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ensuite<br />
Nr. 49 Januar 2007 | 5. Jahrgang<br />
k u l t u r m a g a z i n<br />
Über Zufall, Schicksal,<br />
Schuld und Sühne Seite 23<br />
Babel - ein Gesamtkunstwerk!<br />
Keine Meuterei im<br />
Zentrum Paul Klee Seite 4<br />
Der neue Pirat heisst Juri Steiner<br />
Sándor Veress Seite 13<br />
«Missing link» der Geschichte?<br />
Brotlos ohne Korn Seite 16<br />
Muss das Kornhausforum schliessen?
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Spitalgasse 4 / 3. UG / CH-3011 Bern<br />
Vorverkauf 031 311 61 00<br />
Mo.- Fr. 16.00 -19.30 Sa . 14.30 - 16.30 Uhr<br />
www.theater-am-kaefi gturm.ch<br />
«GSPÄSSIGI LÜT»<br />
Die Millionärin Frau Edith Wildmann wird von ihren<br />
Stiefkindern in eine Nervenheilanstalt gesteckt, da diese<br />
sich um ihr Erbe sorgen und überzeugt sind, die etwas<br />
sonderbare Dame würde ihr Vermögen an verrückte Ideen<br />
verschwenden. Mit Schmeichelei, falschen Versprechungen<br />
oder mit rüpelhaften Bedrohungen versuchen der<br />
Ständerat Titus, der Oberrichter Samuel und die<br />
Lebedame Lilybell an das riesige Vermögen zu kommen.<br />
Die Erfolgskomödie wird in Mund<strong>art</strong> von der<br />
Liebhaberbühne Biel mit viel Liebe zum Detail gespielt.<br />
5. und 6. Jan. jeweils 20 Uhr<br />
«OLLI HAUENSTEIN»<br />
«fool position fun & foul in sports»<br />
Die Soloshow zeigt Spitzen und Spitzensportler, unermüdliche<br />
Hirnmuskler und zielstrebige Querschläger. Mit viel Phantasie,<br />
tiefgründigem Humor, ausdrucksstarker Pantomime und<br />
beeindruckender Körperbeherrschung führt der berühmte<br />
Clown Mime und Artist in die Welt des Sports.<br />
11., 13., 17., 18., 19. und 20. Jan. jeweils 20 Uhr<br />
«DIVERTIMENTO» CABARET<br />
Inzwischen das Schweizer Trend-Cabaretduo, bekannt aus<br />
Radio, TV und Film (Handyman), jetzt unterwegs mit dem<br />
Erfolgsprogramm «zuvielisation».<br />
Erfrischend – witzig – schräg und jung! Diesen Namen<br />
müssen Sie sich merken – ein Cabaret mit grosser Zukunft.<br />
23., 24., 25. und 27. Jan. jeweils 20 Uhr<br />
Mühle Hunziken und Galerie Ramseyer & Kaelin präsentieren<br />
vom 9. bis 27. Januar 2007 Moz<strong>art</strong> Spätlese mit<br />
Ottfried Zielke<br />
Vernissage: Dienstag, 9. Januar, 19:00 h<br />
Galerienwochenende: Sa/So, 13./14. Januar, 11:00-17.00 h<br />
Galerie Ramseyer & Kaelin, Junkerngasse 1, 3011 Bern<br />
Mittwoch-Freitag 16:00-19:00 h / Samstag 13:00-16:00 h<br />
andrea heinrich coiffure & maquillage schulweg 11 3013 bern<br />
* bus nr. 20, haltestelle gewerbeschule. der<br />
schulweg ist an der lorrainestrasse, die erste rechts.<br />
tel. 031 331 11 88
impressum<br />
Herausgeber: Verein WE ARE, Bern Redaktion: Lukas Vogelsang<br />
(vl); Stephan Fuchs (sf); Anna Vershinova (av) // Andrea Baumann<br />
(ab), Peter J. Betts (pjb), Jean-Luc Froidevaux (jlf), Till<br />
Hillbrecht (th), Michael Imoberdorf (mi), Sonja Koller (sk), Andy<br />
Limacher (al), Belinda Meier (bm), Monique Meyer (mm), Eva<br />
Mollet (ev), Magdalena Nadolska (man), M<strong>art</strong>a Nawrocka (mn),<br />
Eva Pfi rter (ep), Nicolas Richard (nr), Caroline Ritz (cr), Benedikt<br />
S<strong>art</strong>orius (bs), Monika Schäfer (ms), Anne-Sophie Scholl (ass),<br />
Karl Schüpbach (ks), Sarah Stähli (ss), Tabea Steiner (ts), Sara<br />
Trauffer (st), Kathrina von W<strong>art</strong>burg (kvw), Simone Wahli (sw),<br />
Sonja Wenger (sjw) C<strong>art</strong>oon: Bruno Fauser, Bern; Telefon 031 312<br />
64 76 Kulturagenda: kulturagenda.ch; ensuite - kulturmagazin,<br />
Bewegungsmelder AG, allevents, Biel; Abteilung für Kulturelles<br />
Biel, Abteilung für Kulturelles Thun, interwerk gmbh. Korrektorat:<br />
Monique Meyer (mm)<br />
Abonnemente: 58 Franken für ein Jahr / 11 Ausgaben. Abodienst:<br />
031 318 60 50<br />
ensuite – kulturmagazin erscheint monatlich. Aufl age: 10‘000<br />
Anzeigenverkauf: anzeigen@ensuite.ch Layout: interwerk gmbh:<br />
Lukas Vogelsang Produktion & Druckvorstufe: interwerk gmbh,<br />
Bern Druck: Fischer AG für Data und Print Vertrieb: Gratisaufl age<br />
an 350 Orten im Kanton Bern; passive attack, Telefon 031 398<br />
38 66 Web: interwerk gmbh<br />
Hinweise für redaktionelle Themen (nicht Agendaeinträge!)<br />
erwünscht bis zum 11. des Vormonates. Über die Publikation<br />
entscheidet die Redaktion. Bildmaterial digital oder im Original<br />
beilegen.<br />
Agendahinweise bis spätestens am 18. des Vormonates. Redaktionsschluss<br />
der Ausgabe ist jeweils am 18. des Vormonates.<br />
(siehe auch www.ensuite.ch - menü: veranstalter)<br />
Die Redaktion ensuite - kulturmagazin ist politisch, wirtschaftlich<br />
und ethisch unabhängig und selbständig. Die Texte repräsentieren<br />
die Meinungen der Autoren/innen, nicht jene der Redaktion.<br />
Copyrights für alle Informationen und Bilder liegen beim Verein<br />
WE ARE in Bern und der edition ■ ensuite.<br />
Redaktionsadresse:<br />
Bild Titelseite und rechts:<br />
Brad Pitt in «Babel» (Seite 22/23)<br />
ein Film von Alejandro González Iñárritu<br />
Fotos: zVg.<br />
ensuite – kulturmagazin<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Telefon 031 318 6050<br />
mail: redaktion@ensuite.ch<br />
www.ensuite.ch<br />
Eigentlich, eigentlich...<br />
■ ensuite – kulturmagazin schreibt den 5. Jahrgang<br />
- wer hätte das je gedacht. Das ist sensationell.<br />
Ich weiss noch gut, wie mir am Anfang mit<br />
müdem Lächeln auf die Schulter geklopft wurde,<br />
mit dem Glauben, dass ich ein paar Monate später<br />
das Handtuch werfen würde. Und wenn ich ehrlich<br />
bin, so haben ich in den letzten Jahren monatlich<br />
das Handtuch geworfen – aber mich jedes Mal irgendwie<br />
wieder aufgerappelt.<br />
Fünf Jahre arbeite ich sieben Tage die Woche<br />
für die Kultur und musste mir anhören, dass ich<br />
mich nicht für Kultur interessiere oder keine Ahnung<br />
davon habe, musste bitteln und betteln für<br />
jeden Rappen und kämpfen, dass wir von den «kulturdefi<br />
nierenden Kräften» ernst genommen wurden.<br />
Für uns ist diese Zeit jetzt «Gott sei Dank»<br />
vorüber. Viele erpresserische Geschichten und<br />
fi ese Spielchen durfte ich miterleben – oh, denken<br />
Sie ja nicht, dass Kultur eine heilige Kuh ist:<br />
Hier herrscht die Ellbogendisziplin. Es ist Berns<br />
schlechte Angewohnheit, nicht zu helfen oder zu<br />
unterstützen, sondern zu misstrauen. Damit werfen<br />
wir Steine in des Nachbars G<strong>art</strong>en – doch leider<br />
dann, wenn die Gärtner oder Nachbarn drinstehen<br />
und wir erschlagen viel guten Willen mit unserer<br />
Missgunst. Dabei hätten wir BernerInnen ein wundervolles<br />
Potential, gerade weil wir eine kapitalkleine<br />
Grossstadt sind. Wir sind wendig, haben einen<br />
Bären-Willen und können anpacken – so richtig<br />
wie die alten Zähringer eben. Und eigentlich meinten<br />
wir es doch gar nicht böse… eigentlich.<br />
Wir «ensuitlerInnen» waren nie sonderlich misstrauisch<br />
– eher naiv. Aber aus dieser Naivität ist<br />
etwas Grosses gewachsen und wir haben sehr viel<br />
gelernt. Nein, wir sind keine Helden, aber gesunde<br />
Idealisten, die aus der Idee wirklich etwas zustande<br />
gebracht haben. Wenn immer möglich, möchte<br />
ich diesen Weg weitergehen. Und deswegen freue<br />
ich mich noch mehr auf das weitere Jahr.<br />
Lukas Vogelsang<br />
INHALT<br />
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
ein neuer kapitän auf den wellen 4 | ein kornhaus<br />
ohne korn? 16 | zwei paare, dann ein drittes,<br />
stehen 29<br />
LITERATUR<br />
walsers betrachtungen zu schriftstellern und ihren<br />
werken 6 | mark haddon, peter handke, katherine<br />
min 8 | literatur in bern 15<br />
BÜHNE<br />
«auch ich bringe keine authentischen schwänke aus<br />
meinem leben» 9 | rhythmischer sprachmarathon<br />
11 | ausblick bühne 11 | elling - wie zwei die welt erobern<br />
15 | chlöisu friedli - sünneliblues 15<br />
KINO / FILM<br />
roadmovie präsentiert 22 | grosses gewinnen 22<br />
| babel 23 | das leben als eine einzige lange inszenierung<br />
24 | red road 25 | das andere kino 26<br />
MUSIK<br />
musikfestival bern - veress 07 13 | «die mittelschicht<br />
kennt keine loyalität» 17 | lieder voller<br />
schwermut und glückseligkeit 18 | jazz kennt viele<br />
sprachen 19 | diagonales bern / biel 19 | cd-tipps<br />
20 | wer hat angst vor «pet sounds»? 21 | ECM<br />
listening post 21<br />
LIFESTYLE<br />
insomnia 20 | berner qu<strong>art</strong>iere: alle jahre wieder<br />
32 | stadt und land: ein ohr über den röschtigraben<br />
35 | reiseziel hotel: das luxushotel für kleine<br />
leute 36 | reisen: vancouver 35<br />
DIVERSES<br />
die gewinnerinnen der leserumfrage 2006 16 |<br />
tratschundlaber 25 | stadtläufer 28 | leserbriefe<br />
28 | berner kulturmenschen: über tasten tanzende<br />
fi nger 30 | von menschen und medien / fauser<br />
c<strong>art</strong>oon 31<br />
KULTUR-PUBLIREPORTAGE<br />
«das ist nehr als kabarett!» 61 | thomas lebrun: «les<br />
soirées whatyouwant?» 65 | «ich war so fürstlich<br />
arm und so königlich reich.» 73<br />
STADT THUN<br />
«spiritualität in der kunst» 84<br />
KULTURAGENDA<br />
kulturagenda bern 53 | biel 80 | thun 85<br />
Kunstbeilage:<br />
Neu mit noch mehr inhaltlichen Seiten:<br />
<strong>art</strong>ensuite ab Seite 37<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 3
fokus<br />
ein neuer kapitän auf den wellen<br />
Interview von Lukas Vogelsang mit dem neuen Direktor vom Zentrum Paul Klee: Juri Steiner<br />
■ ensuite - kulturmagazin konnte über die Festtage,<br />
zwischen Tannenbaum und Silvesterkorken,<br />
ein paar Worte mit Juri Steiner, dem neuen Direktor<br />
vom Zentrum Paul Klee, austauschen. Eine erste<br />
Bekanntmachung mit Bern...<br />
Sie haben Ihre Doktorarbeit über das neue<br />
Babylon, den Aufstieg und Fall der Stadt Paris,<br />
geschrieben. Sie waren in Japan und haben an<br />
der Weltausstellung in Aichi mitgewirkt, was<br />
geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die<br />
Provinzstadt Bern denken?<br />
Wo das Zentrum ist und wo die Peripherie, das<br />
ist immer eine Frage des Standpunkts und der<br />
Wahrnehmung. Ausgangspunkt für meine Diss<br />
war 1998 der Besuch in der Bibliothèque Jacques<br />
Doucet in Paris. Der Bibliothekar wollte mir den<br />
Weg zu einem Restaurant auf einem Stadtplan aus<br />
den zwanziger Jahren zeigen und fand ihn nicht.<br />
Ich fragte ihn, ob er es nicht mit einem aktuelleren<br />
Stadtplan versuchen wolle. Darauf sagte er nur:<br />
«Paris n’a pas changé». Das fand ich faszinierend<br />
und schockierend zugleich, weil dieser Satz viel<br />
über die Pariser und ihr Verhältnis zu ihrer Stadt<br />
aussagt. Paris ist ja in der Tat so etwas wie ein Freilichtmuseum<br />
der «Vie moderne». Avantgarde aber<br />
ist sie schon lange nicht mehr. Spätestens nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg hat ihr New York den Rang<br />
abgelaufen, nicht nur in der Kunst. Eine Zeit lang<br />
drohte Paris international sogar zur künstlerischen<br />
Provinz zu werden. Das ändert sich ja erst wieder<br />
in jüngerer Zeit. Die boomende Millionenstadt Nagoya<br />
in der Präfektur Aichi wiederum wird von uns<br />
in der Schweiz kaum als die Megacity wahrgenommen,<br />
die sie ist. Das hat die Weltausstellung 2005<br />
etwas korrigiert. Ich glaube also, dass eine Stadt<br />
sich aus der Provinz herausspielen kann, wenn sie<br />
nach vorne schaut, oder aber in die Provinz abzusteigen<br />
droht, wenn sie nicht an ihrer Zukunft arbeitet.<br />
Urbanistische und kulturelle Ambitionen sind<br />
wichtige Faktoren, ob eine Stadt auf der Weltk<strong>art</strong>e<br />
auftaucht oder nicht. Bern arbeitet diesbezüglich<br />
ja schwer an sich. Und das Zentrum Paul Klee ist<br />
ein gutes Beispiel für eine solche Investition in die<br />
Zukunft. Kurzum, wenn ich an Bern denke, dann<br />
nicht an Provinz.<br />
Ihre Spuren führen von Projekt zu Projekt.<br />
Sie waren kaum über längere Zeit an einem Ort<br />
«sesshaft». Ab dem 1. Januar sind Sie der Direktor<br />
vom Zentrum Paul Klee, einer auch sehr<br />
pragmatischen Institution. Lieben Sie Paul Klee?<br />
Werden Sie bis zur Pension noch etwas anderes<br />
machen wollen?<br />
Ich arbeite tatsächlich sehr gerne in Projekten:<br />
Sie sind intensiv, bündeln Energien und entstehen<br />
meist unter hohem Druck. In Projekten wie der<br />
Expo.02 oder dem Schweizer Pavillon gibt es keine<br />
4<br />
Trampelpfade. Man schliesst sich zu adhoc-Teams<br />
zusammen und lernt in diesen Prozessen inhaltlich<br />
und menschlich enorm. Meine besten Freunde<br />
sind Menschen, mit denen ich in Projekten zusammengearbeitet<br />
habe. Und Projekte sind ephemer,<br />
das macht sie attraktiv für mich. Projektzyklen<br />
können zu Lebensphasen werden. Fürs Kunsthaus<br />
Zürich habe ich zwischen 1994 und 1998 gearbeitet,<br />
an der Expo.02 zwischen 1999 und 2003, für<br />
den Pavillon in Aichi von 2003 bis 2005. Und so<br />
passiert es, dass man – ohne sich zu versehen – 37<br />
ist, und der biografi sche Wechsel von den Lehr-<br />
und Wanderjahren zu einem «Langzeitprojekt» reif<br />
scheint. Vielleicht spricht mich das junge Zentrum<br />
Paul Klee ja so an, weil es nach anderthalb Jahren<br />
Betrieb immer noch Projektcharakter hat und seine<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diesen speziellen<br />
Projekt-Geist ausstrahlen. Für mich sollten Kulturinstitutionen<br />
heute beide Elemente in ein Gleichgewicht<br />
bringen: die Intensität eines Projekts mit<br />
der gesellschaftlichen Erdung durch Kontinuität.<br />
Garant für die Kontinuität bei uns ist Paul Klee.<br />
Das Zentrum ist ja aus einer traditionellen Berner<br />
Auseinandersetzung herausgewachsen und hat<br />
viele verschiedene Teilhaber zu etwas Neuem verbunden.<br />
Was die Frage nach der Liebe zu Paul Klee<br />
betrifft, würde ich daher sagen, dass ich die Auseinandersetzung<br />
mit Paul Klee liebe. Die geistige<br />
Komplexität und die gesteigerte Wahrnehmung dieses<br />
Künstlers irritieren mich ebenso, wie sie mich<br />
anziehen. Eindrücklich ist die starke Wirkung Klees<br />
auf das Publikum. Und ich verehre den Pädagogen<br />
Klee. Gerne male ich mir aus, was ein Mensch mit<br />
seinen Begabungen und Interessen wohl heute so<br />
treiben würde.<br />
Ihre frischen und neuen Ansichten, auch<br />
unverbrauchten Ideen, werden Bern sicher gut<br />
tun. Was denken Sie, erw<strong>art</strong>et Sie als erstes im<br />
Zentrum Paul Klee? Trauen Sie sich mit Ihren<br />
Erfahrungen zu, dem fi nanziellen und personellen<br />
Monster zu begegnen oder haben Sie auch<br />
Zweifel?<br />
Als erstes erw<strong>art</strong>en mich Menschen, die in der<br />
einen oder anderen Art mit dem Zentrum Paul<br />
Klee in Verbindung stehen. Alle jene, die ich in den<br />
Monaten seit meiner Wahl schon kennengelernt<br />
habe, reagierten sehr freundlich und offen. Nun<br />
werden die Beziehungen konkreter. Auch das Publikum,<br />
das mir in seiner Durchmischung sehr gefällt,<br />
gilt es näher kennenzulernen und zu spüren. Zu einem<br />
fi nanziellen Monster, wie Sie es nennen, würde<br />
das Zentrum Paul Klee nur dann, wenn die notwendige<br />
Unterstützung, die das Haus braucht, nicht<br />
gewährleistet wäre. Das Zentrum Paul Klee wurde<br />
grosszügig und ambitioniert gedacht und umgesetzt.<br />
Es will und soll ausstrahlen. Um dieser Ambi-<br />
Foto: A. O. Mott<br />
tion gerecht zu werden, braucht es solide Grundlagen.<br />
Wenn ich mir die Arbeit am Zentrum Paul<br />
Klee nicht zutrauen würde, hätte ich mich nicht um<br />
die Stelle beworben. Und wenn der Stiftungsrat mir<br />
diese Arbeit nicht zutrauen würde, hätte er mich<br />
auch nicht genommen. Nun kommt die Probe aufs<br />
Exempel. Zweifel habe ich wohl keine, aber grossen<br />
Respekt vor der Aufgabe.<br />
An der Expo.02 waren Sie der Chef der<br />
Arteplage mobile du Jura (AMJ), einem eher<br />
provokativen und frischen Kultur- und Kunstprojekt<br />
auf einem Schiff. 2003 waren Sie Leiter des<br />
Dada-Hauses im Cabaret Voltaire. Kommt jetzt<br />
das «enfant terrible» nach Bern und werden Sie<br />
aus den Wellen des Zentrum Paul Klee einen<br />
«Pirates of the Caribbean»-Club kreieren?<br />
Nur wenn Sie ‘ne Buddel Rum mitbringen.<br />
Mache ich sofort. Sie haben bereits erwähnt,<br />
dass Sie Drachen steigen lassen und die Kunst<br />
in- und ausserhalb des «Gewächshauses» zeigen<br />
wollen. Sie übernehmen mit der Funktion des Direktors<br />
des ZPK auch das nächste Jahresprogramm.<br />
Sehen Sie genug Spielraum für Ihre<br />
Ideen oder werden Sie nervös beim Gedanken,<br />
erst 2008 richtig loslegen zu können?<br />
Dass es eine Übergangszeit gibt, gehört zu den<br />
Spielregeln. Wir werden dieses Jahr die räumlichen<br />
Möglichkeiten des Hauses ausloten und den<br />
Zentrumsgedanken in der grossen Sommerausstellung<br />
«Paul Klee – Überall Theater» weiterentwickeln.<br />
Die Sommerakademie greift das «Theater»-<br />
Thema auf und wir stehen diesbezüglich im Kontakt<br />
mit Philippe Pirotte von der Kunsthalle. Auch wird<br />
2007 die inhaltliche Zusammenarbeit mit dem<br />
Kunstmuseum Bern im Rahmen des achtzigsten<br />
Geburtstags von Oscar Wiggli Früchte tragen.<br />
Als Leiter des Dada-Hauses haben Sie in einem<br />
Interview mit dem «Züricher Unterländer»<br />
gesagt: «Ich werde hier der Leiter sein.» Wie<br />
charakterisieren Sie sich selber als Chef? Erträgt<br />
man Sie?<br />
Ich war Projektleiter für die Konzept- und Realisationsphase<br />
des Cabaret Voltaire, als es galt, den<br />
Zürcher Stadtpräsidenten von der Idee zu überzeugen,<br />
mit dem Liegenschaftsbesitzer zu verhandeln,<br />
Sponsoren zu fi nden und parallel das Inhalts- und<br />
Betriebskonzept auszuarbeiten. Dabei war es sehr<br />
wichtig, gegenüber all diesen P<strong>art</strong>nern bestimmt<br />
aufzutreten. Kulturelle Projekte funktionieren ja<br />
meist dank dem Willen von ein paar h<strong>art</strong> Entschlossenen,<br />
die bereit sind, wenn nötig mit dem Kopf<br />
durch die Wand zu gehen. An der Expo.02 fühlte<br />
ich mich als Chef der 50-köpfi gen AMJ-Crew wohl,<br />
auch wenn ich keine spontane Affi nität zur Autorität<br />
habe. Ich versuche jeweils die Selbstverantwortung<br />
eines jeden Teammitglieds zu fördern. An<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 5
fokus<br />
der Expo.02 hat das gut geklappt; zur Meuterei ist<br />
es auf alle Fälle nie gekommen.<br />
Was möchten Sie persönlich mit dem ZPK erreichen?<br />
Was sind Ihre Vorstellungen, was Kunst<br />
oder eine solche Institution wie das ZPK in der<br />
Gesellschaft bewirken oder hinterlassen kann?<br />
Das Zentrum Paul Klee hat bereits eine komplexe<br />
gesellschaftliche Vision eingelöst. Es ist<br />
kein «Meteorit», der vom Himmel gefallen ist;<br />
in Form und Inhalt aber überwindet es die klassische<br />
Gattungstrennung des Museums und geht<br />
unerforschte Wege. Die Statuten verpfl ichten uns<br />
ebenso zur Seriosität im konservatorischen und<br />
wissenschaftlichen Umgang mit den 4000 Werken<br />
im Haus wie zu einem undogmatischen und offenen<br />
Umgang mit dem Kosmos «Paul Klee». Daraus ergibt<br />
sich ganz selbstverständlich eine Offenheit gegenüber<br />
Neuem und Experimentellem. Ausserdem<br />
deckt Klees Spektrum Kunstgattungen, Geistes-,<br />
Sozial- und Naturwissenschaften ab – alles hoch-<br />
interessante Felder. Paul Klees Geist und Werk und<br />
Renzo Pianos Wellen mit ihren Wechselausstellungen,<br />
Konzerten, Tanz- und Theateraufführungen<br />
sind die Trümpfe, die wir mit einer guten Gesamtdramaturgie<br />
ausspielen können. Und natürlich<br />
sind die Kinder im Kindermuseum «Creaviva» ein<br />
Segen. Zusammengenommen wirkt das Zentrum<br />
Paul Klee in meiner idealen Vorstellung wie ein sozialer<br />
Knotenpunkt, der unterschiedlichste kollektive<br />
und persönliche Potentiale verbindet und Kontakte<br />
schafft zwischen Vergangenheit, Gegenw<strong>art</strong><br />
und Zukunft, wo sich Besucherinnen und Besucher<br />
ebenso regenerieren wie anregen lassen. Dem<br />
Zentrumsgedanken verpfl ichtet, soll das Programm<br />
gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und<br />
sp<strong>art</strong>en- und generationenübergreifend sein, ohne<br />
Musen oder Menschen voneinander zu trennen.<br />
Verraten Sie uns ein paar Gedanken über Ihre<br />
Pläne?<br />
Am kommenden 25. Januar stellen wir anlässlich<br />
der Medieninformation zu unserer Robert<br />
Walser-Ausstellung das Jahresprogramm 2007 vor.<br />
Bis dahin sind wir in Vorbereitung. Ich bitte Sie also<br />
noch um etwas Geduld.<br />
Juri Steiner<br />
*1969, promovierter Kunsthistoriker, Zürich/<br />
Lausanne. Von 1993 bis 1998 Kunstkritiker für<br />
die «NZZ». Freier Kurator Kunsthaus Zürich;<br />
Ausstellungen «Dada global», «Arnold Böcklin,<br />
Giorgio de Chirico, Max Ernst» mit Guido Magnaguagno<br />
und «Freie Sicht aufs Mittelmeer»<br />
mit Bice Curiger. 2000-2003 Leitung Arteplage<br />
Mobile du Jura (AMJ) im Rahmen der Expo.02.<br />
2003/04 Konzept und Einführung des neuen<br />
Cabaret Voltaire, Zürich. Co-Kurator Schweizer<br />
Pavillon an der Weltausstellung Expo 2005 Aichi<br />
(Japan). Gastdozent an der Hochschule für Gestaltung<br />
und Kunst Zürich sowie an der Universität<br />
Zürich. In Vorbereitung: «In girum imus nocte<br />
et consumimur igni - Die Situationistische Internationale<br />
(1957-1972)» für das Museum Tinguely,<br />
Basel, April 2006.<br />
6<br />
LITERATUR<br />
walsers betrachtungen zu<br />
schriftstellern und ihren werken<br />
Von Belinda Meier (Bild: zVg)<br />
■ Robert Walser hat sich zeitlebens sehr eingehend<br />
mit Personen und Stoffen der Literaturgeschichte<br />
befasst. Seine dazu niedergeschriebenen<br />
Betrachtungen beweisen deutlich, wie sehr Walser<br />
belesen war und wie gut er darüber Bescheid<br />
wusste, wer und was in Sachen Literatur Rang und<br />
Namen hatte.<br />
Lesen war für Walser eine äusserst kreative Beschäftigung.<br />
Sie bescherte ihm Unterhaltung, die<br />
nicht lenkt, sondern sich frei entfalten und somit<br />
als Quelle neuer Kreativität verstanden werden<br />
kann. Lesen zwingt den Rezipienten demnach nicht<br />
zu einem bestimmten Verständnis, wie er dies im<br />
Prosastück «Meine Bemühungen» formuliert: «Ich<br />
halte gegenüber Büchern sowohl wie Menschen<br />
ein lückenloses Verstehen eher für ein wenig uninteressant<br />
als erspriesslich.»<br />
In die essayistischen Darstellungen Walsers,<br />
die einen spielerischen Umgang mit Sprache ent-<br />
puppen und zwischen anekdotischen Erzählungen,<br />
eindringlichen Dichterporträts, spöttischen Gedichten<br />
und szenischen Collagen abwechseln, soll<br />
nun Einblick gewährt werden. Viel Spass!<br />
Der Kleist-Darsteller «Was braucht es zu einem<br />
Kleist-Darsteller? Offen gesagt, es braucht<br />
sehr viel. Schon alleine die Zunge. Da muss einer<br />
mit seinen Lippen tanzen und mit seiner deutschen<br />
Sprache jonglieren gelernt haben. Einem<br />
Menschenmund schlechthin ist es unmöglich, Verse<br />
von Kleist wie Verse von Kleist zu sprechen. Mache<br />
zehn Jahre lang täglich Atemübungen, dann<br />
wage es, dich an einen Grafen von Strahl oder an<br />
irgend einen anderen Burschen dieser Rasse heranzumachen.<br />
Diese Rasse setzt Zucht voraus, das<br />
bedenke, Schauspieler von heutzutage. Hinterher,<br />
wenn du dich blamiert hast, lächelst du und sagst,<br />
Kleist sei ein rostiges Eisen, Grabbe, das sei was,<br />
Kleist, der sei undramatisch. Weil du keine Grazie<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
hast, ist Kleist abgestandenes Wasser, nicht wahr?<br />
N’est-ce pas, ich kann nämlich auch ein bisschen<br />
Französisch.»<br />
Über Georg Büchner «Der Dichter, von dem<br />
ich hier eine Abbildung zu entwerfen versuche,<br />
schrieb keine Verse, weil ihn das Verseschreiben<br />
verwundet oder irritiert haben würde. Dafür warf<br />
er sich mit aller verfügbaren Jünglingskraft in<br />
«Als sei ich kapriziös, will ich<br />
hier über einige Dichter sprechen.<br />
Sprechen? Warum nicht<br />
schwatzen, plappern, schwadronieren?»<br />
(Robert Walser)<br />
eine zufällig gerade damals wellen- oder wogenemporwerfende,<br />
bald danach aber in alle Sanftheiten<br />
ausmündende Revolution. Seither lieben ihn<br />
sämtliche Jünglinge; sie fi nden z. B. unvergesslich,<br />
dass er eines Nachts, (...) sozusagen eine Art<br />
Flucht ergriff, weil ihn das Gefühl beschlichen haben<br />
mochte, man traue ihm eine Denk- und Empfi<br />
ndungsweise zu, die sich nicht schicke. (...) Wenn<br />
ich fallenlasse, dass aus des Dichters Rocktasche<br />
ein noch unaufgeführtes Drama weissblitzend<br />
hervorschaute, und wenn ich ausserdem anmerke,<br />
dass er eine Jungburschenmütze auf dem denkbar<br />
genial veranlagten Kopf trug, worin es von<br />
Schaffens- und Zukunftsplänen nur so wimmelte,<br />
so wird man vielleicht fi nden, dass ich ihn bis dahin<br />
schon ganz treffend porträtiert habe. Dass ihn<br />
Locken von der unschuldigsten Sorte schmückten,<br />
versteht sich von selbst.»<br />
Shakespeares Hamlet «Hamlet ist gewiss die<br />
bedeutendste ‹moderne› Dichtung. Welche Folgerichtigkeit,<br />
welche grossen Verhältnisse, was<br />
für eine junge Ton<strong>art</strong>! (…) Weil Hamlet mit seiner<br />
geliebten Mutter uneinig war, sah er sich zum Abfertigenlassen<br />
möglichst köstlicher Weisheiten<br />
verbunden. Wie gerne jedoch würde er auf dieses<br />
zweifelhafte Vergnügen verzichtet haben. Seine<br />
Mutter verehrend, zwang ihn seine Ehre, sein<br />
Gewissen usw., gegen sie vorzugehen, und weil er<br />
das tun musste, entsprang seinen Lippen dieses<br />
an sich unsagbar traurige: ‹Reif sein ist alles.› Soll<br />
nun für uns ein Wort Grundsatz sein, das ein überaus<br />
bedrängter, unglücklicher Mensch in seiner<br />
Qual aussprach? Reif sein? (…) Sind wir denn nicht<br />
eigentlich erledigt, sobald wir reif wurden? Greise,<br />
Greisinnen sind reif, aber sie lieben es nicht, an<br />
den Reifezustand erinnert zu werden. Wie mancher<br />
Reife wünscht seine Gereiftheit gegen ein<br />
bisschen Unreife umzutauschen, denn mit der Unreife<br />
fängt ja das Leben an.»<br />
Schillers Wilhelm Tell «Was den Wilhelm Tell<br />
betrifft, so hat mich von jeher (…) die Frage beschäftigt,<br />
ob etwa der Herr Landvogt eine hübsche<br />
Frau gehabt habe. (…) Heute jedoch schreibe ich<br />
folgendes: ‹Was bedeutet des letzteren (Tell) überraschende<br />
Schiesskunst? Ist sie reell oder nicht?›<br />
(…) Ich bin z. B. überzeugt, dass (…) der Schweizer,<br />
der die Freiheit liebt, dem (…) Landvogt viel<br />
zu verdanken hat, indem letzterer erstern zu Taten<br />
usw. anspornte. Sollte man nicht beinahe mit der<br />
Idee einig gehen dürfen, der Landvogt und Tell seien<br />
eine einzige widerspruchsvolle Persönlichkeit?<br />
„Schiesse mir einmal einen Apfel vom Kopf deines<br />
Knaben!“ wurde befohlen (…) und sofort wird dem<br />
eigen<strong>art</strong>igen Wunsch entsprochen worden sein.<br />
(…) Mir scheint bedeutend zu sein, dass beide ein<br />
Unzertrennliches, Einheitliches bilden: um einen<br />
Tell hervorzubringen, bedurfte die Geschichte eines<br />
Landvogts. Einer ist ohne den andern undenkbar.<br />
Ungefähr das ist’s, auf das hin ich in diesen<br />
Zeilen wilhelmtellhaft hinziele.»<br />
Zu Gottfried Keller «Ein junger Kollege hielt<br />
sich vor einiger Zeit für berechtigt, mir zu sagen,<br />
ihm komme Keller wie ein Ausklang, herrlich verhallend<br />
vor, worauf ich ihm erwidern zu dürfen<br />
meinte, dass man dies an allem Vorzüglichen,<br />
wahrhaft Schönen, anscheinend Unübertreffl ichen<br />
für gegeben halten könne, man stehe vor Kellers<br />
Werken wi(e) vor einer grossen, von immergrünen<br />
Ringmauern graniten und wieder seidenweich und<br />
fein umschlossenen Stadt, die mit ihren Mannigfaltigkeiten<br />
und in ihrer Ruhe ein nur einmal vorkommendes<br />
Kulturbild darbiete, er sei etwas Einziges,<br />
und seine berufl ichen Nachfolger täten freilich<br />
gut, ganz andere Wege zu beschreiten, da es auf<br />
Kellerschen Wegen für keinen als nur für ihn selber<br />
Aussichten, wertvoll zu werden, gebe. ‹Welchem<br />
Dichter bescherte das Schicksal nochmals so viel<br />
Unglück und Schwierigkeiten und so viel Begabung,<br />
sich ihnen anzuschmiegen, wie ihm›, fügte<br />
ich bei (…).»<br />
An Hermann Hesse<br />
«Vorurteile, o, mein Gott,<br />
bilden einen Alltagstrott.<br />
Eines Tages sah ich dich lächeln,<br />
stehen auf dem Podium,<br />
während sich im Publikum<br />
hübsche Frauen heiter fächeln.<br />
Fünfzig Jahr’ alt wurdest du!<br />
Wandernd wird schon mancher Schuh<br />
sich dir abgetragen haben.<br />
Darf ich heute Dank dir sagen,<br />
dass du warst, und dass du bist;<br />
dein Charakter scheint aus List<br />
und aus Liebe zu bestehen,<br />
wir wie Blätter ja vergehen,<br />
Wind und Meer sind grosse Herr’n,<br />
hier gestehe ich dir gern,<br />
dass ich oft in weissem Kragen,<br />
wenn es z<strong>art</strong> begann zu tagen,<br />
heimwärtsging aus Lustgelagen.<br />
Über den mit ein’gen Gaben<br />
ausstaffi erten Hirtenknaben,<br />
der dich feiert, schriebst du mal<br />
einen Aufsatz; sei noch lange<br />
Fisch und Taube, Mansch und Schlange,<br />
und aus deinem Lebensgange,<br />
mittels geistigem Kanal,<br />
brech’ noch mancher Sonnenstrahl.<br />
Deine Lippen sind sehr schmal.<br />
Denke nicht, es wäre Rache,<br />
dass ich dir ins Antlitz lache,<br />
denn anlässlich deines Festes<br />
gab ich hoffentlich mein Bestes.»<br />
fokus<br />
Literatur: Robert Walser. Dichteten diese Dichter<br />
richtig? Eine poetische Literaturgeschichte. Herausgegeben<br />
von Bernhard Echte. Frankfurt am<br />
Main / Leipzig 2002.<br />
(Walser-Veranstaltungen siehe auch Seite 73)<br />
Kurzbiographie zu Robert Walser (1878-1956)<br />
■ Robert Walser wurde in Biel geboren und absolvierte<br />
nach der Schulzeit eine Banklehre. Die<br />
Romane «Geschwister Tanner» (1907), «Der Gehülfe»<br />
(1908) und «Jakob von Gunten» erzielten<br />
zwar Erfolg, dennoch kein solcher, der im literarischen<br />
Leben Berlins, wo er seit 1905 lebte, anhielt.<br />
Walser kehrte somit 1913 – mit dem Gefühl<br />
eines Gescheiterten – nach Biel zurück. Während<br />
der Zeit in Biel (bis 1921), in der viele Kurzprosatexte<br />
und andere Romane entstanden, kann «Der<br />
Spaziergang» (1917) als Hauptwerk hervorgehoben<br />
werden. Ab 1921 lebte Walser in Bern. Trotz<br />
der Tatsache, dass er in literarischen Zeitschriften<br />
und Feuilletons namhafter Tageszeitungen<br />
Präsenz markierte, gelang es ihm, nur noch gerade<br />
ein Werk zu publizieren, «Die Rose» von 1925.<br />
Daneben blieben zahlreiche Texte lediglich in<br />
einem Bündel verschiedenster Entwurfsschriften<br />
erhalten, die in mikrografi scher Schrift überliefert<br />
sind, so etwa der sog. «Räuber»-Roman von<br />
1925. Bernhard Echte und Werner Morlang entzifferten<br />
diese Texte in einem arbeitsaufwendigen<br />
Prozess und veröffentlichten sie in der sechsbändigen<br />
Ausgabe «Aus dem Bleistiftgebiet» (1985-<br />
2000).<br />
Zu Beginn des Jahres 1929 erlag Walser einer<br />
psychischen Erkrankung. Gegen seinen Willen<br />
wurde er in die Psychiatrie eingewiesen, die er<br />
bis zum Ende seiner Tage nicht mehr verlassen<br />
durfte. 1933 beendete er seine schriftstellerische<br />
Tätigkeit und verbrachte die weiteren 24 Jahre<br />
als Patient in der Heilanstalt Herisau. Am Weihnachtstag<br />
1956 starb Robert Walser auf einem<br />
einsamen Spaziergang im Schnee.<br />
Obwohl namhafte Autoren wie Hesse, Tucholsky,<br />
Kafka u. a. ihn hoch wertschätzten, blieb<br />
Walser sein Leben lang beim breiten Publikum<br />
verkannt. Heute gilt er jedoch als der wichtigste<br />
Deutschschweizer Autor der ersten Hälfte des<br />
20. Jahrhunderts.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 7
literatur<br />
Abgründe des Gewöhnlichen<br />
Mark Haddon: A Spot of Bother. Roman. Englisch.<br />
■ Bei der Familie Hall scheint zunächst alles in<br />
bester Ordnung. Vater George, ein Frührentner,<br />
beschäftigt sich mit dem Bau eines Ateliers im<br />
G<strong>art</strong>en, Mutter Jean unterrichtet als Aushilfslehrerin<br />
und arbeitet stundenweise in einer Buchhandlung.<br />
