22.12.2012 Aufrufe

art - Ensuite

art - Ensuite

art - Ensuite

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ensuite<br />

Nr. 49 Januar 2007 | 5. Jahrgang<br />

k u l t u r m a g a z i n<br />

Über Zufall, Schicksal,<br />

Schuld und Sühne Seite 23<br />

Babel - ein Gesamtkunstwerk!<br />

Keine Meuterei im<br />

Zentrum Paul Klee Seite 4<br />

Der neue Pirat heisst Juri Steiner<br />

Sándor Veress Seite 13<br />

«Missing link» der Geschichte?<br />

Brotlos ohne Korn Seite 16<br />

Muss das Kornhausforum schliessen?


�����������������������������������������������<br />

������������������������������������������<br />

�����������������������������<br />

������������������������<br />

����������������������������������������������������<br />

�������������������������������<br />

���������������������������������������������������<br />

���������������<br />

�����������<br />

Spitalgasse 4 / 3. UG / CH-3011 Bern<br />

Vorverkauf 031 311 61 00<br />

Mo.- Fr. 16.00 -19.30 Sa . 14.30 - 16.30 Uhr<br />

www.theater-am-kaefi gturm.ch<br />

«GSPÄSSIGI LÜT»<br />

Die Millionärin Frau Edith Wildmann wird von ihren<br />

Stiefkindern in eine Nervenheilanstalt gesteckt, da diese<br />

sich um ihr Erbe sorgen und überzeugt sind, die etwas<br />

sonderbare Dame würde ihr Vermögen an verrückte Ideen<br />

verschwenden. Mit Schmeichelei, falschen Versprechungen<br />

oder mit rüpelhaften Bedrohungen versuchen der<br />

Ständerat Titus, der Oberrichter Samuel und die<br />

Lebedame Lilybell an das riesige Vermögen zu kommen.<br />

Die Erfolgskomödie wird in Mund<strong>art</strong> von der<br />

Liebhaberbühne Biel mit viel Liebe zum Detail gespielt.<br />

5. und 6. Jan. jeweils 20 Uhr<br />

«OLLI HAUENSTEIN»<br />

«fool position fun & foul in sports»<br />

Die Soloshow zeigt Spitzen und Spitzensportler, unermüdliche<br />

Hirnmuskler und zielstrebige Querschläger. Mit viel Phantasie,<br />

tiefgründigem Humor, ausdrucksstarker Pantomime und<br />

beeindruckender Körperbeherrschung führt der berühmte<br />

Clown Mime und Artist in die Welt des Sports.<br />

11., 13., 17., 18., 19. und 20. Jan. jeweils 20 Uhr<br />

«DIVERTIMENTO» CABARET<br />

Inzwischen das Schweizer Trend-Cabaretduo, bekannt aus<br />

Radio, TV und Film (Handyman), jetzt unterwegs mit dem<br />

Erfolgsprogramm «zuvielisation».<br />

Erfrischend – witzig – schräg und jung! Diesen Namen<br />

müssen Sie sich merken – ein Cabaret mit grosser Zukunft.<br />

23., 24., 25. und 27. Jan. jeweils 20 Uhr<br />

Mühle Hunziken und Galerie Ramseyer & Kaelin präsentieren<br />

vom 9. bis 27. Januar 2007 Moz<strong>art</strong> Spätlese mit<br />

Ottfried Zielke<br />

Vernissage: Dienstag, 9. Januar, 19:00 h<br />

Galerienwochenende: Sa/So, 13./14. Januar, 11:00-17.00 h<br />

Galerie Ramseyer & Kaelin, Junkerngasse 1, 3011 Bern<br />

Mittwoch-Freitag 16:00-19:00 h / Samstag 13:00-16:00 h<br />

andrea heinrich coiffure & maquillage schulweg 11 3013 bern<br />

* bus nr. 20, haltestelle gewerbeschule. der<br />

schulweg ist an der lorrainestrasse, die erste rechts.<br />

tel. 031 331 11 88


impressum<br />

Herausgeber: Verein WE ARE, Bern Redaktion: Lukas Vogelsang<br />

(vl); Stephan Fuchs (sf); Anna Vershinova (av) // Andrea Baumann<br />

(ab), Peter J. Betts (pjb), Jean-Luc Froidevaux (jlf), Till<br />

Hillbrecht (th), Michael Imoberdorf (mi), Sonja Koller (sk), Andy<br />

Limacher (al), Belinda Meier (bm), Monique Meyer (mm), Eva<br />

Mollet (ev), Magdalena Nadolska (man), M<strong>art</strong>a Nawrocka (mn),<br />

Eva Pfi rter (ep), Nicolas Richard (nr), Caroline Ritz (cr), Benedikt<br />

S<strong>art</strong>orius (bs), Monika Schäfer (ms), Anne-Sophie Scholl (ass),<br />

Karl Schüpbach (ks), Sarah Stähli (ss), Tabea Steiner (ts), Sara<br />

Trauffer (st), Kathrina von W<strong>art</strong>burg (kvw), Simone Wahli (sw),<br />

Sonja Wenger (sjw) C<strong>art</strong>oon: Bruno Fauser, Bern; Telefon 031 312<br />

64 76 Kulturagenda: kulturagenda.ch; ensuite - kulturmagazin,<br />

Bewegungsmelder AG, allevents, Biel; Abteilung für Kulturelles<br />

Biel, Abteilung für Kulturelles Thun, interwerk gmbh. Korrektorat:<br />

Monique Meyer (mm)<br />

Abonnemente: 58 Franken für ein Jahr / 11 Ausgaben. Abodienst:<br />

031 318 60 50<br />

ensuite – kulturmagazin erscheint monatlich. Aufl age: 10‘000<br />

Anzeigenverkauf: anzeigen@ensuite.ch Layout: interwerk gmbh:<br />

Lukas Vogelsang Produktion & Druckvorstufe: interwerk gmbh,<br />

Bern Druck: Fischer AG für Data und Print Vertrieb: Gratisaufl age<br />

an 350 Orten im Kanton Bern; passive attack, Telefon 031 398<br />

38 66 Web: interwerk gmbh<br />

Hinweise für redaktionelle Themen (nicht Agendaeinträge!)<br />

erwünscht bis zum 11. des Vormonates. Über die Publikation<br />

entscheidet die Redaktion. Bildmaterial digital oder im Original<br />

beilegen.<br />

Agendahinweise bis spätestens am 18. des Vormonates. Redaktionsschluss<br />

der Ausgabe ist jeweils am 18. des Vormonates.<br />

(siehe auch www.ensuite.ch - menü: veranstalter)<br />

Die Redaktion ensuite - kulturmagazin ist politisch, wirtschaftlich<br />

und ethisch unabhängig und selbständig. Die Texte repräsentieren<br />

die Meinungen der Autoren/innen, nicht jene der Redaktion.<br />

Copyrights für alle Informationen und Bilder liegen beim Verein<br />

WE ARE in Bern und der edition ■ ensuite.<br />

Redaktionsadresse:<br />

Bild Titelseite und rechts:<br />

Brad Pitt in «Babel» (Seite 22/23)<br />

ein Film von Alejandro González Iñárritu<br />

Fotos: zVg.<br />

ensuite – kulturmagazin<br />

Sandrainstrasse 3<br />

3007 Bern<br />

Telefon 031 318 6050<br />

mail: redaktion@ensuite.ch<br />

www.ensuite.ch<br />

Eigentlich, eigentlich...<br />

■ ensuite – kulturmagazin schreibt den 5. Jahrgang<br />

- wer hätte das je gedacht. Das ist sensationell.<br />

Ich weiss noch gut, wie mir am Anfang mit<br />

müdem Lächeln auf die Schulter geklopft wurde,<br />

mit dem Glauben, dass ich ein paar Monate später<br />

das Handtuch werfen würde. Und wenn ich ehrlich<br />

bin, so haben ich in den letzten Jahren monatlich<br />

das Handtuch geworfen – aber mich jedes Mal irgendwie<br />

wieder aufgerappelt.<br />

Fünf Jahre arbeite ich sieben Tage die Woche<br />

für die Kultur und musste mir anhören, dass ich<br />

mich nicht für Kultur interessiere oder keine Ahnung<br />

davon habe, musste bitteln und betteln für<br />

jeden Rappen und kämpfen, dass wir von den «kulturdefi<br />

nierenden Kräften» ernst genommen wurden.<br />

Für uns ist diese Zeit jetzt «Gott sei Dank»<br />

vorüber. Viele erpresserische Geschichten und<br />

fi ese Spielchen durfte ich miterleben – oh, denken<br />

Sie ja nicht, dass Kultur eine heilige Kuh ist:<br />

Hier herrscht die Ellbogendisziplin. Es ist Berns<br />

schlechte Angewohnheit, nicht zu helfen oder zu<br />

unterstützen, sondern zu misstrauen. Damit werfen<br />

wir Steine in des Nachbars G<strong>art</strong>en – doch leider<br />

dann, wenn die Gärtner oder Nachbarn drinstehen<br />

und wir erschlagen viel guten Willen mit unserer<br />

Missgunst. Dabei hätten wir BernerInnen ein wundervolles<br />

Potential, gerade weil wir eine kapitalkleine<br />

Grossstadt sind. Wir sind wendig, haben einen<br />

Bären-Willen und können anpacken – so richtig<br />

wie die alten Zähringer eben. Und eigentlich meinten<br />

wir es doch gar nicht böse… eigentlich.<br />

Wir «ensuitlerInnen» waren nie sonderlich misstrauisch<br />

– eher naiv. Aber aus dieser Naivität ist<br />

etwas Grosses gewachsen und wir haben sehr viel<br />

gelernt. Nein, wir sind keine Helden, aber gesunde<br />

Idealisten, die aus der Idee wirklich etwas zustande<br />

gebracht haben. Wenn immer möglich, möchte<br />

ich diesen Weg weitergehen. Und deswegen freue<br />

ich mich noch mehr auf das weitere Jahr.<br />

Lukas Vogelsang<br />

INHALT<br />

KULTUR & GESELLSCHAFT<br />

ein neuer kapitän auf den wellen 4 | ein kornhaus<br />

ohne korn? 16 | zwei paare, dann ein drittes,<br />

stehen 29<br />

LITERATUR<br />

walsers betrachtungen zu schriftstellern und ihren<br />

werken 6 | mark haddon, peter handke, katherine<br />

min 8 | literatur in bern 15<br />

BÜHNE<br />

«auch ich bringe keine authentischen schwänke aus<br />

meinem leben» 9 | rhythmischer sprachmarathon<br />

11 | ausblick bühne 11 | elling - wie zwei die welt erobern<br />

15 | chlöisu friedli - sünneliblues 15<br />

KINO / FILM<br />

roadmovie präsentiert 22 | grosses gewinnen 22<br />

| babel 23 | das leben als eine einzige lange inszenierung<br />

24 | red road 25 | das andere kino 26<br />

MUSIK<br />

musikfestival bern - veress 07 13 | «die mittelschicht<br />

kennt keine loyalität» 17 | lieder voller<br />

schwermut und glückseligkeit 18 | jazz kennt viele<br />

sprachen 19 | diagonales bern / biel 19 | cd-tipps<br />

20 | wer hat angst vor «pet sounds»? 21 | ECM<br />

listening post 21<br />

LIFESTYLE<br />

insomnia 20 | berner qu<strong>art</strong>iere: alle jahre wieder<br />

32 | stadt und land: ein ohr über den röschtigraben<br />

35 | reiseziel hotel: das luxushotel für kleine<br />

leute 36 | reisen: vancouver 35<br />

DIVERSES<br />

die gewinnerinnen der leserumfrage 2006 16 |<br />

tratschundlaber 25 | stadtläufer 28 | leserbriefe<br />

28 | berner kulturmenschen: über tasten tanzende<br />

fi nger 30 | von menschen und medien / fauser<br />

c<strong>art</strong>oon 31<br />

KULTUR-PUBLIREPORTAGE<br />

«das ist nehr als kabarett!» 61 | thomas lebrun: «les<br />

soirées whatyouwant?» 65 | «ich war so fürstlich<br />

arm und so königlich reich.» 73<br />

STADT THUN<br />

«spiritualität in der kunst» 84<br />

KULTURAGENDA<br />

kulturagenda bern 53 | biel 80 | thun 85<br />

Kunstbeilage:<br />

Neu mit noch mehr inhaltlichen Seiten:<br />

<strong>art</strong>ensuite ab Seite 37<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 3


fokus<br />

ein neuer kapitän auf den wellen<br />

Interview von Lukas Vogelsang mit dem neuen Direktor vom Zentrum Paul Klee: Juri Steiner<br />

■ ensuite - kulturmagazin konnte über die Festtage,<br />

zwischen Tannenbaum und Silvesterkorken,<br />

ein paar Worte mit Juri Steiner, dem neuen Direktor<br />

vom Zentrum Paul Klee, austauschen. Eine erste<br />

Bekanntmachung mit Bern...<br />

Sie haben Ihre Doktorarbeit über das neue<br />

Babylon, den Aufstieg und Fall der Stadt Paris,<br />

geschrieben. Sie waren in Japan und haben an<br />

der Weltausstellung in Aichi mitgewirkt, was<br />

geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die<br />

Provinzstadt Bern denken?<br />

Wo das Zentrum ist und wo die Peripherie, das<br />

ist immer eine Frage des Standpunkts und der<br />

Wahrnehmung. Ausgangspunkt für meine Diss<br />

war 1998 der Besuch in der Bibliothèque Jacques<br />

Doucet in Paris. Der Bibliothekar wollte mir den<br />

Weg zu einem Restaurant auf einem Stadtplan aus<br />

den zwanziger Jahren zeigen und fand ihn nicht.<br />

Ich fragte ihn, ob er es nicht mit einem aktuelleren<br />

Stadtplan versuchen wolle. Darauf sagte er nur:<br />

«Paris n’a pas changé». Das fand ich faszinierend<br />

und schockierend zugleich, weil dieser Satz viel<br />

über die Pariser und ihr Verhältnis zu ihrer Stadt<br />

aussagt. Paris ist ja in der Tat so etwas wie ein Freilichtmuseum<br />

der «Vie moderne». Avantgarde aber<br />

ist sie schon lange nicht mehr. Spätestens nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg hat ihr New York den Rang<br />

abgelaufen, nicht nur in der Kunst. Eine Zeit lang<br />

drohte Paris international sogar zur künstlerischen<br />

Provinz zu werden. Das ändert sich ja erst wieder<br />

in jüngerer Zeit. Die boomende Millionenstadt Nagoya<br />

in der Präfektur Aichi wiederum wird von uns<br />

in der Schweiz kaum als die Megacity wahrgenommen,<br />

die sie ist. Das hat die Weltausstellung 2005<br />

etwas korrigiert. Ich glaube also, dass eine Stadt<br />

sich aus der Provinz herausspielen kann, wenn sie<br />

nach vorne schaut, oder aber in die Provinz abzusteigen<br />

droht, wenn sie nicht an ihrer Zukunft arbeitet.<br />

Urbanistische und kulturelle Ambitionen sind<br />

wichtige Faktoren, ob eine Stadt auf der Weltk<strong>art</strong>e<br />

auftaucht oder nicht. Bern arbeitet diesbezüglich<br />

ja schwer an sich. Und das Zentrum Paul Klee ist<br />

ein gutes Beispiel für eine solche Investition in die<br />

Zukunft. Kurzum, wenn ich an Bern denke, dann<br />

nicht an Provinz.<br />

Ihre Spuren führen von Projekt zu Projekt.<br />

Sie waren kaum über längere Zeit an einem Ort<br />

«sesshaft». Ab dem 1. Januar sind Sie der Direktor<br />

vom Zentrum Paul Klee, einer auch sehr<br />

pragmatischen Institution. Lieben Sie Paul Klee?<br />

Werden Sie bis zur Pension noch etwas anderes<br />

machen wollen?<br />

Ich arbeite tatsächlich sehr gerne in Projekten:<br />

Sie sind intensiv, bündeln Energien und entstehen<br />

meist unter hohem Druck. In Projekten wie der<br />

Expo.02 oder dem Schweizer Pavillon gibt es keine<br />

4<br />

Trampelpfade. Man schliesst sich zu adhoc-Teams<br />

zusammen und lernt in diesen Prozessen inhaltlich<br />

und menschlich enorm. Meine besten Freunde<br />

sind Menschen, mit denen ich in Projekten zusammengearbeitet<br />

habe. Und Projekte sind ephemer,<br />

das macht sie attraktiv für mich. Projektzyklen<br />

können zu Lebensphasen werden. Fürs Kunsthaus<br />

Zürich habe ich zwischen 1994 und 1998 gearbeitet,<br />

an der Expo.02 zwischen 1999 und 2003, für<br />

den Pavillon in Aichi von 2003 bis 2005. Und so<br />

passiert es, dass man – ohne sich zu versehen – 37<br />

ist, und der biografi sche Wechsel von den Lehr-<br />

und Wanderjahren zu einem «Langzeitprojekt» reif<br />

scheint. Vielleicht spricht mich das junge Zentrum<br />

Paul Klee ja so an, weil es nach anderthalb Jahren<br />

Betrieb immer noch Projektcharakter hat und seine<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diesen speziellen<br />

