danmag 02_Arbeit
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i c ! b e r l i n
Was mich noch mehr irritiert als der permanente Email-Beschuss ist die Priorität der Handys. Das
macht mich oftmals ratlos. Als sich beispielsweise ein junger Mann für eine Stelle als Abteilungsleiter
vorstellte und ich das Bewerbungsgespräch gemeinsam mit einem Kollegen führte, fing der während
des Gesprächs an, in sein Handy zu tippen. Diese Situation ist doch unglaublich. Jemand bewirbt sich,
sieht das vielleicht als Chance seines Lebens, und dann sitzt ihm einer gegenüber, der Texte ins Handy
tippt. Da fühlt sich doch jeder Bewerber völlig respektlos behandelt. So was macht mich richtig böse,
das kommt solange ich bei ic! berlin bin, bestimmt nicht nochmal vor. Auch in anderer Beziehung haben
Smartphone und Computer Einfluss auf die zwischenmenschlichen Beziehungen. Wir setzen sie oft ein,
um wirkliche emotionale Belastung von uns fern zu halten und das hat sicher auch für das Berufsleben
ernsthafte Folgen. Da schickt zum Beispiel jemand Emails die wirklich böse sind. Doch dem Kollegen
diesen unangenehmen Inhalt persönlich zu sagen, würde sich der Email-Schreiber nie trauen.
Zwischenbemerkung von Ralph Anderl
Customer CAre Service Mitarbeiter/In
Sehr geehrte Damen und Herren!
Was für ein stolzes Wort! Hochgeil sage ich da mal unauffällig... ich sage auch: ran ans Telefon und den
Anrufern unserer Telefonnummer helfen: welche Brille? Schraube locker (nicht möglich)?! Ihr Kanarienvogel
ist schwanger? Meine Mutter kauft mir kein i-Phone, warum?! Fragen Fragen Fragen, auf die Sie
eine Antwort haben sollten. Das nennt man auch "kommunikationsaffin". Lust auf Sprechen. In vielen
Sprachen. Unsere Kunden rufen gerne an, weil Sie eine tolle Stimme haben und wirklich anbieten. Wer
sind wir?? Eine Blechbrillenfirma in der Mitte Berlin. Alles steht darüber hinaus im Internet. Und speziell
ist auch, dass meine Nummer in jeder Brille steht. Aber tut nichts zur Sache, denn ich bin der Chef.
Blechbrillenverkäufer...
Die Frustrationsschwelle ist heute auch nach meinem Eindruck extrem gering. Es ist unfassbar, wie
schnell sich Mitarbeiter vom Acker machen und nicht bereit sind, sich in ein Problem reinzuhängen.
Gleichzeitig gibt es aber auch junge Leute, die, wenn sie unseren Grundkern in sich tragen, bereit sind
über sich hinaus zu wachsen. Indem sie sich ohne entsprechende Ausbildung, aber in einer unendlichen
Jugendlichkeit Führungspositionen erarbeiten und dabei auch den harten Weg in Kauf nehmen. Wir
bieten solchen Leuten gezielt eine Plattform; wir sehen, derjenige hat zwar noch nicht genug gelernt,
aber er ist „kaltwasseraffin“.
Um die für unsere Firma besten Kandidaten herauszufinden, läuft der Bewerbungsprozess in drei Stufen
ab. Zunächst veröffentlichen wir eine Stellenanzeige. Die schreibt immer Herr Anderl, denn diese ganz
spezielle Tonalität trifft sonst keiner. Im Anzeigentext steht, was wir im Kern suchen, aber sehr speziell
formuliert und verpackt in einem gewissen schnoddrigen, völlig unkonventionellen Sprachstil. Im
zweiten Schritt trifft die Assistenz der Geschäftsführung eine Vorauswahl und leitet die Bewerbungen an
den entsprechenden Vorgesetzten weiter. Von dieser Auswahl werden meist drei Bewerber zum Gespräch
mit dem Vorgesetzten eingeladen. Sollte man sich auf dieser Basis noch nicht entscheiden können, findet
ein zweites Gespräch statt.
Dieses zweite Gespräch führe ich in der Regel selbst. Es ist klar, dass ich das rein Fachliche nicht sehr
fundiert beurteilen kann, aber meine Fragen an unsere Bewerber beziehen sich auch hauptsächlich
darauf, ob er oder sie imstande ist, die Arbeit aufgrund des bisherigen Werdegangs gut zu machen. Es
handelt sich somit um eine vage Prognose. Eine Bewerberin hatte sich beispielsweise auf eine Stelle
beworben, bei der Kundenkontakte eine große Rolle spielen. Im Gespräch wollte ich dann herausfinden
wie sie mit anstrengenden Gesprächspartnern umgeht, indem ich sie bewusst aus der Reserve gelockt
habe. Im Vordergrund steht also immer die Frage: Wie verhält sich jemand, wenn es schwierig wird?
Und: Passt die Person hier rein? Bauchgefühl und Erfahrung spielen dabei eine ganz große Rolle.
Am Anfang des Gesprächs erzähle ich oft von mir selbst. Im Sinne von: Die Firma ist ja relativ jung,
Sie fragen sich jetzt bestimmt, warum Ihnen ein vergleichsweise älterer Mensch gegenübersitzt. Ich bin
erst seit zwei Jahren hier, davor war ich 40 Jahre im Bankwesen. Das hier muss ich eigentlich gar nicht
mehr machen und bin trotzdem hier. Das spricht doch schon mal für die Qualität der Firma, sage ich
dann in Eigenwerbung. Solche Bewerbungsgespräche werden in vielen Firmen streng nach einem System
strukturiert und bekommen dadurch oft einen Verhörcharakter. Um den Bewerbern die Anspannung
zu nehmen, versuche ich so gut es geht, die Menschen dahin zu bringen zu vergessen, dass sie wegen
einer Arbeitsstelle vor mir sitzen. Ich bemühe mich einfach, einen interessanten Dialog zu führen, und
wenn das Gespräch damit endet, dass der Bewerber sagt, „das wollte ich Ihnen eigentlich gar nicht alles
erzählen“, dann war es ein gutes Gespräch.
SAP Junior Systembetreuer
Sehr geehrte Damen und Herren!
Sie müssen nicht der Sohn von Hasso Plattner sein oder aus Walldorf kommen. Auch ist es nicht
schlimm, wenn sie keine Brille tragen oder aus München kommen. Uns kommt es auf ihre inneren Werte
und Ihre Persönlichkeit an. Und dass Sie... mir gehen die Worte aus. Wir sind eine Blechbrillenfirma aus
Berlin und haben SAP Business One. Um dieses Monster zu bändigen, brauchen wir Sie. Ja... klingt das
schon spannend genug? Oder schauen Sie mal auf unsere Internetseite oder ins Gesichtsbuch (Facebook).
Und wenn Sie das anspricht, dann senden Sie sofort alles Relevante an uns: franziska@ic-berlin.de
Mitarbeiter/in manuelle Fertigung/Montage
Sehr geehrte Damen und Herren!
Kurzum: es geht darum, aus vielen relativ kleinen Teilen eine Brille zu montieren! Alles indes ohne
Schrauben. Wir stecken die Bügel an die Front. Genauer gesagt, sollten Sie das tun! Somit die Frage:
haben Sie ein gutes Verhältnis zu Ihren Händen? Tun Ihre Finger das, was sie von Ihnen verlangen?
Haben Sie eher zwei rechte Hände als zu viele linke? Basteln Sie zum Beispiel gerne? Zu Weihnachten
und auch zu Ostern?
danmag | Arb e it 02
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