Tochter Katie scheint glücklich verliebt<br />
in Ray, welcher einen exzellenten Ersatzvater für<br />
ihren Sohn Jacob abgibt: einer Heirat steht nichts<br />
mehr im Wege. Der homosexuelle Sohn Jamie realisiert<br />
nach langen Wirren, dass sein Freund Tony<br />
der Richtige ist.<br />
Doch zu spät, Tony inzwischen des W<strong>art</strong>ens<br />
müde bis sich Jamie zu einer defi nitiven<br />
Entscheidung durchringt, verlässt ihn. Wir erfahren<br />
weiter, dass Jean seit Monaten eine Affäre mit<br />
einem ehemaligen Arbeitskollegen ihres Mannes<br />
unterhält, dass Ray als zukünftiger Schwiegersohn<br />
nicht gut gelitten und Katje sich ihrer Liebe plötzlich<br />
auch nicht mehr sicher ist. Währenddessen driftet<br />
George klammheimlich in eine schwere Depression<br />
ab, deren scheinbarer Auslöser ein Ekzem ist,<br />
welches er in seinem Wahn für Hautkrebs hält. Erst<br />
als er selbst Hand an sich legt, um den infi zierten<br />
Hautlappen mit einer Schere zu entfernen, wird<br />
seiner Familie die Tragweite seines Zustandes<br />
bewusst. An der Hochzeit alsdann erreicht der<br />
Roman seinen fi nalen Höhepunkt.<br />
Mark Haddon landete mit seinem Debüt-Roman<br />
«Supergute Tage oder die sonderbare Wekt<br />
des Christopher Boone» einen internationalen<br />
Erfolg. Der Erw<strong>art</strong>ungsdruck nach einem der<strong>art</strong><br />
erfolgreichen Erstling ist bekanntlich hoch, doch<br />
Haddon hat das Wunder eindeutlig vollbracht: ein<br />
ebenso abgründiges wie komisches Drama, dessen<br />
Aufbau nicht von ungefähr an ein Theaterstück<br />
erinnert.<br />
Besonders faszinierend sind die Einblicke, die<br />
er den Lesern in in die inneren Abgründe seiner<br />
Protagonisten gewährt und nicht zuletzt ist seine<br />
Sprache von einer geradezu unheimlichen Kraft.<br />
(sw)<br />
Haddon, Mark: A Spot of Bother. Roman. Englisch.<br />
Random House 2006. ISBN-13: 978-0-385-66243-<br />
7. Unter dem Titel «Der Wunde Punkt» erscheint<br />
der Roman Februar 2007 im Karl Blessing Verlag.<br />
Übersetzt wurde er von Anke Caroline Burger.<br />
8<br />
Verwirrspiel mit Zuschauer<br />
Peter Handke: Spuren der Verirrten. Theaterstück.<br />
■ Zufällige Bewegungen, die zunächst stumm<br />
bleiben. Erst später fi nden Handkes Darsteller<br />
zur Sprache, einer ebenfalls zufälligen, wie es<br />
scheint, die dennoch die existentiellen Themen<br />
in sich birgt. Manche Sätze bleiben haften wie<br />
Zeilen eines Gedichts, andere gehen unter, werden<br />
vergessen. Teilweise verliert man als Zuschauer<br />
beziehungsweise als Leser die Orientierung, weiss<br />
nicht mehr, was war oder was noch kommen soll.<br />
Andererseits ist man hellwach und voll und ganz<br />
auf das sich abspielende Geschehen auf der Bühne<br />
konzentriert.<br />
Auf Seite 76 hat der Zuschauer, in unserem<br />
Fall der Leser, seinen eigenen Auftritt und<br />
entlarvt somit seine Rolle des Zuschauens,<br />
insofern Theater nur vor Publikum funktioniert.<br />
Der Zuschauer mit Ich-Stimme, aus dessen<br />
Perspektive das gesamte Geschehen geschildert<br />
wird, verschwindet nach seinem Auftritt, in dem<br />
er das bisher Gesagte kurzerhand wegen dessen<br />
Beliebigkeit der Bedeutungslosigkeit zuführt. Er<br />
zeigt die Protagonisten als Ziellose, verzweifelt um<br />
ein Ziel Bemühte.<br />
Die Handlung nimmt jedoch auch nach seinem<br />
Verschwinden ihren Lauf und endet mit den<br />
Strophen eines Gedichts.<br />
Ein Stück, welches die Kritik mit Anklängen<br />
zu Hugo von Hofmannsthal und Karl Kraus liest,<br />
das mich persönlich jedoch weit stärker an die<br />
alten Griechen erinnert, da die Strophen auf<br />
Seite 69 sowie auf Seite 78 stark an den Chor<br />
der griechischen Tragödie erinnern. Nicht von<br />
ungefähr, insofern Peter Handke neben seinen<br />
schriftstellerischen Erfolgen unter anderem auch<br />
als Übersetzer von Aischylos und Sophokles von<br />
sich reden machte.<br />
Eine Realisierung auf der Bühne schürt aufgrund<br />
der Komplexität des Stücks hohe Erw<strong>art</strong>ungen.<br />
Claus Peyman bringt «Spuren der Verirrten» im<br />
Februar 2007 mit dem Berliner Ensemble in Berlin<br />
zur Uraufführung. Für das Akademietheater in<br />
Wien führt Friederike Helle Regie. (sw)<br />
Handke, Peter: Spuren der Verirrten. Theaterstück.<br />
Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 2006. ISBN<br />
3-518-41854-8.<br />
Anders als die anderen<br />
Katherine Min: Secondhand World. Roman.<br />
■ Isa, eigentlich Isadora Myung Hee Sohn, Tochter<br />
koreanischer Imigranten in Upstate New York, ist<br />
die einzige Koreanerin an ihrer Schule.<br />
Ihre Mutter, die aufgrund einer Brandnarbe am<br />
Hinterkopf, welche ihre Heiratsaussichten in ihrem<br />
Heimatland vernichteten, an ein Lehrerinnen-<br />
College in die USA verschifft wurde, trifft hier auf<br />
einen aufstrebenden jungen Physiker, ebenfalls<br />
Koreaner. Dieser wiederum ist gezeichnet von<br />
den Kriegswirren in Korea, welche ihn zum Waisen<br />
machten.<br />
Die Sohns geben sich redlich Mühe, den<br />
amerikanischen Traum nachzuleben, der sich<br />
unter anderem in der Anschaffung eines grünen<br />
Geschirrspülers manifestiert. Doch eben dieser<br />
Traum soll zum Alptraum gefrieren, als Stephen,<br />
Isas jüngerer Bruder, durch den Lieferwagen<br />
tödlich verletzt wird.<br />
Obwohl äusserlich Amerikaner sind die Sohns<br />
im Herzen Koreaner geblieben und preisen den<br />
toten Sohn stärker als die lebendige Tochter.<br />
Isa entdeckt durch ihre Schulfreundin Rachel<br />
und insbesondere durch deren unorthodoxe<br />
Familie eine andere Welt, die frei ist vom<br />
Anpassungsdruck, welcher das Leben in ihrem<br />
Elternhaus kennzeichnet. Im dortigen Keller<br />
verliebt sie sich in den Albino «Hero», dessen<br />
Aussehen ihre eigene Anders<strong>art</strong>igkeit Lügen straft.<br />
Nach einem Ausreisser-Abenteuer mit Rachel und<br />
Hero und einer Menage à trois scheint es jedoch<br />
kein Zurück in den gemeinsamen Alltag mehr zu<br />
geben.<br />
In derselben Zeit beginnt ihre Mutter nach<br />
langen Jahren der Trauer über den Tod des<br />
einzigen Sohnes ein BA-Studium, wo sie sich<br />
in ihren Lyrik-Professor verliebt. Isa deckt die<br />
Affäre ihrer Mutter auf und ist entschlossen, ihren<br />
Vater nicht länger im Ungewissen zu lassen...mit<br />
tödlichen Konsequenzen.<br />
Katherine Min ist mit diesem Roman ein<br />
phantastisches Debüt gelungen, dessen<br />
Stärke vor allem in der Beleuchtung eines<br />
Einwandererschicksals und den Konsequenzen<br />
auch für die zweite Generation liegt. (sw)<br />
Min, Katherine: Secondhand World. Roman.<br />
Englisch. Alfred A. Knopf Verlag. New York 2006.<br />
ISBN 0-307-26344-4.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
BÜHNE<br />
«auch ich bringe keine authentischen<br />
schwänke aus meinem leben»<br />
Interview von Michael Imoberdorf (Bilder: zVg.)<br />
■ Neben ihrer Tätigkeit als Assistentin und Doktorandin<br />
am Institut für Theaterwissenschaft (ITW)<br />
der Universität Bern arbeitet Nicolette Kretz als<br />
freie Dramaturgin, Autorin und Spokenword-Performerin.<br />
Im Interview mit ensuite - kulturmagazin<br />
spricht sie über ihre Tätigkeit als Künstlerin und<br />
stellt das Projekt «Gasthof zum erweiterten Suizid»<br />
vor, dass ab dem 26. Januar 2007 während<br />
eines halben Jahres monatlich eine Produktion im<br />
Schlachthaustheater Bern zeigen wird.<br />
Zum Einstieg eine Standardfrage: Wie kommt<br />
man dazu, Texte fürs Theater zu schreiben?<br />
Hmm... Schauspiel ganz allgemein faszinierte<br />
mich schon immer. Nach dem Gymnasium wollte<br />
ich eigentlich auf die Filmhochschule, entschied<br />
mich aber für das Theaterwissenschaftsstudium in<br />
Bern. Damals machte ich meine ersten Versuche<br />
als Lyrikerin. Irgendwann begann ich dann mit<br />
Poetry Slam und im Jahr 2003 kam mir der Gedanke,<br />
wenn ich schon «Theater» studiere und in<br />
meiner Freizeit Texte schreibe, wieso also nicht<br />
auch Texte fürs Theater schreiben. Der Gedanke<br />
war ja irgendwie auch naheliegend.<br />
Es braucht Mut, eigene Texte öffentlich vorzutragen.<br />
Wie kamst Du dazu, in Poetry Slams<br />
aufzutreten und dich mit anderen Spokenword-<br />
Performern zu messen?<br />
Ich absolvierte an der Uni den Englisch-Workshop<br />
«creative writing». Im Rahmen dieser<br />
Veranstaltung hielt ich eine kurze Lesung – die gut<br />
ankam. Einige Zeit später trat ich in Berlin erstmals<br />
an einem «echten» Poetry-Slam-Wettbewerb an.<br />
Der Hintergedanke, wenn der Auftritt in die Hose<br />
gehen sollte, durch die Hintertüre zu verschwinden<br />
– auf Nimmerwiedersehen und tschüss – beruhigte<br />
mich. Aber auch dieser Auftritt kam gut an und<br />
seither trete ich regelmässig an Poetry Slams auf.<br />
Das Slam-Format schränkt aber die<br />
künstlerische Freiheit ein. Man muss versuchen,<br />
dem Geschmack des Publikums zu entsprechen,<br />
um gute Platzierungen zu erreichen. Ich bin heute<br />
gegenüber dem «klassischen» Slam-Format skeptischer<br />
und glaube, dass sich dieses irgendwann<br />
einmal totlaufen wird. Ich bewege mich inzwischen<br />
lieber in Slam-änhnlichen Formaten. So organisierte<br />
ich beispielsweise im letzten Frühling im Rahmen<br />
von «Aua wir leben» - dem zeitgenössischen<br />
Theatertreffen in Bern – eine Reihe von Auftritten<br />
von Spokenword-Performern zusammen mit<br />
Musikern. Die Verbindung mit Musik eröffnet neue<br />
Möglichkeiten; zudem gibt es dabei im Gegensatz<br />
zum Slam keinen Wettkampf: Die Atmosphäre ist<br />
dadurch viel relaxter und es ist leichter, etwas<br />
Neues auszuprobieren und die Sache weiterzuentwickeln.<br />
Sind Spoken-Word-Performances Literatur,<br />
Theater oder eine Mischform von beiden?<br />
Es interessiert mich nicht, Grenzen zu ziehen.<br />
Im kommenden Herbst planen wir von der<br />
Autorinnengruppe «Almösen» ein Projekt im<br />
Schlachthaus, in dem wir, d. h. die Autorinnen<br />
selbst, auf der Bühne stehen und unsere Texte<br />
präsentieren. Alle acht Autorinnen sind zugleich<br />
Textperformerinnen. Dieses Projekt entspricht<br />
meiner Vorstellung von Theater: eigene Texte<br />
in Eigenregie selbst zu performen. Ich schreibe<br />
gerne Texte, stehe aber genau so gerne auf der<br />
Bühne. Ich liebe sowohl die Literatur als auch das<br />
Theater.<br />
Was ist das Faszinierende an dieser Performanceform?<br />
Das Verhältnis zwischen Bühnenfi gur und<br />
Privatperson interessiert mich - und zwar sowohl<br />
als Theaterwissenschafterin, Künstlerin und Zu-<br />
veranstaltungen<br />
schauerin. Das Spannungsverhältnis zwischen<br />
Bühnen- und Privatperson ist grösser, wenn der<br />
Bühnendarsteller von sich etwas erzählt, als wenn<br />
er Fiktionen eines Autors (vor)spielt. Und genau<br />
da möchte ich ansetzten. Da ich meine eigenen<br />
Texte präsentiere, vermischen sich die Grenzen<br />
von Fiktion und Wahrheit. Natürlich, wenn ich auf<br />
der Bühne stehe, bringe ich keine authentischen<br />
Schwänke aus meinem Leben. Aber ich spiele mit<br />
Realität und Fiktion. Die Zuschauer bleiben in einem<br />
Graubereich: was hat die Künstlerin erlebt,<br />
was ist erfunden. Ich liebe dieses Grauzone, und es<br />
ist reizvoll, sich mit dieser auseinanderzusetzen.<br />
Gibt es Situationen, in denen Du bemerkst,<br />
dass Zuschauer dieses Spiel von Fiktion und<br />
Realität missverstehen?<br />
Manchmal fragen mich Zuschauer, beispielsweise<br />
über den Inhalt eines Slamtextes: «Iii wenn<br />
isch de das gsi?» Dann sage ich lachend: «Ja nei,<br />
s’isch alles erfunde.»<br />
Aber Du willst weiterhin auch als Dramatikerin<br />
arbeiten?<br />
Durchaus. Es ist auch reizvoll, Texte «abzugeben»<br />
und zu schauen, was der Regisseur beziehungsweise<br />
die Schauspieler daraus machen und<br />
wie sie die Vorlage interpretieren. Es ist spannend,<br />
dass die Produktion ihre eigene Sichtweise auf den<br />
Text «draufsetzt». Wenn beispielsweise Schauspieler<br />
den Text genau so lesen oder wenn der<br />
Regisseur den Text so umsetzt, wie ich mir das<br />
beim Schreiben vorstellte, macht das Spass. Es ist,<br />
wie gesagt, nicht so, dass es mich nicht interessiert,<br />
dass SchauspielerInnen meine Texte spielen.<br />
Im «Gasthof zum erweiterten Suizid» beispielsweise<br />
wird es so sein, dass Schauspieler die Texte<br />
spielen werden.<br />
Damit wären wir beim zweiten Traktat des<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 9
10<br />
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Interviews: dem «Gasthof zum erweiterten Suizid».<br />
Wie sieht das Konzept konkret aus?<br />
Sandra Forrer, Matto Kämpf, Ariane von<br />
Graffenried und ich schreiben Theatertexte und<br />
erleben dabei alle eine ähnliche «Frustration».<br />
Die Zeitspanne zwischen Dramenproduktion und<br />
Aufführung ist sehr lange. Von der ersten Idee<br />
zu einem Drama bis zum Abschluss des Produktionsprozesses<br />
dauert es rund drei Jahre.<br />
Diese lange Produktionsspanne verunmöglicht<br />
tagesaktuelle Theaterstücke. Im «Gasthof zum<br />
erweiterten Suizid» versuchen wir ein Format zu<br />
kreieren, das tagesaktuelle Themen aufnehmen<br />
kann – sogar aufnehmen muss. Wir planen ab<br />
Januar dieses Jahres monatlich eine Produktion<br />
im Schlachthaustheater. Jeden Monat entsteht<br />
eine neue Folge. Für uns Dramatiker gelten zwei<br />
Regeln: a) wir dürfen die Texten der neuen Folge<br />
erst schreiben, wenn die letzte Folge aufgeführt<br />
ist und b) müssen unsere Texte (im Entferntesten)<br />
das Thema «erweiterter Suizid» berühren. Die erste<br />
Regel provoziert eine sehr kurze Schreib- und<br />
Probezeit, ermöglicht aber die Verarbeitung tagesaktueller<br />
Themen.<br />
Wird für jeden Theaterabend ein inhaltlich<br />
zusammenhängendes Stück verfasst?<br />
Nein, die Theaterabende sind Collagen von<br />
Szenen, die durch das Oberthema «erweiterter<br />
Suizid» in einen gemeinsamen Rahmen gesetzt<br />
werden. Unser Ziel ist, Elemente der ersten Folge<br />
auch in die nächsten «Sitzungen» zu übernehmen<br />
und weiterzuentwickeln, so dass eine Art Serie<br />
entsteht. Die Kontinuität der Serie entsteht<br />
aber nicht, wie etwa in einer Soap, durch den Inhalt,<br />
sondern vielmehr durch Figuren, Probleme,<br />
Schauplätze, die wir weiterziehen - sei es aus einer<br />
eigenen Szene oder aus einer Szene eines anderen<br />
Autors. Es ist denkbar, dass ich beispielsweise von<br />
Matto eine Figur übernehme und diese in einer ei-<br />
genen Szene einbaue.<br />
Bleibt die Besetzung immer gleich?<br />
Neben dem Autorenqu<strong>art</strong>ett bleiben die Co-<br />
Regisseure Caroline Schenk und Dirk Vittinghoff<br />
sowie die Musikerin Sandra Künzi während<br />
der gesamten «Staffel» dabei. Die Schauspieler<br />
werden aber wechseln.<br />
Wie kommt man auf einen so abgedrehten<br />
Namen wie «Gasthof zum erweiterten Suizid»?<br />
Wir suchten nach einem geeigneten Oberthema,<br />
dass regelmässig in den Medien präsent ist.<br />
Wir bemerkten, dass alle zwei bis drei Wochen<br />
ein Fall von «erweitertem Suizid» für medialen<br />
Aufruhr sorgt. Das Thema ist ein «Dauerbrenner»,<br />
so dass es uns theoretisch möglich ist, für jede<br />
Folge aus diesem Thema tagesaktuelle Geschichten<br />
zu ziehen. «Erweiterter Selbstmord» wurde<br />
vor kurzem zum Unwort des Jahres gewählt. Das<br />
bestätigt, dass «erweiterter Suizid» eine brisante<br />
Thematik ist. Die Medienpräsenz der Hälfte unseres<br />
Titels durch diese Wahl kommt uns natürlich<br />
sehr gelegen.<br />
Und wieso «Gasthof»?<br />
Der St<strong>art</strong> zur Serie wird im Schlachthaustheater,<br />
das wir zu einer Gaststube umbauen,<br />
stattfi nden. Für die weiteren Theaterabende ziehen<br />
wir in den Keller des Schlachthauses. Das<br />
Schlachthaus will im Keller neu eine Bar etablieren<br />
und der «Gasthof zum erweiterten Suizid» ist das<br />
erste Projekt, das in dieser Bar stattfi ndet. Es ist mitunter<br />
ein Versuch, die Bar zu promoten. Während<br />
der Aufführung ist es möglich, an der Bar Getränke<br />
zu konsumieren. Die Abende fi nden in einer lockeren<br />
Bar-Atmosphäre statt; die klassische Schauspieler-Zuschauertrennung<br />
ist aufgehoben.<br />
Informationen zum Projekt «erweiterter Suizid»:<br />
Ausblick Bühne in diesem ensuite - kulturmagazin<br />
und www.schlachthaus.ch.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
BÜHNE<br />
rhythmischer sprachmarathon<br />
Von Magdalena Nadolska – Matterhorn Produktionen zeigen «Nach Addis<br />
Abeba – ein Bühnenabendessen in fünf Gängen» (Bild: zVg.)<br />
■ Willkommensorgie könnte man es nennen, oder<br />
eine Begrüssungszeremonie, der irgendwann eine<br />
Arschloch-Arie folgt. Heinz-Ludwig und Constanze<br />
heissen die Gäste, oder Hans-Hans-Joachim und<br />
Mechthild. Sie sind schön, reich und vor allem sehr<br />
originell. Sie treffen sich zu einer Abendgesellschaft<br />
und reden, reden und reden. Wenn nicht mit den<br />
Anwesenden, dann per Handy mit weiteren schönen,<br />
reichen und vor allem sehr originellen Freunden.<br />
Doch im Grunde weiss niemand mit wem er<br />
überhaupt spricht oder ob jemand zuhört. Hauptsache<br />
reden. Es gibt ja auch etliche Probleme, die<br />
man bewältigen muss. Wo soll man sich hinsetzen?<br />
Man glaubt nicht an Gott und der Papst ist einem<br />
egal. Man hat zuviel geraucht oder mag die Koffer<br />
für die Ferien nicht packen. Nach Addis Abeba geht<br />
es. Doch die Reise fi ndet im Wohnzimmer statt. Man<br />
begibt sich vom Apéro über den Hauptgang zur Torte,<br />
ständig die Handlung kommentierend, sich mit<br />
dem Satz «Ich habe mal ganz lange nichts gesagt»<br />
brüstend. Wie sind die doch auf den Hund gekommen.<br />
«Die» entspringen dem neuen Stück von Beat<br />
Sterchi, «Nach Addis Abeba», welches von den<br />
Matterhorn Produktionen im Schlachthaus gespielt<br />
wird. Seit Jahren verfolgt Sterchi konsequent einen<br />
eigenen Weg der Sprachbehandlung auf der Bühne.<br />
Es werden keine Figuren entwickelt, sondern in<br />
erster Linie Sprachhaltungen ausgestellt. So schafft<br />
Sterchi mit der Form Inhalt. In «Nach Addis Abeba»<br />
werden die Reste unserer Alltagssprache als rhythmisches<br />
Material in den Raum gestellt. Mit den Mitteln<br />
der Wiederholung, der Verkürzung und einem<br />
sehr dominanten Rhythmus macht Sterchi aus den<br />
kurzen unspektakulären Sätzen Literatur.<br />
Beim Entwickeln der Inszenierung benutzt die Regisseurin<br />
Ursina Greuel den musikalischen Werkzeugkasten.<br />
Sätze können verschachtelt werden, chorisch<br />
oder kanonisch gesprochen, gesungen oder<br />
rezitiert werden. «Die Schauspieler sind in diesem<br />
Stück in erster Linie keine Solisten, sondern Teil eines<br />
gesamten Klangwerkes. Das Stück ist einzustudieren<br />
wie eine P<strong>art</strong>itur. Die Schauspieler agieren<br />
ganz im Dienste des ‹Sounds›, eine Musikerin er-<br />
gänzt den Sprachteppich durch weitere Klänge», so<br />
die Hausregisseurin der Matterhorn Produktionen.<br />
Zusammen mit dem Autor Guy Krneta bildet Ursina<br />
Greuel den Kern dieses Basler Ensembles. Der<br />
Name Matterhorn Produktionen bezieht sich auf<br />
Beat Sterchis Stück «Das Matterhorn ist schön»,<br />
welches von Ursina Greuel im Rahmen der Basler<br />
Antischublade 2001, einem Dramatikerförderprojekt,<br />
uraufgeführt wurde. Mit dieser Produktion<br />
formierte sich das Kernensemble der Matterhorn<br />
Produktionen, das seither kontinuierlich zusammenarbeitet.<br />
Die bisherigen Arbeiten zeichnen sich<br />
durch den musikalischen Umgang mit Sprache und<br />
das Verneinen jeglicher Psychologie aus. Der Text<br />
ist immer Zentrum der Arbeit. Die Sprache wird<br />
nicht als blosses Mittel zum Zweck verstanden, vielmehr<br />
sucht das Ensemble den Eigenwert der Sprache<br />
herauszuarbeiten.<br />
In ihrer letztjährigen Produktion «Die Versuchung,<br />
die Romanza der Eluvies von Alfred Wälchli<br />
zu spielen», welche auch bereits im Schlachthaus<br />
gezeigt wurde, brachte die Gruppe eine skurrile Off-<br />
Operette in Phantasie-Sprache auf die Bühne. Nun<br />
folgt Sterchis «Nach Addis Abeba». Der Text wurde<br />
2003 mit dem Welti-Preis ausgezeichnet, dem wichtigsten<br />
gesamtschweizerischen Preis für Dramatik.<br />
In der Umsetzung der Matterhorn Produktionen<br />
besteht das Bühnenbild aus einem überdimensionalen<br />
Sofa und einem Kronleuchter, der als Musikinstrument<br />
dient. Man bekommt die Überhöhung<br />
eines Wohnzimmers zu sehen, in welchem das Essen<br />
stattfi ndet. Auf der Bühne wird jedoch nicht<br />
gegessen. Stattdessen bekommt das Publikum eine<br />
Mischung aus Theater, Konzert und Choreographie<br />
serviert.<br />
P.S. Addis Abeba ist die Hauptstadt von Äthiopien.<br />
Aufführungen:<br />
Schlachthaus Theater Bern<br />
13./17./18./19./20.1., 20:30 h<br />
21.1. 17:00 h<br />
Infos: Telefon 031 312 96 47<br />
www.schlachthaus.ch<br />
veranstaltungen<br />
AUSBLICK BÜHNE<br />
Schlachthaustheater<br />
Gasthof zum erweiterten Suizid<br />
Von: Sandra Forrer, Matto Kämpf, Nicolette Kretz<br />
und Ariane von Graffenried<br />
■ Eine Collage von Szenen - verbunden durch<br />
das Oberthema «erweiterter Suizid» - wird am 26.<br />
Januar den Auftakt zum Projekt «Gasthof zum<br />
erweiterten Suizid» darstellen. Während eines<br />
halben Jahres refl ektieren die «Suizidler» im<br />
Schlachthaustheater an einem Abend pro Monat<br />
tagesaktuelle Geschehnisse. Da die Gruppe mit<br />
weniger Geld auskommen muss, als erhofft, wird<br />
an zwei Spieldaten auf ein Ersatzprogramm (billiges<br />
Lotto und billiges Quiz) ausgewichen.<br />
Weitere Informationen zum Projekt «Gasthof<br />
zum erweiterten Suizid» fi nden sich im Interview<br />
mit Nicolette Kretz in dieser ensuite-Ausgabe.<br />
(mi)<br />
Regie: Caroline Schenk und Dirk Vittinghoff<br />
Musik: Sandra Künzi<br />
Mit: Vanessa Brandestini, Dominique Müller und<br />
Sandra Utzinger<br />
St<strong>art</strong> des Projekts: 26.1., Schlachthaustheater,<br />
20:30 h.<br />
Stadttheater Bern<br />
Buddenbrooks<br />
Nach dem Roman von Thomas Mann<br />
Dramatisierung von John von Düffel<br />
■ Der Roman Buddenbrooks erreichte bis heute<br />
eine Gesamtaufl age von rund sechs Millionen<br />
Exemplaren. Im Roman wird das Schicksal der<br />
Kaufmannsfamilie Buddenbrook erzählt. Die<br />
Romanumsetzung, in der das Schicksal der Generation<br />
von Thomas, Christian und Antonie Buddenbrook<br />
ins Zentrum gerückt wird, läuft seit<br />
dem 5. September 2006 mit grossem Erfolg am<br />
Stadttheater Bern. Im Interview mit ensuite - kulturmagazin<br />
bezeichnete der Schauspieldirektor<br />
des Stadttheaters, Stefan Suske, die Romanumsetzung<br />
von Buddenbrooks als eine der gelungensten<br />
Stadttheaterproduktionen der letzten<br />
Jahre. Am 12. Januar wird Buddenbrooks zum<br />
letzten Mal im Stadttheater aufgeführt. (mi)<br />
Regie: Barbara-David Brüesch<br />
Mit: Michael Günther, André Benndorff, Regna<br />
Guderian, Silvia-Maria Jung u.a.m.<br />
Dernière: 12. Januar, 19:30 h.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 11
Donnerstag, 1. Februar<br />
Festivaleröffnung<br />
17.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />
Roland Moser<br />
Gabriella Marffy<br />
Claudio Veress<br />
Käthi Steuri<br />
Freier Eintritt<br />
Kammerorchesterkonzert I<br />
19.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />
Philippe Bach<br />
Olivier Darbellay<br />
Berner Kammerorchester<br />
Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />
Freitag, 2. Februar<br />
Klavierrezital<br />
19.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />
Aleksandar Madzar<br />
Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />
Samstag, 3. Februar<br />
Symposion<br />
10.00 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />
Papiermühlestrasse 13d<br />
Grosser Konzertsaal<br />
Freier Eintritt<br />
Chorkonzert<br />
16.00 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />
Papiermühlestrasse 13d<br />
Grosser Konzertsaal<br />
Anton Zwolensky<br />
Chor «Canto vivo»<br />
Freier Eintritt<br />
Symphoniekonzert I<br />
19.30 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />
Papiermühlestrasse 13c<br />
Grosse Halle<br />
Thomas Rösner<br />
Ernesto Molinari<br />
Bieler Symphonieorchester<br />
Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />
Sonntag, 4. Februar<br />
Film<br />
11.00 h | Lichtspiel, Bahnstr. 21<br />
Ein Stück Erde<br />
Freier Eintritt<br />
Musikfestival<br />
zum 100. Geburtstag von<br />
Sándor Veress<br />
1.– 4. Februar 2007<br />
1.– 4. März 2007<br />
3.– 6. Mai 2007<br />
25 Konzerte, Einführungen, Gespräche, Film und Lesung<br />
musikfestivalbern.ch<br />
veress07.ch<br />
Erstmals in einem gemeinsamen Festival:<br />
� Aria Qu<strong>art</strong>ett<br />
� Berner Kammerorchester<br />
� Berner Symphonie-Orchester<br />
� Bieler Symphonieorchester<br />
� Camerata Bern<br />
� Hochschule der Künste Bern<br />
� Internationale Gesellschaft<br />
für Neue Musik Bern<br />
� Musikschule Konservatorium Bern<br />
� Institut für Musikwissenschaft<br />
der Universität Bern<br />
� Zentrum Paul Klee<br />
Amt für Kultur<br />
des Kantons Bern<br />
Medienp<strong>art</strong>ner:<br />
Gestaltung: Neidh<strong>art</strong> Grafik, Bern<br />
1
KLASSISCHE MUSIK<br />
musikfestival bern – veress 07<br />
Von Hanspeter Renggli (Bild: zVg.)<br />
■ Das Festival zum 100. Geburtstag des ungarisch-bernischen<br />
Komponisten und Pädagogen<br />
Sándor Veress im Februar, März und Mai 2007 wird<br />
zugleich zum St<strong>art</strong> eines neuen Berner Musikfestivals.<br />
«Die Vernichtung der Menschheit werden gewiss<br />
nicht die Künstler überleben (wenn es überhaupt<br />
Überleben geben sollte) – nicht in einer Gesellschaft,<br />
in welcher die Kunst und die Künstler<br />
keine Fakten sind. Also wer? Die Schlimmsten: die<br />
Generäle und die Trustherren.» Wer sich hier Mitte<br />
der fünfziger Jahre berechtigte Sorgen um die<br />
Zukunft der Kunst und um den geistigen Zustand<br />
der Menschheit angesichts eines weltweiten Wettrüstens<br />
machte, war nicht ein Kulturkritiker von<br />
Profession und seine Mahnungen blieben meist<br />
ungehört. Er war seit 1950 Lehrer am Berner Konservatorium<br />
für Musiktheorie, Komposition und<br />
allgemeine Musikpädagogik und heisst Sándor<br />
Veress. Hierhin hatte der Konsidirektor Alphonse<br />
Brun den ein Jahr zuvor aus Ungarn emigrierten<br />
Komponisten, Pädagogen und Pianisten berufen.<br />
So bescheiden und leise Veress seine kritischen<br />
Beobachtungen in ungarischer, also in seiner Muttersprache<br />
als private Aufzeichnungen festhielt,<br />
so präzise wusste er, wovon er sprach, wenn er<br />
die Generäle und Trustherren als immerwährende<br />
Überlebende brandmarkte.<br />
Von Faschismus und Stalinismus gezeichnet<br />
Sándor Veress, 1907 im siebenbürgischen Kolosvar<br />
(Klausenburg, heute Cluj, Rumänien) geboren, hatte<br />
in Budapest bei den zwei bedeutendsten ungarischen<br />
Musiklehrern der ersten Jahrhunderthälfte<br />
studiert, Klavier bei Béla B<strong>art</strong>ók, Komposition bei<br />
Zoltán Kodály. In allen Formen des Unterrichts wie<br />
in der Komposition stand damals die reichhaltige,<br />
in der Zwischenkriegszeit in Ungarn noch lebendige<br />
volksmusikalische Tradition im Vordergrund.<br />
Für Veress stellten diese Melodien jedoch in erster<br />
Linie Materialien für sein Komponieren dar. 1943<br />
wurde Veress an der Franz Liszt Musikakademie als<br />
Nachfolger von Kodály Professor für Komposition,<br />
damals wie heute eine bedeutende und richtungsweisende<br />
Position im ungarischen Musikleben.<br />
Aber die politischen Katastrophen und die Wechsel<br />
vom einen radikalen Regime zum anderen liessen<br />
ein freies künstlerisches Wirken für einen Menschen<br />
wie Veress, der die Kunst als Teilaspekt der<br />
europäischen Geschichte der Humanität verstand,<br />
nicht zu. Nach dem Ende der Besetzung durch das<br />
Nazi-Regime waren in Budapest die ersten Nachkriegsjahre<br />
noch durch Experimentierlust und das<br />
unbeschränkte Aufblühen kultureller Aktivitäten<br />
gekennzeichnet. «Leider dauerte die Euphorie des<br />
Friedens und der hoffnungsvollen Konsolidierung<br />
der politischen Verhältnisse nicht lange. Alles, was<br />
wir uns 1945 vorgestellt hatten, entpuppte sich als<br />
nur kurze Herrlichkeit. Die Wühlarbeit und die Aushöhlung<br />
der demokratischen Institutionen durch<br />
Mátyás Rákosi, den ungarischen Stalin, gedieh so<br />
weit, dass man sich bereits im Sommer 1948 fragen<br />
musste, ob man unter diesen Perspektiven<br />
weiterarbeiten könne. Bei dem stets wachsenden<br />
Druck verspürte ich immer weniger Lust, am Ende<br />
das Schicksal von Schostakowitsch zu teilen. Mit<br />
diesen Gedanken bestieg ich am 6. Februar 1949<br />
musik<br />
den Nachtzug nach Prag ... nach neun Monaten<br />
geschah das Wunder in der Form der Einladung<br />
zu einer Gastprofessur in Bern. Was mir in Ungarn<br />
unmöglich gewesen wäre, die menschenwürdige<br />
persönliche Freiheit und die Möglichkeiten zur<br />
Entfaltung meiner Kunst, hat mir der helvetische<br />
Boden geschenkt.» Dies ist, zugegebenermassen<br />
verkürzt, die Geschichte der Emigration von<br />
Sándor Veress in die Schweiz, wie er sie in seinen<br />
Erinnerungen 1985 festhielt. Dass der bernische<br />
Horizont in Sachen Neuer Musik um 1950 überaus<br />
begrenzt, das kulturelle Leben unglaublich konservativ<br />
war, sollte Veress früh genug erfahren. Er, der<br />
in den Westen kam, um – in allen historischen und<br />
geistigen Dimensionen – Europäer zu sein, wurde<br />
schnell mit den engen schweizerischen Koordinaten<br />
konfrontiert. So notiert er 1955: «Ekelhafter<br />
Nationalismus AD 1955. Ob das Werk gut ist, wird<br />
nicht gefragt – ob englisch, französisch, deutsch,<br />
Schweiz (Kanton), das ist die Hauptbeschäftigung<br />
der ‹Kulturellen Repräsentanten›.»<br />
«Missing link» der Geschichte? Der bedeutendste<br />
Kompositionslehrer der Schweiz der fünfziger,<br />
sechziger und siebziger Jahre wurde erst<br />
1974, ein Vierteljahrhundert nach seiner Emigration<br />
in die Schweiz, als Mitglied in den Schweizerischen<br />
Tonkünstlerverein aufgenommen. Noch<br />
1982, als ihm die «Schweizerische Musikzeitung»<br />
zum 75. Geburtstag eine Sondernummer widmete,<br />
«husteten einige einfl ussreiche, gestandene<br />
Deutschschweizer Komponisten sehr vernehmlich»<br />
(Jürg Stenzl). So fand sich in den letzten<br />
Jahren der Name Veress nebst in einigen Berner<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 13
musik<br />
Statistiken und wenigen Konzertprogrammen vor<br />
allem in den Biographien seiner Schüler, und das<br />
sind überaus gewichtige Namen:<br />
An der Budapester Musikhochschule waren<br />
György Ligeti und György Kurtág, die beiden bedeutendsten<br />
ungarischen Komponisten der Nachkriegszeit,<br />
seine Schüler.<br />
In Bern waren eine halbe Generation von<br />
Schweizer Musikern und Komponisten seine Schüler:<br />
Heinz Holliger, Roland Moser, Heinz M<strong>art</strong>i, Urs<br />
Peter Schneider, Jürg Wyttenbach, um nur einige<br />
zu nennen. Allein angesichts dieser Namensliste<br />
wird deutlich, dass Veress einer der wirksamsten<br />
Kompositionslehrer des 20. Jahrhunderts ist, der<br />
«als Vorbild und überragende Persönlichkeit von<br />
hohem geistigem Rang einen bedeutenden Einfl<br />
uss auf die junge Generation ausgeübt hat» (Paul<br />
Sacher). In dieser Konstellation, einerseits Schüler<br />
von bedeutenden, seit einem halben Jahrhundert<br />
als Klassiker der Moderne qualifi zierten Lehrern<br />
(Bártok, Kodály), und andererseits Lehrer heute<br />
renommierter, ihrerseits wiederum stilbildender<br />
Komponisten zu sein, kann ein Verhängnis liegen.<br />
Das Verhängnis nämlich, als «missing link», als<br />
blosses Zwischenglied in der Generationenkette<br />
der «Grossen» zur historischen Anmerkung zu<br />
werden.<br />
Finita la Commedia? Freundschaften und<br />
künstlerische Kontakte wie jene zu Hermann Müller,<br />
dem Leiter des Berner Kammerorchesters, zu<br />
Paul Sacher oder zur Camerata Bern, insbesondere<br />
aber zu seinen Schülern am Konservatorium<br />
