahne geschrieben. Unser Ziel ist es,<br />

eine <strong>Regionale</strong> zu machen, in der es gelingt Projektansätze<br />

und Programme zu entwickeln, die die gesamte<br />

Region betreffen und verknüpfen. Sie sollten nicht nur<br />

eine lokale Wirkung und Ausstrahlung haben.<br />

Marcel Cardinali: Die Bewerbung und der Zuschlag zur<br />

<strong>Regionale</strong> liegen schon einige Zeit zurück. Den Herausforderungen,<br />

den Prozess in diese Richtung zu lenken,<br />

stellen Sie sich also schon eine gewisse Zeit. Wie fällt<br />

Ihre Bilanz bis hierhin aus? Was ist bisher passiert?<br />

Wie haben sich die Region und die OstWestfalenLippe<br />

GmbH aufgestellt?<br />

Herbert Weber: Das Wesentliche für uns war zunächst,<br />

dass wir Strukturen entwickeln, die dafür geeignet sind.<br />

Wir haben Entscheidungsgremien und Ideenfindungsgremien,<br />

die die Städte und Gemeinden aus ganz OWL<br />

und andere Akteure aus den Bereichen der Wirtschaft,<br />

der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft einbinden.<br />

Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und waren<br />

sehr viel in der Region unterwegs, haben Gespräche<br />

und Diskussionen geführt und werden das weiterhin<br />

tun, um den gesamtregionalen Ansatz zu verdeutlichen.<br />

Dazu gehört sicherlich auch, dass man dieses „Urban-<br />

Land“ erklärt. Das ist ja erstmal ein komischer Begriff.<br />

Ich habe den Eindruck, dass die Menschen mehr und<br />

mehr verstehen, was wir damit meinen. Mehr und mehr<br />

wird die Kraft, die in diesem Begriff und dem Konzept<br />

stecken, verstanden: Diese neue Lust auf ländliche Regionen.<br />

Wir als Ostwestfalen-Lipper verstehen uns zwar<br />

nicht als klassische ländliche Region, weil wir eine große<br />

wirtschaftliche Stärke mit verdichteten Gebieten haben,<br />

aber insgesamt gesehen, gibt es doch die ländliche Prägung.<br />

Die neue Lust auf ländliche Regionen verspüren<br />

wir und die vermitteln wir wieder in die Runde und das<br />

sorgt natürlich für das nötige Selbstbewusstsein.<br />

Marcel Cardinali: Das „UrbanLand“ als Begriff und<br />

Konzept zu vermitteln war auch eine Aufgabe des ersten<br />

Workshops. Dabei ist auch der Startschuss gefallen, ein<br />

Raumbild für die Region zu erzeugen. Jetzt ist der erste<br />

Workshop gelaufen. Was sind Ihre Eindrücke? Haben Sie<br />

das Gefühl, dass das „UrbanLand“ jetzt verstanden wurde?<br />

Haben Sie das Gefühl, dass die Region sich genau in die<br />

Richtung entwickelt, die die Bewerbung vorgibt?<br />

Herbert Weber: Es wäre vermessen zu erwarten, dass<br />

nach einem ersten Workshop das „UrbanLand“ von allen<br />

gleich verstanden wird. In diesem Workshop wurden<br />

wichtige Anstöße gegeben, die den Akteuren in der<br />

Region das UrbanLand näher bringen. So haben wir<br />

zum Beispiel gestern im Workshop versucht das Thema<br />

Raumbild in den Blick zu nehmen. Indem man das einfach<br />

mal in unterschiedliche Themen dekliniert und schaut,<br />

welche Räume, Beziehungsstrukturen, Stärken und<br />

Defizite wir in der Region vorliegen haben. Wo muss<br />

man nacharbeiten? In den Folge-Workshops haben wir<br />

nun die Aufgabe, das weiter zu vertiefen.<br />

Annette Nothnagel: Ich habe auch wahrgenommen,<br />

dass der Bedarf miteinander ins Gespräch zu kommen<br />

groß war - mit den Nachbarn oder mit denjenigen, die<br />

ähnliche Strukturen vertreten. Die lokalen Helden, also<br />

die ganz kleinen Kommunen, haben so nochmal die<br />

Möglichkeit sich im Ganzen zu sehen. Die Beziehung<br />

des eigenen Ortes, innerhalb der Region, ist gut in den<br />

Blick genommen worden. Es war ein guter Startschuss,<br />

um den Prozess fortzusetzen. Das wird natürlich noch<br />

eine Zeit lang dauern und auf unterschiedliche Weise<br />

laufen, aber da ist die erste Saat gesät.<br />

Marcel Cardinali: Jetzt haben wir in den letzten Monaten<br />

und vielleicht sogar Jahren gemerkt, dass das<br />

Kirchturmdenken noch weit verbreitet ist. Haben Sie<br />

den Eindruck, dass sich das langsam auflöst? Auf welchem<br />

Weg befinden wir uns da? Muss da noch mehr<br />

passieren oder zieht die Region schon an einem gemeinsamen<br />

Strang?<br />

Herbert Weber: Es liegt erstmal in der Natur der Sache,<br />

dass bei einem solchen Programm jeder bei sich selber<br />

anfängt. Das ist in Ostwestfalen-Lippe so, das ist im<br />

Münsterland so, das ist im Sauerland so, das wird überall<br />

so sein und ist sicherlich kein besonderes Phänomen.<br />

Ich glaube allerdings wir werden hinbekommen, dass<br />

die absenderbezogene Perspektive mehr und mehr<br />

aufgelöst wird. Wir haben da schon eine ganze Menge<br />

erreicht. Es ist heute schon festzustellen, dass in den<br />

Kreisen kreisbezogen herangegangen wird und nicht<br />

nur kommunal. Die Kreise übernehmen da eine ganz<br />

wichtige Bündelungsaufgabe.<br />

Annette Nothnagel, OstWestfalenLippe GmbH:<br />

)) Die Beziehung des eigenen Ortes<br />

innerhalb der Region ist gut in<br />

den Blick genommen worden.<br />

Es war ein guter Startschuss,<br />

um den Prozess fortzusetzen.<br />

Das wird natürlich noch eine<br />

Zeit lang dauern und auf unterschiedliche<br />

Weise laufen, aber<br />

da ist die erste Saat gesät. ((<br />

95<br />

Stadt Land Kooperation - INTERVIEW


96<br />

Stadt Land Kooperation - INTERVIEW<br />

Der nächste Schritt wird sein, dass die Themen auf eine<br />

ganzregionale Perspektive gehoben werden. Aus meiner<br />

Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass es in der Vergangenheit<br />

gelungen ist, an entscheidenden Punkten Kräfte<br />

zu bündeln. Ein Beispiel ist das Spitzencluster „it´s OWL“.<br />

Da finden sie kein Kirchturmdenken, sondern Strukturen<br />

und am Ende auch Ergebnisse, die durch Vernetzung und<br />

Kooperation erreicht wurden und mit unterschiedlichen<br />

Akteuren zustande gekommen sind.<br />

Marcel Cardinali: Der Spitzencluster „it´s OWL“ ist eines<br />

der Projekte, das damals im Rahmen der <strong>Regionale</strong> seinen<br />

Anfang genommen hat und zu einem starken Netzwerk<br />

geworden ist. Gibt es Erwartungen oder vielleicht<br />

auch schon Ansätze, wie in anderen Themenfeldern<br />

ähnliche Netzwerkstrukturen in dieser <strong>Regionale</strong> entstehen<br />

könnten?<br />

Herbert Weber: Also zwischen der ersten <strong>Regionale</strong> und<br />

dem Spitzencluster lag doch eine Zeit – ein Weg. Ein ganz<br />

wesentlicher Effekt der ersten <strong>Regionale</strong> war, dass es uns<br />

gelungen ist, in Ostwestfalen-Lippe stärker zu vernetzten<br />

Strukturen zu kommen. Dass der Spitzencluster dann<br />

möglich wurde, war eine logische Weiterentwicklung. Das<br />

hängt aus meiner Sicht ein stückweit davon ab, dass bestimmte<br />

Themen so vertieft werden und daraus neue <strong>Netzwerke</strong><br />

entstehen. Wenn ich an das Thema Mobilität denke,<br />

bekommen wir das gar nicht anders hin, als in <strong>Netzwerke</strong>n<br />

zu denken. Wir müssen über Verwaltungsgrenzen hinweg<br />

denken und eine hohe Flexibilität an den Tag legen.<br />

Annette Nothnagel: Der andere Bereich ist ganz eindeutig<br />

„Kommunen ohne Grenzen“. Das ist darauf angelegt,<br />

dass Kommunen in Zusammenarbeit gemeinsame<br />

Strukturen schaffen, um effizienter arbeiten zu können.<br />

Das sind keine Strohfeuer. Hier werden <strong>Netzwerke</strong> und<br />

Zusammenarbeit begründet, die weitergeführt werden.<br />

Das gilt für die anderen Bereiche und Teilräume genauso.<br />

Herbert Weber: Denken Sie beim Thema „Stadt-Land-<br />

Quartier“ allein an die Herausforderungen vor denen<br />

Kommunen bei Konversionsflächen stehen. Da bietet es<br />

sich doch sehr an, dass man sich zusammentut und gemeinsam<br />

an Konzepten arbeitet und diese auch zusammen<br />

weiterentwickelt. Ich sehe da großes Potenzial. Ob da<br />

am Ende ein Netzwerk wie „it´s OWL“ entsteht, muss man<br />

abwarten. Es wäre toll. Ich würde es den Ostwestfalen-Lippern<br />

zutrauen.<br />

Annette Nothnagel: Sicherlich so angelegt ist auch das<br />

„Bündnis für Wohnen im ländlichen Raum“ und bietet am<br />

Ende eine ähnliche Netzwerkstruktur. Im ersten Workshop<br />

kam auch der Gedanke, dass man sich als Wohnstandort<br />

gemeinsam vermarkten könne. Unterschiedliche<br />

Bedürfnisse können so gemeinsam angegangen werden.<br />

Das kann man dann wiederum mit Mobilitätsangeboten<br />

verknüpfen und weiterdenken. Das macht doch Sinn.<br />

Herbert Weber, OstWestfalenLippe GmbH:<br />

)) Es liegt erstmal in der Natur der<br />

Sache, dass bei einem solchen<br />

Programm jeder bei sich selber<br />

anfängt. Ich glaube allerdings wir<br />

werden hinbekommen, dass die<br />

absenderbezogene Perspektive<br />

mehr und mehr aufgelöst wird.<br />

Wir haben da schon eine ganze<br />

Menge erreicht. ((<br />

Marcel Cardinali: Jetzt haben Sie eben die „Kommunen<br />

ohne Grenzen“ angesprochen. Die Workshops<br />

sind mitunter stark durch Politik, Verwaltung und Institutionen<br />

geprägt. Auf städtischer Ebene kommt heutzutage<br />

kein Entwicklungskonzept mehr ohne Beteiligungsmöglichkeiten<br />

für die Bürger aus. Wird es bei<br />

der <strong>Regionale</strong> die Möglichkeit für Bürger geben, sich<br />

zu engagieren oder vielleicht sogar Projektideen einzureichen?<br />

Herbert Weber: Da ist die Frage, wo man ansetzt.<br />

Die Projekte machen nicht wir, sondern sie entstehen<br />

in den Kommunen, also auf kommunaler Ebene. Ich<br />

gehe davon aus, dass da, wo es sinnvoll und für den<br />

Prozess sogar notwendig ist, die Bürger selbstverständlich<br />

einbezogen werden. Wir selber haben natürlich<br />

auch Ideen, wie Bürger einbezogen werden sollen.<br />

Annette Nothnagel: Es gibt den Ansatz „100 Projekte<br />

für bürgerschaftliches Engagement“. Das ist ein<br />

klassischer Ansatz, um über einen Projektaufruf die<br />

Bürgerschaft, die Stadtgesellschaft, die Zivilgesellschaft<br />

sowie die ehrenamtlich Aktiven, die Vereine<br />

und Verbände anzusprechen. Diese ganz konkret in<br />

die <strong>Regionale</strong> einzubeziehen, ist noch mehr als Beteiligung.<br />

Da geht es um die Trägerschaft von Ideen.<br />

Über solche projektbezogenen Ansätze hinaus, ist die<br />

<strong>Regionale</strong> zum Kommunizieren da. Wir arbeiten auf<br />

2022 hin und werden Formate, die das neue „Urban-<br />

Land“ erlebbar machen und jeden ansprechen sollen,<br />

weiter unterstützen.


Oliver Hall: Gibt es darüber hinaus konkrete Werkzeuge,<br />

die diesen Prozess stimulieren und das bürgerschaftliche<br />

Engagement direkt ansprechen, zum Beispiel<br />

in einem Webportal oder in den sozialen Medien?<br />

Herbert Weber: Ich glaube man darf einen solchen<br />

Prozess am Anfang nicht überfrachten. Wir haben fünf<br />

Jahre Zeit – fünf Jahre Entwicklungs-, aber auch Planungszeit.<br />

Die Beteiligung von Bürgern wird im Laufe<br />

des Prozesses dazu kommen, ohne dass ich ihnen<br />

heute sagen kann, dass wir das mit „Instrument XY“<br />

erreichen wollen. Die unterschiedlichen Ansätze, wie<br />

Mehrgenerationen-Wohnen, das Zusammenführen<br />

von Arbeiten und Wohnen, Integration von Gesundheitsversorgung,<br />

usw. schreien danach, Bürger einzubeziehen<br />

und deren Meinung einzuholen. Das Gleiche<br />

gilt bei Mobilitätsangeboten natürlich auch. Wenn wir<br />

darüber nachdenken, welche Mobilitätsangebote für<br />

junge Menschen im Jahr 2<strong>03</strong>0 interessant sein könnten,<br />

dann sind wir gut beraten, wenn wir uns bei den<br />

jungen Menschen mal nach deren Vorstellungen umhören<br />

– und das nicht nur aus Literatur. Da werden wir<br />

im Laufe des Prozesses zu geeigneten Instrumenten<br />

kommen. Nicht zuletzt sind da auch die Hochschulen<br />

wichtige Partner und Quellen, um zu geeigneten Formaten<br />

für junge Menschen zu kommen.<br />

Marcel Cardinali: Wir denken da natürlich auch an<br />

unsere Studierenden, die im regelmäßigen halbjährlichen<br />

Abständen ohne Ende Ideen produzieren. Da<br />

gibt es natürlich noch keine Träger und unter Umständen<br />

sind die Ideen in ihrer Projektreife noch nicht so<br />

weit, dass man sie platzieren könnte, aber es wäre<br />

schade, wenn sie verloren gingen. Ist ein „Markt der<br />

Ideen“, eine Datenbank, ein Web-Portal oder ähnliches<br />

denkbar?<br />

Annette Nothnagel: Ich halte das für sehr denkbar.<br />

Wir konnten das noch nicht weiter konkretisieren, weil<br />

wir natürlich einen Schritt nach dem anderen machen.<br />

Aber die Offenheit für solche Instrumente ist natürlich<br />

da. Dazu wünschen wir uns bei allen Ideen auch eine<br />

lebendige Diskussion. Die Frage ist dann, wie man es<br />

organisiert und in den Prozess einbindet.<br />

Herbert Weber: Aus meiner Sicht ist es auch wichtig,<br />

dass man in der Ideenfindungs-Phase die strategische<br />

Komponente nicht aus den Augen verliert. Es geht<br />

nicht ausschließlich um die Anzahl interessanter Ideen,<br />

sondern darum, dass auf die Bedarfe einer Region hin,<br />

Strategien entwickelt werden. Es ist klüger erst die<br />

Strategie zu entwickeln und dann die Projekte, als umgekehrt.<br />

Es wäre falsch sich aufgrund der Projektideen<br />

eine mögliche gemeinsame Strategie herzuleiten.<br />

Marcel Cardinali: Auch bei den bis jetzt Beteiligten<br />

Akteuren merkt man durchaus, dass die Region sehr<br />

wach und aktiv ist, am Prozess teilnimmt und darauf<br />

wartet loszulegen. In der Expo-Initiative wurden knapp<br />

über 50 Projekte umgesetzt. Können Sie uns einen<br />

Überblick geben, wie viele Projektideen Sie mittlerweile<br />

schon erreicht haben?<br />

Annette Nothnagel: Das lässt sich zahlenmäßig schlecht<br />

ausdrücken, weil uns natürlich viele Themen zugerufen,<br />

auch schon vieles bewegt wurde, aber das zum Teil noch<br />

nicht als Projekt im eigentlichen Sinne formiert ist. Es gibt<br />

unterschiedliche Reifestadien, aber da wäre es jetzt nicht<br />

seriös, das in einer Zahl zusammenzufassen. Wir haben<br />

jetzt angeboten über einen Steckbrief die Ideen formal einzureichen<br />

und das wird schon eine gewisse Welle in Bewegung<br />

setzen. Viele stehen in den Startlöchern und warten<br />

darauf in den Prozess der Qualifizierung zu kommen. Darüber<br />

hinaus sehen wir unsere Rolle auch darin, dass wir<br />

Akteure mit entsprechenden Ideen zusammenbringen und<br />

Kooperationen mitinitiieren. Die Zahl ist zum jetzigen Zeitpunkt<br />

gar nicht so wichtig, sondern dass die Themen angepackt<br />

werden und die verschiedenen Teilräume aktiv sind.<br />

Oliver Hall: Können Sie uns den Unterschied zwischen<br />

Ideenplakat und Projektsteckbrief deutlich machen? Das<br />

ist auch ein Format, das Sie anbieten und bei dem man<br />

Ideen formulieren kann. Was ist da der Unterschied zum<br />

Projektsteckbrief?<br />

Annette Nothnagel: Die Ideenplakate wurden erst am<br />

Workshop am 05.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong> vorgestellt. Das Ideenplakat ist<br />

ein Instrument, um Ideen mit in die Workshops zu nehmen.<br />

Das ist an die vier Themen-Workshops adressiert, die für<br />

die vier Aktionsfelder geplant sind. Mit unserer Einladung<br />

sollen die Akteure auch ihre Themen mitbringen und in die<br />

gemeinsame Diskussion einbringen.<br />

Annette Nothnagel, OstWestfalenLippe GmbH:<br />

)) Viele stehen in den Startlöchern<br />

und warten darauf in den Prozess<br />

der Qualifizierung zu kommen.<br />

Darüber hinaus sehen wir unsere<br />

Rolle auch darin, dass wir Akteure<br />

mit entsprechenden Ideen zusammenbringen<br />

und Kooperationen<br />

mitinitiieren. ((<br />

97<br />

Stadt Land Kooperation - INTERVIEW


98<br />

Stadt Land Kooperation - INTERVIEW<br />

Es tut auch jeder gut daran, unter Umständen mit den<br />

Steckbriefen zu warten und die Impulse aus den Workshops<br />

noch mitzunehmen. Manchmal muss das auch noch<br />

ein bisschen reifen. Wir sehen das als Plattform und Möglichkeit,<br />

gemeinsam weiterzukommen. Mit dem Steckbrief<br />

machen wir natürlich auch unsere Erwartungen deutlich,<br />

kommunizieren die Kriterien und zeigen wie konkret die<br />

Ideen auch schon sein sollten.<br />

Marcel Cardinali: Das Gespräch haben wir mit den Herausforderungen<br />

begonnen und festgestellt, dass der Ansatz<br />

dieser <strong>Regionale</strong> ein anderer ist, als bei der letzten <strong>Regionale</strong>.<br />

Sehen Sie Herausforderungen, die nicht im Rahmen der<br />

<strong>Regionale</strong> gelöst werden können, weil der Zeitraum zu kurz<br />

oder die Hebelwirkung zu gering ist? Was kann die <strong>Regionale</strong><br />

leisten, wenn wir an die großen Themen wie den demografischen<br />

Wandel, den Fachkräftemangel, die Digitalisierung<br />

oder auch den Breitbandausbau denken. Wo sehen<br />

Sie Weichenstellungen, die jetzt gemacht werden können?<br />

Herbert Weber: So eine <strong>Regionale</strong> ist kein Allheilmittel für<br />

alle Herausforderungen, die die Zukunft so bringt. Sie ist ein<br />

Instrument, das durch die Fördersystematiken bestimmte<br />

strukturelle Themen in den Fokus nimmt. Wir werden den demografischen<br />

Wandel nicht aufhalten. Was wir aber schaffen<br />

können, ist diese Region von den Strukturen und Angeboten<br />

her, so attraktiv zu machen und ihr Profil attraktiv aufzuladen,<br />

dass die Menschen hier gerne weiter leben möchten und wir<br />

andere für diese Region interessieren. Das ist die Chance, die<br />

wir haben und an der wir arbeiten. Das gilt genauso bei dem<br />

Fachkräftemangel. Wir werden mit unserer <strong>Regionale</strong> auch<br />

den Klimawandel nicht stoppen können, aber einen Beitrag<br />

in Sachen Mobilität können wir aus Ostwestfalen-Lippe liefern<br />

und ein entsprechendes Signal senden.<br />

Im Übrigen muss man diese <strong>Regionale</strong> in Ostwestfalen-<br />

Lippe im Verbund von einigen anderen Aktivitäten sehen.<br />

Das Thema Breitband ist in vielen guten Händen in der<br />

Region. Das wird im politischen Raum, in den Kreisen und<br />

Kommunen sehr intensiv und mit Unterstützung der Wirtschaftsförderer<br />

und den Kammern vorangetrieben. Das<br />

Thema Digitalisierung ist bei „it´s OWL“ in hervorragenden<br />

Händen. Wir haben als Region die Chance, die viele andere<br />

nicht haben, mit der <strong>Regionale</strong> die Tiefe der Region in den<br />

Blick zu nehmen und gleichzeitig bei der Digitalisierung mit<br />

dem Spitzencluster und dem Programm „Digitale Region“<br />

auch in die Spitze zu investieren. Bei aller Arbeit für die Breite<br />

der Region, wenn man sie attraktiv machen will, muss man in<br />

bestimmten Bereichen "Spitze" sein. Eines unserer großen<br />

Ziele ist, die Vorreiterstellung im Bereich „Industrie 4.0“ und<br />

Herbert Weber, OstWestfalenLippe GmbH:<br />

)) So eine <strong>Regionale</strong> ist kein Allheilmittel<br />

für alle Herausforderungen,<br />

die die Zukunft so<br />

bringt. Sie ist ein Instrument,<br />

das durch die Fördersystematiken<br />

bestimmte strukturelle Themen<br />

in den Fokus nimmt. ((<br />

der Digitalisierung weiter auszubauen. Diese Möglichkeiten<br />

haben wir und wir werden diese Themen in den nächsten<br />

fünf Jahren weiter vorantreiben. Mal schauen, was durch<br />

den Sog der <strong>Regionale</strong> sonst noch an Aktivitäten entsteht.<br />

Aus der letzten <strong>Regionale</strong> sind beispielsweise Branchen-Initiativen,<br />

wie das „Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft“<br />

entstanden, das sehr gut versteht, dieses Thema<br />

sehr stark an OWL zu binden und es stark zu machen. Solche<br />

Dinge werden wieder passieren. Da bin ich sicher.<br />

Julia Krick: Gibt es schon Ansätze, um den ländlichen<br />

Raum als Wohn- und Arbeitsraum zu stärken und attraktiver<br />

zu machen? Wenn es gelingt Fachkräfte für die Region<br />

zu gewinnen, die aber in die Oberzentren Paderborn oder<br />

Bielefeld ziehen und dort arbeiten, können die gewünschten<br />

Effekte für die Region nicht unbedingt erfüllt werden.<br />

Annette Nothnagel: Das ist Sinn und Ziel unseres Konzepts.<br />

Der Ausgleich, die Balance zwischen Stadt und<br />

Land, ist für uns ganz zentral. Kein Gleichmachen, aber<br />

für gleiche Chancen und eine Gleichwertigkeit zu sorgen.<br />

Wir nehmen den ländlichen Raum ganz spezifisch<br />

in den Blick. Bei dem Aktionsfeld „Der neue Mittelstand“<br />

zum Beispiel geht es um Fragestellungen, die sich in<br />

den Ballungsgebieten bereits ihren Weg gebahnt haben,<br />

aber im ländlichen Raum noch Herausforderungen darstellen,<br />

wie z.B. Gründung im ländlichen Raum oder die<br />

Fachkräfte-Frage. Beim Thema Mobilität geht es ganz<br />

stark um die Anbindung des ländlichen Raums und darum<br />

Angebote zu schaffen, die beides ermöglichen, Leben und<br />

Arbeiten auf dem Land oder auch auf dem Land zu Leben<br />

und in der Stadt zu arbeiten. Auf dem ersten Workshop<br />

haben wir auch nach Ankern in der Region gefragt. Welche<br />

Städte können ihr Umland besonders gut, z.B. bei der<br />

Daseinsvorsorge, mitnehmen? Dabei schauen wir gar<br />

nicht nur auf die Großstadt und ihr Umland, sondern<br />

auch auf die kleineren Städte. Das ist eine Fragestellung,<br />

die die ganze Region stärken soll.<br />

Herbert Weber: Könnten Sie sich denn vorstellen im<br />

ländlichen Raum, auf dem Dorf, zu leben? Oder was<br />

müsste dafür passieren?<br />

Julia Krick: Ich wohne in einer Kleinstadt in Ostwestfalen-<br />

Lippe und kann mich deshalb, mit den Themensetzungen<br />

der <strong>Regionale</strong> sehr gut identifizieren. Nachdem ich die<br />

letzten Jahre in einer Großstadt gewohnt habe, habe ich<br />

bewusst den Weg zurück in die Heimat gewählt. Denn<br />

Urbanität ist auch eine Frage des sozialen Umfelds und<br />

das finde ich hier vor. Mit der <strong>Regionale</strong> habe ich auch<br />

die Hoffnung, dass in der Region mehr Urbanität entsteht<br />

und dass die <strong>Regionale</strong> als Chance und Impuls für<br />

die Region verstanden wird.<br />

Herbert Weber: Genau darum geht´s. Was müssen wir<br />

tun damit sich junge Menschen für ein Leben hier in der<br />

Region entscheiden? Das ist der Punkt und da bietet die<br />

<strong>Regionale</strong> eine ganze Menge Möglichkeiten.<br />

Julia Krick: Die Region muss die Bedürfnisse an Arbeiten,<br />

Wohnen und Leben erfüllen und Optionen ermöglichen,<br />

ein urbanes Leben in der Region führen zu können.