Projekt-Geist ausstrahlen. Für mich sollten Kulturinstitutionen<br />

heute beide Elemente in ein Gleichgewicht<br />

bringen: die Intensität eines Projekts mit<br />

der gesellschaftlichen Erdung durch Kontinuität.<br />

Garant für die Kontinuität bei uns ist Paul Klee.<br />

Das Zentrum ist ja aus einer traditionellen Berner<br />

Auseinandersetzung herausgewachsen und hat<br />

viele verschiedene Teilhaber zu etwas Neuem verbunden.<br />

Was die Frage nach der Liebe zu Paul Klee<br />

betrifft, würde ich daher sagen, dass ich die Auseinandersetzung<br />

mit Paul Klee liebe. Die geistige<br />

Komplexität und die gesteigerte Wahrnehmung dieses<br />

Künstlers irritieren mich ebenso, wie sie mich<br />

anziehen. Eindrücklich ist die starke Wirkung Klees<br />

auf das Publikum. Und ich verehre den Pädagogen<br />

Klee. Gerne male ich mir aus, was ein Mensch mit<br />

seinen Begabungen und Interessen wohl heute so<br />

treiben würde.<br />

Ihre frischen und neuen Ansichten, auch<br />

unverbrauchten Ideen, werden Bern sicher gut<br />

tun. Was denken Sie, erw<strong>art</strong>et Sie als erstes im<br />

Zentrum Paul Klee? Trauen Sie sich mit Ihren<br />

Erfahrungen zu, dem fi nanziellen und personellen<br />

Monster zu begegnen oder haben Sie auch<br />

Zweifel?<br />

Als erstes erw<strong>art</strong>en mich Menschen, die in der<br />

einen oder anderen Art mit dem Zentrum Paul<br />

Klee in Verbindung stehen. Alle jene, die ich in den<br />

Monaten seit meiner Wahl schon kennengelernt<br />

habe, reagierten sehr freundlich und offen. Nun<br />

werden die Beziehungen konkreter. Auch das Publikum,<br />

das mir in seiner Durchmischung sehr gefällt,<br />

gilt es näher kennenzulernen und zu spüren. Zu einem<br />

fi nanziellen Monster, wie Sie es nennen, würde<br />

das Zentrum Paul Klee nur dann, wenn die notwendige<br />

Unterstützung, die das Haus braucht, nicht<br />

gewährleistet wäre. Das Zentrum Paul Klee wurde<br />

grosszügig und ambitioniert gedacht und umgesetzt.<br />

Es will und soll ausstrahlen. Um dieser Ambi-<br />

Foto: A. O. Mott<br />

tion gerecht zu werden, braucht es solide Grundlagen.<br />

Wenn ich mir die Arbeit am Zentrum Paul<br />

Klee nicht zutrauen würde, hätte ich mich nicht um<br />

die Stelle beworben. Und wenn der Stiftungsrat mir<br />

diese Arbeit nicht zutrauen würde, hätte er mich<br />

auch nicht genommen. Nun kommt die Probe aufs<br />

Exempel. Zweifel habe ich wohl keine, aber grossen<br />

Respekt vor der Aufgabe.<br />

An der Expo.02 waren Sie der Chef der<br />

Arteplage mobile du Jura (AMJ), einem eher<br />

provokativen und frischen Kultur- und Kunstprojekt<br />

auf einem Schiff. 2003 waren Sie Leiter des<br />

Dada-Hauses im Cabaret Voltaire. Kommt jetzt<br />

das «enfant terrible» nach Bern und werden Sie<br />

aus den Wellen des Zentrum Paul Klee einen<br />

«Pirates of the Caribbean»-Club kreieren?<br />

Nur wenn Sie ‘ne Buddel Rum mitbringen.<br />

Mache ich sofort. Sie haben bereits erwähnt,<br />

dass Sie Drachen steigen lassen und die Kunst<br />

in- und ausserhalb des «Gewächshauses» zeigen<br />

wollen. Sie übernehmen mit der Funktion des Direktors<br />

des ZPK auch das nächste Jahresprogramm.<br />

Sehen Sie genug Spielraum für Ihre<br />

Ideen oder werden Sie nervös beim Gedanken,<br />

erst 2008 richtig loslegen zu können?<br />

Dass es eine Übergangszeit gibt, gehört zu den<br />

Spielregeln. Wir werden dieses Jahr die räumlichen<br />

Möglichkeiten des Hauses ausloten und den<br />

Zentrumsgedanken in der grossen Sommerausstellung<br />

«Paul Klee – Überall Theater» weiterentwickeln.<br />

Die Sommerakademie greift das «Theater»-<br />

Thema auf und wir stehen diesbezüglich im Kontakt<br />

mit Philippe Pirotte von der Kunsthalle. Auch wird<br />

2007 die inhaltliche Zusammenarbeit mit dem<br />

Kunstmuseum Bern im Rahmen des achtzigsten<br />

Geburtstags von Oscar Wiggli Früchte tragen.<br />

Als Leiter des Dada-Hauses haben Sie in einem<br />

Interview mit dem «Züricher Unterländer»<br />

gesagt: «Ich werde hier der Leiter sein.» Wie<br />

charakterisieren Sie sich selber als Chef? Erträgt<br />

man Sie?<br />

Ich war Projektleiter für die Konzept- und Realisationsphase<br />

des Cabaret Voltaire, als es galt, den<br />

Zürcher Stadtpräsidenten von der Idee zu überzeugen,<br />

mit dem Liegenschaftsbesitzer zu verhandeln,<br />

Sponsoren zu fi nden und parallel das Inhalts- und<br />

Betriebskonzept auszuarbeiten. Dabei war es sehr<br />

wichtig, gegenüber all diesen P<strong>art</strong>nern bestimmt<br />

aufzutreten. Kulturelle Projekte funktionieren ja<br />

meist dank dem Willen von ein paar h<strong>art</strong> Entschlossenen,<br />

die bereit sind, wenn nötig mit dem Kopf<br />

durch die Wand zu gehen. An der Expo.02 fühlte<br />

ich mich als Chef der 50-köpfi gen AMJ-Crew wohl,<br />

auch wenn ich keine spontane Affi nität zur Autorität<br />

habe. Ich versuche jeweils die Selbstverantwortung<br />

eines jeden Teammitglieds zu fördern. An<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 5


fokus<br />

der Expo.02 hat das gut geklappt; zur Meuterei ist<br />

es auf alle Fälle nie gekommen.<br />

Was möchten Sie persönlich mit dem ZPK erreichen?<br />

Was sind Ihre Vorstellungen, was Kunst<br />

oder eine solche Institution wie das ZPK in der<br />

Gesellschaft bewirken oder hinterlassen kann?<br />

Das Zentrum Paul Klee hat bereits eine komplexe<br />

gesellschaftliche Vision eingelöst. Es ist<br />

kein «Meteorit», der vom Himmel gefallen ist;<br />

in Form und Inhalt aber überwindet es die klassische<br />

Gattungstrennung des Museums und geht<br />

unerforschte Wege. Die Statuten verpfl ichten uns<br />

ebenso zur Seriosität im konservatorischen und<br />

wissenschaftlichen Umgang mit den 4000 Werken<br />

im Haus wie zu einem undogmatischen und offenen<br />

Umgang mit dem Kosmos «Paul Klee». Daraus ergibt<br />

sich ganz selbstverständlich eine Offenheit gegenüber<br />

Neuem und Experimentellem. Ausserdem<br />

deckt Klees Spektrum Kunstgattungen, Geistes-,<br />

Sozial- und Naturwissenschaften ab – alles hoch-<br />

interessante Felder. Paul Klees Geist und Werk und<br />

Renzo Pianos Wellen mit ihren Wechselausstellungen,<br />

Konzerten, Tanz- und Theateraufführungen<br />

sind die Trümpfe, die wir mit einer guten Gesamtdramaturgie<br />

ausspielen können. Und natürlich<br />

sind die Kinder im Kindermuseum «Creaviva» ein<br />

Segen. Zusammengenommen wirkt das Zentrum<br />

Paul Klee in meiner idealen Vorstellung wie ein sozialer<br />

Knotenpunkt, der unterschiedlichste kollektive<br />

und persönliche Potentiale verbindet und Kontakte<br />

schafft zwischen Vergangenheit, Gegenw<strong>art</strong><br />

und Zukunft, wo sich Besucherinnen und Besucher<br />

ebenso regenerieren wie anregen lassen. Dem<br />

Zentrumsgedanken verpfl ichtet, soll das Programm<br />

gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und<br />

sp<strong>art</strong>en- und generationenübergreifend sein, ohne<br />

Musen oder Menschen voneinander zu trennen.<br />

Verraten Sie uns ein paar Gedanken über Ihre<br />

Pläne?<br />

Am kommenden 25. Januar stellen wir anlässlich<br />

der Medieninformation zu unserer Robert<br />

Walser-Ausstellung das Jahresprogramm 2007 vor.<br />

Bis dahin sind wir in Vorbereitung. Ich bitte Sie also<br />

noch um etwas Geduld.<br />

Juri Steiner<br />

*1969, promovierter Kunsthistoriker, Zürich/<br />

Lausanne. Von 1993 bis 1998 Kunstkritiker für<br />

die «NZZ». Freier Kurator Kunsthaus Zürich;<br />

Ausstellungen «Dada global», «Arnold Böcklin,<br />

Giorgio de Chirico, Max Ernst» mit Guido Magnaguagno<br />

und «Freie Sicht aufs Mittelmeer»<br />

mit Bice Curiger. 2000-2003 Leitung Arteplage<br />

Mobile du Jura (AMJ) im Rahmen der Expo.02.<br />

2003/04 Konzept und Einführung des neuen<br />

Cabaret Voltaire, Zürich. Co-Kurator Schweizer<br />

Pavillon an der Weltausstellung Expo 2005 Aichi<br />

(Japan). Gastdozent an der Hochschule für Gestaltung<br />

und Kunst Zürich sowie an der Universität<br />

Zürich. In Vorbereitung: «In girum imus nocte<br />

et consumimur igni - Die Situationistische Internationale<br />

(1957-1972)» für das Museum Tinguely,<br />

Basel, April 2006.<br />

6<br />

LITERATUR<br />

walsers betrachtungen zu<br />

schriftstellern und ihren werken<br />

Von Belinda Meier (Bild: zVg)<br />

■ Robert Walser hat sich zeitlebens sehr eingehend<br />

mit Personen und Stoffen der Literaturgeschichte<br />

befasst. Seine dazu niedergeschriebenen<br />

Betrachtungen beweisen deutlich, wie sehr Walser<br />

belesen war und wie gut er darüber Bescheid<br />

wusste, wer und was in Sachen Literatur Rang und<br />

Namen hatte.<br />

Lesen war für Walser eine äusserst kreative Beschäftigung.<br />

Sie bescherte ihm Unterhaltung, die<br />

nicht lenkt, sondern sich frei entfalten und somit<br />

als Quelle neuer Kreativität verstanden werden<br />

kann. Lesen zwingt den Rezipienten demnach nicht<br />

zu einem bestimmten Verständnis, wie er dies im<br />

Prosastück «Meine Bemühungen» formuliert: «Ich<br />

halte gegenüber Büchern sowohl wie Menschen<br />

ein lückenloses Verstehen eher für ein wenig uninteressant<br />

als erspriesslich.»<br />

In die essayistischen Darstellungen Walsers,<br />

die einen spielerischen Umgang mit Sprache ent-<br />

puppen und zwischen anekdotischen Erzählungen,<br />

eindringlichen Dichterporträts, spöttischen Gedichten<br />

und szenischen Collagen abwechseln, soll<br />

nun Einblick gewährt werden. Viel Spass!<br />

Der Kleist-Darsteller «Was braucht es zu einem<br />

Kleist-Darsteller? Offen gesagt, es braucht<br />

sehr viel. Schon alleine die Zunge. Da muss einer<br />

mit seinen Lippen tanzen und mit seiner deutschen<br />

Sprache jonglieren gelernt haben. Einem<br />

Menschenmund schlechthin ist es unmöglich, Verse<br />

von Kleist wie Verse von Kleist zu sprechen. Mache<br />

zehn Jahre lang täglich Atemübungen, dann<br />

wage es, dich an einen Grafen von Strahl oder an<br />

irgend einen anderen Burschen dieser Rasse heranzumachen.<br />

Diese Rasse setzt Zucht voraus, das<br />

bedenke, Schauspieler von heutzutage. Hinterher,<br />

wenn du dich blamiert hast, lächelst du und sagst,<br />

Kleist sei ein rostiges Eisen, Grabbe, das sei was,<br />

Kleist, der sei undramatisch. Weil du keine Grazie<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