und an der Universität führten in den fünfziger<br />
und sechziger Jahren zu mehreren Kompositionsaufträgen.<br />
Der letzten Schaffensperiode, die mit<br />
dem «Glasklängespiel» um 1977 beginnt, ging eine<br />
zehnjährige Pause im Komponieren voraus. Dieser<br />
Rückzug als Komponist ist auf ein ganzes Gefl echt<br />
von äusseren und inneren Gründen zurückzuführen.<br />
Dazu gehört insbesondere die dauernd isolierte<br />
Situation im Schweizer Exil, als das Veress sein<br />
Leben in Bern verstand und das ihm auch mangels<br />
Auseinandersetzung mit Kollegen wenig äussere<br />
Anregung gab. Dazu gehört aber mindestens<br />
ebenso sehr die zunehmende Divergenz zwischen<br />
seinen ästhetischen Positionen, seinen durch die<br />
europäische Kulturgeschichte geprägten Kunstbegriff,<br />
und den tonangebenden Strömungen der<br />
Neuen Musik. Aufschlussreich ist ein Brief aus jener<br />
Zeit an den befreundeten Freiburger Musikhistoriker<br />
Erich Dofl ein:<br />
«So versuche ich hier etwas zu komponieren,<br />
wenn es noch geht. Es wird immer schwieriger,<br />
14<br />
wenn man nicht die Lust hat, mit den Wölfen zu<br />
heulen. Leider, ob man will oder nicht, die Frage<br />
stellt sich immer zwingender nach dem Sinn des<br />
Komponierens, und in meiner völligen Isoliertheit<br />
werden solche Gedanken noch mehr verschärft.»<br />
Veress hielt sich nicht zurück, wenn es galt, die<br />
«Ent<strong>art</strong>ung des Intellekts» zu brandmarken, die er<br />
in der «sterilen, intellektualistischen Spielerei» der<br />
Avantgarde, im «Kulturzerfall durch Kulturvielfalt»<br />
um 1960, oder im Desengagement gegenüber der<br />
Kunst sah: «Man ist nicht engagiert, das Musikhören<br />
ist ein rein ästhetisch-intellektueller Genuss. In<br />
der Kunst aber muss man sich engagieren. – Die<br />
gesellschaftliche Funktion der Musik als Kunst<br />
ist erloschen ... Hier stehen wir nun, nach den gigantischen<br />
Jahrhunderten europäischer Kunst ...<br />
Kurzum: Untergang des Abendlandes. – Finita la<br />
Commedia.» Veress aber unterschlägt nicht anzufügen,<br />
wenn auch bloss in Klammern: «Es war eine<br />
schöne, grosse Commedia.»<br />
Sándor Veress starb am 4. März 1992 in Bern<br />
im Alter von 85 Jahren. Sein nicht kleines, aber<br />
überschaubares Œuvre von nicht ganz siebzig<br />
Werken, die Jugendkompositionen nicht mitgezählt,<br />
ist gekennzeichnet durch eine sehr persönliche<br />
und überaus vielfältige Sprache. Seine Musik<br />
sucht nicht den vordergründigen oder lauten<br />
Effekt. Bei allem Humor, der in manchen Werken<br />
durchscheint, äussert sich in seiner Musik ein hohes<br />
Verantwortungsbewusstsein, ein tiefer Ernst<br />
gegenüber den Traditionen, gegenüber den Kulturen,<br />
gegenüber seinem «Tonmaterial», oder, wie<br />
er selber den Respekt vor seinem Tun formulierte:<br />
«Ein Ton – das klingt ja ganz schön; aber dann der<br />
zweite ...!»<br />
Musikfestival Bern – Veress 07 Am 1. Februar<br />
2007 beginnt in Bern aus Anlass des 100. Geburtstags<br />
von Sándor Veress ein Musikfestival, das<br />
seiner Musik, aber auch der Musik seiner Lehrer,<br />
Schüler und wiederum deren Schüler gewidmet ist.<br />
Ein bernisches Musikfestival? Hatten wir doch auch<br />
schon – in verschiedensten Facetten! Nein, ein Festival<br />
mit zehn Berner Institutionen und Ensembles,<br />
in dem zwanzig Konzerte, ein musikwissenschaftliches<br />
Symposion, ein Film, eine Lesung, Gespräche<br />
und Einführungen sich unter einem thematischen<br />
Dach präsentieren, hatten wir eben noch nicht. Das<br />
Festival ist auf drei lange Wochenenden, das erste<br />
Februar-, das erste März- und das erste Mai-Wochenende,<br />
aufgesplittet. Also bleibt bei der Fülle<br />
von unterschiedlichster Musik immer genügen Zeit<br />
zum Durchatmen, zum Nachklingen-Lassen, zum<br />
sich neu Einstellen auf das Kommende. Neu<strong>art</strong>ige,<br />
ungewöhnliche Konzertformen stehen neben dem<br />
traditionellen Symphonie- oder Kammerkonzert.<br />
In jeder Schaffensepoche fand Veress neue, überzeugende<br />
kompositorische Lösungen von grosser<br />
persönlicher Eigen<strong>art</strong>, die an gedanklicher Komplexität<br />
und formalem Reichtum, an klanglicher<br />
Experimentierfreudigkeit, an politisch-ethischen<br />
Aussagen, aber auch im Augenzwinkern weder<br />
anderen Werken der Avantgarde nachstehen noch<br />
mit ihnen wirklich vergleichbar sind.<br />
Das Veress-Festival st<strong>art</strong>et am 1. Februar mit<br />
einem echt bernischen Paukenschlag: Das Berner<br />
Kammerorchester spielt unter der Leitung des<br />
jungen Berner Dirigenten Philippe Bach, der seit<br />
September 2006 als Gewinner des 1. Preises im<br />
Internationalen Dirigentenwettbewerb für junge<br />
Operndirigenten am Teatro Real in Madrid als Assistenz-Dirigent<br />
tätig ist. Solist in Ligetis eigenwillig-klangsinnlichem<br />
Hornkonzert, in dem mehr Veress<br />
steckt, als man zu vermuten wagte, ist Olivier<br />
Darbellay, Mitglied des Collegium Novum Zürich,<br />
des Ensemble Contrechamps und des Ensemble<br />
Antipodes, Solohornist des Berner Symphonie-Orchesters<br />
und Lehrbeauftragter des Conservatoire<br />
de Lausanne.<br />
Einen der ersten bedeutenden öffentlichen<br />
Auftritte in Bern des international längst reüssierten<br />
Belgrader Pianisten Aleksandar Madžar erleben<br />
wir am 2. Februar im Konservatorium. Aleksandar<br />
Madžar hatte als blutjunger Pianist einige<br />
Klavierstücke von Veress noch mit dem Komponisten<br />
einstudiert. Im Chorkonzert am 3. Februar<br />
erklingen frühe Volksliedbearbeitungen. Zudem<br />
ist das Bieler Symphonieorchester in der grossen<br />
Halle der HKB zu Gast. Unter der Leitung des<br />
Chefdirigenten Thomas Rösner spielt u. a. Ernesto<br />
Molinari Veress’ ebenso virtuoses wie heikles<br />
Klarinettenkonzert, ein Spätwerk, in dem Veress<br />
nochmals den Klanghorizont spielerisch geweitet<br />
hat. Am Sonntag zeigt das Lichtspiel schliesslich<br />
eine unbekannte Seite im Werk von Sándor Veress:<br />
die Filmmusik zum Spielfi lm «Ein Stück Erde» aus<br />
dem Jahre 1948. Der Film wird erstmals im Westen<br />
öffentlich gespielt. Er behandelt das damals politisch<br />
brisante Thema der Landreform und ist ein<br />
faszinierender Beitrag zum sozialistischen Realismus<br />
im Nachkriegsungarn.<br />
Kurzum: Ein Festival für Neu- und Altgierige.<br />
Informationen:<br />
www.musikfestivalbern.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
ELLING - WIE ZWEI DIE<br />
WELT EROBERN<br />
■ Wie lernt man Leute kennen? Wie kann, soll<br />
man telefonieren? Was tun die Menschen auf der<br />
Strasse? Warum sind in Sauerkrautpackungen keine<br />
Gedichte drin? Wieso kommen Frauen nicht zu<br />
Besuch? Diese Fragen stellen sich die beiden liebenswerten<br />
Antihelden Elling und sein Blutsbruder<br />
Kjell Bjarne. Nach der Entlassung aus der psychiatrischen<br />
Klinik sollen sie dank der Hilfe des Sozialarbeiters<br />
Frank in die bürgerliche Gesellschaft eingegliedert<br />
werden. Eine grosse Bewährungsprobe<br />
für eine wunderbare Freundschaft. Erst ängstlich<br />
und zögerlich, dann mutig und schliesslich geradezu<br />
draufgängerisch erobern die beiden erwachsenen<br />
Kinder Stück für Stück die Welt. Sie entdecken<br />
sie neu und, wenn nötig, ändern sie sie in ihrem Sinne.<br />
Die Welt tritt ihnen entgegen als sexy Kellnerin,<br />
strenger Sozialarbeiter oder als hochschwangere<br />
Nachbarin. Sie werden überrascht von der Härte<br />
des Lebens und der Fröhlichkeit des Seins. Ihnen<br />
fehlt nicht Geld, aber Sex und Anerkennung. Sie<br />
haben Angst. Sie kämpfen. Sie haben Glück.<br />
Mit ELLING bringt das Theater ChardonNez<br />
seine erste Produktion auf die Bühne. Als Film<br />
bewegte ELLING bereits Millionen von Herzen. Er<br />
war in ganz Europa ein Kassenschlager. Nun ist<br />
diese humorvolle und komische Geschichte in einer<br />
berndeutschen Übersetzung von Annemarie<br />
Voss unter der Regie von Renate Adam und dem<br />
Ensemble ChardonNez. (am.morgenegg)<br />
Spielort: Kellertheater Katakömbli, Bern,<br />
Spieldaten: vom 19. Januar bis 17. Februar 2007<br />
(siehe Webseite)<br />
Infos:<br />
www.theater-chardonnez.ch.<br />
CHLÖISU FRIEDLI<br />
– SÜNNELIBLUES<br />
■ Das Theater Ittigen hat sich einer alten Berner<br />
Geschichte angenommen: Chlöisu Friedli (1949–<br />
1981). Kein Musiker, der sich in den Hitparaden<br />
tummelte, dafür einer, der Spuren hinterliess. Sein<br />
Song «SünneliBlues» beispielsweise beschreibt in<br />
lakonischer Art den Patienten-Alltag in der psychiatrischen<br />
Klinik Waldau, wie ihn Chlöisu Friedli aus<br />
regelmässiger Erfahrung bestens kannte. Im Frühjahr<br />
1981 nimmt Chlöisu Friedli im Tonstudio die in<br />
den letzten Monaten entstandenen Songs auf. Seine<br />
auf dem Piano mit bluesigen Riffs begleiteten,<br />
meist halb assoziativ improvisierten Texte werden<br />
später als «Bärnerblues» bekannt und könnten<br />
als Vorläufer von «Stiller Has» gelten. Assistiert<br />
wird Chlöisu Friedli im Studio von Tontechniker<br />
Adi Tosetto und Hene Elmann, einem mysteriösen<br />
Herrn, dessen Anwesenheit aber offenbar nur von<br />
Chlöisu Friedli selbst bemerkt wird. Während sich<br />
der Musiker durch die Lieder arbeitet, kommen Erinnerungen<br />
hoch und entscheidende Episoden aus<br />
seinem Leben erwachen: das mit Feen und Kobolden<br />
bevölkerte Gäbelbachtal seiner Kindheit, erste<br />
Gehversuche in der Musik, hanebüchene Nebenjobs<br />
und die plötzliche Begegnung mit der grossen<br />
Liebe! Elmann unterstützt ihn dabei, durchleuchtet<br />
ihn und entpuppt sich gar als übermächtiger<br />
Zauberer.<br />
Doch so wie Autobahn und Tscharnergut das<br />
Gäbelbachtal zubetonierten, stellen sich Chlöisu<br />
die Schatten einer psychischen Erkrankung in den<br />
Weg, binden ihn zurück, isolieren ihn – und Elmann<br />
entwickelt sich schliesslich vom unterstützenden<br />
Mentor zum zynischen Gegenspieler. Das Stück<br />
spürt Leben und Werk der Berner Blueslegende<br />
nach. Chlösu Friedli ist eine Künstlerexistenz, der<br />
sich zwischen Witz und Aufbruch bewegt, und dabei<br />
die späten 70er und frühen 80er Jahre aufl eben<br />
lässt. «SünneliBlues» - ein mystisch beklemmender<br />
Krimi von und mit Dänu Brüggemann.<br />
(pressetext / vl)<br />
Chlöisu Friedli - SünneliBlues<br />
Theaterstück von Dänu Brüggemann<br />
Regie: Hans Peter Incondi<br />
Spielort:<br />
Aula Oberstufenzentrum, Rain 5; 3063 Ittigen<br />
Première: 20. Januar, 20:00 h<br />
Weitere Vorstellungen: 24., 26., 27., 31. Januar; 2.,<br />
3., 7., 8., 9. und 10. Februar jeweils um 20:00 h sowie<br />
4. Februar um 17:00 h<br />
Reservation und Infos:<br />
www.theater-ittigen.ch<br />
LITERATUR IN BERN<br />
DER PHILOSOPH<br />
VON BERN<br />
veranstaltungen<br />
■ Einen historischen Dringlichkeitskatalog habe<br />
er verfasst, und es sei daher unverantwortlich,<br />
dass seine Schriften nicht greifbar sind, schrieb<br />
Hugo Loetscher. Das ist jetzt nicht mehr so. Mit<br />
der entstehenden Werkausgabe wird eine repräsentative<br />
Auswahl der gesammelten Schriften<br />
von C. A. Loosli zugänglich. Looslis Nachlass<br />
umfasst insgesamt gut 22 Laufmeter Papier und<br />
ist im Schweizerischen Literaturarchiv archiviert.<br />
Dort fi ndet nun auch eine Tagung statt: Namhafte<br />
Personen aus verschiedenen Fachgebieten,<br />
so auch Hugo Loetscher, werden zu der aktuellen<br />
Bedeutung des mutigen Publizisten Stellung<br />
nehmen.<br />
Greifbar sind die zwei ersten Bände der<br />
Werkausgabe: Band 1, Anstaltsleben, umfasst<br />
eine Auswahl sowohl literarischer wie auch publizistischer<br />
Texte zu der Verdingkinderfrage und<br />
zu Jugendrecht. Die Aktualität dieser Schriften<br />
thematisiert Ueli Mäder, der gemeinsam mit<br />
Heiko Haumann an der Universität Basel ein<br />
Forschungsprojekt zu den Verdingkindern leitet.<br />
Looslis Stellenwert in der Schweizer Kriminalliteratur<br />
analysiert Edgar Marsch: Der Roman «Die<br />
Schattmattbauern», Kernstück von Band 3, sei<br />
der erste moderne Schweizer Kriminalroman.<br />
Der Professor für Germanistik erklärt, was den<br />
Roman modern macht. Und wie wird der Nachlass<br />
eines Schriftstellers verwaltet? Welche Fragen<br />
wirft die Edition eines Werkes auf? Welche<br />
Rolle spielt der Verlag? Aber vor allem: Welche<br />
Bedeutung hat oder soll die Wiederentdeckung<br />
C. A. Looslis haben? Hugo Loetscher steht ein für<br />
die Aktualität eines verkannten Berners, der für<br />
die Geschichte der schweizerischen Mentalität<br />
von erstem Rang ist. (ass)<br />
20. Januar 2007<br />
Öffentliche Tagung von 10:00-17:00 h<br />
Schweizerisches Literaturarchiv in der<br />
Schweizerischen Landesbibliothek<br />
Hallwylstrasse 15<br />
3005 Bern<br />
Anmeldung:<br />
Rotpunktverlag: Tel. 044 241 84 75<br />
Schweizerisches Literaturarchiv:<br />
Tel. 031 322 92 60<br />
Über C. A. Loosli wurde bereits in den ensuite-<br />
Ausgaben Nr. 46 und Nr. 47 berichtet.<br />
WWW.ENSUITE.CH<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 15
fokus<br />
DIE GEWINNERINNEN DER LESERUMFRAGE 2006<br />
■ Unsere Leserumfrage im Oktober und November<br />
2006 war sehr erfolgreich. Wir können hier<br />
schon mal die GewinnerInnen bekannt geben. Wir<br />
gratulieren:<br />
1. Preis<br />
Die Reise nach Paris geht an:<br />
Nicole Keller; 3066 Stettlen<br />
2. Preis<br />
Die Übernachtung auf dem Gurten geht an…<br />
Julia Abakai; 3072 Ostermundigen<br />
3. Preis<br />
Drei XENIX-Film-DVDs nach Wahl gehen an…<br />
Thomas Eggenberger; 4051 Basel<br />
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
ein kornhaus ohne korn?<br />
Von Lukas Vogelsang – Ein Rettungsaufruf für das Kornhausforum<br />
■ Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember, berichtete<br />
die «Berner Zeitung» mit dem Titel «Kornhausforum<br />
vor dem Aus» über die Sparpläne der Abteilung<br />
Kulturelles und des Gemeinderats Bern. Man<br />
will dem Kornhaus den Geldhahn abdrehen – irgendwo<br />
muss ja gesp<strong>art</strong> werden. Als hätten wir mit den<br />
Turbulenzen im museum franz gertsch nicht schon<br />
genug Wirbel gehabt, kam diese Meldung wie ein<br />
Aprilscherz daher – zum Wetter hätte es ganz gut<br />
gepasst. Doch die Lage scheint ernster zu sein, als<br />
dass wir Witze machen könnten. Die Stellungnahme<br />
vom Kornhausforum (siehe rechts) beruhigt zwar<br />
ein bisschen das Gemüt, doch die Aussicht, dass<br />
die Abteilung Kulturelles einen Lösungsvorschlag<br />
weiterverfolgt, kann nichts Gutes bedeuten: Dieses<br />
Szenario hatten wir mit BeJazz bereits mitgespielt<br />
und das Ergebnis war alles andere als beruhigend.<br />
Komische Politik Das Kunstmuseum, das Historische<br />
Museum, das Stade de Suisse, der Baldachin<br />
beim Bahnhof und das Zentrum Paul Klee wurden<br />
oder werden gebaut und all diese öffentlichen Bauten<br />
wurden im Kornhausforum ausgestellt. Dazu<br />
kommt, dass sich gerade mit diesen Bauwerken die<br />
Stadträte im Kornhausforum gut in Szene setzen<br />
konnten. Für verschiedene Anlässe war das Kornhausforum<br />
der beste Ort. Die Argumentation, es<br />
habe «kein Profi l und kein Programmschwerpunkt»,<br />
so der Kultursekretär Christoph Reichenau, stimmt<br />
so nicht: Das Kornhausforum zeigt zeitgenössische<br />
Ausstellungen, die in Bern in keinem anderen Museum<br />
zu sehen wären, ist auf Design und Architektur<br />
ausgerichtet und auch Politplattform.<br />
Ärgerlich ist diese Sparidee vor allem, weil der<br />
ehemalige Leiter des Kornhausforums erst letzten<br />
Sommer den Hut nahm und damit endlich Platz für<br />
16<br />
4. – 10. Preis - Je ein Jahr gratis<br />
ensuite – kulturmagazin gehen an…<br />
Sergio Thanei; 3007 Bern<br />
Füglister Peter; 3053 Münchenbuchsee<br />
Madeleine Wick Reding; 3004 Bern<br />
Marie D. Schönebaum; 3013 Bern<br />
Claudia René; 2502 Biel<br />
Gordana Lazic; 3006 Bern<br />
Roman Troxler; 9000 St. Gallen<br />
Wir möchten uns bei all den zahlreichen TeilnehmerInnen<br />
ganz herzlich für die Zuschriften und<br />
fürs Mitmachen bedanken. Wir sind sehr überrascht<br />
und berührt, welch tolles Feedback Sie<br />
uns gegeben haben. Danke für die Treue und die<br />
Menschlichkeit.<br />
Ihre ensuite-Redaktion<br />
Neues entstehen kann. Mit 45‘000 Besuchern ist<br />
das Kornhausforum immer noch etwa drei Mal besser<br />
besucht als zum Beispiel die Kunsthalle Bern.<br />
Beide Häuser weisen etwa die gleiche Grösse auf.<br />
Klar, man könnte die nationale Ausstrahlung miteinbeziehen,<br />
doch auch da würde das Kornhausforum<br />
nicht schlecht abschneiden. Vor allem ist das Kunstforum<br />
modern – und das tut Bern gut.<br />
Ärgerlich ist dieser Spargedanke auch deswegen,<br />
weil der Schuss in die Ränge zielt, die aktiv<br />
am Berner Kulturleben beteiligt sind: Bekult ist<br />
eine Veranstaltervereinigung, bestehend aus dem<br />
Schlachthaus, der Dampfzentrale, den Tanztagen<br />
und dem Kornhausforum, die sich immer um einen<br />
Kulturdialog bemühten und für ein kulturelles Bern<br />
dachten. Das Kornhausforum war in der Kommunikation<br />
darin immer federführend. Ohne Kornhausforum<br />
wird diese Organisation, die eh nicht auf bester<br />
Erde steht, zersplittet. Den kleineren und grösseren<br />
Veranstaltern würde eine Plattform entzogen und<br />
damit auch eine politische Stimme.<br />
Eine gute Idee Wir möchten Sie, liebe LeserInnen,<br />
bitten, uns Ihre Meinung zu dem Thema zu<br />
schreiben. Ihre Meinung ist gefragt, bevor Sie von<br />
jemandem entschieden wird. Nehmen Sie sich das<br />
Stück Freiheit und schreiben Sie uns einen Leserbrief.<br />
leserbrief@ensuite.ch oder<br />
ensuite – kulturmagazin<br />
Leserbriefe; Sandrainstrasse 3; 3007 Bern<br />
Der besagte Artikel kann unter<br />
http://www.espace.ch/<strong>art</strong>ikel_297306.html<br />
gelesen werden.<br />
Eine erste kurze Stellungsnahme<br />
aus dem Kornhausforum:<br />
Wir wurden vor kurzem vom Kultursekretär und<br />
Stadtpräsidenten mündlich vorinformiert. Allerdings<br />
wurden bei diesen Gesprächen auch neue<br />
Optionen zur Weiterführung des Kornhausforums<br />
diskutiert, die bis im Januar von der Abteilung<br />
Kulturelles weiterverfolgt werden sollen. Insofern<br />
war insbesondere solch ein Titel wie in der «BZ»<br />
unschön.<br />
Unsere Stellungnahme:<br />
Wir haben Verständnis für den Spardruck der<br />
Stadt Bern. Eine Konzentration der Kräfte ist<br />
grundsätzlich richtig, denn viele Kulturinstitutionen<br />
sind eigentlich bereits seit längerem unterfi<br />
nanziert.<br />
Dass mit der Schliessung des Kornhausforums<br />
rund 1 Million Franken gesp<strong>art</strong> werden könnte,<br />
stimmt allerdings nicht. Für die Miete der Räume<br />
des Kornhausforums bezahlen wir vom<br />
Budget von 980‘000 Franken 410‘000 Franken<br />
wieder zurück. Dieser Betrag müsste erst einmal<br />
durch Vermietungen erwirtschaftet werden und<br />
dafür bräuchte es sicher auch Personal. Flüssige<br />
Mittel (neben den Personalkosten) werden von<br />
der Stadt seit 2003 mit 214‘000 Franken zur<br />
Verfügung gestellt. Über Vermietungen, Sponsoring,<br />
Eintritte/Verkäufe und Mitgliederbeiträge<br />
hat das Kornhausforum seit 2003 jährlich<br />
rund 250‘000 Franken selber erwirtschaftet, so<br />
dass die Eigenwirtschaftlichkeit immer 20-30<br />
Prozent betrug. Und dies inklusive dem hohen<br />
Mietwert. Die Besucherzahlen betrugen seit Beginn<br />
jährlich immer ca. 45‘000 Personen.<br />
Das Kornhausforum ist 1998 bewusst mit einem<br />
breiten Profi l als Forum für Medien und<br />
Gestaltung von der Stadt gegründet worden.<br />
Im Sinne einer Schärfung des Profi ls haben wir<br />
vorgeschlagen, die Bereiche Gestaltung und Gesellschaftspolitik<br />
zu pfl egen und möglichst mit<br />
diesen beiden Standbeinen auch eigene Projekte<br />
(wie die zur Zeit laufende Ausstellung «Spielwitz<br />
& Klarheit») zu lancieren.<br />
Wir hoffen nun vorerst, dass die Diskussion im<br />
Januar noch neue Lösungsvorschläge bringt. Wir<br />
sind aber dankbar, wenn wir später in der politischen<br />
Auseinandersetzung auf Ihre/Eure Unterstützung<br />
zählen können.<br />
Claudia Rosiny, Leiterin<br />
Hans-Ulrich Herrmann,<br />
Präsident Verein Kornhausforum<br />
www.kornhausforum.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
POPMUSIK<br />
«die mittelschicht kennt keine loyalität»<br />
Interview von Sarah Elena Schwerzmann mit Rapper Sido (Bild: zVg.)<br />
Das «Superintelligente Drogenopfer», kurz SIDO<br />
fällt durch grosse Klappe, eiserne Maske und frauenfeindliche<br />
Texte auf. Trotzdem, oder gerade deswegen<br />
schwimmt der Berliner auf der Erfolgswelle:<br />
Das aktuelles Album «Ich» des Rappers hatte<br />
bereits nach zwei Tagen Goldstatus erreicht.<br />
Sido, hasst Du Frauen?<br />
Sido: Nö. Ich hab nur viel mit Frauen zu tun, für<br />
die ich keinen Respekt habe. Die lassen an Konzerten<br />
einfach ihre Jungs stehen, um mit mir rumzumachen.<br />
Und das stört Dich?<br />
In einer Beziehung ist Treue angesagt. Es geht<br />
aber nicht nur darum. Diese Frauen verhalten sich<br />
nicht wie Frauen.<br />
Und wie verhält sich eine Frau?<br />
Frauen sollen sich ihrer Rolle bewusst sein und<br />
sich nicht wie Männer benehmen. Sie müssen Männer<br />
respektieren und Mann sein lassen.<br />
Moderne Rollenverteilung ist also nicht dein<br />
Ding?<br />
Nö, gar nicht. Der Mann geht arbeiten, und die<br />
Frau bleibt zu Hause und kümmert sich um die Kinder.<br />
Du hast einen Track mit Kitty Kat, einer Rapperin,<br />
aufgenommen. Wann hast Du gemerkt,<br />
dass Frauen mehr draufhaben, als sich für Dich<br />
auszuziehen?<br />
Das habe ich gecheckt, als ich sie gehört habe.<br />
Kitty Kat macht gute Texte, und das ist wichtig. Sie<br />
hat eine geile Stimme. Was will man mehr?<br />
Du bist in einem der härtesten Viertel Berlins<br />
aufgewachsen, das haben wir auf der letzten<br />
CD schon gehört. Nun geht es aber auf «Ich» in<br />
demselben Ton weiter. Gefällst Du Dir in der Rolle<br />
des armen Opfers?<br />
Ich fühle mich schon wohl so. Und ich schäme<br />
mich halt nicht, dass ich von der Strasse komme.<br />
Im Gegenteil: Ich bin stolz darauf. Immerhin habe<br />
ich dort viel fürs Leben gelernt.<br />
Und das wäre?<br />
Loyalität. Im Viertel haben wir zusammengehalten,<br />
egal wie tief wir in der Scheisse sassen.<br />
Weil du irgendwann die Scheisse, in der du steckst<br />
gar nicht mehr riechst. Nun bin ich aufgestiegen,<br />
bin – sagen wir mal – so ein bisschen über dem Mittelstand<br />
und merke, dass in der Schicht alle total<br />
verklemmt sind. Die Mittelschicht ist eine Ellbogengesellschaft,<br />
sie kennt keine Loyalität<br />
Auf Deinem letzten Album «Die Maske» hast<br />
Du Dir viel Geld gewünscht, jetzt hast Du auf<br />
einen Schlag viel verdient, und nun heisst es<br />
«Geld bringt nur Probleme»?<br />
Ich hab zwar dort gesagt, dass ich Geld haben<br />
will. Aber ich habe nicht von so viel gesprochen.<br />
Zum Zeitpunkt, als ich die Platte gemacht habe,<br />
rechnete ich nicht damit, so erfolgreich zu sein.<br />
Ich hätte mir so 20‘000 Euro gewünscht, als St<strong>art</strong>kapital,<br />
und dann hätte ich in einem Jahr 100‘000<br />
mit Drogengeschäften gemacht.<br />
In dem Geschäft bist Du also auch heute<br />
noch ab und zu tätig. Wie vertickt man denn als<br />
Prominenter Drogen, ohne in den Knast zu wandern?<br />
Och, ich hab denselben Anwalt wie Stefan Raab.<br />
Der regelt das für mich. Was die Anzahl Klagen pro<br />
Tag angeht, liege ich aber im Moment noch hinter<br />
Stefan auf Platz zwei.<br />
Du hast mit dem Bündner Rapper Gimma zu-<br />
musik<br />
sammengearbeitet. Warum hältst Du trotzdem<br />
nicht viel von Schweizer Hip-Hop?<br />
Gimma macht schon gute Sachen, aber um ehrlich<br />
zu sein, hat da einfach das Geld gestimmt. Das<br />
Problem bei Euch Schweizern ist, dass Eure Rapper<br />
ihren eigenen Stil noch nicht gefunden haben.<br />
Dieses ewige Abkopieren von deutschen Hip-Hop-<br />
Acts nervt einfach. Das fi nd ich nicht gut.<br />
Dafür bist Du aber ein grosser DJ-Bobo-<br />
Fan?<br />
Aber klar, DJ Bobo war mal einer von uns! Im<br />
Ernst: Durch ihn bin ich zum Hip-Hop gekommen.<br />
Meine Mutter hat mich auf seine Musik aufmerksam<br />
gemacht und gemeint: Hör mal, der singt ja<br />
gar nicht, der macht so was anderes. Das wollte ich<br />
auch.<br />
Kannst Du Dir vorstellen, mit ihm zusammenzuarbeiten?<br />
Nein, gar nicht. Ich meine, diese Zeiten sind<br />
vorbei. Er ist jetzt der «Pirate of Dance», Mann,<br />
das ist was anderes.<br />
CD: Sido, «Ich» (Aggro Berlin); weitere Infos, Videos<br />
und Downloads unter www. sido.de<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 17
musik<br />
VOLKSMUSIK<br />
lieder voller schwermut<br />
und glückseligkeit<br />
Von Caroline Ritz - Kud Meya: Volkslieder aus dem Balkangebiet (Bild: zVg.)<br />
■ Der Frost nagt im Auftrag von Herrn Winter immer<br />
noch beharrlich an den verbliebenen Grashalmen.<br />
Und wer nach heimlichen Winterschläfern<br />
sucht, wird sich eingestehen müssen, dass sie ihr<br />
Ver sprechen an die Evolution halten und der Aussenwelt<br />
verborgen bleiben. Der Nebel bleibt Herrscher<br />
über Himmel und Erde. Verbleichte Geister<br />
schliessen sich verstohlen dem Irdischen an und<br />
näh ren sich vergnügt am menschlichen Seelenkummer<br />
und am trüben Weltschmerz. So hält der<br />
Januar Einzug, begleitet von einem Heer einstiger<br />
Erinnerungen, die das Altjahres-Reich nicht<br />
verlassen wollten – mit Ernüchterung und leise<br />
geschworenen Vorsätzen im Gepäck, Flüchen und<br />
Wünschen als Kompass. Wohl nichts und niemand<br />
kann uns diesen Müssiggang ohne jegliche Einbusse<br />
abnehmen. Natürlich kann man versuchen,<br />
sich mit betörendem Wein und leichtfüssigen<br />
Liebesgöttern ein wenig zu trösten. Wem dies zu<br />
gefährlich scheint, kann sich in die Arme von Kud<br />
Meya retten. Warm und wohlig werden sie die kalte<br />
Jahreszeit für einen Abend wegsingen, denn ihre<br />
Volkslieder tragen das Geheimnis der Glückseligkeit<br />
und Freude in sich.<br />
Kud Meya ist ein sechsköpfi ges Ensemble, das<br />
neben der Musik auch eine tiefe und innige Freundschaft<br />
verbindet. Ivan Nestic (Bass, Tambura),<br />
Tihana Zubek (Gesang) und Boris Klecic (Gitarre,<br />
Tambura) kennen sich schon seit frühen Kindertagen<br />
aus einer traditionellen Folklore-Gruppe in<br />
Zag reb. Später stiessen der Sänger Zvonko Kompes<br />
und der Tambura-Spieler M<strong>art</strong>in Kljaic zu den<br />
Dreien hinzu.<br />
Entstanden sind Kud Meya, was so viel heisst<br />
wie «grenzgängerische Kulturgesellschaft», im<br />
Jahr 1991 in Zagreb. Bald schon gehörten ihnen<br />
18<br />
die grossen Bühnen in Kroatien. Sie spielten vor<br />
einfl uss reichen Politikern und Geschäftsleuten,<br />
liessen Hochzeiten zu unvergesslichen und fröhlichen<br />
Tanz festen werden und begeisterten die<br />
Zuschauer des kroatischen Fernsehens. Prägend<br />
für die Band ist das Gesangsduo Tihana Zubek<br />
und Zvonko Kompes – ihre eindrücklichen und aussergewöhnlichen<br />
Stimmen lassen die Zuhörer Teil<br />
werden von emotionsgeladenen Momenten und<br />
vergnüglichen Augen blicken. Der 57-jährige Kompes<br />
sang schon vor verschiedenen jugoslawischen<br />
und kroatischen Präsidenten wie Tito und dem jetzigen<br />
Staatspräsidenten Stjepan Mesic. Tihana Zubek<br />
lebt seit 13 Jahren in Deutschland, komponiert<br />
und leitet dort mehrere folkloristische Gruppen.<br />
2001 trennten sich ihre die Wege. Ivan Nestic<br />
und Boris Klecic kamen für einen Studienaufenthalt<br />
in die Schweiz. Boris Klecic studiert an der<br />
Swiss Jazz School in Bern und Ivan Nestic unterrichtet<br />
als Lehrer am Konservatorium in Freiburg.<br />
Ivan kann sich noch gut an das letzte Konzert von<br />
Kud Meya in Kroatien erinnern: «Wir waren in den<br />
Bergen an einem Fest für wichtige Geschäftsleute.<br />
Es wurde so viel ge trunken und gespielt, dass wir<br />
uns in den frühen Morgenstunden nur noch weinend<br />
in den Armen lagen. Wie es sich in Kroatien<br />
gehört, feierten und tranken die Geschäftsmänner<br />
natürlich aus giebig mit. Die Talfahrt hinterher war<br />
ein wahres Erlebnis: Dem betrunkenen Zvonko<br />
war so speiübel, dass er auf die Gefahr hin, sich<br />
im Auto zu übergeben, eine Dreiviertelstunde lang<br />
den Kopf aus dem Auto halten musste. Er sah so<br />
lustig aus – und trotzdem war uns wegen der Bandaufl<br />
ösung zum Heulen zumute. Nun bin ich froh,<br />
dass sich unsere Wege wieder gekreuzt haben.»<br />
Sie trotzten dem Krieg, der Trauer und dem<br />
Schicksal vieler ihrer Landsleute mit ihren treuen<br />
Liedern. Die Verstreuung in die umliegenden Länder<br />
liessen die Wiedersehen und gemeinsamen<br />
Feste nur noch übermütiger und freudvoller ausfallen.<br />
2006 spielten Kud Meya in Kroatien eine CD<br />
mit neuem Repertoire ein. Auf dem Album ist auch<br />
ein weiteres neues Mitglied zu hören. Die Rede ist<br />
von Mario Batkovic – seit 2005 mit dabei, gefragter<br />
Akkordeonist, Komponist und Arrangeur in verschiedensten<br />
Formationen. Eine Veröffentlichung<br />
mitsamt nachfolgender Tournee in Westeuropa<br />
ist für 2007 angesetzt. Auftakt ist am 7. Januar<br />
bei bee-fl at, mit vorhergehendem Artists-in-Residence-Aufenthalt<br />
im PROGR.<br />
Es könnte gut sein, dass einige schnittige Besucher<br />
nach dem Konzert musiktrunken den Weg zur<br />
Bar aufsuchen werden. Wodka wird auf alle Fälle<br />
das Gemüt aller Kältescheuen und Neujahrsmuffel<br />
wärmen. Und viel leicht sollten auch die Kleinmütigen<br />
unter den Anwesenden an diesem Abend ihr<br />
Glück mit süffi gem Wein und Liebesgöttern versuchen.<br />
Die langen Winternächte lassen die Menschen<br />
jedenfalls näher zusammenrücken – diesmal<br />
ab 21:00 h in der Turnhalle.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
Bild: zVg.<br />
JAZZ<br />
jazz kennt viele sprachen<br />
Von Caroline Ritz - Suisse Diagonales Festival 7/11. Januar – 10. Februar 2007<br />
■ Ein Tessiner und ein Deutschschweizer arbeiten<br />
zusammen auf einer Baustelle. Bei der «Znüni-Pause»<br />
sagt der Tessiner «come stai», was so<br />
viel heisst wie «wie geht‘s».Der Deutschschweizer<br />
daraufhin: «Danke, mir geht‘s gut». Im selben Moment<br />
fällt dem Deutschschweizer ein Ziegel auf<br />
den Kopf. Nach einer halben Stunde wacht der<br />
Deutschschweizer aus seiner Bewusstlosigkeit<br />
auf und fragt den Tessiner stutzig: «Warum hast<br />
du mich denn nicht gewarnt?». Der Tessiner entgegnet<br />
perplex: «Hab ig ja sagen komme Stei».<br />
Klischee oder Wahrheit?<br />
Romands, die sich weigern, Deutsch zu sprechen.<br />
Deutschschweizern, denen die legere Arbeitsmoral<br />
der Romands kräftig auf den Magen<br />
schlägt. Und Tessiner, die ihren Deutschschweizer<br />
Kollegen den fallenden Ziegel nicht klar kommunizieren<br />
können. Sind das alles bloss Geschichten,<br />
die Leute von anderen Leuten gehört haben? Die<br />
diese wiederum in Büchern gelesen haben?<br />
Gut, das mit dem Kantönligeist hat schon was,<br />
und der Röstigraben ist leider kein Menüvorschlag<br />
im Restaurant «Le Mazot». Aber, war es nicht<br />
schon immer so: Woran Politiker und P<strong>art</strong>eien öfter<br />
scheitern, nämlich an gräbenübergreifender<br />
Zusammenarbeit und Kollegialität, dort versucht<br />
die Kultur Brücken zu schlagen. Suisse Diagonales<br />
Festival heisst die Antwort auf all die Sprachgrenzen<br />
der Schweiz. Zehn Musikformationen aus ver-<br />
schiedenen Teilen der Schweiz touren unabhängig<br />
voneinander quer durchs Land – um Mentalitäten<br />
näher rücken zu lassen, um neue musikalische<br />
Impulse mitzubringen und nicht zuletzt, um eine<br />
erhöhte überregionale Bekanntheit zu erlangen.<br />
Zwanzig Veranstaltungsorte werden zur stationären<br />
Durchfahrt für ambitionierte Musiker und<br />
Treffpunkt für ein jazzorientiertes Publikum. Hier<br />
einige Stationen: St. Gallen, Biel, Freiburg, Genf,<br />
Sitten, Basel, Aarau und Chur.<br />
Schon 2003 und 2005 entsandte der Verein<br />
Suisse Diagonales Festival seine Boten erfolgreich<br />
in verschiedenste Gebiete der Schweiz. Die<br />