Annette Nothnagel, OstWestfalenLippe GmbH:<br />

)) Der Ausgleich, die Balance zwischen<br />

Stadt und Land, ist für uns<br />

ganz zentral. Kein Gleichmachen,<br />

aber für gleiche Chancen und<br />

eine Gleichwertigkeit zu sorgen.<br />

Wir nehmen den ländlichen Raum<br />

ganz spezifisch in den Blick. ((<br />

Herbert Weber: Das ist eine der Stärken, die wir ins<br />

Feld führen können, die polyzentrischen Strukturen in<br />

der Region.<br />

Marcel Cardinali: Wenn wir jetzt in die Zukunft schauen,<br />

ist „UrbanLand“ in dem Jahr 2<strong>03</strong>0 ein neuer feststehender<br />

Begriff, zwischen Ballungsraum und ländlichem<br />

Raum? Wie sieht es dann in OWL aus? Was ist das<br />

Szenario, das sie anstreben?<br />

Herbert Weber: Ich fange mal bei der Markenbildung<br />

an. Natürlich ist es unser Ziel, dass wir mit dem „Urban-<br />

Land“ eine neue Marke setzen. Wir möchte eine Marke<br />

für einen Typ Region setzen, der es schafft, die Balance<br />

zwischen städtischen und ländlichen Räumen herzustellen.<br />

Ziel ist es, dass man in 2<strong>03</strong>0 vom „UrbanLand Ostwestfalen-Lippe“<br />

spricht. Ohne viele Worte zu machen: Wir<br />

wollen die Region so gestalten, dass sich Menschen<br />

zwischen Land und Stadt entscheiden können und<br />

überall die richtigen Rahmenbedingungen für ihr Leben<br />

finden. Das fängt bei Einkaufsmöglichkeiten an und<br />

hört bei der Inanspruchnahme von kulturellen Veranstaltungen<br />

nicht auf. Die Wege zwischen Stadt und<br />

Land müssen stimmen und funktionieren. Dazu gehört<br />

auch, dass man etwas über seine Region wissen muss<br />

und diese Vermittlung gehört auch zum „UrbanLand“ .<br />

99<br />

Stadt Land Kooperation - INTERVIEW<br />

Oliver Hall: Perspektivisch könnte das Dorf damit zum<br />

Teil eines Ganzen gehören. Betrachtet man die Region<br />

als Stadttyp, werden die Dörfer zu Quartieren, die miteinander<br />

agieren und vernetzt sind.<br />

Herbert Weber: Das ist eine interessante Perspektive.<br />

Wobei in einer Region wahrscheinlich unterschiedliche<br />

Interessen der Menschen vorliegen.<br />

Oliver Hall: Man wohnt in Hövelhof, arbeitet in Detmold,<br />

kauft in Bielefeld ein und genießt die Natur im Teutoburger<br />

Wald.<br />

Herbert Weber: Das ist ein spannendes Bild vom „Urban-<br />

Land“ .<br />

Annette Nothnagel: Die räumliche Situation bei uns,<br />

gibt so ein Zusammendenken jedenfalls her.<br />

Marcel Cardinali: Frau Nothnagel, Herr Weber, vielen<br />

Dank für das Gespräch.<br />

Annette Nothnagel<br />

Leitung der REGIONALE 2022 bei der OstWestfalenLippe GmbH<br />

studierte Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung in<br />

Hannover und erlangte durch das Referendariat der Landespflege<br />

bei der Bezirksregierung Köln NRW den Titel der Assessorin der<br />

Landespflege. Mit viel Erfahrung in der Regionalplanung nach<br />

Stationen bei der IBA Emscher Park, der REGIONALE 2006<br />

im Bergischen Städtedreieck und schließlich als Prokuristin bei<br />

der Bergischen Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft,<br />

Solingen, arbeitet Sie nun seit Beginn des Jahres als <strong>Regionale</strong><br />

Managerin für die REGIONALE 2022 bei der OstWestfalenLippe<br />

GmbH in Bielefeld.<br />

Herbert Weber<br />

Geschäftsführer der OstWestfalenLippe GmbH<br />

studierte Betriebswirtschaftlehre und Medienwissenschaften an<br />

der Fachhochschule Osnabrück. Nach seiner Ausbildung zum Public-<br />

Relations-Berater an der AFK Frankfurt, arbeitete er als PR<br />

Seniorberater, bei Leipziger & Partner, Public-Relations GmbH in<br />

Frankfurt. Seit Januar 1993 ist er Geschäftsführer der OstWestfalenLippe<br />

GmbH (ehemals OWL Marketing GmbH) in Bielefeld,<br />

begleitete somit auch schon die <strong>Regionale</strong> 2000 und feierte vor<br />

Kurzem sein 25. Dienstjubiliäum.


Prof. Klaus Overmeyer und Andreas Brüning im Interview<br />

mit Julia Krick.<br />

100<br />

<strong>Regionale</strong> 2022 - Das neue UrbanLand<br />

Interview mit Urban Catalyst<br />

Stadt Land Kooperation - INTERVIEW<br />

Das Büro Urban Catalyst aus Berlin und das Büro frauns aus Münster begleiten<br />

als Arbeitsgemeinschaft den Startprozess der <strong>Regionale</strong> 2022 in Ostwestfalen-<br />

Lippe. Die Arbeitsgemeinschaft diskutiert an fünf Workshopterminen mit<br />

Akteuren der Region über das neue „UrbanLand“. Der erste Workshop wurde<br />

bereits am 05.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong> erfolgreich durchgeführt. In einem Interview berichten<br />

Prof. Klaus Overmeyer, geschäftsführender Gesellschafter und Andreas<br />

Brüning, Gesellschafter des Büros Urban Catalyst, über den derzeitigen<br />

Stand des Prozesses der <strong>Regionale</strong> 2022 und geben Einblicke in die folgenden<br />

Workshops.<br />

Abb.1 Workshop "UrbanLand" der <strong>Regionale</strong> 2022 am 5.März <strong>2018</strong>, Foto: Matthias Schrumpf, Bielefeld<br />

Julia Krick: Herr Prof. Overmeyer, das Aufgabenfeld ihres<br />

Büros liegt in der Begleitung von Prozessen und in<br />

der Erarbeitung von Strategien. Jeder Prozess, den Sie<br />

betreut haben, ist ganz unterschiedlich und mit verschiedenen<br />

Herausforderungen verbunden. Welche Erfahrungen<br />

haben Sie in den ersten Wochen der Begleitung der <strong>Regionale</strong><br />

2022 zum neuen „UrbanLand“ und dem ersten<br />

Workshop am 05.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong> gemacht?<br />

Prof. Klaus Overmeyer: Die erste Erfahrung hat gezeigt,<br />

dass für viele Beteiligte das UrbanLand erstmal<br />

ein Sprung ins kalte Wasser ist. Das hat sicherlich damit<br />

zu tun, dass man keinen ganz engen Projektumgriff hat,<br />

wie vergleichsweise in der Stadt mit einem Grundstück,<br />

einem Areal oder einem Quartier, wo eine begrenzte Anzahl<br />

von Akteuren beteiligt ist. Bei diesem Prozess reden wir<br />

von einer ganzen Region und da gibt es sehr viele und unterschiedliche<br />

Akteure, Gemengelagen und Bedürfnisse.<br />

Auch für die OstWestfalenLippe GmbH ist das noch ein<br />

neues Projekt. Frau Nothnagel hat erst vor kurzem die<br />

Leitung der <strong>Regionale</strong> 2022 übernommen und beginnt<br />

gemeinsam mit Herbert Weber, Geschäftsführer der Ost-<br />

WestfalenLippe GmbH, diesen Prozess voranzutreiben. Es<br />

sind noch alle dabei, sich zu sortieren.<br />

Was in diesem Prozess auch neu ist, ist die Bedeutung<br />

und Funktion des Raumes, weil <strong>Regionale</strong>ntwicklung<br />

bisher eher als Vernetzungsstrategie von Akteuren<br />

oder als Aktivierung des Mittelstands und der Unternehmen<br />

betrachtet wurde. Das waren sicherlich sehr<br />

wichtige Entwicklungspfade, aber dass man den Raum<br />

auch als zentrale Grundlage sieht, auf der alle Akteure


agieren und auf der sich viele Projekte niederschlagen,<br />

das ist für einige Beteiligte neu. Da muss man erstmal<br />

ein gemeinsames Verständnis entwickeln.<br />

Julia Krick: Herr Brüning, Welche Ziele werden denn<br />

mit dem Prozess und den dazugehörigen Workshops<br />

verfolgt?<br />

Andreas Brüning: Ein ganz zentrales Ziel ist, den<br />

Prozess als Auftakt für die <strong>Regionale</strong> in Ostwestfalen-Lippe<br />

zu nutzen. Natürlich hat die Region den<br />

Zuschlag aufgrund der Bewerbung erhalten, aber die<br />

Bewerbung wurde von wenigen Schlüssel-Akteuren<br />

verfasst. Jetzt gilt es, in eine gewisse Breite zu kommunizieren<br />

und eine gemeinsame Vision zu entwickeln.<br />

Dazu gehört auch im Prozess ein gemeinsames<br />

Raumbild zu schaffen. Also eine Vorstellung davon,<br />

wie sich dieser Raum zukünftig entwickeln kann, wer<br />

welche Rolle innerhalb dieses Raums übernimmt und<br />

wie Aufgaben noch besser verteilt werden. Das ist<br />

sicherlich eine große Herausforderung.<br />

Julia Krick: Wie soll das gemeinsame Raumbild der Region<br />

entstehen? Fließen die gesammelten Informationen<br />

aus den Workshops mit in das Raumbild ein? Oder haben<br />

Sie schon ein eigenes Raumbild der Region entwickelt?<br />

Prof. Klaus Overmeyer: Wir haben vielleicht schon<br />

eine grobe Vorstellung von dem, wohin die Reise hingehen<br />

kann, aber eigentlich sehen wir das Raumbild als<br />

dynamischen Prozess. Das Raumbild wird auch in einem<br />

halben Jahr noch nicht fertig sein, aber es wird sich immer<br />

weiter verfeinern. In der Auftaktveranstaltung ging es uns<br />

darum, verschiedene Teilräume zu identifizieren und<br />

deren Begabungen unabhängig von administrativen<br />

Grenzen zu zeigen. Uns war es wichtig, dass jede<br />

Kommune eine eigene Identität und Rolle in dem<br />

Raum übernimmt. Wir haben daher verschiedene Typen<br />

identifiziert: die Urbanisten, die Allrounder, die lokalen<br />

Anker, die lokalen Helden, die Heilenden,<br />

die Werkbank, die Glokalen oder die Grenzgänger.<br />

Mit dem Blick auf eine Regionalplanung ist es ganz<br />

wichtig zu erkennen, dass nicht allen, alles versprochen<br />

wird, sondern sich Akteure über ihre individuellen Rollen<br />

in ihrem Umfeld bewusst werden. In den folgenden<br />

Workshops behandeln wir sehr spezifische Themen,<br />

wie zum Beispiel „Die neue Mobilität“, „Das neue<br />

Stadt-Land-Quartier“, „Die neuen Kommunen ohne<br />

Grenzen“ oder „Der neue Mittelstand“. Auch in den<br />

Workshopterminen sind wir davon überzeugt, dass<br />

die themenspezifischen Workshops einen eigenen<br />

Zugang zum Raum erzeugen. Mobilität hat sehr viel<br />

mit Erreichbarkeit zu tun und das spiegelt sich im<br />

Raum wieder. Bei dem Thema „Stadt-Land-Quartier“<br />

geht es in verschiedenen Teilräumen wahrscheinlich<br />

stärker darum, den Austausch der Pendlerströme in<br />

Zukunft besser zu steuern. In anderen Regionen geht<br />

es vielleicht eher darum, wie Bestand besser transformiert<br />

werden kann. Wie gehe ich mit Leerständen<br />

um? Wie schaffe ich Räume für Raumpioniere, also<br />

Menschen, die mit Projekten und Initiativen, neu in so<br />

einen Raum einziehen?<br />

Klaus Overmeyer, Urban Catalyst:<br />

)) Ein erster Schritt ist natürlich,<br />

dass man sich als Kommune seiner<br />

eigenen Identität bewusst wird.<br />

Uns ist wichtig, dass jede Kommune<br />

diese Identität positiv begreift. Denn<br />

auch Kommunen, die mit Abwanderung,<br />

Schrumpfungstendenzen<br />

oder Stagnation zu tun haben, haben<br />

positive Eigenschaften, auf die man<br />

sich konzentrieren sollte. ((<br />

Julia Krick: Können Sie diese Raumtypen kurz erläutern?<br />

Wie sind diese Begriffe entstanden?<br />

Prof. Klaus Overmeyer: Die Begriffe sind aus einer<br />

intensiven Diskussion, auch mit den Verantwortlichen<br />

der Region, entstanden. Parallel soll auch der Regionalplan<br />

neu aufgestellt werden, als zentrales und ganz<br />

wichtiges Instrument der Landesentwicklung und der<br />

Landesplanung. Mit dem Raummodell und den Raumtypen<br />

geht es uns also nicht darum, diesen in irgendeiner<br />

Weise auszuhebeln. Das Raumbild ist keine Konkurrenz<br />

zum Regionalplan, sondern bietet eine andere<br />

Perspektive und einen anderen Zugang zum Raum.<br />

Ein erster Schritt ist natürlich, dass man sich als<br />

Kommune seiner eigenen Identität bewusst wird.<br />

Uns ist wichtig, dass jede Kommune diese Identität<br />

positiv begreift. Denn auch Kommunen, die mit Abwanderung,<br />

Schrumpfungstendenzen oder Stagnation<br />

zu tun haben, haben positive Eigenschaften, auf die<br />

man sich konzentrieren sollte.<br />

Wir verwenden einige Begriffe, die sich stark an den<br />

raumplanerischen Raumkategorien der Ober- und<br />

Unterzentren orientieren. Die Oberzentren Bielefeld<br />

und Paderborn sind zum Beispiel in der Kategorie<br />

der Urbanisten. Beide Städte besitzen eine klare<br />

Ausstrahlungsfunktion für die Region. Sie verfügen<br />

über verschiedene Versorgungs- und Bildungseinrichtungen,<br />

aber bieten natürlich auch Arbeitsplätze<br />

und verschiedene Mobilitätsangebote. Das sind sehr<br />

stark treibende Kräfte und Magnete in der Region,<br />

die Menschen anziehen.<br />

Dann gibt es noch die Allrounder. Das sind Mittelzentren,<br />

wie Detmold oder Herford. Die Allrounder nehmen<br />

eine Art „Mittler-Funktion“ zwischen ländlichen Gebieten<br />

und den Oberzentren ein und fangen vieles auf. Hier entwickeln<br />

auch immer mehr Kommunen ein eigenes Profil<br />

durch Hochschulen oder Cluster mit besonderen Unternehmensansiedlungen.<br />

Hier entfaltet sich eine sehr<br />

starke Kraft.<br />

101<br />

Stadt Land Kooperation - INTERVIEW


102<br />

Stadt Land Kooperation - INTERVIEW<br />

URBANIST ALLROUNDER LOKALER ANKER LOKALER HELD<br />

HEILENDE WERKBANK GLOKALE GRENZGÄNGER<br />

Abb.2 Raumtypen der Region Ostwestfalen-Lippe. (Urban Catalyst/Tilmann Teske)<br />

Die lokalen Anker sind klassische Unterzentren im<br />

ländlichen Raum und Bereiche, die eine starke Halte-<br />

Funktion darstellen.<br />

Der Typ Werkbank stellt eine Art Querschnittstyp<br />

dar – mit dem konnten sich fast alle identifizieren.<br />

Das sind Kommunen, die sich insbesondere durch<br />

starke Unternehmensansiedlungen auszeichnen und<br />

eine große Wirtschaftskraft besitzen. Das sind nicht<br />

nur Bielefeld, Paderborn, Gütersloh, Herford sondern<br />

durchaus auch kleinere Gemeinden, die bekannte Familienbetriebe<br />

oder sogar Weltmarktführer vorweisen<br />

können und damit eine besondere Kraft in der regionalen<br />

Entwicklung darstellen. Der Typ der Werkbänke<br />

ist in der gesamten Region verteilt. Natürlich in höherer<br />

Konzentration entlang der Autobahn, aber auch im<br />

Südosten der Region gibt es Werkbänke.<br />

Die Glokalen sind ein sehr spezieller Typ. Das sind kleine<br />

Gemeinden, die durch die Ansiedlung eines Weltmarktführers,<br />

wie zum Beispiel Harsewinkel mit Claas, mit<br />

einer sehr engen Bindung zwischen einem Unternehmen<br />

und einer Kommune auftreten. Das birgt natürlich<br />

eine enorme Kraft für die Entwicklung der Kommune,<br />

aber ist durchaus auch mit Risiken verbunden, wenn wir<br />

an disruptive Szenarien bei so einem Weltmarktführer<br />

denken.<br />

Julia Krick: Sind diese Typen schon feststehende und<br />

verbindliche Begriffe oder werden diese während des<br />

Prozesses noch angepasst?<br />

Andreas Brüning: Wir haben gemerkt, dass diese<br />

Begriffe erstmal Emotionen auslösen. Einige Kommunen<br />

konnten sich sofort eindeutig identifizieren<br />

und andere haben sich gleich mehrere Hüte aufgesetzt.<br />

Aber das ist auch gar nicht schlimm, wenn<br />

man verschiedene Hüte auf hat. Aus unserer Sicht<br />

ist es erstmal wichtig, dass man über diese Typen<br />

miteinander ins Gespräch kommt. Die können sich<br />

natürlich noch verändern und werden auch ihren informellen<br />

Charakter, gegenüber der Raumkategorien<br />

des Regionalplans, behalten. Diese informelle Ebene<br />

kann aber sehr viel zum eigenen Verständnis und der<br />

eigenen Rolle beitragen.<br />

Julia Krick: Die Akteure auf dem Workshop hatten die<br />

Möglichkeit, ihre Haltung zu den Themenfeldern und<br />

Ortstypen an großen Stehtischen aufzuschreiben. Wie<br />

gehen Sie mit den ersten Ergebnissen und gesammelten<br />

Informationen um? Wie werden diese weiterverarbeitet?<br />

Prof. Klaus Overmeyer: Der Auftakttermin war zunächst<br />

so eine Art Helicopterflug durch alle vier Themenschwerpunkte.<br />

Da ging es auch darum, die gesetzten<br />

Themen aus der Bewerbung nochmal zu schärfen.<br />

Wir haben eine ganze Menge an Informationen und<br />

Anregungen bekommen, die jetzt in die anderen themenspezifischen<br />

Workshops miteinfließen. Bei den<br />

Workshops gehen wir in drei Schritten vor.<br />

Der erste Schritt ist die Schärfung des Themas über die<br />

Bewerbung hinaus. Wir werden erstmal die Ergebnisse<br />

aus dem Auftakt spiegeln und Schwerpunkte definieren.<br />

Der zweite Schritt betrifft den Raum, wo gemeinsam erarbeitet<br />

wird, wie sich das Thema auf gesamträumlicher,<br />

regionaler Ebene in OWL widerspiegelt. Hier wird man


Andreas Brüning, Urban Catalyst:<br />

)) Als zentralen Bestandteil der<br />

Teilhabe haben wir das begehbare<br />

Modell entwickelt und die Typen<br />

definiert. Wir möchten Elemente<br />

behalten, die den ganzen Prozess<br />

begleiten und nicht versuchen,<br />

jedes Mal ein großes Feuerwerk<br />

abzubrennen. ((<br />

merken, dass jedes Thema sehr unterschiedliche Auswirkungen<br />

auf Teilräume hat. Bei der Mobilität spielen<br />

natürlich aus Autofahrer-Perspektive die Autobahnen<br />

eine enorme Rolle. Wenn ich an postfossile Mobilität<br />

denke, rückt der ÖPNV viel stärker in den Vordergrund.<br />

Dann gewinnt mit der Digitalisierung auch ein<br />

Mobilitätsverbundsystem an Bedeutung. Wie können<br />

sich Unternehmen, mit einer verbesserten Verzahnung<br />

von öffentlichem Nahverkehr und Individualverkehr,<br />

besser aufstellen?<br />

Der dritte Schritt bezieht sich dann sehr stark auf die<br />

Projekte, weil man natürlich auch ins Tun kommen<br />

muss. Die einzelnen Kommunen fragen sich da, wie sie<br />

zu den einzelnen Themen beitragen können und was<br />

zukunftsweisende Projekte sind.<br />

Julia Krick: Werden Sie verschiedene Partizipationsmöglichkeiten<br />

verwenden, die jeweils auf das Themenfeld<br />

abgestimmt sind?<br />

Andreas Brüning: Als zentralen Bestandteil der Teilhabe<br />

haben wir das begehbare Modell entwickelt und<br />

die Typen definiert. Wir möchten Elemente behalten,<br />

die den ganzen Prozess begleiten und nicht versuchen,<br />

jedes Mal ein großes Feuerwerk abzubrennen. Wir werden<br />

immer wieder mit dem begehbaren Modell arbeiten<br />

und so den Raumbezug auf unterschiedliche Art und<br />

Weise herstellen. Ansonsten sind die Workshops so<br />

dicht getaktet, dass wir darüber hinaus mit der Durchführung<br />

und Dokumentation in dieser Phase gut ausgelastet<br />

sind. Durch den Wechsel der Standorte fällt<br />

auch ein enormer organisatorischer Aufwand an, der<br />

bewältigt werden muss. Wir werden unserem Profil<br />

treu bleiben, die Themen schärfen und immer wieder<br />

den Raumbezug herstellen und die Kommunen mit ihren<br />

Projekten abholen.<br />

Julia Krick: Leider ist die Teilnehmerzahl bei den Workshops<br />

begrenzt. Wie können Interessierte, die nicht an<br />

den Workshops teilnehmen können, die Ergebnisse verfolgen?<br />

Werden die Dokumentationen der Workshops<br />

oder auch die einzelnen Projektschritte veröffentlicht?<br />

Andreas Brüning: In der Workshopphase richten wir<br />

vor allem den Blick nach vorne und versuchen, die Ergebnisse<br />

so auszuwerten, dass wir einen wachsenden<br />

Wissensspeicher für die Folgeworkshops erarbeiten.<br />

Dabei wird auch das Raumbild sukzessive weiterentwickelt.<br />

Die Ergebnisse werden dann im Nachgang<br />

zu einem Navigationssystem für die <strong>Regionale</strong> 2022<br />

gebündelt und verdichtet, das für alle Akteure der Region<br />

eine wichtige Orientierungshilfe für die weitere<br />

Arbeit in und mit dem „UrbanLand“ werden soll.<br />

Julia Krick: Herr Prof. Overmeyer und Herr Brüning,<br />

vielen Dank für das Gespräch.<br />

Klaus Overmeyer<br />

Geschäftsführender Gesellschafter<br />

gelernter Gärtner, Landschaftsarchitekt und Vordenker im Feld<br />

der nutzergetragenen Stadt- und Raumentwicklung. 2004 gründete<br />

er aus dem gleichnamigen EU-Forschungsprojekt das Büro<br />

Urban Catalyst aus. Heute ist Urban Catalyst mit neun Gesellschaftern<br />

ein kollegial geführtes Unternehmen, das an der<br />

Schnittstelle von strategischer Planung, Teilhabe und Kommunikation,<br />

Stadtforschung und internationaler Politikberatung Räume<br />

in Transformation kooperativ gestaltet. Seit 2010 ist Klaus Overmeyer<br />

Professor für Landschaftsarchitektur an der Bergischen<br />

Universität Wuppertal.<br />

Andreas Brüning<br />

Gesellschafter<br />

Stadtplaner AKNW, Mitglied im SRL und seit 2017 Gesellschafter<br />

im Büro Urban Catalyst. Andreas Brüning ist Experte für dialogorientierte<br />

Stadt- und <strong>Regionale</strong>ntwicklung, passgenaue Kommunikations-<br />

und Partizipationsprozesse sowie beteiligungsorientierte<br />

Zukunftsprozesse auf kommunaler, regionaler und Bundesebene.<br />

1<strong>03</strong><br />

Stadt Land Kooperation - INTERVIEW


Julia Krick<br />

104<br />

Stadt Land Kooperation - STATEMENT<br />

Entwicklung und Modelle von Stadt-Land-Beziehungen<br />

Ein Auszug aus der Masterarbeit „Entwicklung eines dynamischen<br />

Modells von Stadt-Land-Beziehungen am Beispiel von<br />

Ostwestfalen-Lippe“ von Julia Krick<br />

Mit dem Zuschlag zur <strong>Regionale</strong> 2022 „Wir gestalten das neue UrbanLand“<br />

ermöglichen sich für die Region Ostwestfalen-Lippe neue und zukunftsfähige<br />

Entwicklungschancen. Das neue UrbanLand steht für ein Modell<br />

der neuen dynamischen Form der Stadt-Land-Beziehungen, das auch<br />

übertragbar auf andere Regionen sein soll. Entgegen einem ansteigenden<br />

Interesse und einer wachsenden Bedeutung von Stadt-Land-Beziehungen,<br />

bestehen erhebliche Defizite im Wissen über die Wechselwirkungen von<br />

Stadt und Land und ihre Auswirkung auf die nachhaltige Entwicklung von<br />

Regionen (Stead 2002: 301). Aber was sind Stadt-Land-Beziehungen? Was<br />

wird in der Region als Stadt oder Land definiert? Und auf welche Weise<br />

wird die Dynamik zwischen Stadt und Land dargestellt?<br />

Die Darstellung von Beziehungen zwischen Stadt und Land<br />

stellt uns vor eine Vielzahl unterschiedlicher Herausforderungen.<br />

Bereits der Versuch „Stadt“ und „Land“ unabhängig voneinander<br />

zu definieren, stellt eine erste Schwierigkeit dar. Es<br />

wird vorausgesetzt, dass parallel zwei Raumarten existieren,<br />

die durch spezifische Eigenschaften definiert werden können,<br />

sodass die Räume entweder „städtisch“ oder „ländlich“<br />

sind. Doch weder für urbane noch für rurale Räume bestehen<br />

eindeutige Begriffsdefinitionen, die zur Erläuterung der<br />

Beziehung zwischen Stadt und Land herangezogen werden<br />

können. Verschiedene Forschungen in diesem Bereichen<br />

haben gezeigt, dass oft im Zusammenhang ähnliche Faktoren<br />

und Eigenschaften genannt werden, aber keine eindeutigen<br />

Standard-Definitionen für „urban“ und „rural“ vorliegen.<br />

(Stead 2002: 299f) Auffällig ist, dass der Versuch, Stadt und<br />

Land zu definieren, immer auf die Beziehung der beiden<br />

Komponenten zurückführt. Lange Zeit wurden städtische<br />

und urbane Bereiche strikt getrennt voneinander betrachtet,<br />

was besonders durch die Stadtmauern geprägt wurde,<br />

die eine klare physische Trennung zwischen Stadt und Land<br />

darstellten. Auch Bengs und Zonneveld verweisen auf eine<br />

klassische Trennung von Stadt und Land, die sie als „black<br />

and white definition“ beschreiben. Die städtischen Gebiete,<br />

sind demzufolge schwarz und die Restflächen, stellen demzufolge<br />

das „weiße“ Land dar. (Bengs, Zonneveld 2002: 2)<br />

Doch heute wissen wir, dass die Entwicklung von Stadt und<br />

Land funktional eng verflochten ist. Dies zeigt sich dadurch,<br />

dass in den größten Teilen Europas Stadt und Land nicht<br />

mehr klar voneinander abzugrenzen sind und die Versuche,<br />

Stadt und Land zu definieren, immer wieder auf die Beziehung<br />

der beiden Komponenten zurückführen (Keiner 2005:<br />

10). Städtische und ländliche Gebiete unterscheiden sich<br />

zwar in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht<br />

voneinander. Aber der zukünftig wachsende Anpassungsdruck<br />

stellt sowohl ländliche Räume als auch Städte vor<br />

komplexe und nicht unabhängig voneinander zu betrachtende<br />

Herausforderungen. In den Städten und wachsenden<br />

Räumen intensivieren sich Nutzungsinteressen, die durch die<br />

begrenzte Verfügbarkeit von der Ressource Land entstehen.<br />

Die Folgen sind ein verstärkter Nutzungsdruck und damit<br />

einhergehende steigende Boden- und Immobilienpreise.<br />

Dem gegenüber steht der ländliche Raum vor den Herausforderungen<br />

des demografischen und wirtschaftlichen Wandels.<br />

Die Kommunen stehen vor der Aufgabe, die Daseinsvorsorge<br />

und die Lebensqualität der Klein- und Mittelstädte<br />

sowie des ländlichen Raums zu sichern. Die Sicherung des<br />

Umlands ist von besonderer Bedeutung, da dieses als Verund<br />

Entsorger der Städte die Entwicklungsoptionen der<br />

Städte beeinflusst. (BMUB) Aufgrund der unterschiedlichen<br />

Entwicklungsdynamiken der städtischen und ländlichen Gebieten<br />

besteht das Risiko, dass die soziale und wirtschaftliche<br />

Distanz zwischen Stadt und Land in Zukunft noch mehr<br />

zunimmt. Daher besteht die Aufgabe darin, die Verschärfung<br />

der Disparitäten zwischen Stadt und Land zu kontrollieren<br />

und eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes zu<br />

fördern, die einerseits die territorialen Disparitäten verringert<br />

und andererseits eine aufschwingende, ländliche Wirtschaft<br />

vorantreibt und vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen<br />

lässt, die die ländlichen Räume dabei unterstützen<br />

den sozioökonomischen Gegebenheiten gerecht zu werden.<br />

(Habersetzer et al 2016: 1)


