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Juli 2020 - coolibri

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KINO<br />

Berlin Alexanderplatz |Start:16.7.<br />

Visionäre Gratwanderung<br />

„Berlin Alexanderplatz“ heißtAlfredDöblins Literaturklassiker,der dieExzesse<br />

undVergehender 1920er Jahreillustriert.FilmemacherBurhan<br />

Qurbanibringtdiese Geschichte mitfantastischer Bildgewaltund großen<br />

Ambitionen insHeute.<br />

Im Jetzt, zumStart derneuen20erJahre,ist es deraus Afrika nach Berlin<br />

geflohene Francis,der aufder SuchenachErfüllung in dieUnterwelt der<br />

Metropoletaumelt. Er willgut sein,ineiner Welt, dieböseist –seinfatales<br />

Scheiternist vorprogrammiert.<br />

„Berlin Alexanderplatz“ist ab derfuriosinszeniertenEröffnungssequenz<br />

Foto: 2019 Sommerhaus eOne Germany<br />

einFilmvollfantastischer Bildgewaltund großer Ambitionen. EinFilm,der<br />

sich Größenwahn traut, derVisionenformuliert, mehr will, als bloß zahmesdeutsches<br />

Mainstream-Kinozusein. Qurbanis Übersetztung des<br />

klassischenStoffsins Hier undJetzt gelingt dabeiauf erstaunlichvielen<br />

Ebenen erschreckenderfolgreich–auch wenn Literaturpuristen sicher ihre<br />

Probleme findenwerden. Francis Geschichte istabereinezeitlose, die<br />

im modernen Kontextnochmal an interessantenDimensionen gewinnt.<br />

Qurbani nutztdas,umeineMengeFragenüberden Zustandder westlichen<br />

Welt aufzuwerfen. Manchmal schlägt er dabeiüberdie Stränge, will<br />

einfachzuviel. Erzählerisch drehtdie Geschichte sich teilweisearg im<br />

Kreis, verheddert sich in unnötigen Kompliziertheitenund nimmt dieeine<br />

oder andere Berg-und-Talfahrtzuviel–bisamEndesoviele Fäden in der<br />

Luft hängen,dasssie nichtanders können,als sich zu einemunübersichtlichen<br />

Knäuel zu verstricken. Gut, dass eintalentiertesSchauspielerensemble<br />

denZuschauer immer wiedermit viel Charisma undSpielfreude<br />

zurückins Geschehenzieht.Besonders auffällig: AlbrechtSchuch („Bad<br />

Banks“)als stranger,ruchloser, aber doch enigmatischer Drogenvogel vollerEigenartigkeiten.<br />

Dennoch: „Berlin Alexanderplatz“ist einFilm,der durch mutige Gratwanderungen<br />

aus derMasse herausragt.Oft befürchtetman,dasserinder<br />

nächsten Sekundezueiner dieser stumpfen,aufgeblasenen Gangster-<br />

Epen abfällt, dieaktuell dendeutschen Markt mitfraglichenMännlichkeitskonzepten<br />

undGesellschaftsvorstellungendominieren (siehe „Skylines“oder„Asphaltgorillas“).Dafür<br />

istdiese Versionaberzuintelligent –<br />

zum Glück. Also: „Berlin Alexanderplatz“ istcineastisch,visionär<br />

und(manchmal etwaszu) gierig nach mehr. LukasVering<br />

R: Burhan Qurbani; D: Welket Bungué,<br />

AlbrechtSchuch, JellaHaase<br />

Guns Akimbo|Start:25.6.<br />

Foto: Universum Film<br />

Gretel &Hänsel|Start: 9.7.<br />

Foto: Patrick Redmond<br />

Hände hoch!<br />

In „GunsAkimbo“ siehtder geneigte ZuschauerDaniel Radcliffeauf der<br />

Fluchtvor einerwahnsinnigenKillerin –inBoxershorts,Bademantel, Pantoffelnund<br />

mitzweiPistolenandie Hände genagelt.Jup,genau dasist die<br />

völlig absurdeAusgangslagediesesüberzogenen,bekloppten unddoch<br />

argkurzweiligenAction-Ramsches. TrotzfahrlässigerLogiklückenfunktioniertdieserFilm,weilersichselbstzukeinerSekunde<br />

besonders ernst<br />

nimmt undfür seineZuschauer nichtvielmehr, als eine adrenalingetränkte<br />

Ablenkungvon derRealitätseinwill.Radcliffe undCo-Star SamaraWeaving<br />

(kennt manals blutigeBraut in „Ready or not“)liefernzudem Leistungen<br />

ab,die eindeutig viel zu gut für diesen sinnfreien,aberkultpotenzialigen<br />

Streifen sind. lv<br />

R: JasonLei Howden;D:DanielRadcliffe,SamaraWeaving, NedDennehy<br />

20<br />

Kinder raus!<br />

Alte Märchenneu aufziehenist im Filmgeschäft auch schon einabgetragenerHut.KeinHindernis<br />

fürdie Macher von„Gretel &Hänsel“,die (das<br />

deutetder Titelschon an) eine feministische Neuerzählungdes Schauermärchenserzählenwollen.<br />

Natürlich als Horrorfilm.Der Grundgedankeist<br />

einguter,viele Motive rund um dieheranwachsende Gretel undihre Stellungals<br />

unterdrückte Frau in derGesellschaftgeben interessantenErzählstoff<br />

her, derFilm kann daraus aber keinwirklichrundesPaket schnüren.<br />

Ähnlich wiedie visuelle Aufmachung voll stylischer Geometrieund<br />

Lichtspiele, dieetwaan„TheLighthouse“ oder „Midsommar“ erinnern, wirkendiese<br />

Motive aber nurentlehntund nichtverdient. Undstatt aufdichte,surrealeAtmosphäre<br />

zu vertrauen, werden unnötigeJump-Scaresfür<br />

denschnellen Schreck eingeworfen.Das Ergebnis:Halbgar. lv<br />

R: Osgood Perkins; D: Sophia Lillis,Alice Krige

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