hast, ist Kleist abgestandenes Wasser, nicht wahr?<br />

N’est-ce pas, ich kann nämlich auch ein bisschen<br />

Französisch.»<br />

Über Georg Büchner «Der Dichter, von dem<br />

ich hier eine Abbildung zu entwerfen versuche,<br />

schrieb keine Verse, weil ihn das Verseschreiben<br />

verwundet oder irritiert haben würde. Dafür warf<br />

er sich mit aller verfügbaren Jünglingskraft in<br />

«Als sei ich kapriziös, will ich<br />

hier über einige Dichter sprechen.<br />

Sprechen? Warum nicht<br />

schwatzen, plappern, schwadronieren?»<br />

(Robert Walser)<br />

eine zufällig gerade damals wellen- oder wogenemporwerfende,<br />

bald danach aber in alle Sanftheiten<br />

ausmündende Revolution. Seither lieben ihn<br />

sämtliche Jünglinge; sie fi nden z. B. unvergesslich,<br />

dass er eines Nachts, (...) sozusagen eine Art<br />

Flucht ergriff, weil ihn das Gefühl beschlichen haben<br />

mochte, man traue ihm eine Denk- und Empfi<br />

ndungsweise zu, die sich nicht schicke. (...) Wenn<br />

ich fallenlasse, dass aus des Dichters Rocktasche<br />

ein noch unaufgeführtes Drama weissblitzend<br />

hervorschaute, und wenn ich ausserdem anmerke,<br />

dass er eine Jungburschenmütze auf dem denkbar<br />

genial veranlagten Kopf trug, worin es von<br />

Schaffens- und Zukunftsplänen nur so wimmelte,<br />

so wird man vielleicht fi nden, dass ich ihn bis dahin<br />

schon ganz treffend porträtiert habe. Dass ihn<br />

Locken von der unschuldigsten Sorte schmückten,<br />

versteht sich von selbst.»<br />

Shakespeares Hamlet «Hamlet ist gewiss die<br />

bedeutendste ‹moderne› Dichtung. Welche Folgerichtigkeit,<br />

welche grossen Verhältnisse, was<br />

für eine junge Ton<strong>art</strong>! (…) Weil Hamlet mit seiner<br />

geliebten Mutter uneinig war, sah er sich zum Abfertigenlassen<br />

möglichst köstlicher Weisheiten<br />

verbunden. Wie gerne jedoch würde er auf dieses<br />

zweifelhafte Vergnügen verzichtet haben. Seine<br />

Mutter verehrend, zwang ihn seine Ehre, sein<br />

Gewissen usw., gegen sie vorzugehen, und weil er<br />

das tun musste, entsprang seinen Lippen dieses<br />

an sich unsagbar traurige: ‹Reif sein ist alles.› Soll<br />

nun für uns ein Wort Grundsatz sein, das ein überaus<br />

bedrängter, unglücklicher Mensch in seiner<br />

Qual aussprach? Reif sein? (…) Sind wir denn nicht<br />

eigentlich erledigt, sobald wir reif wurden? Greise,<br />

Greisinnen sind reif, aber sie lieben es nicht, an<br />

den Reifezustand erinnert zu werden. Wie mancher<br />

Reife wünscht seine Gereiftheit gegen ein<br />

bisschen Unreife umzutauschen, denn mit der Unreife<br />

fängt ja das Leben an.»<br />

Schillers Wilhelm Tell «Was den Wilhelm Tell<br />

betrifft, so hat mich von jeher (…) die Frage beschäftigt,<br />

ob etwa der Herr Landvogt eine hübsche<br />

Frau gehabt habe. (…) Heute jedoch schreibe ich<br />

folgendes: ‹Was bedeutet des letzteren (Tell) überraschende<br />

Schiesskunst? Ist sie reell oder nicht?›<br />

(…) Ich bin z. B. überzeugt, dass (…) der Schweizer,<br />

der die Freiheit liebt, dem (…) Landvogt viel<br />

zu verdanken hat, indem letzterer erstern zu Taten<br />

usw. anspornte. Sollte man nicht beinahe mit der<br />

Idee einig gehen dürfen, der Landvogt und Tell seien<br />

eine einzige widerspruchsvolle Persönlichkeit?<br />

„Schiesse mir einmal einen Apfel vom Kopf deines<br />

Knaben!“ wurde befohlen (…) und sofort wird dem<br />

eigen<strong>art</strong>igen Wunsch entsprochen worden sein.<br />

(…) Mir scheint bedeutend zu sein, dass beide ein<br />

Unzertrennliches, Einheitliches bilden: um einen<br />

Tell hervorzubringen, bedurfte die Geschichte eines<br />

Landvogts. Einer ist ohne den andern undenkbar.<br />

Ungefähr das ist’s, auf das hin ich in diesen<br />

Zeilen wilhelmtellhaft hinziele.»<br />

Zu Gottfried Keller «Ein junger Kollege hielt<br />

sich vor einiger Zeit für berechtigt, mir zu sagen,<br />

ihm komme Keller wie ein Ausklang, herrlich verhallend<br />

vor, worauf ich ihm erwidern zu dürfen<br />

meinte, dass man dies an allem Vorzüglichen,<br />

wahrhaft Schönen, anscheinend Unübertreffl ichen<br />

für gegeben halten könne, man stehe vor Kellers<br />

Werken wi(e) vor einer grossen, von immergrünen<br />

Ringmauern graniten und wieder seidenweich und<br />

fein umschlossenen Stadt, die mit ihren Mannigfaltigkeiten<br />

und in ihrer Ruhe ein nur einmal vorkommendes<br />

Kulturbild darbiete, er sei etwas Einziges,<br />

und seine berufl ichen Nachfolger täten freilich<br />

gut, ganz andere Wege zu beschreiten, da es auf<br />

Kellerschen Wegen für keinen als nur für ihn selber<br />

Aussichten, wertvoll zu werden, gebe. ‹Welchem<br />

Dichter bescherte das Schicksal nochmals so viel<br />

Unglück und Schwierigkeiten und so viel Begabung,<br />

sich ihnen anzuschmiegen, wie ihm›, fügte<br />

ich bei (…).»<br />

An Hermann Hesse<br />

«Vorurteile, o, mein Gott,<br />

bilden einen Alltagstrott.<br />

Eines Tages sah ich dich lächeln,<br />

stehen auf dem Podium,<br />

während sich im Publikum<br />

hübsche Frauen heiter fächeln.<br />

Fünfzig Jahr’ alt wurdest du!<br />

Wandernd wird schon mancher Schuh<br />

sich dir abgetragen haben.<br />

Darf ich heute Dank dir sagen,<br />

dass du warst, und dass du bist;<br />

dein Charakter scheint aus List<br />

und aus Liebe zu bestehen,<br />

wir wie Blätter ja vergehen,<br />

Wind und Meer sind grosse Herr’n,<br />

hier gestehe ich dir gern,<br />

dass ich oft in weissem Kragen,<br />

wenn es z<strong>art</strong> begann zu tagen,<br />

heimwärtsging aus Lustgelagen.<br />

Über den mit ein’gen Gaben<br />

ausstaffi erten Hirtenknaben,<br />

der dich feiert, schriebst du mal<br />

einen Aufsatz; sei noch lange<br />

Fisch und Taube, Mansch und Schlange,<br />

und aus deinem Lebensgange,<br />

mittels geistigem Kanal,<br />

brech’ noch mancher Sonnenstrahl.<br />

Deine Lippen sind sehr schmal.<br />

Denke nicht, es wäre Rache,<br />

dass ich dir ins Antlitz lache,<br />

denn anlässlich deines Festes<br />

gab ich hoffentlich mein Bestes.»<br />

fokus<br />

Literatur: Robert Walser. Dichteten diese Dichter<br />

richtig? Eine poetische Literaturgeschichte. Herausgegeben<br />

von Bernhard Echte. Frankfurt am<br />

Main / Leipzig 2002.<br />

(Walser-Veranstaltungen siehe auch Seite 73)<br />

Kurzbiographie zu Robert Walser (1878-1956)<br />

■ Robert Walser wurde in Biel geboren und absolvierte<br />

nach der Schulzeit eine Banklehre. Die<br />

Romane «Geschwister Tanner» (1907), «Der Gehülfe»<br />

(1908) und «Jakob von Gunten» erzielten<br />

zwar Erfolg, dennoch kein solcher, der im literarischen<br />

Leben Berlins, wo er seit 1905 lebte, anhielt.<br />

Walser kehrte somit 1913 – mit dem Gefühl<br />

eines Gescheiterten – nach Biel zurück. Während<br />

der Zeit in Biel (bis 1921), in der viele Kurzprosatexte<br />

und andere Romane entstanden, kann «Der<br />

Spaziergang» (1917) als Hauptwerk hervorgehoben<br />

werden. Ab 1921 lebte Walser in Bern. Trotz<br />

der Tatsache, dass er in literarischen Zeitschriften<br />

und Feuilletons namhafter Tageszeitungen<br />

Präsenz markierte, gelang es ihm, nur noch gerade<br />

ein Werk zu publizieren, «Die Rose» von 1925.<br />

Daneben blieben zahlreiche Texte lediglich in<br />

einem Bündel verschiedenster Entwurfsschriften<br />

erhalten, die in mikrografi scher Schrift überliefert<br />

sind, so etwa der sog. «Räuber»-Roman von<br />

1925. Bernhard Echte und Werner Morlang entzifferten<br />

diese Texte in einem arbeitsaufwendigen<br />

Prozess und veröffentlichten sie in der sechsbändigen<br />

Ausgabe «Aus dem Bleistiftgebiet» (1985-<br />

2000).<br />

Zu Beginn des Jahres 1929 erlag Walser einer<br />

psychischen Erkrankung. Gegen seinen Willen<br />

wurde er in die Psychiatrie eingewiesen, die er<br />

bis zum Ende seiner Tage nicht mehr verlassen<br />

durfte. 1933 beendete er seine schriftstellerische<br />

Tätigkeit und verbrachte die weiteren 24 Jahre<br />

als Patient in der Heilanstalt Herisau. Am Weihnachtstag<br />

1956 starb Robert Walser auf einem<br />

einsamen Spaziergang im Schnee.<br />

Obwohl namhafte Autoren wie Hesse, Tucholsky,<br />

Kafka u. a. ihn hoch wertschätzten, blieb<br />

Walser sein Leben lang beim breiten Publikum<br />

verkannt. Heute gilt er jedoch als der wichtigste<br />

Deutschschweizer Autor der ersten Hälfte des<br />

20. Jahrhunderts.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 7


literatur<br />

Abgründe des Gewöhnlichen<br />

Mark Haddon: A Spot of Bother. Roman. Englisch.<br />

■ Bei der Familie Hall scheint zunächst alles in<br />

bester Ordnung. Vater George, ein Frührentner,<br />

beschäftigt sich mit dem Bau eines Ateliers im<br />

G<strong>art</strong>en, Mutter Jean unterrichtet als Aushilfslehrerin<br />

und arbeitet stundenweise in einer Buchhandlung.<br />

Tochter Katie scheint glücklich verliebt<br />

in Ray, welcher einen exzellenten Ersatzvater für<br />

ihren Sohn Jacob abgibt: einer Heirat steht nichts<br />

mehr im Wege. Der homosexuelle Sohn Jamie realisiert<br />

nach langen Wirren, dass sein Freund Tony<br />

der Richtige ist.<br />

Doch zu spät, Tony inzwischen des W<strong>art</strong>ens<br />

müde bis sich Jamie zu einer defi nitiven<br />

Entscheidung durchringt, verlässt ihn. Wir erfahren<br />

weiter, dass Jean seit Monaten eine Affäre mit<br />

einem ehemaligen Arbeitskollegen ihres Mannes<br />

unterhält, dass Ray als zukünftiger Schwiegersohn<br />

nicht gut gelitten und Katje sich ihrer Liebe plötzlich<br />

auch nicht mehr sicher ist. Währenddessen driftet<br />

George klammheimlich in eine schwere Depression<br />

ab, deren scheinbarer Auslöser ein Ekzem ist,<br />

welches er in seinem Wahn für Hautkrebs hält. Erst<br />

als er selbst Hand an sich legt, um den infi zierten<br />

Hautlappen mit einer Schere zu entfernen, wird<br />

seiner Familie die Tragweite seines Zustandes<br />

bewusst. An der Hochzeit alsdann erreicht der<br />

Roman seinen fi nalen Höhepunkt.<br />

Mark Haddon landete mit seinem Debüt-Roman<br />

«Supergute Tage oder die sonderbare Wekt<br />

des Christopher Boone» einen internationalen<br />

Erfolg. Der Erw<strong>art</strong>ungsdruck nach einem der<strong>art</strong><br />

erfolgreichen Erstling ist bekanntlich hoch, doch<br />

Haddon hat das Wunder eindeutlig vollbracht: ein<br />

ebenso abgründiges wie komisches Drama, dessen<br />

Aufbau nicht von ungefähr an ein Theaterstück<br />

erinnert.<br />

Besonders faszinierend sind die Einblicke, die<br />

er den Lesern in in die inneren Abgründe seiner<br />

Protagonisten gewährt und nicht zuletzt ist seine<br />

Sprache von einer geradezu unheimlichen Kraft.<br />

(sw)<br />

Haddon, Mark: A Spot of Bother. Roman. Englisch.<br />

Random House 2006. ISBN-13: 978-0-385-66243-<br />

7. Unter dem Titel «Der Wunde Punkt» erscheint<br />

der Roman Februar 2007 im Karl Blessing Verlag.<br />

Übersetzt wurde er von Anke Caroline Burger.<br />

8<br />

Verwirrspiel mit Zuschauer<br />

Peter Handke: Spuren der Verirrten. Theaterstück.<br />

■ Zufällige Bewegungen, die zunächst stumm<br />

bleiben. Erst später fi nden Handkes Darsteller<br />

zur Sprache, einer ebenfalls zufälligen, wie es<br />

scheint, die dennoch die existentiellen Themen<br />

in sich birgt. Manche Sätze bleiben haften wie<br />

Zeilen eines Gedichts, andere gehen unter, werden<br />

vergessen. Teilweise verliert man als Zuschauer<br />

beziehungsweise als Leser die Orientierung, weiss<br />

nicht mehr, was war oder was noch kommen soll.<br />

Andererseits ist man hellwach und voll und ganz<br />

auf das sich abspielende Geschehen auf der Bühne<br />

konzentriert.<br />

Auf Seite 76 hat der Zuschauer, in unserem<br />

Fall der Leser, seinen eigenen Auftritt und<br />

entlarvt somit seine Rolle des Zuschauens,<br />

insofern Theater nur vor Publikum funktioniert.<br />

Der Zuschauer mit Ich-Stimme, aus dessen<br />

Perspektive das gesamte Geschehen geschildert<br />

wird, verschwindet nach seinem Auftritt, in dem<br />

er das bisher Gesagte kurzerhand wegen dessen<br />

Beliebigkeit der Bedeutungslosigkeit zuführt. Er<br />

zeigt die Protagonisten als Ziellose, verzweifelt um<br />

ein Ziel Bemühte.<br />

Die Handlung nimmt jedoch auch nach seinem<br />

Verschwinden ihren Lauf und endet mit den<br />

Strophen eines Gedichts.<br />

Ein Stück, welches die Kritik mit Anklängen<br />

zu Hugo von Hofmannsthal und Karl Kraus liest,<br />

das mich persönlich jedoch weit stärker an die<br />

alten Griechen erinnert, da die Strophen auf<br />

Seite 69 sowie auf Seite 78 stark an den Chor<br />

der griechischen Tragödie erinnern. Nicht von<br />

ungefähr, insofern Peter Handke neben seinen<br />

schriftstellerischen Erfolgen unter anderem auch<br />

als Übersetzer von Aischylos und Sophokles von<br />

sich reden machte.<br />

Eine Realisierung auf der Bühne schürt aufgrund<br />

der Komplexität des Stücks hohe Erw<strong>art</strong>ungen.<br />

Claus Peyman bringt «Spuren der Verirrten» im<br />

Februar 2007 mit dem Berliner Ensemble in Berlin<br />

zur Uraufführung. Für das Akademietheater in<br />

Wien führt Friederike Helle Regie. (sw)<br />

Handke, Peter: Spuren der Verirrten. Theaterstück.<br />

Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 2006. ISBN<br />

3-518-41854-8.<br />

Anders als die anderen<br />

Katherine Min: Secondhand World. Roman.<br />

■ Isa, eigentlich Isadora Myung Hee Sohn, Tochter<br />

koreanischer Imigranten in Upstate New York, ist<br />

die einzige Koreanerin an ihrer Schule.<br />

Ihre Mutter, die aufgrund einer Brandnarbe am<br />

Hinterkopf, welche ihre Heiratsaussichten in ihrem<br />

Heimatland vernichteten, an ein Lehrerinnen-<br />

College in die USA verschifft wurde, trifft hier auf<br />

einen aufstrebenden jungen Physiker, ebenfalls<br />

Koreaner. Dieser wiederum ist gezeichnet von<br />

den Kriegswirren in Korea, welche ihn zum Waisen<br />

machten.<br />

Die Sohns geben sich redlich Mühe, den<br />

amerikanischen Traum nachzuleben, der sich<br />

unter anderem in der Anschaffung eines grünen<br />

Geschirrspülers manifestiert. Doch eben dieser<br />

Traum soll zum Alptraum gefrieren, als Stephen,<br />

Isas jüngerer Bruder, durch den Lieferwagen<br />

tödlich verletzt wird.<br />

Obwohl äusserlich Amerikaner sind die Sohns<br />

im Herzen Koreaner geblieben und preisen den<br />

toten Sohn stärker als die lebendige Tochter.<br />

Isa entdeckt durch ihre Schulfreundin Rachel<br />

und insbesondere durch deren unorthodoxe<br />

Familie eine andere Welt, die frei ist vom<br />

Anpassungsdruck, welcher das Leben in ihrem<br />

Elternhaus kennzeichnet. Im dortigen Keller<br />

verliebt sie sich in den Albino «Hero», dessen<br />

Aussehen ihre eigene Anders<strong>art</strong>igkeit Lügen straft.<br />

Nach einem Ausreisser-Abenteuer mit Rachel und<br />

Hero und einer Menage à trois scheint es jedoch<br />

kein Zurück in den gemeinsamen Alltag mehr zu<br />

geben.<br />

In derselben Zeit beginnt ihre Mutter nach<br />

langen Jahren der Trauer über den Tod des<br />

einzigen Sohnes ein BA-Studium, wo sie sich<br />

in ihren Lyrik-Professor verliebt. Isa deckt die<br />

Affäre ihrer Mutter auf und ist entschlossen, ihren<br />

Vater nicht länger im Ungewissen zu lassen...mit<br />

tödlichen Konsequenzen.<br />

Katherine Min ist mit diesem Roman ein<br />

phantastisches Debüt gelungen, dessen<br />

Stärke vor allem in der Beleuchtung eines<br />

Einwandererschicksals und den Konsequenzen<br />

auch für die zweite Generation liegt. (sw)<br />

Min, Katherine: Secondhand World. Roman.<br />

Englisch. Alfred A. Knopf Verlag. New York 2006.<br />

ISBN 0-307-26344-4.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


BÜHNE<br />

«auch ich bringe keine authentischen<br />

schwänke aus meinem leben»<br />

Interview von Michael Imoberdorf (Bilder: zVg.)<br />

■ Neben ihrer Tätigkeit als Assistentin und Doktorandin<br />

am Institut für Theaterwissenschaft (ITW)<br />

der Universität Bern arbeitet Nicolette Kretz als<br />

freie Dramaturgin, Autorin und Spokenword-Performerin.<br />

Im Interview mit ensuite - kulturmagazin<br />

spricht sie über ihre Tätigkeit als Künstlerin und<br />

stellt das Projekt «Gasthof zum erweiterten Suizid»<br />

vor, dass ab dem 26. Januar 2007 während<br />

eines halben Jahres monatlich eine Produktion im<br />

Schlachthaustheater Bern zeigen wird.<br />

Zum Einstieg eine Standardfrage: Wie kommt<br />

man dazu, Texte fürs Theater zu schreiben?<br />

Hmm... Schauspiel ganz allgemein faszinierte<br />

mich schon immer. Nach dem Gymnasium wollte<br />

ich eigentlich auf die Filmhochschule, entschied<br />

mich aber für das Theaterwissenschaftsstudium in<br />

Bern. Damals machte ich meine ersten Versuche<br />

als Lyrikerin. Irgendwann begann ich dann mit<br />

Poetry Slam und im Jahr 2003 kam mir der Gedanke,<br />

wenn ich schon «Theater» studiere und in<br />

meiner Freizeit Texte schreibe, wieso also nicht<br />

auch Texte fürs Theater schreiben. Der Gedanke<br />

war ja irgendwie auch naheliegend.<br />

Es braucht Mut, eigene Texte öffentlich vorzutragen.<br />

Wie kamst Du dazu, in Poetry Slams<br />

aufzutreten und dich mit anderen Spokenword-<br />

Performern zu messen?<br />

Ich absolvierte an der Uni den Englisch-Workshop<br />

«creative writing». Im Rahmen dieser<br />

Veranstaltung hielt ich eine kurze Lesung – die gut<br />

ankam. Einige Zeit später trat ich in Berlin erstmals<br />

an einem «echten» Poetry-Slam-Wettbewerb an.<br />

Der Hintergedanke, wenn der Auftritt in die Hose<br />

gehen sollte, durch die Hintertüre zu verschwinden<br />

– auf Nimmerwiedersehen und tschüss – beruhigte<br />

mich. Aber auch dieser Auftritt kam gut an und<br />

seither trete ich regelmässig an Poetry Slams auf.<br />

Das Slam-Format schränkt aber die<br />

künstlerische Freiheit ein. Man muss versuchen,<br />

dem Geschmack des Publikums zu entsprechen,<br />

um gute Platzierungen zu erreichen. Ich bin heute<br />

gegenüber dem «klassischen» Slam-Format skeptischer<br />

und glaube, dass sich dieses irgendwann<br />

einmal totlaufen wird. Ich bewege mich inzwischen<br />

lieber in Slam-änhnlichen Formaten. So organisierte<br />

ich beispielsweise im letzten Frühling im Rahmen<br />

von «Aua wir leben» - dem zeitgenössischen<br />

Theatertreffen in Bern – eine Reihe von Auftritten<br />

von Spokenword-Performern zusammen mit<br />

Musikern. Die Verbindung mit Musik eröffnet neue<br />

Möglichkeiten; zudem gibt es dabei im Gegensatz<br />

zum Slam keinen Wettkampf: Die Atmosphäre ist<br />

dadurch viel relaxter und es ist leichter, etwas<br />

Neues auszuprobieren und die Sache weiterzuentwickeln.<br />

Sind Spoken-Word-Performances Literatur,<br />

Theater oder eine Mischform von beiden?<br />

Es interessiert mich nicht, Grenzen zu ziehen.<br />

Im kommenden Herbst planen wir von der<br />

Autorinnengruppe «Almösen» ein Projekt im<br />

Schlachthaus, in dem wir, d. h. die Autorinnen<br />

selbst, auf der Bühne stehen und unsere Texte<br />

präsentieren. Alle acht Autorinnen sind zugleich<br />

Textperformerinnen. Dieses Projekt entspricht<br />

meiner Vorstellung von Theater: eigene Texte<br />

in Eigenregie selbst zu performen. Ich schreibe<br />

gerne Texte, stehe aber genau so gerne auf der<br />

Bühne. Ich liebe sowohl die Literatur als auch das<br />

Theater.<br />

Was ist das Faszinierende an dieser Performanceform?<br />

Das Verhältnis zwischen Bühnenfi gur und<br />

Privatperson interessiert mich - und zwar sowohl<br />

als Theaterwissenschafterin, Künstlerin und Zu-<br />

veranstaltungen<br />

schauerin. Das Spannungsverhältnis zwischen<br />

Bühnen- und Privatperson ist grösser, wenn der<br />

Bühnendarsteller von sich etwas erzählt, als wenn<br />

er Fiktionen eines Autors (vor)spielt. Und genau<br />

da möchte ich ansetzten. Da ich meine eigenen<br />

Texte präsentiere, vermischen sich die Grenzen<br />

von Fiktion und Wahrheit. Natürlich, wenn ich auf<br />

der Bühne stehe, bringe ich keine authentischen<br />

Schwänke aus meinem Leben. Aber ich spiele mit<br />

Realität und Fiktion. Die Zuschauer bleiben in einem<br />

Graubereich: was hat die Künstlerin erlebt,<br />

was ist erfunden. Ich liebe dieses Grauzone, und es<br />

ist reizvoll, sich mit dieser auseinanderzusetzen.<br />

Gibt es Situationen, in denen Du bemerkst,<br />

dass Zuschauer dieses Spiel von Fiktion und<br />

Realität missverstehen?<br />

Manchmal fragen mich Zuschauer, beispielsweise<br />

über den Inhalt eines Slamtextes: «Iii wenn<br />

isch de das gsi?» Dann sage ich lachend: «Ja nei,<br />

s’isch alles erfunde.»<br />

Aber Du willst weiterhin auch als Dramatikerin<br />

arbeiten?<br />

Durchaus. Es ist auch reizvoll, Texte «abzugeben»<br />

und zu schauen, was der Regisseur beziehungsweise<br />

die Schauspieler daraus machen und<br />

wie sie die Vorlage interpretieren. Es ist spannend,<br />

dass die Produktion ihre eigene Sichtweise auf den<br />

Text «draufsetzt». Wenn beispielsweise Schauspieler<br />

den Text genau so lesen oder wenn der<br />

Regisseur den Text so umsetzt, wie ich mir das<br />

beim Schreiben vorstellte, macht das Spass. Es ist,<br />

wie gesagt, nicht so, dass es mich nicht interessiert,<br />

dass SchauspielerInnen meine Texte spielen.<br />

Im «Gasthof zum erweiterten Suizid» beispielsweise<br />

wird es so sein, dass Schauspieler die Texte<br />

spielen werden.<br />

Damit wären wir beim zweiten Traktat des<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 9


