Mein Leben Live - Ausgabe 3 Juli 2020
Interaktives Lifestyle - Magazin
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Es begann im Sommer 2019, mit einer Flut von<br />
Freundschaftsanfragen in Facebook. Darunter auch<br />
die eines Mannes, den ich in der Folge Catfish nennen<br />
werde, und der in der Freundesliste einer lieben<br />
Freundin von mir zu finden war. Wohl aufgrund dieses<br />
Umstandes, reagierte ich mit einer Art von Vertrauensvorschuss.<br />
Seine erste Kontaktaufnahme war<br />
nämlich etwas sehr gewagt. „<strong>Mein</strong>e Liebe“ … wenn<br />
ich das schon auf den Schirm bekomme. In der Vergangenheit<br />
hatte ich schon einige „Freunde“ kommentarlos<br />
gelöscht, die derart plump kommunizierten,<br />
doch diesmal antworte ich sichtlich verärgert<br />
und forderte eine Erklärung für diese unverschämte<br />
Annäherung, hatte ich doch zuvor klargestellt, weder<br />
auf Partner- noch sonstiger Suche zu sein. Warum<br />
also bitte „meine Liebe“? Darauf folgte eine<br />
plausibel klingende Entschuldigung.<br />
<strong>Mein</strong> Catfish verwendete einen Translator und – so<br />
meine eigenen Erfahrungen – von Deutsch zu Englisch<br />
funktioniert das sehr gut, von Englisch ins Deutsche<br />
… naja, das konnte mitunter einen aufdringlichen<br />
Touch haben. Und überhaupt: Amis & Co verwenden<br />
„Love, Sweatheart und Darling“ häufig inflationär.<br />
Da sich die weitere Kommunikation zurückhaltend<br />
und wertschätzend zeigte, schob ich meinen damaligen<br />
Groll beiseite und rückte mein Interesse, meine<br />
eigenen Englischkenntnisse in Austausch mit einem<br />
Native Speaker zu verbessern, in den Vordergrund.<br />
Wir begannen also, auf Englisch über Gott und die<br />
Welt zu plaudern. Die Geschichte, die mein Catfish<br />
mir auftischte, wirkte vom ersten Moment an drehbuchreif<br />
made in Hollywood.<br />
Früh die Eltern verloren, dann ins Waisenhaus, keine<br />
Unterstützung aus der Familie, Ausbildung bei der Armee<br />
als einzige Chance. Karriere. Hochzeit. Kind. Ehefrau<br />
verunglückt. Kind im Internat. <strong>Mein</strong> Catfish (nunmehr<br />
General) in Afghanistan, einsam auf der Suche<br />
nach Liebe. Nun ja, ich bin Romantikerin, aber diese<br />
Geschichte war allzu tränentriefend. Vor allem die Art<br />
und Weise, wie sie erzählt wurde, machte mich stutzig.<br />
Irgendwie schienen die Sätze „vorgefertigt“.<br />
Ich bin Autorin und Kommunikationstrainerin. Ob ich<br />
es will oder nicht, ich beachte die Kommunikationsmuster<br />
und Satzstellungen eines Chatpartners. Wenn<br />
mein Catfish aus seinem <strong>Leben</strong> erzählte, veränderten<br />
sich diese Muster. Es waren nur Details, wie die plötzliche<br />
Verwendung von Satzzeichen. Man schreibt nicht<br />
über Musik und Bücher OHNE Satzzeichen, aber über<br />
sein <strong>Leben</strong> MIT Satzzeichen.<br />
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