Die Entwicklung geeigneter Erklärungsmodelle von<br />

Stadt-Land-Beziehungen kann in die folgenden drei Phasen<br />

unterschieden werden.:<br />

Phase 1<br />

Die erste Phase der Entwicklung urban-ruraler Wechselbeziehungen<br />

in Europa beginnt bei der ursprünglichen Stadtgründung<br />

und dauert bis zum Einsetzen der industriellen<br />

Revolution an. In dieser Phase bestehen die Beziehungen<br />

zwischen Stadt und Land vorwiegend zwischen Stadtbewohnern<br />

und der ländlichen Bevölkerung im Austausch<br />

gegen Handelswaren. Genauer gesagt bestand der Handel<br />

zwischen Land und Stadt vornehmlich im Austausch<br />

landwirtschaftlicher Produkte mit den städtischen Händlern.<br />

Später kamen andere Güter, wie Rohstoffe zur weiteren Verarbeitung<br />

und Veredelung hinzu. Rückblickend sind bereits<br />

die Marktplätze in den antiken und mittelalterlichen Städten<br />

Ausgangspunkte für die ersten Interaktionen zwischen Stadt<br />

und Land. Reisende Händler, die von Stadt zu Stadt zogen,<br />

brachten somit die ersten, sich zeitlich und inhaltlich verändernden,<br />

Einflussfaktoren auf diese Handelsbeziehungen<br />

mit. Die Häufigkeit und das Volumen dieser Handelsbeziehungen<br />

bestimmte somit eine „Dynamik“ der Beziehungen<br />

zwischen Stadt und Land. (Taylor 2004: 8)<br />

Zu dieser Zeit wurde die Beziehung von Stadt und Land<br />

auch stark durch wirtschaftliche und politische Abhängigkeiten<br />

geprägt. Europa war eine Landschaft von Stadtregionen,<br />

in der die materiellen Überschüsse aus ländlichen Gebieten<br />

grundsätzlich in die Städte flossen, um dort zu Produkten<br />

weiter verarbeitet werden zu können. Städte und Gemeinden<br />

waren in dieser Konzeption Entwicklungsknotenpunkte,<br />

die wirtschaftlichen Wohlstand schufen und ihre Strahlkraft<br />

auf die umliegenden Gebiete ausbreiteten, die von der räumlichen<br />

Nähe profitierten. In diesem Zusammenhang ist auch<br />

die deutsche Hanse zu nennen, die das erste politisch organisierte<br />

Städtenetzwerk hervorbrachte. Sie existierte fast<br />

500 Jahre, von dem 12. bis ins 17. Jahrhundert. Der Zusammenschluss<br />

der Kaufleute hatte das Ziel, gemeinsame wirtschaftliche<br />

Interessen, besonders im Ausland, gemeinsam zu<br />

vertreten. (Taylor 2004: 11) Die Beziehungen, die durch die<br />

Hanse entstanden sind, basieren jedoch zunächst nur auf<br />

materieller Basis.<br />

Phase 2<br />

Die zweite Phase beginnt mit dem industriellen Zeitalter in<br />

der Mitte des 18. Jahrhunderts, welches das Gleichgewicht<br />

von Stadt und Land zu einer zunehmenden Abhängigkeit<br />

der ländlichen Räume zur städtischen Wirtschaft verschiebt.<br />

(Davoudi, Stead 2002: 5) Zu dieser Zeit wurden integrierte<br />

Ansätze zur Entwicklung des ländlichen Raumes abgelehnt,<br />

obwohl das Stadtwachstum zu Zeiten der Industrialisierung<br />

bereits ausgereizt war. Nicht zuletzt haben sich mit dem Einsetzen<br />

der Industriellen Revolution und der damit einhergehenden<br />

Auflösung der kompakten Stadt im 19. Jahrhundert,<br />

die Stadt-Land-Beziehungen stark gewandelt. Seit dem 19.<br />

Jahrhundert wurde von einem stark asymmetrisch-dichtomischen<br />

sowie hierarchischen Verständnis der Stadt-Land-Beziehung<br />

ausgegangen. In dieser Zeit sind Modelle entstanden,<br />

die von ihrem dichten Kern als Zentrum, nach außen an<br />

Dichte und Bedeutung abnehmen. (Kersting, Zimmermann<br />

2015: 16) Zum Beispiel das Modell der Stadtregionen nach<br />

Boustedt aus dem Jahr 1970 spiegelt diese Hierarchisierung<br />

wieder. Mit dem Modell der Stadtregionen grenzt Boustedt<br />

Städte von ihrem Umland ab und nimmt dadurch eine Gliederung<br />

zwischen Stadt und Land vor (Borsdorf & Bender 2010:<br />

155f). Des Weiteren werden zur Unterscheidung zwischen<br />

urban und ländlichen Bereichen in der Regionalforschung<br />

ökonomische und demographische Charakteristika herangezogen.<br />

In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff<br />

der Suburbanisierung verwendet, die ab den 1960er Jahren<br />

in Deutschland einsetzte und zum einen die räumliche Ausdehnung<br />

der städtischen Siedlungen und zum anderen die<br />

räumliche Dekonzentration der Bevölkerung, Arbeitsplätze<br />

und Infrastruktur beschreibt. Suburbanität kann nicht linear<br />

oder einseitig, ausschließlich „städtisch“ betrachtet werden.<br />

Daher ist es angebracht, die Suburbanisierung nicht nur von<br />

den Kernstädten her zu verstehen, sondern als einen Prozess,<br />

der ebenso auch in ländlichen Regionen stattfindet.<br />

Infolgedessen ist ein (Zwischen-)Raum entstanden, in dem<br />

sich Merkmale des „Städtischen“ und des „Ländlichen“ miteinander<br />

verbunden haben (Kersting, Zimmermann 2015: 10,<br />

14). Die Suburbanisierung steht allerdings nur für den ersten<br />

Schritt dieser Dekonzentration, der die Entwicklung weiterer<br />

Termini wie Periurbanisierung, Zwischenstadt und "urban<br />

sprawl" hervorbrachte (Gaasch et al 2012: 4).<br />

Phase 3<br />

Phase 1<br />

„black and<br />

white definition“<br />

Entwicklung<br />

der Stadt-<br />

Land-<br />

Beziehungen<br />

Phase 3<br />

Städte, als<br />

Systeme<br />

innerhalb eines<br />

<strong>Netzwerke</strong>s,<br />

durch das<br />

verschiedene<br />

Verflechtungen<br />

fließen<br />

Phase 2<br />

Stadt<br />

statische,<br />

asymetrischdichtnomische<br />

Modelle, die<br />

von Kern in<br />

Peripherie<br />

abnehmen<br />

Das Modell der Stadtregion<br />

nach Boustedt 1970<br />

Abb.1: Phasen der Stadt-Land-Beziehungen<br />

Heute bewegen wir uns in der dritten Phase der Stadt-<br />

Land-Beziehungen, in der die Verflechtungen weit über eine<br />

eindimensionale Betrachtung hinausgehen und durch eine<br />

Zunahme der Komplexität der Verflechtungen, Stadt und<br />

Land gleichermaßen prägen. Bis heute hat sich eine stark<br />

komplexe urban-rurale Verflechtung entwickelt, die in „ein dynamisches<br />

Netz wechselseitiger Abhängigkeiten“ eingebun-<br />

Land<br />

Trabant<br />

Kerngebiet<br />

Verflechtungen<br />

INDUSTRIELLE<br />

REVOLUTION<br />

Netzknoten<br />

Verstädterte Zone<br />

Ergänzungsgebiet<br />

Kernstadt<br />

TECHNISCHE<br />

REVOLUTION<br />

105<br />

Stadt Land Kooperation - STATEMENT


106<br />

Stadt Land Kooperation - STATEMENT<br />

den ist (Gaasch et al 2012: 9; Davoudi, Stead 2002: 5) und<br />

folglich die physischen und funktionalen Grenzen zwischen<br />

Stadt und Land immer mehr verschwimmen (Bengs, Zonneveld<br />

2002: 2). Dadurch wird erstmals mit der dritten Phase<br />

eine Periode dargestellt, die eine neue Betrachtungsweise<br />

von Stadt und Land ermöglicht, indem die Entwicklungschancen<br />

von Stadt und Land gleichstellt werden:<br />

)) For the first time since the Industrial<br />

Revolution technological<br />

change is allowing rural areas to<br />

compete on an equal basis with<br />

towns and cities for employment. ((<br />

(Davoudi, Stead 2002: 5)<br />

Infolgedessen wurde erkannt, dass sich Städte innerhalb eines<br />

<strong>Netzwerke</strong>s befinden und Entwicklungen und Veränderungen<br />

von Städten innerhalb dieses <strong>Netzwerke</strong>s betrachtet<br />

werden müssen, da nur so Veränderungen, wie Wachstum,<br />

Schrumpfung oder Stagnation von Städten, verstanden werden<br />

kann (Taylor 2004: 16). Zwischen Städten bestehen<br />

folglich verschiedene „Verflechtungen“, sogenannte „flows“,<br />

die die Entwicklungsoptionen der Netzknoten (Standorte)<br />

beeinflussen. Wie die Forschungsliteratur übereinstimmend<br />

zeigt, liegt die Besonderheit dieser Betrachtungsweise darin,<br />

dass nicht zwischen einer räumlichen Artikulation von<br />

Zentrum und Peripherie unterschieden wird, sondern Städte<br />

Bestandteil eines Netzwerks darstellen, dass durch vielfältige<br />

und sich verändernde Verflechtungen miteinander<br />

verbunden ist, sodass Standortfaktoren in diesen Modellen<br />

nicht prioritär sind. Denn wenn Städte nicht mehr als Orte<br />

gesehen werden, sondern als Elemente eines Netzwerks,<br />

durch die verschiedene „flows of talents, of foreign investment,<br />

of information in social networks, across cultures“ fließen,<br />

können räumliche Grenzen abgebaut werden. Diese<br />

unterschiedlichen „flows“ stärken nicht nur lokale mit regionalen,<br />

nationalen oder auch internationalen Verflechtungen,<br />

sondern Fördern auch die Entwicklung multifunktionaler<br />

„micro-macro“ Beziehungen zwischen Menschen und Unternehmen<br />

innerhalb des <strong>Netzwerke</strong>s. Dies wirkt sich nicht nur<br />

auf die Lebensqualität des <strong>Netzwerke</strong>s aus, sondern fördert<br />

auch die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen. (Tacoli 1998:<br />

152) Denn die Existenz von Verflechtungen als Beziehungsoption<br />

ist nicht nur von räumlichen oder demografischen<br />

Faktoren abhängig, sondern ist sowohl im ländlichen Raum<br />

als auch in der Stadt vorzufinden. Das Vorhandensein einer<br />

Beziehungsoption stellt somit eine vielfältig einsetzbare Infrastruktur<br />

dar. Folglich können vorhandene Beziehungswege,<br />

die ihren Ursprung in einer Stadt haben, auch genauso von<br />

Unternehmen, die sich in dem ländlichen Raum befinden, als<br />

„flows“ genutzt werden. (Habersetzer et al 2016: 2)<br />

Durch dieses Bild eines <strong>Netzwerke</strong>s und der Annahme, dass<br />

die Städte, das Umland und die ländlichen Räume Knotenpunkte<br />

in dem Netzwerk darstellen, ermöglicht sich eine<br />

neue Betrachtungsweise für regionale Kooperationsräume<br />

und interkommunale Zusammenarbeit. Die Entwicklungsperspektiven<br />

der jeweiligen Knotenpunkte werden, sowohl<br />

für die Stadt als auch das Land gleichgesetzt, sodass es<br />

ländlichen Räumen ermöglicht wird, wettbewerbs- und leistungsfähig<br />

zu sein (Davoudi, Stead 2002: 5).<br />

Resümee<br />

Der hier dokumentierte Überblick über die Entwicklung der<br />

Beziehung zwischen Stadt und Land zeigt, dass sich die<br />

einseitige Perspektive von „der“ Stadt und „dem“ Land, zu<br />

einer dynamischeren und komplexeren Betrachtungsweise<br />

weiterentwickelt hat, die weit über die Betrachtung reiner<br />

Orte und landschaftlicher Räume hinausgeht. Wechselseitige<br />

Beziehungen und raumfunktionale Verflechtungen stellen<br />

besonders hinsichtlich des Verständnisses räumlicher<br />

und funktionaler Abhängigkeiten einen integrierten Ansatz<br />

zur Betrachtung von Stadt und Land dar, die statische Betrachtungsweisen<br />

und räumlich trennende Modelle, ablösen<br />

(Davoudi, Stead 2002: 5). Der historische Überblick über<br />

unterschiedliche Erklärungsmodelle zu Stadt-Land-Verflechtungen<br />

zeigt, dass die Beziehung zwischen Stadt und Land<br />

vornehmlich mit dem Einsetzen des Informationszeitalters<br />

wissenschaftlich erkannt wurde. Durch das neue Bild des<br />

<strong>Netzwerke</strong>s und der Annahme, dass Städte, Umlandsied-<br />

BMUB: Kleinere Städte und Gemeinden - überörtliche Zusammenarbeit und <strong>Netzwerke</strong>. ; zuletzt abgerufen am : 10.02.<strong>2018</strong><br />

Bengs, C. & Zonneveld,W. (2002): Urban-Rural Relationships: The European Doscourse on Urban-Rural Relationships: A new policy and research agenda. In:<br />

Built Environment 28 (4), S.278-289, 2002.<br />

Borsdorf, A.& Bender, O. (2010): Allgemeine Siedlungsgeographie: Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co.KG., 2010.<br />

Davoudi, S.; Stead, D. (2002): Urban-Rural Relationships: an introduction and a brief history, In: Built Environment: 28(4), S. 269-277, 2002.<br />

Habersetzer et al 2016: Habersetzer, A.; Mayer, H.; Meili, R.: Rural-Urban-Linkages and Sustainable Regional Development: The Role of Entrepreneurs in<br />

Linking Peripheries and Centers. 2016 ; zuletzt abgerufen am : 10.02.<strong>2018</strong><br />

Gaasch et al (2012): Gaasch, N.; Prof. Dr. rer. pol. Müller, K.; Repp, A.; Strauß, C.; Weith, T.: Urban Rurale Verflechtungen: Analytische Zugänge und Governance-Diskurs.<br />

Müncheberg: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V., 2012.<br />

Keiner, M. (2005): Switzerland and the European Spatial Planning Observation Network (Espon): Key findings and initial conclusion for spatial development<br />

policy. 2005 ;<br />

zuletzt abgerufen am: 10.02.<strong>2018</strong><br />

Kersting, H.-W. & Zimmermann, C. (2015): Stadt-Land-Beziehungen im 20. Jahrhundert: Geschichts- und kulturwissenschaftliche Perspektiven. Paderborn:<br />

Verlag Ferdinand Schöningh GmbH, 2015.<br />

Stead, D. (2002): Urban-Rural Relationships in the West of England. In: Built Environment 28 (4), S. 299-310, 2002.<br />

Tacoli, C. (1998): Rural-urban interactions: a guide to the literature. In: Environment and Urbanization, Vol. 10 (1), S.147-166, 1998.<br />

Taylor, P. J. (2004): World City Network: A Global Urban Analysis. Cornwall: TJ International Ltd, 2004.


lungen und ländliche Räume Elemente eines Netzwerks<br />

darstellen, ermöglicht sich eine vielversprechende Betrachtungsweise<br />

für regionale Kooperationsräume und interkommunale<br />

Zusammenarbeit. Die Entwicklungsperspektiven der<br />

jeweiligen Knotenpunkte werden, sowohl für bisherige Stadträume<br />

als auch ruralen Siedlungen gleichgesetzt, sodass es<br />

ländlichen Räumen ermöglicht wird, wettbewerbs- und leistungsfähig<br />

zu sein (Davoudi, Stead 2002: 5). Des Weiteren<br />

zeigt der Überblick der urban-ruralen Verflechtungen, dass<br />

das Verständnis von Veränderungsprozessen ebenfalls immer<br />

innerhalb dieses <strong>Netzwerke</strong>s betrachtet werden muss.<br />

Nur so können Wachstums,- und Schrumpfungsprozesse<br />

verstanden werden (Taylor 2004: 16).<br />

Für den Untersuchungsraum Ostwestfalen-Lippe, als<br />

polyzentrische Region, ergeben sich somit neue Entwicklungschancen<br />

und -perspektiven, indem die Region unabhängig<br />

von ihrer derzeitigen demografischen oder wirtschaftlichen<br />

Ausgangslage betrachtet werden kann. Mit<br />

der <strong>Regionale</strong> 2022 hat die Region die Möglichkeit, an<br />

dem bisherigen Raumwissen der raumfunktionalen Verflechtungen<br />

anzuknüpfen und den Gesamtraum Ostwestfalen-Lippe<br />

anhand der vorzufindenden Verflechtungen<br />

ganzheitlich zu stärken, denn:<br />

)) Polycentric development is<br />

seen essential for the future of<br />

rural areas. (( (Davoudi, Stead 2002: 282)<br />

M.Sc. Julia Krick<br />

<strong>urbanLab</strong> - Wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

ist seit November 2017 Mitglied des UrbanLabs und hat <strong>2018</strong> ihr Masterstudium<br />

an der TH Köln abgeschlossen. Das Bachelorstudium hat sie an<br />

der HS OWL in Detmold im Studiengang Stadtplanung absolviert. In ihrer<br />

Masterarbeit hat sie sich mit der Entwicklung der Stadt-Land-Beziehungen<br />

beschäftigt und die raumfunktionalen Verflechtungen der Region Ostwestfalen-Lippe<br />

untersucht. Entstanden ist ein Modell, das die bestehenden<br />

Verflechtungen der Region als Basis für interkommunale Zusammenarbeit<br />

sieht. Das Modell stellt nicht nur eine neue Form der kooperativen <strong>Regionale</strong>ntwicklung<br />

dar, sondern zeigt auch, welche Kommunen Entwicklungsimpulse<br />

benötigen, um in Zukunft handlungsfähig zu bleiben, um die Daseinsvorsorge<br />

und Lebensqualität zu sichern.<br />

107<br />

Stadt Land Kooperation - STATEMENT<br />

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108<br />

Stadt Land Kooperation - BERICHT<br />

<strong>Netzwerke</strong> der digitalen Region<br />

Forschungsschwerpunkt nextPlace organisiert<br />

Konferenz zur digitalen Zukunft unserer Regionen<br />

Die Digitalisierung erfasst alle Lebensbereiche in Dörfern, Städten und<br />

Regionen: Arbeitswelten, Bildung, soziales Leben, Handel, Verwaltungen,<br />

Mobilität, gleichermaßen die gebaute und die natürliche Umwelt. Neue digitale<br />

Dienste verändern durch neue Technologien unsere Wahrnehmung<br />

und Inanspruchnahme von Raum. Im Rahmen der nextPlace-Konferenz<br />

„<strong>Netzwerke</strong> der digitalen Region“ am 7. Februar <strong>2018</strong> an der Hochschule<br />

OWL in Detmold diskutierte eine interdisziplinäre Teilnehmerschaft diese<br />

räumlichen Implikationen der digitalen Transformation, ihre Chancen und<br />

Risiken und die Potentiale dieser Entwicklung auch für ländliche Räume.<br />

Abbildung 1: Lichtinszenierung an der Detmolder Schule, Foto 1-5: Smilla Dankert, <strong>2018</strong><br />

Die digitale Transformation wird unsere alltägliche Lebensumgebung<br />

erheblich verändern. Aktuelle Untersuchungen<br />

beschreiben bereits sehr genau welche Veränderungen<br />

in unserer räumlichen Umwelt und welche<br />

neuen Formen der Alltagsorganisation von Kommunikation,<br />

Fortbewegung, Einkaufen, etc. zukünftig zu erwarten<br />

sind. Neben der enormen Geschwindigkeit und der<br />

hohen technischen Innovationskraft macht gerade der<br />

Einfluss auf alle Lebensbereiche Themen wie Smart-Cities,<br />

Internet-der-Dinge oder autonome Mobilität zu einem<br />

höchst interessanten Untersuchungsgegenstand.<br />

Bisherige Roadmaps und Handlungsempfehlungen<br />

zeichnen eine technologisch getriebene Sichtweise<br />

auf die Region in der digitalen Transformation.<br />

Abgesehen vom flächendeckend geforderten Breitbandausbau<br />

mit Glasfaser spielt die tatsächliche<br />

Beschaffenheit und Funktionsweise unserer Räume<br />

bislang keine große Rolle. Gleichermaßen gewinnen<br />

in vielen Anwendungsfeldern digitale Dienste an Bedeutung,<br />

die zwar inhaltlich und funktional räumliche<br />

Informationen nutzen, deren Produkte selbst aber


äumlich unabhängige Dienstleistungen darstellen.<br />

Beispiele hierfür sind insbesondere Mobilitätsdienstleister<br />

wie Uber oder Moovel.<br />

Voraussetzung für den Erfolg dieser Angebote sind einerseits<br />

eine hohe Verbreitung mobiler, internetfähiger<br />

Endgeräte und andererseits die zunehmende, räumliche<br />

Verfügbarkeit leistungsstarker Internetzugänge.<br />

Zugleich schafft aber die digitale Transformation und<br />

die dadurch entstehenden Wirtschaftsbranchen, Arbeitsprozesse<br />

und Kommunikationsinstrumente auch<br />

neue räumliche Ausgangsvoraussetzungen: Einerseits<br />

suchen Unternehmen der Digitalwirtschaft eine räumliche<br />

Nähe zueinander (z.B. Digital Hubs), zugleich ermöglichen<br />

die neuen Technologien aber auch standortunabhängige<br />

Beschäftigungsverhältnisse.<br />

Der disruptive Charakter der zugrundeliegenden Technologien<br />

ruft dabei neben wirtschaftlichen Interessen eine neue<br />

Generation gesellschaftlich interessierter Innovatoren auf<br />

den Plan. Diese Akteure gestalten und programmieren den<br />

digitalen Wandel aus Bürgerperspektive aktiv mit, unter anderem<br />

auch um gesellschaftlich-technologische Innovation<br />

Der interdisziplinäre Forschungsschwerpunkt nextPlace<br />

hat die Aufgabe, diese räumlichen Dimensionen der<br />

Digitalisierung zu erfassen, zu erforschen und selbst<br />

mitzugestalten. Folglich wurden zur nextPlace-Konferenz<br />

Vertreter aus Technologie, Digitalwirtschaft und<br />

Raumentwicklung ebenso eingeladen, wie Vertreter<br />

des Civic-Hacking und zukunftsinteressierte Bürger.<br />

Die Veranstaltung wurde dabei in enger Kooperation<br />

mit dem Geografischen Institut der Universität Bonn,<br />

Arbeitsgruppe Geoinformationssysteme, dem Kreis<br />

Lippe und der Landesinitiative Creative.NRW durchgeführt.<br />

Darüber hinaus waren auch Stadtplanungsstudierende<br />

des Wahlpflichtfachs nextCities eng in die<br />

inhaltliche Vorbereitung der Konferenz eingebunden.<br />

Ihre Aufgabe war es, vorbereitend, die räumlichen<br />

Anforderungen neuer digitaler Services am Beispiel<br />

der Region Ostwestfalen-Lippe kartographisch aufzuzeigen<br />

um damit inhaltliche Grundlageninformationen<br />

für den Workshop-Teil der Konferenz bereitzustellen.<br />

Die gestalterische Inszenierung der Konferenzräumlichkeiten<br />

erfolgte durch Jörg Kiefel, Professor für<br />

Szenographie im Fachbereich Detmolder Schule für<br />

Architektur, Innenarchitektur und Stadtplanung der<br />

109<br />

Stadt Land Kooperation - BERICHT<br />

Abbildung 2: Einführung in das Barcamp „Akteure, Kreative & Gesellschaft“<br />

Abbildung 3: Ausstellung<br />

Abbildung 4: Begrüßung durch Herrn Düning-Gast, Kreis Lippe<br />

Abbildung 5: Barcamp Technologie & Infrastruktur<br />

nicht ausschließlich den großen Konzernen zu überlassen.<br />

Dies umfasst die Entwicklung von Softwareanwendungen<br />

für kulturelle, politische oder auch künstliche Anwendungszwecke<br />

(Civic Hacking), das Erschließen von Informationen<br />

und Daten für den gesellschaftlichen Diskurs wie auch<br />

die Inanspruchnahme des realen Raums als Labor für einen<br />

von Bürgern mitgestalteten Wandel. Dachinitiativen<br />

wie die Open Kowledge Foundation oder auch vielfältige<br />

Open-Data-Bewegungen sind weltweite Beispiele für diesen,<br />

inzwischen seit fast 10 Jahren existierenden, Trend der<br />

technologischen Bottom-Up-Innovationspartizipation.<br />

Hochschule OWL und seinen Studierenden des Studiengangs<br />

Innenarchitektur. Neben der medialen Präsentation<br />

der erarbeiteten Inhalte entstand so auch<br />

eine interaktive Ausstellung, die über mehrere Stationen<br />

die diskutierten Inhalte erlebbar machte. Eine<br />

großflächige, dynamische Fassadenprojektion auf<br />

dem Hochschulgebäude vollendete feierlich die Veranstaltung<br />

in den Abendstunden. Die Konferenz stellte<br />

dabei vier zentrale Leitfragen in den Mittelpunkt:


110<br />

Stadt Land Kooperation - BERICHT<br />

)) In welchen Regionen, Städten<br />

und Nachbarschaften finden wir<br />

ideale Voraussetzungen für die<br />

Umsetzung und Erprobung digitaler<br />

Geschäftsmodelle und<br />

technologischer Innovationen? ((<br />

Unterschiedliche Räume und Akteure haben differenzierte<br />

digitale „Bedürfnisse“ bzw. sind unterschiedlich<br />

„talentiert“ für den digitalen Wandel. Diese Räume galt<br />

es zu identifizieren, um Erprobungsräume für digitale<br />

Transformationen zu finden und digitale Barrieren in<br />

weniger talentierten Räumen abzubauen. Ein Ergebnis<br />

der Konferenz ist, dass digitale Transformationen nicht<br />

ursächlich große Metropolräume zur erfolgreichen Realisierung<br />

benötigen. Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite<br />

vom Fraunhofer IOSB-INA, wies in seinem Keynote-Vortrag<br />

beispielsweise darauf hin, dass sich viele<br />

Innovationsprozesse gerade in den überschaubaren<br />

Akteurshierarchien von kleineren Mittelstädten, wie<br />

beispielsweise Lemgo, deutlich besser initiieren lassen.<br />

)) Wie können wir technische Lösungen<br />

individualisieren und wie<br />

kann dabei der genuine Charakter<br />

eines Ortes erhalten bleiben? ((<br />

Unsere räumliche Umwelt ist geprägt durch die permanente<br />

Interaktion von Menschen. Die damit verbundenen,<br />

stetigen Aushandlungsprozesse definieren unser<br />

gemeinsames Nutzungsverhalten im Raum. Eine zu<br />

bedenkende Begleiterscheinung des digitalen Wandels<br />

besteht darin, dass durch Anbieter digitaler Infrastrukturen<br />

und ihrer damit einhergehenden, oft monopol-orientierten<br />

Einflussnahme auf urbane Räume,<br />

lokale Individualitäten verloren gehen können. Falls es<br />

im Rahmen der digitalen Automatisierung und Technologisierung<br />

zu einer flächendeckend gleichartigen<br />

Steuerung Thema Anbindung und Reglementierung und Nahversorger der in Raumnutzung<br />

OWL<br />

kommt, ist die genuine Funktionsweise und der historisch<br />

gewachsene Charakter bestimmter Räume unter<br />

Umständen nicht aufrechtzuerhalten. Folglich gilt es<br />

zu diskutieren, wie diese Individualität trotz technologischer<br />

Innovation erhalten bleiben<br />

gut vernetzte Gebiete<br />

geringe Vernetzung<br />

neue Liefermöglichkeiten<br />

kann.<br />

)) Wie können Akteure der Stadt- und<br />

Infrastrukturentwicklung digitale<br />

Instrumente nutzen, entwickeln<br />

und ihre Verbreitung unterstützen? ((<br />

Neue digitale Instrumente verbessern die Handlungskapazitäten<br />

der Stadt- und Infrastrukturentwicklung,<br />

sowohl für Anwender als auch für Anbieter<br />

digitaler Dienste. Um handlungsfähig zu bleiben und<br />

die eigenen Ziele erfüllen zu können, sollten diese<br />

Akteure intensiv an der Entwicklung, Nutzung und<br />

Verbreitung der Technologien teilhaben.<br />

)) Welche räumlichen Strukturen<br />

fördern kollaborative, digitale<br />

Innovationen und Arbeitsweisen? ((<br />

Verkehrsnetz<br />

Nahversorger<br />

ÖPNV Haltepunkte<br />

Maßstab 1:400000<br />

N<br />

Quellen: open street map , IT-NRW URL: https://www.it.nrw.de/kommunalprofil/index.html [31.01.18]<br />

nextCities Laura-Kim Birkner, Jana Bulich<br />

Abbildung 6: Anbindung und Nahversorger in OWL. Laura-Kim Birkner, Jana Bulich<br />