10<br />

Wenn Werbung<br />

weh täte, dann<br />

würden Sie jetzt<br />

schreien!<br />

Anzeigen im ensuite - kulturmagazin<br />

treffen 100 % auf 30‘000 intelligente<br />

Leserinnen und Lebemenschen.<br />

Wir verkaufen Werbefl äche! Rufen Sie<br />

an (Tel. 031 318 6050) oder informieren<br />

Sie sich auf www.ensuite.ch<br />

Interviews: dem «Gasthof zum erweiterten Suizid».<br />

Wie sieht das Konzept konkret aus?<br />

Sandra Forrer, Matto Kämpf, Ariane von<br />

Graffenried und ich schreiben Theatertexte und<br />

erleben dabei alle eine ähnliche «Frustration».<br />

Die Zeitspanne zwischen Dramenproduktion und<br />

Aufführung ist sehr lange. Von der ersten Idee<br />

zu einem Drama bis zum Abschluss des Produktionsprozesses<br />

dauert es rund drei Jahre.<br />

Diese lange Produktionsspanne verunmöglicht<br />

tagesaktuelle Theaterstücke. Im «Gasthof zum<br />

erweiterten Suizid» versuchen wir ein Format zu<br />

kreieren, das tagesaktuelle Themen aufnehmen<br />

kann – sogar aufnehmen muss. Wir planen ab<br />

Januar dieses Jahres monatlich eine Produktion<br />

im Schlachthaustheater. Jeden Monat entsteht<br />

eine neue Folge. Für uns Dramatiker gelten zwei<br />

Regeln: a) wir dürfen die Texten der neuen Folge<br />

erst schreiben, wenn die letzte Folge aufgeführt<br />

ist und b) müssen unsere Texte (im Entferntesten)<br />

das Thema «erweiterter Suizid» berühren. Die erste<br />

Regel provoziert eine sehr kurze Schreib- und<br />

Probezeit, ermöglicht aber die Verarbeitung tagesaktueller<br />

Themen.<br />

Wird für jeden Theaterabend ein inhaltlich<br />

zusammenhängendes Stück verfasst?<br />

Nein, die Theaterabende sind Collagen von<br />

Szenen, die durch das Oberthema «erweiterter<br />

Suizid» in einen gemeinsamen Rahmen gesetzt<br />

werden. Unser Ziel ist, Elemente der ersten Folge<br />

auch in die nächsten «Sitzungen» zu übernehmen<br />

und weiterzuentwickeln, so dass eine Art Serie<br />

entsteht. Die Kontinuität der Serie entsteht<br />

aber nicht, wie etwa in einer Soap, durch den Inhalt,<br />

sondern vielmehr durch Figuren, Probleme,<br />

Schauplätze, die wir weiterziehen - sei es aus einer<br />

eigenen Szene oder aus einer Szene eines anderen<br />

Autors. Es ist denkbar, dass ich beispielsweise von<br />

Matto eine Figur übernehme und diese in einer ei-<br />

genen Szene einbaue.<br />

Bleibt die Besetzung immer gleich?<br />

Neben dem Autorenqu<strong>art</strong>ett bleiben die Co-<br />

Regisseure Caroline Schenk und Dirk Vittinghoff<br />

sowie die Musikerin Sandra Künzi während<br />

der gesamten «Staffel» dabei. Die Schauspieler<br />

werden aber wechseln.<br />

Wie kommt man auf einen so abgedrehten<br />

Namen wie «Gasthof zum erweiterten Suizid»?<br />

Wir suchten nach einem geeigneten Oberthema,<br />

dass regelmässig in den Medien präsent ist.<br />

Wir bemerkten, dass alle zwei bis drei Wochen<br />

ein Fall von «erweitertem Suizid» für medialen<br />

Aufruhr sorgt. Das Thema ist ein «Dauerbrenner»,<br />

so dass es uns theoretisch möglich ist, für jede<br />

Folge aus diesem Thema tagesaktuelle Geschichten<br />

zu ziehen. «Erweiterter Selbstmord» wurde<br />

vor kurzem zum Unwort des Jahres gewählt. Das<br />

bestätigt, dass «erweiterter Suizid» eine brisante<br />

Thematik ist. Die Medienpräsenz der Hälfte unseres<br />

Titels durch diese Wahl kommt uns natürlich<br />

sehr gelegen.<br />

Und wieso «Gasthof»?<br />

Der St<strong>art</strong> zur Serie wird im Schlachthaustheater,<br />

das wir zu einer Gaststube umbauen,<br />

stattfi nden. Für die weiteren Theaterabende ziehen<br />

wir in den Keller des Schlachthauses. Das<br />

Schlachthaus will im Keller neu eine Bar etablieren<br />

und der «Gasthof zum erweiterten Suizid» ist das<br />

erste Projekt, das in dieser Bar stattfi ndet. Es ist mitunter<br />

ein Versuch, die Bar zu promoten. Während<br />

der Aufführung ist es möglich, an der Bar Getränke<br />

zu konsumieren. Die Abende fi nden in einer lockeren<br />

Bar-Atmosphäre statt; die klassische Schauspieler-Zuschauertrennung<br />

ist aufgehoben.<br />

Informationen zum Projekt «erweiterter Suizid»:<br />

Ausblick Bühne in diesem ensuite - kulturmagazin<br />

und www.schlachthaus.ch.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


BÜHNE<br />

rhythmischer sprachmarathon<br />

Von Magdalena Nadolska – Matterhorn Produktionen zeigen «Nach Addis<br />

Abeba – ein Bühnenabendessen in fünf Gängen» (Bild: zVg.)<br />

■ Willkommensorgie könnte man es nennen, oder<br />

eine Begrüssungszeremonie, der irgendwann eine<br />

Arschloch-Arie folgt. Heinz-Ludwig und Constanze<br />

heissen die Gäste, oder Hans-Hans-Joachim und<br />

Mechthild. Sie sind schön, reich und vor allem sehr<br />

originell. Sie treffen sich zu einer Abendgesellschaft<br />

und reden, reden und reden. Wenn nicht mit den<br />

Anwesenden, dann per Handy mit weiteren schönen,<br />

reichen und vor allem sehr originellen Freunden.<br />

Doch im Grunde weiss niemand mit wem er<br />

überhaupt spricht oder ob jemand zuhört. Hauptsache<br />

reden. Es gibt ja auch etliche Probleme, die<br />

man bewältigen muss. Wo soll man sich hinsetzen?<br />

Man glaubt nicht an Gott und der Papst ist einem<br />

egal. Man hat zuviel geraucht oder mag die Koffer<br />

für die Ferien nicht packen. Nach Addis Abeba geht<br />

es. Doch die Reise fi ndet im Wohnzimmer statt. Man<br />

begibt sich vom Apéro über den Hauptgang zur Torte,<br />

ständig die Handlung kommentierend, sich mit<br />

dem Satz «Ich habe mal ganz lange nichts gesagt»<br />

brüstend. Wie sind die doch auf den Hund gekommen.<br />

«Die» entspringen dem neuen Stück von Beat<br />

Sterchi, «Nach Addis Abeba», welches von den<br />

Matterhorn Produktionen im Schlachthaus gespielt<br />

wird. Seit Jahren verfolgt Sterchi konsequent einen<br />

eigenen Weg der Sprachbehandlung auf der Bühne.<br />

Es werden keine Figuren entwickelt, sondern in<br />

erster Linie Sprachhaltungen ausgestellt. So schafft<br />

Sterchi mit der Form Inhalt. In «Nach Addis Abeba»<br />

werden die Reste unserer Alltagssprache als rhythmisches<br />

Material in den Raum gestellt. Mit den Mitteln<br />

der Wiederholung, der Verkürzung und einem<br />

sehr dominanten Rhythmus macht Sterchi aus den<br />

kurzen unspektakulären Sätzen Literatur.<br />

Beim Entwickeln der Inszenierung benutzt die Regisseurin<br />

Ursina Greuel den musikalischen Werkzeugkasten.<br />

Sätze können verschachtelt werden, chorisch<br />

oder kanonisch gesprochen, gesungen oder<br />

rezitiert werden. «Die Schauspieler sind in diesem<br />

Stück in erster Linie keine Solisten, sondern Teil eines<br />

gesamten Klangwerkes. Das Stück ist einzustudieren<br />

wie eine P<strong>art</strong>itur. Die Schauspieler agieren<br />

ganz im Dienste des ‹Sounds›, eine Musikerin er-<br />

gänzt den Sprachteppich durch weitere Klänge», so<br />

die Hausregisseurin der Matterhorn Produktionen.<br />

Zusammen mit dem Autor Guy Krneta bildet Ursina<br />

Greuel den Kern dieses Basler Ensembles. Der<br />

Name Matterhorn Produktionen bezieht sich auf<br />

Beat Sterchis Stück «Das Matterhorn ist schön»,<br />

welches von Ursina Greuel im Rahmen der Basler<br />

Antischublade 2001, einem Dramatikerförderprojekt,<br />

uraufgeführt wurde. Mit dieser Produktion<br />

formierte sich das Kernensemble der Matterhorn<br />

Produktionen, das seither kontinuierlich zusammenarbeitet.<br />

Die bisherigen Arbeiten zeichnen sich<br />

durch den musikalischen Umgang mit Sprache und<br />

das Verneinen jeglicher Psychologie aus. Der Text<br />

ist immer Zentrum der Arbeit. Die Sprache wird<br />

nicht als blosses Mittel zum Zweck verstanden, vielmehr<br />

sucht das Ensemble den Eigenwert der Sprache<br />

herauszuarbeiten.<br />

In ihrer letztjährigen Produktion «Die Versuchung,<br />

die Romanza der Eluvies von Alfred Wälchli<br />

zu spielen», welche auch bereits im Schlachthaus<br />

gezeigt wurde, brachte die Gruppe eine skurrile Off-<br />

Operette in Phantasie-Sprache auf die Bühne. Nun<br />

folgt Sterchis «Nach Addis Abeba». Der Text wurde<br />

2003 mit dem Welti-Preis ausgezeichnet, dem wichtigsten<br />

gesamtschweizerischen Preis für Dramatik.<br />

In der Umsetzung der Matterhorn Produktionen<br />

besteht das Bühnenbild aus einem überdimensionalen<br />

Sofa und einem Kronleuchter, der als Musikinstrument<br />

dient. Man bekommt die Überhöhung<br />

eines Wohnzimmers zu sehen, in welchem das Essen<br />

stattfi ndet. Auf der Bühne wird jedoch nicht<br />

gegessen. Stattdessen bekommt das Publikum eine<br />

Mischung aus Theater, Konzert und Choreographie<br />

serviert.<br />

P.S. Addis Abeba ist die Hauptstadt von Äthiopien.<br />

Aufführungen:<br />

Schlachthaus Theater Bern<br />

13./17./18./19./20.1., 20:30 h<br />

21.1. 17:00 h<br />

Infos: Telefon 031 312 96 47<br />

www.schlachthaus.ch<br />

veranstaltungen<br />

AUSBLICK BÜHNE<br />

Schlachthaustheater<br />

Gasthof zum erweiterten Suizid<br />

Von: Sandra Forrer, Matto Kämpf, Nicolette Kretz<br />

und Ariane von Graffenried<br />

■ Eine Collage von Szenen - verbunden durch<br />

das Oberthema «erweiterter Suizid» - wird am 26.<br />

Januar den Auftakt zum Projekt «Gasthof zum<br />

erweiterten Suizid» darstellen. Während eines<br />

halben Jahres refl ektieren die «Suizidler» im<br />

Schlachthaustheater an einem Abend pro Monat<br />

tagesaktuelle Geschehnisse. Da die Gruppe mit<br />

weniger Geld auskommen muss, als erhofft, wird<br />

an zwei Spieldaten auf ein Ersatzprogramm (billiges<br />

Lotto und billiges Quiz) ausgewichen.<br />

Weitere Informationen zum Projekt «Gasthof<br />

zum erweiterten Suizid» fi nden sich im Interview<br />

mit Nicolette Kretz in dieser ensuite-Ausgabe.<br />

(mi)<br />

Regie: Caroline Schenk und Dirk Vittinghoff<br />

Musik: Sandra Künzi<br />

Mit: Vanessa Brandestini, Dominique Müller und<br />

Sandra Utzinger<br />

St<strong>art</strong> des Projekts: 26.1., Schlachthaustheater,<br />

20:30 h.<br />

Stadttheater Bern<br />

Buddenbrooks<br />

Nach dem Roman von Thomas Mann<br />

Dramatisierung von John von Düffel<br />

■ Der Roman Buddenbrooks erreichte bis heute<br />

eine Gesamtaufl age von rund sechs Millionen<br />

Exemplaren. Im Roman wird das Schicksal der<br />

Kaufmannsfamilie Buddenbrook erzählt. Die<br />

Romanumsetzung, in der das Schicksal der Generation<br />

von Thomas, Christian und Antonie Buddenbrook<br />

ins Zentrum gerückt wird, läuft seit<br />

dem 5. September 2006 mit grossem Erfolg am<br />

Stadttheater Bern. Im Interview mit ensuite - kulturmagazin<br />

bezeichnete der Schauspieldirektor<br />

des Stadttheaters, Stefan Suske, die Romanumsetzung<br />

von Buddenbrooks als eine der gelungensten<br />

Stadttheaterproduktionen der letzten<br />

Jahre. Am 12. Januar wird Buddenbrooks zum<br />

letzten Mal im Stadttheater aufgeführt. (mi)<br />

Regie: Barbara-David Brüesch<br />

Mit: Michael Günther, André Benndorff, Regna<br />

Guderian, Silvia-Maria Jung u.a.m.<br />

Dernière: 12. Januar, 19:30 h.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 11