Musiker sind jung und bringen viel künstlerisches<br />
Entwicklungspotential mit. Für die Eröffnungskonzerte<br />
in Basel, Zürich und Genf konnten die beiden<br />
international bekannten Musiker Daniel Humair<br />
und Harald Haerter gewonnen werden. Sie werden<br />
den St<strong>art</strong>schuss gebe für die Young Lions der<br />
Schweizer Jazz-Szene.<br />
Wem dies zu schnell war, kann hier nochmals alles<br />
in Ruhe nachlesen:<br />
www.diagonales.ch<br />
musik<br />
DIAGONALES BERN/BIEL<br />
Be-Jazz Winterfestival<br />
■ Das Diagonales Festival wird ebenfalls ein<br />
Intermezzo am diesjährigen BeJazz Festival<br />
einlegen. Einer der Höhepunkte wird sicherlich<br />
der Waadländer Yannick Delez sein. Besetzt ist<br />
sein Trio eher unkonventionell mit Yannick Delez<br />
(Piano), Philippe Ehinger (Bassklarinette) und<br />
Stefano Saccon (Saxofon). Delez spielt musikalische<br />
Landschaften und Stimmungen in einer<br />
enormen Intensität. Seine Musik lässt die Zeit<br />
rückwärts laufen, lässt sie bisweilen still stehen.<br />
Seine Melodien lassen Quellen versiegen, um sie<br />
noch einmal ungestüm entspringen zu lassen. So<br />
muss Musik klingen – Zuckerbrot und Peitsche<br />
zugleich. Ein klassischer Geist mit dem Spiel eines<br />
jungen Jarretts.<br />
Es wird der Abend der Trios sein. Wohl nicht<br />
mehr ganz so unbekannt in der Deutschschweiz<br />
wie Delez ist das Rusconi Trio. Zitat der Jury<br />
des Montreux Chysler Awards: «Ein sehr gutes<br />
Jazztrio, mit gutem Groove und viel Power, mit<br />
kompaktem Zusammenspiel und spannendem<br />
Interplay …». Dieser Aussage kann zugestimmt<br />
werden. Der aus Zürich stammende Stefan Rusconi<br />
(Piano) wird mit Fabian Gisler (Bass) und<br />
Claudio Strüby (Schlagzeug) am Festival auftreten.<br />
Ein charmantes Trio, das die Besucher mit<br />
hoher Musikalität und leisem Humor begeistern<br />
wird. Last but not least das Trio Q3 bestehend<br />
aus den drei Tessiner Brüder Nolan Quinn (Trompete,<br />
Rhoders), Simon Quinn (Bass) und Brian<br />
Quinn (Schlagzeug, Vibraphon). Etwas für zapplige<br />
und nervöse Beine. Hier kann mit dem Fuss<br />
mitgewippt werden, bloss wird man gelegentlich<br />
zu wenige Zehen haben um das Tempo mitzuhalten.<br />
Nu-Jazz – Drum’n’Bass mit elektronischen<br />
Klängen angereichert. Der richtige Act, um einen<br />
Tanzabend anzuhängen. (cr)<br />
19. Januar, UPtown auf dem Gurten<br />
Manuel Mengis im St. Gervais<br />
■ In 27 Minuten ist man in Biel und in ca. 7 Minuten<br />
in der warmen Stube des Restaurant St.<br />
Gervais. Kulinarium und musikalischer Höchstgenuss<br />
zugleich wird Manuel Mengis mit Gruppe<br />
6 sein. Der Walliser Trompeter hat sein Debutalbum<br />
auf dem renommierten Label HatHut veröffentlicht.<br />
Dieses setzt sonst vornehmlich auf<br />
bereits international etablierte Künstler wie zum<br />
Beispiel Ellery Eskelin, Jim Black, David Murray,<br />
Marc Copland, um nur einige zu nennen. Die Qualität<br />
seiner Kompositionen spricht für sich. Geballte<br />
Energie und kammermusikalische Poesie<br />
zugleich. Eine der bemerkenswertesten jungen<br />
Bands in der Schweiz. (cr)<br />
25. Januar, Restaurant – Bar St. Gervais, Biel<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 19
musik<br />
INSOMNIA<br />
DIE PFLICHTEN EINES DJ<br />
Von Eva Pfi rter<br />
■ An meiner ersten schlechten P<strong>art</strong>y hab ich beschlossen,<br />
DJ (sorry, ich fi nde «DJane» einfach ein<br />
bekloppter Name! Kommt Euch da auch Jane in<br />
den Sinn, die, an einer Liane hängend und bloss<br />
mit einem Blätterbikini bekleidet, von Ast zu Ast<br />
schwingt?) zu werden. Es gibt diese Typen, die<br />
– selbstverliebt und in sich versunken – über die<br />
Platten gebeugt im Takt wippen und ihre Musik so<br />
hammermegagenial fi nden, dass sie gar nicht mitbekommen,<br />
wenn die Menschenmenge zum Stillstand<br />
kommt und gelangweilt Richtung DJ-Pult<br />
blickt. Herrgott! DJ’s sind nicht dazu da, sich selber<br />
glücklich zu machen, sondern dem Glück suchenden<br />
Publikum zu geben, was es wünscht: gute<br />
Musik, die sich langsam vom locker-fl ockigen Intro<br />
bis zum Höhepunkt kontinuierlich und geplant<br />
steigert; zu einem Höhepunkt, der uns Tanzenden<br />
im Idealfall den Schweiss aus den Poren treibt, uns<br />
beinah ausfl ippen und innerlich vor den Göttern<br />
des Beats auf die Knie fallen lässt. Wunderbar!<br />
Kürzlich war ich an einer solch perfekten P<strong>art</strong>y<br />
in der Basler Kaserne. Der DJ war wirklich Herr seiner<br />
Platten und hatte ein Konzept im Kopf! Und wir,<br />
das tanzhungrige Volk, wurden von ihm gesteuert<br />
wie Puppen von einem Puppentheaterspieler. Der<br />
Schlussakt war einfach perfekt: Das Licht ging aus<br />
und der DJ rief in die totale Dunkelheit hinein «one<br />
more last!», bevor er den ersten Ton erklingen<br />
liess. Der Song begann langsam und klang nach<br />
Reggae, so zum Mitwippen, bis plötzlich der Bass<br />
einsetzte und der VJ dazu Flimmerlicht durch den<br />
alten Rosstall schickte. Es war der vollkommene<br />
P<strong>art</strong>yschluss: ekstatischer Sound, entrückendes<br />
Flimmern und eine tobende Menge, deren Hunger<br />
nach seiner Musik noch immer ungestillt war.<br />
Aber, ach: Wie selten sind doch diese P<strong>art</strong>ies,<br />
die sich anfühlen wie ein vollmundiger Rotwein,<br />
eine abgerundete salsa di pomodoro, ein in sich<br />
stimmiger Popsong, der «perfekt isch bis am<br />
Schluss», um es mit Kuno zu sagen. Selbst die<br />
Turnhalle, seit zwei Jahren Mekka für Tanznacht-<br />
Hungrige, hat es kurz vor Weihnachten nicht geschafft,<br />
eine gute P<strong>art</strong>y zu bieten. Kaum fi ng das<br />
Publikum an zu toben, haben die DJ’s – nota bene:<br />
es waren ganze vier davon – das Tempo gedrosselt<br />
und das P<strong>art</strong>yvolk mit gähnend-langsamen<br />
R&B-Rhythmen genervt. Es war eine ziemlich<br />
traurige Angelegenheit. Deshalb hier mein Aufruf<br />
fürs neue Jahr 2007: DJ’s, Ihr habt einen Job, eine<br />
Verpfl ichtung! Gebt uns Freude! Gebt uns schnelle<br />
Rhythmen! Gebt uns Nächte, die fernab von Alltag,<br />
Pfl ichten und Gemässigtem stattfi nden! Gebt uns<br />
musikalische Höhepunkte und perfekte Schlussakte!<br />
Denn: «Die letschti Zile hesch du no z‘guet.»<br />
Wenn Ihr das nicht hinkriegt, seid Ihr keine DJ’s!<br />
20<br />
Grizzly Bear «Yellow House» (Warp / MV)<br />
■ Das Feld des psychedelischen Folk erlebt nicht<br />
zuletzt dank der Reaktivierung von Vashti Bunyan<br />
sowie jüngeren Bands wie dem fabelhaften Animal<br />
Collective eine z<strong>art</strong>e Renaissance. Die New Yorker<br />
Grizzly Bear, nunmehr eine feste Band, schreiben<br />
die Geschichte fort und kreieren auf ihrem ersten<br />
Warp-Album eine verschüttete und schwer zugängliche<br />
Welt. Mit einer Vielzahl an Instrumenten,<br />
darunter die charakteristische Autoharp, verschanzte<br />
sich das Qu<strong>art</strong>ett in einem Haus in der<br />
Nähe von Boston, wo sie während einem Monat<br />
ihr traumwandlerisches Material zu weitläufi gen<br />
Liedern von anmutiger Schönheit schichteten<br />
und verdichteten. Präparierte Klaviere weisen ins<br />
dunkel spukende Hinterzimmer des verfallenen,<br />
im Artwork abgebildeten Landhaus; die mehrstimmigen<br />
Gesänge wirken zurückgenommen und<br />
werden zuweilen von den üppigen, detailreichen<br />
Klangteppichen konkurrenziert, nie aber ertränkt.<br />
Wenn schliesslich milde Sonnenstrahlen die geheimnisvollen<br />
Soundlandschaften durchdringen,<br />
entstehen so spielfreudige, geradezu eingängige<br />
Songs wie das glänzende «On A Neck, On A Spit»,<br />
das diesem stetig wachsenden Album die Krone<br />
aufsetzt. (bs)<br />
Welcome «Sirs» (FatCat / Namskeio)<br />
■ Welcome aus Seattle spielen maximalen R&B,<br />
verquickt mit süssen Bubblegum-Melodien und<br />
zwei Prisen Psychedelik. Spielfreude, die Lust an<br />
dissonanten Tönen und Spass an selbstgebastelten<br />
Effektpedalen prägen den fl üchtigen 60ies Entwurf<br />
des Qu<strong>art</strong>etts. Songideen werden angespielt<br />
und stürzen bald darauf in Feedbackkaskaden ein,<br />
die leicht unterkühlte Stimme der Bassistin Jo<br />
Claxton kontrastiert den lässigen Optimismus des<br />
singenden Gitarristen Pete Brand und kanalisiert<br />
den zelebrierten Übermut in zwielichtige Stimmungen.<br />
Diese dunklere Seite wird in der zweiten<br />
Hälfte des kurzen und kurzweiligen Debüts stärker<br />
betont und führt zu zweipoligen Songs wie dem<br />
spukig endenden Titellied, das das sinistre mit<br />
dem unbändigen, knallbunten Element der Band<br />
verbindet.<br />
Mit dieser erfrischenden und direkten Veröffentlichung<br />
steckt das englische Aussenseiter- und<br />
Experimentalpop Label FatCat nach den Lagerfeuern<br />
der vielgestaltigen aktuellen Folkgeneration<br />
ein weiteres Gebiet ab. Ein Schelm, wer dem Label<br />
ein kalkuliertes Aufspringen auf den wie auch immer<br />
ge<strong>art</strong>eten Retrozug vorhalten würde. (bs)<br />
Yo La Tengo – I am not afraid of you and I will<br />
beat your ass (Matador Records)<br />
■ Der Name «Yo La Tengo» fi el mir zum ersten Mal<br />
richtig auf, als nach dem ersten Stück ihrer neuen<br />
CD, einer 10-Minuten-Orgie, Stille eintrat. Ich fi el<br />
aus dem 11. Stockwerk in die Tiefe. «Yo La Tengo»<br />
ist ein Dreiergespann, welches mit dieser CD (mit<br />
diesem unmöglich langen Titel…) sein 20-jähriges<br />
Bestehen feiert: Applaus für das Ehepaar Ira Kaplan<br />
und Georgia Hubley und den langjährige Bassisten<br />
James MacNew. Wenn es eine «Beste Platte für den<br />
Anti-Weihnachtsmarkt» gäbe, so wäre dies mein<br />
Favorit. Innig und mit einer provokativen Lust an<br />
der Musikgeschichte und exzessivem Lärm – aber<br />
durchaus stilsicher und salonfähig – servieren uns<br />
diese Goldengel 15 Songs. Bei jedem zweiten Stück<br />
kontrolliert man, ob noch die gleiche CD im Spieler<br />
dreht – mit Überraschungen muss man aber bei jedem<br />
Stück rechnen und damit haben sie eines der<br />
besten Alben von 2006 produziert. «Yo La Tengo»<br />
gibt Kraft und einen unsäglich guten Groove ins<br />
neue Jahr. Unbedingt festhalten und reinhören! (vl)<br />
Joan as Police Woman – Real Life<br />
(Pias / Musikvertrieb)<br />
■ Es gilt als ihr Singer/Songwriter-Debütalbum<br />
und es klingt so reif, als hätte Joan Wasser das<br />
10- jährige Jubiläum hinter sich. Aber die eigentlich<br />
klassisch ausgebildete Violistin schreibt unsäglich<br />
schöne Hymnen und singt diese gleich selber<br />
noch besser. Als Violistin haben wir sie auch<br />
schon gehört (sie arbeitete mit Rufus Wainwright<br />
und Antony & The Johnson, Lou Reed…). Antony<br />
steuert bei «I Defy» auch gleich seine unverkennbare<br />
Stimme bei – doch er hat keine Chance gegen<br />
Joan. Bodenständig verspielt und leicht, aber vor<br />
allem präsent und glaubhaft, singt oder haucht<br />
Joan uns in die Abendsonne. Der auffallendste<br />
Hit der CD ist «Christobel», eingängiger und tief<br />
kann kaum ein Song sein. Aber es sind alles kleine<br />
Kunstoden zwischen Indi- und Mainstreampop. Dass<br />
die Frau Musik nicht nur als Hobby betreibt, wird sofort<br />
klar. Und wer Musik sucht, die auch nach einer<br />
Produktionswoche in stickigen Redaktionsräumen<br />
nicht langweilig ist, wird sich im Sessel räckeln… (vl)<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
ALTERNATIVE POPMUSIK<br />
wer hat angst vor<br />
«pet sounds»?<br />
Von Benedikt S<strong>art</strong>orius (Bild: zVg.)<br />
■ Die Geschichten in den Popannalen ähneln sich:<br />
«Pet Sounds» von den Beach Boys sei das erste<br />
Konzeptalbum und habe erst die Voraussetzungen<br />
für das Beatles Werk «Sgt. Pepper’s Lonely He<strong>art</strong>s<br />
Club Band» geschaffen, «Pet Sounds» sei das Album,<br />
das erstmals symphonische Grösse in die<br />
Popwelt eingeschleust habe, kurz: «Pet Sounds»<br />
sei ein unerhörtes Pionier-Album und nach wie vor<br />
unerreicht.<br />
Es sind genau diese mythengeschwängerten<br />
Lobreden, die ein Album erst zum Klassiker machen.<br />
Dass die Ernennung zum unverrückbaren<br />
Monolithen auch funktioniert, braucht es zudem<br />
eine schwierige Geburtsgeschichte und herrschendes<br />
Unverständnis in der damaligen Gesellschaft<br />
gegenüber visionärer Musik und deren Köpfe dahinter.<br />
Perfektionist Das 1966 erschienene «Pet<br />
Sounds» erfüllt all dies: Die Platte verkaufte sich<br />
speziell in den USA schlecht, da sie mit dem sonnengebräunten<br />
Image der einstigen Hitlieferanten<br />
brach. Die Plattenfi rma Capitol verkannte das<br />
sündhaft teuer produzierte Werk, konkurrenzierte<br />
die tierischen Laute in einer Friendly-Fire-Aktion<br />
mit einer hastig zusammengestellten «Greatest<br />
Hits»-Kompilation und sabotierte der<strong>art</strong> das Werk<br />
des damals gerade erst 23-jährigen Brian Wilson,<br />
der, während seine Brüder und Cousins auf Tournee<br />
waren, perfektionistisch an Arrangements feilte<br />
und in Kalifornien w<strong>art</strong>ete, bis die Gesänge eingespielt<br />
werden konnten. Der Weg führte für Brian<br />
Wilson in den LSD geschwängerten Grössenwahn<br />
der legendenumrankten «Smile»-Sessions und in<br />
die Depression – der Genie- und Wahnsinn-Topos<br />
fi ndet bei Wilson seinen Stereotyp.<br />
Was bei all den Anekdoten über eines der vermeintlich<br />
«besten» und «wichtigsten» Alben aller<br />
Zeiten vergessen geht, ist die Musik. Und «Pet<br />
Sounds», das unlängst zum 40. Jubiläum des Albums<br />
mitsamt kurligen Werbefi lmchen neu aufgelegt<br />
wurde, beinhaltet schlicht mehr als die Summe<br />
der einzelnen Lieder, wie unoriginell dies nun auch<br />
klingen mag. Angefangen beim perlenden Intro von<br />
«Wouldn’t It Be Nice» über die Fahrradklingel als<br />
Perkussions-Instrument, von der eskapistischen<br />
Hawaii-Gitarre im Instrumental «Let’s Go Away For<br />
A While» bis hin zum traurigen Schlusspunkt «Caroline<br />
No», das mit Hundegebell und einem pfeifenden<br />
Zug endet, brilliert und berührt die Suche<br />
nach der verlorenen Jugend mit dreidimensional<br />
anmutenden Arrangements, melodieseligen Chören<br />
und dem seltsamen Widerspruch zwischen melancholischen<br />
Texten und sonnigen Harmonien.<br />
Universelle Gültigkeit Wie unterschiedlich die<br />
so facettenreichen «Pet Sounds»-Lieder von Brian<br />
Wilson und seinem Texter Tony Asher interpretiert<br />
werden können, zeigt nun die eben erschienene<br />
CD «Do It Again: A Tribute To Pet Sounds»<br />
(Houston P<strong>art</strong>y Records / RecRec) auf. Dreizehn<br />
Projekte, zum grossen Teil noch zu entdecken,<br />
versuchen sich an den dreizehn Nummern: Einiges<br />
geht schief, insbesondere der Einsatz eines<br />
nervenden Vocoders in Vic Chesnutts Version von<br />
«You Still Believe In Me», andere wie die Grosskapelle<br />
Architecture in Helsinki zeigen mit ihrer blossen<br />
Anwesenheit auf, wem sie ihren wundertütenhaften<br />
Popentwurf zu verdanken haben. Trostlos<br />
mutet die verlorene Interpretation von «God Only<br />
Knows» des manisch-depressiven Daniel Johnston<br />
an, der von David Bowie auch schon als «Brian<br />
Wilson der 80er Jahre» bezeichnet wurde. Gott ist<br />
nirgends und weiss nichts mehr, wir sind alle allein:<br />
«God Only Knows» ist in Johnstons Version<br />
die Umdeutung des wunderbaren Originals in eine<br />
emotionale, beklemmende Wüste.<br />
Die Interpretation, die alle Lieder überstrahlt,<br />
fi ndet sich jedoch zu Beginn: Eine fahrig gespielte<br />
akustische Gitarre übernimmt das Intro und mündet<br />
in eine berührende Deutung von «Wouldn’t It<br />
Be Nice» ein. Die drei Oldham Brothers, unter ihnen<br />
Will alias Bonnie Prince Billy, specken das Arrangement<br />
konsequent ab und reduzieren das Lied<br />
auf seine melancholische Grundierung. «Wouldn’t<br />
It Be Nice»: Die Oldham Brothers legen ohne nostalgische<br />
Verklärung in dreieinhalb Minuten offen,<br />
wie aktuell, ja universell gültig «Pet Sounds» nach<br />
wie vor ist.<br />
ECM listening post<br />
Von Lukas Vogelsang<br />
musik<br />
■ Die tschechische Sängerin, Schauspielerin<br />
und Geigerin Iva Bittová ist uns ein Begriff.<br />
Ihre Stimme trägt unverkennbar eine eigene<br />
Handschrift, oft für meinen Begriff etwas zu pathetisch<br />
und inszeniert. Doch auf «Mater» von<br />
Vladimír Godár ist sie eines der bezaubertsten<br />
Erlebnisse der letzten Monate. Der Komponist<br />
hat eine wunderbare Energie zwischen der Sängerin,<br />
dem Chor und den Musikern hergestellt.<br />
Überhaupt besitzt diese CD eine mystische und<br />
bizzare Schönheit, die nachdenklich stimmt. Vladimír<br />
Godár ist Komponist, den man im westlichen<br />
Europa noch kaum wahrnimmt – und dies<br />
ist sicher auch sprachbedingt.<br />
Auf «Mater» wird uns sein musikalisches<br />
Spektrum berührend bewusst und den Namen<br />
«Godár» werden wir in Stein meisseln. Modern<br />
und spannungsgeladen, nachvollziehbar erfrischend,<br />
traurig sinnend, überraschend präsent<br />
und atmend. Mitunter auch ein Grund, warum<br />
das gesamte «Mater-Orchester» zum «Enjoy<br />
Jazz 2006», dem 8. Internationalen Festival für<br />
Jazz und Anderes in Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen<br />
eingeladen wurde (1. Oktober - 11. November<br />
2006).<br />
Das Musiklabel ECM hat bei diesen Aufnahmen<br />
nur eine bestehende Produktion übernommen.<br />
Das ist in den meisten Fällen ein Zeichen,<br />
dass ECM in Zukunft selber produzieren wird.<br />
Dem Klangstil zufolge würde Vladimír Godár<br />
perfekt in die Linie passen und es ist zu hoffen,<br />
dass diese Entdeckung bei ECM eine feste Bleibe<br />
fi ndet. Aus diesen Aufnahmen, so authentisch<br />
und natürlich sie auch klingen, könnte Manfred<br />
Eicher noch einiges herausholen. Doch auch so<br />
ist dieses «Mater» ein Juwel und die anmutigste<br />
Produktion für diesen Winter.<br />
ECM New Series<br />
Vladimír Godár – Mater<br />
ECM 1985<br />
www.ensuite.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 21
cinéma<br />
ROADMOVIE PRÄSENTIERT<br />
FILMSTIMMUNGEN IM<br />
SCHWEIZERLAND<br />
■ Der Schweizer Film ist gut. Und er ist erfolgreich.<br />
Das hat man überall lesen können. In Solothurn<br />
wird es denn auch nicht an guten, erfolgreichen<br />
Schweizer Filmen fehlen. Das Problem<br />
liegt für einmal eher bei der Qual der Wahl. Doch<br />
was eigentlich denkt die Schweizer Bevölkerung<br />
über den Schweizer Film? Was denken die Leute<br />
auf dem Land? Roadmovie fährt jedes Jahr mit<br />
Original-Kinotechnik über die Schweizer Landstrassen.<br />
In Jussy in Genf oder in Rüti in Glarus,<br />
in Torricella im Tessin oder in Sax im St. Galler<br />
Rheintal – Roadmovie macht Kino dort, wo keine<br />
Kinosäle sind: Aktuelles Schweizer Filmschaffen<br />
soll in der ganzen Schweiz bekannt werden, das<br />
ist das Ziel von Roadmovie. Auf den dreissig Stationen<br />
der letztjährigen Tournee hat das mobile<br />
Kino Stimmen und Stimmungen zum Schweizer<br />
Film eingefangen. Zum fünfjährigen Jubiläum<br />
des Kinoprojekts werden diese in Solothurn präsentiert.<br />
Für die Solothurner Filmtage bringt Roadmovie<br />
die ganze Schweiz in die Filmstadt: Erinnerungsstücke<br />
von der Tournee und Leihgaben<br />
aus den besuchten Ortschaften verwandeln die<br />
Freitagsgalerie an der Kreuzgasse in ein kleines<br />
Stück Schweizerland, Tourneewein und Spezialitäten<br />
aus der ganzen Schweiz vermitteln ländliche<br />
Geselligkeit. Braucht es den Schweizer Film?<br />
Und welche Filme sind noch nicht gedreht? Die<br />
Stimmen zum Schweizer Film überraschen: jung<br />
und alt, deutsch, französisch, italienisch und<br />
rumantsch – so vielfältig wie die Sprachen und<br />
Dialekte, so unterschiedlich wie die Gesichter<br />
und Charaktere sind auch die Meinungen zum<br />
Schweizer Film.<br />
Freitagsgalerie, Kreuzgasse 5, 4500 Solothurn<br />
Di, 23. Januar bis So, 28. Januar, jeweils ab 16:00<br />
h bis in die späten Nachtstunden.<br />
www.roadmovie.ch<br />
Über das mobile Kino Roadmovie wurde im<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 46 vom Oktober<br />
2006 ausführlich berichtet.<br />
Sie wissen<br />
nicht wohin?<br />
abo@ensuite.ch<br />
22<br />
grosses gewinnen<br />
ensuite - kulturmagazin verlost 5 Fotobände zum Film «Babel»<br />
■ Das Buch wiegt 2.5 Kilo und bringt auf ganzen<br />
304 Seiten Hintergründiges und vor allem Bildliches<br />
zum Film «Babel» von Alejandro González<br />
Iñárritu - definitiv keine WC-Lecktüre. So sehen wir<br />
viele Schauplätze mehr als im Film und entdecken<br />
Geheimnisse und Persönlichkeiten, welche die Dimension<br />
des Filmes um Geschichten erweitert. Die<br />
Fotografen: Mary Ellen Mark, Patrick Bard, Graciela<br />
Iturbide und Miguel Rio Branco. Der Taschen-Verlag<br />
hat dieses Schwergewicht produziert und da<br />
der Regisseur Kulturstatus hat, der Buchverlag<br />
ebenfalls Kult ist, sind wir stolz, gleich 5 Exemplare<br />
davon verschenken zu können! Mehr zum Film<br />
lesen Sie auf der gegenüberliegenden Seite.<br />
Infos:<br />
www.taschen.com<br />
www.babel-derfilm.de<br />
Die ersten zwei Ziehungen erhalten zusätzlich<br />
den Soundtrack zum Film mit dem Buch zusammen!<br />
Wir werden unter all den eingesendeten<br />
Rückantworten die GewinnerInnen ziehen. Der<br />
Rechtsweg ist ausgeschlossen! Die GewinnerInnen<br />
werden schriftlich per Post benachrichtigt.<br />
Mitmachen und gewinnen: Senden Sie uns<br />
eine Postk<strong>art</strong>e mit dem Stichwort «BABEL» und<br />
ihrer vollständigen Absenderadresse bis zum 25.<br />
Januar 2007 an:<br />
ensuite - kulturmagazin<br />
Leserdienst - BABEL<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
song &<br />
dance men<br />
■ Der Musikfi lmzyklus «Song & Dance Men» präsentiert<br />
sechs Filme, die die Vielfalt einer zersplitterten,<br />
undefi nierbaren Popkultur aufzeigen. Die<br />
Filmauswahl versucht, verschiedene Anknüpfungspunkte<br />
innerhalb der popmusikalischen Genres<br />
und über diese Grenzen hinweg aufzuzeigen. Namhafte<br />
Musikjournalisten führen die in der Schweiz<br />
kaum je gezeigten Filme ein.<br />
Gezeigt werden unter anderem «The Devil and<br />
Daniel Johnston», «The Fearless Freaks» (The Flaming<br />
Lips) und «24 Hour P<strong>art</strong>y People».<br />
Bob Dylan zählt auch nach vierzig Jahren Karriere<br />
zu den wichtigsten Figuren der Popkultur.<br />
Der von M<strong>art</strong>in Scorsese gross<strong>art</strong>ig montierte Film<br />
«No Direction Home» zeichnet die Karriereanfänge<br />
Dylans nach und stellt ein packendes Zeitdokument<br />
über die 60er Jahre dar.<br />
31. Januar 2007<br />
No Direction Home – Bob Dylan<br />
Regie: M<strong>art</strong>in Scorsese<br />
2005; DVD, OV mit D Untertiteln<br />
Cinématte, 19:30 h<br />
Mit einer Einführung von Jean-M<strong>art</strong>in Büttner<br />
(Tages Anzeiger)<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
FILM<br />
babel<br />
Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />
■ Nach dem Erfolg von «Amores Perros» und<br />
dem Psychodrama «21 Gramm» hat der mexikanische<br />
Regisseur Alejandro González Iñárritu mit<br />
«Babel» nun eine Trilogie vollendet, das sich zu einem<br />
«fi lmischen Gesamtkunstwerk über Zufall und<br />
Schicksal, Ursache und Wirkung, Schuld und Sühne»<br />
verbindet. Während es bei den ersten beiden<br />
Filmen um die Verfl echtung verschiedener Milieus<br />
und der Verstrickung des Schicksals dreier Personen<br />
ging, zeigt «Babel» anhand einer einzelnen,<br />
eher beiläufi gen Handlung, welche weitreichenden<br />
Konsequenzen unser Tun haben kann.<br />
Geradezu sinnbildlich für das globale Dorf sind<br />
die Schicksale einzelner Personen auf drei Kontinenten,<br />
aus drei unterschiedlichsten Kulturen und<br />
Motivationen in «Babel» miteinander verwoben.<br />
Ein japanischer Geschäftsmann aus Tokio schenkt<br />
einem marokkanischen Jagdführer sein Gewehr.<br />
Zwei marrokanische Jungen schiessen damit in<br />
der Wüste aus Gedankenlosigkeit auf einen Touristenbus.<br />
Dabei wird eine Amerikanerin schwer<br />
verletzt. Weit weg von jeder medizinischen Versorgung<br />
versucht ihr Ehemann verzweifelt ihr Leben<br />
zu retten. Während die internationalen Medien das<br />
Ereignis zu einem terroristischen Überfall aufbauschen,<br />
sitzt Amelia, das Kindermädchen des Paares<br />
zuhause in San Diego in der Patsche, weil sie<br />
keinen Ersatzbabysitter für die Kleinen fi ndet. Kurzerhand<br />
und unerlaubt nimmt sie diese deshalb<br />
mit nach Mexiko zur Hochzeit ihres Sohnes. Doch<br />
die Rückfahrt spät nachts wird zum Horrortrip, weil<br />
ihr betrunkener Neffe nicht nur die US-amerikanische<br />
Grenze durchbricht, sondern alle drei auch<br />
noch mitten in der Wüste aussetzt. Gleichzeitig<br />
fordert die taubstumme Tochter des japanischen<br />
Geschäftsmannes, dass man sie um ihrer selbst<br />
willen beachtet und liebt, da ihr aber die Sprache<br />
und die Worte dazu fehlen, benutzt sie statt dessen<br />
ihren Körper.<br />
Der Filmtitel «Babel» erinnert nicht von ungefähr<br />
an jene biblische Geschichte, bei der Gott<br />
allen Menschen verschiedene Sprachen gab und<br />
sie mit dem entstandenen Kommunikationschaos<br />
strafen wollte. Denn genau um das Unvermögen<br />
der Menschen sinnlose Missverständnisse zu vermeiden,<br />
geht es dem Regisseur. So sind Eifersucht<br />
und brüderliche Hahnenkämpfe, die Unfähigkeit,<br />
den Tod der Mutter, der Ehefrau oder des Kindes<br />
gemeinsam zu verarbeiten, physische und seelische<br />
Sprachlosigkeit zwischen einem Ehepaar oder<br />
zwischen Eltern und Kindern, Gedankenlosigkeit in<br />
der Wortwahl, falsches Verhalten in einer Stresssituation,<br />
Eigennutz des Individuums und Rücksichtslosigkeit<br />
der Behörden alles nur Teilaspekte<br />
jener Probleme, die in unserer kommunikationssüchtigen<br />
Welt bestehen und deshalb die Grundlage<br />
von «Babel» bilden. Jeder kämpft in seinem<br />
eigenen kleinen Kosmos gegen die Einsamkeit, die<br />
Isolation nicht nur in der Gesellschaft, der Wüste,<br />
oder der Grossstadt, sondern auch innerhalb der<br />
eigenen Familie.<br />
Wer den Film mit konventionellen Erw<strong>art</strong>ungen<br />
oder dem Wunsch nach Kurzweiligkeit betrachtet,<br />
wird wohl unweigerlich enttäuscht werden. Vielmehr<br />
ist «Babel» ein Film mit höchster stilistischer<br />
und handwerklicher Qualität. Jedes Detail – von<br />
der Wahl der Instrumente der Filmmusik bis zum<br />
Farbspektrum der Bilder – dient der visuellen Unterscheidung<br />
und der gleichzeitigen Überbrückung<br />
der kulturellen und geografi schen Gegensätze. Der<br />
Film ist auch kein Starvehikel, denn neben den internationalen<br />
Stars wie Cate Blanchett, Brad Pitt,<br />
cinéma<br />
Mexikos Gael García Bernal und Japans Kôji Yakusho,<br />
spielen in «Babel» vor allem lokale Laiendarsteller,<br />
was dem Film eine grosse Natürlichkeit verleiht.<br />
Und nicht zuletzt spricht der Regisseur jene<br />
Sprache des Symbolismus, die im mexikanischen<br />
Kino meisterlich eingesetzt wird, und so gar nichts<br />
mit den mitteleuropäischen Sehgewohnheiten zu<br />
tun hat.<br />
So wird zum Beispiel die Chronologie der Geschichten<br />
durchaus eingehalten, aber auch immer<br />
wieder in den unmöglichsten Momenten durchbrochen.<br />
Dem Verlangen des Zuschauers nach Kontinuität<br />
ist zwar stattgegeben, doch der Wunsch<br />
nach Verweilen in einem emotionalen Moment wird<br />
mutig ignoriert. Und so wie sich beim Publikum die<br />
Hilfl osigkeit des Vorherahnens staut, brechen am<br />
Ende auch bei den Charakteren die Gefühle hervor,<br />
ergiessen sich in kleinen Gesten oder tränenreichen<br />
Momenten grandioser schauspielerischer<br />
Präsenz. Wie im wahren Leben realisieren auch die<br />
Protagonisten zum Teil erst im Angesicht von Tragödien<br />
oder dem möglichen Verlust des Vertrauten,<br />
was ihnen wirklich wichtig ist. Diese erlösenden<br />
Momente, die in «Babel» zelebriert werden,<br />
machen den Film zu jenem speziellen Erlebnis, das<br />
bereits seit Monaten angekündigt wurde. Und es<br />
ist ein faszinierendes Talent des Regisseurs Iñárritu,<br />
dass er dies mit Bildern zustande bringt, wie sie<br />
sonst nur in der Realität zu fi nden sind.<br />
Der Film dauert 144 Minuten und kommt am 11.<br />
Januar in die Kinos.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 23
cinéma<br />
FILM<br />
das leben als eine<br />
einzige lange inszenierung<br />
Von Sarah Stähli (Bild: zVg.)<br />
■ «Robert Wilson ist nie zufrieden. Nicht mit sich<br />
selbst, nicht mit seiner Arbeit, er ist mit nichts zufrieden.<br />
Er will immer noch mehr und mehr für immer<br />
und ewig.» So beschreibt eine Schauspielerin<br />
Wilson und bringt damit den Charakter des amerikanischen<br />
Theaterregisseurs auf den Punkt. Er<br />
ist ein pedantischer Perfektionist, ein Workaholic,<br />
ein autistisches Kind und ein sensibler Menschenfreund<br />
mit einer grossen künstlerischen Vision.<br />
Der Dokumentarfi lm «Absolute Wilson» von<br />
Katharina Otto-Bernstein porträtiert den 1941<br />
geborenen Künstler auf seinem Werdegang vom<br />
schwulen Aussenseiter im erzkonservativen Texas<br />
zum Vorzeige-Avantgarderegisseur der New<br />
Yorker Kunstszene. In Archivaufnahmen und Interviews<br />
zeichnet Bernstein in ihrem leider ziemlich<br />
konventionell inszenierten Film die wichtigsten<br />
Stationen von Wilsons Schaffen nach. Nebenbei<br />
erhält der Zuschauer einen kurzen Abriss amerikanischer<br />
Zeitgeschichte und bekommt den unterschiedlichen<br />
Stellenwert unabhängiger Kunst in<br />
Europa und den USA mit.<br />
Guru und Tyrann Wilson ist meistens zugleich<br />
Autor, Bühnenbildner und Regisseur seiner Inszenierungen,<br />
die von formaler Strenge und Minimalismus<br />
geprägt sind. Er lotet mit seinen Inszenierungen<br />
oft Grenzen aus; eine Performance, die<br />
er im Iran durchführte, dauerte sieben Tage ohne<br />
Pause. Im Film wird er von beteiligten Schauspielern<br />
als Choreograf bezeichnet. Ein Choreograf,<br />
der auch tyrannische Züge annehmen kann, wie in<br />
den Probeaufnahmen sichtbar wird. In einer Szene<br />
bewegt er die Arme der Schauspielerin Isabelle<br />
Huppert, als seien es die einer leblosen Holzpuppe.<br />
Manche der Interviewten vergöttern ihn wie<br />
einen Guru – von einigen langjährigen Ensemble-<br />
24<br />
mitgliedern trennte er sich aus diesem Grund auch<br />
– andere beklagen sich über die unmenschlichen<br />
Anforderungen an sein Team.<br />
Seinen Durchbruch erfuhr Wilson mit seiner<br />
von Philipp Glass komponierten Oper «Einstein on<br />
the Beach», mit Glass folgten weitere wichtige Inszenierungen,<br />
ebenso mit Lou Reed und Tom Waits.<br />
«The Black Rider» mit der Musik von Waits und einem<br />
Libretto des Beatpoeten William S. Burroughs<br />
ist wahrscheinlich seine erfolgreichste Arbeit.<br />
Anders<strong>art</strong>ig Das Interessanteste an Wilson ist<br />
seine Vorliebe für das »Anders<strong>art</strong>ige». Selber ein<br />
schwer stotterndes Kind, besitzt er eine grosse<br />
Faszination und ein tiefes Verständnis für Kinder<br />
und Jugendliche mit psychischen Störungen und<br />
arbeitet in seinen Theaterinszenierungen immer<br />
wieder erfolgreich mit hyperaktiven und konzentrationsgestörten<br />
Kindern zusammen. Die schönste<br />
Zusammenarbeit entsteht mit dem tauben und gehirngeschädigten<br />
Christopher Knowles. Knowles<br />
schreibt dadaistische Texte, dargestellt in geometrischen<br />
Zeichnungen. Wilson fi ndet in ihm einen<br />
Seelenverwandten. Er fühle sich niemandem so<br />
nahe wie Christopher Knowles, meint er und weist<br />
die Einwände, er missbrauche den behinderten<br />
Jungen für seine Arbeit, vehement von sich. Zu<br />
Recht, denn die beiden inspirieren sich gegenseitig<br />
und das höchst poetische Resultat liegt fern jeglicher<br />
Beschäftigungstherapie.<br />
Das Falsche tun Trotz seinen teils schwer<br />
zugänglichen Konzepten und künstlerisch vertrackten<br />
Ausführungen zeigt Wilson im Gespräch<br />
keinerlei Allüren. Er spricht verständlich und bescheiden<br />
von seinem Werk und wird von kleinen<br />
Anekdoten mehrmals zu Tränen gerührt. Ständig<br />
