Leseprobe_Rauchschatten
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Genosse, vier Stunden reichen aus, um das Bedürfnis nach<br />
Arbeit zu stillen?<br />
Lundrim beginnt allmählich zu begreifen, dass er sich in<br />
eine gefährliche Situation hineingeritten hat, aus der ihn weder<br />
die Verbindungen seines kommunistischen Schwiegervaters<br />
noch Nikola herausholen können.<br />
Bitte nicht, denkt er und reibt die Fingerkuppen aneinander.<br />
Bemerkt dabei, dass seine Hände feucht werden. Seine<br />
Stirn beginnt zu vereisen.<br />
Hauptsache, niemand bemerkt etwas von meiner Angst,<br />
denkt er. Jetzt heißt es, einfach nur den Schnabel zu halten,<br />
um nicht durch Rechtfertigungsversuche noch tiefer in die<br />
Scheiße zu geraten. Er sieht den Kaderleiter reumütig an, und<br />
während dieser mit heißem Kopf und wutentbranntem Blick<br />
mit dem Zeigefinger wedelt, beschäftigen sich Lundrims<br />
Gedanken mit der roten Samtpolsterung der Stühle im Saal.<br />
Er vergleicht sie mit den Sofas im Empfangszimmer seiner<br />
Schwiegereltern.<br />
Kommunistische Kommodität, sagt er zu sich selbst, und<br />
ein kalter Schauer läuft ihm dabei über den Rücken. Diesen<br />
Gedanken sollte er gleich wieder vergessen. Noch besser<br />
wäre es, ihn nie gedacht zu haben. Die Röntgenaugen der<br />
Belegschaft durchleuchten ihn.<br />
Denn mit Erfolg und Weitsicht gewappnet, marschiert<br />
der Kommunismus, gebettet auf den stählernen Schultern<br />
des Proletariats, geführt von …, ruft der Kaderleiter.<br />
Diese Holzvertäfelung, hinter der die Wand zur Hälfte<br />
verschwindet, denkt Lundrim, macht den Raum wohnlicher.<br />
Sie verleiht dem Saal eine warme Atmosphäre. Außerdem ist<br />
sie eine perfekte Tarnung für Aufnahmegeräte und Sender.<br />
Man darf, und der Leiter erhebt seine Stimme, man darf<br />
Intellektuelle nicht mit Streichhölzern spielen lassen! Sie<br />
nehmen die Begriffe und stellen sie willkürlich nebeneinander.<br />
Im Grunde klingt das, was sie von sich geben, nicht ein-<br />
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