Donnerstag, 1. Februar<br />

Festivaleröffnung<br />

17.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />

Roland Moser<br />

Gabriella Marffy<br />

Claudio Veress<br />

Käthi Steuri<br />

Freier Eintritt<br />

Kammerorchesterkonzert I<br />

19.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />

Philippe Bach<br />

Olivier Darbellay<br />

Berner Kammerorchester<br />

Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />

Freitag, 2. Februar<br />

Klavierrezital<br />

19.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />

Aleksandar Madzar<br />

Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />

Samstag, 3. Februar<br />

Symposion<br />

10.00 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />

Papiermühlestrasse 13d<br />

Grosser Konzertsaal<br />

Freier Eintritt<br />

Chorkonzert<br />

16.00 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />

Papiermühlestrasse 13d<br />

Grosser Konzertsaal<br />

Anton Zwolensky<br />

Chor «Canto vivo»<br />

Freier Eintritt<br />

Symphoniekonzert I<br />

19.30 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />

Papiermühlestrasse 13c<br />

Grosse Halle<br />

Thomas Rösner<br />

Ernesto Molinari<br />

Bieler Symphonieorchester<br />

Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />

Sonntag, 4. Februar<br />

Film<br />

11.00 h | Lichtspiel, Bahnstr. 21<br />

Ein Stück Erde<br />

Freier Eintritt<br />

Musikfestival<br />

zum 100. Geburtstag von<br />

Sándor Veress<br />

1.– 4. Februar 2007<br />

1.– 4. März 2007<br />

3.– 6. Mai 2007<br />

25 Konzerte, Einführungen, Gespräche, Film und Lesung<br />

musikfestivalbern.ch<br />

veress07.ch<br />

Erstmals in einem gemeinsamen Festival:<br />

� Aria Qu<strong>art</strong>ett<br />

� Berner Kammerorchester<br />

� Berner Symphonie-Orchester<br />

� Bieler Symphonieorchester<br />

� Camerata Bern<br />

� Hochschule der Künste Bern<br />

� Internationale Gesellschaft<br />

für Neue Musik Bern<br />

� Musikschule Konservatorium Bern<br />

� Institut für Musikwissenschaft<br />

der Universität Bern<br />

� Zentrum Paul Klee<br />

Amt für Kultur<br />

des Kantons Bern<br />

Medienp<strong>art</strong>ner:<br />

Gestaltung: Neidh<strong>art</strong> Grafik, Bern<br />

1


KLASSISCHE MUSIK<br />

musikfestival bern – veress 07<br />

Von Hanspeter Renggli (Bild: zVg.)<br />

■ Das Festival zum 100. Geburtstag des ungarisch-bernischen<br />

Komponisten und Pädagogen<br />

Sándor Veress im Februar, März und Mai 2007 wird<br />

zugleich zum St<strong>art</strong> eines neuen Berner Musikfestivals.<br />

«Die Vernichtung der Menschheit werden gewiss<br />

nicht die Künstler überleben (wenn es überhaupt<br />

Überleben geben sollte) – nicht in einer Gesellschaft,<br />

in welcher die Kunst und die Künstler<br />

keine Fakten sind. Also wer? Die Schlimmsten: die<br />

Generäle und die Trustherren.» Wer sich hier Mitte<br />

der fünfziger Jahre berechtigte Sorgen um die<br />

Zukunft der Kunst und um den geistigen Zustand<br />

der Menschheit angesichts eines weltweiten Wettrüstens<br />

machte, war nicht ein Kulturkritiker von<br />

Profession und seine Mahnungen blieben meist<br />

ungehört. Er war seit 1950 Lehrer am Berner Konservatorium<br />

für Musiktheorie, Komposition und<br />

allgemeine Musikpädagogik und heisst Sándor<br />

Veress. Hierhin hatte der Konsidirektor Alphonse<br />

Brun den ein Jahr zuvor aus Ungarn emigrierten<br />

Komponisten, Pädagogen und Pianisten berufen.<br />

So bescheiden und leise Veress seine kritischen<br />

Beobachtungen in ungarischer, also in seiner Muttersprache<br />

als private Aufzeichnungen festhielt,<br />

so präzise wusste er, wovon er sprach, wenn er<br />

die Generäle und Trustherren als immerwährende<br />

Überlebende brandmarkte.<br />

Von Faschismus und Stalinismus gezeichnet<br />

Sándor Veress, 1907 im siebenbürgischen Kolosvar<br />

(Klausenburg, heute Cluj, Rumänien) geboren, hatte<br />

in Budapest bei den zwei bedeutendsten ungarischen<br />

Musiklehrern der ersten Jahrhunderthälfte<br />

studiert, Klavier bei Béla B<strong>art</strong>ók, Komposition bei<br />

Zoltán Kodály. In allen Formen des Unterrichts wie<br />

in der Komposition stand damals die reichhaltige,<br />

in der Zwischenkriegszeit in Ungarn noch lebendige<br />

volksmusikalische Tradition im Vordergrund.<br />

Für Veress stellten diese Melodien jedoch in erster<br />

Linie Materialien für sein Komponieren dar. 1943<br />

wurde Veress an der Franz Liszt Musikakademie als<br />

Nachfolger von Kodály Professor für Komposition,<br />

damals wie heute eine bedeutende und richtungsweisende<br />

Position im ungarischen Musikleben.<br />

Aber die politischen Katastrophen und die Wechsel<br />

vom einen radikalen Regime zum anderen liessen<br />

ein freies künstlerisches Wirken für einen Menschen<br />

wie Veress, der die Kunst als Teilaspekt der<br />

europäischen Geschichte der Humanität verstand,<br />

nicht zu. Nach dem Ende der Besetzung durch das<br />

Nazi-Regime waren in Budapest die ersten Nachkriegsjahre<br />

noch durch Experimentierlust und das<br />

unbeschränkte Aufblühen kultureller Aktivitäten<br />

gekennzeichnet. «Leider dauerte die Euphorie des<br />

Friedens und der hoffnungsvollen Konsolidierung<br />

der politischen Verhältnisse nicht lange. Alles, was<br />

wir uns 1945 vorgestellt hatten, entpuppte sich als<br />

nur kurze Herrlichkeit. Die Wühlarbeit und die Aushöhlung<br />

der demokratischen Institutionen durch<br />

Mátyás Rákosi, den ungarischen Stalin, gedieh so<br />

weit, dass man sich bereits im Sommer 1948 fragen<br />

musste, ob man unter diesen Perspektiven<br />

weiterarbeiten könne. Bei dem stets wachsenden<br />

Druck verspürte ich immer weniger Lust, am Ende<br />

das Schicksal von Schostakowitsch zu teilen. Mit<br />

diesen Gedanken bestieg ich am 6. Februar 1949<br />

musik<br />

den Nachtzug nach Prag ... nach neun Monaten<br />

geschah das Wunder in der Form der Einladung<br />

zu einer Gastprofessur in Bern. Was mir in Ungarn<br />

unmöglich gewesen wäre, die menschenwürdige<br />

persönliche Freiheit und die Möglichkeiten zur<br />

Entfaltung meiner Kunst, hat mir der helvetische<br />

Boden geschenkt.» Dies ist, zugegebenermassen<br />

verkürzt, die Geschichte der Emigration von<br />

Sándor Veress in die Schweiz, wie er sie in seinen<br />

Erinnerungen 1985 festhielt. Dass der bernische<br />

Horizont in Sachen Neuer Musik um 1950 überaus<br />

begrenzt, das kulturelle Leben unglaublich konservativ<br />

war, sollte Veress früh genug erfahren. Er, der<br />

in den Westen kam, um – in allen historischen und<br />

geistigen Dimensionen – Europäer zu sein, wurde<br />

schnell mit den engen schweizerischen Koordinaten<br />

konfrontiert. So notiert er 1955: «Ekelhafter<br />

Nationalismus AD 1955. Ob das Werk gut ist, wird<br />

nicht gefragt – ob englisch, französisch, deutsch,<br />

Schweiz (Kanton), das ist die Hauptbeschäftigung<br />

der ‹Kulturellen Repräsentanten›.»<br />

«Missing link» der Geschichte? Der bedeutendste<br />

Kompositionslehrer der Schweiz der fünfziger,<br />

sechziger und siebziger Jahre wurde erst<br />

1974, ein Vierteljahrhundert nach seiner Emigration<br />

in die Schweiz, als Mitglied in den Schweizerischen<br />

Tonkünstlerverein aufgenommen. Noch<br />

1982, als ihm die «Schweizerische Musikzeitung»<br />

zum 75. Geburtstag eine Sondernummer widmete,<br />

«husteten einige einfl ussreiche, gestandene<br />

Deutschschweizer Komponisten sehr vernehmlich»<br />

(Jürg Stenzl). So fand sich in den letzten<br />

Jahren der Name Veress nebst in einigen Berner<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 13