auf der Suche nach Neuem, beschreibt er seinen<br />
unermüdlichen Arbeitsdrang im Interview treffend:<br />
«Jede neue Arbeit ist eine Freik<strong>art</strong>e für die nächste»<br />
und sieht die Aufgabe eines Künstlers darin,<br />
«Fragen zu stellen und nicht Antworten zu geben.»<br />
In allem sieht er Inspiration für seine Arbeit. Als er<br />
als Jugendlicher nach einem Selbstmordversuch<br />
einige Zeit in einer psychiatrischen Klinik verbringen<br />
muss, spricht er lediglich von der Ästhetik des<br />
Ortes, die ihn so beeindruckt habe, dass er sie später<br />
in seine Inszenierungen eingebaut hat.<br />
«Manchmal sagst du zu dir selber, was sollte<br />
ich als nächstes tun? Du versuchst, das Richtige<br />
zu tun, aber vielleicht sollten wir viel eher denken,<br />
was wäre das Falsche, was sollte ich nicht tun? Und<br />
dann genau dies tun.»<br />
«Absolute Wilson»<br />
Vorführungen:<br />
Sa, 3.2., 20:30 h<br />
So, 4.2., 13:30 h<br />
Mo, 5.2., 20:30 h / mit einer Einführung von Leonie<br />
Stein, Studiengangsleiterin Theater, HKB<br />
Bern<br />
Di, 6.2., 18:00 h / mit einer Einführung von Gerald<br />
Siegmund, Professor für Theaterwissenschaften,<br />
ITW Bern<br />
Sa, 10.2., 18:00 h<br />
So, 11.2., 16:00 h<br />
Mo, 19.2., 20:30 h<br />
Di, 20.2., 18:30 h<br />
So, 25.2., 11:00 h<br />
Kino Kunstmuseum, Hodlerstrasse 8<br />
www.robertwilson.com<br />
www.kinokunstmuseum.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
FILM<br />
red road<br />
Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />
■ Bis zu 300-mal täglich werden Briten und Britinnen<br />
von Überwachungskameras gefi lmt. Diese<br />
werden als CCTV bezeichnet, und die Überwachung<br />
der Öffentlichkeit ist eine der boomendsten<br />
Branchen des Landes. Natürlich muss CCTV<br />
nicht immer nur schlecht sein, denn die Kameras<br />
helfen unter anderem auch Verbrechen zu verhindern,<br />
Täter zu fi nden und damit die Bevölkerung<br />
zu schützen. Trotzdem ist diese Kontrollmanie des<br />
britischen Staates für Mitteleuropäer – noch immer<br />
– befremdlich.<br />
Die Regisseurin und Drehbuchautorin Andrea<br />
Arnold setzt sich mit ihrem Spielfi lmdebüt «Red<br />
Road» mit den Menschen auseinander, die beobachten<br />
und kontrollieren, was die Kameras in jedem<br />
Winkel ohne Unterbruch aufzeichnen. Und<br />
welche Folgen das Wissen und der Zugang zu intimen<br />
Details der Mitmenschen haben kann. Jackie<br />
(Katie Dickie) arbeitet als Sicherheitsangestellte<br />
der städtischen Videoüberwachung von Glasgow.<br />
Bereits in den ersten Minuten erfährt das Publikum<br />
ohne grosse Worte viele Details über Jackies<br />
Arbeits- und Sexleben, ihr soziales Umfeld und ihre<br />
Familie. Eigentlich ist nichts Spannendes dabei, ihr<br />
Alltag scheint geprägt von einem unvermeidlichen<br />
Voyeurismus, Desillusion, grauer Tristesse und<br />
irgendeinem unverarbeiteten Schmerz aus der<br />
Vergangenheit. Doch genau das öffnet die Pforten<br />
zu einem beständig wachsenden Gefühl der unterschwelligen<br />
Bedrohung, aber auch der unbändigen<br />
Neugierde. Denn eines Tages sieht Jackie auf dem<br />
Monitor das Gesicht von Clyde (Tony Curran), einem<br />
Mann von dem sie glaubte, dass er im Gefängnis<br />
sei. Von diesem Moment an verfolgt Jackie ihn<br />
bis hin zu jener Konsequenz, dass sie ihre Arbeit<br />
vernachlässigt. Sie versucht ihn zu diskreditieren,<br />
scheint aber gleichzeitig magisch von ihm angezo-<br />
gen zu werden. Die Spannung spitzt sich stetig zu,<br />
denn Jackie geht Risiken ein und exponiert sich gegenüber<br />
Clyde auf eine überaus irritierende Weise.<br />
Jede Information und Aufl ösung trägt in sich zwei<br />
neue Fragen, aber das, was man bereits zu wissen<br />
glaubt, wird konstant durch die Motivation und das<br />
Verhalten der Charaktere in Frage gestellt.<br />
Unendlich langsam nur entblättert sich die Vergangenheit<br />
und das Geschehene. Es passiert nur<br />
wenig, manche Dialoge wirken fast schon störend<br />
und das Fehlen einer untermalenden Hintergrundmusik<br />
tut das ihrige, dem Film einen schmerzhaft<br />
realistischen Zug zu verleihen. Je weniger man als<br />
Zuschauer über die Geschichte weiss, desto besser<br />
und umso stärker wird die Überraschung über die<br />
emotional eindringliche Aufl ösung am Ende nachklingen.<br />
Die Leistung der Schauspieler schafft eine<br />
Nähe und Intensität zu der Geschichte, die das<br />
Publikum direkt am Fortgang der Geschichte beteiligt,<br />
denn die Wendungen und Überraschungen<br />
basieren immer auch auf den Klischees und Vorurteilen<br />
in unseren eigenen Köpfen. Zudem fängt die<br />
Kamera jene reale Kälte, Isolation, Auswegs- und<br />
manchmal auch Hoffnungslosigkeit des schottischen<br />
Arbeitermilieus ohne Zwischenfi lter ein.<br />
«Red Road» wendet sich an ein erwachsenes,<br />
intelligentes Publikum, das keine Angst vor den<br />
Widersprüchlichkeiten menschlicher Handlungsweisen<br />
hat. Ein früherer Kurzfi lm der Regisseurin<br />
wurde von der «Times» als ein «düsteres Juwel»<br />
bezeichnet. Entsprechend könnte man RED ROAD<br />
ein «beklemmendes Juwel» nennen, das zu Recht<br />
den Preis der Jury beim Filmfestival Cannes 2006<br />
gewonnen hat.<br />
Der Film dauert 113 Minuten und kommt am 4.<br />
Januar in die Kinos.<br />
cinéma<br />
TRATSCHUNDLABER<br />
von Sonja Wenger<br />
■ Ich weiss, Halleluja, Weihnachten ist vorbei,<br />
die heilige Zeit der pathetischen Rückblicke und<br />
prophetischer Ausblicke, aber ich muss einfach:<br />
Es war Freitag, der 22. Dezember, die Kinderlein<br />
sangen, die Kassen klangen, da fand sich in «Heute»<br />
ein Bild von Viktoria Beckham mit dem Titel:<br />
«Neue Kugeln für den Weihnachtsbaum? Dient<br />
ihr BH als Einkaufskorb oder war sie wieder mal<br />
beim Chirurgen.» Wow! Ich meine...wow!<br />
Überall fi nden sich solche journalistischen<br />
Perlen. Man greife sich irgendein beliebiges Heft<br />
eines beliebigen Tages und ohne jeglichen Zweifel<br />
fi ndet sich so sicher wie die nächste Ausgabe<br />
am Kiosk darin Atemberaubendes. Beweise?<br />
Nach Spanien und Brasilien wird nun auch Italien<br />
die Festlegung einer Untergrenze des Body-<br />
Mass-Index für Laufstegmodells einführen. Und<br />
Armani meinte dazu: «Ich nehme nur gesunde<br />
Mädchen». Klar. Noch strengere Sitten herrschen<br />
in anderen Ländern. So steht der Chef des indonesischen<br />
«Playboy» wegen Veröffentlichung<br />
«unanständiger Fotos» vor Gericht. Unter anderem,<br />
weil die Models für Unterwäsche einen «einladenden<br />
Gesichtsausdruck» hatten. Über deren<br />
Body-Mass-Index lagen allerdings keine Informationen<br />
vor.<br />
Apropos Wäsche: Nach dem Hochzeitsfetzen<br />
von Viktor & Rolf erreichte uns eine weitere Horrormeldung<br />
aus dem Tummelfeld der Massenanfertigung.<br />
Madonna macht, weil sie so «ein sicheres<br />
Gespür für Trends hat», nochmals Mode für<br />
H&M. Die Linie soll «zeitlos, einzig<strong>art</strong>ig und glamourös<br />
wie ihre Schöpferin sein». Und wenn wir<br />
schon bei zeitloser Wäsche sind: Die «Schweizer<br />
Illustrierte» präsentierte eine Hommage an die<br />
ehemalige, in Unehren zurückgetretene Bundesrätin<br />
Elisabeth Kopp. Zu ihrem Siebzigsten. Laut<br />
«Heute» bereut sie ihr Vorgehen nicht. Allerdings<br />
würde sie in der gleichen Situation «heute<br />
nicht mehr zurücktreten» - sprich nachdem sie<br />
ihren Mann über ein drohendes Verfahren wegen<br />
Geldwäscherei informiert hatte. Lizzie! Please!<br />
Das müsstest du auch nicht mehr. Wir leben in<br />
der Welt eines George Dabbelju Bush und Silvio<br />
Berlusconi. Korruption gehört zum guten Ton.<br />
Und wenn du mal nicht weisst, was tun: Italiens<br />
ehemaliger Premierminister will dem Land «ein<br />
Geschenk» machen, um «etwas Bleibendes zu<br />
hinterlassen». Nämlich will er eine europäische<br />
Universität gründen, um eine neue politische Elite<br />
zu formen. Als Fächer stehen dann zur Auswahl<br />
Nepotismus, Spinning, Korruption, Manipulation,<br />
Missmanagement der öffentlichen und<br />
Weisswaschung der eigenen Gelder. Und als fachkundige<br />
Dozenten fänden sich so illustre Namen<br />
wie George Bush Senior, Bill Clinton und Michail<br />
Gorbatschow.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 25
das andere kino<br />
26<br />
www.cinematte.ch / Telefon 031 312 4546 www.kellerkino.ch / Telefon 031 311 38 05 www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99<br />
■ Robert de Niro Nach dem Tod des Paten übernimmt<br />
sein Sohn Michael (Al Pacino) in Godfather<br />
2 die Familiengeschäfte. Neben dem Aufstieg von<br />
Michael Corleone schildert der Film die Jugendjahre<br />
von Vito (Robert de Niro) in seinem Heimatdorf Corleone,<br />
dessen Flucht vor der Mafi a nach New York<br />
und den Anfang seiner «Karriere» als Pate. In Godfather<br />
3 wird der letzte Abschnitt im Leben von Michael<br />
Corleone und der Zerfall seines Machtimperiums<br />
gezeigt. 1980 wurde de Niro für die Darstellung des<br />
Boxers Jake de la Motta in Raging Bull mit dem Oscar<br />
ausgezeichnet. Oscarwürdig wäre auch de Niros<br />
Nebenrolle in Tarantinos Jackie Brown gewesen.<br />
Zum Abschluss unserer John Huston Reihe<br />
zeigen wir den 1948 entstandenen The treasure of<br />
the Sierra Madre mit Walter Huston und Humphrey<br />
Bog<strong>art</strong> in den Hauptrollen sowie Moulin Rouge aus<br />
dem Jahr 1952.<br />
Anlässlich des Todes von Robert Altman präsentieren<br />
wir eine kleine Hommage an den kritischen<br />
und eigensinnigen Regisseur und Produzenten. In<br />
seiner 55-jährigen Laufbahn drehte er 86 Filme, produzierte<br />
39 und schrieb 37 Drehbücher. Er galt als<br />
Erneuerer des amerikanischen Kinos und als einer<br />
der bedeutendsten Vertreter einer Anti-Hollywood-<br />
Ästhetik. Trotz seiner Hollywoodkritik wurde er 1970<br />
mit der schwarzen Militärkomödie M*A*S*H über<br />
Nacht berühmt. Durch Filme wie Short Cuts, den er<br />
als seinen besten bezeichnete, dem Western McCabe<br />
& Mrs. Miller, The Long Goodbye und Nashville<br />
bewies Altman sein Talent, seinen präzisen Blick und<br />
sein aussergewöhnliches Gespür.<br />
Ein Wiedersehen mit Mogli, Balu und Baghira:<br />
Das Dschungelbuch wurde unter anderem als Meisterwerk,<br />
Klassiker, Filmlegende und als Filmspass<br />
der Superlative bezeichnet. Vor allem aber ist das<br />
Dschungelbuch ein Phänomen, das es versteht, jede<br />
Generation wieder aufs Neue zu begeistern.<br />
Der Musikfi lmzyklus «Song & Dance Men» präsentiert<br />
sechs Filme, die die Vielfalt einer zersplitterten,<br />
undefi nierbaren Popkultur aufzeigen. Die<br />
Filmauswahl versucht, verschiedene Anknüpfungspunkte<br />
innerhalb der popmusikalischen Genres und<br />
über diese Grenzen hinweg aufzuzeigen. Namhafte<br />
Musikjournalisten führen die in der Schweiz kaum<br />
je gezeigten Filme ein. Im Januar zeigen wir M<strong>art</strong>in<br />
Scorseses «No direction home» über Bob Dylan.<br />
■ SHOOTING DOGS (Von Michael Caton-Jones,<br />
GB 2006, 114’, E/d/f, Spielfi lm) Für Pater Michael<br />
Thomas und seinen jungen Lehrerkollegen Joe<br />
Connor scheint die Ermordung des Präsidenten<br />
von Ruanda am 6. April 1994 nur ein weiterer kleiner<br />
Aufruhr im turbulenten Afrika zu sein. Aber<br />
innerhalb nur weniger Stunden überschlagen sich<br />
die Ereignisse, in deren Folge unzählige Tutsi von<br />
den Hutus brutal abgeschlachtet werden. Mittendrin<br />
befi ndet sich eine kleine Missionsschule, in<br />
der die Blauhelmsoldaten der UN untergebracht<br />
sind. Sie wird zum letzten Zufl uchtsort für Flüchtlinge,<br />
die verzweifelt versuchen dem Massaker zu<br />
entkommen. Unterdessen w<strong>art</strong>en draussen die<br />
Mörder. Der Film beruht auf wahren Begebenheiten.<br />
David Belton, ein Produzent von SHOOTING<br />
DOGS, ist auch Co-Autor der Originalgeschichte<br />
des Films, die auf seinen eigenen Erlebnissen in<br />
Ruanda baut. (ab 18.1.)<br />
DER KICK (Von Andres Veiel, Deutschland<br />
2006, 82’, D, Dokumentarfi lm) In der Nacht zum<br />
13. Juli 2002 misshandeln die Brüder Marco und<br />
Marcel Schönfeld und ihr Freund Sebastian Fink<br />
den 16-jährigen Marinus Schöberl. Täter und Opfer<br />
kennen sich. Die Täter schlagen auf ihr Opfer über<br />
Stunden hinweg ein. In einem Schweinestall muss<br />
Marinus in die Kante eines Futtertrogs beißen.<br />
Er wird nach dem Vorbild des Bordsteinkicks aus<br />
dem Film American History X hingerichtet. Marcel<br />
springt auf den Hinterkopf seines Opfers. Die Täter<br />
vergraben die Leiche in einer Jauchegrube. Später<br />
werden die Überreste von Marinus Schöberl gefunden.<br />
Über mehre Monate haben sich Andres Veiel<br />
und Gesine Schmidt auf Spurensuche in Potzlow<br />
begeben. Die Gespräche mit den Tätern, mit Dorfbewohnern,<br />
mit Angehörigen und Freunden von<br />
Tätern und Opfer verdichteten sie zusammen mit<br />
Akten, Plädoyers und Verhörprotokollen zu einem<br />
fi lmischen Protokoll für zwei Schauspieler. Der Kick<br />
versucht, den Strukturen und Biografi en hinter der<br />
Tat eine Sprache zu geben. «Es geht darum», sagt<br />
Andres Veiel, «über das Entsetzen hinaus Fragen<br />
zuzulassen, Brüche auszuhalten und einen Bruchteil<br />
zu verstehen.» (ab 18.1.)<br />
■ Das neue Kinojahr beginnt mit einer Berner<br />
Kinopremiere, zeigt mit Best of Bern ausgezeichnetes<br />
Berner Filmschaffen, widmet einem Grossen<br />
des Kinos eine Filmreihe und macht einen Abstecher<br />
in die Welt der Neuen Musik.<br />
KUNST UND FILM 1: Gustav Klimt Der Maler<br />
erinnert sich auf dem Totenbett noch einmal<br />
an prägende Momente seines Lebens. An die Arbeit<br />
in seinem Atelier, Besuche im Café Central,<br />
die Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 sowie<br />
an Begegnungen mit einer Vielzahl von Frauen,<br />
die wie Chimären auftauchen: die geheimnisvolle<br />
Tänzerin Lea, Mizzi, die Mutter seiner unehelichen<br />
Kinder, die Mäzenin Serena Lederer oder die vertraute<br />
Kunstkritikerin Berta Zuckerkandl. Mit Veronica<br />
Ferres und John Malkovich. Klimt: Raoúl Ruiz,<br />
D/Aut/GB/F 2006). 6.1. bis 4.2.<br />
BEST OF BERN – Auswahl kantonaler Filmpreis<br />
’06 Gezeigt werden Filmarbeiten, die letztes<br />
Jahr für den kantonalen Filmpreis eingereicht<br />
wurden und in die engere Wahl gekommen sind:<br />
113 von Jason Brandenberg, Aschenbrüder von<br />
Steve Walker und Markus Heiniger, Meerdolen von<br />
Peter Guyer, Männer am Meer von Reto Caffi , Hippie<br />
Massala von Ulrich Grossenbacher und Damaris<br />
Lüthi, Rashedas Trust von Jürg Neuenschwander<br />
und Sweeping Addis von Corinne Kuenzli. 7. bis<br />
30.1.<br />
JOHN HOUSTON – Hommage zum 100. Geburtstag<br />
Er zählt zu den Grossen des amerikanischen<br />
Kinos. Unsere Geburtstags-Hommage zeigt<br />
eine kleine Auswahl aus seinen fast 50 Filmen,<br />
von seinem Erstling The Maltese Falcon über The<br />
African Queen bis zum Vermächtnis The Dead.<br />
Zudem gibt es ein Wiedersehen mit The Asphalt<br />
Jungle und Key Largo als Reeditionen mit neuen<br />
Kopien. 13.1. bis 20.2.<br />
MUSIK UND FILM: Arvo Pärth – 24 Preludes<br />
for a Fugue Arvo Pärt, einer der international<br />
bedeutendsten Vertreter der Neuen Musik, war im<br />
Dezember für drei Konzerte in Bern. Nun zeigt das<br />
Kino Kunstmuseum ein fi lmisches Portrait über<br />
den eigenwilligen estnischen Komponisten. 14. bis<br />
28.1.<br />
Ausserdem KUNST UND FILM 2 (Six Feet Under)<br />
Harold an Maude: Hal Ashby, (USA 1971). 6.<br />
bis 9.1.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
KI O<br />
i n d e r R e i t s c h u l e<br />
N<br />
Für das Tagesprogramm die Tageszeitung oder das Internet www.bernerkino.ch<br />
LICHTSPIEL<br />
www.reitschule.ch / Telefon 031 306 69 69 www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05 www.pasqu<strong>art</strong>.ch / Telefon 032 322 71 01<br />
■ Anfangs Januar rund um das WEF dreht sich<br />
im Kino in der Reitschule alles um die Globalisierung.<br />
Konkret geht es heuer um die Ernährung.<br />
Welche Auswirkungen hat eine Landwirtschaft, die<br />
immer mehr von riesigen Firmen mit industriellen<br />
Methoden betrieben wird auf die Lebensgrundlage<br />
der Weltbevölkerung? Am 12. Januar wird im<br />
Kino über das internationale Agrobusiness, das in<br />
grossem Masse für die weltweite ökologische Zerstörung<br />
verantwortlich ist, und über das Konzept<br />
der Ernährungssouveränität diskutiert. Die Filme<br />
Europas neue Sklaven, Struggle (4.-6.1.) und We<br />
Feed the World (13.1.) erzählen u. a. von Menschen,<br />
die aus Armut ihre Heimatländer verlassen müssen<br />
und in Europa und USA von den gewinnorientierten,<br />
habgierigen Gesellschaften bis aufs Blut<br />
ausgebeutet werden. Die Begegnungen der Menschen<br />
aus dem Osten, dem Süden mit denjenigen<br />
aus dem Westen zeigen aber auch die emotionalen<br />
Nöte unserer Gesellschaften auf.<br />
Seit September - mit zunehmendem Erfolg<br />
- macht die Gruppe UNCUT – warme Filme am<br />
Donnerstag lesbisch-schwules Kino. Im Januar mit<br />
Loggerheads, von Tim Kirkman über einen HIVpositiven<br />
Herumtreiber und mit Chutney Popcorn<br />
von Nisha Ganatra, einer charmanten Komödie<br />
zweier lesbischer Schwestern, die gerne Mutter<br />
werden möchten.<br />
Das Festival Brasil Plural, seit neun Jahren in<br />
Deutschland zu sehen, kommt dieses Jahr auch in<br />
die Schweiz, ins Lichtspiel (Kurzfi lme) und in das<br />
Kino in der Reitschule (Dok- und Spielfi lme).Sommer,<br />
Hitze, Wasser bringt uns Der fabelhafte Fábio,<br />
der grösste Surfer Brasiliens aller Zeiten (19.1.)<br />
mit in die Schweiz. Mit Der Blick von aussen werden<br />
wir mit den Klischees und den Vorstellungen<br />
konfrontiert, die sich die Welt über Brasilien macht<br />
(20.1.). Am 26.1. versucht die Protagonistin Nina<br />
in einer entmenschlichten Welt zu überleben, was<br />
auch Carula eine «einfach gestrickte Frau» aus<br />
dem Hinterland Brasiliens in Verfl ixtes Fleisch<br />
(27.1.) versucht: Ihr grosser Traum ist es, sich zu<br />
verheiraten und dafür tut sie alles.<br />
■ Das ganze Jahr hindurch überrascht das Lichtspiel<br />
sein Publikum jeden Sonntagabend mit einem<br />
Programm aus dem hauseigenen Archiv, in<br />
dem sich vorwiegend Vorprogramme aus alten<br />
Zeiten, Musikclips, Werbungen, Dokumentarfi lme<br />
und Wochenschauen, jedoch auch spannende<br />
Amateurfi lme fi nden, die jede Rolle zu einem einmaligen<br />
Erlebnis machen. (So 20:00 h)<br />
Mit dem «sortie du labo»-Programm, welches<br />
das Lichtspiel gemeinsam mit der Cinémathèque<br />
suisse und MEMORIAV monatlich veranstaltet,<br />
können frisch restaurierte Filme (wieder)entdeckt<br />
werden. Mit Rapt (1933) von Dimitri Kirsanoff ist<br />
einer der originellsten Beiträge aus den ersten<br />
fünf Jahrzehnten des Schweizer Films zu sehen,<br />
was insbesondere der künstlerischen Zusammenarbeit<br />
des Regisseurs mit Ramuz sowie den beiden<br />
Komponisten Hoérée und Honegger zuzuschreiben<br />
ist: Alles trennt die Berner Oberländer Hirten<br />
von den Einwohnern des Walliser Dorfes Cheyseron:<br />
ihre Sprache und ihre Sitten, ihr Lebensstandard,<br />
ihre Religion und ein Berg. Auf der Berner<br />
Seite tötet Hans, verlobt mit der verführerischen<br />
Elsi, den Hund des Walliser Hirten Firmin mit einem<br />
Steinwurf. Dieser rächt sich, indem er Elsi gewaltsam<br />
entführt und in Cheyseron gefangen hält.<br />
Die Romanverfi lmung nach «La séparation des<br />
races» von Ramuz arbeitet mit einem suggestiven<br />
Stil, der sich an der Stummfi lmästhetik orientiert.<br />
So kommt der Film mit wenigen Dialogen aus, die<br />
dem expressiven Spiel der Darsteller den Vorrang<br />
lassen. (Mo 8.1., 20:00 h)<br />
Brasil Plural, das Festival für brasilianische<br />
Kurz-, Spiel- und Dokumentarfi lme ist bereits zum<br />
dritten Mal mit den zwei Kurzfi lmprogrammen<br />
im Lichtspiel zu Gast. Die Filme von vorwiegend<br />
jungen KünstlerInnen beeindrucken durch eine<br />
schwer umfassende Eigen<strong>art</strong> mit landestypischer<br />
Verpackung, jedoch auch durch Details und Ausschmückungen,<br />
die auf regionale Eigenheiten<br />
verweisen und tief in der Geschichte des Landes<br />
verankert sind. (Di 16.1.: Kurzfi lmschau 1, Di 23.1:<br />
Kurzfi lmschau 2, jeweils 20:00 h). Dokumentar-<br />
und Spielfi lme von Brasil Plural werden im Kino<br />
Reitschule gezeigt.<br />
■ Mit Writers, den teils sehr abenteuerlichen und<br />
schillernden Lebensgeschichten berühmter Dichterinnen<br />
und Schriftsteller geht’s noch bis Mitte<br />
Januar weiter:<br />
L’AMANT (Marguerite Duras): Mit Sorgfalt und<br />
grossem Aufwand rekonstruiert Jean-Jacques<br />
Annaud das koloniale Vietnam der 20er Jahre, das<br />
den Hintergrund bildet für die Liebesbeziehung einer<br />
15-jährigen Französin zu einem mehr als zehn<br />
Jahre älteren reichen Chinesen. SYLVIA (Sylvia<br />
Plath): Porträt der komplizierten Beziehung der<br />
Dichterin Sylvia Plath und ihres ebenfalls schreibenden<br />
Ehemannes Ted Hughes mit Gwyneth<br />
Paltrow in der Titelrolle. NICOLAS BOUVIER, 22<br />
HOSPITAL STREET: Nach einer zweijährigen Reise<br />
quer durch den Balkan, die Türkei, den Iran und<br />
halb Asien erreicht der Genfer Schriftsteller und<br />
Fotograf Nicolas Bouvier 1955 ein kleines Nest an<br />
der Südspitze Sri Lankas. WILDE (Oscar Wilde): Die<br />
Kritiker feiern Oscar Wilde als den neuen Dramatiker.<br />
Als er dem jungen Lord Alfred Douglas verfällt,<br />
verändert sich sein Leben grundlegend. DIE UN-<br />
BERÜHRBARE (Gisela Elsner): Die Schriftstellerin<br />
Hanna Flanders alias Gisela Elsner reagiert auf<br />
den Fall der Mauer irritiert. In einer schmerzlichen<br />
Odyssee erlebt sie eine Gesellschaft, die im Begriff<br />
ist, sich rasant zu verändern.<br />
Marie Caffari, die Leiterin des im Oktober neu<br />
eröffneten Literaturinstitutes wird am Montag, 8.<br />
Januar im Filmpodium das Projekt vorstellen und<br />
sich Gedanken machen über die Vermittlung und<br />
Erforschung des Kreativen Schreibens, welche<br />
Grundanliegen des Institutes sind.<br />
NEWS: Die Reihe neuerer Filme aus den letzten<br />
Jahren ist ab Mitte Januar programmiert. Ganz<br />
besondere Aufmerksamkeit verdient Ju Ichikawas<br />
TONY TAKITANI! Die Verfi lmung der gleichnamigen<br />
Erzählung des japanischen Schriftstellers Haruki<br />
Murakami zeigt die Welt des Illustrators Tony<br />
Takitani, einem leidenschaftslosen Einzelgänger,<br />
der sich selbstgenügsam seiner Kunst widmet bis<br />
er der grossen Liebe begegnet. Dem Film wohnt<br />
eine zauberhafte Melancholie inne und wunderschöne<br />
poetische Bilder entlassen einen ganz entzückt<br />
aus dem Kino.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 27
magazin<br />
STADTLÄUFER<br />
Von Andy Limacher<br />
■ nr. 26 // brückenbauer. Seit Ende des 19.<br />
Jahrhunderts verbinden Kirchenfeld- und Kornhausbrücke<br />
die Berner Altstadt mit den Qu<strong>art</strong>ieren<br />
im Süden und Norden. Ungefähr zur selben<br />
Zeit wurde in Paris der Eiffelturm gebaut – es war<br />
die Zeit, in der Stahlkonstruktionen allmählich<br />
Holz und Stein ablösten.<br />
Vor kurzem machte ich einen Spaziergang<br />
entlang der Aare, wobei mir folgendes auffi el:<br />
Bei der Lorrainebrücke wie auch dem Eisenbahnviadukt<br />
handelt es sich um Betonkonstruktionen<br />
aus dem 20. Jahrhundert. Da der Bau des Hauptbahnhofs<br />
aber in die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
fällt, muss es an dieser Stelle früher schon andere<br />
Brücken gegeben haben.<br />
Und tatsächlich: Ungefähr dort, wo heute die<br />
Lorrainebrücke über das Aaretal führt, stand bis<br />
1941 die sogenannte rote Brücke, eine Stahlkonstruktion<br />
mit zwei Stockwerken. Auf der oberen<br />
Ebene fuhren ab 1858 die Züge in den noch jungen<br />
Kopfbahnhof ein, die untere Ebene diente als<br />
Strasse von der Lorraine in die Stadt. Die Geleise<br />
führten damals von Norden her direkt durch das<br />
Wylerfeldqu<strong>art</strong>ier – der Name «Dammweg» erinnert<br />
heute noch daran.<br />
Das Wachstum der Stadt führte allerdings<br />
bald an die Kapazitätsgrenze der roten Brücke,<br />
und auch dem moderen Bahnverkehr genügten<br />
die Ansprüche nicht mehr. Hinzu kam, dass den<br />
Fussgängern gelegentlich heisse Kohlestücke<br />
von den Dampfl oks auf den Kopf fi elen.<br />
1928 wurde deshalb mit dem Bau der Lorrainebrücke<br />
begonnen, zwei Jahre später wurde sie<br />
fertiggestellt. Die Verlegung der Eisenbahnlinie<br />
um das Qu<strong>art</strong>ier herum auf das neue Viadukt<br />
folgte rund zehn Jahre später: Damit war das<br />
Schicksal der roten Brücke besiegelt.<br />
Vielleicht wird es auch dem heutigen, vierspurigen<br />
Bahndamm irgendwann so ergehen. Die Kapazitätsgrenze<br />
ist nach nur sechzig Jahren abermals<br />
erreicht – das weiss jeder, der gelegentlich<br />
von Norden her in den Hauptbahnhof einfährt.<br />
www.ensuite.ch<br />
Ein Abo macht Sinn.<br />
28<br />
LESERBRIEFE<br />
leserbrief@ensuite.ch<br />
Thema: museum franz gertsch<br />
■ Diese «Leserbrief»-Zusendung (Bild oben)<br />
kommt von Daniel Rohrbach. Es ist sein Kommentar<br />
zu der «museum franz gertsch-Affäre» um die<br />
Entlassung von Reinhard Spieler.<br />
Leserbriefe:<br />
■ Senden Sie uns Ihre Kommentare und Leserbriefe<br />
zum Kulturgeschehen in Bern oder auch Kritiken<br />
(es darf natürlich auch mal ein Lob sein...) an<br />
die ensuite-Redaktion zu. Wir wollen den Kulturdi-<br />
alog in Bern nicht nur fördern, sondern auch eine<br />
aktive Plattform für kulturelle Meinungen sein.<br />
Einsendungen an:<br />
leserbrief@ensuite.ch oder auf dem Postweg:<br />
ensuite - kulturmagazin<br />
Leserbriefe<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Telefon: 031 318 6050<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
zwei paare, dann ein drittes, stehen<br />
Von Peter J. Betts<br />
■ Zwei Paare, dann ein drittes, stehen reglos, fasziniert<br />
und vorerst stumm in der unteren Gerechtigkeitsgasse,<br />
starren in den für ein paar Meter<br />
dreiteilig geöffneten Stadtbach mitten im rechtwinklig<br />
normierten Kopfsteinpfl aster. «Da läuft<br />
etwas gegen den Strich», sagt eine der Damen.<br />
«Keineswegs regelkonform», bestätigt ein Herr,<br />
und die Dame, seine Hand haltend, sagt: «Das ausgerechnet<br />
in der Gerechtigkeitsgasse.» «Was wohl<br />
hierzu die Denkmalpfl ege meint?», fragt die dritte<br />
Dame. «Oder die Polizei?», doppelt die erste nach.<br />
Drei Paare, die einander anscheinend nicht kennen,<br />
tauschen von gemeinsamem Erleben ausgelöste<br />
Gedanken aus: sprechen über KiöR.<br />
Der Sachverhalt ist einfach: in der auf drei<br />
staatlichen Ebenen formaljuristisch totalsanierten<br />
Beamtenstadt, ein veritables Vexierbild, läuft<br />
in der Gerechtigkeitsgasse! im mittleren von drei<br />
schnurgeraden Segmenten für alle sichtbar das<br />
Wasser AUFWÄRTS, während es in den beiden<br />
umklammernden Teilen mit gleicher Geschwindigkeit<br />
und mit gleichem Gluckern ordnungsgemäss<br />
abwärts läuft. Das ist ein Affront! Egal, ob diese<br />
Regelwidrigkeit «nur» scheinbar oder wirklich<br />
existiert! KiöR!<br />
Im ensuite - kulturmagazin Nr. 47 vom November<br />
2006 schreibt Tabea Steiner über Kultur in<br />
Thun und Hanswalter Graf (S. 84) u. a.: «...Er arbeitet<br />
ausschliesslich im öffentlichen Raum, Kunst<br />
im öffentlichen Raum, was das schöne Kürzel KiöR<br />
verpasst kriegte. Die Abkürzung ist schrecklich<br />
bürokratisch, was dahinter steckt, aber wunderbar<br />
praxisnah...». Ach, die lieben Kolleginnen und<br />
Kollegen aus der Journaille, unserer Sippe! Schon<br />
mein Freund, Fred Zaugg, hat sich über meine Erfi<br />
ndung dieses Kürzels lustig gemacht, und jetzt<br />
noch Tabea Steiner – ich schmunzle. Aber: mein<br />
Herz (haben Bürokraten ein Herz?) könnte bluten<br />
über den Hohn, der sich über die Frucht meiner<br />
Hirnarbeit (haben Bürokraten ein Hirn oder arbeiten<br />
sie jemals?) ergiesst und vor Freude (können<br />
sich Bürokraten freuen?) zerspringen, weil diese<br />
Erfi ndung INHALTLICH offenbar etwas bewirkt<br />
hat, z. B. in Thun. Und dabei hatte ich doch nur,<br />
wie M<strong>art</strong>in Beyeler mitten in der unteren Gerechtigkeitsgasse,<br />
über einen Umweg die Regeln ein<br />
bisschen gegen den Strich gestriegelt, um, wie er,<br />
etwas zu sagen und, liest man z. B. Tabea Steiners<br />
Text (was ich Ihnen empfehle), anscheinend auch<br />
etwas zu erreichen. Und das freut mich riesig, ob<br />
es sich um die Kunstoffenheit Thuns oder den Dialog<br />
über den Kommentar zur Regelkonformität à<br />
tout prix in der unteren Gerechtigkeitsgasse handeln<br />
mag. KiöR.<br />
Vor KiöR gab es im öffentlichen Raum für bil-<br />
dende Künstlerinnen und Künstler erstens die<br />
Möglichkeit, von der Behörde den Auftrag zu<br />
erhalten, ein Stück «Künstlerischen Schmuck»<br />
herzustellen. Ein Beispiel: Die Verkehrsraumkonzeption<br />
beim Bahnhof - beeinfl usst von jener Zeit,<br />
in der Inseratenwerbung Neubauten mit der Qualität:<br />
«Freie Sicht auf Autobahn!» gut verkaufte...<br />
Meret Oppenheim wurde höfl ich aufgefordert,<br />
«Künstlerischen Schmuck» für den neu und mit<br />
etwas Verspätung zeitgeistkonform gestalteten<br />
Bereich Bubenbergplatz – Bahnhofplatz zu schaffen.<br />
Sie lehnte den Auftrag ebenso höfl ich ab, weil<br />
die Gestaltung des Bereichs durch Kunst nicht zu<br />
retten sei und es hier nichts zu schmücken gebe.<br />
Sie liess sich jedoch später darauf ein, ein KiöR-<br />
Projekt auf dem unteren Waisenhausplatz zu realisieren.<br />
Das Stadtplanungsamt hatte sich damals<br />
mit dem Gedanken getragen, einen «kinderfreundlichen»<br />
Platz zwischen den beiden Schulhäusern<br />
zu gestalten. Glücklicherweise verzichtete der<br />
Planer nach eingehender Auseinandersetzung mit<br />
der Künstlerin zugunsten von Meret Oppenheims<br />
Ideen darauf, in seinem idyllisierend? ironisierend?<br />
nachempfundenen Barockgärtchen auf der Metroparkhallendecke<br />
die Schülerinnen und Schüler in<br />
den Pausen durch tosenden Verkehr umbranden<br />
zu lassen. Und Meret Oppenheim schuf in einer<br />
wenig lebensfreundlichen Umgebung ein Mahnmal<br />
für das Leben: mit Beton (jenem Material, das einigen<br />
der umliegenden denkmalgeschützten Ziegeldächer<br />
auf Sand- oder Backstein untergelegt<br />
worden ist), etwas Blech, Wasser und ZEIT. Gut,<br />
man hat sich nicht die Zeit zu geben gewagt, die<br />
das Wachsenlassen erfordern würde, und hat mit<br />
künstlichem Bepfl anzen eingegriffen; eine Flora,<br />
die glücklicherweise durch Vögel und Wind herbeigetragene<br />
Pionierpfl anzen u. Ä., wie ursprünglich<br />
gedacht, verdrängt haben. Es gibt Ordner voller<br />
Protestbriefe gegen die Brunnensäule: motiviert<br />
durch Angst vor Ungewohntem, Antisemitismus,<br />
Probleme bei Glatteisgefahr, Ärger, dass dieses<br />
«Kunstwerk» die freie Sicht auf die schöne Fassade<br />
des Waisenhauses - hatte man diese vorher jeweils<br />
anzuSCHAUEN versucht? – verbaut: eine breite<br />
Skala von Begründungen des Unbehagens. Und die<br />
Auseinandersetzung mit Meret Oppenheims Symbol<br />
hat angehalten - vielleicht war dieses Zeichen<br />
gar (unbewusst) mitverantwortlich für den Prozess<br />
des Umdenkens der Verantwortlichen bezüglich<br />
Priorität des privaten Motorfahrzeugverkehrs im<br />
hochurbanen Raum? Vor KiöR gab es als zweite<br />
Möglichkeit die «Kunst am Bau». Die Möglichkeit,<br />
mit einem kosmetischen Eingriff von einer nachhaltigen<br />
Bausünde abzulenken? Schmücken oder<br />
vertuschen also. (Auch ich weiss: Kosmetik KANN<br />
magazin<br />
viel tiefer als die Oberfl äche wirken.)<br />
KiöR ermöglicht es bei öffentlichen Bauvorhaben,<br />
die Kreativität von Künstlerinnen und Künstlern<br />
mit jener der FachspezialistInnen (etwa aus<br />
den Bereichen Statik, Planung, Sicherheit, Verkehr,<br />
Wirtschaft, Bildung, Polizei) in Arbeitsgruppen zu<br />
verbinden, den Blick-von-Aussen einzubeziehen: oft<br />
stellvertretend für spätere NutzerInnen, die noch<br />
gar nicht verfügbar wären. «Kunst im öffentlichen<br />
Raum» ermöglicht es z. B. George Steinmann, in<br />
