Leseprobe_Glüxam_Aus der Seele muß man spielen
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Einführung<br />
fühl und Charakter, danach folgen Kapitel über die Entwicklung <strong>der</strong> musikalischen Affektdarstellung<br />
von <strong>der</strong> Antike bis ins beginnende 19. Jahrhun<strong>der</strong>t, mit Schwerpunkt auf<br />
<strong>der</strong> Musik des 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Dieser Überblick soll helfen, die musikalische<br />
Affektdarstellung als ein gewachsenes und auf antiken Vorbil<strong>der</strong>n basierendes System zu<br />
begreifen, das in <strong>der</strong> Spätrenaissance wie<strong>der</strong> aufgegriffen und sukzessive weiter ausgearbeitet<br />
wurde und das in <strong>der</strong> Musik des 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts schließlich zum vorherrschenden<br />
Prinzip des gesamten musikalischen Denkens wurde. Zwei Hauptaspekte bilden<br />
dabei den roten Faden <strong>der</strong> Betrachtung: einerseits die seit <strong>der</strong> Antike tief verankerte Überzeugung<br />
von <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Fähigkeit <strong>der</strong> Musik, im Menschen „wun<strong>der</strong>bare“ Wirkungen<br />
erzielen und Emotionen musikalisch darstellen zu können, an<strong>der</strong>erseits das ebenfalls auf<br />
antiken Vorbil<strong>der</strong>n basierende Verständnis von Musik als einer nachahmenden Kunst.<br />
Die Verbindung dieser zwei Sichtweisen führte letztendlich zur Auffassung von Musik als<br />
einer Kunst, die nicht nur fähig ist, menschliche Affekte musikalisch nachzuahmen und<br />
dadurch gezielt den Menschen zu beeinflussen, son<strong>der</strong>n die dazu verpflichtet ist. Von essenzieller<br />
Bedeutung ist hier die enge Verbindung von Musik und Sprache, denn es war die<br />
Sprache, die als wichtigste Affektträgerin galt und die deshalb direkt mit musikalischen<br />
Mitteln nachgeahmt werden konnte und sollte. Daraus resultiert die zentrale Stellung <strong>der</strong><br />
textgebundenen Musik in <strong>der</strong> Musik des 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts, ähnlich wie die zahlreichen<br />
Parallelen zwischen Musik und Redekunst (Rhetorik), die sowohl für die Komposition<br />
als auch für die Aufführung von entscheiden<strong>der</strong> Wichtigkeit sind.<br />
Die gedankliche Struktur, auf <strong>der</strong> das System <strong>der</strong> musikalischen Affektdarstellung basiert,<br />
lässt sich folgen<strong>der</strong>maßen umschreiben: „Musik als Nachahmung <strong>der</strong> Natur“ –<br />
„Nachahmung nach dem Prinzip <strong>der</strong> Analogie“ – „Musik als Nachahmung <strong>der</strong> Sprache“ –<br />
„Instrumentalmusik als Nachahmung des Gesangs“. Jedem dieser Stichworte ist in<br />
diesem Buch ein eigenes Kapitel gewidmet. Im Kapitel „Musikalische Darstellung <strong>der</strong><br />
Affekte nach dem Prinzip <strong>der</strong> Analogie“ wird mithilfe historischer <strong>Aus</strong>sagen erklärt,<br />
wie die Affektdarstellung konkret vonstatten ging; das Kapitel „Übersicht <strong>der</strong> Affekte“<br />
bietet eine Übersicht über konkrete Affekte samt Beschreibungen <strong>der</strong> musikalischen<br />
Umsetzung aus musikbezogenen Abhandlungen <strong>der</strong> Zeit.<br />
Der II. Teil bringt zunächst zusammenfassende Erklärungen dazu, wie sich Affekte erkennen<br />
lassen, und stützt sich auf Autoren wie J. J. Quantz, A. Lorenzoni, J. J. Engel, J. Ph.<br />
Kirnberger, J. G. Sulzer (Allgemeine Theorie <strong>der</strong> Schönen Künste), J. N. Forkel, H. Chr. Koch<br />
und J. Fröhlich. Da die verschiedenen Autoren stets das Zusammenwirken aller kompositorischen<br />
Aspekte betonten (auch wenn sie nicht immer angeführt wurden), folgt nach<br />
den Hinweisen zur Affekterkennung eine Übersicht <strong>der</strong> einzelnen kompositorischen<br />
Aspekte wie Stil, Gattungen und Formen, Tonart, Melodie, Rhythmus, Tempo / Bewegung,<br />
Takt, Harmonie, Dynamik, Artikulation, Verzierungen, Besetzung und Instrumentation,<br />
wobei diese <strong>Aus</strong>führungen schließlich in das Kapitel über den sog. „guten“<br />
Vortrag münden. Als „gut“ wurde ein Vortrag nur dann empfunden, wenn <strong>der</strong> Interpret<br />
die in <strong>der</strong> Komposition enthaltenen Affekte erkannte und sie nach <strong>der</strong> Vorstellung des<br />
Komponisten verständlich an den Zuhörer weitergab.<br />
Obwohl es wünschenswert wäre, dass <strong>der</strong> Interessierte das gesamte Buch lesen würde,<br />
sind es in Teil I insbeson<strong>der</strong>e die Kapitel über das Prinzip <strong>der</strong> analogen Nachahmung<br />
sowie über Musik und Rhetorik, die enorm wichtig für das Verständnis <strong>der</strong> Materie<br />
sind. Die Kapitel aus Teil II können je nach Bedarf auch einzeln gelesen werden,<br />
wie z. B. das Kapitel über die Artikulation o<strong>der</strong> Ornamentik. Da sich in den Kapiteln<br />
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