musik<br />

Statistiken und wenigen Konzertprogrammen vor<br />

allem in den Biographien seiner Schüler, und das<br />

sind überaus gewichtige Namen:<br />

An der Budapester Musikhochschule waren<br />

György Ligeti und György Kurtág, die beiden bedeutendsten<br />

ungarischen Komponisten der Nachkriegszeit,<br />

seine Schüler.<br />

In Bern waren eine halbe Generation von<br />

Schweizer Musikern und Komponisten seine Schüler:<br />

Heinz Holliger, Roland Moser, Heinz M<strong>art</strong>i, Urs<br />

Peter Schneider, Jürg Wyttenbach, um nur einige<br />

zu nennen. Allein angesichts dieser Namensliste<br />

wird deutlich, dass Veress einer der wirksamsten<br />

Kompositionslehrer des 20. Jahrhunderts ist, der<br />

«als Vorbild und überragende Persönlichkeit von<br />

hohem geistigem Rang einen bedeutenden Einfl<br />

uss auf die junge Generation ausgeübt hat» (Paul<br />

Sacher). In dieser Konstellation, einerseits Schüler<br />

von bedeutenden, seit einem halben Jahrhundert<br />

als Klassiker der Moderne qualifi zierten Lehrern<br />

(Bártok, Kodály), und andererseits Lehrer heute<br />

renommierter, ihrerseits wiederum stilbildender<br />

Komponisten zu sein, kann ein Verhängnis liegen.<br />

Das Verhängnis nämlich, als «missing link», als<br />

blosses Zwischenglied in der Generationenkette<br />

der «Grossen» zur historischen Anmerkung zu<br />

werden.<br />

Finita la Commedia? Freundschaften und<br />

künstlerische Kontakte wie jene zu Hermann Müller,<br />

dem Leiter des Berner Kammerorchesters, zu<br />

Paul Sacher oder zur Camerata Bern, insbesondere<br />

aber zu seinen Schülern am Konservatorium<br />

und an der Universität führten in den fünfziger<br />

und sechziger Jahren zu mehreren Kompositionsaufträgen.<br />

Der letzten Schaffensperiode, die mit<br />

dem «Glasklängespiel» um 1977 beginnt, ging eine<br />

zehnjährige Pause im Komponieren voraus. Dieser<br />

Rückzug als Komponist ist auf ein ganzes Gefl echt<br />

von äusseren und inneren Gründen zurückzuführen.<br />

Dazu gehört insbesondere die dauernd isolierte<br />

Situation im Schweizer Exil, als das Veress sein<br />

Leben in Bern verstand und das ihm auch mangels<br />

Auseinandersetzung mit Kollegen wenig äussere<br />

Anregung gab. Dazu gehört aber mindestens<br />

ebenso sehr die zunehmende Divergenz zwischen<br />

seinen ästhetischen Positionen, seinen durch die<br />

europäische Kulturgeschichte geprägten Kunstbegriff,<br />

und den tonangebenden Strömungen der<br />

Neuen Musik. Aufschlussreich ist ein Brief aus jener<br />

Zeit an den befreundeten Freiburger Musikhistoriker<br />

Erich Dofl ein:<br />

«So versuche ich hier etwas zu komponieren,<br />

wenn es noch geht. Es wird immer schwieriger,<br />

14<br />

wenn man nicht die Lust hat, mit den Wölfen zu<br />

heulen. Leider, ob man will oder nicht, die Frage<br />

stellt sich immer zwingender nach dem Sinn des<br />

Komponierens, und in meiner völligen Isoliertheit<br />

werden solche Gedanken noch mehr verschärft.»<br />

Veress hielt sich nicht zurück, wenn es galt, die<br />

«Ent<strong>art</strong>ung des Intellekts» zu brandmarken, die er<br />

in der «sterilen, intellektualistischen Spielerei» der<br />

Avantgarde, im «Kulturzerfall durch Kulturvielfalt»<br />

um 1960, oder im Desengagement gegenüber der<br />

Kunst sah: «Man ist nicht engagiert, das Musikhören<br />

ist ein rein ästhetisch-intellektueller Genuss. In<br />

der Kunst aber muss man sich engagieren. – Die<br />

gesellschaftliche Funktion der Musik als Kunst<br />

ist erloschen ... Hier stehen wir nun, nach den gigantischen<br />

Jahrhunderten europäischer Kunst ...<br />

Kurzum: Untergang des Abendlandes. – Finita la<br />

Commedia.» Veress aber unterschlägt nicht anzufügen,<br />

wenn auch bloss in Klammern: «Es war eine<br />

schöne, grosse Commedia.»<br />

Sándor Veress starb am 4. März 1992 in Bern<br />

im Alter von 85 Jahren. Sein nicht kleines, aber<br />

überschaubares Œuvre von nicht ganz siebzig<br />

Werken, die Jugendkompositionen nicht mitgezählt,<br />

ist gekennzeichnet durch eine sehr persönliche<br />

und überaus vielfältige Sprache. Seine Musik<br />

sucht nicht den vordergründigen oder lauten<br />

Effekt. Bei allem Humor, der in manchen Werken<br />

durchscheint, äussert sich in seiner Musik ein hohes<br />

Verantwortungsbewusstsein, ein tiefer Ernst<br />

gegenüber den Traditionen, gegenüber den Kulturen,<br />

gegenüber seinem «Tonmaterial», oder, wie<br />

er selber den Respekt vor seinem Tun formulierte:<br />

«Ein Ton – das klingt ja ganz schön; aber dann der<br />

zweite ...!»<br />

Musikfestival Bern – Veress 07 Am 1. Februar<br />

2007 beginnt in Bern aus Anlass des 100. Geburtstags<br />

von Sándor Veress ein Musikfestival, das<br />

seiner Musik, aber auch der Musik seiner Lehrer,<br />

Schüler und wiederum deren Schüler gewidmet ist.<br />

Ein bernisches Musikfestival? Hatten wir doch auch<br />

schon – in verschiedensten Facetten! Nein, ein Festival<br />

mit zehn Berner Institutionen und Ensembles,<br />

in dem zwanzig Konzerte, ein musikwissenschaftliches<br />

Symposion, ein Film, eine Lesung, Gespräche<br />

und Einführungen sich unter einem thematischen<br />

Dach präsentieren, hatten wir eben noch nicht. Das<br />

Festival ist auf drei lange Wochenenden, das erste<br />

Februar-, das erste März- und das erste Mai-Wochenende,<br />

aufgesplittet. Also bleibt bei der Fülle<br />

von unterschiedlichster Musik immer genügen Zeit<br />

zum Durchatmen, zum Nachklingen-Lassen, zum<br />

sich neu Einstellen auf das Kommende. Neu<strong>art</strong>ige,<br />

ungewöhnliche Konzertformen stehen neben dem<br />

traditionellen Symphonie- oder Kammerkonzert.<br />

In jeder Schaffensepoche fand Veress neue, überzeugende<br />

kompositorische Lösungen von grosser<br />

persönlicher Eigen<strong>art</strong>, die an gedanklicher Komplexität<br />

und formalem Reichtum, an klanglicher<br />

Experimentierfreudigkeit, an politisch-ethischen<br />

Aussagen, aber auch im Augenzwinkern weder<br />

anderen Werken der Avantgarde nachstehen noch<br />

mit ihnen wirklich vergleichbar sind.<br />

Das Veress-Festival st<strong>art</strong>et am 1. Februar mit<br />

einem echt bernischen Paukenschlag: Das Berner<br />

Kammerorchester spielt unter der Leitung des<br />

jungen Berner Dirigenten Philippe Bach, der seit<br />

September 2006 als Gewinner des 1. Preises im<br />

Internationalen Dirigentenwettbewerb für junge<br />

Operndirigenten am Teatro Real in Madrid als Assistenz-Dirigent<br />

tätig ist. Solist in Ligetis eigenwillig-klangsinnlichem<br />

Hornkonzert, in dem mehr Veress<br />

steckt, als man zu vermuten wagte, ist Olivier<br />

Darbellay, Mitglied des Collegium Novum Zürich,<br />

des Ensemble Contrechamps und des Ensemble<br />

Antipodes, Solohornist des Berner Symphonie-Orchesters<br />

und Lehrbeauftragter des Conservatoire<br />

de Lausanne.<br />

Einen der ersten bedeutenden öffentlichen<br />

Auftritte in Bern des international längst reüssierten<br />

Belgrader Pianisten Aleksandar Madžar erleben<br />

wir am 2. Februar im Konservatorium. Aleksandar<br />

Madžar hatte als blutjunger Pianist einige<br />

Klavierstücke von Veress noch mit dem Komponisten<br />

einstudiert. Im Chorkonzert am 3. Februar<br />

erklingen frühe Volksliedbearbeitungen. Zudem<br />

ist das Bieler Symphonieorchester in der grossen<br />

Halle der HKB zu Gast. Unter der Leitung des<br />

Chefdirigenten Thomas Rösner spielt u. a. Ernesto<br />

Molinari Veress’ ebenso virtuoses wie heikles<br />

Klarinettenkonzert, ein Spätwerk, in dem Veress<br />

nochmals den Klanghorizont spielerisch geweitet<br />

hat. Am Sonntag zeigt das Lichtspiel schliesslich<br />

eine unbekannte Seite im Werk von Sándor Veress:<br />

die Filmmusik zum Spielfi lm «Ein Stück Erde» aus<br />

dem Jahre 1948. Der Film wird erstmals im Westen<br />

öffentlich gespielt. Er behandelt das damals politisch<br />

brisante Thema der Landreform und ist ein<br />

faszinierender Beitrag zum sozialistischen Realismus<br />

im Nachkriegsungarn.<br />

Kurzum: Ein Festival für Neu- und Altgierige.<br />

Informationen:<br />

www.musikfestivalbern.ch<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


ELLING - WIE ZWEI DIE<br />

WELT EROBERN<br />

■ Wie lernt man Leute kennen? Wie kann, soll<br />

man telefonieren? Was tun die Menschen auf der<br />

Strasse? Warum sind in Sauerkrautpackungen keine<br />

Gedichte drin? Wieso kommen Frauen nicht zu<br />

Besuch? Diese Fragen stellen sich die beiden liebenswerten<br />

Antihelden Elling und sein Blutsbruder<br />

Kjell Bjarne. Nach der Entlassung aus der psychiatrischen<br />

Klinik sollen sie dank der Hilfe des Sozialarbeiters<br />

Frank in die bürgerliche Gesellschaft eingegliedert<br />

werden. Eine grosse Bewährungsprobe<br />

für eine wunderbare Freundschaft. Erst ängstlich<br />

und zögerlich, dann mutig und schliesslich geradezu<br />

draufgängerisch erobern die beiden erwachsenen<br />

Kinder Stück für Stück die Welt. Sie entdecken<br />

sie neu und, wenn nötig, ändern sie sie in ihrem Sinne.<br />

Die Welt tritt ihnen entgegen als sexy Kellnerin,<br />

strenger Sozialarbeiter oder als hochschwangere<br />

Nachbarin. Sie werden überrascht von der Härte<br />

des Lebens und der Fröhlichkeit des Seins. Ihnen<br />

fehlt nicht Geld, aber Sex und Anerkennung. Sie<br />

haben Angst. Sie kämpfen. Sie haben Glück.<br />

Mit ELLING bringt das Theater ChardonNez<br />

seine erste Produktion auf die Bühne. Als Film<br />

bewegte ELLING bereits Millionen von Herzen. Er<br />

war in ganz Europa ein Kassenschlager. Nun ist<br />

diese humorvolle und komische Geschichte in einer<br />

berndeutschen Übersetzung von Annemarie<br />

Voss unter der Regie von Renate Adam und dem<br />

Ensemble ChardonNez. (am.morgenegg)<br />

Spielort: Kellertheater Katakömbli, Bern,<br />

Spieldaten: vom 19. Januar bis 17. Februar 2007<br />

(siehe Webseite)<br />

Infos:<br />

www.theater-chardonnez.ch.<br />

CHLÖISU FRIEDLI<br />

– SÜNNELIBLUES<br />

■ Das Theater Ittigen hat sich einer alten Berner<br />

Geschichte angenommen: Chlöisu Friedli (1949–<br />

1981). Kein Musiker, der sich in den Hitparaden<br />

tummelte, dafür einer, der Spuren hinterliess. Sein<br />

Song «SünneliBlues» beispielsweise beschreibt in<br />

lakonischer Art den Patienten-Alltag in der psychiatrischen<br />

Klinik Waldau, wie ihn Chlöisu Friedli aus<br />

regelmässiger Erfahrung bestens kannte. Im Frühjahr<br />

1981 nimmt Chlöisu Friedli im Tonstudio die in<br />

den letzten Monaten entstandenen Songs auf. Seine<br />

auf dem Piano mit bluesigen Riffs begleiteten,<br />

meist halb assoziativ improvisierten Texte werden<br />

später als «Bärnerblues» bekannt und könnten<br />

als Vorläufer von «Stiller Has» gelten. Assistiert<br />

wird Chlöisu Friedli im Studio von Tontechniker<br />

Adi Tosetto und Hene Elmann, einem mysteriösen<br />

Herrn, dessen Anwesenheit aber offenbar nur von<br />

Chlöisu Friedli selbst bemerkt wird. Während sich<br />

der Musiker durch die Lieder arbeitet, kommen Erinnerungen<br />

hoch und entscheidende Episoden aus<br />

seinem Leben erwachen: das mit Feen und Kobolden<br />

bevölkerte Gäbelbachtal seiner Kindheit, erste<br />

Gehversuche in der Musik, hanebüchene Nebenjobs<br />

und die plötzliche Begegnung mit der grossen<br />

Liebe! Elmann unterstützt ihn dabei, durchleuchtet<br />

ihn und entpuppt sich gar als übermächtiger<br />

Zauberer.<br />

Doch so wie Autobahn und Tscharnergut das<br />

Gäbelbachtal zubetonierten, stellen sich Chlöisu<br />

die Schatten einer psychischen Erkrankung in den<br />

Weg, binden ihn zurück, isolieren ihn – und Elmann<br />

entwickelt sich schliesslich vom unterstützenden<br />

Mentor zum zynischen Gegenspieler. Das Stück<br />

spürt Leben und Werk der Berner Blueslegende<br />

nach. Chlösu Friedli ist eine Künstlerexistenz, der<br />

sich zwischen Witz und Aufbruch bewegt, und dabei<br />

die späten 70er und frühen 80er Jahre aufl eben<br />

lässt. «SünneliBlues» - ein mystisch beklemmender<br />

Krimi von und mit Dänu Brüggemann.<br />

(pressetext / vl)<br />

Chlöisu Friedli - SünneliBlues<br />

Theaterstück von Dänu Brüggemann<br />

Regie: Hans Peter Incondi<br />

Spielort:<br />

Aula Oberstufenzentrum, Rain 5; 3063 Ittigen<br />

Première: 20. Januar, 20:00 h<br />

Weitere Vorstellungen: 24., 26., 27., 31. Januar; 2.,<br />

3., 7., 8., 9. und 10. Februar jeweils um 20:00 h sowie<br />

4. Februar um 17:00 h<br />

Reservation und Infos:<br />

www.theater-ittigen.ch<br />

LITERATUR IN BERN<br />

DER PHILOSOPH<br />

VON BERN<br />

veranstaltungen<br />

■ Einen historischen Dringlichkeitskatalog habe<br />

er verfasst, und es sei daher unverantwortlich,<br />

dass seine Schriften nicht greifbar sind, schrieb<br />

Hugo Loetscher. Das ist jetzt nicht mehr so. Mit<br />

der entstehenden Werkausgabe wird eine repräsentative<br />

Auswahl der gesammelten Schriften<br />

von C. A. Loosli zugänglich. Looslis Nachlass<br />

umfasst insgesamt gut 22 Laufmeter Papier und<br />

ist im Schweizerischen Literaturarchiv archiviert.<br />

Dort fi ndet nun auch eine Tagung statt: Namhafte<br />

Personen aus verschiedenen Fachgebieten,<br />

so auch Hugo Loetscher, werden zu der aktuellen<br />

Bedeutung des mutigen Publizisten Stellung<br />

nehmen.<br />

Greifbar sind die zwei ersten Bände der<br />

Werkausgabe: Band 1, Anstaltsleben, umfasst<br />

eine Auswahl sowohl literarischer wie auch publizistischer<br />

Texte zu der Verdingkinderfrage und<br />

zu Jugendrecht. Die Aktualität dieser Schriften<br />

thematisiert Ueli Mäder, der gemeinsam mit<br />

Heiko Haumann an der Universität Basel ein<br />

Forschungsprojekt zu den Verdingkindern leitet.<br />

Looslis Stellenwert in der Schweizer Kriminalliteratur<br />

analysiert Edgar Marsch: Der Roman «Die<br />

Schattmattbauern», Kernstück von Band 3, sei<br />

der erste moderne Schweizer Kriminalroman.<br />

Der Professor für Germanistik erklärt, was den<br />

Roman modern macht. Und wie wird der Nachlass<br />

eines Schriftstellers verwaltet? Welche Fragen<br />

wirft die Edition eines Werkes auf? Welche<br />

Rolle spielt der Verlag? Aber vor allem: Welche<br />

Bedeutung hat oder soll die Wiederentdeckung<br />

C. A. Looslis haben? Hugo Loetscher steht ein für<br />

die Aktualität eines verkannten Berners, der für<br />

die Geschichte der schweizerischen Mentalität<br />

von erstem Rang ist. (ass)<br />

20. Januar 2007<br />

Öffentliche Tagung von 10:00-17:00 h<br />

Schweizerisches Literaturarchiv in der<br />

Schweizerischen Landesbibliothek<br />

Hallwylstrasse 15<br />

3005 Bern<br />

Anmeldung:<br />

Rotpunktverlag: Tel. 044 241 84 75<br />

Schweizerisches Literaturarchiv:<br />

Tel. 031 322 92 60<br />

Über C. A. Loosli wurde bereits in den ensuite-<br />

Ausgaben Nr. 46 und Nr. 47 berichtet.<br />

WWW.ENSUITE.CH<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 15


fokus<br />

DIE GEWINNERINNEN DER LESERUMFRAGE 2006<br />

■ Unsere Leserumfrage im Oktober und November<br />

2006 war sehr erfolgreich. Wir können hier<br />

schon mal die GewinnerInnen bekannt geben. Wir<br />

gratulieren:<br />

1. Preis<br />

Die Reise nach Paris geht an:<br />

Nicole Keller; 3066 Stettlen<br />

2. Preis<br />

Die Übernachtung auf dem Gurten geht an…<br />

Julia Abakai; 3072 Ostermundigen<br />

3. Preis<br />

Drei XENIX-Film-DVDs nach Wahl gehen an…<br />

Thomas Eggenberger; 4051 Basel<br />

KULTUR & GESELLSCHAFT<br />

ein kornhaus ohne korn?<br />

Von Lukas Vogelsang – Ein Rettungsaufruf für das Kornhausforum<br />

■ Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember, berichtete<br />

die «Berner Zeitung» mit dem Titel «Kornhausforum<br />

vor dem Aus» über die Sparpläne der Abteilung<br />

Kulturelles und des Gemeinderats Bern. Man<br />

will dem Kornhaus den Geldhahn abdrehen – irgendwo<br />

muss ja gesp<strong>art</strong> werden. Als hätten wir mit den<br />

Turbulenzen im museum franz gertsch nicht schon<br />

genug Wirbel gehabt, kam diese Meldung wie ein<br />

Aprilscherz daher – zum Wetter hätte es ganz gut<br />