der Planungsphase vor dem Umbau des Casinoparkings<br />
mit Schülerinnen und Schülern einen Tag<br />
im alten Parkhaus zu verbringen und all das mit<br />
ihnen herauszuarbeiten, was Angst macht oder<br />
bedrückt: was auf jeden Fall beim Umbau zu vermeiden<br />
ist, und wäre es ästhetisch, statisch, ökonomisch,<br />
logistisch noch so wünschenswert. Dem<br />
Künstler ging es nicht darum, sich selber ein Denkmal<br />
zu setzen, nicht um Künstlerischen Schmuck,<br />
nicht um Kunst am Bau. Es ging darum, das Vorhaben<br />
durch Auseinandersetzung und Dialog zu<br />
humanisieren, durch das unorthodoxe Verbinden<br />
aller Kompetenzen Aller: ohne Hahnenkämpfe,<br />
Prestigestellungskriege und Machtgerangel. Kultur:<br />
Unter Einbezug von Kunst und künstlerischer<br />
Arbeitsweise, technischem Wissen und Vermögen,<br />
materiellen Ressourcen, räumlichen und zeitlichen<br />
Randbedingungen, funktionalen Zielsetzungen, Erfahrungen,<br />
Spontaneität das erstehen lassen, was<br />
der Gemeinschaft die nachhaltigste Verbesserung<br />
verschafft. Kunst als Teil so verstandener Kultur,<br />
ein taugliches und fruchtbares Übungsfeld für<br />
notwendige gesellschaftsbezogene Kulturpolitik.<br />
KiöR: nicht Beitrag zum Prestigewettbewerb der<br />
Städte, nicht Werkzeug des Citymarketings, nicht<br />
Stufenanstieg auf dem Weg zum Olymp.<br />
Ein Tipp für Ihren Besuch der unteren Gerechtigkeitsgasse:<br />
werfen Sie ein abgefallenes Blatt<br />
oder halt ein Kügelchen aus einem Stück Papiertaschentuch<br />
ins mittlere Stadtbachsegment, schauen<br />
Sie, wo es verschwindet und wo es nach geraumer<br />
Zeit wieder erscheint: Sie haben entdeckt,<br />
mit welchem Umweg scheinbar die Schwerkraft<br />
ausgetrickst, in Wirklichkeit nur genutzt worden<br />
ist. Judo in der Kunst? Und mit einer Spur Denkarbeit,<br />
vielleicht hilft der erlauschte Dialog im ersten<br />
Abschnitt dieses Textes, sehen Sie, welchen gesellschaftsrelevanten<br />
Themenkreis der Künstler mit<br />
seinem Werk an diesem Ort orthogonal geerdeter<br />
Welt in traditionsreichem Gewand möglicherweise<br />
ansprechen wollte? Vexierbilder sind lesbarer,<br />
wenn man gelegentlich den Blickwinkel ändert:<br />
sich selber oder das Bild bewegt. KiöR.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 29
magazin<br />
BERNER KULTURMENSCHEN<br />
über tasten tanzende fi nger<br />
Von Eva Mollet (Foto: Eva Mollet)<br />
■ Karin Jampen ist eine Pianistin mit kleinen Händen.<br />
Sie greift damit eine None. Sie ist freischaffende<br />
Musikerin. Sie unterrichtet auch vierjährige<br />
bis sechzigjährige Schüler und Schülerinnen an<br />
der Musikschule des Konservatoriums Bern. Wenn<br />
Karin lacht, umrahmen feine Fältchen ihre Augen.<br />
Ohrschmuck schimmert durch das dunkle Haar. Karins<br />
Interessensgebiete und Betätigungsfelder sind<br />
vielseitig. Sie heckt Projekte aus, um interdisziplinär<br />
alles zu vereinen.<br />
Ruhe und Ausgleich fi ndet Karin auf ihren Reisen.<br />
Immer wieder zieht es sie ans Meer, wo sie den<br />
Wellen zuschaut. Oder sie wandert an der Küste von<br />
England. Oder sie verbringt längere Zeit in Indien.<br />
Im nächsten Sommer ist Karin als Stipendiatin des<br />
Kantons Bern für ein halbes Jahr in New York.<br />
Karin und das Klavier Karin beginnt mit fünf<br />
Jahren Klavier zu spielen. Das Instrument gehört<br />
längst zum Inventar der elterlichen Wohnung. «Der<br />
Klang des Klaviers hat mich immer angezogen,<br />
auch die vielen schwarzen und weissen Tasten.»<br />
Ein prägendes Erlebnis für Karin ist das Konzert<br />
von Werner Bärtschi. Auch die Kinderkonzerte von<br />
Gertrud Schneider bleiben unvergesslich. Mit neun<br />
Jahren kommt das Tanzen hinzu. Seither sind Musik<br />
und Bewegung nicht mehr wegzudenken.<br />
Nach der Ausbildung zur Primarlehrerin absolviert<br />
Karin das Lehrdiplom und anschliessend<br />
das Reifediploman der Hochschule für Musik und<br />
Theater Bern. Danach folgt ein Studienaufenthalt<br />
am Royal College of Music in London und schliesslich<br />
ein Nachdiplomstudium in der Meisterklasse<br />
30<br />
von Professor Bruno Canino.<br />
Das Repertoire von Karin Jampen reicht von<br />
Barock bis zu zeitgenössischer Musik. Sie spielt in<br />
verschiedenen Formationen: Als Solistin oder als<br />
Kammermusikerin. «Ich lasse mich nicht gerne einschränken,<br />
und ich durchbreche gerne traditionelle<br />
Hörgewohnheiten.»<br />
Die Annährung an ein Werk Die Auseinandersetzungen<br />
und die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen<br />
Komponisten erlebt Karin als Bereicherung.<br />
Über verstorbene Komponisten betreibt sie Recherchen.<br />
Sie sucht immer die Vertiefung. Auf diese<br />
Weise tritt sie selbst mit dem Werk in Verbindung,<br />
involviert sich. «Sowohl für einen rein instrumentalen<br />
Konzertabend, als auch für ein sp<strong>art</strong>enübergreifendes<br />
Gesamtwerk, brauche ich viel Information,<br />
um die Komplexität der Werke und Themen auszuloten<br />
und zu hinterfragen – daraus schöpfe ich u.<br />
a. meine Inspiration. Es braucht viel Zeit, das Gesammelte<br />
zu vernetzen und schliesslich wieder zu<br />
reduzieren.»<br />
Die Arbeit am Instrument durchläuft verschiedene<br />
Phasen bis zur Interpretation. «Die technische<br />
Aneignung des Notentextes bis zur künstlerischen<br />
Umsetzung ist sowohl eine intuitive, wie auch eine<br />
intellektuelle Arbeit.» Karin sucht nach verschiedenen<br />
Möglichkeiten, wie sie einen Melodiebogen gestalten<br />
kann, und sie pröbelt an unterschiedlichen<br />
Klängen durch differenzierte Anschlags<strong>art</strong>en. Wichtig<br />
ist ihr, keine Routine aufkommen zu lassen. «Diese<br />
Art der Ausarbeitung eines Werks ist für mich<br />
das Spannendste und bereitet mir Freude. Je mehr<br />
Gestaltungsmöglichkeiten ich habe, desto freier<br />
werde ich im Spiel.»<br />
Interdisziplinäre Gesamtprojekte Karin ist die<br />
Initiantin von verschiedenen Projekten, die unterschiedliche<br />
Interessensgebiete zu einem Gesamtkunstwerk<br />
vereinen. Es ist ihr wichtig, Raum, Klang<br />
und Aktion zu berücksichtigen. Damit gelingt es ihr,<br />
verschiedene Sp<strong>art</strong>en zusammenzuführen: Bildende<br />
Kunst, Tanz, Theater und Musik. Mit der Duop<strong>art</strong>nerin<br />
und Sängerin Franziska Hegi wurde im<br />
vergangenen Jahr eine solche Konzertkonzeption<br />
entwickelt: «Wenn ein schwerer Tropfen fällt». Dieses<br />
Projekt verbindet eine Uraufführung von Christian<br />
Henking mit sechs Ton-Text-Inseln und einer<br />
tropfenden Installation von Judith Albisser.<br />
Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche<br />
Karin tritt auf mit Konzerten für Kinder. Im letzten<br />
Jahr entwickelte sie in Zusammenarbeit eine<br />
Klang-Entdeckungsstrasse namens KLANGEST. Das<br />
neuste Kinderprojekt nennt sich «Petruschka» und<br />
verarbeitet Musik von Strawinsky. Das instrumentale<br />
Musiktheater ist mit dem Tastentheater Schweiz<br />
entstanden und wird im 2007 zu sehen und zu hören<br />
sein.<br />
New York, New York Karin wird im Big Apple vor<br />
allem für ein neues Projekt recherchieren und sich<br />
eine Übungsmöglichkeit organisieren. Der Sommer<br />
in der Grossstadt ist heiss. Karins Finger werden<br />
dennoch über die Tasten tanzen.<br />
mailto: karinja@bluewin.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
CARTOON<br />
www.fauser.ch<br />
VON MENSCHEN UND MEDIEN<br />
«tischlein entdeck dich!»<br />
Von Lukas Vogelsang<br />
■ Das Tischlein ist gedeckt und der Roger Köppel<br />
(37) sitzt mit dem Lätzli vor seinen Aktien und leckt<br />
die Finger: 99,5 Prozent der Weltwoche gehören<br />
jetzt ihm – also die ganze Zeitung mit allem Plunder<br />
dazu (Bücher, Internet und so). In einer spektakulären<br />
Pokeraktion haben die ganz Grossen in<br />
den letzten Monaten gedealt – und dabei sind einige<br />
Krümmel neben den Tisch gefallen. Köppel hat<br />
nur erhalten, worum sich die Grossen nicht interessierten:<br />
Ein Köppel-Wochenblatt. Denn eines ist<br />
klar, Köppel hin oder her, die Weltwoche ist nicht<br />
der Spekulanten-Liebling.<br />
Und da der Jetztalleinchef Köppel nun das<br />
Steuer in der Hand hat, kann ihm auch keiner mehr<br />
widersprechen. Wenn doch, so lässt der Köppel den<br />
Knüppel aus dem Sack und legt sich mächtig ins<br />
Zeug. Meistens ruft er dabei die Chefredaktoren<br />
an. Am 13. Februar 2005 titelte die NZZ (und das<br />
ist jetzt zufälligerweise ganz schnell im Internet<br />
zu googeln!) «Die Aufl age der ‹Weltwoche› brach<br />
abrupt ein, als sie vom ehemaligen Chefredaktor<br />
Roger Köppel auf SVP-Kurs gesteuert wurde.<br />
Mittlerweile erholt sich das Wochenmagazin langsam<br />
wieder.» (Als dieser wieder gegangen war).<br />
Das gab Schelte. Jetzt ist er leider wieder zurück,<br />
zu 95 Prozent als Journalist und zu 5 Prozent als<br />
Verleger. («95 Prozent meiner Arbeit ist Journalismus»<br />
sagt er im «Schweizer Journalist».) Er meinte<br />
natürlich: «Ich bin Journalist, der gleichzeitig<br />
Verleger ist.» Herr Köppel, wir können lesen.<br />
Aber ob das Köppelsyndrom funktionieren<br />
soll, haben wir in den letzten Monaten zu spüren<br />
bekommen. Seit Oktober ist der Köppel aus dem<br />
Sack und die Weltwoche inhaltlich am Boden. Einen<br />
solchen Mediensturzfl ug erlebt man selten.<br />
Die aufreisserischen Artikel von Naomi Campbell<br />
oder Jack Nicholson waren nur abgeschriebene<br />
BlaBla-Texte, der Rest entsprang der SVP-P<strong>art</strong>eihymne.<br />
Nichts von dem verschwörerischen «wir<br />
sind doch faktisch das einzige Blatt, das andere<br />
Akzente setzt, auch die scheinbar ganz fest gefügten<br />
Gewissheiten in Frage stellt.» (Zitat Köppel<br />
im «Schweizer Journalist»). Genau dies ist doch<br />
der Leitsatz der SVP! In der Weihnachtsnummer<br />
(«Was wirklich zählt») haben Sie, Herr Köppel, uns<br />
zum Beispiel das SVP-Bild der Frau eingehämmert:<br />
Entweder sie sieht gut aus (SEX!) oder trägt einen<br />
Öko-Strickpulli (Suggeriert: Frau hat nichts zu sagen.),<br />
redet über Sex (SEX!) oder Soziales (Suggeriert:<br />
Frau hat nichts zu sagen.) Und wenn von alle<br />
dem nichts ist, dann muss noch ein Sexthema her.<br />
«Sex sells», denn jetzt ist der Köppel aus dem Sack<br />
magazin<br />
und der zeigt uns, wie’s geht. «Die bestverkaufte<br />
Ausgabe der letzten drei Jahre war das ‹Femal<br />
Brain›-Cover mit dem Bild von Marilyn Monroe.»<br />
(Zitat Köppel im «Schweizer Journalist».)<br />
Traurig, oder? Gerade jetzt, wo die Weltwoche<br />
im Sommer einen Höhefl ug hatte. Gerade jetzt,<br />
wo’s spannend wurde, weil eine kritische Redaktion<br />
Mut fasste und nach all den turbulenten Jahren<br />
eine Wochenzeitung wirklich Biss und Farbe erhielt.<br />
Wo wir LeserInnen mit roten Klobrillenrändern<br />
durch die Welt marschieren und dabei ein gutes,<br />
gebildetes Gefühl hatten… Einzig ein Satz von<br />
Köppel selbst rechtfertigt die 29-köpfi ge Jury, welche<br />
ihn Ende 2006 zum «Journalist des Jahres»<br />
kürte: «Ich hoffe nur, dass Sie mir den Preis nicht<br />
aus Mitleid gegeben haben.» Vielleicht hatte die<br />
Jury ja wirklich Hoffnungen - oder zuwenig Sex.<br />
Der Tisch ist gedeckt, doch was mir serviert<br />
wird, schmeckt nicht. Im Gegenteil, mir ist schlecht.<br />
Und wie im Grimm-Märchen «Tischlein deck dich»<br />
rufe ich mit letzter Kraft: «Knüppel in den Sack!»<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 31
magazin<br />
BERNER QUARTIERE<br />
alle jahre wieder<br />
Von Kathrina von W<strong>art</strong>burg<br />
■ Der Titel klingt weihnächtlich, hat aber mit Weihnachten<br />
wenig zu tun: Alle Jahre wieder fi ndet im<br />
Januar - am 13. 1. - die «Tour de Lorraine» statt. Der<br />
Name ist Programm; denn hier geht es darum, sich<br />
einen Abend lang ein reichhaltiges Kulturprogramm<br />
in Beizen dies- und jenseits der Lorrainebrücke zu<br />
Gemüte zu führen. Zehn Bands, diverse DJ’s und<br />
eine Tanztheatergruppe treten in zehn verschiedenen<br />
Lokalen auf. Für einen Eintritt von 20 Franken<br />
ist man/frau dabei.<br />
Was nach reichlich Kultur klingt, hat auch einen<br />
politischen Hintergrund. Vor rund sieben Jahren<br />
organisierten die Gruppen «Anti-WTO», Attac Bern<br />
und die Oeme-Kommission die erste Tour de Lorraine<br />
im Vorfeld des WEF in Davos. Man fragte ein paar<br />
Beizen an, die auch sofort Interesse zeigten. «Das<br />
Fest funktioniert auch für die Beizen», meint David<br />
Böhner vom OK. «Sie erzielen einen hohen Bar-<br />
Umsatz, wir erhalten die Eintrittsgelder.» Mit dem<br />
Anlass wollte man ein Zeichen gegen das WEF setzen,<br />
mit dem (möglichen) Gewinn sollten Anti-WEF-<br />
Aktivitäten fi nanziert werden. Seit Beginn stiess die<br />
TOUR DE LORRAINE<br />
Freitag, 12. Januar 2007<br />
Infoveranstaltung Tour de Lorraine:<br />
20:00 Kino in der Reitschule:<br />
«Eine Landwirtschaft für das Leben - Vom<br />
Kampf um Ernährungssouveränität gegen<br />
das internationale Agrobusiness.» Eine Podiumsdiskussion<br />
mit: Valentina Hemmeler,<br />
Uniterre; Javiera Rulli, Grupo de Refl exion<br />
Rural, Argentinien; Stephan Suhner,<br />
Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien.<br />
Samstag 13. Januar 2007<br />
Tojo, Reitschule, Neubrückstrasse 8<br />
20:30 Jitterbug – Larve, Puppe, Imago, Tanztheater<br />
pulp.noir<br />
Kino in der Reitschule, Neubrückstrasse<br />
20:00 We feed the World World Erwin Wagenhofer,<br />
Ö, 2005<br />
22:00 Diskussion mit dem Regisseur Erwin Wagenhofer<br />
00:00 Hühnerwahnsinn; Marcello Faraggi, DE 06<br />
32<br />
Tour de Lorraine auf grosses Interesse: Rund 3000<br />
Menschen kommen jährlich in das berühmte Berner<br />
Qu<strong>art</strong>ier. Während in den ersten Jahren noch der<br />
ganze Gewinn in Protestaktionen gegen das WEF<br />
fl oss, sollen nun vermehrt auch andere politische<br />
und soziale Projekte unterstützt werden. «Die Globalisierungsthematik<br />
war früher ein grösseres Thema<br />
in den Medien», so Böhner. In den letzten Jahren<br />
sei der Widerstand gegen das WEF aber aufgrund<br />
der Repression immer schwieriger geworden. «Wir<br />
wollten deshalb etwas weg von der WEF-Diskussion<br />
und begannen, auch andere Projekte zu unterstützen»,<br />
ergänzt er.<br />
Die diesjährige T.d.L steht inhaltlich unter dem<br />
Thema «Ernährungssouveränität». Am Vorabend<br />
fi ndet im Kino in der Reitschule eine Podiumsdiskussion<br />
mit VertreterInnen aus der Landwirtschaft<br />
aus der Schweiz und Südamerika statt. An der T.d.L<br />
wird der Film «We feed the world» von Erwin Wagenhofer<br />
gezeigt. Der Regisseur hat sich darin auf<br />
die Spur unserer Lebensmittel gemacht. Zu Wort<br />
kommen neben Fischern, Bauern, Agronomen,<br />
00:30 Grober Unfug – Widerstände gegen das<br />
WEF von Bern 05 nach Davos 06; dadavos,<br />
CH 2006<br />
01:15 Sea You on G8; Aktion Kunterbunt, DE<br />
2006 danach weitere Kurzfi lme zu politischen<br />
Bewegungen.<br />
Café Bar Kairo,Dammweg 43<br />
21:30 My Name is George (Winterthur), Retro-<br />
Rock-Punk-Grunge<br />
Brasserie Lorraine,Qu<strong>art</strong>iergasse 17<br />
21:30 Fisty Four (Bern), Rock<br />
23:00 Flaming Cocks (Prag), Rock-a-Psychobilly<br />
danach DJ Polsko Niemiecka Przyjazn (BE/<br />
ZH), Wildstyle, anschliessend DJ El Tigre<br />
Restaurant Du Nord,Lorrainestrasse 2<br />
23:00 Mouthwatering Club Night feat. DJ‘s Kev<br />
the Head, Dustbowl & Swo (BE). Visuals by<br />
Tectonics, electro, break beats, dub house<br />
Biologen und Jean Ziegler auch der Produktionsdirektor<br />
des weltgrössten Saatgutherstellers Pioneer<br />
sowie Peter Brabeck, Konzernchef von Nestlé International,<br />
dem grössten Nahrungsmittelkonzern der<br />
Welt. Wagenhofer selbst wird anwesend sein und<br />
im Anschluss an den Film mit allen Interessierten<br />
diskutieren. Als symbolischer Akt werden die beteiligten<br />
Beizen der T.d.L zur «Nestlé-freien Zone»<br />
erklärt. Will heissen: An diesem Abend gibt’s keine<br />
Nestlé-Produkte in den Beizen. «Wir möchten unsere<br />
politische Botschaft dieses Jahr besser vermitteln»,<br />
sagt Böhner.<br />
Trotz politischem Hintergrund und einer klaren<br />
Botschaft ist die Tour de Lorraine vor allem ein kultureller<br />
Anlass und steht allen offen. «Es soll einfach<br />
ein tolles Fest werden», sagt Böhner. Und wer<br />
an diesem 13. Januar nicht kommen kann, der sei<br />
an dieser Stelle schon vertröstet: Die Organisatoren<br />
planen, bereits im Mai die nächste Tour de Lorraine<br />
- oder zumindest ein ähnlich tolles Strassenfest.<br />
Dachstock, Reitschule,Neubrückstrasse 8<br />
23:30 Diesler feat. Laura Vane (UK), Funk-Soul-<br />
HipHop, anschliessend DJ Studer TM (VS)<br />
Frauenraum, Reitschule,Neubrückstrasse 8<br />
23:00 Stella Glitter et les deux etoiles ** (ZH),<br />
R’n’R<br />
01:00 aRAPiata (BL), HipHopvor & nachher:<br />
Djane Cannibalic Vakuum & Die Raumpfl egerin<br />
mit Internationalem Ramsch<br />
Sous le Pont, Reitschule,Neubrückstrasse 8<br />
23:00 Fullstop (VD), Metal/Hardcore<br />
00:30 Blown (VD), Metal/Hardcore<br />
05:30 Das Katzen & Katerfrühstück im Sous le<br />
Pont, Reitschule, MC NRK (BE), Freestyle<br />
Folk-Punk<br />
Restaurant O Bolles, Bollwerk 35<br />
22:30 Marvin (BE/FR), Songwriter Pop<br />
Turnhalle im Progr, Speichergasse 4<br />
22:00 The Felas (BE), Fela Kuti Tribute Big Band;<br />
anschliessend DJ giggs (bonzzaj rec.)<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
STADT UND LAND<br />
ein ohr über den röschtigraben<br />
Von Anna-Sophie Scholl (Bild: zVg.)<br />
■ Musik aus dem Welschland? Was kenn man<br />
hier? Sens Unik etwa, vielleicht aber vor allem den<br />
Frontmann Carlos Leal, der sich seit der Aufl ösung<br />
der Gruppe als charismatischer Schauspieler in<br />
Samirs Film «Snow white» oder im neuen Bond einen<br />
Namen macht? Oder Polar? Doch wer kennt<br />
ihn als welschen Künstler? Und wer kennt seine<br />
neusten, französischsprachigen Recordings? Ist<br />
Laurence Revey ein Begriff? Auch Pascal Rinaldi<br />
oder die Gruppe Zorg, die in der Romandie schon<br />
zu den Etablierteren gezählt werden, sagen hierzulande<br />
kaum jemandem etwas. Beide waren sie<br />
letztes Jahr in Bern zu hören, in einem kleinen Altstadtkeller,<br />
dem ONO, einem sm<strong>art</strong>en Lokal unter<br />
dem Kellergewölbe, wo sich knapp hundert Leute<br />
einfi nden.<br />
La Welsch Music Gibt es denn so etwas wie<br />
eine Welsch Music, eine eigenständige Musik aus<br />
der Romandie? Der Markt ist klein. Selbst eine<br />
erfolgreiche Band kann in der Romandie alleine<br />
höchstens 3000 CDs an die Leute bringen. Und<br />
davon kann niemand leben. Der Blick ist also ins<br />
Nachbarland gerichtet. Nach Frankreich. Dort fi nden<br />
sich auch die grossen Vorbilder. Und trotzdem,<br />
es gibt so etwas wie eine welsche Musikszene, oder<br />
besser gesagt, verschiedene Szenen. Die Musik in<br />
der französischsprachigen Schweiz ist sehr vital<br />
und lebendig, vor allem auch als Live-Musik. Zahlreiche<br />
Festivals, etwa die Genfer Fête de la musique<br />
oder das Festival de la cité in Lausanne und<br />
sonstige Auftrittsmöglichkeiten unterstützen Musiker<br />
oder solche, die es werden wollen. Einstiegsschwellen<br />
sind niedrig. So kommt auch die Musik<br />
sehr selbstverständlich und unverkrampft daher.<br />
Musik hat in der Romandie einen hohen Stellenwert.<br />
Das Chanson ist die klassische Musik aus dem<br />
französischsprachigen Raum. Eine Musik, bei der<br />
der Text im Vordergrund steht und minimal beglei-<br />
tet wird. Autor, Komponist und Sänger sind eins.<br />
Ein-Mann-Musik sozusagen, denn das Chanson ist<br />
vorab männlich: Renaud oder Alain Souchon etwa<br />
sind die Namen der letzten grossen Chansonniers<br />
im benachb<strong>art</strong>en Frankreich. Gegen diese Tradition<br />
grenzt man sich heute ab. Rockige Musik und<br />
dann vor allem der Rap hatten in der Zwischenzeit<br />
ihre Höhenfl üge und haben Spuren hinterlassen.<br />
Doch subtil kommt das Chanson zurück. Erzählt<br />
wird aus dem eigenen Leben, auf Französisch, natürlich,<br />
und meist in sehr einfachen Worten. Worte<br />
aber, die simpel nicht sind und zwischen den Zeilen<br />
Platz lassen für unerw<strong>art</strong>ete Einsichten oder für<br />
feine Ironie.<br />
Chanson neu interpretiert Schlicht und unprätentiös<br />
die Geschichten bei François Vé, der<br />
von seinem eigenen Balkon erzählt, einem privaten<br />
Reich, dem die Sonne einen Hauch Südlichkeit<br />
verleiht: Ein kleines Stück ländliches Leben<br />
inmitten der Lausanner Stadtwelt, wo Salat und<br />
Zwiebeln wachsen, wo aber auch die Gleichzeitigkeit<br />
von Nähe und Distanz im modernen Leben<br />
spürbar wird, wenn die Heimkunften und Abwesenheiten<br />
der charmanten Nachbarin notiert werden<br />
und unschuldig schuldige Blicke zu den Mädchen<br />
gleiten, die auf der Strasse unten vorübergehen.<br />
Vielschichtig ist die Sprache bei Jerôme Kisling,<br />
der eine Vorliebe für Wortspiele und Mehrdeutigkeiten<br />
pfl egt und beispielsweise so wie zwischen<br />
dem formalen vous und dem intimeren tu hin und<br />
herpendelnd, auch zwischen den Wortlauten changierend<br />
mit drängender Nähe oder schüchterner<br />
Distanz ein bald entschlosseneres, bald verletzlicheres<br />
Flirten in seiner Ambivalenz erkennbar<br />
werden lässt. Die spürbare Faszination für die eigene<br />
Sprache kommt auch in Frankreich gut an:<br />
Kisling ist von einem Pariser Plattenlabel unter<br />
Vertrag genommen und hat einen steilen Aufstieg<br />
vor sich.<br />
Zwischen Berggesang und Elektropop Musikalisch<br />
werden feine Anlehnungen gemacht an<br />
verschiedene und durchaus internationale Traditionen<br />
– elektronische Musik etwa, oder eben Pop,<br />
Rock oder auch volkstümliche Elemente wie etwa<br />
das Akkordeon und der Musette-Stil. Laurence<br />
Revey ist eine, die den Spagat zwischen moderner<br />
Avantgarde und traditionellem Volkstum bravourös<br />
meistert. Die Walliserin hat einen grossen<br />
Teil ihrer Kindheit bei ihrer Grossmutter im Val<br />
d’Anniviers verbracht und mischt die Sprache des<br />
dortigen vom Aussterben bedrohten Patois mit repetitiv<br />
hypnotisierenden Rhythmusschlaufen moderner<br />
Clubmusik. Ihr letztes Album hat sie remixen<br />
lassen von international bekannten Musikern<br />
wie Bugge Wesseltoft oder Nils Petter Molvaer.<br />
Oder auch von dem Berner Bassisten Mich Gerber,<br />
womit sie einen zweiten Spagat schafft, den über<br />
den Röstigraben.<br />
Die Musik in der Romandie zu Beginn des 21.<br />
Jahrhunderts ist ehrlich, authentisch, nicht immer<br />
erstklassig, aber lustvoll und voller Spielfreude.<br />
Mit geschriebenen Porträts, die durch grosse<br />
Nähe faszinieren, und mit Farbaufnahmen in privatem<br />
Umfeld oder bei Live-Konzerten sowie mit<br />
Tonbeispielen lädt der ehemalige Westschweizer<br />
DRS-Korrespondent Dieter Kohler ein zu einer<br />
Entdeckungsreise, die über den Deutschschweizer<br />
Horizont hinaus führt. La Welsch Music – Musik aus<br />
einem kleinen Land, die manchmal aber auch ganz<br />
gross ist.<br />
Dieter Kohler<br />
La Welsch Music<br />
Chanson, Pop und Rap aus der Westschweiz<br />
Mit Musik-CD und Fotografi en von Ute Schendel<br />
Christoph Merian Verlag 2006<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 33
magazin<br />
REISEZIEL HOTEL<br />
das luxushotel für kleine leute<br />
Von Andrea Baumann (Bild: zVg.)<br />
■ Einmal wie Adelsleute zur Jahrhundertwende<br />
in einem Luxushotel nächtigen – und dies zu äusserst<br />
moderaten Preisen? Gibt es denn dies überhaupt?<br />
Das 100-jährige Hotel Regina mitten im<br />
Dorfzentrum von Mürren bietet die Gelegenheit.<br />
Nachdem die beiden Weltkriege Europa merklich<br />
gezeichnet hatten und eine Gesellschaftsumschichtung<br />
herbeiführten, blieb die edle Kundschaft<br />
aus, so dass viele Hotelpaläste in den Alpen<br />
den Glanz verloren und die Fassade zu bröckeln<br />
begann. Karl Burkh<strong>art</strong>, Hüttenw<strong>art</strong> des Naturfreundehauses<br />
in Grindelwald, entdeckte eine<br />
Marktlücke als er solche Betriebe relativ günstig<br />
aufkaufte und für die Mittelschicht öffnete. Denn<br />
in den 50er Jahren hatten die Leute dank des<br />
Wirtschaftswunders wieder Geld in der Tasche<br />
und wollten sich mehr leisten als ein Massenlager.<br />
Burkh<strong>art</strong>s Idee fasste Fuss und so folgten ihm seine<br />
Naturfreunde bald nach St. Moritz, Davos, Pontresina<br />
oder Engelberg.<br />
Zusammen mit einer befreundeten Familie kaufte<br />
Burkh<strong>art</strong> in den 60er Jahren das Hotel Regina.<br />
Über die Jahre ist die Kundschaft anspruchvoller<br />
geworden, dies weiss auch der heutige Geschäftsführer<br />
der Hotel Regina Mürren AG, Peter Burkh<strong>art</strong><br />
zu berichten: «War früher das Motto möglichst<br />
einfache und billige Übernachtungsmöglichkeiten<br />
anzubieten, so sind heute die Ansprüche schon<br />
etwas gestiegen. Es ist uns aber immer noch ein<br />
Anliegen, günstig zu sein und eine lockere Atmosphäre<br />
anzubieten». Es braucht demnach ein gutes<br />
Fingerspitzengefühl bei einem solchen Prachtsbau<br />
die Betriebskosten tief zu halten, ohne dass die<br />
Urlaubsstimmung der Gäste beeinträchtigt wird.<br />
Wichtig ist der Hotelleitung, das Haus weiterhin familienfreundlich<br />
zu führen. Frau Bergert vom Regina<br />
rät deshalb Gästen, die Ruhe suchen, nicht während<br />
den Sportferien zu kommen. Während dieser<br />
Zeit toben bis zu 50 Kinder im Hotel herum.<br />
Eine Konsequenz, die das Konzept mit sich<br />
bringt, ist, dass nicht alle Zimmer mit Toilette /<br />
34<br />
Bad bestückt sind. Fernseher sucht man auch vergebens.<br />
Ausserdem wieseln keine Kellner herum<br />
und servieren à la c<strong>art</strong>e Gerichte. Zum Frühstück<br />
gibt es ein einfaches Buffet und abends ein währschaftes<br />
Menü. Trotz diesen kleinen Serviceeinschränkungen,<br />
soll der Gast die ausserordentliche<br />
Ambiance, die nach wie vor ausgestrahlt wird, in<br />
vollen Zügen geniessen können. Die enorm grosszügigen<br />
Räume, die Panoramafenster, der Speisesaal,<br />
der Ballsaal, die knarrenden Parkettböden,<br />
die Kandelaber, die schmiedeisernen Balkone sind<br />
alles Zeitzeugen einer prunkvollen Epoche. Luxus<br />
pur verspricht indes die schönste und grösste Sonnenterrasse<br />
von Mürren mit atemberaubenden<br />
Blick auf das Jungfraumassiv. Was kann sich ein<br />
Feriengast mehr wünschen als Sonne, Alpensicht<br />
und dies ganz ohne Verkehrslärm. Mürren ist als<br />
einer der wenigen autofreien Orte in der Alpenregion<br />
einzig<strong>art</strong>. Der amerikanische Literat Mark<br />
Twain hielt in seinem 1878 verfassten Reisebericht<br />
«Bummel durch Europa» Folgendes fest: «Als wir<br />
am nächsten Morgen zum Fenster hinausschauten,<br />
bot sich uns ein wunderbarer Anblick. Jenseits des<br />
Tales, und scheinbar ganz nachbarlich und nahe,<br />
ragte hinter einer Toröffnung im näherliegenden<br />
Vorgebirge die Riesengestalt der Jungfrau kalt<br />
und weiss in den klaren Himmel.»<br />
Die reiche Klientel kam nicht nur der bezaubernden<br />
Atmosphäre und des Komforts wegen ins<br />
Regina. Nein, auch das Unterhaltungsprogramm<br />
entsprach ihren Vorstellungen. Von Ballabenden,<br />
Konzerten, Kegelp<strong>art</strong>ien, Curling-Cups ganz zuschweigen,<br />
war eine der Hauptattraktionen die<br />
Bobbahn, die vom Allemendhubel direkt am Hotel<br />
Regina vorbeiführte. Die Terrasse bot für diesen<br />
Spass die allerbesten Logenplätze. Leider wird<br />
diesem Wintervergnügen in Mürren nicht mehr<br />
gefröhnt. Die damaligen Gäste bezahlten enorme<br />
Summen, um den selben Standard wie zuhause<br />
auf dem Schloss zu haben. Dies ist auch der Grund,<br />
weshalb viele Hotelbauten aus dieser Zeit «Palace»<br />
heissen, ganz nach dem Motto: «My home ist my<br />
castle oder eben palace».<br />
Zur Jahrhundertwende bis in die 40er Jahre<br />
waren in erster Linie britische Gäste in Mürren<br />
anzutreffen. Während dieser Blütezeit erlebte der<br />
Ferienort eine Reihe von Ersterwähnungen, die allesamt<br />
auf das Konto des britischen Pioniergeistes<br />
gingen. So steckte 1922 Sir Arnold Lunn in Mürren<br />
das erste Slalomrennen in der Geschichte des alpinen<br />
Skisports aus. 1930 wird die erste Skischule<br />
der Schweiz gegründet oder ein paar Jahre später<br />
organisierte der britische Skiverband die ersten<br />
Alpinen Weltmeisterschaften im Slalom und in der<br />
Abfahrt. Die Geschichte des alpinen Skisports in<br />
Mürren ist jedoch eng mit dem 1928 ins Leben gerufene<br />
Infernorennen verbunden. Dieses waghalsige<br />
Rennen, das am Schilthorn st<strong>art</strong>et und über<br />
15,8 km nach Lauterbrunnen führt, ist noch heute<br />
ein beliebter Volksevent.<br />
Weltberühmt wurde Mürren mit dem Drehrestaurant<br />
«Piz Gloria» auf dem Schilthorn, das<br />
dem Bond-Thriller «Im Geheimdienst Ihrer Majestät»<br />
einen spektakulären Schauplatz bescherte.<br />
Aufgrund der geografi schen Lage konnte Mürren<br />
sich nicht beliebig ausdehnen. So blieb der<br />
beschauliche Dorfcharakter erhalten, der nach wie<br />
vor einen Hauch von britischer Lebensweise versprüht.<br />
Wer den Weg nicht scheut auf 1650 m über<br />
Meer mit der Seilbahn zu gelangen, wird mit einem<br />
herrlichen Bergpanorama und himmlischer Ruhe<br />
belohnt.<br />
Anreise: Seilbahn ab Lauterbrunnen oder Schilthornbahn<br />
ab Stechelberg (Parkplätze vorhanden),<br />
Wagen für den Gepäcktransport zum Hotel<br />
stehen an beiden Stationen zur Verfügung.<br />
Hotel Regina, 3825 Mürren<br />
Telefon +41 33 855 42 42, Fax +41 33 855 20 71<br />
hotel-regina@muerren.ch<br />
www.regina-muerren.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
REISEN<br />
vancouver<br />
Von Simone Wahli - Object May Be Closer Then They Appear Vol II: Nur nicht in Italien!<br />
■ Standardisierte Gemütlichkeit Es ist ein regnerischer<br />
Montag in North Vancouver, mit einem<br />
Buch und einer Tall Vanilla Latte sitze ich in einem<br />
der Armsessel in einer der unzähligen Starbucks-<br />
Filialen, neben mir ein mir unbekannter Mann,<br />
möglicherweise Autor, jedenfalls hat er sein Notizbuch<br />
dabei und macht sich eifrig Notizen, mir<br />
gegenüber eine junge Frau, wahrscheinlich Studentin,<br />
die Nase in einem Lehrbuch. Wir alle verbringen<br />
mehrere Stunden hier.<br />
Jahrzehnte nachdem die Kaffeehaus-Kultur in<br />
den meisten europäischen Städten ausgestorben<br />
zu sein scheint, entdeckt der Nordamerikanische<br />
Kontinent und mit ihm der Rest der Welt das Kaffeehaus<br />
unter dem Namen Starbucks, dessen<br />
scheinbare Gemütlichkeit dazu verleitet, ihn als ein<br />
erweitertes Wohnzimmer zu empfi nden. Die Armsessel,<br />
die Musik der Fünfziger sowie die gedimmten<br />
Ständerlampen schaffen ein Ambiente der Gemütlichkeit.<br />
Dennoch kann sich der unp<strong>art</strong>eiische<br />
Beobachter nicht der Frage erwehren, weshalb die<br />
solcher<strong>art</strong> animierten Gäste in ihren eigenen vier<br />
Wänden nicht eine ähnliche Stimmung erschaffen<br />
beziehungsweise warum sie, wenn sie ein vergleichbares<br />
Wohnzimmer ihr eigen nennen dürfen,<br />
sich nicht dort aufhalten?<br />
The Third Place in unser aller Leben Das beschriebene<br />
Interieur hat jedoch genau diese Intention,<br />
nämlich, dass der potentielle Stammgast<br />
das Lokal als The Third Place in seinem Leben integriert,<br />
als Drittes folglich neben seinem Zuhause<br />
und seiner Arbeit.<br />
Obwohl Starbuckseigentümer Howard Schultz<br />
sich seit dem Jahre 1987 auf eine italienische<br />
Espresso-Bar in Mailand als Inspiration für seine<br />
heute insgesamt 10‘800 Filialen beruft und diese<br />
Anekdote auch bei jeder neuen Filialeröffnung mit<br />
glänzenden Augen wiedergibt, könnte die Atmosphäre<br />
womöglich nicht weiter davon entfernt<br />
sein. Umso weniger verwundert es, dass bis ins<br />
Jahr 2006 keine Starbucks-Filialen in Italien existieren,<br />
denn das wäre Eulen nach Athen tragen.<br />
Den Italienern die Idee des Kaffees neu zu verkaufen<br />
scheint selbst für den geborenen Verkäufer<br />
Schultz ein Ding der Unmöglichkeit.<br />
