42 PORTRÄT Grand-Cru-Schokolade, die «gegen den Strom schmeckt» In Biglen, mitten im traditionsbewussten Emmental, mischt Hans Freudiger mit seinen innovativen Bio-Produkten den Schweizer Schokoladen-Markt tüchtig auf. Auf sein Bauchgefühl kann er sich verlassen. Als sich die einjährige Entwicklungsarbeit dem Ende näherte, spürte er, dass das etwas wird mit der neuen Schokolade. Acht Sorten hatten er und sein Team «ertüftelt», getestet, immer wieder verfeinert, verändert – und dabei «gegen den Strom geschmeckt», wie es Hans Freudiger, der Chef, ausdrückt. Herausgekommen ist Bio-Grand-Cru-Schokolade in acht verschiedenen Aromen: mit Sonnenblumen- Kernen, Emmentaler Bräzeli, Orangen, Hagebutten, Hopfen, Malven oder Rosenblüten. Und die «exotischen» Tafeln Schokolade mit dem Namen «Freu Dich» und mit Löchern wie Emmentaler Käse sind erfolgreich, obwohl die Teuersten im ganzen Land. Aber sie bescheren «überraschende und neue Geschmackserlebnisse», und deshalb hat sie jüngst auch die Warenhauskette «Globus» in ihr Sortiment aufgenommen. Am Anfang war das Brot Der 51-jährige Hans Freudiger, Vater des Erfolgs, ist schon immer seinen eigenen Weg gegangen. Auf dem elterlichen Bauernhof in Niederbipp lernte er, «mit der Natur sorgfältig umzugehen». Den Hof wollte er allerdings nie übernehmen, viel eher zog es ihn in die Bäckerei seiner Mutter, wo er erlebte, wie aus dem eigenen Weizen herrlich duftendes Brot wurde. Obwohl für ihn früh klar war, dass er Bäcker und Konditor werden wollte, kam es für ihn auch nicht in Frage, den Laden der Mutter zu übernehmen. Er wollte weg von zuhause und möglichst schnell etwas Eigenes auf die Beine stellen. Vor allem wollte er seine Kreativität in die Produkte einfl iessen lassen, was bei einem klassischen Bäckerei-Sortiment kaum möglich ist. Also machte er eine Lehre als Bäcker-Konditor, belegte an den Berufs-Schweizer-Meisterschaften den dritten Platz, machte mit 23 die Meisterprüfung und übernahm im Alter von 34 nach ein paar Berufsstationen den eigenen Betrieb. Zur Emmentaler Backwaren Freudiger <strong>AG</strong> stiess sechs Jahre später das Traditionsunternehmen Swiss Chocolatier. In Biglen, an der <strong>BLS</strong>-Strecke zwischen Thun und Hasle- Rüegsau, beschäftigt Hans Freudiger heute rund 30 Angestellte. In den vergangenen Jahren ist der Betrieb schnell gewachsen. Geblieben allerdings ist das Credo aus seiner Jugend: Er habe damals verinnerlicht, wie gute und natürliche Rohstoffe schmecken, so dass für ihn bis heute nur regionale und biologisch-nachhaltige Zutaten in Frage kommen. Für die Emmentaler «Merängge», den Klassiker des Hauses, verwendet er Haselnüsse von einem Bauern in Sizilien, den er jedes Jahr einmal besucht und von dessen Produkten er voll und ganz überzeugt ist. Er verarbeitet Criollo- und Trinitatrio-Kakaobohnen aus der Dominikanischen Republik, die nach den Grundsätzen einer nachhaltigen Landwirtschaft produziert werden. Und für seine «Kräuter-Schokolade» kommen für ihn nur die Tee- und Gewürzkräuter eines Emmentaler Bergbetriebs in Frage. Zudem, betont er immer wieder, werde bei ihnen alles in Handarbeit produziert. Das ist seine Nische, in der er sich erfolgreich bewegt. Der rastlose Schnelldenker Das bedingt aber eine Menge Arbeit («10-Stunden-Tage sind nicht zu vermeiden») und ein gerüttelt Mass an Innovation, denn will man überleben, muss das Produktesortiment laufend erneuert werden. Und wenn man mit ihm spricht, spürt man eine gewisse Rastlosigkeit, die es dazu wohl braucht. Er sei ein Schnelldenker, einer, der die Dinge lieber heute als morgen anpacke. Das mache aus ihm einen Chef, der viel verlange, aber auch viel gebe: «Eigentlich bin ich ein ‹lieber Siech›.» Nur als es um seine privaten Leidenschaften geht, geraten seine Schilderungen etwas ins Stocken: Dass er in seiner Freizeit Golf spielt, mag er nicht so gerne preisgeben. Der Sport gelte immer noch als abgehoben, «aber ich», versichert er, «bin nach wie vor sehr bodenständig und mit der Erdscholle verbunden». Sein Handicap (11) verrät, dass er auch auf dem Golfplatz Ehrgeiz und Talent an den Tag legt. Viel Zeit verbringt er zudem mit seiner Frau und den beiden Kindern Claudia und Lukas (14, 10). Nun will Hans Freudiger an einem anderen Standort in der näheren Umgebung einen neuen Firmensitz bauen. Das ist eine seiner grössten Herausforderungen. Und schon bald möchte er eine weitere Schokolade lancieren: mit Trüffeln aus dem Emmental. Ob die Leute auch das gerne essen, wird sich zeigen. Sein Bauchgefühl jedenfalls ist gar nicht schlecht.
Portrat ¨ Hans Freudiger Grand-Cru- Schokolade www.emmentaler-backwaren.ch Text: Peter Bader Bild: Manuel Friederich «Auf mein Bauchgefühl kann ich mich verlassen» Hans Freudiger 43