gepasst. Doch die Lage scheint ernster zu sein, als<br />

dass wir Witze machen könnten. Die Stellungnahme<br />

vom Kornhausforum (siehe rechts) beruhigt zwar<br />

ein bisschen das Gemüt, doch die Aussicht, dass<br />

die Abteilung Kulturelles einen Lösungsvorschlag<br />

weiterverfolgt, kann nichts Gutes bedeuten: Dieses<br />

Szenario hatten wir mit BeJazz bereits mitgespielt<br />

und das Ergebnis war alles andere als beruhigend.<br />

Komische Politik Das Kunstmuseum, das Historische<br />

Museum, das Stade de Suisse, der Baldachin<br />

beim Bahnhof und das Zentrum Paul Klee wurden<br />

oder werden gebaut und all diese öffentlichen Bauten<br />

wurden im Kornhausforum ausgestellt. Dazu<br />

kommt, dass sich gerade mit diesen Bauwerken die<br />

Stadträte im Kornhausforum gut in Szene setzen<br />

konnten. Für verschiedene Anlässe war das Kornhausforum<br />

der beste Ort. Die Argumentation, es<br />

habe «kein Profi l und kein Programmschwerpunkt»,<br />

so der Kultursekretär Christoph Reichenau, stimmt<br />

so nicht: Das Kornhausforum zeigt zeitgenössische<br />

Ausstellungen, die in Bern in keinem anderen Museum<br />

zu sehen wären, ist auf Design und Architektur<br />

ausgerichtet und auch Politplattform.<br />

Ärgerlich ist diese Sparidee vor allem, weil der<br />

ehemalige Leiter des Kornhausforums erst letzten<br />

Sommer den Hut nahm und damit endlich Platz für<br />

16<br />

4. – 10. Preis - Je ein Jahr gratis<br />

ensuite – kulturmagazin gehen an…<br />

Sergio Thanei; 3007 Bern<br />

Füglister Peter; 3053 Münchenbuchsee<br />

Madeleine Wick Reding; 3004 Bern<br />

Marie D. Schönebaum; 3013 Bern<br />

Claudia René; 2502 Biel<br />

Gordana Lazic; 3006 Bern<br />

Roman Troxler; 9000 St. Gallen<br />

Wir möchten uns bei all den zahlreichen TeilnehmerInnen<br />

ganz herzlich für die Zuschriften und<br />

fürs Mitmachen bedanken. Wir sind sehr überrascht<br />

und berührt, welch tolles Feedback Sie<br />

uns gegeben haben. Danke für die Treue und die<br />

Menschlichkeit.<br />

Ihre ensuite-Redaktion<br />

Neues entstehen kann. Mit 45‘000 Besuchern ist<br />

das Kornhausforum immer noch etwa drei Mal besser<br />

besucht als zum Beispiel die Kunsthalle Bern.<br />

Beide Häuser weisen etwa die gleiche Grösse auf.<br />

Klar, man könnte die nationale Ausstrahlung miteinbeziehen,<br />

doch auch da würde das Kornhausforum<br />

nicht schlecht abschneiden. Vor allem ist das Kunstforum<br />

modern – und das tut Bern gut.<br />

Ärgerlich ist dieser Spargedanke auch deswegen,<br />

weil der Schuss in die Ränge zielt, die aktiv<br />

am Berner Kulturleben beteiligt sind: Bekult ist<br />

eine Veranstaltervereinigung, bestehend aus dem<br />

Schlachthaus, der Dampfzentrale, den Tanztagen<br />

und dem Kornhausforum, die sich immer um einen<br />

Kulturdialog bemühten und für ein kulturelles Bern<br />

dachten. Das Kornhausforum war in der Kommunikation<br />

darin immer federführend. Ohne Kornhausforum<br />

wird diese Organisation, die eh nicht auf bester<br />

Erde steht, zersplittet. Den kleineren und grösseren<br />

Veranstaltern würde eine Plattform entzogen und<br />

damit auch eine politische Stimme.<br />

Eine gute Idee Wir möchten Sie, liebe LeserInnen,<br />

bitten, uns Ihre Meinung zu dem Thema zu<br />

schreiben. Ihre Meinung ist gefragt, bevor Sie von<br />

jemandem entschieden wird. Nehmen Sie sich das<br />

Stück Freiheit und schreiben Sie uns einen Leserbrief.<br />

leserbrief@ensuite.ch oder<br />

ensuite – kulturmagazin<br />

Leserbriefe; Sandrainstrasse 3; 3007 Bern<br />

Der besagte Artikel kann unter<br />

http://www.espace.ch/<strong>art</strong>ikel_297306.html<br />

gelesen werden.<br />

Eine erste kurze Stellungsnahme<br />

aus dem Kornhausforum:<br />

Wir wurden vor kurzem vom Kultursekretär und<br />

Stadtpräsidenten mündlich vorinformiert. Allerdings<br />

wurden bei diesen Gesprächen auch neue<br />

Optionen zur Weiterführung des Kornhausforums<br />

diskutiert, die bis im Januar von der Abteilung<br />

Kulturelles weiterverfolgt werden sollen. Insofern<br />

war insbesondere solch ein Titel wie in der «BZ»<br />

unschön.<br />

Unsere Stellungnahme:<br />

Wir haben Verständnis für den Spardruck der<br />

Stadt Bern. Eine Konzentration der Kräfte ist<br />

grundsätzlich richtig, denn viele Kulturinstitutionen<br />

sind eigentlich bereits seit längerem unterfi<br />

nanziert.<br />

Dass mit der Schliessung des Kornhausforums<br />

rund 1 Million Franken gesp<strong>art</strong> werden könnte,<br />

stimmt allerdings nicht. Für die Miete der Räume<br />

des Kornhausforums bezahlen wir vom<br />

Budget von 980‘000 Franken 410‘000 Franken<br />

wieder zurück. Dieser Betrag müsste erst einmal<br />

durch Vermietungen erwirtschaftet werden und<br />

dafür bräuchte es sicher auch Personal. Flüssige<br />

Mittel (neben den Personalkosten) werden von<br />

der Stadt seit 2003 mit 214‘000 Franken zur<br />

Verfügung gestellt. Über Vermietungen, Sponsoring,<br />

Eintritte/Verkäufe und Mitgliederbeiträge<br />

hat das Kornhausforum seit 2003 jährlich<br />

rund 250‘000 Franken selber erwirtschaftet, so<br />

dass die Eigenwirtschaftlichkeit immer 20-30<br />

Prozent betrug. Und dies inklusive dem hohen<br />

Mietwert. Die Besucherzahlen betrugen seit Beginn<br />

jährlich immer ca. 45‘000 Personen.<br />

Das Kornhausforum ist 1998 bewusst mit einem<br />

breiten Profi l als Forum für Medien und<br />

Gestaltung von der Stadt gegründet worden.<br />

Im Sinne einer Schärfung des Profi ls haben wir<br />

vorgeschlagen, die Bereiche Gestaltung und Gesellschaftspolitik<br />

zu pfl egen und möglichst mit<br />

diesen beiden Standbeinen auch eigene Projekte<br />

(wie die zur Zeit laufende Ausstellung «Spielwitz<br />

& Klarheit») zu lancieren.<br />

Wir hoffen nun vorerst, dass die Diskussion im<br />

Januar noch neue Lösungsvorschläge bringt. Wir<br />

sind aber dankbar, wenn wir später in der politischen<br />

Auseinandersetzung auf Ihre/Eure Unterstützung<br />

zählen können.<br />

Claudia Rosiny, Leiterin<br />

Hans-Ulrich Herrmann,<br />

Präsident Verein Kornhausforum<br />

www.kornhausforum.ch<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


POPMUSIK<br />

«die mittelschicht kennt keine loyalität»<br />

Interview von Sarah Elena Schwerzmann mit Rapper Sido (Bild: zVg.)<br />

Das «Superintelligente Drogenopfer», kurz SIDO<br />

fällt durch grosse Klappe, eiserne Maske und frauenfeindliche<br />

Texte auf. Trotzdem, oder gerade deswegen<br />

schwimmt der Berliner auf der Erfolgswelle:<br />

Das aktuelles Album «Ich» des Rappers hatte<br />

bereits nach zwei Tagen Goldstatus erreicht.<br />

Sido, hasst Du Frauen?<br />

Sido: Nö. Ich hab nur viel mit Frauen zu tun, für<br />

die ich keinen Respekt habe. Die lassen an Konzerten<br />

einfach ihre Jungs stehen, um mit mir rumzumachen.<br />

Und das stört Dich?<br />

In einer Beziehung ist Treue angesagt. Es geht<br />

aber nicht nur darum. Diese Frauen verhalten sich<br />

nicht wie Frauen.<br />

Und wie verhält sich eine Frau?<br />

Frauen sollen sich ihrer Rolle bewusst sein und<br />

sich nicht wie Männer benehmen. Sie müssen Männer<br />

respektieren und Mann sein lassen.<br />

Moderne Rollenverteilung ist also nicht dein<br />

Ding?<br />

Nö, gar nicht. Der Mann geht arbeiten, und die<br />

Frau bleibt zu Hause und kümmert sich um die Kinder.<br />

Du hast einen Track mit Kitty Kat, einer Rapperin,<br />

aufgenommen. Wann hast Du gemerkt,<br />

dass Frauen mehr draufhaben, als sich für Dich<br />

auszuziehen?<br />

Das habe ich gecheckt, als ich sie gehört habe.<br />

Kitty Kat macht gute Texte, und das ist wichtig. Sie<br />

hat eine geile Stimme. Was will man mehr?<br />

Du bist in einem der härtesten Viertel Berlins<br />

aufgewachsen, das haben wir auf der letzten<br />

CD schon gehört. Nun geht es aber auf «Ich» in<br />

demselben Ton weiter. Gefällst Du Dir in der Rolle<br />

des armen Opfers?<br />

Ich fühle mich schon wohl so. Und ich schäme<br />

mich halt nicht, dass ich von der Strasse komme.<br />

Im Gegenteil: Ich bin stolz darauf. Immerhin habe<br />

ich dort viel fürs Leben gelernt.<br />

Und das wäre?<br />

Loyalität. Im Viertel haben wir zusammengehalten,<br />

egal wie tief wir in der Scheisse sassen.<br />

Weil du irgendwann die Scheisse, in der du steckst<br />

gar nicht mehr riechst. Nun bin ich aufgestiegen,<br />

bin – sagen wir mal – so ein bisschen über dem Mittelstand<br />

und merke, dass in der Schicht alle total<br />

verklemmt sind. Die Mittelschicht ist eine Ellbogengesellschaft,<br />

sie kennt keine Loyalität<br />

Auf Deinem letzten Album «Die Maske» hast<br />

Du Dir viel Geld gewünscht, jetzt hast Du auf<br />

einen Schlag viel verdient, und nun heisst es<br />

«Geld bringt nur Probleme»?<br />

Ich hab zwar dort gesagt, dass ich Geld haben<br />

will. Aber ich habe nicht von so viel gesprochen.<br />

Zum Zeitpunkt, als ich die Platte gemacht habe,<br />

rechnete ich nicht damit, so erfolgreich zu sein.<br />

Ich hätte mir so 20‘000 Euro gewünscht, als St<strong>art</strong>kapital,<br />

und dann hätte ich in einem Jahr 100‘000<br />

mit Drogengeschäften gemacht.<br />

In dem Geschäft bist Du also auch heute<br />

noch ab und zu tätig. Wie vertickt man denn als<br />

Prominenter Drogen, ohne in den Knast zu wandern?<br />

Och, ich hab denselben Anwalt wie Stefan Raab.<br />

Der regelt das für mich. Was die Anzahl Klagen pro<br />

Tag angeht, liege ich aber im Moment noch hinter<br />

Stefan auf Platz zwei.<br />

Du hast mit dem Bündner Rapper Gimma zu-<br />

musik<br />

sammengearbeitet. Warum hältst Du trotzdem<br />

nicht viel von Schweizer Hip-Hop?<br />

Gimma macht schon gute Sachen, aber um ehrlich<br />

zu sein, hat da einfach das Geld gestimmt. Das<br />

Problem bei Euch Schweizern ist, dass Eure Rapper<br />

ihren eigenen Stil noch nicht gefunden haben.<br />

Dieses ewige Abkopieren von deutschen Hip-Hop-<br />

Acts nervt einfach. Das fi nd ich nicht gut.<br />

Dafür bist Du aber ein grosser DJ-Bobo-<br />

Fan?<br />

Aber klar, DJ Bobo war mal einer von uns! Im<br />

Ernst: Durch ihn bin ich zum Hip-Hop gekommen.<br />

Meine Mutter hat mich auf seine Musik aufmerksam<br />

gemacht und gemeint: Hör mal, der singt ja<br />

gar nicht, der macht so was anderes. Das wollte ich<br />

auch.<br />

Kannst Du Dir vorstellen, mit ihm zusammenzuarbeiten?<br />

Nein, gar nicht. Ich meine, diese Zeiten sind<br />

vorbei. Er ist jetzt der «Pirate of Dance», Mann,<br />

das ist was anderes.<br />

CD: Sido, «Ich» (Aggro Berlin); weitere Infos, Videos<br />

und Downloads unter www. sido.de<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 17


musik<br />

VOLKSMUSIK<br />

lieder voller schwermut<br />

und glückseligkeit<br />

Von Caroline Ritz - Kud Meya: Volkslieder aus dem Balkangebiet (Bild: zVg.)<br />

■ Der Frost nagt im Auftrag von Herrn Winter immer<br />

noch beharrlich an den verbliebenen Grashalmen.<br />

Und wer nach heimlichen Winterschläfern<br />

sucht, wird sich eingestehen müssen, dass sie ihr<br />

Ver sprechen an die Evolution halten und der Aussenwelt<br />

verborgen bleiben. Der Nebel bleibt Herrscher<br />

über Himmel und Erde. Verbleichte Geister<br />

schliessen sich verstohlen dem Irdischen an und<br />

näh ren sich vergnügt am menschlichen Seelenkummer<br />

und am trüben Weltschmerz. So hält der<br />

Januar Einzug, begleitet von einem Heer einstiger<br />

Erinnerungen, die das Altjahres-Reich nicht<br />

verlassen wollten – mit Ernüchterung und leise<br />

geschworenen Vorsätzen im Gepäck, Flüchen und<br />

Wünschen als Kompass. Wohl nichts und niemand<br />

kann uns diesen Müssiggang ohne jegliche Einbusse<br />

abnehmen. Natürlich kann man versuchen,<br />

sich mit betörendem Wein und leichtfüssigen<br />

Liebesgöttern ein wenig zu trösten. Wem dies zu<br />

gefährlich scheint, kann sich in die Arme von Kud<br />

Meya retten. Warm und wohlig werden sie die kalte<br />

Jahreszeit für einen Abend wegsingen, denn ihre<br />

Volkslieder tragen das Geheimnis der Glückseligkeit<br />

und Freude in sich.<br />

Kud Meya ist ein sechsköpfi ges Ensemble, das<br />

neben der Musik auch eine tiefe und innige Freundschaft<br />

verbindet. Ivan Nestic (Bass, Tambura),<br />

Tihana Zubek (Gesang) und Boris Klecic (Gitarre,<br />

Tambura) kennen sich schon seit frühen Kindertagen<br />

aus einer traditionellen Folklore-Gruppe in<br />

Zag reb. Später stiessen der Sänger Zvonko Kompes<br />

und der Tambura-Spieler M<strong>art</strong>in Kljaic zu den<br />

Dreien hinzu.<br />

Entstanden sind Kud Meya, was so viel heisst<br />

wie «grenzgängerische Kulturgesellschaft», im<br />

Jahr 1991 in Zagreb. Bald schon gehörten ihnen<br />

18<br />

die grossen Bühnen in Kroatien. Sie spielten vor<br />

einfl uss reichen Politikern und Geschäftsleuten,<br />

liessen Hochzeiten zu unvergesslichen und fröhlichen<br />

Tanz festen werden und begeisterten die<br />

Zuschauer des kroatischen Fernsehens. Prägend<br />

für die Band ist das Gesangsduo Tihana Zubek<br />

und Zvonko Kompes – ihre eindrücklichen und aussergewöhnlichen<br />

Stimmen lassen die Zuhörer Teil<br />

werden von emotionsgeladenen Momenten und<br />

vergnüglichen Augen blicken. Der 57-jährige Kompes<br />

sang schon vor verschiedenen jugoslawischen<br />

und kroatischen Präsidenten wie Tito und dem jetzigen<br />

Staatspräsidenten Stjepan Mesic. Tihana Zubek<br />

lebt seit 13 Jahren in Deutschland, komponiert<br />

und leitet dort mehrere folkloristische Gruppen.<br />

2001 trennten sich ihre die Wege. Ivan Nestic<br />

und Boris Klecic kamen für einen Studienaufenthalt<br />

in die Schweiz. Boris Klecic studiert an der<br />

Swiss Jazz School in Bern und Ivan Nestic unterrichtet<br />

als Lehrer am Konservatorium in Freiburg.<br />

Ivan kann sich noch gut an das letzte Konzert von<br />

Kud Meya in Kroatien erinnern: «Wir waren in den<br />

Bergen an einem Fest für wichtige Geschäftsleute.<br />

Es wurde so viel ge trunken und gespielt, dass wir<br />

uns in den frühen Morgenstunden nur noch weinend<br />

in den Armen lagen. Wie es sich in Kroatien<br />

gehört, feierten und tranken die Geschäftsmänner<br />

natürlich aus giebig mit. Die Talfahrt hinterher war<br />

ein wahres Erlebnis: Dem betrunkenen Zvonko<br />

war so speiübel, dass er auf die Gefahr hin, sich<br />

im Auto zu übergeben, eine Dreiviertelstunde lang<br />

den Kopf aus dem Auto halten musste. Er sah so<br />

lustig aus – und trotzdem war uns wegen der Bandaufl<br />

ösung zum Heulen zumute. Nun bin ich froh,<br />

dass sich unsere Wege wieder gekreuzt haben.»<br />

Sie trotzten dem Krieg, der Trauer und dem<br />

Schicksal vieler ihrer Landsleute mit ihren treuen<br />

Liedern. Die Verstreuung in die umliegenden Länder<br />

liessen die Wiedersehen und gemeinsamen<br />

Feste nur noch übermütiger und freudvoller ausfallen.<br />

2006 spielten Kud Meya in Kroatien eine CD<br />

mit neuem Repertoire ein. Auf dem Album ist auch<br />

ein weiteres neues Mitglied zu hören. Die Rede ist<br />

von Mario Batkovic – seit 2005 mit dabei, gefragter<br />

Akkordeonist, Komponist und Arrangeur in verschiedensten<br />

Formationen. Eine Veröffentlichung<br />

mitsamt nachfolgender Tournee in Westeuropa<br />

ist für 2007 angesetzt. Auftakt ist am 7. Januar<br />

bei bee-fl at, mit vorhergehendem Artists-in-Residence-Aufenthalt<br />

im PROGR.<br />

Es könnte gut sein, dass einige schnittige Besucher<br />

nach dem Konzert musiktrunken den Weg zur<br />

Bar aufsuchen werden. Wodka wird auf alle Fälle<br />

das Gemüt aller Kältescheuen und Neujahrsmuffel<br />

wärmen. Und viel leicht sollten auch die Kleinmütigen<br />

unter den Anwesenden an diesem Abend ihr<br />

Glück mit süffi gem Wein und Liebesgöttern versuchen.<br />

Die langen Winternächte lassen die Menschen<br />

jedenfalls näher zusammenrücken – diesmal<br />

ab 21:00 h in der Turnhalle.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


Bild: zVg.<br />

JAZZ<br />

jazz kennt viele sprachen<br />

Von Caroline Ritz - Suisse Diagonales Festival 7/11. Januar – 10. Februar 2007<br />