Eine wichtige Komponente bei der Gestaltung der digitalen<br />

Transformation ist es, räumlich geeignete Planungs-<br />

und Umsetzungskonzepte zu identifizieren. Der<br />

Kontakt zwischen Hochschulen und Gründern, einschließlich<br />

daran angeschlossener Formate wie Innovationslabore,<br />

FabLabs oder Co-Working-Spaces spielen<br />

hierbei eine entscheidende Rolle. Gleiches gilt für<br />

regionale Innovationsnetzwerke, die ein weiteres Beispiel<br />

für die räumliche Artikulation einer neuen und auf<br />

Kollaboration und Werkzeuge abgestimmten digitalen<br />

Entwicklung darstellen.<br />

Die nextPlace-Konferenz konnte somit einen wichtigen<br />

Beitrag zur Frage der räumlichen Dimension<br />

des digitalen Wandels leisten. Im Rahmen der drei<br />

Keynote-Vorträge, der drei Bar-Camp-Workshops in<br />

den Themenfeldern „Technologie & Infrastrukturen“,<br />

„Standort & Geschäftsmodelle“ und „Akteure, Kreative<br />

& Gesellschaft“ (in Kooperation mit CREATIVE.<br />

NRW) und einer abschließenden, interdisziplinär besetzten,<br />

Podiumsdiskussion konnten hierfür erste<br />

Lösungsansätze skizziert werden.


weitere Themen:<br />

Revitalisierung älterer Einfamilienhausgebiete<br />

Klein-/Mittelstädte in peripheren Regionen<br />

Raumordnung und sein „Erfinder“ – Ein Schlüsselbegriff wird 90<br />

Nachhaltiges Landmanagement<br />

Statement zur Städtebauförderung – Positionspapier der SRL<br />

Das Urbane Gebiet – Wem nützt es<br />

weitere Themen:<br />

Wer kommuniziert denn da – Kommunikationspsychologie in der Stadtplanung<br />

Forschendes Lernen als studentisches Erkundungsformat<br />

Heimat und Integration – Herausforderung für Stadt- und Regionalplanung<br />

Lausitzer Wissenstransfer<br />

Eine IBA in Warschau<br />

Tooltime 14 | Das Web-Mapping-Framework Mapbender3<br />

Die Konferenz wird zeitnah in Film und Wort ausführlich<br />

dokumentiert. Weitere Informationen zum Forschungsschwerpunkt<br />

nextplace, zur Konferenz und zu deren<br />

Dokumentation erhalten Sie auf der Website des Forschungsschwerpunktes<br />

http://nextplacelab.de.<br />

Anzeige<br />

informieren<br />

netzwerken<br />

PLANERIN<br />

MITGLIEDERFACHZEITSCHRIFT FÜR STADT-, REGIONAL- UND LANDESPLANUNG<br />

beteiligen:<br />

PLANERIN<br />

MITGLIEDERFACHZEITSCHRIFT FÜR STADT-, REGIONAL- UND LANDESPLANUNG<br />

<strong>Regionale</strong> 2016<br />

ZukunftsLAND – Neue Allianzen<br />

PLANERIN HEFT 2_17 APRIL 2017<br />

Stadt statt Handel<br />

Die Zukunft der Handelsstadt<br />

PLANERIN HEFT 6_17 DEZEMBER 2017<br />

Dipl.Ing. Benjamin Dally<br />

nextPlace - Koordination Forschung<br />

hat Raumplanung an der TU Dortmund und der Königlich-Technischen<br />

Hochschule, Stockholm, studiert und sich in seiner Abschlussarbeit<br />

mit der Integration von flexiblen Carsharing-Angeboten in kommunale<br />

Verkehrskonzepte beschäftigt. Seit 2013 arbeitet er an der Hochschule<br />

Ostwestfalen-Lippe, unter anderem für den Forschungsschwerpunkt<br />

<strong>urbanLab</strong>. Seit 2016 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

Forschungsschwerpunkt nextPlace, der sich mit „Raum-Zeit-Mustern<br />

intelligenter Mobilität“ beschäftigt. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind<br />

<strong>Regionale</strong>ntwicklung und Mobilität in den ländlichen Räumen.<br />

die SRL –<br />

EUER Berufsverband!<br />

◗ Spektrum erweitern & Neues erfahren<br />

bei den SRL-Halbjahres- und Jahrestagungen zu aktuellen<br />

Themen<br />

◗ aktiv einbringen & Kontakte knüpfen<br />

bei den regionalen Fachtagungen, Planertreffs, Workshops,<br />

Salongesprächen, Exkursionen etc. der SRL-Regionalgruppen<br />

◗ auf dem Laufenden bleiben<br />

mit der PLANERIN – 6 x jährlich erscheinende etablierte<br />

Fachzeitschrift<br />

◗ Fachfragen erörtern<br />

über die Mitarbeit in unseren Arbeitskreisen und Fachgruppen<br />

(z.B. Energie und Klima, Ländlicher Raum, Verkehr, Städtebau)<br />

◗ Internationale Anbindung<br />

durch die Mitgliedschaft der SRL in internationalen <strong>Netzwerke</strong>n<br />

wie ISOCARP, ECTP, C.E.U.<br />

Prof. Dr. rer. nat. Axel Häusler<br />

Stadtplaner und Architekt<br />

Lehrgebiet Digitale Medien & Entwerfen, Mitglied <strong>urbanLab</strong><br />

lehrt seit September 2014 das Fach Digitale Medien und Entwerfen<br />

im Studiengang Stadtplanung an der Hochschule OWL. Er initiierte<br />

u.a. den fachübergreifenden Forschungsschwerpunkt ‚nextPlace’, der<br />

sich intensiv mit technologischen Innovationen im räumlichen Umfeld<br />

und Smart-City-Strategien beschäftigt. Das Ziel von ‚nextPlace’ ist die<br />

Sichtbarmachung unterschiedlicher Mobilitätsverhaltensmuster und<br />

die Visualisierung des dynamischen Zusammenspiels von Menschen,<br />

Gütern und Informationen im Raum anhand interaktiver Karten und<br />

Simulationsmodelle.<br />

◗ Individuelle Anfragen & Hilfestellung<br />

Unterstützung bei fast allen Fragen gibt es in unserer<br />

Geschäftsstelle: bei der Suche nach speziellen Gesprächspartnern<br />

zu Fachthemen, berufsständischen Fragen etc.<br />

◗ Mitgliedsbeitrag<br />

192 € im Jahr; ermäßigt 144 €; Studierende,<br />

Geringverdienende, Erwerbslose 60 €<br />

Abbildung 6: Studierende des Wahlpflichtfachs nextCities entwickelten<br />

räumliche Konzepte für digitale Lösungen und Services am Beispiel der<br />

Region Ostwestfalen-Lippe.<br />

Vereinigung für Stadt-, Regionalund<br />

Landesplanung SRL e.V.<br />

Geschäftsstelle<br />

Yorckstr. 82 – 10965 Berlin<br />

Fon <strong>03</strong>0 / 27 87 468-0<br />

info@srl.de | www.srl.de<br />

SprecherIn der Regionalgruppe<br />

Nordrhein-Westfalen:<br />

Dipl.-Ing. Markus Ulrich<br />

srl@archigraphus.de<br />

Dr.-Ing. Katja Veil<br />

srl@katjaveil.de


Dr. Klaus Schafmeister<br />

112<br />

Stadt Land Kooperation - STATEMENT<br />

Stadt und Land, Land gegen Stadt oder UrbanLand?<br />

Mit der <strong>Regionale</strong>n 2022 möchte Ostwestfalen-Lippe ein „Modell für eine<br />

neue dynamische Form der Stadt-Land-Beziehungen ausbauen“ und somit<br />

einen regionalen Pakt für ein neues Stadt-Land-Modell schließen (OWL GmbH<br />

2016: 8). Doch was heißt das? Worauf fußt die Charakterisierung, dass OWL<br />

eine polyzentrische Raumstruktur aufweist? Was ist Stadt, Land, Region<br />

innerhalb OWLs? Und wenn all diese Fragen beantwortet sind, was sind<br />

Stadt-Land-Beziehungen, welche werden benötigt, welche führen zu Wettbewerbssituationen,<br />

welche zu Synergien, welche zu Win-Win-Effekten?<br />

Welche werden neu gestaltet werden müssen hinsichtlich der Zielsetzung<br />

der <strong>Regionale</strong>n? Was bedarf es dafür? Welche Methoden können genutzt<br />

werden? Welche Referenzmodelle oder –maßnahmen stehen zur Verfügung?<br />

Fragen über Fragen. Sich diesem gesamten Komplex zu nähern, ein Verständnis<br />

für die räumlichen Austauschbeziehungen, Bewertungsgrundlagen und<br />

Gestaltungsmöglichkeiten zu erhalten, war das Ziel des Wahlpflichtfachs<br />

„Stadt-Land-Partnerschaften“ im Bereich der Stadtplanung im WS 2017/18.<br />

Insofern diente es auch dem grundlegenden Verständnis der <strong>Regionale</strong>n<br />

„Das Neue UrbanLand“ in OWL bis 2022.<br />

Abbildung 1: Die Thünschen Ringe übertragen in die heutige Zeit und an der Stadt Detmold angewedet. Norman Kalesse


113<br />

Schnell wurde deutlich, dass dieses Thema aus unterschiedlicher<br />

Sichtweise überaus aktuell ist. Erstens<br />

weisen die Städte aktuell eine vermeintlich hohe Attraktivität<br />

auf, die Zuzüge vieler überwiegend junger und älterer<br />

Menschen untermauern dies und führen somit zu<br />

zahlreichen damit verbunden Entwicklungen innerhalb<br />

der Städte. Zweitens wird vom ländlichen Raum oftmals<br />

abwertend gesprochen. Landflucht, Langeweile, Leerstände<br />

sind vielfach dafür gebrauchte Beschreibungen.<br />

Drittens zeigte sich aufgrund der Wahlergebnisse zur<br />

Bundestagswahl 2017 ganz deutlich, dass sich viele<br />

Bürger in den ländlichen Räumen nicht mehr verstanden,<br />

nicht mehr mitgenommen fühlen. Viertens hat das<br />

Thema durch diese Entwicklungen insgesamt eine neue<br />

Aufmerksamkeit in den Medien gewonnen, Dorf- oder<br />

Landentwicklungsszenarien werden ebenfalls wieder in<br />

prominenten Kanälen behandelt, ebenso wie die mit den<br />

zunehmenden Herausforderungen wie Wohnungsengpässe,<br />

Emissionsbelastungen konfrontierten Städte. Damit<br />

wird offensichtlich, dass es nicht nur um Stadt geht,<br />

nicht nur um Land, sondern dass Austauschbeziehungen,<br />

Interdependenzen und verbindende Entwicklungspotenziale<br />

offensichtlich intensiver betrachtet werden<br />

müssen.<br />

Doch wie widmet man sich diesem Themenbereich?<br />

Wir haben es im WS 2017/18 auf unterschiedliche Art<br />

und Weise getan. Wir haben „pull- und push-Faktoren“<br />

jeweils aus städtischer und ländlicher Sicht untersucht.<br />

Wir haben uns die grundlegenden Raumcharakterisierungen<br />

bzw. –definitionen erarbeitet. Wir haben die aus<br />

der Stadt sich für das Umland ergebenen externen Effekte<br />

angeschaut, genauso wie umgekehrt, vom Land<br />

aus für die Stadt. Wir haben uns den raumordnungspolitischen<br />

und raumökonomischen Theorien mit ihren<br />

für heutige Entwicklungen aussagefähigen Methoden<br />

gewidmet. Und wir haben Stadt-Land-Beziehungen in<br />

ausgesuchten Themenbereichen analysiert. Herausgekommen<br />

sind viele weitere Fragestellungen, aber<br />

auch ein tieferes Verständnis und die Erkenntnis, dass<br />

es nicht um ein entweder/oder (Stadt/Land) geht,<br />

Abbildung 2: Das System der zentralen Orte in Süddeutschland (Walter Christaller, 1933 - geändert)<br />

sondern dass der gemeinsame Raum mit seinen vielfältigen,<br />

wechselseitigen, positiven und negativen Abhängigkeiten<br />

wesentlich intensiver betrachtet werden<br />

müsste. Diese Betrachtung darf nicht an politischen<br />

oder verwaltungsorientierten Grenzen haltmachen,<br />

sondern muss sich an den Markt- und Lebensräumen<br />

der Unternehmen bzw. Organisationen und Menschen<br />

orientierten. Ostwestfalen-Lippe ist kein homogener<br />

Raum, weist zwar eine polyzentrische Struktur auf,<br />

besitzt sicherlich eine Identität, muss jedoch als ein<br />

Randbereich von Nordrhein-Westfalen und zusammen<br />

mit dem angrenzenden niedersächsischen als ein Zwischenraum<br />

zwischen den Metropolregionen Ruhrgebiet<br />

und Hannover aufgefasst werden.<br />

)) Zudem zeigt sich, dass Binnenwanderungen<br />

überwiegen und<br />

dass für Haushalte zunehmend<br />

mehr Ortswechsel durchgeführt<br />

werden als in früheren Jahren.<br />

Aufgrund dessen stehen die<br />

potenziellen Wohnorte immer<br />

stärker in einem Wettbewerb<br />

zueinander. ((<br />

Überraschend waren die Ergebnisse hinsichtlich der<br />

pull- und push-Faktoren weniger. Es zeigte ich allerdings<br />

ganz deutlich, dass die jeweilige Infrastrukturausstattung<br />

prägend ist, die Verkehrs-, Internet- und Bildungsinfrastruktur<br />

steht dabei im Vordergrund. Für die<br />

Wanderungsbewegungen sind der Arbeitsplatz- bzw.<br />

(Aus-)Bildungsort und die Wohnungsbedarfe bzw. deren<br />

Kosten entscheidend. Zudem zeigt sich, dass Binnenwanderungen<br />

überwiegen und dass für Haushalte<br />

zunehmend mehr Ortswechsel durchgeführt werden<br />

als in früheren Jahren. Aufgrund dessen stehen die<br />

potenziellen Wohnorte immer stärker in einem Wettbewerb<br />

zueinander. Dabei profitieren auch zunehmend<br />

Stadt Land Kooperation - STATEMENT


114<br />

Stadt Land Kooperation - STATEMENT<br />

nicht-städtische bzw. ländliche Quartiere, wenn sie attraktive<br />

Rahmenbedingungen für jeweilige nachgefragte<br />

Lebensstile anbieten. Allein bei diesen Aussagen –<br />

wie bei vielen anderen auch – zeigte sich immer wieder,<br />

wie schwierig Raumbegriffe zu fassen sind und wie deren<br />

Bestimmungen und die Motivlagen der Nutzer sich<br />

kontinuierlich verändern. Also schauten wir uns zudem<br />

grundlegende raumordnende Theorien und Methoden<br />

an und fragten nach deren heutiger Relevanz. Die Thünenschen<br />

Ringe sind zwar nicht mehr auf heutige landwirtschaftliche<br />

Herausforderungen anwendbar, doch<br />

deren ökonomische Betrachtungsgrundlagen können<br />

für ein Verständnis von langfristigen Stadtentwicklungen<br />

herangezogen werden. Gibt es eigentlich Referenzgrößen,<br />

optimale Stadt- oder Regionalpläne, wie<br />

sollten Lebens- oder Wohnorte idealerweise konstruiert<br />

sein? Mit dem Verständnis von Max Webers Idealtypus<br />

und deren Übertragung auf vollzogene Stadtplanungen<br />

lernten wir eine Methodik kennen, die es ermöglicht<br />

real umgesetzte Planungen hinsichtlich ihrer Abweichungen<br />

von den ursprünglichen Zielsetzungen zu bewerten.<br />

Noch heute bestimmt die mehr als 80 Jahre<br />

alte Zentrale-Orte-Theorie von Christaller die deutsche<br />

Raumordnungspolitik. Im neuesten Raumordnungsbericht<br />

der Bundesregierung heißt es allerdings, dass<br />

das zentrale raumordnungspolitische Postulat der „zentralen<br />

Orte“ den heutigen Anforderungen angepasst<br />

werden müsste. Dies gilt insbesondere auch in Bezug<br />

auf tragfähige Siedlungs- und Versorgungsstrukturen<br />

in peripheren Lagen und wie deren langfristige Entwicklungsperspektiven<br />

auch über Stadt-Land-Partnerschaften<br />

beeinflusst werden können.<br />

)) Es zeigte sich, dass auf fast allen<br />

Ebenen regionale Interdependenzen<br />

feststellbar sind, die es<br />

aus interkommunaler bzw. kooperativer<br />

Sicht des Gesamtraums zu<br />

betrachten gilt. ((<br />

es aus interkommunaler bzw. kooperativer Sicht des<br />

Gesamtraums zu betrachten gilt. Zweitens bedarf es<br />

weiterer zusätzlicher methodischer Instrumente, um<br />

Stadt-Land-Partnerschaften analysieren und fundierter<br />

bewerten zu können. Drittens stoßen aggregierte<br />

räumliche Analysen immer wieder an Grenzen, wenn<br />

es gilt dezentrale Entwicklungen in einen regionalen<br />

Kontext einzubinden. Aufgrund dessen könnte in einem<br />

weiteren Semester der Fokus auf einzelne spezifische<br />

Fragestellungen dezentraler Entwicklungen gelegt<br />

werden, um deren Wirkungen innerhalb bestimmter<br />

Quartiere und für die Region zu erkennen.<br />

Diese könnten dann auch als Beiträge aufgefasst<br />

werden, die die aktuelle Diskussion über räumliche<br />

Entwicklungsperspektiven bereichern würden. Unter<br />

der Überschrift „Gleichwertige Lebensverhältnisse<br />

schaffen“ im Kapitel „5. Heimat mit Zukunft“ wird<br />

im aktuellen Koalitionsvertrag der CDU/CSU mit der<br />

SPD deutlich gesagt: „Ein neues gesamtdeutsches<br />

Fördersystem für strukturschwache Regionen, Städte,<br />

Gemeinden und Kreise richtet sich gegen wachsende<br />

Ungleichheit zwischen Städten und Regionen und dient<br />

dem Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse<br />

in Deutschland.“ Die neue Bundesregierung<br />

möchte dafür mit den Ländern und den kommunalen<br />

Spitzenverbänden eine Kommission „Gleichwertige<br />

Lebensverhältnisse“ einsetzen, die bis Mitte 2019 konkrete<br />

Vorschläge erarbeitet. Sicherlich wäre es denkbar<br />

hier einige Elemente beizusteuern.<br />

Abschließend analysierten wir spezifische Strukturbereiche,<br />

die zukünftige Stadt-Land-Beziehungen beeinflussen.<br />

Zum Beispiel könnte die Versorgungslage von<br />

peripheren Räumen über die neue Mobilitätsform mittels<br />

Zustellungskopter (Dronen) überwunden werden.<br />

Doch dafür sind zwar die technischen Grundlagen, noch<br />

längst jedoch nicht die rechtlichen und verwaltungsgemäßen<br />

Voraussetzungen gegeben. Welche das sind,<br />

wurde aufgezeigt. Auch eine bedarfsgerechte Entwicklung<br />

von Quartieren, sowohl im urbanen als auch im<br />

ländlichen Umfeld könnten Wanderungsbewegungen<br />

verändern. Die Campusentwicklungen und die damit<br />

verbundenen Forschungs- und Transferleistungen liefern<br />

demgegenüber eindeutige Potentiale in das Campusumland.<br />

Allerdings gilt es diese auch zu gestalten,<br />

um optimale allokative Entwicklungen zu induzieren.<br />

Als Fazit lassen sich mindestens drei Aspekte festhalten.<br />

Erstens zeigte sich, dass auf fast allen Ebenen<br />

regionale Interdependenzen feststellbar sind, die<br />

Dr. oec. Klaus Schafmeister<br />

Zukunftsbüro Kreis Lippe<br />

wurde 1959 in Lippe-Detmold geboren und studierte Volkswirtschaftslehre/economics<br />

an den Universitäten in Paderborn und in Urbana-Champaign,<br />

USA. Seinen Doktortitel für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />

erhielt er von der Universität Hohenheim in Stuttgart. Ab 2000 übte er für<br />

verschiedene öffentliche Organisationen in Lippe leitende Tätigkeiten aus,<br />

z.B. Geschäftsführer der Detmold Marketing GmbH, Leiter des Hermannbüro,<br />

der Wirtschaftsförderung des Kreises Lippe und aktuell des Zukunftsbüros<br />

des Kreises Lippe.<br />

OWL GmbH (2016): Wir gestalten das neue UrbanLand, Bielefeld 2016<br />

Abbildung 1 ist im WS 2017/18 im Rahmen des Wahlpflicht-Moduls<br />

Stadt-Land-Partnerschaften, Bachelor-Studiengang Stadtplanung, Detmolder<br />

Schule für Architektur und Innenarchitektur, entstanden.


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Mut zum Wandel.<br />

Bürger erproben das digitale Dorf von Morgen<br />

Weitere Informationen unter<br />

www.owl-morgen.de/scs


\


Stadt Land Transformation


Prof. Martin Hoelscher, Prof. Kathrin Volk<br />

118<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

Dorf-Konversionen<br />

Die Region Ostwestfalen-Lippe (OWL) hat sich vor etwa einem Jahr unter<br />

dem Titel der <strong>Regionale</strong> Wir gestalten das neue UrbanLand und der Aktionsebene<br />

Das neue Stadt-Land-Quartier erfolgreich um die Durchführung der <strong>Regionale</strong><br />

2022 beworben und ist die bisher einzige Region in NRW, die zum<br />

zweiten Mal unter dem Titel <strong>Regionale</strong> innovative Entwicklungungen ermöglichen<br />

kann. Eine der vier strategischen Aktionsebenen der <strong>Regionale</strong> heißt<br />

Das neue Stadt-Land-Quartier. Sie wird sich u.a. damit beschäftigen, wie<br />

Arbeiten, Wohnen und Leben in ländlichen Räumen organisiert werden können<br />

(vgl. OWL GmbH 2016: 43) und dafür „neue Formen der Siedlungsentwicklung<br />

(erarbeiten), die das Beste von Urbanität und Landleben integrieren“ (OWL<br />

GmbH 2016: 45). Die <strong>Regionale</strong> möchte damit Antworten suchen für das Leben<br />

in einem Raum, der weder ausschließlich urban noch rural geprägt ist und der<br />

neue Lesarten und Denkweisen erfordert. Dieser Raum ist deshalb auch ein<br />

Reallabor für lebenswerte Dörfer und Kleinstädte und eröffnet Möglichkeiten<br />

der Neuinterpretation von räumlichen ebenso wie methodischen Ansätzen.<br />

Können Entwicklungsstrategien, die in anderen Kontexten erfolgreich waren,<br />

auch hier angewandt werden, wie müssen sie verändert oder angepasst werden<br />

und wie können sie dazu beitragen, ein neues „UrbanLand“ zu entwickeln?<br />

Abbildung 1: <strong>Regionale</strong> Kooperation. Kira Lachmann, Mandy Wolters