Dennoch sind in den meisten anderen Ländern<br />
dieser Welt offenbar eben jene Orte künstlich erschaffener<br />
Gemütlichkeit in einer Zeit, welche von<br />
einer stetig stärker werdenden Anonymisierung<br />
gekennzeichnet ist, von immanenter Bedeutung<br />
- eine standarisierte Gemütlichkeit in einer standardisierten<br />
Zeit.<br />
Die Realisierung eines Traums Der weltweite<br />
Siegeszug hätten die ursprünglichen Erfi nder von<br />
Starbucks, Gerald Baldwin, Gordon Bowker und Zev<br />
Siegl, beinahe verhindert. Ihr Geschäft in Seattle,<br />
Washington für Kaffebohnen und Kaffeezubehör<br />
sollte nie zu einem globalen Unternehmen wachsen.<br />
Als sie 1982 Howard Schultz als Manager<br />
einstellten, hatten sie jedoch ohne ihr Wissen den<br />
Verkauf ihrer Firma bereits unterschrieben. Denn<br />
auch wenn sich Schultz 1985 von ihnen trennte und<br />
seine eigene Kette Il Giornale eröffnete, realisierte<br />
er seinen Starbucks-Traum im Jahre 1987, indem er<br />
die Gründungsmitglieder mit 3,8 Millionen Dollar<br />
abfertigte. Fortan stand der Name Starbucks nicht<br />
mehr nur für Kaffeezubehör, sondern vor allem für<br />
schnell zubereiteten hochwertigen Kaffee.<br />
Erfolgsgeheimnisse In den neunziger Jahren<br />
des letzten Jahrhunderts galt Starbucks als einer<br />
der besten Arbeitgeber Nordamerikas, keine<br />
Restaraunt- oder Fast-Food-Kette verzeichnete<br />
eine niedrigere Fluktuationsrate. Schultz bezahlte<br />
seinen Mitarbeitern mehr als den Mindestlohn,<br />
garantierte ihnen eine gute Krankenversicherung<br />
und liess sogar Teilzeitkräfte in den Genuss von<br />
Aktienoptionen kommen. Ehemalige Angestellte<br />
malen jedoch ein anderes Bild, sprechen von der<br />
schieren Unmöglichkeit, die Karriereleiter hochzuklettern<br />
und von der Wertlosigkeit der erhaltenen<br />
Aktien.<br />
Und doch muss Starbucks, zumindest was die<br />
Schulung seiner Mitarbeiter anbelangt, etwas richtig<br />
machen, denn diese sind fast ohne Ausnahme<br />
freundlich und effi zient, und dies rund um den Erdball.<br />
Ein weiteres Erfolgsgeheimnis ist die Ausschaltung<br />
der Konkurrenz, entweder durch deren Aufkauf<br />
oder durch agressives Verhalten auf dem Immobilienmarkt.<br />
Mitbewerber werden insbesondere<br />
dadurch geschwächt, dass Schultz seine Filialen<br />
möglichst nahe beieinander eröffnet. Dies, um die<br />
W<strong>art</strong>ezeit während Stosszeiten zu verkürzen, jedoch<br />
auch um die Auswahlmöglichkeiten an sich<br />
einzuschränken.<br />
Dies lässt sich am Beispiel Vancouvers sehr gut<br />
magazin<br />
illustrieren: Auf meiner fünfminütigen Busfahrt<br />
zum Hafen in North Vancouver passiere ich insgesamt<br />
drei Starbucksfi lialen. Das letzte, was ich vor<br />
der Abfahrt mit dem Seabus sehe, ist Starbucks<br />
(sowie McDonalds) und auf der gegenüberliegenden<br />
Seite der Bucht werde ich wiederum als erstes<br />
von einer Starbucksfi liale empfangen.<br />
Eine Art Heimathafen? Warum bin ich hier?<br />
Weil ich genau weiss, was ich erhalte. Der Kaffee<br />
schmeckt überall identisch. Aus demselben Grund<br />
gehe ich im Ausland zu McDonalds, wenn mir das<br />
dortige Essen nicht schmeckt oder mich die Lust<br />
auf eine mir bekannte Speise überkommt. Genau<br />
dies ist die Aufgabe von Supermarkt-, Kaffeehaus-<br />
oder Fast-Food-Ketten: Sie schüren keine unerfüllbaren<br />
Erw<strong>art</strong>ungen, versprechen nichts, was sie<br />
nicht halten könnten. Sie sind ein sicherer Hafen,<br />
unabhängig von Ort und Zeit und können gerade<br />
deshalb zu Orten der Erinnerung werden, insofern<br />
mich das Starbucks-Café in Basel oder Bern an jenes<br />
in New York, Vancouver oder Peking erinnert.<br />
Ketten werden zu Brückenbauern, dadurch, dass<br />
sie einen gemeinsamen Referenzrahmen schaffen,<br />
ohne Beziehung zur jeweiligen Kultur und<br />
ohne oder nur mit minimen Verweisen auf diese.<br />
In einer Welt, welche uns täglich mehr Flexibilität<br />
abfordert, in der wir von Berufs wegen oder aus<br />
privaten Gründen zum Reisen gezwungen sind,<br />
bedeuten Orte wie dieser eine Heimat, die wir uns<br />
nicht erarbeiten müssen. Vom Kundenservice über<br />
die Aromanote, ja bis hin zu den Toiletten erw<strong>art</strong>et<br />
mich, was ich bereits kenne. Wir sind nicht gezwungen<br />
durch ein langwieriges Prozedere von Trial<br />
and Error herauszufi nden, in welchem Café die<br />
freundlichste Bedienung oder der beste Kaffee zu<br />
fi nden ist - folglich eine Art Instantbefriedigung.<br />
Und doch, kann ein Ort wie dieser mit der ursprünglichen<br />
Idee eines Kaffehauses verglichen<br />
werden, welches es nur ein einziges Mal an einem<br />
einzigen Ort auf dieser Welt gibt und dessen Entdeckung<br />
uns mit einem nachhaltigen Gefühl der<br />
Zufriedenheit erfüllt und dazu beiträgt, dass wir<br />
eben diesen Ort als so einzig<strong>art</strong>ig empfi nden?<br />
Das nächste Mal also von jenen besonderen Orten,<br />
die Vancouver zu Vancouver machen.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 35
magazin<br />
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ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07
ar <strong>art</strong>ensuite nsuite<br />
nr. 01/2007<br />
Titelseite: Erik Dettwiler<br />
Levitation, 2001, Videoarbeit, 3:20 Min<br />
Ausstellungskritiken Berner Galerien siehe Seite 43<br />
Kunst für jeden Geschmack 38 | Greift Rudolf Steiner nach dem Pfefferspray... 39 | Hofstettenstrasse 2006 40 | Experimentelles<br />
im Zeichen der Zeit 40 | Kunst im Buch 41 | Galerienseiten 42/43 | Kunstmenschen 46 | Berner Galerien<br />
47 | Augenspiel 50 | Impressum 50 | Berner Museen Bern / Biel / Thun 51<br />
www.<strong>art</strong>ensuite.ch
38<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Installationsaufnahme<br />
Saal 9 «Bilderzimmer» von<br />
Anton Henning.<br />
© Kunstmuseum Luzern,<br />
Foto: Stefano Schröter<br />
Modell für ein<br />
Museum<br />
Kunstmuseum<br />
Luzern<br />
Europaplatz 1.<br />
Geöffnet Dienstag<br />
bis Sonntag<br />
10:00-17:00 h,<br />
Mittwoch 10:00-<br />
20:00 h.<br />
Bis 18. Februar.<br />
Kunst für jeden Geschmack<br />
■ Über Geschmack und Kunst lässt<br />
sich bekanntlich ja gut und gerne<br />
streiten. Wer dies wieder einmal ausgiebig<br />
tun möchte, dem bietet die aktuelle<br />
Ausstellung im Kunstmuseum<br />
Luzern genügend Diskussionsstoff.<br />
Von Monique Meyer<br />
Die Ausstellung «Modell für ein Museum»<br />
hält für jeden Kunstgeschmack<br />
eine Menge Kunst bereit, denn sie<br />
präsentiert die Sammlung des Museums<br />
auf eine ganz besondere Art. Es<br />
geht darum, die Institution Museum<br />
von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten.<br />
Die Realisation dieser Ausstellung<br />
geht aus dem «Projekt Sammlung<br />
04-06» hervor, mit welchem sich<br />
der Sammlungskonservator Christoph<br />
Lichtin seit zwei Jahren befasst. Dieses<br />
Projekt, das nun bis Ende 2007<br />
verlängert wird, widmet sich dem<br />
Museum als Sammlungs-, Erinnerungs-<br />
und Repräsentationsstätte.<br />
Das Projekt beinhaltet einerseits das<br />
zeitgemässe Erfassen der gesammelten<br />
Kunstwerke, d. h. sie werden wissenschaftlich<br />
dokumentiert, in einer<br />
digitalen Datenbank erfasst und für<br />
vielfältige Nutzungen zugänglich gemacht.<br />
Andererseits geht es darum,<br />
die Konservierung der Kunstwerke<br />
zu gewährleisten und schliesslich<br />
neue Formen der Präsentation in den<br />
gegebenen Räumlichkeiten zu entwickeln.<br />
In diesem Rahmen möchte<br />
das Museum die bereits bestehenden<br />
Sammlungsschwerpunkte wie Zentralschweizer<br />
Kunst, nationale und<br />
internationale Gegenw<strong>art</strong>skunst seit<br />
1970 oder Kunst mit neuen Medien<br />
durch Ankäufe ausbauen und weiterentwickeln.<br />
Damit erhofft man sich<br />
auch, dass die Sammlung mit neuen<br />
Möglichkeiten in die Ausstellungstätigkeit<br />
integriert wird.<br />
In zwölf Räumen werden nun die<br />
Sammlungsbestände aus verschiedenen<br />
Kunstepochen und Stilrichtungen<br />
vorgestellt. Die unterschiedlich<br />
geordneten Räume zeigen, wie jeder<br />
Kunstgattung jeweils eine andere<br />
Form der Ausstellung zukommt. Die<br />
verschiedenen Modelle werden auf<br />
interessante Weise konfrontiert und<br />
zeigen dem Besucher auf einer Metaebene<br />
die gestalterischen Möglichkeiten<br />
eines Museums auf.<br />
Im ersten Raum, der «Kunsthalle»,<br />
stehen der grossformatigen Malerei<br />
der 1970er und 1980er Jahre, u. a.<br />
Gemälde von M<strong>art</strong>in Disler, Rolf Winnewisser<br />
und Franz Wanner, grosse,<br />
weiss getünchte Wandflächen zur<br />
Verfügung. In einem weiteren Raum,<br />
dem «Oberlichtsaal», werden Gemälde<br />
des 19. Jahrhunderts präsentiert.<br />
Die Wände mit den Landschaftsmalereien<br />
von Robert Zünd, Alexandre<br />
Calame, Léopold Robert etc. sind<br />
grün-grau abgetönt, die weisse Fläche<br />
in der oberen Wandhälfte begünstigt<br />
das Licht im Raum, das von der De-<br />
cke einfällt. Dennoch wirkt ein solcher<br />
Raum eher düster und kalt. Ein<br />
Gegenmodell zu diesem klassischen<br />
Raum bildet das «Bilderzimmer». Der<br />
Maler Anton Henning verwandelt seinen<br />
Raum in satte, leuchtende Farben<br />
und gestaltet ihn mit einer «Crossover»-Installation<br />
von Gemälden, Möbeln,<br />
Skulpturen Wandmalereien und<br />
Videos.<br />
Zwei unterschiedliche Sammlungen<br />
erhalten in der Ausstellung besonderes<br />
Gewicht. Zum einen wird<br />
die Sammlung Walter Minnich, die<br />
dem Kunstmuseum 1937 geschenkt<br />
wurde, erstmals in seiner Gesamtheit<br />
gezeigt. Die Sammlung enthält Werke<br />
von Max Pechstein, Chaim Soutine,<br />
Raoul Dufy, Maurice de Vlamick sowie<br />
Monotypien von Moriz Melzer.<br />
Zum anderen wird die Fotosammlung<br />
«I Am a Museum» des seit langem in<br />
Luzern lebenden Fotografen und<br />
Schriftstellers Allan Porter vorgeführt.<br />
Die ausgestellten Fotografien sind für<br />
Porter vor allem «lebendiges Archiv<br />
und Arbeitsmittel».<br />
Die unterschiedlich gestalteten<br />
Räume bieten dem Besucher eine<br />
wahre Entdeckungsreise durch die<br />
Vielfältigkeit der Kunstgeschichte und<br />
der Möglichkeiten des Ausstellens in<br />
einem Museum. Wenn auch nicht in<br />
jeden Raum alles ganz verständlich<br />
wird, so kann man aber trotzdem immer<br />
wieder staunen und innehalten.<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07
Greift Rudolf Steiner nach<br />
dem Pfefferspray …<br />
… verlassen die demo-unerprobten<br />
Vernissagebesucher die schützende<br />
Wärme und setzen ihre angeregten<br />
Gespräche bei Minustemperaturen<br />
fort. Zur Eröffnung der diesjährigen<br />
Weihnachtsausstellung in der Kunsthalle<br />
hat sich viel Volk eingefunden.<br />
Dies ist nicht weiter verwunderlich,<br />
Von Monika Schäfer<br />
stellen doch ausschliesslich in Bern<br />
ansässige, respektive arbeitende<br />
KünstlerInnen aus, darunter Leute,<br />
deren Namen sich im kollektiven Gedächtnis<br />
der Berner Kunstinteressierten<br />
längst eingeprägt haben. Von insgesamt<br />
114 BewerberInnen konnten<br />
sich 19 Kunstschaffende bei der Jury<br />
behaupten. Verglichen mit der letztjährigen<br />
unjurierten Ausstellung, die<br />
– unter Einbezug der Räumlichkeiten<br />
von PROGR, Stadtgalerie und Kunstmuseum<br />
– Werke von 42 KünstlerInnen<br />
umfasste, eine eher bescheidene<br />
Anzahl Beteiligter. Dafür ist die Ausstellung<br />
übersichtlich gestaltet und ermöglicht<br />
eine vertiefte Auseinandersetzung<br />
mit den meist mit mehreren<br />
Werken vertretenen KünstlerInnen.<br />
Auch ist der Kunsthalle eine äusserst<br />
vielseitige Werkschau gelungen: Fotografie,<br />
Ölmalerei, Aquarell, Raum-,<br />
Wand- und Videoinstallationen sorgen<br />
für einen abwechslungsreichen<br />
Ausstellungsbesuch.<br />
Andrea Loux, in Bern unter anderem<br />
durch Videoinstallationen in<br />
PROGR und Stadtgalerie bekannt,<br />
präsentiert die Fotoarbeit «My Fami-<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />
ly». Sie nimmt Familienfotos aus dem<br />
Internet, kennzeichnet mögliche Beziehungen<br />
zwischen den Porträtierten<br />
durch Pfeile und Kreise und erinnert<br />
uns daran, welche internen Zwiste<br />
und Intrigen hinter einer nach aussen<br />
hin strahlend lächelnden Familienfassade<br />
stecken können – ein ironischer<br />
Hinweis auf die bevorstehende weihnächtliche<br />
Familienfeier?<br />
Von den drei Videoinstallationen<br />
sticht, im wahrsten Sinne des Wortes,<br />
Peter Aerschmanns «Eyes» ins Auge.<br />
Der Künstler hat drei Personen gefilmt,<br />
aus ihrer natürlichen Umgebung<br />
herausgelöst und vervielfacht. So treffen<br />
sich in «Eyes» eine verhüllte ägyptische<br />
Zoobesucherin und zwei bis<br />
auf die Augen verhüllte New Yorker<br />
Verkehrspolizisten in einem neutralen<br />
grauen Raum. Indem Aerschmann<br />
die einzelnen Figuren und deren Bewegungsablauf<br />
vervielfacht und übereinanderlegt,<br />
entsteht ein seltsames<br />
in einem leeren Raum stattfindendes<br />
Nebeneinander, das unterschiedliche<br />
Interpretationen zulässt: Geprägt<br />
durch die Medienberichterstattung<br />
rund um die Terroranschläge der vergangenen<br />
fünf Jahre werden bei der<br />
Betrachtung von Aerschmanns Videoarbeit<br />
unweigerlich Assoziationen<br />
wachgerufen, die mit Zoobesuch und<br />
Verkehrsregelung herzlich wenig zu<br />
tun haben. «Eyes» führt uns vor, wie<br />
stark unsere Wahrnehmung in bereits<br />
vorgegebene Deutungsmuster eingebettet<br />
und deshalb bis zu einem gewissen<br />
Grad manipulierbar ist.<br />
Gleich mit zwei Werkgruppen prä-<br />
sent ist Francisco Sierra. Während er<br />
in «Eines Tages kommen wir zur Ruh’»<br />
mit der fotorealistischen Darstellung<br />
eines eingepferchten Schweins, der<br />
Präsentation eines Biskuit-Hundes<br />
und der Fotografie einer regungslos<br />
daliegenden Schönheit in dreifacher<br />
Weise einen kritischen Blick auf die<br />
Verdinglichung von Lebewesen wirft,<br />
offenb<strong>art</strong> er uns in «ExBoligrafo und<br />
ein Selbstporträt» gewissermassen<br />
sein Innenleben: Sierra hat neben<br />
sein Selbstporträt in Gertsch-Manier<br />
24 kleinformatige Ölbilder gehängt,<br />
die mit ihren grottesken und makabren<br />
Figuren an Höllen-Szenarien von<br />
Hieronymus Bosch und an Goyas<br />
beängstigende «Caprichos» erinnern.<br />
Die seltsam anrührenden und zugleich<br />
abstossenden Miniaturen sind<br />
präzise Weiterverarbeitungen von<br />
Kugelschreiberzeichnungen, sogenannten<br />
«boligrafos», in denen Sierra<br />
Gedankengänge und Beobachtungen<br />
spontan festgehalten hat. Mit den surrealistisch<br />
anmutenden «ExBoligrafo»<br />
gewährt uns der Künstler gewissermassen<br />
Einblick in sein Innenleben,<br />
in diejenigen Welten, die wir hinter<br />
dem eindringlichen Blick des Porträtierten<br />
vermuten möchten.<br />
Und um noch einmal auf die Pfefferspray-Performancezurückzukommen:<br />
Wenn ich mich bisher beim<br />
Erklingen des Namens Rudolf Steiner<br />
eurhythmisch hin und her gewiegt<br />
habe, so huste ich heute und schneuze<br />
die triefende Nase – fürwahr eine<br />
Horizonterweiterung…<br />
Francisco Sierra, ExBoligrafo,<br />
2005/06, Ölfarbe<br />
und Firnis auf Baumwolle,<br />
je 18 x 24 cm<br />
Weihnachtsausstellung<br />
2006/07<br />
Kunsthalle Bern,<br />
Helvetiaplatz 1.<br />
Geöffnet Dienstag<br />
10:00-19:00<br />
h, Mittwoch bis<br />
Sonntag 10:00-<br />
17:00 Uhr. Bis<br />
7. Januar.<br />
<strong>art</strong>ensuite 39
40<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Stefan Guggisberg, Ohne<br />
Titel, 2006, Öl auf Papier,<br />
200 x 150 cm<br />
Regine von Felten, Pilze<br />
haben keine Blätter, 2004,<br />
Digitalfotografi e aus Serie,<br />
nachbearbeitet mit Kreide,<br />
Filzstift, Schere, auf Plexiglas,<br />
18.9 x 28 cm<br />
Reto Leibundgut, Roger<br />
III, 2005, Gobelin, 40,5<br />
x 30 cm<br />
Hofstettenstrasse<br />
2006<br />
Kunstmuseum<br />
Thun, Hofstettenstrasse<br />
14.<br />
Geöffnet Dienstag<br />
bis Sonntag<br />
10:00-17:00 h,<br />
Mittwoch 10:00-<br />
21:00 h. Bis 14.<br />
Januar.<br />
Giovanni Giacometti.<br />
Arbeiten<br />
auf Papier<br />
Kunstmuseum<br />
Solothurn, Werkhofstrasse<br />
30.<br />
Geöffnet Dienstag<br />
bis Freitag<br />
11:00-17:00 h,<br />
Samstag bis<br />
Sonntag 10:00-<br />
17:00 h.<br />
Bis 28. Januar.<br />
Hofstettenstrasse 2006<br />
■ Alle Jahre wieder präsentiert das<br />
Kunstmuseum Thun das aktuelle regionale<br />
Kunstschaffen. 2006 ist die<br />
Hofstettenstrasse Ausstellung geprägt<br />
von Malerei und Fotografie, installative<br />
Arbeiten wie auch Skulpturen<br />
sind leicht untervertreten. Die Palette<br />
aber ist breit, was Techniken, Stile<br />
und Jahrgänge angeht. Und wie jedes<br />
Jahr ist man überrascht, dass in einer<br />
Kleinstadt wie Thun nebst dem<br />
Waffenplatz ein äusserst reger Kunstbetrieb<br />
herrscht. Aus Solidarität zu<br />
Experimentelles im Zeichen der Zeit<br />
■ In seiner Reihe von Ausstellungen<br />
zu Papierarbeiten bedeutender<br />
Schweizer Künstler gewährt das<br />
Kunstmuseum Solothurn im graphischen<br />
Kabinett derzeit einen Einblick<br />
in das Schaffen Giovanni Giacomettis.<br />
Das Werk des vor allem durch<br />
nachimpressionistische Freilichtmalerei<br />
bekannt gewordenen Künstlers<br />
umfasst eine grosse Anzahl grafischer<br />
Arbeiten, die der Öffentlichkeit in<br />
diesem Umfang bisher noch nicht zugänglich<br />
war.<br />
Die technischen Fähigkeiten Giacomettis<br />
treten in der Bandbreite der<br />
ausgestellten Aquarelle, Radierungen,<br />
Holzschnitte, Pastelle und Zeichnungen,<br />
die sich über seine gesamte<br />
Schaffensphase erstrecken, deutlich<br />
zu Tage. Insbesondere Landschaftsdarstellungen,<br />
sowie Porträts bestimmen<br />
den thematischen Rahmen der<br />
gezeigten Arbeiten, darunter auch<br />
Skizzen und Entwürfe für einige seiner<br />
Ölbilder. Die weitgehend chrono-<br />
all jenen Künstlern, die in der Presse<br />
bisher nicht erwähnt wurden, seien<br />
alle hier aufgelistet; es lohnt sich, die<br />
Ausstellung nicht zu verpassen. (ts)<br />
Künstlerinnen und Künstler:<br />
Marianne Baumann, Manuel Burgener,<br />
Erik Dettwiler, Diana Dodson,<br />
Hanspeter Gempeler, Marco Giacomoni.<br />
Alexandre Güdel, Stefan Guggisberg,<br />
Filip Haag, Mirjam Helfenberger,<br />
Christian Helmle, M<strong>art</strong>a Herzog,<br />
logisch angeordnete Ausstellung zeigt<br />
viel Experimentelles im Zeichen der<br />
jeweiligen Kunstströmungen der Zeit.<br />
Dazu zählen neben Annäherungen an<br />
den Pointillismus, expressionistische<br />
Umrissbetonungen und dem Fauvismus<br />
zugewandte Farbspiele vor allem<br />
Anklänge an die Arbeiten seines<br />
Vorbildes Segantini. Insbesondere die<br />
ausgestellten Gruppen verschieden<br />
farbig gedruckter Holzschnitte, deren<br />
Druckstöcke ebenfalls zu sehen<br />
sind, vermitteln das besondere Gespür<br />
Giacomettis für Farbe und Form.<br />
Die sichere Aufnahme der künstlerischen<br />
Tendenzen seiner Umgebung<br />
täuscht jedoch nicht darüber hinweg,<br />
dass es dem grafischen Werk Giacomettis<br />
an Originärem fehlt. Im sich<br />
aufdrängenden Vergleich der Arbeiten<br />
Giovannis mit dem Werk seines<br />
ungleich berühmteren Sohnes Alberto<br />
muss dieser Mangel einer eigenen<br />
Linie verstärkt ins Auge fallen. Doch<br />
gerade im Bereich der menschlichen<br />
Burkhard Hilty, Béatrice Hofer-Gysin,<br />
Paul Le Grand, Reto Leibundgut, Myriam<br />
Aline Loepfe, M<strong>art</strong>in Loosli. Patrik<br />
Marcet, Jürg Maurer, Chantal Michel,<br />
Ernesto Nicolai, Olivia Notaro,<br />
Kai Rheineck, Dominik Stauch, Reto<br />
Steiner, Egle Vido, Regine von Felten,<br />
Bendicht Walthert.<br />
Figur, der als Knotenpunkt des Werks<br />
Albertos angesehen werden kann,<br />
vermittelt die Solothurner Ausstellung<br />
mit den ausgewählten Zeichnungen<br />
eine enge innere Beziehung von Vater<br />
und Sohn. Insbesondere die beiden<br />
feinnervigen Darstellungen Giovannis<br />
von seiner Frau Annetta von 1923<br />
und einer in Silberstift gearbeiteten<br />
von Alberto aus dem Jahr 1922 zeugen<br />
von einem aussergewöhnlichen<br />
Einfühlungsvermögen in sein Gegenüber<br />
und die künstlerischen Mittel.<br />
Eine erfreuliche Fügung für das<br />
Kunstmuseum Solothurn und das an<br />
der Ausstellung massgeblich beteiligte<br />
Bündner Kunstmuseum Chur (wo die<br />
Ausstellung im Anschluss zu sehen<br />
sein wird) ergab sich in der Schenkung<br />
der zunächst als Leihgaben für<br />
die Ausstellung entgegengenommenen<br />
Werke aus dem Besitz von Bruno<br />
und Odette Giacometti. (ns)<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07
Kunst im Buch<br />
Standardwerk<br />
■ Weisses Kreuz auf rotem Grund.<br />
Bereits im geometrisch ausgestalteten<br />
Einband zeigt sich bildlich, worum<br />
sich der Inhalt dreht: um das «Kunstschaffen<br />
in der Schweiz, 1848-2006»,<br />
so der Titel der jüngsten Publikation<br />
des Schweizerischen Institut für<br />
Kunstwissenschaft. Entstanden ist<br />
kein herkömmliches Lexikon, sondern<br />
ein äusserst lesenswertes Buch, das<br />
sich in längeren Texten mit einzelnen<br />
Aspekten der Kunstwelt auseinandersetzt,<br />
wobei das Schwergewicht auf<br />
dem sozialen Feld und seinen Bedingungen<br />
liegt, wo Kunst entsteht und<br />
rezipiert wird. In neunundzwanzig<br />
fundierten Aufsätzen werden Einblicke<br />
in verschiedene Sp<strong>art</strong>en der Geschichte<br />
der Kunst gewährt, wobei<br />
die Autoren sowohl aus der Sicht der<br />
Wissenschaft wie auch aus der musealen<br />
Praxis berichten und aus diesen<br />
unterschiedlichen Perspektiven für<br />
eine abwechslungsreiche Mischung<br />
sorgen.<br />
Unter der Überschrift «Zeitlinien»<br />
wird zunächst ein Überblick über<br />
stilistische Entwicklungen und historische<br />
Fixpunkte gegeben, flankiert<br />
von Bilddokumenten der bedeutendsten<br />
künstlerischen Werke der<br />
jeweiligen Zeit. Es folgen Schlaglichter<br />
auf einzelne Aspekte, beginnend<br />
mit dem Engagement des Staates,<br />
dem die Kunst einerseits eine «Nationale<br />
Identität» verleihen kann, aber<br />
andererseits auch als Förderstelle in<br />
Anspruch genommen wird und beispielsweise<br />
einen Länderpavillon an<br />
der Kunstbiennale Venedig zur Verfügung<br />
stellt. Nach den politischen Rahmenbedingungen<br />
werden sowohl der<br />
Kunstmarkt, die Kunstkritik, Sammler<br />
und Ausbildungsstätten besprochen,<br />
bevor die Kunstschaffenden selbst im<br />
Zentrum der Diskussionen stehen.<br />
Das voluminöse, gewichtige Buch<br />
hat beste Chancen, zur künftigen<br />
Grundausstattung von Studierenden,<br />
Kunsthistorikern und Kunstinteressierten<br />
zu werden. (sm)<br />
Das Kunstschaffen in der Schweiz<br />
1848-2006, hrsg. vom Schweizerischen<br />
Institut für Kunstwissenschaft,<br />
Benteli, 2006, 412 Seiten, Fr. 48.00.<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />
Porträtist<br />
■ Bereits mit vierundzwanzig Jahren<br />
wird Diego Rodriguez de Silva y<br />
Velázquez (1599-1660) zum Hofmaler<br />
am spanischen Hof unter Philipp IV.<br />
in Madrid. Damit ist er, ausgehend<br />
von Sevilla, wo er seine Lehrjahre bei<br />
Francisco Pacheco verbrachte, in eine<br />
der zentralen Schaltstellen der Macht<br />
in Europa gelangt und wird zu einem<br />
einflussreichen Maler. Seine Stellung<br />
als Hofmaler brachten Velázquez eine<br />
einmalige Position, jedoch waren<br />
damit nicht nur Vorteile verbunden,<br />
denn neben seiner künstlerischen Tätigkeit<br />
hatte er weitere Aufgaben im<br />
königlichen Haushalt, als Kammerherr<br />
bis hin zum Zeremonienmeister.<br />
Der<strong>art</strong>ige Aufgaben waren oft zeitraubend<br />
und eher lästige Pflichten für<br />
den Maler.<br />
Bekannt geworden und geblieben<br />
ist Velázquez vor allem durch<br />
seine aussergewöhnlichen Porträts<br />
der königlichen Familie und anderer<br />
Personen des Hofes. Dass Velázquez<br />
aber mehr ist als «Köpfe malen», dies<br />
zeigt die aktuelle Ausstellung in der<br />
National Gallery London (bis 21. Januar<br />
2007) und der dazu – auch in<br />
Deutsch – erschienene Katalog. Gut<br />
ein Drittel aller Werke von Velázquez,<br />
immerhin 46 Gemälde, zeigt die Ausstellung.<br />
Es sind Werke aller Stationen<br />
ausgestellt und im Katalog ausführlich<br />
beschrieben: von den frühen Bodegones<br />
(Darstellung des einfachen<br />
Volkes, Wirtshausszenen), die bereits<br />
den für Velázquez so typischen Realismus<br />
beinhalten, bis hin zu seinen<br />
meisterhaften Porträts.<br />
Neben Kunst und Leben von<br />
Velázquez werden in weiteren Essays<br />
das Umfeld des spanischen Hofes<br />
vorgestellt, seine Maltechnik (in nicht<br />
immer verständlichem Fachjargon),<br />
seine Beziehungen zu Grossbritannien<br />
(die National Gallery besitzt immerhin<br />
acht Gemälde von Velázquez)<br />
sowie die weltberühmte «Rockeby-<br />
Venus». Im Katalogteil werden zudem<br />
alle ausgestellten Werke in kurzen<br />
Texten vorgestellt. (di)<br />
Diego Velázquez. Katalog zur Ausstellung<br />
in der National Gallery, London<br />
2006/2007. Belser, 2006, 255 Seiten,<br />
Fr. 94.00.<br />
Bildarchitektur<br />
■ Gemeinhin wird Thomas Demand<br />
(1964 in München geboren) als Fotograf<br />
bezeichnet. Aber wie Gregory<br />
Crewdson genauso Regisseur wie<br />
Fotograf ist, so ist Demand Bildhauer<br />
und Installationskünstler – oder sogar<br />
Architekt. Demands Bildwelten<br />
erscheinen erst einmal kalt, vielleicht<br />
sogar trostlos. Dies ist ein Resultat<br />
seiner Arbeitsweise. Bevor Demand<br />
überhaupt zur Kamera greift, baut er<br />
seine Motive aus Pappe und K<strong>art</strong>on,<br />
was eine gewisse Glätte und Vereinfachung<br />
zur Folge hat. Grundlage sind<br />
meist Fotos aus unseren Massenmedien,<br />
aus Zeitungen und Zeitschriften,<br />
Tatort- und Pressefotografien. Foto<br />
– Installation – Foto. Vom Spektakulären<br />
der Medienbilder bleibt jedoch<br />
bei Demand wenig übrig, er überführt<br />
die Bilder zu völlig unspektakulären<br />
Ansichten.<br />
In «Bathtub» (1997) ist eine leere<br />
Badewanne zu sehen. Es ist die Wanne,<br />
in der Uwe Barschel tot aufgefunden<br />
wurde. Von ihm ist keine Spur<br />
zu sehen. Was bleibt ist der Ort – die<br />
Architektur.<br />
Auf diesen architektonischen<br />
Aspekt in Demands Schaffen geht<br />
Beatriz Colomina in ihrem Essay im<br />
neu erschienen Katalog zu Demands<br />
Ausstellung in der Londoner Serpentine<br />
Gallery des letzten Jahres ein.<br />
Demand selbst sieht die Medien als<br />
Architektur, als eine weite Landschaft,<br />
einem virtuellen Gebiet mit<br />
Städten aus Skandalen, Türmen aus<br />
Superstars, einem Sumpf aus Mord.<br />
Am Deutlichsten wird dies in der<br />
monumentalen Arbeit «Grotto», die<br />
eine Tropfsteinhöhle zeigt, die Demand<br />
erstmals mit Hilfe des Computers<br />
nachbaute. «Grotto» erinnert an<br />
Schwitters und den «Merzbau».<br />
Der zweite Teil des Katalogs ist<br />
einem ausführlichen Interview des<br />
Filmemachers Alexander Kluge mit<br />
Demand gewidmet. Zahlreiche hochwertige<br />
Abbildungen runden den<br />
schön gestalten und luxuriösen Katalog<br />
ab. (di)<br />
Thomas Demand. Catalogue of the<br />
exhibition at Serpentine Gallery London.<br />
Schirmer/Mosel, 2006, 143 Seiten,<br />
Englisch, Fr. 97.00.<br />
<strong>art</strong>ensuite 41
42<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07
Natürlich künstlich<br />
■ «Bitte nicht berühren» prangt in<br />
schwarzen Lettern auf einem weissen<br />
Zettel am Topf einer Zimmerpflanze.<br />
Merkwürdig mutet dieses Ensemble<br />
mitten in einem Galerieraum an, doch<br />
das Schild ist nicht das einzige, das<br />
irritiert: Die Blätter der Pflanze sind<br />
kunstvoll mit einer grünen Fadenborte<br />
umrahmt, als wäre das Gewächs<br />
ein absonderlicher Spross einer genetischen<br />
Mutation. In Regula Dettwilers<br />
Arbeiten kreuzen sich Kunst und Natur<br />
zu einer neuen Gattung. In ihrem<br />
Projekt «Naturgeschichte der <strong>art</strong>ifiziellen<br />
Welt» fertigt sie mit akribischer<br />
Genauigkeit Aquarelle von Pflanzen<br />
an, die sich auf den zweiten Blick als<br />
künstliche Flora aus Plastik und Stoff<br />
Zuckersüsser Blütenzauber<br />
■ «Ich möchte, dass meine Bilder<br />
schön sind. (…) Ich bin für die Schönheit»,<br />
so die gebürtige Japanerin Teruko<br />
Yokoi, die seit 1962 in Bern lebt.<br />
Mit der aktuellen Ausstellung widmet<br />
sich die Galerie Kornfeld einer Präsentation<br />
von jüngsten Werken der heute<br />
82-jährigen Malerin.<br />
Der kalligraphischen Tradition folgend<br />
sind Natursujets, Blumen, Zweige<br />
oder Wasserflächen zeichenhaft reduziert.<br />
Schnelle Pinselstriche markieren<br />
linienhafte Stengel, flächig überlagern<br />
sich lasierende Farbschichten, die sich<br />
zu leuchtkräftigen Volumen und kontrastreichen<br />
Blütenblättern formieren.<br />
In Yokois Malerei gerät die Natur an<br />
Kakophonie im Loop<br />
■ Der erste Eindruck ist überwältigend:<br />
Eine unerw<strong>art</strong>ete Bilderflut<br />
und Schallorgie stürzt beim Betreten<br />
des Raumes auf den Betrachter ein. In<br />
grossformatigen Projektionen gleicher<br />
Dimension präsentiert Kurator Gerard<br />
Johann Lischka im Kunstdepot der Galerie<br />
Henze & Ketterer neun Arbeiten<br />
aktueller Schweizer Videokunst. Während<br />
sich Museen bemühen, einzelne<br />
Videos voneinander abzugrenzen,<br />
wird hier das Störungspotential ganz<br />
absichtlich an die Grenze des Erträglichen<br />
getrieben. Die problematische<br />
räumliche Nähe wird zur Maxime erhoben,<br />
über die entstehende Durchmischung<br />
von Klang und Bild bewusst<br />
gesucht und dadurch thematisiert.<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />
entpuppen. In alle Einzelteile auseinanderdividiert,<br />
erinnern sie an gemalte<br />
Lexikoneinträge von zweifelhaftem<br />
wissenschaftlichen Wert.<br />
In der dritten der insgesamt fünf<br />
Ausstellungen zum Jubiläum ihres<br />
25-jährigen Bestehens präsentiert die<br />
Galerie Haldemann zehn Kunstschaffende<br />
unter dem Titel «Garden View».<br />
Einblicke und Ausblicke, ausschnitthafte<br />
Zooms und abstrahierte Inspirationen<br />
umreissen das Thema in vielfältigen<br />
Variationen und fragen nach<br />
dem Empfinden und Ausdruck von<br />
Natur in einer zunehmend künstlichen<br />
Welt.<br />
Im Kabinett der Galerie begegnen<br />
sich die Werke zweier Künstlerinnen:<br />
den Rand der Abstraktion, doch wird<br />
dieser schmale Grat nur in wenigen<br />
Bildern zu Gunsten der Ungegenständlichkeit<br />
überschritten. Aber gerade<br />
diese erweisen sich als die stärksten<br />
Werke der Ausstellung, in denen die<br />
strahlende Couleur das Auge nicht nur<br />
verführt und mit lieblichen Blumen<br />
in einen gar süsslichen Farbenrausch<br />
eintaucht. Denn diese Bilder animieren<br />
zum Schauen, ohne dass sich die<br />
Sujets offensichtlich auf den ersten<br />
Blick erschliessen und die vereinnahmende<br />
Ästhetik überwiegt. Trotzdem<br />
lässt einen das schale Gefühl nicht<br />
los, dass hier allzu gefällig präsentiert<br />
wird: Praktisch alle Bilder sind im<br />
Der Ausstellungstitel «<strong>art</strong>-clips.<br />
ch performativ» verweist auf das Potential<br />
von Video, flüchtige Momente<br />
des Daseins und somit insbesondere<br />
auch einmalige, künstlerische Performances<br />
festzuhalten. Das Medium ist<br />
ausserdem dafür geschaffen, die Beschleunigung<br />
des alltäglichen Lebens<br />
und der damit einhergehenden Informationsflut<br />
bildlich auszudrücken.<br />
Die gezeigten Arbeiten beschäftigen<br />
sich insbesondere mit dem Körperbild<br />
und reichen von gefilmten Performances<br />
als Dokumentation etwa von<br />
Heinrich Lüber oder Lori Hersberger<br />
bis hin zu Werken, die explizit für das<br />
Medium Video kreiert wurden, beispielsweise<br />
von Chantal Michel oder<br />
Bea Hänggi beschäftigt sich mit der<br />
von Menschenhand bezwungenen,<br />
domestizierten Natur, dem Schreberg<strong>art</strong>en,<br />