Worum geht es?<br />

Die Gedanken über Dorf-Konversion haben ihren Ursprung<br />

in der gerade beginnenden Diskussion über<br />

neue Lebensformen im UrbanLand OWL. Konversion<br />

ist zunächst nichts Neues. Seit Mitte der 1970er Jahre<br />

beschäftigen sich Stadtentwicklung, Stadtplanung,<br />

Freiraumentwicklung und Landschaftsarchitektur<br />

mit Fragen der Konversion. Mit dem wirtschaftlichen<br />

Strukturwandel in den altindustriellen Regionen, mit<br />

dem Ende des kalten Krieges, mit neuen Transportund<br />

Kommunikationstechnologien konnte und musste<br />

räumliche Planung darüber nachdenken, ob es eine<br />

Zukunft für all die nicht mehr gebrauchten Produktionsstandorte,<br />

Kasernen und Verkehrsinfrastrukturen<br />

geben kann. In zahllosen Forschungsvorhaben<br />

wurden denkbare Möglichkeiten dazu untersucht,<br />

und fast in jeder Region Deutschlands und Europas<br />

wurden teilweise herausragende Konzepte und Strategien<br />

umgesetzt. Zu den besonders beachteten Beispielen<br />

gehören bis heute Projekte der IBA Emscher<br />

Park im Ruhrgebiet und die Umnutzung von Kasernen<br />

und Flughäfen (z.B. in Oldenburg, Potsdam, Münster,<br />

Rhein-Main, Fürth, Augsburg). Auch wenn aus heutiger<br />

Perspektive nicht alle Projekte langfristig erfolgreich<br />

sind: das dabei entwickelte Instrumentarium zum<br />

planerischen Umgang mit nicht mehr genutzten Flächen<br />

gilt heute als state of the art der Planungsdisziplinen<br />

und ihrer fachlichen Nachbarn und hat überall<br />

in Europa neue räumliche Strukturen hervorgebracht.<br />

)) Was bisher fehlt, ist eine Vision<br />

des Lebens außerhalb der großen<br />

Städte und Ballungsräume, die<br />

den vermeintlichen oder realen<br />

Defiziten der Dörfer und kleinen<br />

Städte ein in die Zukunft gerichtetes<br />

Lebensmodell entgegensetzt, das<br />

für möglichst viele Menschen als<br />

Alternative zu den Ballungsräumen<br />

attraktiv ist. ((<br />

Aber Dörfer? Die Diskussion um die Zukunft des ländlichen<br />

Raumes hat lange Zeit tief im Schatten der Metropolenforschung<br />

gestanden. Klein- und Mittelstädte,<br />

erst recht Dörfer entwickelten sich über Jahrzehnte,<br />

von wenigen Ausnahmen abgesehen, unterhalb des<br />

fachlichen Radars der Planungsdisziplinen. Vor ca. 15<br />

Jahren wurde allerdings deutlich, dass der demografische<br />

Wandel auch ländliche Räume erfasst und dort<br />

zwar quantitativ weniger spektakuläre, aber qualitativ<br />

umso alarmierendere Prozesse des Verlusts an Bevölkerung,<br />

Versorgungsmöglichkeiten und sozialen Angeboten<br />

hervorruft. Dass damit das Ziel gleichwertiger<br />

Lebensverhältnisse in Deutschland zur Diskussion<br />

stand, machte der damalige Bundespräsident Köhler<br />

bereits im ersten Jahr seiner Amtszeit deutlich. Die<br />

sozioökonomischen Implikationen für sich entleerende<br />

ländliche Räume sind seitdem in den besonders<br />

betroffenen Regionen Ost- und Westdeutschlands<br />

Thema der öffentlichen Diskussion, teilweise auch<br />

von Förderprogrammen und Pilotprojekten. Was bisher<br />

fehlt, ist eine Vision des Lebens außerhalb der<br />

großen Städte und Ballungsräume, die den vermeintlichen<br />

oder realen Defiziten der Dörfer und kleinen<br />

Städte ein in die Zukunft gerichtetes Lebensmodell<br />

entgegensetzt, das für möglichst viele Menschen als<br />

Alternative zu den Ballungsräumen attraktiv ist. Denn<br />

glaubt man Trendforschern wie Daniel Dettling, dann<br />

gehört dem Landleben die Zukunft (vgl. Dettling<br />

2017). Brauchen wir also Bausteine einer Strategie<br />

für die mehr als 5.000 Landgemeinden mit weniger<br />

als 5.000 Einwohnern? Sollten wir damit beginnen,<br />

über Dorfkonversion nachzudenken?<br />

Heterogenität<br />

In der heterogenen Raumstruktur Deutschlands stehen<br />

ländliche Räume genau so wenig für einheitliche<br />

Siedlungs-, Freiraum- und Wirtschaftsstrukturen wie<br />

Städte und Ballungsräume. Sie reflektieren vielmehr<br />

ihre eigene historische Entwicklung, schöpfen ihre<br />

Identität aus besonderen kulturellen Traditionen und<br />

landschaftsräumlichen Prägungen und generieren aus<br />

ihrem charakteristischen Innovationspotenzial Perspektiven<br />

für die Zukunft. So steht etwa das Emsland<br />

heute für eine hocheffiziente Landwirtschaft und damit<br />

affine produzierende Betriebe, das Havelland für<br />

nachhaltigen Tourismus in einer überaus attraktiven<br />

Landschaft, Nordhessen für eine kleinteilige Siedlungsstruktur<br />

mit starken historischen Wurzeln. Keiner<br />

dieser Räume gleicht hinsichtlich seiner Ursprünge<br />

und seiner Perspektiven einem anderen, keiner dieser<br />

Räume kann wenigstens nach innen als homogen<br />

wahrgenommen werden.<br />

Diese Heterogenität nach innen zeichnet auch OWL<br />

aus. Dem Band der prosperierenden größeren Städte<br />

entlang der A2 stehen die von kleinen Städten, Landund<br />

Forstwirtschaft geprägten, oft schlecht erschlossenen<br />

Räume im Osten Ostwestfalens gegenüber. Die<br />

besonders im Osten und Südosten der Region üblichen<br />

demografischen Verluste kontrastieren mit einer<br />

wachsenden Bevölkerung im Städteband entlang der<br />

A2. Selbst in der Mikrobetrachtung weisen die Siedlungsstrukturen<br />

in der Region deutliche Unterschiede<br />

auf – während es den Kernstädten vergleichsweise<br />

gut geht, verlieren die eingemeindeten Dörfer in der<br />

Peripherie längst nicht mehr nur Einwohner, sondern<br />

auch Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, soziale<br />

Einrichtungen, Schulen, Freizeitmöglichkeiten<br />

und Mobilitätsangebote. Ihre landschaftsräumlichen<br />

Qualitäten und die Möglichkeiten für landschaftsgebundene<br />

Sport- und Freizeitaktivitäten stehen diesen<br />

Verlusten auf der Habenseite gegenüber, können sie<br />

aber kaum kompensieren. Für Jugendliche, junge<br />

Erwachsene und ökonomisch aktive Menschen sind<br />

119<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT


120<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

die peripheren Räume in OWL deshalb zur Zeit wenig<br />

attraktiv. Ein Blick auf die peripheren Städte und<br />

Gemeinden und auf ihre umliegenden Dörfer, auf<br />

Willebadessen, Höxter, Kalletal, Espelkamp, zeigt das<br />

deutlich. Lediglich Kommunen wie Porta Westfalica,<br />

Oerlinghausen oder Delbrück können aus ihrer Nähe<br />

zu den größeren Städten Impulse ziehen und stehen<br />

deshalb vergleichsweise gut da.<br />

Wenn OWL nun im Rahmen der <strong>Regionale</strong> über<br />

Stadt-Land-Quartiere nachdenkt, helfen die bisherigen<br />

angebotsorientierten Strategien der Stadt- und<br />

Dorfentwicklung in den peripheren Räumen der Region<br />

wahrscheinlich nicht mehr weiter. So wenig wie<br />

eine gewerbliche Nachnutzung aufgelassener Industrieareale<br />

heute noch Innovation sicherstellen kann, so<br />

wenig kann die Neuausweisung von Wohngebieten in<br />

den peripheren Räumen den quantitativen und qualitativen<br />

Verlusten eine glaubhafte Alternative entgegenhalten.<br />

Nur wenn sie gleichermaßen Wohnangebote,<br />

Arbeitsmöglichkeiten und Lebensqualität bieten können,<br />

kann es in Zukunft attraktiv sein, hier zu leben.<br />

Einerseits kommt dabei der regionalen Kooperation<br />

zwischen Stadt und Dorf, zwischen Dorf und Dorf eine<br />

Schlüsselrolle für die Organisation des Raums zu. Andererseits<br />

könnte die Strategie der Konversion, also<br />

einer grundlegenden Neudefinition der ländlichen<br />

Räume, dazu beitragen, Dörfer wieder interessant zu<br />

machen. Was ist für eine solche Strategie notwendig?<br />

Dörfer konvertieren<br />

Wenn Dörfer und kleine Städte ihre Attraktivität als<br />

Lebensmittelpunkt für an urbane Vielfalt gewöhnte<br />

Menschen zurückgewinnen möchten, müssen sie<br />

über ihre eigenen „grünen“ und ruralen Qualitäten<br />

hinaus mindestens einen Teil der Anforderungen<br />

an eine als ubiquitär empfundene Urbanität erfüllen<br />

können. Das wird nur möglich sein, wenn sie sich<br />

neu erfinden, ohne ihre Herkunft zu verleugnen,<br />

wenn sie zugleich Lebensmöglichkeiten in einem<br />

überschaubaren sozialen und räumlichen Gefüge<br />

anbieten können, wenn sie „urban“ werden, ohne<br />

ihre Ruralität zu verlieren.<br />

Urbanität bedeutet im Kontext der Dörfer und Kleinstädte<br />

keine Adaption räumlicher und ökonomischer<br />

Muster größerer Städte, sondern die Chance zur Teilhabe<br />

an kulturellen, sozialen und Bildungsangeboten<br />

sowie Wohn- und Arbeitsmodellen, die einmal in<br />

größeren Städten entwickelt worden sind und bisher<br />

ausschließlich mit ihnen assoziiert werden. Dörfer<br />

brauchen eine neue kulturelle Dimension. Kommunikations-<br />

und Mobilitätstechnologien bieten mehr als<br />

je zuvor die Chance, Dörfer und ländliche Räume vom<br />

Rand in die Mitte der Gesellschaft zu holen und ihr<br />

negatives Image in ein spannendes neues Lebensmodell<br />

zu konvertieren. Das Dorf ist dann nicht mehr<br />

ausschließlich der Ort mühsamer landwirtschaftlicher<br />

Produktion. Es erhält vielmehr Alternativen als vernetzter<br />

Arbeitsort, als gelebtes soziales Netzwerk,<br />

das gleiche Qualitäten wie ein Quartier entwickeln<br />

kann, und als ein spannender Innovationsraum für<br />

eine Lebenswelt, die nicht aus einem Entweder Stadt<br />

oder Land, sondern aus einem "Sowohl-als-auch"<br />

bestehen kann. Es steht nicht mehr für Verzicht und<br />

Defizit, sondern für andere, erweiterte Qualitäten gegenüber<br />

den Möglichkeiten urbaner Räume und wird<br />

damit zu einer individuellen lokalen Alternative zum<br />

Leben in einer globalisierten Welt.


121<br />

Abbildung 2: Dorfkonversion. Norman Kalesse, Yannik Klauß<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

Dorfkonversion umfasst alle Lebensbereiche. Für<br />

das Wohnen wird es wichtig sein, auch in ländlichen<br />

Räumen zeitgemäße Formen des Zusammenlebens<br />

zu ermöglichen. Das ist weniger mit der<br />

Realisierung von der Urbanität städtischer Räume<br />

adaptierenden Neubauvorhaben verbunden,<br />

sondern mit der intelligenten Nutzung der in den<br />

Dörfern und Kleinstädten vorhandenen Potentiale<br />

im Bestand und mit der Entwicklung neuer Freiraumtypologien,<br />

die typische Freiraumstrukturen<br />

des ländlichen Raums integrieren und trotzdem öffentliche<br />

Räume sind. Ehemals landwirtschaftlich<br />

genutzte Anlagen und leerstehende Wohnhäuser<br />

können dabei als Möglichkeitsräume zum Wohnen<br />

und Arbeiten angesehen werden, die weit über<br />

die Chancen urbaner Wohn- und Arbeitsräume hinausgehen<br />

und neue Typologien einer ländlichen<br />

Urbanität ermöglichen.<br />

Abbildung 3: Ländliche Urbanität. Jana Bulich, Jannik Peters


122<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

Landwirtschaftswege können Teile eines neuen<br />

Parktyps werden, der Produktion und Rekreation<br />

verbindet. Die Mikrostruktur des Dorfes, bestehend<br />

aus Wohnhäusern, Ställen, Scheunen, Kirche und<br />

Gemeindehaus sowie der Feldfluren, sind Spuren<br />

einer räumlichen und produktiven Tradition, die ihre<br />

sozioökonomische Relevanz längst verloren hat und<br />

trotzdem deren Identität in die heutige Zeit überführt.<br />

Denn wenn Dorfkonversion erfolgreich sein<br />

möchte, muss sie neben neuen Wohnmöglichkeiten,<br />

neu gedachten Erholungsangeboten auch Chancen<br />

zum Arbeiten bieten. Dafür ist ein zukunftssicherer<br />

Ausbau der Kommunikationstechnologien genauso<br />

essentiell wie eine postfossile, nicht mehr nur<br />

auf den MIV (Motorisierten Individualverkehr) ausgerichtete<br />

regionale Mobilität. Dörfer können besonders<br />

dann zum Lebensmittelpunkt ökonomisch<br />

aktiver Menschen jenseits der großen Städte werden,<br />

wenn Kommunikationsmöglichkeiten die Mobilitätsangebote<br />

ergänzen. Neben den technischen<br />

Voraussetzungen für Heimarbeit können Co-Working-Angebote<br />

den individuellen Arbeitsplatz in der<br />

Stadt durch dezentrale Modelle vernetzten Arbeitens<br />

ersetzen, in denen selbst kreative Wertschöpfungsketten<br />

möglich erscheinen. Schließlich kann in einer<br />

Zeit sinkender Wochen- und Lebensarbeitszeit auch<br />

die klassische Wertschöpfung im ländlichen Raum<br />

durch produktive Landschaften eine Renaissance<br />

erfahren und durch Tourismus und Gesundheitswirtschaft<br />

ergänzt werden.<br />

Prof. Martin Hoelscher<br />

Dipl.-Ing. Stadtplaner Architekt,<br />

Lehrgebiet Städtebau & Stadt- und <strong>Regionale</strong>ntwicklung,<br />

Mitglied <strong>urbanLab</strong><br />

lehrt Städtebau und Stadt- und <strong>Regionale</strong>ntwicklung im Bachelor-Studiengang<br />

Stadtplanung an der Hochschule OWL in Detmold<br />

und im Master Städtebau NRW an der TH Köln. Derzeitig forscht<br />

er zu informellen Prozessen in Lateinamerika, u.a. im Rahmen einer<br />

Gastprofessur an der Universidad de La Salle in Bogotá. Zudem geht<br />

er einer freiberuflichen Tätigkeit als Planer und Gutachter nach.<br />

Die <strong>Regionale</strong> 2022 versteht das Konzept des<br />

Stadt-Land-Quartiers als ein Modell der Integration<br />

urbaner und ländlicher Lebensentwürfe. Im städtischen<br />

Raum gilt es dabei unter anderem darum,<br />

erweiterte Freiraumqualitäten sicherzustellen –<br />

was angesichts expandierender Immobilienmärkte<br />

sicher kein Selbstläufer sein kann. Im ländlichen<br />

Raum wird sich das Modell des Stadt-Land-Quartiers<br />

auch zukünftig eher am „slow“ orientieren und<br />

mit slow housing, slow production, slow leisure und<br />

slow mobility mit dem Leben in der Peripherie assoziierte<br />

Qualitäten aufweisen. Dazu gehört auch die<br />

Möglichkeit einer aktiven Teilhabe und Mitwirkung<br />

an einem kleinteiligen sozialen Gefüge. Räumliche<br />

Konzepte dazu wurden inzwischen vielfach untersucht<br />

(vgl. FARO Architecten 2012). Gleichzeitig<br />

aber ermöglicht das Modell des Stadt-Land-Quartiers<br />

auch, individuelle Lebenskonzepte auszuprobieren,<br />

die multilokal, vielleicht auch temporär, auf<br />

jeden Fall aber flexibel sind. Dorfkonversion bietet<br />

die Chance, genau dafür einen stadträumlichen,<br />

freiräumlichen und sozio-ökonomischen Rahmen<br />

bereitzustellen und ihn in den nächsten Jahren zu<br />

erproben. Sie steht damit für eine denkbare Zukunft<br />

der ländlichen Räume. Es wird spannend sein, diese<br />

Zukunft im UrbanLand Ostwestfalen-Lippe konzeptionell<br />

und räumlich zu konkretisieren.<br />

Prof. Kathrin Volk<br />

Dipl.-Ing. Landschaftsarchitektin,<br />

Lehrgebiet Landschaftsarchitektur & Entwerfen<br />

Mitglied <strong>urbanLab</strong><br />

lehrt an der Hochschule OWL in Detmold und im Master Städtebau<br />

NRW an der TH Köln. Sie ist Mitinitiatorin des Bachelor Studiengangs<br />

Stadtplanung an der Detmolder Schule für Architektur<br />

und Innenarchitektur und vertritt das Lehrgebiet „Landschaftsarchitektur<br />

und Entwerfen“. Sie ist Mitglied des <strong>urbanLab</strong> mit einem<br />

besonderen Interesse an der Frage nach urbanen Lebensstilen<br />

im ländlichen Raum und der Ästhetik des Unvollkommenen. Seit<br />

2016 ist sie Prodekanin der Detmolder Schule für Architektur und<br />

Innenarchitektur für den Bereich Forschung und Internationales.<br />

Dettling (2017): Dem Leben auf dem Land gehört die Zukunft. https://<br />

www.welt.de/debatte/kommentare/article162598346/Dem-Leben-aufdem-Land-gehoert-die-Zukunft.html<br />

(abgerufen am 12.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong>).<br />

FARO Architecten (2012): Landschappelijk Wonen. Wageningen 2012<br />

OWL GmbH (2016): Wir gestalten das neue UrbanLand, Bielefeld 2016<br />

Alle Abbildungen sind im WS 2017/18 im Rahmen des Moduls Perspektiven,<br />

Bachelor-Studiengang Stadtplanung, Detmolder Schule für<br />

Architektur und Innenarchitektur, entstanden.


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Angelika Fuchs<br />

124<br />

Stadt Land Transformation - AUS DER PRAXIS<br />

Der Regionalpark<br />

Eine Entwurfsaufgabe in der urbanisierten Landschaft<br />

Für die Zukunft vieler Städte sind nicht nur Anzahl und Art der Arbeitsplätze<br />

von ökonomischer Bedeutung, sondern auch die Qualität der landschaftlichen<br />

Umgebung. Im Wettbewerb um hochqualifizierte Mitarbeiter spielen weiche<br />

Standortfaktoren, wie die Zugänglichkeit der Landschaft und ein hoher<br />

Erholungswert eine entscheidende Rolle. Vor diesem Hintergrund stellen<br />

Regionalparks ein wichtiges Planungsinstrument dar.<br />

Abbildung 1: Der alte Fugplatz Bonames ist Teil des Frankfurter Grüngürtels<br />

)) Klingt einleuchtend, aber: Was ist<br />

das eigentlich - ein Regionalpark? ((<br />

Die Begriffe Region und Park sind uns geläufig. Das Wort<br />

Park geht auf das mittellateinische Wort „parricus“ zurück<br />

und bedeutet „begrenzter Raum“. Diesem heute immer<br />

noch deutlich definiertem Raum kennen wir als Ort in dem<br />

wir uns zum Picknick treffen oder ein Buch auf einer Bank<br />

lesen, mit dem Hund Gassi gehen, wo wir joggen, die Kinder<br />

in die Lüfte schaukeln, Senioren Schach spielen oder<br />

Jeu de Boules und noch vieles mehr. Die meisten Parks<br />

befinden sich in der Stadt und bilden einen rekreativen<br />

und ökologischen Kontrast zur steinernen Umgebung.<br />

Ein Regionalpark, so lässt der Name vermuten, bezieht sich<br />

auf die gesamte Region. Die Regionalparks, die es bereits in<br />

Europa gibt, zeigen uns, dass es sich um komplexere Gebilde<br />

handelt als den Stadtpark oder den Lustort. Eine Region ist –<br />

kurzum – groß und vielseitig: hier wohnt man, im kleinen oder<br />

gestapelt, schick oder bescheiden; hier arbeitet man, in Büros,<br />

in Fabrikhallen, im Handel, im Gesundheitswesen oder in der<br />

Landwirtschaft; hier wächst man auf, geht man zur Schule,<br />

spielt mit Freuden und erfreut sich am Sport. Die Landschaft<br />

ist natürlich oder kultiviert. Man bewegt sich auf Asphalt, auf<br />

Schienen, zu Wasser oder durch die Luft. Energie wird produziert<br />

und transportiert, Abfall erzeugt und verarbeitet.<br />

Der Begriff Regionalpark fügt zwei unterschiedliche Assoziationen<br />

zusammen. Ist die Einführung eines Regionalparks<br />

dann auch eine Zusammenführung von zwei scheinbar<br />

gegensätzlichen Wahrnehmungen? Wie stehen die<br />

Atmosphäre von Erholung und die Freizeitbetätigungen<br />

zu dem alltäglichem und eher funktionalem Programm in<br />

einem Gebiet zueinander; das Leichte zum Notwendigen,<br />

das Romantische zum Sachlichen? Ist die Kombination<br />

vom Erholsamen und dem Nicht-Erholsamen möglicherweise<br />

das Kennzeichen eines Regionalparks?<br />

Ein Überblick<br />

Einer der bekanntesten Regionalparks in Deutschland ist<br />

der Emscherpark im Ruhrgebiet. Die Planung des Projektes<br />

begann Ende der 80er Jahre im vorigen Jahrhundert<br />

und war zehn Jahre später vollendet. Das Flüsschen<br />

Emscher wurde renaturalisiert: Eine offene Kloake aus<br />

industrieller Zeit war wieder ein plätschernder Bach mit


natürlichen Lauf in einem 300 km 2 großen Naturgebiet.<br />

In diesem Gebiet wurden mehr als 120 Projekte realisiert,<br />

die sowohl die Qualität des Wohnens, als auch des Kulturlebens<br />

verbesserten. Der Emscherpark wird vielbesucht<br />

und inspiriert Politiker und Planer in ganz Europa.<br />

Besonders bemerkenswert ist der Imagewandel des Ruhrgebietes<br />

durch dieses Projekt. Der Abschied von der Montanindustrie<br />

führte zu großen sozialen und ökonomischen<br />

Problemen. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 20 % und<br />

die Demografie prognostiziert eine schrumpfende Anzahl<br />

von Bewohnern mit einem zunehmenden Seniorenanteil.<br />

Trotz dieser ernsthaften Situation steigen die Bekanntheit<br />

und die Anziehung des Emscherparks als eines der Kennzeichen<br />

des Ruhrgebietes. Immer mehr Bewohner nutzen<br />

immer häufiger das attraktive Gebiet mit seinen Möglichkeiten<br />

und Angeboten. Freistehende Gebäude bleiben<br />

nicht mehr leer, sondern bieten Platz für eine wachsende<br />

Wissens-Ökonomie, neue Energien und den Gesundheitssektor.<br />

Das progressive und kulturelle Image wird weiterhin<br />

gestärkt durch die Ernennung des Ruhrgebietes als<br />

eine der Kulturhauptstädte Europas: Ruhr.2010.<br />

Im Abschlussbericht von 2006 des Forschungs- und<br />

Entwicklungsprojektes SAUL, sustainable and accessible<br />

urban landscapes, werden Chancen und Herausforderungen<br />

sowohl für wachsende als auch für schrumpfende<br />

Regionen beleuchtet.<br />

)) Die angeführten Projekte der<br />

teilnehmenden Regionen spiegeln<br />

die Entwicklung des „urban<br />

Sprawl“, der „Zwischenstadt“,<br />

in Europa und damit auch das<br />

veränderte Verhältnis zwischen<br />

Stadt und Land wider. ((<br />

Vor allem dort, wo das städtische Wachstum zu Lasten<br />

der Landschaft geht, wird die Bedeutung des grünen<br />

und ländlichen Gebietes immer dringender deutlich.<br />

Das Grüngebiet ist sowohl für die Ökologie als auch für<br />

den Erholungswert der Stadt wichtig. Besonders in Gegenden<br />

mit einer hohen Entwicklungsdynamik sind die<br />

Außengebiete gefährdet. Wenn die Landwirtschaft rückläufig<br />

ist, die Felder und Wiesen keine eindeutigen Nutzer<br />

mehr haben und auch (noch) keine andere formale<br />

Bestimmung erhalten haben, zum Beispiel als Naturschutzgebiet,<br />

können Städte sich einfacher ausdehnen.<br />

Eine denkbare Strategie, die diesem Prozess Einhalt bieten<br />

soll, ist die Adoption des Gebietes durch möglichst<br />

viele Nutzer. Die hier zugrunde liegende Annahme ist,<br />

dass ein Gebiet, das genutzt und geschätzt wird, auch<br />

geschützt wird. Die Projekte in SAUL betonen ebenfalls<br />

die sogenannten weichen Standortfaktoren. Hiermit sind<br />

unter anderem die ästhetischen und erholungsrelevanten<br />

Qualitäten der Landschaft gemeint. Im Konkurrenzkampf<br />

der europäischen Städte und Regionen um qualifizierte<br />

Arbeitnehmer und Firmengründungen sind die weichen<br />

Standortfaktoren immer wichtiger. Vor dem Hintergrund<br />

der Globalisierung werden regionaltypische Eigenschaften<br />

besonders hoch bewertet.<br />

Die Beweggründe um einen Regionalpark zu initiieren<br />

sind sehr unterschiedlich: Das kann der Schutz der<br />

Landschaft in einer fortschreitenden Ausweitung der<br />

Städte einer Agglomeration sein, das kann das Imago<br />

in einer schrumpfenden Region sein oder es kann die<br />

Notwendigkeit eines ökonomischen Impulses in einer<br />

abbauenden Industrieregion sein. Die Einrichtung eines<br />

Regionalparks soll die räumliche Attraktivität des städtischen<br />

Umlandes erhöhen. In vielen Regionalparks liegt<br />

die Konzentration auf der Verstärkung der bestehenden<br />

räumlichen und programmatischen Qualitäten und der<br />

Entwicklung von Perspektiven für diejenigen Gebiete, die<br />

weniger Wertschätzung erleben. Dabei werden Dissonanten<br />

in einer Region akzeptiert und ins Ganze integriert.<br />

Die urbane Landschaft als Spiegel der Gesellschaft<br />

Landschaft und Raumgestaltung sind eng verknüpft<br />

mit den Menschen, die hierin agieren und leben. Verändert<br />

sich unsere Gesellschaft, so versuchen wir<br />

auch unsere Umgebung hieran anzupassen. Jede<br />

Gesellschaft und jede Zeit hat ihre eigenen Zeichen<br />

und Symbole in der Landschaft. Die einschneidenden<br />

Veränderungen der vergangenen Dekaden heißen<br />

Globalisierung, Wissensgesellschaft, veränderte ökonomische<br />

Strukturen, Individualisierung und Pluralisierung.<br />

Das Vokabular für die räumlichen Veränderungen<br />

der vergangenen Jahre lautet: Zwischenstadt,<br />

urbane Landschaften, urbane Landwirtschaft, heterogene<br />

Landschaften und Fragmentierung der städtischen<br />

Strukturen. Die Entstehung von Regionalparks,<br />

als räumliche Gestaltung und als Planungsinstrument,<br />

muss in diesem Kontext gesehen werden.<br />

Soziologen und Philosophen beschreiben die heutige<br />

Gesellschaft als eine postmoderne Gesellschaft, in<br />

der ein Übergang von Eindeutigkeit zu Unterschied<br />

und Vielfalt stattfindet.<br />

So war eines der Kennzeichen des Modernismus das<br />

Streben nach Ordnung und Eindeutigkeit. Man definierte<br />

eindeutige Wahrheiten und deutlich abgegrenzte Einteilungen:<br />

Stadt oder Land, wohnen oder arbeiten, mobil<br />

oder stabil. Im Postmodernismus werden Dinge und<br />

Ideen miteinander gemischt, die zuvor nicht zusammen<br />

gehörten oder nicht zueinander gehören sollten. (Vester<br />

1993, S. 15) Illustrative Beispiele aus dem Alltag hierfür<br />

sind: im Freibad mit dem Laptop arbeiten, Erdbeeren<br />

im Winter, eingeflogen aus Brasilien, angerufen werden<br />

auf der Skipiste, ein allabendliches Plauderstündchen<br />

mit Menschen aus aller Welt im Chatraum der Website<br />

eines Literaturclubs. Die immense Ausweitung der Möglichkeiten<br />

für den Einzelnen und der Kontakt zu anderen<br />

Lebenswirklichkeiten fördert die Sensibilität für Unterschiede<br />

und die Fähigkeit, um Widersprüche zu akzeptieren<br />

(so Lyotard 1979). Die große Erzählung, die große<br />

Linie, macht Platz für viele kleine Erzählungen.<br />

125<br />

Stadt Land Transformation - AUS DER PRAXIS


126<br />

Stadt Land Transformation - AUS DER PRAXIS<br />

Abbildung 2: Kletterwand am Biomassekraftwerk<br />

Abbildung 3: Aussichtsmöglichkeiten<br />

Diese Ablösung der großen Erzählung von den kleinen<br />

Erzählungen lässt sich in der Raumgestaltung gut beobachten.<br />

Stadt, Land, Kern und Peripherie, die Ordnung<br />

verschiedener Funktionen haben sich aufgelöst und sind<br />

in einer patchworkartigen Struktur miteinander verwoben.<br />

Die Stadt als Ganzes erscheint unübersichtlich. Ökonomische,<br />

kulturelle und soziale Handlungen lösen sich immer<br />

häufiger von ihrem räumlichen Kontext. Die Identifikation<br />

mit der Stadt beschränkt sich auf wenige lokale Orte:<br />

Der Bäcker, der Arbeitsplatz, die Route für den Hund,<br />

die Stadtautobahn, ein Wahrzeichen der Stadt. Giddens<br />

spricht in diesem Zusammenhang von einer gewissen<br />

Ortslosigkeit und von 'Dis-embedding' (Entbettung). So<br />

ist das Bedürfnis nach einem Bewusstsein für das eigene<br />

Umfeld, das Schaffen von Heimat und die Verstärkung<br />

von regionaler Identität als Antwort auf die Dis-embedding<br />

zu verstehen: Die 'Re-embedding'. Die Diskussionen<br />

rund um die regionale Identität sind oft emotionsbeladen<br />

und nicht selten werden für die Wahrnehmbarkeit und den<br />

Identifikationswert eines Ortes die agrarischen und industriellen<br />

Relikte von früher aufgegriffen. Die postmoderne<br />

Einstellung kann die verschiedenen Gegebenheiten und<br />

Interessen (Erzählungen) so miteinander kombinieren,<br />

dass eine neue Betrachtung und Bedeutung entsteht,<br />

die als bewusster Bruch an die bestehenden (teils widersprüchlichen)<br />

Erzählungen der Stadt zugeführt wird: das<br />

Entstehen einer barocken Ruinenästhetik, städtische Kulturveranstaltungen<br />

im industriellen Niemandsland, Kunstwerke<br />

entlang historischer Strukturen.<br />

Der Wandel von der „Entweder-oder-Kultur“ zur „Sowohl-als-auch-Kultur“<br />

hat auch Einfluss auf die Planungskultur.<br />

Neben den traditionellen Aspekten, wie<br />

zum Beispiel Funktionalität und Wirtschaftlichkeit,<br />

werden nun auch die individuelle Wahrnehmung und<br />

das subjektive Erleben der Bewohner aufgenommen.<br />

Sie sind maßgebend für die Aneignung von Orten<br />

und deren Aufladung mit persönlicher und kollektiver<br />

Bedeutung. Ästhetik und Symbolik erhalten einen<br />

Platz in der Raumplanung und zählen zu den weichen<br />

Faktoren.<br />

In Zusammenarbeit mit Bewohnern und relevanten<br />

Akteuren soll ein kreativer Prozess in Gang gesetzt<br />

werden, um die Nutzung und die Gestaltung der Umgebung<br />

zu bereichern.<br />

)) Ziel der Raumplanung ist nicht<br />

mehr, die Zuweisung von eindeutiger<br />

und funktionaler Nutzung,<br />

sondern das Zugestehen von<br />

mehrfältiger Nutzung und dem<br />

Stimulieren von polyvalenter<br />

Bedeutung. ((<br />

Abbildung 4: Neue Wegeverbindungen durch die Entstehung neuer Regionalparks<br />

Besonders erwähnenswert ist ebenfalls der Umgang<br />

mit sogenannten Dissonanzen in einer Region, wenn<br />

hier ein Vorgang der Umdeutung stattfindet. Das beinhaltet,<br />

dass ehemals negativ konnotierte Nutzun-


gen, Architektur oder Landschaftselemente durch die<br />

Verbindung mit einer positiv erlebten Nutzung eine<br />

gesamt positive Bewertung erhalten. Beispiele hierfür<br />

gibt es im Regionalpark Rheinmain. Dort gibt es<br />

einen Aussichthügel an der Autobahn, wo die wichtigen<br />

ökonomischen und kulturellen Elemente und<br />

Landschaften in Szene gesetzt werden: die Skyline<br />

von Frankfurt, der Naturpark Taunus, der Flughafen<br />

FFM und auch die Infrastruktur der Autobahn und<br />

der neuen ICE-Verbindung lassen sich bewundern.<br />

Des Weiteren wurde der ehemalige Militärflughafen<br />

ins GrünGürtel-Projekt von Frankfurt integriert. Ein<br />

Teil der Landebahn wurde aufgebrochen und der Natur<br />

überlassen. Die Gebäude wurden umgebaut und<br />

beherbergen nun ein Cafe, das Feuerwehrmuseum<br />

und Aeronautenevents. Sogar eine Abfallverwertungsanlage<br />

erfreut nun die Rekreanten. Die künstlerisch<br />

gestaltete Fassade darf nun als Kletterwand<br />

genutzt werden.<br />

Die überraschenden Kombinationen sind nicht nur originell,<br />

sondern verursachen auch einen anderen Blick auf bislang<br />

Bekanntes und laden zu neuer Benutzung ein. In diesem<br />

Prozess der Umdeutung verschieben sich Wertungen,<br />

Interpretationen und Bedeutungen von Situationen. Hier<br />

liegt ein beachtliches Potential, um große Differenzen von<br />

Interessen in einer Landschaft, einer Region aneinander<br />

zu koppeln oder sogar Koalitionen zu bauen. Zweifellos<br />

können Architekten und Stadtplaner unerschöpflich sein<br />

im Ideenreichtum von derartigen hybriden Kreationen.<br />

Doch lauert hier auch eine Gefahr in den Bemühungen<br />

um Qualitätssteigerung der urbanen Landschaft: Der Grat<br />

zwischen gut integrierten und akzeptierten Landschaftselementen<br />

und der Camouflage von abstoßenden oder<br />

gar unerwünschten Dingen ist schmal.<br />

Angelika Fuchs<br />

Partnerin FM Architekten<br />

FM Architekten ist das Architektenbüro von Angelika Fuchs und<br />

Michel Melenhorst. Das Büro hat viel Erfahrung in Forschung und<br />

Entwurf. In Forschungsfragen sucht das Büro oft die Zusammenarbeit<br />

mit unterschiedlichen Disziplinen wie zum Beispiel Historikern,<br />

Juristen, Anthropologen, Pädagogen und auch Künstlern.<br />

fm bedeutet ´frequency modulation´. Eine gute Abstimmung von<br />

unterschiedlichen Disziplinen und Wellenlänge führt zu einem optimierten<br />

Verfahren und klaren Resultaten.<br />

Angelika Fuchs (1968) ist Architektin und studierte an der FH<br />

Trier, der Städelschule Frankfurt und dem Berlage Institut in den<br />

Niederlanden. Sie arbeitete bei OIII Architeken, BVR/ Riek Bakker<br />

advisieurs stedelijke ontwikkeling landschap en infrastructuur,<br />

Rau&Partners und DAAD Architecten, gründete 2008 "FM - Forschung<br />

in Architektur und Städtebau", mit dem Ziel unabhängige<br />

Forschungsprojekte durchführen zu können und die Resultaten<br />

dieser Forschung in die Entwurfspraxis einzubetten. Sie war<br />

Mitglied der Forschungsgruppe räumliche Transformation an der<br />

Hanse University of Applied Science in Groningen und als Dozentin<br />

und Gastdozentin tätig u.a. an der HTS Amsterdam, AvB<br />

Groningen, TU Delft, TU Darmstadt und der HS-OWL. Mit FM<br />

Architekten entstanden in den letzten Jahren mehrere Publikationen<br />

und ein Buch über Schulraum und Inklusion für Grundschulen<br />

sowie weiterführende Schulen.<br />

127<br />

Stadt Land Transformation - AUS DER PRAXIS<br />

Die Rechte der Bilder liegen bei der Autorin, Angelika Fuchs.<br />

Beckers, T (2007): Over de kunst van het combineren van het nuttige met het aangename: Duurzame kwaliteit voor toekomstige recreatie. Utrecht 2007<br />

Boivin, B., Brouwer & Meijerink (red.) (2005): Groeien in Ruimte: Nationaal Stedelijk Netwerk Groningen-Assen. Groningen 2005<br />

Broesi, R. e.a. (20<strong>03</strong>): Euroscapes. In: Forum volume 41, 20<strong>03</strong>. Amsterdam 20<strong>03</strong><br />

Brouwer & Meijerink(red.) (2008): Groeien in Ruimte: Special Regiopark, Nummer 11/2008. Groningen 2008<br />

Curré, C. (2008): Het verhaal achter het verhaal – internationale voorbeelden van duurzame gebiedsontwikkeling. Over de innovatieve tocht van streken die<br />

nadenken over gebiedskwaliteiten, profilering en toegevoegde waardep. 2008<br />

ECNC (red.) (2008): Het landschap als imago – Leidraad voor het vermarkten van landschap en streekproducten, Den Bosch 2008<br />

Dettmar, Joerg (2007): Urbanisierte Landschaft-Kulturlandschaft der beschleunigten Gesellschaft. In: CONTUREC 2, Seite 30-38. 2007<br />

Gailing, L. (2005): Sustainable Landscape Development with Regional Parks- Overcaming Problems of landscape: Multifunctionality in Urban Aglomerations.<br />

Paper fort he ERSA congres “Land Use and Water Management in a Sustainable Network Society”. Amsterdam 2005<br />

Hartz, A., Kestermann, R. (2004): New planning concepts and regional cooperation: Responding to the challenges of new urban landscapes. In: Planning<br />

Metropolitan Landscapes, Delta series 4. Wageningen 2004<br />

Hermans, E.W., de Roo, G. (2006): LILA en de planologie van de contramal – De ruimtelijk-economische ontwikkeling van Noord-Nederland krijgt een<br />

eigen kleur. Assen 2006<br />

Herngreen, R. (2006): Levende cultuur- De maakbaarheid van regionale identiteit. In: <strong>Regionale</strong> Identiteit – Kunst en ruimtelijke planvorming. Rotterdam 2006<br />

Hokema, D. (2009): Die Landschaft der <strong>Regionale</strong>ntwicklung: Wie flexibel ist der Landschaftsbegriff?. In: RuR 3/2009. Köln 2009<br />

Krug-Gbur, V., Sieverts, T. e.a. (2006): <strong>Regionale</strong> Gartenkultur: Über die Identität von Landschaften. DGGL Jahrbuch 2006. München 2006<br />

Langenhagen-Rohrbach, C. (20<strong>03</strong>): Was ist eigentlich „<strong>Regionale</strong> Identität“?. In: LEADER Forum 3.20<strong>03</strong><br />

Sijmons, Dirk (2005): Bij de zestigste verjaardag van Frau Antje: No.2.. Noorderbreedte 2005<br />

Sijmons, D. e.a. (2008): Greetings from Europe: Landscape & Leissure. Rotterdam 2008<br />

Saul (2006): Vitale Stadtlandschaften – Die entscheidende Rolle Nachhaltiger und zugänglicher Stadtlandschaften in Europas Stadtregionen; Der Abschlussbericht<br />

der SAUL Partnerschaft 2006.<br />

Woestenberg, M. e.a. (2009): Recreatie & Landschap 1900-2009: Van bermtoerisme tot dancevalley. Wageningen 2009<br />

Ool van, M. (2006): Stad noch Land – De ruimtelijke ontordening van Nederland. Rotterdam 2006


Katrin Schade, Marcus Hübscher<br />

128<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

Handelslagen der Zukunft: urban, vernetzt, digital?<br />

Ein Plädoyer für belebte Innenstädte in Zeiten der Digitalisierung<br />

Städte müssen sich mit Defiziten urbaner Handelslagen auseinandersetzen,<br />

die sich in der Zunahme von Gewerbeleerständen und einem Rückgang<br />

der Besucherfrequenz äußern. Mit dem drohenden Funktionsverlust des<br />

stationären Handels ist die Multifunktionalität der Zentren gefährdet. Doch<br />

gerade der vielseitige Zentrumscharakter ist identitätsstiftend für unsere<br />

Städte. Die Gründe für den Funktionsverlust sind mehrschichtig. Um sich<br />

der Problematik zu stellen, bedarf es einer integrierten Betrachtungsweise.<br />

Mit SURTRADE startete 2017 ein interdisziplinäres Forschungsprojekt,<br />

welches zukunftsfähige Konzepte für den stationären Handel in Zeiten von<br />

Globalisierung und Digitalisierung untersucht.<br />

Abbildung 1: Leerstand auf der Leipziger Petersstraße. Foto: Marcus Hübscher, <strong>2018</strong><br />

Frequenzrückgänge in den Handelslagen – ein<br />

Schreckgespenst für Stadt und Handel<br />

Die Defizite urbaner Handelslagen äußern sich maßgeblich<br />

in Form von räumlichen und betriebsformbezogenen<br />

Disparitäten. Räumliche Disparitäten urbaner<br />

Handelslagen lassen sich vor allem zwischen<br />

kleineren Städten und Gemeinden und Großstädten<br />

ausmachen. Leerstände im Einzelhandel werden in<br />

kleineren Städten und Gemeinden seit Jahren von<br />

einem Rückgang der Besucherfrequenz begleitet.<br />

Nicht selten kommt es zu einem Funktionsverlust<br />

des Handels und entsprechend zu einem Funktionswandel<br />

in den Zentren. Handelsflächen werden unter<br />

anderem zu Wohnungen oder Gastronomiebetrieben<br />

umgenutzt (Sperle 2011: 276ff.). Viele Gemeinden<br />

sehen sich mit der Thematik Daseinsvorsorge im<br />

Zusammenhang mit einer Sicherung von Nahversorgung<br />

konfrontiert (Naumann/Reichert-Schick<br />

2015: 1-3). Belebte Einkaufsstraßen sind jedoch<br />

auch in Großstädten keine Selbstverständlichkeit<br />

mehr. Selbst in Leipzig, der Metropole, die deutschlandweit<br />

Bestnoten bei der Besucherzufriedenheit<br />

in Innenstädten erzielt hat (IFH Köln 2017), machen<br />

sich zunehmend Leerflächen in unterschiedlichen<br />

Lagen bemerkbar (siehe Abb.1). Betroffen ist längst<br />

nicht nur das Leipziger Passagensystem als innerstädtische<br />

Nebenlage. Auch Shopping Center, egal


ob integriert oder auf der grünen Wiese und selbst<br />

zentrale 1A-Lagen, weisen zum Teil seit Jahren leerstehende<br />

Flächen und hohe Fluktuationen auf.<br />

Warum ist es erstrebenswert, vitale Innenstädte<br />

zu fördern, um den stationären Handel aufrecht<br />

zu erhalten?<br />

Betriebsformbezogene Disparitäten lassen sich vor<br />

allem zwischen mittelständischem, inhabergeführtem<br />

Facheinzelhandel und dem filialisierten bzw. großflächigen<br />

Einzelhandel ausmachen. Dem inhabergeführten<br />

Einzelhandel fällt es ungleich schwerer, den<br />

Wandel vom reinen Versorgungsangebot zum Erlebniseinkauf<br />

zu gestalten. Große Handelsketten sind<br />

dagegen in der Lage, ihre Unternehmensstrukturen<br />

schneller an Veränderungen anzupassen. In Reaktion<br />

auf den Wandel versuchen Stadtverwaltungen, die Innenentwicklung<br />

mithilfe von Fachpersonal in Form von<br />

Citymanagements zu fördern. Denn das Stadtzentrum<br />

war und ist ein Ort der Identifikation (Häußermann<br />

2001: 249). Es verbindet verschiedene Funktionen wie<br />

Wohnen, Handel, Arbeit, Kultur und Bildung im selben<br />

öffentlichen Raum. Das Citymanagement soll daher<br />

gerade dem inhabergeführten Einzelhandel aufzeigen,<br />

dass neben der notwendigen Modernisierung der<br />

eigenen Ladenfläche und des Geschäftskonzeptes,<br />

insbesondere die Digitalisierung im Handel keine Eintagsfliege<br />

ist (Landesinitiative StadtBauKultur NRW<br />

2015: 46). Denn E-Commerce verzeichnet anhaltend<br />

hohe Wachstumsraten. Sein Umsatzanteil am Einzelhandel<br />

lag zuletzt bei ca. zehn Prozent (Statistisches<br />

Bundesamt <strong>2018</strong>). Somit steht fest, dass Amazon und<br />

Co. die innerstädtische Handelslage auch zukünftig<br />

vor Herausforderungen stellen werden.<br />

Zur Notwendigkeit eines integrierten Ansatzes<br />

Aufgrund der Notwendigkeit, den Handel als Zentrenfunktion<br />

für vitale Innenstädte zu erhalten, ist insbesondere<br />

vor dem Hintergrund der Digitalisierung ein<br />

integrierter Ansatz zum Umgang mit Handelslagen<br />

erforderlich.<br />

HANDEL: Digitalisierung ist ein Querschnittsthema.<br />

Zunächst trifft es den Handel direkt, indem sich Einkäufe<br />

Online und über unterschiedliche Endgeräte tätigen<br />

lassen. Dabei steigt insbesondere der Umsatz<br />

der Einkäufe, die über das Smartphone, das heißt<br />

mobil, getätigt werden (BEVH <strong>2018</strong>: 17f.). Gleichzeitig<br />

geht die Bedeutung des stationären Angebots<br />

jedoch nicht verloren. Wie ließe sich sonst erklären,<br />

dass Amazon und Zalando Filialen in Innenstädten<br />

bereits umgesetzt haben und weiterhin planen (Freie<br />

Presse <strong>2018</strong>). Die Entwicklung zum mobile bzw.<br />

M-Commerce scheint demnach eine Chance für den<br />

stationären Handel zu sein. Denn letztlich sprechen<br />

Erlebnisfaktor, Beratung und Service für das Ladengeschäft.<br />

Aufgabe muss es zukünftig sein, Stationärgeschäft,<br />

Smartphone und andere Endgeräte miteinander<br />

in Verbindung zu bringen, um ein ganzheitliches<br />

Einkaufserlebnis bei jeder Betriebsform zu erreichen.<br />

)) Die größte Herausforderung für<br />

Einzelhändler ist es, Sichtbarkeit<br />

im Netz zu erlangen. Das<br />

Online-Angebot ist so vielfältig,<br />

dass ein Einzelhändler allein<br />

kaum wahrgenommen wird,<br />

hat er sich nicht bereits eine<br />

Stammkundschaft aufgebaut.<br />

Die Chance liegt in der Verschiedenheit<br />

der Einzelhändler. ((<br />

Doch inhabergeführte Geschäfte und Filialisten unterscheiden<br />

sich derzeit stark in ihrem räumlichen<br />

Aktionsraum bzw. ihrem Anspruch an den jeweiligen<br />

Filialstandort. In der Bindung an den Standort liegt die<br />

Möglichkeit, sich von anderen Standorten und auch<br />

standort-unspezifischen Online-Angeboten abzuheben.<br />

Zudem ist es für inhabergeführte Geschäfte aufgrund<br />

der geringen Personaldecke schwieriger, einen<br />

Zugang zum Online-Handel zu finden, da ein professioneller<br />

Online-Auftritt einen hohen Zeitaufwand erfordert.<br />

Eine Möglichkeit zur Stärkung der stationären<br />

Einzelhandelslandschaft liegt in der Unterstützung<br />

beim Einstieg in den Online-Handel, auch, um den<br />

Gesamtstandort attraktiv zu gestalten.<br />

Wie kann Digitalisierung vor diesem Hintergrund<br />

als Chance für den stationären Handel verstanden<br />

werden?<br />

Eine Chance von Digitalisierung und Handel liegt in<br />

der Optimierung bestehender Einzelhandelskonzepte<br />

mittels digitaler Services. Daraus folgend können<br />

konkrete Trends beobachtet werden. Verkaufsflächen<br />

beispielsweise werden tendenziell kleiner. Nicht jedes<br />

Warenangebot muss mehr in aller Breite und Tiefe<br />

im Laden verfügbar sein, wenn sogenannte „Magic<br />

Mirrors“ zum Einsatz kommen. Mithilfe des „Magic<br />

Mirrors“, einem digitalen Spiegel, können Informationen<br />

eines Nutzers personalisiert werden, sodass<br />

ihm nur Produkte seiner Wahl bzw. seines Interesses<br />

angezeigt werden. (Manß/Kirchgeorg 2017: 29). Daran<br />

wird deutlich, dass die Kommunikation zwischen<br />

Mensch und Medium zu einer Flexibilisierung des Angebots<br />

beiträgt. Auch digitale Warenwirtschaftssysteme<br />

sind in einer Gesellschaft der Zeitverknappung<br />

ein essentielles Mittel zur Echtzeitdarstellung von Produktverfügbarkeiten.<br />

Als weiteres Beispiel kann eine<br />

personalisierte „In-Shop“ Navigation bei der Suche im<br />

Kaufhaus-Dschungel helfen und VR-Brillen visualisieren<br />

die Couch aus dem Laden direkt in das heimische<br />

Wohnzimmer. Daran schließt sich das kreative Potenzial<br />

von stationären Verkaufsflächen an. Interaktive<br />

„Show Rooms“ und die Zunahme zeitlich begrenzter<br />

„Pop-Up Stores“ tragen zu einem stetigen und schnellen<br />

Wandel der Flächen, zu einer Steigerung des Erlebnisfaktors<br />

und der Attraktivität der Zentren bei.<br />

129<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT


130<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

IT: Nachdem die Digitalisierung in vielen Lebensbereichen<br />

etabliert wird, gilt es aus Sicht der IT, eine Art<br />

Baukastenarchitektur zu entwickeln, die drei wesentlichen<br />

Nutzergruppen ansprechen soll. Die Kunden, als<br />

erste Nutzergruppe setzen sich zunehmend heterogen<br />

zusammen. Dennoch haben sie grundsätzliche, gemeinsame<br />

Bedarfskriterien: sie wollen einfache und<br />

flexible Lösungen, eine hohe Warenverfügbarkeit und<br />

Transparenz auf der einen sowie den größtmöglichen<br />

Datenschutz auf der anderen Seite. Die zweite Gruppe<br />

Händler verfolgt im Wesentlichen zwei gemeinsame<br />

Anforderungen: zum einen möchten sie den Schutz<br />

von Geschäftsgeheimnissen gewahrt wissen. Zum<br />

anderen stehen nach wie vor viele Händler vor der<br />

Herausforderung einer Einbindung ihres Warenwirtschaftssystems<br />

in die digitale Infrastruktur. Zwischen<br />

Kunde und Händler gibt es diverse Schnittstellen. Die<br />

Schnittstelle Logistik steht bei der Entwicklung zukunftsfähiger<br />

Lösungskonzepte derzeit besonders im<br />

Fokus. Sie sieht sich vor allem kurzfristigen Problemen<br />

bzgl. effizienter und schneller Lieferungsmöglichkeiten<br />

ausgesetzt. Daher ist eine Aufgabe der IT, die<br />

digitale Infrastruktur für neue Konzepte zu liefern, die<br />

beispielsweise Sammellieferungen oder Sharing Konzepte<br />

ermöglichen bzw. vereinfachen.<br />

Logistik: Eine nachhaltige Verkehrsnutzung durch<br />

E-Fahrzeuge oder Sharing-Konzepte wird im Individual-<br />

und vor allem Transportverkehr unerlässlich. Dies<br />

betrifft insbesondere die Zentren größerer Städte,<br />

wo die Umweltbelastung bereits kritische Werte erreicht<br />

hat und Platzmangel zum Verdrängungswettbewerb<br />

führt. Neue Logistikkonzepte, insbesondere im<br />

Last-Mile-Bereich sind dementsprechend in hohem<br />

Maße vom Grad der Urbanisierung abhängig. Während<br />

Versuche zum Einsatz von Drohnen und Robotern<br />

eher in Innenstädten zu finden sind, bieten sich<br />

Lastenräder und Sharing-Konzepte bzw. Sammellieferungen<br />

auch in kleineren Städten und Gemeinden an.<br />

Zunehmend werden Konzepte für autofreie Quartiere<br />

getestet. Neben der Nachhaltigkeit spielt auch hier<br />

die Flexibilisierung eine entscheidende Rolle.<br />

)) Logistische Lösungen müssen<br />

sich in den Alltag integrieren<br />

lassen bzw. diesen erleichtern,<br />

erst dann kann beispielsweise<br />

der Besuch des Zentrums zum<br />

Abholen online bestellter Ware<br />

attraktiv sein. ((<br />

Eine große Herausforderung ist in dem Zusammenhang<br />

die Implementierung stadtzentraler Logistik-Depots.<br />

Hier ist eine Zusammenarbeit der relevanten<br />

Akteure wie z.B. Immobilieneigentümer, Geschäftsbetreiber<br />

und Stadtplaner von wesentlicher Bedeutung.<br />

Ein lokaler Online-Marktplatz – mehr als „nur“<br />

(Online-) Handel?<br />

Als Praxisbeispiel eines integrierten Ansatzes hat<br />

sich in den letzten sechs Jahren eine Vielzahl sogenannter<br />

lokaler Online-Marktplätze herausgebildet.<br />

Der Unterschied zu Amazon & Co. liegt in der Standortbezogenheit<br />

der Online-Plattformen. Sie bringen<br />

stationäre Geschäfte eines bestimmten Raumes,<br />

beispielsweise Kommune, Quartier oder Region, gemeinsam<br />

auf einer Plattform online. Ziel ist zunächst,<br />

die Sichtbarkeit der Geschäfte durch eine Vernetzung<br />

und gemeinsame Werbung zu stärken. Einige Plattformen<br />

bieten Händlern außerdem die Möglichkeit,<br />

online Absatz zu generieren oder bieten erweiterte,<br />

raumbezogene Informationen wie einen Eventkalender<br />

etc. an. Die räumliche Verteilung der Plattformen<br />

zeigt, dass diese sich insbesondere in europäischen<br />

Ländern herausbilden, speziell in Deutschland bzw.<br />

dem deutschsprachigen Raum. Die Ausprägung der<br />

Plattformen unterscheidet sich auch nach Stadtgröße<br />

und lässt sich überall da feststellen, wo der mittelständische,<br />

inhabergeführte Einzelhandel besonders<br />

stark ausgebildet ist. Es befinden sich entsprechend<br />

insbesondere kleine inhabergeführte Geschäfte auf<br />

den Plattformen, während der filialisierte Einzelhandel<br />

häufig eine Randerscheinung darstellt.<br />

In einer Studie zum Thema „Chancen und Herausforderungen<br />

lokaler Online-Marktplätze“ im Rahmen des<br />

Forschungsprojektes SURTRADE, hat das Institut für<br />

Stadtentwicklung und Bauwirtschaft an der Universität<br />

Leipzig eine „Mixed-Method“ Analyse durchgeführt.<br />

In der quantitativen Analyse wurden 95 Plattformen<br />

ermittelt, die bestimmte Grundfunktionen eines lokalen<br />

Online-Marktplatzes aufweisen. 42 Plattformen<br />

wurden in einem Steckbrief näher analysiert. Schließlich<br />

wurden acht Plattformen als besonders aussagekräftig<br />

identifiziert. In einer qualitativen Analyse wurden<br />

daraus neun Experteninterviews mit kommunalen<br />

Vertretern und Plattformbetreibern geführt.<br />

Eine wesentliche Erkenntnis der Studie ist, dass sich<br />

viele Plattformen ausschließlich auf Handel spezialisiert<br />

haben. Sie bieten meist spezifische digitale Services für<br />

Händler an, sei es die Einbindung in Social-Media-Kanäle<br />

oder die Bereitstellung logistischer Lösungen. Hier<br />

sei speziell die Plattform „Lokaso in Siegen“ genannt. Mit<br />

Lokaso können Kunden ihre Ware ohne Versandkosten<br />

nach Hause geliefert bekommen, meist sogar mit „Same<br />

Day Delivery“. Damit sind die Betreiber besser aufgestellt<br />

als die meisten Plattformen, die logistische Lösungen<br />

an Endkunden anbieten. Lokaso schafft auch eine<br />

Möglichkeit der Daseinsvorsorge, durch die Belieferung<br />

von kleineren Orten im Umkreis Siegens. Eine weitere<br />

Stärke ist das breite Angebot auf Lokaso, welches vom<br />

tradierten inhabergeführten Einzelhändler bis hin zum<br />

Supermarkt unterschiedliche Marktsegmente bedient.<br />

Neben lokalen, vornehmlich Handels-Plattformen wie<br />

Lokaso, gibt es auch Ansätze, die sich mit Stadtzentren<br />

oder -vierteln im gesamten Kontext der Entwicklung bzw.<br />

des Angebots beschäftigen. Das Beispiel „imGrätzl“ aus


131<br />

Wien bettet den Handel mit einem quartiersbezogenen<br />

Ansatz in das Funktionsgefüge Quartier ein und will alle<br />

dortigen Bewohner aktivieren, um ihr Viertel nachhaltig<br />

zu verändern. Gewerbetreibende aber auch Privatpersonen<br />

können über einen eigenen Account von Aktivitäten<br />

berichten und diese in Form eines Newsletters<br />

über die Online-Plattform in das Quartier weitertragen.<br />

Hinzu kommt der „Raumteiler“, der in Kooperation mit<br />

einem Bauträger als Maßnahme zur Belebung leerstehender<br />

Räume verstanden werden kann. Damit liegt der<br />

Schwerpunkt bei „imGrätzl“ vor allem im Online-Marketing<br />

für die Offline-Förderung einer eigenständigen, lebendigen<br />

Quartiersentwicklung.<br />

Abbildung 2: Integriertes Service Systems für den Crosschannel-Handel in der Zukunftsstadt. Katrin Schade<br />

SURTRADE – Integriertes Service System für<br />

den Crosschannel-Handel in der Zukunftsstadt<br />

Diese und weitere detaillierte Fragestellungen innerhalb<br />

der vier Querschnittsthemen Stadt, Handel, IT<br />

und Logistik hat das Forschungsprojekt SURTRADE<br />

im Blick. 2017 startete das Verbundprojekt öffentlicher<br />

und privater Hochschulen sowie IT-, Logistik- und Handelsunternehmen,<br />

welches die Erarbeitung einer Smart<br />

Retail Service Plattform zum Ziel hat. Die Plattform soll<br />

eine Möglichkeit aufzeigen, wie der stationäre Handel<br />

in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung zukunftsfähig<br />

entwickelt werden kann.<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

Worin liegt die Chance, auch Aspekte abseits des<br />

Handels in lokale Online-Marktplätze zu integrieren?<br />

Der Handel spielt zweifelsfrei eine zentrale Rolle, aber<br />

wir sehen in der Stadt auch ein Zentrum für Kultur, Gastronomie,<br />

Arbeit, Bildung und Freizeit etc. Basierend auf<br />

dem bunten Blumenstrauß urbaner Zentrenfunktionen<br />

ergibt sich für den Besucher eine entsprechend komplexe<br />

„Customer Journey“. Dies setzt natürlich voraus,<br />

den im Marketing verorteten Begriff eines Ablaufschemas<br />

vom Kaufimpuls hin zum -abschluss breiter zu definieren<br />

(Böcker 2015: 167). Die entscheidende Herausforderung<br />

in Zeiten der Digitalisierung ist somit, für die<br />

analog existenten städtischen Strukturen ein möglichst<br />

umfassendes digitales Abziehbild zu gestalten. Das erhöht<br />

nicht nur die Sichtbarkeit bestehender Angebote,<br />

es stärkt auch die Frequenz – sowohl Online als auch<br />

Offline. Gerade letzteres bedeutet die Rückkehr des<br />

Kunden in die Stadt. Von den sich ergebenden Synergien<br />

profitieren alle Beteiligten – Händler, Kunden, aber<br />

auch Bürger oder Touristen. Eine Smart Retail Service<br />

Plattform kann dies bieten, wenn Sie als Dachinfrastruktur<br />

bereits bestehende Angebote wie ÖPNV-App,<br />

persönlicher Kalender, Öffnungszeiten und Speisekarte<br />

miteinander verknüpft (siehe Abb. 2).<br />

Mithilfe mehrerer REALLABOR-Experimente in Leipzig<br />

und Hamburg werden auf konkreten Handelsflächen<br />

digitale Services getestet. Damit sollen lokale<br />

Akteure bei der Etablierung eines digitalen Akteursnetzwerkes<br />

unterstützt werden. Das REALLABOR<br />

soll Chancen und Risiken der zukünftigen Handelsentwicklung<br />

in der Leipziger Innenstadt und einer Hamburger<br />

Quartierslage diskutieren. Dazu gehört die Beantwortung<br />

von Fragen, wie:<br />

• Welche Möglichkeiten und Grenzen bringen die<br />

Digitalisierung und die damit verbundenen technischen<br />

Möglichkeiten/Herausforderungen für<br />

die Händler der Innenstadt mit sich?<br />

• Welche Sortimente und Betriebsformate sind<br />

besonders durch die Veränderungsprozesse<br />

herausgefordert?<br />

• Welche Synergieeffekte lassen sich bei der<br />

Verknüpfung von Handel, Gastronomie,<br />

Dienstleistungen, Kultur etc. durch die Digitalisierung<br />

erzielen?<br />

• Verändert sich Lagegunst durch Digitalisierung?<br />

• Welche Chancen zur Revitalisierung lassen<br />

sich erschließen?