lässt diesen jedoch aussen<br />
vor. Im Zentrum ihrer Fotografien<br />
steht die Schreberg<strong>art</strong>enarchitektur,<br />
die aufgeklappt wie ein Bastelbogen<br />
den kleinräumigen hortus conclusus<br />
des Menschen wie eine Wunschwelt<br />
für jedermann aussehen lässt. Dem<br />
gegenüber wirken die Werke Rita<br />
Siegfrieds im noch geringeren Format<br />
wie gemalte Preziosen: Nach Vorlagen<br />
alter Gemälde aus der Geschichte der<br />
Kunst stellt sie in einer Art Bühnenkulisse<br />
ihre Sujets zusammen, die sie<br />
aufwändig, mit grosser Sorgfalt in filigrane<br />
loci amoeni verwandelt. (sm)<br />
handlichen Format von 31 x 31 cm genormt<br />
und folgen dem künstlerischen<br />
Credo der Schönheit. Die Ausstellung<br />
gefällt zweifellos, denn schon nach<br />
der Hälfte der Ausstellungszeit ist der<br />
überwiegende Teil der Exponate verkauft,<br />
was aufzeigt, dass diese Kunst<br />
kaum Widerhaken aufweist. Doch es<br />
finden sich auch weniger zugängliche<br />
Beispiele, bei denen sich plasmahafte<br />
Farbspuren in unbestimmte Horizonte<br />
mit tiefem Blau und dräuendem Grau<br />
gegeneinander abgrenzen, Bilder mit<br />
starken Stimmungen, die Zeit brauchen<br />
und an deren Seite bezeichnenderweise<br />
bisher noch kein roter Punkt<br />
angebracht worden ist. (sm)<br />
František Klossner, dessen langsam<br />
zerfliessendes Eisporträt sich wie eine<br />
sinnlich stille Oase im hektischen Umfeld<br />
der übrigen Werke ausnimmt. Im<br />
Loop drehen sich die Videos immerzu<br />
wie Erik Dettwiler auf seinem Bürostuhl<br />
immerwährend zirkelt und seine<br />
Gedanken in Denkerpose gleich<br />
mitkreisen. Von der Gleichzeitigkeit<br />
des anderen zeugen ausserdem drei<br />
nebeneinanderstehende Bildschirme<br />
mit ausgewählten Videoclips aus der<br />
Schweiz, Deutschland und Österreich.<br />
Hier wird die menschliche Konzentration<br />
nun endgültig auf die Probe<br />
gestellt, bis das mediale Flimmern ein<br />
weisses Rauschen im Kopf hinterlässt.<br />
(sm)<br />
Garden View<br />
Galerie Margit<br />
Haldemann,<br />
Brunngasse 14 /<br />
Brunngasshalde<br />
31, Bern. Geöffnet<br />
Mittwoch bis<br />
Freitag 14:00-<br />
18:00 h, Samstag<br />
11:00-16:00 h.<br />
Bis 28. Januar.<br />
Rita Siegfried, «G<strong>art</strong>en»,<br />
2006, Eitempera auf MDF-<br />
Tafel, 12 x 22 cm<br />
Teruko Yokoi<br />
- Farbentanz zu<br />
Windmusik<br />
Galerie Kornfeld,<br />
Laupenstrasse 41,<br />
Bern. Geöffnet<br />
Montag bis Freitag<br />
14:00-17:00 h,<br />
Samstag 10:00-<br />
12:00 h. Bis 20.<br />
Januar.<br />
Teruko Yokoi, Japanese<br />
peony, 2006, Aquarell und<br />
Eitempera, 31 x 31 cm<br />
<strong>art</strong>_clips.ch<br />
performativ<br />
Galerie Henze<br />
& Ketterer,<br />
Kirchstrasse 26,<br />
Wichtrach/BE.<br />
Geöffnet Samstag<br />
10:00-16:00 h.<br />
Bis 17. März.<br />
Erik Dettwiler, Levitation,<br />
Videoarbeit, 2001<br />
<strong>art</strong>ensuite 43
Nikolaus List<br />
Nikolaus List<br />
Kabinett Gerechtigkeitsgasse 72, 3011 Bern, bern@kabinett.ch<br />
Kabinett Gerechtigkeitsgasse 72, 3011 Bern, bern@kabinett.ch<br />
13. Januar – 10. März Do/Fr 14 –19 Uhr, Sa 11–16 Uhr<br />
13. Januar – 10. März Do/Fr 14 –19 Uhr, Sa 11–16 Uhr
Gabi Hamm<br />
Gabi Hamm<br />
Kabinett Gerechtigkeitsgasse 72, 3011 Bern, bern@kabinett.ch<br />
Kabinett Gerechtigkeitsgasse 72, 3011 Bern, bern@kabinett.ch<br />
13. Januar – 10. März Do/Fr 14 –19 Uhr, Sa 11–16 Uhr<br />
13. Januar – 10. März Do/Fr 14 –19 Uhr, Sa 11–16 Uhr
46<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Werke von Gabi<br />
Hamm und<br />
Nikolaus List sind<br />
in der Galerie<br />
Kabinett vom 13.<br />
Januar bis 10.<br />
März 2007 zu<br />
sehen.<br />
Kunstmenschen<br />
Gabi Hamm<br />
■ Die Gemälde von Gabi Hamm<br />
sind reine Malerei an der Grenze des<br />
Gegenständlichen. Sie übersetzen die<br />
Konfrontationen mit der Wirklichkeit<br />
in ein ästhetisches Empfinden und<br />
machen «weniger Aussagen über etwas,<br />
sondern bringen dieses Etwas<br />
selbst zur Sprache» (Max Raphael<br />
über Cézanne). Der Werkprozess<br />
wird durch die unmittelbar gewonnenen<br />
Einsichten, nicht aber durch im<br />
Voraus gefasste Konzepte gesteuert.<br />
Ein Plan würde das fragile Gewebe<br />
zerstören und sich wie ein lähmender<br />
Schatten über die aus der Unschuld<br />
hervorgegangenen Gebilde legen.<br />
Die Bilder leben durch das subtile<br />
Gleichgewicht zwischen Motiv und<br />
Malerei. Dieses offenb<strong>art</strong> sich in zwei<br />
Tendenzen, die der Pinsel zu verfolgen<br />
scheint: Die eine, zeichnerisch<br />
und mimetisch, respektiert die Vorgaben<br />
der Wirklichkeit; die andere<br />
hingegen, malerisch und abstrakt,<br />
bestimmt die ästhetische Wirkung.<br />
Gabi Hamms Porträts junger Frauen,<br />
durch die sie bekannt geworden ist,<br />
lassen die Schnittstelle wahrnehmbar<br />
werden, aus der die Kunst Funken<br />
schlägt. Sie ziehen die Blicke auf sich<br />
und fordern dazu auf, dass man sie<br />
anblickt. Statt aber in die Tiefen der<br />
individuellen Person herabzusteigen,<br />
verliert sich der Blick in der Malerei.<br />
(Norberto Gramaccini)<br />
Nikolaus List<br />
■ Im Werk von Nikolaus List nehmen<br />
Darstellungen von Bäumen eine<br />
zentrale Rolle ein. Als Träger individueller<br />
und kollektiver Erfahrungs-<br />
werte ist der Baum ein Motiv, das<br />
dem Betrachter einen leichten Einstieg<br />
ermöglicht. Sofort wird einem<br />
aber klar, dass List etwas anders beabsichtigt<br />
als uns an längst bekannte<br />
Bildchiffren zu erinnern. Er entzieht<br />
den Bäumen jeglichen Beigeschmack<br />
des Natürlichen. Unter seiner Anleitung<br />
verflechten sich bunte Geäste zu<br />
flimmernden Kompositionen.<br />
Stämme sind rissig, die Wurzeln<br />
kaum vorhanden, Alles scheint labil<br />
zu sein und gehorcht allein dem Willen<br />
des Malers, der die wilden Baumwirbel<br />
in dem Moment einfriert, da<br />
sie die vollendete Form der Komposition<br />
angenommen haben. An dem<br />
von List angestrebten Punkt wird<br />
das Künstliche als eigentlicher Auslöser<br />
einer Bilderfahrung wirksam.<br />
(Michael Krethlow)<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07
BERNER<br />
GALERIEN<br />
Galerieneintrag:<br />
Auf den Seiten «Galerien in Bern» werden nur<br />
noch Galerien publiziert, welche unsere jährliche<br />
Publikationsgebühr bezahlt haben. Wer<br />
sich hier eintragen lassen möchte, melde sich<br />
bei der Redaktion: Telefon 031 318 6050 oder<br />
redaktion@ensuite.ch.<br />
Altes Schlachthaus<br />
Metzgergasse 15, Burgdorf<br />
T 034 422 97 86<br />
Sa&So jeweils 11:00-17:00 h<br />
annex14 - Galerie für zeitgenössische<br />
Kunst<br />
Junkerngasse 14, 3011 Bern<br />
T 031 311 97 04 / www.annex14.ch<br />
Mi-Fr 13:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
Yves Mettler<br />
13.1. - 17.2.<br />
Art-House<br />
Mittlere Strasse 3A, 3600 Thun<br />
T 033 222 93 74 7 www.<strong>art</strong>-house.ch<br />
Mi&Fr 14:00-17:30 h / Do 16:00-19:30 h / Sa<br />
11:00-16:00 h<br />
«Spiritualität in der Kunst»<br />
Jakob Jenzer: Malerei, Urs Kurth: Fotografie,<br />
Renato Jordan: Text-Bilder, Max Roth:<br />
Skulptur<br />
bis 27.1.<br />
Art + Vision<br />
Junkerngasse 34, 3011 Bern<br />
T 031 311 31 91<br />
Di-Fr 14:00-19:00 h / Do 14:00-21:00 h /<br />
Sa & So 11:00-16:00 h<br />
M<strong>art</strong>in Thönen<br />
Holzschnitte<br />
bis 6.1.<br />
Bärtschihus Gümligen<br />
Dorfstrasse 14, 3073 Gümligen<br />
Mary Poppins!<br />
superkalifragilistigexpialigetisch<br />
ESPACE Indigo<br />
Stauffacher Buchhandlung, 3011 Bern<br />
T 0844 88 00 40<br />
Ladenöffnungszeiten<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />
Jean-Luc Darbellay, L’<strong>art</strong> pour l’Aar, Ausstellung im raum, 20.1.-2.2.07<br />
Fri-Art<br />
22 Petites Rames, 1700 Fribourg<br />
T 026 323 23 51 / www.fri-<strong>art</strong>.ch<br />
Di-Fr 14-18:00 h / Sa&So 14:00-17:00 h<br />
Nocturne Do 18:00-20:00 h<br />
EXPOSITION 1 L’ÂGE CRITIQUE<br />
Nicolas Savary en collaboration avec :<br />
Christian Bovey, Happypets, Genêt Mayor,<br />
Daniel Ruggiero<br />
Vernissage: Samstag 27.1., 18:00 h<br />
bk Galerie Bernhard Bischoff & P<strong>art</strong>ner<br />
Speichergasse 8, 3011 Bern<br />
T 031 312 06 66<br />
www.bernhardbischoff.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder<br />
nach Absprache<br />
Christian Kathriner, Elisabeth Llach, Andrea<br />
Loux, Kotscha Reist, Dominik Stauch & Brigitte<br />
Zieger<br />
X_MAS<br />
bis 6.1. (nur nach Voranmeldung geöffnet)<br />
Luc Andrié, Urs Zahn<br />
absurdities<br />
11.1. - 24.2.<br />
Galerie 25 Regina Larsson<br />
2577 Siselen / T 032 396 20 71<br />
www.galerie25.ch<br />
Fr-So 14.00-19:00 h oder nach<br />
tel. Vereinbarung<br />
Die Galerie ist bis am 24.2. geschlossen.<br />
Galerie 67<br />
Belpstrasse 67, 3007 Bern / T 031 371 95 71<br />
www.galerie67.ch<br />
Mo 14:00-18:30 h / Di-Fr 9:00-12:00 h &<br />
14:00-18:00 h / Sa 10:00-12:00 h<br />
Dany Mar, Bern<br />
Öl / Acryl auf Leinwand<br />
3.1. - 28.2.<br />
Galerie 849 MüM<br />
Gurtenpark im Grünen, 3084 Wabern<br />
Täglich von 9:00-18:00 h<br />
Galerie Artdirekt<br />
Herrengasse 4, 3011 Bern / T 031 312 05 67<br />
www.<strong>art</strong>direkt.ch<br />
Vera Goul<strong>art</strong><br />
Malerei,Zeichnungen,Installation<br />
13.1. - 10.2.<br />
Galerie Artraktion<br />
Hodlerstrasse 16, 3011 Bern<br />
T 031 311 63 30 / www.<strong>art</strong>raktion.ch<br />
Do&Fr 15:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
oder nach Vereinbarung<br />
DENISE FELBER Bildobjekte<br />
GABI KOPP Bilder und Objekte<br />
Vernissage zum Galerienwochenende Sa,<br />
13. / So, 14.1., 11:00-17:00 h<br />
Galerie bis Heute<br />
Amtshausgasse 22, 3011 Bern<br />
T 031-311 78 77 www.galerie-bisheute.ch<br />
Do-Fr 14:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h &<br />
nach Vereinbarung<br />
Galerie Beatrice Brunner<br />
Nydeggstalden 26, 3011 Bern<br />
T 031 312 40 12 / www.beatricebrunner.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
<strong>art</strong>_clips<br />
.ch performativ<br />
Ariane Andereggen, Erik Dettwiler, Lori<br />
Hersberger, Franticek Klossner, Heinrich<br />
Lüber, Chantal Michel, Victorine Müller, RE-<br />
LAX, Rudolf Steiner.<br />
2.12. - 17.3.<br />
Galerie Duflon & Racz<br />
Gerechtigkeitsgasse 40, 3011 Bern<br />
T 031 311 42 62<br />
<strong>art</strong>ensuite 47
<strong>art</strong>ensuite 48<br />
Thomas Wyder - Landschaften in der Galerie Ramseyer & Kaelin vom 9. - 27. januar 07 Anna-Rosa haldemann - Blumen und mehr in der Galerie Ramseyer & Kaelin vom 9. - 27. januar 07<br />
Do 14:00-20:00 h, Sa 12:00-17:00 h oder<br />
nach tel. Vereinbarung.<br />
Markus Baumann<br />
série rouge<br />
Markus Baumann zeigt erstmals seit 5 Jahren<br />
erneut Bilder, welche sich kritisch mit<br />
dem Zeitgeschehen auseinandersetzen.<br />
Vernissage 13.1. ab 13:00 h mit open end<br />
bis 23.2.<br />
Galerie Henze & Ketterer<br />
Kirchstrasse 26, 3114 Wichtrach<br />
T 031 781 06 01 / www.henze-ketterer.ch<br />
Di-Fr 10:00-13:00 h & 14:00-18:00 h / Sa<br />
10:00-16:00 h<br />
Kunst Depot: <strong>art</strong> clips, .ch performativ<br />
Videoclips-Preview von Schweizer Künstlerinnen<br />
und Künstlern. Eine Ausstellung<br />
der videokunst.ch kuratiert von Gerhard Johann<br />
Lischka<br />
bis 17.3.<br />
Sechzig Jahre GHK<br />
Ebene I + II + III<br />
13.1. - 17.3.<br />
Galerie im Graben<br />
Waldeckstrasse 12, 3052 Zollikofen<br />
T 031 911 96 06<br />
Fr 17:00-19:00 h / Sa 16:00-19:00 h & So<br />
11:00-17:00 h<br />
Galerie Margit Haldemann<br />
Brunngasse 14, Brunngasshalde 31<br />
T 031 311 56 56 margithaldemann@bluewin.<br />
ch, www.<strong>art</strong>galleries.ch/haldemann<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
Saison 2006/07: 25 Jahr Jubiläum<br />
Ausstellung 3/5 „Garden View“:<br />
Regula Dettwiler, René Fendt, Bea Hänggi,<br />
Irma Ineichen, René Küng, Jörg Mollet,<br />
Rita Siegfried, Ivo Vonlanthen, Paul<br />
Wiedmer, Irène Wydler<br />
bis 28.1.<br />
18. Berner Galerien-Wochenende: Sa/So,<br />
13./14.1., je 11:00-17:00 h<br />
Berner Design Weekend: Sa/So, 27./28.1.,<br />
je 11:00-17:00 h<br />
(vom 23.12.06 - 9.1.07 ist die Galerie nur<br />
nach Vereinbarung geöffnet)<br />
Galerie M<strong>art</strong>in Krebs<br />
Münstergasse 43, 3011 Bern<br />
T 031 311 73 70 / www.krebs.<strong>art</strong>galleries.ch/<br />
Di-Fr 14:30-18:30 h / Sa 10:00-14:00 h<br />
M.S. Bastian, 100 Ansichten von Bastropolis<br />
Vernissage: 11.1., 18:30-20:30 h<br />
Finissage: 24.2., 11:30-14:00 h<br />
Wochenende des Vereins Berner Galerien:<br />
Sa & So, 13./14.1., je 11:00-17:00 h<br />
Galerie Kornfeld<br />
Laupenstrasse 41, 3001 Bern<br />
T 031 381 46 73 / www.kornfeld.ch<br />
Mo-Fr 14:00-17:00 h<br />
Teruko Yokoi<br />
Farbentanz zu Windmusik<br />
Aquarelle und Tempera auf Papier<br />
bis 20.1.<br />
Galerie Ramseyer & Kaelin<br />
Junkerngasse 1, 3011 Bern<br />
T 031 311 41 72<br />
Mi-Fr 16:00-19:00h / Sa 13:00-16:00h<br />
Anna-Rosa Haldemann<br />
Thomas Wyder<br />
Ottfried Zielke<br />
Vernissage: 9.1., 19:00 h<br />
bis 27.1.<br />
Galerienwochenende vom 13./14.1. geöffnet<br />
von 11:00-17:00 h<br />
Galerie Rigassi<br />
Münstergasse 62, 3011 Bern<br />
T 031 311 69 64 / www.swiss<strong>art</strong>.net/rigassi<br />
Di-Fr 11:30-13:30 h & 15:30-19:00 h / Sa<br />
10:30-16:00 h<br />
anniversary 20<br />
20 Jahre Verein Berner Galerien<br />
Vernissage: 10.1 von 18:45-20:30 h<br />
bis 24.2.<br />
Galerie Silvia Steiner<br />
Seevorstadt 57, 2502 Biel / T 032 323 46 56 /<br />
www.silviasteinergalerie.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 14:00-17:00 h oder<br />
nach Vereinbarung<br />
Im Januar ist die Galerie geschlossen.<br />
Galerie Tom Bleass<br />
Uferweg 10b 3013 Bern / T 079 222 46 61<br />
www.tomblaess.ch<br />
Kabinett Bern<br />
Gerechtigkeitsgasse 72-74, 3011 Bern<br />
T 031 312 35 01 www.kabinett.ch<br />
Do & Fr 14:00-19:00 h & Sa 11:00-16:00 h<br />
Cécile Hummel<br />
bis 6.1.<br />
Kerstin Pfefferkorn<br />
bis 6.1.<br />
Gabi Hamm & Nikolaus List<br />
13.1. (Galerienwochenende) bis zum 10.3.<br />
Kornhausforum -<br />
Forum für Medien und Gestaltung<br />
Kornhausplatz 18, 3011 Bern<br />
T 031 312 91 10 / www.kornhausforum.ch<br />
Di-Fr 10:00-19:00 h / Do 10:00-20:00 h / Sa<br />
10:00-16:00 h<br />
Spielwitz & Klarheit<br />
Schweizer Architektur, Grafik und Design<br />
1950-2006<br />
bis 21.1.<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07
Nikolaus List, Ausstellung in der Galerie Kabinett 13.1.-10.3.07<br />
Ohne Dings kein Bums<br />
20 Jahre Umgang mit Aids Revue passieren<br />
bis 6.1.<br />
Shaxi Rehabilitation Project<br />
17.1 - 3.3.<br />
Kunstreich<br />
Gerechtigkeitsgasse 76, 3011 Bern<br />
T 031 311 48 49 / www.kunstreich.ch<br />
Mo-Fr 09:00-18:30 h / Do 09:00-20:00 h / Sa<br />
09:00-16:00 h<br />
Heinz-Peter Kohler<br />
zur Eröffnung am 14.1. ca. 13:30 h spricht<br />
Toni Muhmenthaler, Musiker<br />
15.1. - 24.2.<br />
Kunstraum Oktogon<br />
Aarstrasse 96, 3005 Bern<br />
Fr 16:00-19:00 h / Sa 11:00-15:00 h<br />
KunstQuelle<br />
Brunngasse 14, 3011 Bern<br />
T 079 818 32 82 / www.kunstquelle.ch<br />
Mi & Fr 14:30-18h / Do 15:30-19:00h / Sa<br />
13:00-16:00 h oder nach tel. Vereinbarung.<br />
ONO Bühne Galerie Bar<br />
Kramgasse 6, 3011 Bern<br />
T 031 312 73 10 www.onobern.ch<br />
Nachtgalerie Fr&Sa 22:00-24:00 h oder nach<br />
telefonischer Vereinbarung / bei allen ONO-<br />
Veranstaltungen<br />
Adrian Moser<br />
‘Berns Unterwelt’<br />
9.1. - 28.2.<br />
Berner Galeriewochenende: ONO zeigt Bilder<br />
der Serie ’Berns Unterwelt’ des Fotografen<br />
Adrian Moser<br />
Sa & So 13./14. jeweils ab 11:00 h<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />
PROGR Zentrum für Kulturproduktion<br />
Speichergasse 4, 3011 Bern www.progr.ch<br />
Präsentation der Städtischen Ankäufe<br />
Stadtgalerie_Pavillon im PROGR_Hof<br />
Öffnungszeiten: Di 14:00-20:00h & Mi-Sa<br />
14:00-17:00 h<br />
bis 6.1.<br />
Videokunst.ch:<br />
Arno Nollen (NL)<br />
Ort: videokunst.ch, 1.OG<br />
«MPLS The Avenue», 2002 / 59‘ Di 14:00-<br />
20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h / Sa 27.1.<br />
14:00-21:00 h<br />
9.1.-10.2.<br />
«Prag - Bern Retour»<br />
Werkpräsentation<br />
Ort: Ausstellungszone, 1.OG<br />
Zbynìk Baladrán (Prag)<br />
Peter Brand (Bern)<br />
24.–27.1.<br />
Mi-Fr 14:00-17:00 h & Sa 27.1., 14:00-21:00 h<br />
Eröffnung Loge<br />
Sa 27.1., 19:00 h<br />
«No place like home»<br />
Ort: Loge im PROGR_Hof<br />
Vernissage:<br />
Daniel Robert Hunziker<br />
Ausstellungsdauer:<br />
30.1. - 24.2.<br />
Di 14:00-20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h<br />
R A U M<br />
Militärstrasse 60, 3014 Bern /<br />
www.kulturraum.ch<br />
Mi-Fr 16:00-19:00 h / Sa 12:00-16:00 h<br />
Jean Luc Darbellay, l’<strong>art</strong> pour l’Aar<br />
Fotografie<br />
20.1 – 2.2.<br />
Vernissage & Lesung: Sa, 20.1., 17:00 h<br />
Schloss Hünigen<br />
3510 Konolfingen<br />
Täglich von 8:00-21:00 h<br />
www.schlosshuenigen.com<br />
Wunderland<br />
Contemporary rug <strong>art</strong> by Jan Kath<br />
bis 28.1.<br />
SLM Kunstausstellung<br />
Dorfplatz 5, 3110 Münsingen<br />
T 031 724 11 11<br />
Mo-Do 8:00-12:00 h & 13:30-17:00h / Fr<br />
8:00-12:00 h & 13:30-18:00 h<br />
Stadtgalerie<br />
Speichergasse 4 3001 Bern<br />
T 031 311 43 35 7 www.stadtgalerie.ch<br />
Di 14:00-20:00 h & Di-Fr 14:00-17:00 h<br />
W<strong>art</strong>saal 3<br />
Helvetiaplatz 3, 3005 Bern<br />
T 031 351 33 21 www.w<strong>art</strong>saal3.ch<br />
Sonja Klingler<br />
eskaywork RAW-Horizont Fotografie<br />
11.1. - 17.1.<br />
Arlette Zurbuchen<br />
bilder<br />
17.1. - 29.1.<br />
Temporäre Austellungsräume<br />
fotostudio & galerie lichtblick<br />
Casinoplatz 8, 3. UG, 3011 bern<br />
Fotobilder mit der Holga<br />
Silvia Baechler, Roland Goy und Ronnie Feller<br />
Fr 12.1., Vernissage ab 16:00 h<br />
Sa 13.1., 9:00-16:00 h<br />
So 14.1., 12:00-16:00 h<br />
<strong>art</strong>ensuite 49
<strong>art</strong>ensuite 50<br />
Berner Design Weekend<br />
27. & 28. Januar<br />
Möbel- und Einrichtungsdesign à la c<strong>art</strong>e:.<br />
Das «Berner Design Weekend 2007» macht<br />
Appetit auf frische Einrichtungsideen! Witziges,<br />
Edles, Mutiges und Dezentes – Acht<br />
Berner Einrichtungsfachgeschäfte präsentieren<br />
am 27. und 28. Januar jeweils zwischen<br />
10 und 17 Uhr zeitgenössische Objekte, aber<br />
auch unsterbliche Klassiker von berühmten<br />
Designerinnen und Designer. Der Rundgang<br />
vermittelt einen Einblick in die anregende<br />
Welt der Formen und Farben, der Materialien<br />
und Verarbeitungstechniken des aktuellen<br />
Möbel- und Einrichtungsdesigns.<br />
Anliker die Möbelmacher, Bubenbergplatz<br />
15 | Form+Raum, Belpstrasse 14 | intraform,<br />
Rathausgasse 76 | Meer Wohnen,<br />
Junkerngasse 1 | teo jakob, Gerechtigkeitsgasse<br />
25 und Waldeggstrasse 41 (3097 Bern-<br />
Liebefeld) | ursarber+co, Sickingerstrasse 6<br />
| Wohnform Kilchenmann, Kramgasse 64 |<br />
Zona, Postgasse 60<br />
Augenspiel<br />
Von Dominik Imhof<br />
<strong>art</strong>ensuite entwickelt sich und wird nicht<br />
nur grösser, sondern besser. Neben Kritiken<br />
zu aktuellen Ausstellungen, die auch<br />
weiterhin im Zentrum stehen sollen, neben<br />
Rezensionen zu Neuerscheinungen im<br />
Kunstbuchmarkt und der Agenda, gibt es<br />
seit dieser Ausgabe die Galerienseiten, in<br />
denen jeweils mehrere Galerienausstellung<br />
besprochen werden. Wir freuen uns, damit<br />
der Galerienszene der Stadt und der Region<br />
Bern eine neue Plattform bieten zu können<br />
und vor allem einem interessierten Publikum<br />
auch die Galerien näher zu bringen.<br />
Damit soll auch dem Kern des <strong>art</strong>ensuite<br />
– der Berner Kunstszene – noch verstärkter<br />
Rechnung getragen werden.<br />
Der Zeitpunkt ist ideal, denn auch in<br />
diesem Jahr öffnen Mitte Januar (13. und<br />
14. Januar jeweils 11:00-17:00 h) wieder<br />
zahlreiche Berner Galerien Tür und Tor<br />
für das vom Verein Berner Galerien organisierte<br />
Galerienwochenende. Bereits zum<br />
18. Mal findet diese Veranstaltung statt, die<br />
immer zu einer aussergewöhnlichen Belebung<br />
(vor allem) von Berns Altstadt führt.<br />
Gleichzeitig feiert der Verein Berner Galerien<br />
ihr 20-jähriges Bestehen. Gratulation!<br />
Und für uns ein Grund mehr, den Galerien<br />
vermehrt kritische Aufmerksamkeit zu<br />
schenken.<br />
In diesem Jahr steht das Galerienwochenende<br />
nicht mehr unter einem bestimmten<br />
Motto oder Thema. Sicher eine<br />
gute Entscheidung, denn die ausgestellten<br />
Arbeiten waren stets nur teilweise und<br />
wenn, dann oftmals sehr lose mit dem jeweiligen<br />
Thema in Verbindung zu bringen.<br />
2007 sind die Galeristinnen und Galeristen<br />
vollkommen frei in der Wahl der Kunstschaffenden<br />
und Kunstwerke. Eine enorme<br />
Vielfalt ist zu entdecken: von gegenständlicher<br />
Malerei bei Gabi Hamm (Kabinett),<br />
über Fotografien auf Holzkästen bei Denise<br />
Felber (Artraktion) zu den Holzschnitten<br />
eines Michael Wissmann (Art+Vision), über<br />
Eisenskulpturen von Marianne Lutz (Christine<br />
Brügger) oder Rauminstallationen von<br />
Urs Zahn (Bernhard Bischoff & P<strong>art</strong>ner) bis<br />
hin zur comic<strong>art</strong>igen Figurenwelt eines M.<br />
S. Bastian (Krebs). Es lohnt sich also, sich<br />
wieder einmal auf einen Spaziergang durch<br />
die Berner Gassen zu begeben und einen<br />
Blick in die eine oder andere Galerie zu<br />
wagen. (di)<br />
Impressum<br />
<strong>art</strong>ensuite erscheint monatlich als Beilage<br />
im ensuite - kulturmagazin.<br />
Herausgeber: edition ■ ensuite, Bern<br />
Redaktion: Dominik Imhof (di); Helen<br />
Lagger (hl), Monique Meyer (mm), Sylvia<br />
Mutti (sm), Nicola Schröder (ns), Eva Pfirter<br />
(ep), Sylvia Rüttimann (sr), Monika Schäfer<br />
(ms)<br />
Die Redaktion <strong>art</strong>ensuite ist politisch,<br />
wirtschaftlich und ethisch unabhängig und<br />
selbständig. Die Texte repräsentieren die<br />
Meinungen der Autoren/innen, nicht jene<br />
der Redaktion.<br />
Copyrights für alle Informationen und Bilder<br />
liegen beim Verein WE ARE in Bern<br />
und der edition ■ ensuite.<br />
Redaktionsadresse:<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Telefon 031 318 6050<br />
mail: <strong>art</strong>@ensuite.ch<br />
www.<strong>art</strong>ensuite.ch<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07
BERNER MUSEEN<br />
BERN / BIEL / THUN<br />
Abegg-Stiftung<br />
Werner Abegg-Strasse 67, 3132 Riggisberg<br />
täglich 14:00-17:30 h<br />
Winterpause<br />
Antikensammlung Bern<br />
Hallerstrasse 12, 3012 Bern<br />
Mi 18:00-20:00 h<br />
Die Antikensammlung beherbergt nebst<br />
den Abgüssen (rund 230 Exponate antiker<br />
Skulpturen von den Anfängen der griechischen<br />
Archaik bis zur römischen Spätantike)<br />
auch eine kleine Sammlung mit originalen<br />
Fundstücken aus der griechisch-römischen<br />
Antike.<br />
Bernisches Historisches Museum<br />
Helvetiaplatz 5, 3005 Bern<br />
Di-So 10:00-17:00 h<br />
Centre Dürrenmatt<br />
Chemin du Pertuis-du-Sault 74, 2000<br />
Neuchâtel<br />
Mi-So 11:00-17:00 h<br />
Dauerausstellung: Friedrich Dürrenmatt,<br />
Schrifsteller und Maler.<br />
Einstein-Haus<br />
Kramgasse 49, 3011 Bern<br />
1.10.-16.12., Di-Fr 10:00-17:00 h / Sa 10:00-<br />
16:00 h<br />
Führungen jederzeit nach Absprache<br />
Heilsarmeemuseum<br />
Laupenstrasse 5, 3001 Bern<br />
Di-Do 9:00-12:00 h & 14:00-17:00 h<br />
Dokumente, Zeitschriften, Bilder, Fotos,<br />
Grammophonplatten, Kassetten, Musikinstrumente<br />
und andere Sammelobjekte.<br />
Institut für Archäologie der<br />
Universität Bern<br />
Länggassstrasse 10, 3012 Bern<br />
Montag - Freitag, 8 - 17 Uhr<br />
Das Pantheon in Rom<br />
Ergebnisse des Bern Pantheon Digital Projects<br />
bis Sa, 31.3.<br />
Kunsthaus Centre Pasqu’<strong>art</strong><br />
Seevorstadt 71-75, 2502 Biel<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa&So 11:00-18:00 h<br />
Ruedy Schwyn<br />
bis 7.1.<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />
Begegnung mit dem Künstler Ruedy<br />
Schwyn<br />
Weihnachtsausstellung 2006<br />
bis 7.1.<br />
SELECTED BY... Ankäufe 2003-2006 der<br />
Kunstsammlung der Stadt Biel<br />
Vernissage: Sa 20.1., 17:00 h<br />
bis 7.1.<br />
Photoforum<br />
CHRISTIAN VOGT<br />
Photographic Essays on Space<br />
21.1. - 4.3.<br />
Kunsthalle Bern<br />
Helvetiaplatz 1, 3005 Bern<br />
Mi-So 10:00-17:00 h / Di 10:00-19:00 h<br />
WEIHNACHTSAUSSTELLUNG 2006/07<br />
bis 7.1.<br />
JUTTA KOETHER<br />
19.1. - 11.3.<br />
Kunstmuseum Bern<br />
Hodlerstrasse 8-12, 3007 Bern<br />
Di 10:00-21:00 h / Mi-So 10:00-17:00 h<br />
Ausstellungen<br />
Serge Spitzer – Installation<br />
“Re/Search (Alchemy and/or Question<br />
Marks with Swiss Air)”, 1996-2002<br />
Bis Ende 2007<br />
Ernst Kreidolf und seine Malerfreunde<br />
bis 7.1.<br />
Im Lichte Tunesiens<br />
Europäische Künstler in Nordafrika<br />
1900-1925<br />
bis 7.1.<br />
Six feet under – Autopsie unseres Umgangs<br />
mit Toten<br />
bis 21.1.<br />
Architekturprojekte Erweiterungsbau<br />
für Kunst der Gegenw<strong>art</strong><br />
bis 7.1.<br />
Louise Bourgeois – Fugue<br />
16.1. – 8.4.<br />
Sonderveranstaltungen<br />
so, 7.1., 13:00 h Literarische Führung Six<br />
feet under mit Michaela Wendt<br />
di, 16.1., 18:00 h Literarische Führung<br />
Six feet under mit Michaela Wendt<br />
so, 21.1., 11:00 h Literarische Veranstaltung<br />
zur Finissage von Six feet under<br />
Kinder-Kunst-Club<br />
mi, 24.1., 14.00-16.00 h<br />
Cool Kids’ Classes<br />
Art Workshops for kids and teens (ages<br />
6-14, in english)<br />
Sa, January 27, 10:30-12:00 a.m.<br />
cool kids’ classes<br />
<strong>art</strong> workshops for kids and teens (ages<br />
6-14, in english)<br />
Tue, January 30, 16:30-18:00 p.m.<br />
Dies und Das / Kunst über Mittag<br />
Jeden Mittwoch, 12:30-13:00 h<br />
Kunsthaus Langenthal<br />
Marktgasse 13, 4900 Langenthal<br />
Mi & Do 14:00-17:00, Fr 14:00-19:00 h, Sa&<br />
So 10:00-17:00 h<br />
Giro Annen - retro.aktiv<br />
bis 28.1.<br />
Kunstmuseum Thun<br />
Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun<br />
Di-So 10:00-17:00 h / Mi 10:00-21:00 h<br />
Hofstettenstrasse 2006<br />
bis 14.1.<br />
11.2.-9.4. Gegenlicht<br />
11.2.-11.3. Projektraum enter: Christian Andersen<br />
museum franz gertsch<br />
Platanenstrasse 3, 3401 Burgdorf<br />
Di-Fr 11:00-19:00 h / Sa&So 10:00-17:00 h<br />
Zurück zur Figur. Malerei der Gegenw<strong>art</strong><br />
bis 11.2.<br />
Literarische Führung<br />
14.1, 12:00-13:00 h<br />
Familienführung<br />
14.1., 14:00-15:00 h<br />
kunst-licht<br />
27.1., 14:00-17:00 h<br />
Familienführung<br />
28.1., 14:00-15:00 h<br />
ton meister konzert 4<br />
28.1., 17:00-19:00 h<br />
<strong>art</strong>ensuite 51
<strong>art</strong>ensuite 52<br />
Museum für Kommunikation<br />
Helvetiastrasse 16, 3005 Bern<br />
Di-So 10:00-17:00 h<br />
«haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation»<br />
bis 1.7.<br />
Öffentliche Führungen:<br />
So, 11:00 h: haarsträubend: Tier – Mensch<br />
– Kommunikation<br />
So, 13:00 h: Top Secret - Von Hieroglyphen,<br />
Hackern und Codetalkers<br />
So, 15:00 h: Abenteuer Kommunikation im<br />
Überblick<br />
Museum Neuhaus Biel<br />
Schüsselpromenade 26, 2501 Biel<br />
Di-So 11:00-17:00 h / Mi 11:00-19:00 h<br />
Urs Dickerhof und Francesco Micieli<br />
lesen eigene Texte im Rahmen der Ausstellung<br />
«Ravitaillement».<br />
Théodore Strawinsky (1907-1989)<br />
Eine Retrospektive<br />
bis 8.1.<br />
Öffentliche Führung durch die Ausstellung<br />
Théodore Strawinsky. Mit Myriam Lanz, lic.<br />
phil (auf Deutsch)<br />
17.1, 18:00 h<br />
Naturhistorisches Museum der<br />
Burgergemeinde Bern<br />
Bernastrasse 15, 3005 Bern<br />
Mo 14:00-17:00 h / Di/Do/Fr 9:00-17:00 h<br />
Mi 9:00-18:00 h, Sa&So 10:00-17:00 h<br />
«haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation»<br />
bis 1.7.<br />
Psychiatrie Museum Bern<br />
Bolligenstrasse 111, 3060 Bern<br />
Mi 14:00-16:00 h<br />
Neben historisch wichtigen Gegenständen<br />
und Dokumenten beherbergt das Museum<br />
auch eine Sammlung bildnerischer Patientenarbeiten,<br />
die mehrheitlich auf jener Morgenthalers<br />
beruht. Sie umfasst über 2500<br />
Bilder (Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder<br />
und Collagen), rund 1500 Textblätter sowie<br />
viele Stoffarbeiten, Objekte aus Holz, Ton,<br />
Keramik und anderen Materialien.<br />
Schloss Landshut<br />
Schweizer Museum für Wild & Jagd<br />
3427 Utzenstorf<br />
Di-Sa 14:00-17:00 h<br />
Das Schloss ist bis und mit 12.5.07 geschl.<br />
Schlossmuseum Thun<br />
Schlossberg 1, 3600 Thun<br />
Bis Januar jeden Sonntag 13:00-16:00 h<br />
Das historische Museum mit einmaliger<br />
Aussicht auf Stadt, See und Alpen.<br />
Schweizerische Landesbibliothek<br />
Hallwylstrasse 15, 3003 Bern<br />
Mo-Fr 9:00-18:00 h, Mi bis 20:00 h / Sa<br />
9:00-16:00 h / So 12:00-17:00 h<br />
DÜRRENMATT UND EINSTEIN<br />
bis 25.1.<br />
Schweizerisches Alpines Museum<br />
Helvetiaplatz 4, 3005 Bern<br />
Mo 14:00-17:00 h / Di-So 10:00-17:30 h<br />
«Gletscher im Treibhaus. Ernste Signale<br />
aus der alpinen Eiswelt»<br />
Vom gewaltigen Eisstrom des Rhônegletschers,<br />
der auf der Postk<strong>art</strong>e von 1900 hinter<br />
dem Hotel Belvédère ins Tal gleitet, ist<br />
auf der aktuellen Aufnahme nichts mehr zu<br />
sehen. Stattdessen nackter grauer Fels, ein<br />
Bach und die zurückgezogene Gletscherzunge<br />
weit oberhalb des Hotels.Ein einzig<strong>art</strong>iges<br />
Landschaftsbild droht verloren zu<br />
gehen. Gehören wir zur letzten Generation,<br />
die die gross<strong>art</strong>igen Eisriesen bewundern<br />
kann?<br />
bis 25.3.<br />
Schweizerisches<br />
Schützenmuseum Bern<br />
Bernastrasse 5, 3005 Bern<br />
Di-Sa 14:00-17:00 h / So 10:00-12:00 h &<br />
14:00-17:00 h<br />
Weihnachskrippe Christmas<br />
Diese 1965 entworfene, 23-teilige Weihnachtskrippe<br />
Christmas, besticht durch die<br />
32 cm hohen, aus Lindenholz gefertigten<br />
und bemalten Figuren.<br />
bis 9.1.<br />
Stadt- und Universitätsbibliothek Bern<br />
Münstergasse 61-63, 3011 Bern<br />
Mo-Fr 8:00-19:00 h / Sa 8:00-12:00 h<br />
Connaisseure unterwegs:<br />
Die Reisen von Hans R. Hahnloser und Julius<br />
von Schlosser zu kulturellen Stätten im<br />
Europa der zwanziger Jahre.<br />
bis 24.2.<br />
Stiftung Historisches Erbe SBB<br />
Bollwerk 12, 3000 Bern 65<br />
Mo-Fr 9:00-12:00 h & 13:30-17:00 h<br />
Die Infothek der Schweizer Bahngeschichte<br />
zum Nachlesen und Ansehen.<br />
Unsere öffentlich zugängliche Infothek bietet<br />
Ihnen u. a. folgende Dienstleistungen an:<br />
regelmässige Publikation ausgewählter Neuerscheinungen.<br />
Beratung in Dokumentationsfragen<br />
und bei Recherchen. Leseplätze<br />
mit Internetarbeitsplatz, Lexika usw. Konsultationsmöglichkeit<br />
für aktuelle Zeitschriften,<br />
Wörterbücher, Nachschlagewerke und<br />
aktuelle Fahrpläne ausländischer Bahnunternehmungen.<br />
Zugang zu den historischen<br />
und audiovisuellen Archiven (auf Voranmeldung).<br />
Bereits 1923 wurde die Bibliothek<br />
der Generaldirektion SBB gegründet. Später<br />
wurde sie zum Dokumentationsdienst<br />
erweitert und seit 1996 ist sie als «Infothek<br />
SBB» bekannt. 1999 wurden ihr die Plakatsammlung<br />
und 2001 das historische Archiv,<br />
das Fotoarchiv, - und Videoarchiv anvertraut.<br />
2002 wurde sie in die neu gegründete Stiftung<br />
Historisches Erbe der SBB integriert.<br />
Die Bestände der Bibliothek und Archive<br />
werden laufend ergänzt und erweitert.<br />
Zentrum Paul Klee<br />
Monument im Fruchtland 3, 3031 Bern<br />
Di-So 10:00-17:00 h / Do 10:00-21:00 h<br />
Kindermuseum Creaviva 10:00-17:00 h, Do<br />
bis 21:00 h<br />
Paul Klee – Melodie und Rhythmus<br />
bis 2.1.<br />
Robert Walser zu Gast bei Paul Klee<br />
Gedenkausstellung zum 50. Todestag des<br />
Dichters.<br />
28.1.-25.2.<br />
Sämtliche Führungen und Aktivitäten finden<br />
Sie in der ensuite - kulturmagazin-agenda<br />
und unter www.zpk.org<br />
<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07