132<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

Sowohl die Verwendung neuester Digitaltechnik wie<br />

auch die Bereitstellung von Schnittstellen zur Unterstützung<br />

von Crosschannel-Services spielt bei<br />

der Untersuchung eine Rolle. Das erste REALLA-<br />

BOR-Experiment ist im Herbst <strong>2018</strong> in der Leipziger<br />

Innenstadt geplant. Das Experiment wird von einem<br />

studentischen Wettbewerb deutscher Hochschulen<br />

zum Thema „Urbane Handelslagen der Zukunft“, im<br />

Spannungsfeld von Digitalisierung, Konzentrationsprozessen<br />

und Wettbewerbsdruck, begleitet, dessen<br />

Ergebnisse in das Forschungsprojekt SURTRADE<br />

einfließen werden.<br />

Es bleibt daher noch offen, ob lokale Online-Marktplätze<br />

bzw. Smart Retail Service Plattformen sich als<br />

zukunftsfähig erweisen werden. Die Entwicklung und<br />

Umsetzbarkeit ist individuell für jeden Standort zu<br />

überprüfen, denn darin kann zukünftig die eigentliche<br />

Stärke urbaner Handelslagen liegen.<br />

M.Sc. Katrin Schade<br />

Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft Universität Leipzig<br />

Katrin Schade studierte Wirtschafts- und Sozialgeographie und arbeitet<br />

am Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft an der Universität<br />

Leipzig, ist an unterschiedlichen Forschungsprojekten beteiligt sowie in<br />

der Lehre tätig. Zuvor war sie zweieinhalb Jahre bei der Stadtverwaltung<br />

Wittlich, Rheinland-Pfalz, im Fachbereich Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing<br />

angestellt und entwickelte das innerstädtische Leerstandskonzept<br />

"alwin". In ihrer Promotion forscht sie über den Umgang mit<br />

Gewerbeleerstand in kleineren Städten und Gemeinden. Marcus Hübscher<br />

und Katrin Schade forschen vor allem in dem BMBF-geförderten<br />

Forschungsprojekt SURTRADE, welches sich mit den Auswirkungen der<br />

Digitalisierung auf die urbanen Handelslagen auseinandersetzt.<br />

M.Sc. Marcus Hübscher<br />

Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft Universität Leipzig<br />

Marcus Hübscher studierte Geographie und Betriebswirtschaftslehre<br />

mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeitsmanagement und forscht<br />

in seiner Promotion im Spannungsfeld zwischen Aufwertung und<br />

Verdrängung auf dem Wohnungsmarkt. Er arbeitet am Institut für<br />

Stadtentwicklung und Bauwirtschaft an der Universität Leipzig in<br />

unterschiedlichen Forschungsprojekten und ist in der Lehre tätig.<br />

Gefördert durch:<br />

SURTRADE – Integriertes Service System für den<br />

Crosschannel-Handel in der Zukunftsstadt.<br />

https://surtrade.org/<br />

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird mit Mitteln<br />

des Bundesministeriums für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) im Programm „Innovationen für die Produktion,<br />

Dienstleistung und Arbeit von morgen“ gefördert und vom<br />

Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung<br />

für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.<br />

BEVH (<strong>2018</strong>): Sieben von zehn Deutschen nutzen Smartphones<br />

und Tablets zum mobilen Einkauf. Pressemitteilung: <br />

(abgerufen am 22.02.<strong>2018</strong>)<br />

Böcker, Jens (2015): Die Customer Journey – Chance für mehr<br />

Kundennähe. In: Deutscher Dialogmarketing Verband e.V. [Hrsg.]: Dialogmarketing<br />

Perspektiven 2014/2015. Springer Gabler, Wiesbaden.<br />

S. 165-177.<br />

Freie Presse (<strong>2018</strong>): Zalando eröffnet Outlet in Leipzig.<br />

https://www.freiepresse.de/WIRTSCHAFT/WIRTSCHAFT-REGIONAL/<br />

Zalando-eroeffnet-Outlet-in-Leipzig-artikel101<strong>03</strong>752.php (abgerufen am<br />

22.02.<strong>2018</strong>)<br />

Häußermann, Hartmut (2001): Die Europäische Stadt. In: Leviathan.<br />

Vol. 29. Nomos Verlagsgesellschaft mbH, Berlin. S. 237-255.<br />

Heinemann, Gerrit (<strong>2018</strong>): Die Neuausrichtung des App- und<br />

Smartphone-Shopping. Mobile Commerce, Mobile Payment, LBS,<br />

Social Apps und Chatbots im Handel. Springer Gabler, Wiesbaden.<br />

IFH Köln (2017): Leipzig, Erfurt und Heidelberg haben die attraktivsten<br />

Innenstädte Deutschlands. Pressemitteilung. https://www.<br />

ifhkoeln.de/pressemitteilungen/details/leipzig-erfurt-und-heidelberg-haben-die-attraktivsten-innenstaedte-deutschlands/<br />

(abgerufen<br />

am 22.02.<strong>2018</strong>).<br />

Landesinitiative StadtBauKultur NRW 2020 (2015): Gute<br />

Geschäfte. Perspektiven für ungenutzte Ladenlokale. Wiemer & Partner,<br />

Dortmund.<br />

Manß, Rico & Manfred Kirchgeorg (2017): Kundenbindung durch<br />

crossmediale Integration. Die Offline-Online-Integration am Beispiel<br />

des Magic-Mirror-Experiments. In: Marketing Review St. Gallen 4, S.<br />

24-33.<br />

Naumann, Matthias & Anja Reichert-Schick (2015): Ländliche<br />

Infrastrukturen – Risiken, Anpassungserfordernisse und Handlungsoptionen.<br />

In: Raumforschung und Raumordnung Vol. 73, Springer<br />

Verlag, Wiesbaden. S. 1-3.<br />

Sperle, Tilman (2011): Was kommt nach dem Handel? Umnutzung von<br />

Einzelhandelsflächen und deren Beitrag zur Stadtentwicklung. Stuttgart.<br />

Statistisches Bundesamt (<strong>2018</strong>): Umsatz aus E-Commerce im Einzelhandel.<br />

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/BinnenhandelGastgewerbeTourismus/Einzelhandel/<br />

Einzelhandel.html (abgerufen am 22.02.<strong>2018</strong>).


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Anica Dragutinovic<br />

134<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

Contested Resilience of a Modern Structure or<br />

“Dissonant Heritage”<br />

Multilayered Identity of the Old Belgrade Fairground<br />

The Old Belgrade Fairground, a great example of the Early Modernism in Belgrade,<br />

underlined the modernization and Europeanization of the capital city of the Kingdom<br />

of Yugoslavia. The Fairground's construction in 1937 on the bare terrain of<br />

today's New Belgrade was the first step of urbanisation of Belgrade on the left<br />

bank of the Sava river and was followed by the construction of the modern city<br />

after WWII. During the 80 years long history, the purpose of the Old Belgrade<br />

Fairground has been changed several times creating multilayered identity of<br />

the urban complex. The Modern exhibition space of the inter-war period was<br />

transformed into the infamous concentration camp during WWII. Structures that<br />

survived the bombings were re-used as a habitat for youth brigades that participated<br />

in the construction of New Belgrade, while its previous purposes were<br />

suppressed. During the rebuilding of the city in the post-war period, the Old<br />

Belgrade Fairground was ignored. As forgotten place of memory it was partly<br />

adapted by artists into ateliers and partly became shelter for poor people. Despite<br />

its multileveled historical, cultural and architectural significance, the Old Belgrade<br />

Fairground today is neglected. Although a pioneer of Modern Movement in Belgrade,<br />

and at the same time an important memorial place, it is today a ruined structure<br />

that is decaying. Its multiple histories and "too much identity" created absence of<br />

any planned activity in order not to make a wrong one. After its ability to absorb<br />

different functions and adapt to huge transformations, its resilience is being<br />

contested by disability to balance the complex history. The paper investigates<br />

on the transformations and presents a concept of "dissonant heritage" as an<br />

instrument for renewal of the Old Belgrade Fairground that needs to use all of its<br />

complexity in order to truly recover from the past.<br />

Figure 1: Maps of Belgrade, 1937 und 2017. Anica Dragutinovic, according to the General Plan from 1939 and the current condition


The Old Belgrade Fairground: Formation of the<br />

modern structure<br />

The Old Belgrade Fairground is an urban complex on<br />

the left bank of the Sava River, hidden in greenery between<br />

the two bridges and New Belgrade. However,<br />

when the complex was built in 1937 it was the first<br />

structure on the bare terrain of today's New Belgrade.<br />

In the inter-war period, urbanisation of the huge empty<br />

area had multiple symbolic significance. After the<br />

Kingdom of Serbs, Croats and Slovenians was founded<br />

in 1919, the area symbolised no more a barrier, a "no<br />

man's land", but the unification and a new beginning.<br />

The area was meant to be a modern extension of at<br />

that time oriental Belgrade, and the construction of the<br />

fairground was supposed to represent the western tendencies<br />

of the young state and its capital.<br />

The complex, built according to the project of three architects<br />

Milivoje Tričković, Rajko Tatić and Đorđe Lukić,<br />

was a symbol of modernity: from composition to detail.<br />

Vukotić Lazar and Đokić (Vukotić Lazar / Đokić, 2006:<br />

34-40) describe that "This spatial composition became<br />

a metaphor of an urban complex that was completely<br />

realized according to a plan. Every single detail was<br />

planned and designed by professionals, with no improvisations<br />

so often in previous period." The composition<br />

was organized functionally, with dominant constructivist<br />

tower, as a central motive, and pavilions distributed<br />

around it. The elements of traditional city (square, street,<br />

block) were implemented in the composition, that was<br />

at the same time "an example of the concept of urban<br />

avant-garde of 1920s" (Vukotić Lazar, 2004: 143-168).<br />

In the first phase of the construction, it was realized 14<br />

out of 36,33ha. As the fairground was on the marshy<br />

terrain, a lot of pre-construction works had to be done.<br />

Until the First Fair, the Central Tower, five Yugoslavian<br />

Pavilions, Nikola Spasić Endowment's Pavilion, four<br />

foreign pavilions (Italian, Hungarian, Romanian and<br />

Czechoslovakian), and a small number of private pavilions<br />

were built. For the Second autumn Fair, additionally<br />

there were Pavilions of Germany, Turkey and around<br />

20 private pavilions (Vukotić Lazar, 2004: 143-168).<br />

The five Yugoslavian pavilions were designed by the<br />

group of the three architects (the authors of the main<br />

urban composition). The pavilions differed in size: the<br />

biggest was the 3. Pavilion (5.000m2), the 1. and 2.<br />

Pavilions (2.100m2), the 4. and 5. Pavilions (1.600m 2 ).<br />

The primary elements of the construction were wooden<br />

("bondruk") combined with bricks and concrete<br />

elements. Facades were plastered and colored white.<br />

The Central Tower, landmark of the Fairground, was designed<br />

by the architect Aleksandar Sekulić. The core<br />

of the tower was built in reinforced concrete, and the<br />

circular part of brick walls with concrete ceilings. The<br />

Spasić's Pavilion was designed by the same architect,<br />

also as a masonry structure (brick walls with reinforced<br />

concrete columns), plastered. The primary elements of<br />

construction of the Hungarian and Czechoslovakian<br />

pavilions were reinforced concrete frames with brick<br />

walls. All other pavilions were load bearing masonry<br />

(brick) structures. The roof construction of all pavilions<br />

was mainly wooden, and facades were always plastered<br />

(Historical Archives of Belgrade).<br />

Complex history of The Old Belgrade Fairground:<br />

Identification of the "user's interpretations"<br />

The First Belgrade Fair was organized in September<br />

1937 with approximately 250.000 visitors and numerous<br />

exhibitors. In the next two years different types of events<br />

were held in the complex (Vasiljević, 1938: 174-176).<br />

In September 1939, only two years after the first fair was<br />

held, WW II started, but fairs were organized in the next<br />

two years, dominated by Italian and German exhibitions.<br />

In the same time, not far away from the Fairground, a<br />

temporary camp for German emigrants from Bessarabia<br />

was built. They were temporary placed in barracks<br />

and tents and transported from here to Germany (Blagojević,<br />

2007: 254-266). The war officially started in<br />

Yugoslavia with a German air strike on Belgrade in April<br />

1941. The capital of Yugoslavia was largely damaged,<br />

but the Fairground wasn´t strongly affected. During the<br />

first six months of occupation, the pavilions remained<br />

empty and abandoned. After the split of Yugoslavia, the<br />

Sava River became the border once again, now between<br />

Serbia and the newly founded Independent State<br />

of Croatia (NDH). According to this, the left bank of<br />

the Sava River together with the Fairground was officially<br />

part of NDH, however under the command of the<br />

Gestapo. The whole site was transformed into the infamous<br />

concentration camp "Judenlager Semlin" (Jewish<br />

Camp in Zemun) in December 1941. The camp<br />

has a significant place in the European history of Holocaust<br />

as half of the Serbian Jews were killed or died<br />

in the camp. Few months later, in May 1942, after the<br />

"final solution" for Jews in Serbia, the camp changed<br />

the name into "Anhaltelager Semlin" (Zemun Concentration<br />

Camp) and the purpose: it became a camp for<br />

political prisoners, mainly from Serbia, but also other<br />

parts of Yugoslavia. Until May 1944 around 32.000 prisoners<br />

passed through "Anhaltelager Semlin", 10.600<br />

of whom were killed or died. The camp was closed in<br />

July 1944 (Bajford, 2010).<br />

Post-war, liberated Belgrade, became a capital of once<br />

again unified Yugoslavia - newly founded Federal People's<br />

Republic of Yugoslavia, re-established by the Communist<br />

Party of Yugoslavia (led by Yugoslav Partisans<br />

- the largest anti-fascist resistance movement in occupied<br />

Europe and its leader Marshall Josip Broz Tito).<br />

Within the plans for rebuilding the devastated county,<br />

re-emerged the question of Belgrade’s "extra-territory"<br />

- the marshy land on the left bank of the Sava River.<br />

The area was conceived as a new centre of administration,<br />

culture and economy of Yugoslavia and symbolised<br />

a new beginning once again. The remains of the<br />

Fairground, as the only existing urban structure, went<br />

through huge transformation, as it was necessary for its<br />

135<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT


136<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

Figure 2: The beginning of the building of the Belgrade Fairground, 1937. Reference: Tatić, 2008<br />

Figure 3: a) The 1. Yugoslav pavilion, b) The 2. Yugoslav pavilion, c) The 3. Yugoslav pavilion (Belgrade City Museum), d) The 4. and 5. Yugoslav pavilions . Reference: Vukotić Lazar, 2004<br />

Figure 4: The 1., 3. and 5. Yugoslav Pavilions, 1944 (left to right) . Reference: Historical Archives of Belgrade<br />

new purpose: a habitat for youth work brigades. It became<br />

a basis for the youth brigades that voluntary participated<br />

in the construction of New Belgrade. The youth<br />

brigade actions were organized only until 1950, when<br />

the political and economic crisis in Yugoslavia (caused<br />

by its split with Soviet Union) stopped the construction<br />

works. The Old Fairground was abandoned once again.<br />

From 1951 a group of artists populated the remained<br />

structures and adapted them into ateliers. As it was<br />

not planned to reconstruct the Old Fairground, a new<br />

one was planned and constructed on another location.<br />

In the following years, while New Belgrade was<br />

largely constructed, the Old Fairground was left to<br />

decay for the next 70 years. Eventually, it was pronounced<br />

as a cultural good in 1987 and the Urban<br />

Plan for the memorial complex was made in 1992 [9].<br />

However, the protection was only formal and a memorial<br />

complex was never built. Today, this is one of the<br />

most devastated city areas, completely isolated from<br />

the other parts of Belgrade (Vukotić Lazar / Đokić,<br />

2006: 34-40). It is populated by poor inhabitants and<br />

partly used in commercial purposes.<br />

Levels of formal transformation of the modern<br />

structure<br />

The "user´s interpretations", previously described, were<br />

as a matter of fact huge transformations that indeed<br />

tested the adaptability of the structure. As it was already<br />

stated, resilience is the ability to absorb, adapt to, but<br />

also to recover from change. The modern structure absorbed<br />

and adapted to huge transformations, however<br />

its resilience is contested by disability to recover from<br />

changes returning its basic shape and structure.<br />

There were few levels of formal transformation that<br />

led from modern to the devastated structure. During<br />

the war years the Old Fairground's shape and structure<br />

were pretty much the same, despite the traumatic<br />

functional transformation. However, it was heavy<br />

damaged in 1944, when the Allied aircraft bombed<br />

occupied Belgrade. The Fairground was additionally<br />

damaged during The Belgrade Offensive in October<br />

1944 (Blagojević, 2007: 254-266).<br />

Although strongly damaged, the pavilion structures<br />

remained. In the first post-war years the next "user's<br />

interpretation" completely changed the spatial composition<br />

of the Old Fairground. The youth brigades were<br />

supposed to "clean" the complex first and to re-use the<br />

remaining structures. Some of them were repaired (the<br />

Central Tower, Spasić's, Czechoslovakian, Italian, Hungarian,<br />

German, Turkish and Romanian pavilions), and<br />

some were demolished and recycled (all five Yugoslav<br />

pavilions and most of the private pavilions). The criteria<br />

was of course the state (shape), but might be also the<br />

size, "as the size of the biggest pavilions was dysfunctional<br />

for the new purpose". The new buildings constructed<br />

from the material of demolished pavilions were<br />

rows of barracks and warehouses (Bajford, 2010). The<br />

appearance of the complex was drastically different


137<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

Figure 5: Transformation of the Old Fairground, 1937 and 2017. Anica Dragutinovic, according to the initial spatial composition and the current condition<br />

from the initial one from 1937. After this transformation<br />

from 1950, the urban pattern of the complex has<br />

not changed any more. It was only additionally degrading<br />

over the last seven decades, and is today a ruined<br />

structure that is literally disintegrating.<br />

Multiple identity, (un)necessary memory and a dissonant<br />

heritage<br />

In the last ten years the problem of the Old Belgrade<br />

Fairground became more visible, as more initiatives for<br />

its adequate re-use and different exhibitions were held.<br />

The complex 80 years long history and different "user's<br />

interpretations" created multiple identity of the complex.<br />

Built as a symbol of modernity, it became a place of<br />

execution. In the post-war years, within the construction<br />

of the socialist society as "post-historical, or rather, supra-historical<br />

project of construction of new, progressive<br />

modernity, opposite decadent and reactionary past", the<br />

history of the Old Fairground was suppressed, as it was<br />

part of the undesired past(s) for New Belgrade´s identity<br />

(Blagojević, 2007: 254-266). The new (anti-fascist<br />

and communist) government had great respect to the<br />

war victims no matter their nationality, but at the same<br />

time was reserved to anything related to ex-crown-regime.<br />

"The new regime wanted to monopolize modernization<br />

of the country", and any previous efforts were<br />

minimized. Therefore they ignored the Master Plan<br />

from 1923 and the Fairground itself. Vukotić Lazar<br />

and Đokić (Vukotić Lazar / Đokić, 2006: 34-40) state<br />

that "Most of concentration camps all over the Europe<br />

were reconstructed exactly as they were during war,<br />

with intention to remember these terrible moments of<br />

mankind history", however, "this meant reconstruction<br />

of bourgeois complex, and maybe support to bourgeois<br />

habits of citizens." Therefore, the Old Fairground, despite<br />

its architectural, cultural and memorial significance,<br />

became the forgotten place of (un)necessary memory.<br />

Although formally protected as a cultural good 30 years<br />

ago, nothing changed until today. Its multiple histories<br />

and "too much identity (Vukotić Lazar / Đokić, 2006:<br />

34-40)" created absence of any planned activity. However,<br />

the multilayered identity of the Old Fairground<br />

could (should) become an instrument for the renewal<br />

of the complex. Incorporating contradictory layers of its<br />

complex history, both progressive and destructive, into<br />

a solution would produce a dissonance.<br />

The concept of "dissonant heritage" was introduced by<br />

Tunbridge and Ashworth (Tunbridge / Ashworth, 1996).<br />

They make a distinction between past, history and heritage,<br />

stressing that dissonance is inevitably created in


138<br />

Stadt Land Transformation - STATEMENT<br />

the interpretative process of producing heritage from<br />

history (that is produced from past). The concept of<br />

dissonant heritage they present is related to different<br />

interpretations, articulations or understanding of<br />

the history through heritage. Furthermore, not-producing<br />

heritage, forgetting and ignoring past, is also<br />

a form of interpretation of history and creating a dissonance<br />

(Tunbridge / Ashworth, 1996). According to<br />

it, the Old Fairground is already a dissonant site, as<br />

the different "user's interpretations" created the dissonance.<br />

An attempt to create a cohesion and unity,<br />

instead to present diversity and plurality, would mean<br />

further contestation of the site. Instead, the dissonance<br />

needs to be articulated through the incorporation<br />

of the diversity of past(s) into a dissonant heritage.<br />

After having approved ability of the modern<br />

structure to absorb and adapt to change, the third<br />

phase of approving the resilience - "to recover from",<br />

would be eventually achieved.<br />

Conclusion<br />

The Old Fairground, a pioneer of the Inter-war Belgrade<br />

Modernism, went through huge transformations over<br />

the time. Adaptability of the urban complex was<br />

result of an unintentional polyvalence of the space,<br />

reflected through its potential to absorb unforeseen<br />

functions. Furthermore, this would connote the functional<br />

resilience of the modern structure, if the structure managed<br />

to recover from the changes. However, it is<br />

today one of the most devastated city areas, despite<br />

its historical, cultural and architectural significance.<br />

The transformations created multilayered identity of<br />

the space that is perceived as a problem for renewal<br />

of the complex. Converting it into an instrument for<br />

the renewal would be the first step forward after the<br />

long period of status quo. In order to finally recover<br />

from the past, it is indispensable to incorporate the<br />

contradictory and dissonant layers of its complex history<br />

into a continual urban space.<br />

M.Arch. Anica Dragutinovic<br />

PhD Candidate, University of Antwerp, Belgium<br />

ConstructionLab - Research Assistant, HS OWL, Detmold<br />

Anica Dragutinovic, M.Arch., is a PhD Candidate at the University of<br />

Antwerp (Belgium) since 2016/17. Her PhD research is focusing on<br />

evaluation and transformation of modernist housing blocks in New<br />

Belgrade. She is a research assistant and coordinator of the Master<br />

Program MIAD/MID-Facade Design at OWL UAS (Germany) since<br />

2016 and a member of the Erasmus+ project RMB: Re-use of Modernist<br />

Buildings. She obtained Master of Architecture in 2016 at the<br />

University of Belgrade, Faculty of Architecture (Serbia), and Bachelor<br />

of Architecture in 2014 at the same Faculty. During the studies she<br />

was a student teaching assistant at the Faculty of Architecture, had<br />

different internships on international level, and won several prizes.<br />

Bajford, Jovan (2011): Staro Sajmište: Mesto sećanja, zaborava i sporenja, Beogradski centar za ljudska prava.<br />

Belgrade City Museum<br />

Blagojević, Ljiljana (2007): "Grad kolektiva koji sanja i konačno rešenje", in Lj. Blagojević, Novi Beograd: Osporeni Modernizam,<br />

Zavod za udžbenike Beograd, pp. 254-266.<br />

Merriam-Webster Dictionary: https://www.merriam-webster.com/dictionary/resilience<br />

Merriam-Webster Dictionary: https://www.merriam-webster.com/dictionary/elasticity<br />

Online Etymology Dictionary: http://www.etymonline.com/index.php?term=resilience<br />

Tatić, Darko (2008): Beogradsko staro sajmište 3+1: sajmište, stratište, utočište, budućnost, Urbanistički zavod Beograda, pp. 62-92.<br />

Tunbridge, J. E. & Ashworth, G. J. (1996): Dissonant heritage: the management of the past as a resource in conflict, J. Wiley.<br />

Urbanistički zavod Beograda (2008): Beograd u mapama i planovima od XVIII do XXI veka.<br />

Vasiljević, Milosav (1938): "Prvih šest meseci u životu Beogradskog sajma", Beogradske opštinske novine 1938-<strong>03</strong>-01, pp. 174-176.<br />

Vukotić Lazar, Marta & Đokić, Jasmina (2006): "Complex history as a Source of Planning Problems: Old Belgrade<br />

Fairground", Spatium 13-14, pp. 34-40.<br />

Vukotić Lazar, Marta (2004): "Staro Beogradsko Sajmište: Osnivanje i izgradnja", Godisnjak Grada Beograda LI, pp. 143-168.


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• 22. SYMPOSIUM FÜR<br />

IMMOBILIENBEWERTUNG IN OWL<br />

Samstag, 14.04.<strong>2018</strong> / 9:00 Uhr - 17:30 Uhr / Hochschule OWL, Standort Detmold<br />

Prof. Dr.-Ing. Dirk Noosten - Lehrgebiet Baumanagement und Baufinanzierung<br />

Referenten<br />

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Dirk Noosten<br />

Prof. Dr.-Ing.<br />

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Dr.-Ing.<br />

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Deutschland und OWL<br />

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bzw. der Grundstücksbewertung zu tun haben.<br />

Dipl.-Ing.<br />

Horst Koch<br />

Architekt (BDB)<br />

Ashraf Elbeblawy<br />

Mehr Infos + Anmeldung<br />

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Gutachterausschuss für Grundstückswerte<br />

im Kreis Lippe und in der Stadt Detmold


\


In eigener Sache<br />

Bericht über Forschungsaktivitäten des <strong>urbanLab</strong>


Marcel Cardinali<br />

142<br />

In eigener Sache - FORSCHUNGSAKTIVITÄTEN<br />

Hochschule Ostwestfalen-Lippe an europäischem Forschungsprojekt<br />

beteiligt<br />

EU-Forschungsprojekt URBiNAT<br />

Das <strong>urbanLab</strong> der Hochschule Ostwestfalen-Lippe erhält den Zuschlag zur<br />

Untersuchung der Effekte von naturbasierten Lösungen auf Gesundheit und<br />

Wohlbefinden in sieben europäischen Städten. Es ist dabei Partner in einem<br />

internationalen Konsortium mit 29 Mitgliedern.<br />

Abbildung 1: Sozial benachteiligter Stadtteil in Porto, Foto: José Maçãs de Carvalho<br />

Durch das Projekt URBiNAT entstehen grüne Korridore<br />

in sieben sozial benachteiligten Gebieten in verschiedenen<br />

europäischen Städten. Die internationalen<br />

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln<br />

diese für Porto (Portugal), Nantes (Frankreich) und<br />

Sofia (Bulgarien). Die grünen Korridore werden dabei<br />

zunächst in diesen drei Städten umgesetzt und auf ihre<br />

Wechselwirkungen auf die Gesellschaft untersucht.<br />

Anschließend übertragen sie die Best-Practice-Lösungen<br />

auf Brüssel (Belgien), Siena (Italien), Høje-Taastrup<br />

(Kopenhagen, Dänemark) und Nova Gorica (Slovenien).<br />

Das <strong>urbanLab</strong> der Hochschule OWL wird die Effekte<br />

der grünen Korridore auf Gesundheit und Wohlbefinden<br />

im Rahmen einer Doktorarbeit untersuchen.<br />

Im Ergebnis des Projektes entsteht auch ein Katalog<br />

an innovativen naturbasierten Lösungen, die von den<br />

Partnern des Konsortiums in den vergangenen Jahren<br />

entwickelt wurden, sowie innovative partizipative Methoden<br />

und solidarwirtschaftliche Lösungen. Das Projekt<br />

verfolgt einen transdisziplinären sowie partizipativen<br />

Ansatz: Die Projektpartner beziehen die Menschen<br />

in den Städten aktiv in die Gestaltung und Umsetzung<br />

der grünen Korridore ein – die Kenntnisse der Bürgerinnen<br />

und Bürger fließen mit den professionellen<br />

Methoden und wissenschaftlichen Erkenntnissen der<br />

Forscherinnen und Forscher zusammen. Die Forscher<br />

setzen sich dabei nicht nur aus unterschiedlichen europäischen<br />

Ländern zusammen, sondern besetzen auch<br />

unterschiedliche Themenfelder, wie soziale Innovation,<br />

Partizipation, Inklusion, Menschenrechte, Gleichstellung,<br />

Nachhaltigkeit, Städtebau, Produktdesign, Landschaftsarchitektur<br />

und Architektur.<br />

Für das <strong>urbanLab</strong> entsteht mit diesem Projekt die einmalige<br />

Chance die Effekte von Grünräumen auf Verhalten,<br />

Gesundheit und Wohlbefinden der Bewohner<br />

zu untersuchen. Wir erhalten erstmalig umfassende


143<br />

In eigener Sache - FORSCHUNGSAKTIVITÄTEN<br />

Abbildung 2 Inhalte des Forschungsprojektes<br />

Daten in unterschiedlichen Klimazonen und kulturellen<br />

Settings, die vor, während und nach der Implementierung<br />

von Grünräumen erhoben werden. So wird es zum ersten<br />

Mal möglich sein, den gesellschaftlichen Nutzen von<br />

Grünräumen umfassend zu bemessen.<br />

Das Projekt URBiNAT (Urban Innovative and Inclusive<br />

Nature) wird innerhalb des Rahmenprogramms für<br />

Forschung und Innovation der Europäischen Union,<br />

HORIZON2020, mit insgesamt 13 Millionen Euro<br />

über fünf Jahre gefördert; rund 230.000 Euro davon<br />

fließen an die Hochschule OWL. Das Konsortium<br />

wird vom Centre for Social Studies der University of<br />

Coimbra (Portugal) geleitet. Die Hochschule OWL<br />

ist die einzige beteiligte Institution aus Deutschland.<br />

Die weiteren Partner stammen aus Portugal,<br />

Frankreich, Bulgarien, Italien, Belgien, Slowenien,<br />

Dänemark, Schweden, Spanien, dem Iran, den Niederlanden<br />

und China.<br />

Gefördert durch:<br />

Kontakt:<br />

<strong>urbanLab</strong> / Hochschule OWL<br />

Projektleitung Forschung MSc. Marcel Cardinali<br />

05231 769-6329<br />

marcel.cardinali(at)hs-owl.de


Prof. Oliver Hall<br />

144<br />

Heimatwerker: Wer baut der bleibt!<br />

Über das Reallabor in Nieheim<br />

In eigener Sache - FORSCHUNGSAKTIVITÄTEN<br />

Mit Heimatwerker startete im September 2016 ein ungewöhnliches Modellprojekt<br />

in der Stadt Nieheim (Kreis Höxter). Ein altes, von Leerstand bedrohtes<br />

Ackerbürgerhaus im historischen Stadtkern wird mit vereinten Kräften von<br />

Geflüchteten, Studierenden der Hochschule OWL und Anwohnern saniert.<br />

Während des Umbaus der Immobilie (April 2017 - Ende <strong>2018</strong>) erwerben die<br />

Projektteilnehmer auf der Baustelle und in begleitenden Kursen handwerkliche<br />

Kenntnissen, die später etwa im Baugewerbe nützlich sind. Bei der Planung<br />

und der Sanierung werden die Heimatwerker fachkundig durch Architekten<br />

und Bauleiter mit sozialer Kompetenz angeleitet.<br />

Abb. 1: Auf ihrer Heimat-Tour quer durch Nordrhein-Westfalen besuchte die neue Ministerin Ina Scharrenbach am 10. August 2017 die Heimatwerker in<br />

Nieheim. “Dieses Projekt schafft Identität, stiftet Zusammenhalt und ist Brücke für eine neue Heimat”, so die Ministerin. Foto: Sebastian Becker, 2017<br />

Nach Fertigstellung des Umbaus kann die Werkstatt von allen<br />

Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt Nieheim für<br />

handwerkliche und kreative Tätigkeiten sowie für andere<br />

gemeinschaftliche Zwecke genutzt werden. Dieses Konzept<br />

wurde in einer gemeinsamen Projektwoche entwickelt, an<br />

der rund 50 Personen – Geflüchtete, Studierende, Schüler,<br />

ehrenamtlich aktive Nieheimer – mitwirkten.<br />

Von dem Modellprojekt Heimatwerker sollen alle Beteiligten<br />

profitieren: Die Asylsuchenden können sich beruflich<br />

qualifizieren, ihre Sprachkenntnisse verbessern und<br />

erhalten die Möglichkeit, sich aktiv zu integrieren; die Gewerbetreibenden<br />

aus der lokalen Baubranche generieren<br />

beruflichen Nachwuchs; die Studierenden sammeln<br />

fachliche und soziale Erfahrungen; die Stadt Nieheim erhält<br />

historische Bausubstanz durch eine neue Gemeinbedarfsnutzung<br />

und schafft Bleibeperspektiven für die<br />

Asylsuchenden; den Bewohnerinnen und Bewohnern<br />

von Nieheim werden Räume für handwerkliche und kreative<br />

Tätigkeiten zur Verfügung gestellt und insgesamt<br />

entsteht ein Begegnungsort der Kulturen.<br />

Die Sanierung des Hauses wird finanziert durch das Städtebau-Sonderförderprogramm<br />

des Ministerium für Heimat,<br />

Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

und einen Eigenanteil der Stadt Nieheim.<br />

Weitere Kosten für Organisation, Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Veranstaltungen und Dokumentation trägt StadtBauKultur<br />

NRW. Darüber hinaus werden für den Umbau und die<br />

langfristige Nutzung des Gebäudes weitere Fördergeber,<br />

Sponsoren und Spenden gewonnen, hierfür wurde eigens<br />

der Förderverein Heimatwerker e.V. gegründet.<br />

Heimatwerker ist dabei ein Pilotprojekt zur Integration<br />

von Geflüchteten auf dem Land, aber auch zur<br />

Bekämpfung des teilweise stadtbildprägenden Leerstands<br />

in historischen Ortskernen. Die Strategie zur<br />

Schaffung von Bleibeperspektiven für Geflohene sind<br />

praktische Qualifizierungsmaßnahmen vor Ort und das<br />

„Selber machen lassen“. Dies beinhaltet von Beginn an<br />

einen praktischen Anteil der Studierenden, die sich z.B.<br />

in Lehrmodulen zu „Konstruktion und Ausbau“ einbringen.


Werden Sie Spender<br />

Personen und Institutionen können die Heimatwerker<br />

durch einmalige oder regelmäßige Geldspenden unterstützen.<br />

Für Geldspenden gilt kein Mindestbetrag.<br />

Sie können die Heimatwerker auch mit Sachspenden<br />

unterstützen, wie Werkzeug, Maschinen, Baumaterial<br />

und Ausstattung der Lernwerkstatt. Wir besprechen<br />

gerne mit Ihnen, ob Ihre Sachspende bei den Heimatwerker<br />

Verwendung finden kann. Rufen sie uns an oder<br />

nutzen das Formblatt auf unserer Website www.heimatwerker.nrw<br />

Werden Sie Fördermitglied<br />

Personen können Fördermitglied des Heimatwerker<br />

e.V. werden und den Verein durch regelmäßige Förderbeiträge<br />

ab 24 € pro Jahr unterstützen. Fördermitglieder<br />

werden regelmäßig über die Aktivitäten der Heimatwerker<br />

informiert und zu Veranstaltungen eingeladen.<br />

Stellen Sie Ihren Antrag auf Fördermitgliedschaft ganz<br />

bequem über unsere Website www.heimatwerker.nrw<br />

Werden Sie Sponsor<br />

Unternehmen und Institutionen können die Heimatwerker<br />

durch Sponsoring unterstützen, indem sie den<br />

Heimatwerker einmalig oder regelmäßig finanzielle<br />

Zuwendungen oder Sachmittel zukommen lassen. Für<br />

Sponsoring gilt ein Mindestbetrag von 1.000 Euro.<br />

Sponsoren werden in folgenden Medien und Veranstaltungen<br />

genannt:<br />

• Baustellenschild<br />

• Projektbroschüre<br />

• Projektwebsite (www.heimatwerker.nrw)<br />

• Facebook (www.facebook.com/heimatwerker/)<br />

• öffentlichen Veranstaltungen<br />

• repräsentativen Terminen<br />

Sponsoren profitieren von der regionalen und bundesweiten<br />

Wahrnehmung der Heimatwerker:<br />

• in der Tagespresse: 60 Artikel und Meldungen<br />

(2017), u.a. in Die WELT, Neue Westfälische, Westfalen-Blatt,<br />

Die Glocke, FOCUS Online, Bauwelt<br />

• in Funk und Fernsehen: 10 Beiträge (2017) u.a. in<br />

WDR Radio, WDR, Fernsehen, RTL, Radio Hochstift<br />

Sponsoren können Ihr Engagement für die eigene Öffentlichkeitsarbeit<br />

nutzen. Für diesen Zweck erhalten<br />

Sie von den Heimatwerkern:<br />

• Namen/Logo<br />

• Informationsbroschüren und anderes Werbematerial<br />

Wenn sie Sponsor werden wollen, melden Sie sich<br />

einfach per Email oder Telefon. Wir melden uns gerne<br />

zurück und informieren Sie ausführlich über das Sponsoring<br />

der Heimatwerker.<br />

HEIMATWERKER e.V.<br />

Der gemeinnützige Verein Heimatwerker e.V. Nieheim<br />

kümmert sich um den zukünftigen Betrieb des Hauses<br />

als Lernwerkstatt und Begegnungszentrum. Der Verein<br />

koordiniert die Aktivitäten vor Ort und wirbt Spender<br />

und Sponsoren, um Ausstattung und Instandhaltung<br />

finanzieren zu können. Er vernetzt die ehrenamtlichen<br />

Helfer, Ausbilder und Kursleiter und stellt Zertifikate für<br />

die erfolgreiche Teilnahme an Kursen und anderen Aktivitäten<br />

aus. Außerdem unterstützt der Verein bei der<br />

Vermittlung der Projektteilnehmer an weiterführende<br />

QualIfizierungsmaßnahmen sowie Beschäftigungsund<br />

Ausbildungsmöglichkeiten.<br />

Der Verein Heimatwerker e.V. Ist als gemeinnützig anerkannt,<br />

Spenden sind nach § 10b EStG steuerlich abzugsfähig.<br />

Spendern, Sponsoren und Fördermitgliedern<br />

können auf Wunsch entsprechende Zuwendungsbescheinigungen<br />

ausgestellt werden, sofern die gesetzlichen<br />

Vorgaben hierdurch erfüllt bleiben.<br />

Kontakt für Spender, Sponsoren und Fördermitglieder:<br />

Christoph Kremerskothen<br />

StadtBauKultur NRW<br />

Leithestraße 33<br />

45886 Gelsenkirchen<br />

Telefon +49 (0)209 319 81 - 20<br />

Fax +49 (0)209 319 81 - 11<br />

christoph.kremerskothen(at)stadtbaukultur.nrw.de<br />

www.heimatwerker.nrw<br />

Ein gemeinsames Projekt von:<br />

StadtBauKultur NRW und das Projekt Heimatwerker<br />

werden gefördert durch das Ministerium für Heimat,<br />

Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen.<br />

145<br />

In eigener Sache - FORSCHUNGSAKTIVITÄTEN


Ricarda Jacobi, Katrin Kollodzey<br />

146<br />

In eigener Sache - FORSCHUNGSAKTIVITÄTEN<br />

Heimatwerker.TEXTIL<br />

Textil als Kommunikation zwischen den Kulturen<br />

Studierende der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur gestalten<br />

Integration. Als Bestandteil des mit Landesmitteln geförderten Projektes<br />

Heimatwerker sind während des Bachelor-Projektes „Heimatwerker.Textil“ im<br />

Wintersemester 2017/18 Entwürfe für das Mädchenzimmer als Rückzugsort für<br />

Frauen im historischen Ackerbürgerhaus in Nieheim entstanden.<br />

Abbildung 1: Gemeinsame Feste und Aktionen unterstützen die Integration der Geflüchteten.<br />

Das Bild zeigt Studierende der Hochschule OWL und Engagierte vor dem Ackerbürgerhaus in Nieheim. Foto: Linda Bögelein<br />

Unter besonderer Berücksichtigung von textiler Materialität<br />

und der Auseinandersetzung mit Unterschieden<br />

und Schnittmengen der textilen Kulturen, setzten sich elf<br />

Studentinnen der Detmolder Schule in ihren Entwürfen<br />

mit der Gestaltung der Räume als Kommunikations- und<br />

Rückzugsort auseinander. Dabei standen die kulturellen<br />

Besonderheiten der Kulturen im Vordergrund. Die Räumlichkeiten<br />

wurden besichtigt und erste Kontakte zu geflüchteten<br />

Frauen aufgenommen.<br />

Eine erste Recherchephase wurde genutzt um die geplanten<br />

Workshops, die vor Ort in Nieheim stattfinden<br />

sollten, vorzubereiten. Es wurde ein Konzept entwickelt,<br />

das vorsah einen ersten Workshop zu veranstalten, der die<br />

Kommunikation zwischen Studentinnen und geflüchteten<br />

Frauen aufbauen sollte. Besonders wichtig war es, ein<br />

Angebot zu schaffen, das den Frauen einen sicheren Ort<br />

bietet um über das textile Schaffen Anknüpfungspunkte<br />

zu „Alt-Nieheimerinnen“, aber auch unter den geflüchteten<br />

Frauen selbst zu finden.<br />

Workshops<br />

Der erste textile Workshop in den Räumlichkeiten des<br />

Ackerbürgerhauses fand nach dieser intensiven Vorbereitungsphase<br />

am 14. Dezember 2017 statt. Der Einladung<br />

sind sechs geflüchtete Frauen gefolgt. Auch der Nieheimer<br />

Jugendtreff „TimeOut“ war uns mit einigen Kindern<br />

sehr willkommen.<br />

Mit der Unterstützung ehrenamtlich engagierter Nieheimerinnen<br />

luden die Studierenden persönlich und mit<br />

liebevoll gestalteten und bestickten Einladungen ein.<br />

Verschiedene vorbereitete Aktivitäten, wie das Binden<br />

von Wollkugeln, Sticken, Nähen und dem Bedrucken<br />

von Stoffen, die zu einem Patchwork genäht wurden,<br />

bezogen sowohl die Frauen wie auch die Kleinsten mit<br />

ein. Die gemeinsame Arbeit an den einzelnen textilen<br />

„Stationen“ eröffnete eine ungezwungene und angeregte<br />

Kommunikation zwischen Studierenden und den<br />

Frauen aus Nieheim.


147<br />

Abbildung 2: Workshopatmosphäre im Ackerbürgerhaus, Foto: Tosca Albrecht<br />

Ein zweiter Workshop, der bereits in der darauf folgenden<br />

Woche am 21. Dezember 2017 stattfand, nutzte die geschaffenen<br />

Beziehungen um eine partizipativ konzipierte<br />

Gestaltung zu beginnen – die Studierenden entwickelten<br />

gemeinsam mit den Frauen Moodboards, Farbkonzepte und<br />

Ideen zur Gestaltung der Räume, die dann gemeinsam im<br />

textilen Bereich umgesetzt wurden – Muster wurden gestickt,<br />

Patchworkdecken genäht und Möbelideen auf Basis<br />

der entstandenen Handarbeiten entwickelt. Zu diesem<br />

Workshop kamen bereits neun Frauen mit ihren Kindern.<br />

Nach einer kurzen Entwurfsphase für die Studierenden, in<br />

denen sie auf Basis der gewonnenen Einblicke in die Bedürfnisse,<br />

Vorstellungen und Wünsche der geflüchteten<br />

Frauen Ideen entwickelten und eine gezieltere Vorbereitung<br />

für die weitere gemeinsame Arbeit stattfand, boten die<br />

Studierenden einen weiteren Workshop in Nieheim an, der<br />

wieder auf großes Interesse der Frauen in Nieheim stieß. In<br />

diesem Workshop, der am 11. Januar <strong>2018</strong> stattfand, wurden<br />

die Ideen der Studierenden den Frauen und Kindern vorgestellt<br />

und zusammen weitergedacht. Mithilfe einer von den<br />

Studierenden organisierten Dolmetscherin wurden in Gesprächen<br />

die Wünsche der Frauen konkret formuliert. Auch<br />

zu diesem Workshop kamen ca. neun geflüchtete Frauen<br />

mit ihren Kindern.<br />

Abbildung 3: Persönliche Einladung zum Workshop Foto: Tosca Albrecht<br />

zu lernen und in Kooperation mit lokalen Handwerksbetrieben<br />

ggf. eine Einstiegsqualifikation für die Ausbildung<br />

zur Maßschneiderin / Raumaustatterin zu erwerben.<br />

Dazu werden Anforderungen formuliert (auch in Absprache<br />

mit den jeweiligen Handwerksbetrieben), die an die Räumlichkeiten<br />

(Ausstattung, Werkzeuge und Maschinen) gestellt<br />

werden. Außerdem wird ein innenarchitektonisches Konzept<br />

entwickelt, das Raum für Kommunikation bietet – die textile<br />

Handarbeit als Vermittler zwischen „Alt- und Neu-Nieheimerinnen“.<br />

Dazu sollen Ideen für die Umsetzung eines<br />

regelmäßig stattfindenden Angebots als Austauschmöglichkeit<br />

für die geflüchteten Frauen entwickelt werden.<br />

Aufbauend auf die im letzten Semester erarbeiteten Raumund<br />

Kommunikationskonzepte soll die Umsetzung der entstandenen<br />

Entwürfe zum Innenausbau geplant werden.<br />

Betreuung der Seminare und Workshops durch Ricarda Jacobi und Katrin<br />

Kollodzey im Rahmen des Textilen Ateliers der Detmolder Schule für<br />

Architektur und Innenarchitektur<br />

Ein gemeinsames Projekt von:<br />

In eigener Sache - FORSCHUNGSAKTIVITÄTEN<br />

Ausblick<br />

In der derzeitigen Phase des Entwurfs werden die Ideen<br />

und Einblicke der Studierenden gesammelt, konzeptionell<br />

gebündelt und zu einer Raumgestaltung ausgearbeitet.<br />

Die Arbeiten und Konzepte sollen in Nieheim in einer<br />

Ausstellung im Ackerbürgerhaus am 05. April <strong>2018</strong> den<br />

geflüchteten Frauen präsentiert werden. Während der<br />

gemeinsamen Arbeit mit den geflüchteten Frauen wurde<br />

deutlich, dass das Angebot eines Begegnungsortes mit<br />

der Möglichkeit zum handwerklichen Arbeiten und dem<br />

so entstehenden Austausch sehr gut angenommen und<br />

von den Frauen gewünscht wird.<br />

Als Weiterführung des erfolgreich initiierten textilen Projektes<br />

zur Gestaltung des „Mädchenzimmers“ im Ackerbürgerhaus<br />

in Nieheim, soll im Sommersemester <strong>2018</strong> das<br />

Projekt Heimatwerker.Textil II das Konzept und die Gestaltung<br />

einer textilen Lernwerkstatt in den Fokus stellen. m<br />

partizipativen Prozess werden gemeinsam mit "Neu-Nieheimerinnen"<br />

Konzepte für eine Lernwerkstatt erarbeitet,<br />

die geflüchteten Frauen die Möglichkeit geben soll, den<br />

Beruf der Maßschneiderin oder Raumausstatterin kennen<br />

StadtBauKultur NRW und das Projekt Heimatwerker<br />

werden gefördert durch das Ministerium für Heimat,<br />

Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen.


Carsten Schade<br />

148<br />

In eigener Sache - FORSCHUNGSAKTIVITÄTEN<br />

Haushebung in Ueberschwemmungsgebieten<br />

am Beispiel des Elbe Dorfes Brockwitz – HUeBro<br />

Ein Zwischenstand<br />

HUeBro ist ein vom BMUB gefördertes Verbundprojekt. Im Rahmen des<br />

Vorhabens wird die Hebung von Häusern als eine innovative und alternative<br />

Hochwasservorsorgemaßnahme am Beispiel des Dorfes Brockwitz modellhaft<br />

untersucht. Das Dorf wurde immer wieder vom Hochwasser betroffen.<br />

Abbildung 1: Luftbild von Brockwitz, Foto: Stadtverwaltung Coswig<br />

Abbildung 1: Luftbild Brockwitz, Foto: Stadtverwaltung Coswig<br />

Die Hochschule Ostwestfalen-Lippe erforscht im<br />

ConstructionLab (Prof. Michel Melenhorst, Jens<br />

Renneke) die technische Machbarkeit der Anhebung<br />

von Häusern. Das <strong>urbanLab</strong> (Prof. Michel<br />

Melenhorst, Prof. Kathrin Volk, Carsten Schade)<br />

betrachtet zusammen mit nextPlace (Prof. Dr. Axel<br />

Häusler, Benjamin Dally) mögliche Auswirkungen<br />

auf Ortsbild und Freiraum und untersucht geeignete<br />

Beteiligungsverfahren.<br />

Das Dorf Brockwitz ist Teil der Stadt Coswig und<br />

liegt nahe der Elbe, nordwestlich von Dresden.<br />

Das Straßendorf ist geprägt von einem bis zu<br />

1000-jährigen Ortskern mit öffentlichem Anger,<br />

ortstypischen Dreiseithöfen und weiteren denkmalgeschützten<br />

Gebäuden. Die Struktur des Angerdorfes<br />

ist noch heute im Ortsbild ablesbar.<br />

)) Ziel des Projekts ist die Untersuchung<br />

von Machbarkeit,<br />

Nachhaltigkeit und Auswirkungen<br />

solcher Hebungen mit Blick auf<br />

Brockwitz und daraus hervorgehend<br />

die Erstellung von Leitlinien<br />

als Muster für ähnliche Projekte. ((<br />

(Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft)


HUe Bro<br />

Haushebung in Ueberschwemmungsgebieten am Beispiel des Elbe-Dorfes Brockwitz<br />

Projektname:<br />

HUeBro – Haushebung in<br />

Ueberschwemmungsgebieten am Beispiel<br />

des Elbe-Dorfes Brockwitz<br />

Fördermittelgeber:<br />

Abbildung 2: Partizipativer Workshop mit den Bürgern in Brockwitz, Foto: Kathrin<br />

Die Häuser südlich des Angers auf der Niederseite<br />

waren besonders stark von den Jahrhundertfluten<br />

2002 und 2013 betroffen gewesen. Bei der Untersuchung<br />

der Anhebung von Häusern als alternative<br />

Hochwasservorsorgemaßnahme stellt insbesondere<br />

der Erhalt des Ortsbildes eine orts- und<br />

freiraumplanerische Herausforderung dar. Ziel des<br />

Projekts ist die Untersuchung von Machbarkeit,<br />

Nachhaltigkeit und Auswirkungen solcher Hebungen<br />

mit Blick auf Brockwitz und daraus hervorgehend<br />

die Erstellung von Leitlinien als Muster für<br />

ähnliche Projekte (Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft).<br />

Als erstes Zwischenergebnis wurden in einem<br />

partizipativen Workshop mit ca. 40 Brockwitzern<br />

deren Erfahrungen im Umgang mit Hochwasser,<br />

Bedürfnisse, Ängste, Wünsche gesammelt. Zusammen<br />

mit den Bürgern wurden Lösungsansätze<br />

zum Thema Haushebung erarbeitet, unterstützt<br />

durch ein Inspirationsbuch mit anregenden bestpractice<br />

Beispielen im Umgang mit Wasser, einem<br />

Partizipationsmodell des Dorfes (3m x 3m, Maßstab<br />

1:400) und Fachvorträge der Projektpartner.<br />

Eine Ausstellung studentischer Arbeiten begleitete<br />

den Bürgerworkshop: Rund 70 Studierende aus<br />

dem 3. Semester BA. Architektur im Lehrgebiet<br />

„Kontextuelles Entwerfen“ bei Prof. Melenhorst<br />

beschäftigten sich im Wintersemester 2017-18 in<br />

ihren Entwürfen mit Haushebung und Neubauvarianten<br />

in Brockwitz.<br />

Sowohl die Lösungsansätze der Studierenden wie<br />

auch die Ergebnisse aus dem partizipativen Bürgerworkshop<br />

und die Forschungsergebnisse der<br />

Projektpartner sollen in einem nächsten Schritt<br />

zusammengeführt werden und Entwurfsvarianten<br />

von Hebungsszenarien erarbeitet werden.<br />

Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft: Über HUeBro. http://<br />

www.huebro.de (abgerufen am 21.<strong>03</strong>.<strong>2018</strong>)<br />

Förderlinie: Förderung von Maßnahmen zur Anpassung<br />

an den Klimawandel<br />

Laufzeit:<br />

04/2017 - <strong>03</strong>/2019<br />

Verbundpartner:<br />

• Technische Universität Dresden, Institut für<br />

Hydrologie und Meterorologie (IHM)<br />

• Technische Hochschule Nürnberg GSO, Labor<br />

für Wasserbau (LWN) (Projektkoordination)<br />

• Leibniz-Institut für ökologische<br />

Raumentwicklung (IÖR)<br />

• Technische Universität Dresden, Insitut für<br />

Baugeschichte, Architekturtheorie und<br />

Denkmalpflege (IBAD)<br />

Kooperationspartner:<br />

• Stadt Coswig<br />

• Sächsische Landesstiftung für Natur und Umwelt<br />

• <strong>Regionale</strong>r Planungsverband Oberes Elbtal/<br />

Osterzgebirge<br />

• Landratsamt Meißen<br />

• Bürgerinitiative Brockwitz - Niederseite<br />

www.huebro.de<br />

ConstructionLab<br />

Kontakt:<br />

<strong>urbanLab</strong> / Hochschule OWL<br />

Dipl.-Ing. Architekt Carsten Schade<br />

05231 769-6974<br />

carsten.schade(at)hs-owl.de


Leistungen<br />

Innovationsprozesse<br />

An der Schnittstelle zwischen Praxis, Forschung und<br />

Lehre bieten wir die Möglichkeit über studentische<br />

Ideenwettbewerbe und studentische Projekte fachlich<br />

fundierte Impulse und Bilder in den öffentlichen<br />

Diskurs zu tragen. Die studentischen Ergebnisse<br />

ermöglichen eine ergebnisoffene Debatte anhand<br />

tatsächlicher Planungsszenarien.<br />

Machbarkeitsstudien<br />

Aufgrund der langen Haltbarkeit räumlicher Entwicklungen<br />

werden Machbarkeitsstudien dringend<br />

empfohlen. Das <strong>urbanLab</strong> untersucht in den<br />

Machbarkeitsstudien Auswirkungen und Potentiale<br />

verschiedener Entwicklungsszenarien und<br />

ermöglicht so eine fundierte Entscheidungsgrundlage.<br />

Forschungsprojekte<br />

Das <strong>urbanLab</strong> erforscht die Wechselwirkungen von<br />

Mensch und Raum im Spannungsfeld schrumpfender<br />

und wachsender Städte, Kommunen und<br />

Regionen. Durch Kombinationen aus klassischer<br />

Datenerhebung und georefenzierter Visualisierung<br />

wird Raumwissen sichtbar.<br />

Konferenzen & Workshops<br />

Kommunikation ist ein wichtiger Baustein zum<br />

Wissens-transfer zwischen Forschung, Praxis und<br />

Lehre. Das Symposium <strong>Regionale</strong>r Salon debattiert<br />

Zukunftsfragen zwischen Forschern, Planern<br />

und Politikern. Das Lab of the Region entwickelt<br />

Projektideen aus der Bürgerschaft in einem<br />

Open-Space Prozess.<br />

Reallabore<br />

Am Puls der Zeit werden aktuelle Fragestellungen<br />

und Herausforderungen in Projektform als Reallabor<br />

umgesetzt und analysiert. Zusammen mit örtlichen<br />

Akteuren und/oder Studierenden entstehen<br />

so Best-Pratice-Beispiele und evidenzbasiertes<br />

Raumwissen.<br />

Veröffentlichungen<br />

Das <strong>urbanLab</strong> <strong>Magazin</strong> verbindet regelmäßig die<br />

aktuellen Aktivitäten des Forschungsschwerpunkts<br />

mit externen Beiträgen zu einem gemeinsamen<br />

<strong>Magazin</strong>, das kostenlos an Fachpublikum verteilt<br />

wird. Als Experten ihres Fachs verfassen die Mitglieder<br />

darüber hinaus einzelne Fachartikel zu<br />

ausgewählten Themen.<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Hochschule Ostwestfalen-Lippe<br />

Forschungsschwerpunkt <strong>urbanLab</strong><br />

Emilienstraße 45<br />

32756 Detmold<br />

Verantwortlich (<strong>Magazin</strong>)<br />

Prof. Oliver Hall<br />

Redaktion, Layout & Grafik<br />

Marcel Cardinali<br />

Oliver Großpietsch<br />

Julia Krick<br />

Weiterführende Informationen:<br />

www.hs-owl.de/urbanlab<br />

Druck<br />

K2-Druck GmbH, Lage<br />

Auflage<br />

3.000 Exemplare<br />

Abbildungen<br />

Die Abbildungen sind, soweit nicht anders<br />

gekennzeichnet Eigentum, der jeweiligen Verfasser.<br />

facebook:<br />

www.facebook.com/HochschuleOWL


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ist ein Zusammenschluss von Wohnungsbaugenossenschaften,<br />

kommunalen,<br />

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Das <strong>urbanLab</strong> ist ein Forschungsschwerpunkt der Fachbereiche<br />

1 (Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur), 3<br />

(Bauingenieurwesen) und 9 (Landschaftsarchitektur und Umweltplanung)<br />

der Hochschule Ostwestfalen-Lippe.

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