■ Ein Tessiner und ein Deutschschweizer arbeiten<br />

zusammen auf einer Baustelle. Bei der «Znüni-Pause»<br />

sagt der Tessiner «come stai», was so<br />

viel heisst wie «wie geht‘s».Der Deutschschweizer<br />

daraufhin: «Danke, mir geht‘s gut». Im selben Moment<br />

fällt dem Deutschschweizer ein Ziegel auf<br />

den Kopf. Nach einer halben Stunde wacht der<br />

Deutschschweizer aus seiner Bewusstlosigkeit<br />

auf und fragt den Tessiner stutzig: «Warum hast<br />

du mich denn nicht gewarnt?». Der Tessiner entgegnet<br />

perplex: «Hab ig ja sagen komme Stei».<br />

Klischee oder Wahrheit?<br />

Romands, die sich weigern, Deutsch zu sprechen.<br />

Deutschschweizern, denen die legere Arbeitsmoral<br />

der Romands kräftig auf den Magen<br />

schlägt. Und Tessiner, die ihren Deutschschweizer<br />

Kollegen den fallenden Ziegel nicht klar kommunizieren<br />

können. Sind das alles bloss Geschichten,<br />

die Leute von anderen Leuten gehört haben? Die<br />

diese wiederum in Büchern gelesen haben?<br />

Gut, das mit dem Kantönligeist hat schon was,<br />

und der Röstigraben ist leider kein Menüvorschlag<br />

im Restaurant «Le Mazot». Aber, war es nicht<br />

schon immer so: Woran Politiker und P<strong>art</strong>eien öfter<br />

scheitern, nämlich an gräbenübergreifender<br />

Zusammenarbeit und Kollegialität, dort versucht<br />

die Kultur Brücken zu schlagen. Suisse Diagonales<br />

Festival heisst die Antwort auf all die Sprachgrenzen<br />

der Schweiz. Zehn Musikformationen aus ver-<br />

schiedenen Teilen der Schweiz touren unabhängig<br />

voneinander quer durchs Land – um Mentalitäten<br />

näher rücken zu lassen, um neue musikalische<br />

Impulse mitzubringen und nicht zuletzt, um eine<br />

erhöhte überregionale Bekanntheit zu erlangen.<br />

Zwanzig Veranstaltungsorte werden zur stationären<br />

Durchfahrt für ambitionierte Musiker und<br />

Treffpunkt für ein jazzorientiertes Publikum. Hier<br />

einige Stationen: St. Gallen, Biel, Freiburg, Genf,<br />

Sitten, Basel, Aarau und Chur.<br />

Schon 2003 und 2005 entsandte der Verein<br />

Suisse Diagonales Festival seine Boten erfolgreich<br />

in verschiedenste Gebiete der Schweiz. Die<br />

Musiker sind jung und bringen viel künstlerisches<br />

Entwicklungspotential mit. Für die Eröffnungskonzerte<br />

in Basel, Zürich und Genf konnten die beiden<br />

international bekannten Musiker Daniel Humair<br />

und Harald Haerter gewonnen werden. Sie werden<br />

den St<strong>art</strong>schuss gebe für die Young Lions der<br />

Schweizer Jazz-Szene.<br />

Wem dies zu schnell war, kann hier nochmals alles<br />

in Ruhe nachlesen:<br />

www.diagonales.ch<br />

musik<br />

DIAGONALES BERN/BIEL<br />

Be-Jazz Winterfestival<br />

■ Das Diagonales Festival wird ebenfalls ein<br />

Intermezzo am diesjährigen BeJazz Festival<br />

einlegen. Einer der Höhepunkte wird sicherlich<br />

der Waadländer Yannick Delez sein. Besetzt ist<br />

sein Trio eher unkonventionell mit Yannick Delez<br />

(Piano), Philippe Ehinger (Bassklarinette) und<br />

Stefano Saccon (Saxofon). Delez spielt musikalische<br />

Landschaften und Stimmungen in einer<br />

enormen Intensität. Seine Musik lässt die Zeit<br />

rückwärts laufen, lässt sie bisweilen still stehen.<br />

Seine Melodien lassen Quellen versiegen, um sie<br />

noch einmal ungestüm entspringen zu lassen. So<br />

muss Musik klingen – Zuckerbrot und Peitsche<br />

zugleich. Ein klassischer Geist mit dem Spiel eines<br />

jungen Jarretts.<br />

Es wird der Abend der Trios sein. Wohl nicht<br />

mehr ganz so unbekannt in der Deutschschweiz<br />

wie Delez ist das Rusconi Trio. Zitat der Jury<br />

des Montreux Chysler Awards: «Ein sehr gutes<br />

Jazztrio, mit gutem Groove und viel Power, mit<br />

kompaktem Zusammenspiel und spannendem<br />

Interplay …». Dieser Aussage kann zugestimmt<br />

werden. Der aus Zürich stammende Stefan Rusconi<br />

(Piano) wird mit Fabian Gisler (Bass) und<br />

Claudio Strüby (Schlagzeug) am Festival auftreten.<br />

Ein charmantes Trio, das die Besucher mit<br />

hoher Musikalität und leisem Humor begeistern<br />

wird. Last but not least das Trio Q3 bestehend<br />

aus den drei Tessiner Brüder Nolan Quinn (Trompete,<br />

Rhoders), Simon Quinn (Bass) und Brian<br />

Quinn (Schlagzeug, Vibraphon). Etwas für zapplige<br />

und nervöse Beine. Hier kann mit dem Fuss<br />

mitgewippt werden, bloss wird man gelegentlich<br />

zu wenige Zehen haben um das Tempo mitzuhalten.<br />

Nu-Jazz – Drum’n’Bass mit elektronischen<br />

Klängen angereichert. Der richtige Act, um einen<br />

Tanzabend anzuhängen. (cr)<br />

19. Januar, UPtown auf dem Gurten<br />

Manuel Mengis im St. Gervais<br />

■ In 27 Minuten ist man in Biel und in ca. 7 Minuten<br />

in der warmen Stube des Restaurant St.<br />

Gervais. Kulinarium und musikalischer Höchstgenuss<br />

zugleich wird Manuel Mengis mit Gruppe<br />

6 sein. Der Walliser Trompeter hat sein Debutalbum<br />

auf dem renommierten Label HatHut veröffentlicht.<br />

Dieses setzt sonst vornehmlich auf<br />

bereits international etablierte Künstler wie zum<br />

Beispiel Ellery Eskelin, Jim Black, David Murray,<br />

Marc Copland, um nur einige zu nennen. Die Qualität<br />

seiner Kompositionen spricht für sich. Geballte<br />

Energie und kammermusikalische Poesie<br />

zugleich. Eine der bemerkenswertesten jungen<br />

Bands in der Schweiz. (cr)<br />

25. Januar, Restaurant – Bar St. Gervais, Biel<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 19


musik<br />

INSOMNIA<br />

DIE PFLICHTEN EINES DJ<br />

Von Eva Pfi rter<br />

■ An meiner ersten schlechten P<strong>art</strong>y hab ich beschlossen,<br />

DJ (sorry, ich fi nde «DJane» einfach ein<br />

bekloppter Name! Kommt Euch da auch Jane in<br />

den Sinn, die, an einer Liane hängend und bloss<br />

mit einem Blätterbikini bekleidet, von Ast zu Ast<br />

schwingt?) zu werden. Es gibt diese Typen, die<br />

– selbstverliebt und in sich versunken – über die<br />

Platten gebeugt im Takt wippen und ihre Musik so<br />

hammermegagenial fi nden, dass sie gar nicht mitbekommen,<br />

wenn die Menschenmenge zum Stillstand<br />

kommt und gelangweilt Richtung DJ-Pult<br />

blickt. Herrgott! DJ’s sind nicht dazu da, sich selber<br />

glücklich zu machen, sondern dem Glück suchenden<br />

Publikum zu geben, was es wünscht: gute<br />

Musik, die sich langsam vom locker-fl ockigen Intro<br />

bis zum Höhepunkt kontinuierlich und geplant<br />

steigert; zu einem Höhepunkt, der uns Tanzenden<br />

im Idealfall den Schweiss aus den Poren treibt, uns<br />

beinah ausfl ippen und innerlich vor den Göttern<br />

des Beats auf die Knie fallen lässt. Wunderbar!<br />

Kürzlich war ich an einer solch perfekten P<strong>art</strong>y<br />

in der Basler Kaserne. Der DJ war wirklich Herr seiner<br />

Platten und hatte ein Konzept im Kopf! Und wir,<br />

das tanzhungrige Volk, wurden von ihm gesteuert<br />

wie Puppen von einem Puppentheaterspieler. Der<br />

Schlussakt war einfach perfekt: Das Licht ging aus<br />

und der DJ rief in die totale Dunkelheit hinein «one<br />

more last!», bevor er den ersten Ton erklingen<br />

liess. Der Song begann langsam und klang nach<br />

Reggae, so zum Mitwippen, bis plötzlich der Bass<br />

einsetzte und der VJ dazu Flimmerlicht durch den<br />

alten Rosstall schickte. Es war der vollkommene<br />

P<strong>art</strong>yschluss: ekstatischer Sound, entrückendes<br />

Flimmern und eine tobende Menge, deren Hunger<br />

nach seiner Musik noch immer ungestillt war.<br />

Aber, ach: Wie selten sind doch diese P<strong>art</strong>ies,<br />

die sich anfühlen wie ein vollmundiger Rotwein,<br />

eine abgerundete salsa di pomodoro, ein in sich<br />

stimmiger Popsong, der «perfekt isch bis am<br />

Schluss», um es mit Kuno zu sagen. Selbst die<br />

Turnhalle, seit zwei Jahren Mekka für Tanznacht-<br />

Hungrige, hat es kurz vor Weihnachten nicht geschafft,<br />

eine gute P<strong>art</strong>y zu bieten. Kaum fi ng das<br />

Publikum an zu toben, haben die DJ’s – nota bene:<br />

es waren ganze vier davon – das Tempo gedrosselt<br />

und das P<strong>art</strong>yvolk mit gähnend-langsamen<br />

R&B-Rhythmen genervt. Es war eine ziemlich<br />

traurige Angelegenheit. Deshalb hier mein Aufruf<br />

fürs neue Jahr 2007: DJ’s, Ihr habt einen Job, eine<br />

Verpfl ichtung! Gebt uns Freude! Gebt uns schnelle<br />

Rhythmen! Gebt uns Nächte, die fernab von Alltag,<br />

Pfl ichten und Gemässigtem stattfi nden! Gebt uns<br />

musikalische Höhepunkte und perfekte Schlussakte!<br />

Denn: «Die letschti Zile hesch du no z‘guet.»<br />

Wenn Ihr das nicht hinkriegt, seid Ihr keine DJ’s!<br />

20<br />

Grizzly Bear «Yellow House» (Warp / MV)<br />

■ Das Feld des psychedelischen Folk erlebt nicht<br />

zuletzt dank der Reaktivierung von Vashti Bunyan<br />

sowie jüngeren Bands wie dem fabelhaften Animal<br />

Collective eine z<strong>art</strong>e Renaissance. Die New Yorker<br />

Grizzly Bear, nunmehr eine feste Band, schreiben<br />

die Geschichte fort und kreieren auf ihrem ersten<br />

Warp-Album eine verschüttete und schwer zugängliche<br />

Welt. Mit einer Vielzahl an Instrumenten,<br />

darunter die charakteristische Autoharp, verschanzte<br />

sich das Qu<strong>art</strong>ett in einem Haus in der<br />

Nähe von Boston, wo sie während einem Monat<br />

ihr traumwandlerisches Material zu weitläufi gen<br />

Liedern von anmutiger Schönheit schichteten<br />

und verdichteten. Präparierte Klaviere weisen ins<br />

dunkel spukende Hinterzimmer des verfallenen,<br />

im Artwork abgebildeten Landhaus; die mehrstimmigen<br />

Gesänge wirken zurückgenommen und<br />

werden zuweilen von den üppigen, detailreichen<br />

Klangteppichen konkurrenziert, nie aber ertränkt.<br />

Wenn schliesslich milde Sonnenstrahlen die geheimnisvollen<br />

Soundlandschaften durchdringen,<br />

entstehen so spielfreudige, geradezu eingängige<br />

Songs wie das glänzende «On A Neck, On A Spit»,<br />

das diesem stetig wachsenden Album die Krone<br />

aufsetzt. (bs)<br />

Welcome «Sirs» (FatCat / Namskeio)<br />

■ Welcome aus Seattle spielen maximalen R&B,<br />

verquickt mit süssen Bubblegum-Melodien und<br />

zwei Prisen Psychedelik. Spielfreude, die Lust an<br />

dissonanten Tönen und Spass an selbstgebastelten<br />

Effektpedalen prägen den fl üchtigen 60ies Entwurf<br />

des Qu<strong>art</strong>etts. Songideen werden angespielt<br />

und stürzen bald darauf in Feedbackkaskaden ein,<br />

die leicht unterkühlte Stimme der Bassistin Jo<br />

Claxton kontrastiert den lässigen Optimismus des<br />

singenden Gitarristen Pete Brand und kanalisiert<br />

den zelebrierten Übermut in zwielichtige Stimmungen.<br />

Diese dunklere Seite wird in der zweiten<br />

Hälfte des kurzen und kurzweiligen Debüts stärker<br />

betont und führt zu zweipoligen Songs wie dem<br />

spukig endenden Titellied, das das sinistre mit<br />

dem unbändigen, knallbunten Element der Band<br />

verbindet.<br />

Mit dieser erfrischenden und direkten Veröffentlichung<br />

steckt das englische Aussenseiter- und<br />

Experimentalpop Label FatCat nach den Lagerfeuern<br />

der vielgestaltigen aktuellen Folkgeneration<br />

ein weiteres Gebiet ab. Ein Schelm, wer dem Label<br />

ein kalkuliertes Aufspringen auf den wie auch immer<br />

ge<strong>art</strong>eten Retrozug vorhalten würde. (bs)<br />

Yo La Tengo – I am not afraid of you and I will<br />

beat your ass (Matador Records)<br />

■ Der Name «Yo La Tengo» fi el mir zum ersten Mal<br />

richtig auf, als nach dem ersten Stück ihrer neuen<br />

CD, einer 10-Minuten-Orgie, Stille eintrat. Ich fi el<br />

aus dem 11. Stockwerk in die Tiefe. «Yo La Tengo»<br />

ist ein Dreiergespann, welches mit dieser CD (mit<br />

diesem unmöglich langen Titel…) sein 20-jähriges<br />

Bestehen feiert: Applaus für das Ehepaar Ira Kaplan<br />

und Georgia Hubley und den langjährige Bassisten<br />

James MacNew. Wenn es eine «Beste Platte für den<br />

Anti-Weihnachtsmarkt» gäbe, so wäre dies mein<br />

Favorit. Innig und mit einer provokativen Lust an<br />

der Musikgeschichte und exzessivem Lärm – aber<br />

durchaus stilsicher und salonfähig – servieren uns<br />

diese Goldengel 15 Songs. Bei jedem zweiten Stück<br />

kontrolliert man, ob noch die gleiche CD im Spieler<br />

dreht – mit Überraschungen muss man aber bei jedem<br />

Stück rechnen und damit haben sie eines der<br />

besten Alben von 2006 produziert. «Yo La Tengo»<br />

gibt Kraft und einen unsäglich guten Groove ins<br />

neue Jahr. Unbedingt festhalten und reinhören! (vl)<br />

Joan as Police Woman – Real Life<br />

(Pias / Musikvertrieb)<br />

■ Es gilt als ihr Singer/Songwriter-Debütalbum<br />

und es klingt so reif, als hätte Joan Wasser das<br />

10- jährige Jubiläum hinter sich. Aber die eigentlich<br />

klassisch ausgebildete Violistin schreibt unsäglich<br />

schöne Hymnen und singt diese gleich selber<br />

noch besser. Als Violistin haben wir sie auch<br />

schon gehört (sie arbeitete mit Rufus Wainwright<br />

und Antony & The Johnson, Lou Reed…). Antony<br />

steuert bei «I Defy» auch gleich seine unverkennbare<br />

Stimme bei – doch er hat keine Chance gegen<br />

Joan. Bodenständig verspielt und leicht, aber vor<br />

allem präsent und glaubhaft, singt oder haucht<br />

Joan uns in die Abendsonne. Der auffallendste<br />

Hit der CD ist «Christobel», eingängiger und tief<br />

kann kaum ein Song sein. Aber es sind alles kleine<br />

Kunstoden zwischen Indi- und Mainstreampop. Dass<br />

die Frau Musik nicht nur als Hobby betreibt, wird sofort<br />

klar. Und wer Musik sucht, die auch nach einer<br />

Produktionswoche in stickigen Redaktionsräumen<br />

nicht langweilig ist, wird sich im Sessel räckeln… (vl)<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


ALTERNATIVE POPMUSIK<br />

wer hat angst vor<br />

«pet sounds»?<br />

Von Benedikt S<strong>art</strong>orius (Bild: zVg.)<br />

■ Die Geschichten in den Popannalen ähneln sich:<br />

«Pet Sounds» von den Beach Boys sei das erste<br />

Konzeptalbum und habe erst die Voraussetzungen<br />

für das Beatles Werk «Sgt. Pepper’s Lonely He<strong>art</strong>s<br />

Club Band» geschaffen, «Pet Sounds» sei das Album,<br />

das erstmals symphonische Grösse in die<br />

Popwelt eingeschleust habe, kurz: «Pet Sounds»<br />

sei ein unerhörtes Pionier-Album und nach wie vor<br />

unerreicht.<br />

Es sind genau diese mythengeschwängerten<br />

Lobreden, die ein Album erst zum Klassiker machen.<br />

Dass die Ernennung zum unverrückbaren<br />

Monolithen auch funktioniert, braucht es zudem<br />

eine schwierige Geburtsgeschichte und herrschendes<br />

Unverständnis in der damaligen Gesellschaft<br />

gegenüber visionärer Musik und deren Köpfe dahinter.<br />

Perfektionist Das 1966 erschienene «Pet<br />

Sounds» erfüllt all dies: Die Platte verkaufte sich<br />

speziell in den USA schlecht, da sie mit dem sonnengebräunten<br />

Image der einstigen Hitlieferanten<br />

brach. Die Plattenfi rma Capitol verkannte das<br />

sündhaft teuer produzierte Werk, konkurrenzierte<br />

die tierischen Laute in einer Friendly-Fire-Aktion<br />

mit einer hastig zusammengestellten «Greatest<br />

Hits»-Kompilation und sabotierte der<strong>art</strong> das Werk<br />

des damals gerade erst 23-jährigen Brian Wilson,<br />

der, während seine Brüder und Cousins auf Tournee<br />

waren, perfektionistisch an Arrangements feilte<br />

und in Kalifornien w<strong>art</strong>ete, bis die Gesänge eingespielt<br />

werden konnten. Der Weg führte für Brian<br />

Wilson in den LSD geschwängerten Grössenwahn<br />

der legendenumrankten «Smile»-Sessions und in<br />

die Depression – der Genie- und Wahnsinn-Topos<br />

fi ndet bei Wilson seinen Stereotyp.<br />

Was bei all den Anekdoten über eines der vermeintlich<br />

«besten» und «wichtigsten» Alben aller<br />

Zeiten vergessen geht, ist die Musik. Und «Pet<br />

Sounds», das unlängst zum 40. Jubiläum des Albums<br />

mitsamt kurligen Werbefi lmchen neu aufgelegt<br />

wurde, beinhaltet schlicht mehr als die Summe<br />

der einzelnen Lieder, wie unoriginell dies nun auch<br />

klingen mag. Angefangen beim perlenden Intro von<br />

«Wouldn’t It Be Nice» über die Fahrradklingel als<br />

Perkussions-Instrument, von der eskapistischen<br />

Hawaii-Gitarre im Instrumental «Let’s Go Away For<br />

A While» bis hin zum traurigen Schlusspunkt «Caroline<br />

No», das mit Hundegebell und einem pfeifenden<br />

Zug endet, brilliert und berührt die Suche<br />

nach der verlorenen Jugend mit dreidimensional<br />

anmutenden Arrangements, melodieseligen Chören<br />

und dem seltsamen Widerspruch zwischen melancholischen<br />

Texten und sonnigen Harmonien.<br />

Universelle Gültigkeit Wie unterschiedlich die<br />

so facettenreichen «Pet Sounds»-Lieder von Brian<br />

Wilson und seinem Texter Tony Asher interpretiert<br />

werden können, zeigt nun die eben erschienene<br />

CD «Do It Again: A Tribute To Pet Sounds»<br />

(Houston P<strong>art</strong>y Records / RecRec) auf. Dreizehn<br />

Projekte, zum grossen Teil noch zu entdecken,<br />

versuchen sich an den dreizehn Nummern: Einiges<br />

geht schief, insbesondere der Einsatz eines<br />

nervenden Vocoders in Vic Chesnutts Version von<br />

«You Still Believe In Me», andere wie die Grosskapelle<br />

Architecture in Helsinki zeigen mit ihrer blossen<br />

Anwesenheit auf, wem sie ihren wundertütenhaften<br />

Popentwurf zu verdanken haben. Trostlos<br />

mutet die verlorene Interpretation von «God Only<br />

Knows» des manisch-depressiven Daniel Johnston<br />

an, der von David Bowie auch schon als «Brian<br />

Wilson der 80er Jahre» bezeichnet wurde. Gott ist<br />

nirgends und weiss nichts mehr, wir sind alle allein:<br />

«God Only Knows» ist in Johnstons Version<br />

die Umdeutung des wunderbaren Originals in eine<br />

emotionale, beklemmende Wüste.<br />

Die Interpretation, die alle Lieder überstrahlt,<br />

fi ndet sich jedoch zu Beginn: Eine fahrig gespielte<br />

akustische Gitarre übernimmt das Intro und mündet<br />

in eine berührende Deutung von «Wouldn’t It<br />

Be Nice» ein. Die drei Oldham Brothers, unter ihnen<br />

Will alias Bonnie Prince Billy, specken das Arrangement<br />

konsequent ab und reduzieren das Lied<br />

auf seine melancholische Grundierung. «Wouldn’t<br />

It Be Nice»: Die Oldham Brothers legen ohne nostalgische<br />

Verklärung in dreieinhalb Minuten offen,<br />

wie aktuell, ja universell gültig «Pet Sounds» nach<br />

wie vor ist.<br />

ECM listening post<br />

Von Lukas Vogelsang<br />

musik<br />

■ Die tschechische Sängerin, Schauspielerin<br />

und Geigerin Iva Bittová ist uns ein Begriff.<br />

Ihre Stimme trägt unverkennbar eine eigene<br />

Handschrift, oft für meinen Begriff etwas zu pathetisch<br />

und inszeniert. Doch auf «Mater» von<br />

Vladimír Godár ist sie eines der bezaubertsten<br />

Erlebnisse der letzten Monate. Der Komponist<br />

hat eine wunderbare Energie zwischen der Sängerin,<br />

dem Chor und den Musikern hergestellt.<br />

Überhaupt besitzt diese CD eine mystische und<br />

bizzare Schönheit, die nachdenklich stimmt. Vladimír<br />

Godár ist Komponist, den man im westlichen<br />

Europa noch kaum wahrnimmt – und dies<br />

ist sicher auch sprachbedingt.<br />

Auf «Mater» wird uns sein musikalisches<br />

Spektrum berührend bewusst und den Namen<br />

«Godár» werden wir in Stein meisseln. Modern<br />

und spannungsgeladen, nachvollziehbar erfrischend,<br />

traurig sinnend, überraschend präsent<br />

und atmend. Mitunter auch ein Grund, warum<br />

das gesamte «Mater-Orchester» zum «Enjoy<br />

Jazz 2006», dem 8. Internationalen Festival für<br />

Jazz und Anderes in Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen<br />

eingeladen wurde (1. Oktober - 11. November<br />

2006).<br />

Das Musiklabel ECM hat bei diesen Aufnahmen<br />

nur eine bestehende Produktion übernommen.<br />

Das ist in den meisten Fällen ein Zeichen,<br />

dass ECM in Zukunft selber produzieren wird.<br />

Dem Klangstil zufolge würde Vladimír Godár<br />

perfekt in die Linie passen und es ist zu hoffen,<br />

dass diese Entdeckung bei ECM eine feste Bleibe<br />

fi ndet. Aus diesen Aufnahmen, so authentisch<br />

und natürlich sie auch klingen, könnte Manfred<br />

Eicher noch einiges herausholen. Doch auch so<br />

ist dieses «Mater» ein Juwel und die anmutigste<br />

Produktion für diesen Winter.<br />

ECM New Series<br />

Vladimír Godár – Mater<br />

ECM 1985<br />

www.ensuite.ch<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 21


cinéma<br />

ROADMOVIE PRÄSENTIERT<br />

FILMSTIMMUNGEN IM<br />

SCHWEIZERLAND<br />

■ Der Schweizer Film ist gut. Und er ist erfolgreich.<br />

Das hat man überall lesen können. In Solothurn<br />

wird es denn auch nicht an guten, erfolgreichen<br />

Schweizer Filmen fehlen. Das Problem<br />

liegt für einmal eher bei der Qual der Wahl. Doch<br />

was eigentlich denkt die Schweizer Bevölkerung<br />

über den Schweizer Film? Was denken die Leute<br />

auf dem Land? Roadmovie fährt jedes Jahr mit<br />

Original-Kinotechnik über die Schweizer Landstrassen.<br />

In Jussy in Genf oder in Rüti in Glarus,<br />

in Torricella im Tessin oder in Sax im St. Galler<br />

Rheintal – Roadmovie macht Kino dort, wo keine<br />

Kinosäle sind: Aktuelles Schweizer Filmschaffen<br />

soll in der ganzen Schweiz bekannt werden, das<br />

ist das Ziel von Roadmovie. Auf den dreissig Stationen<br />

der letztjährigen Tournee hat das mobile<br />

Kino Stimmen und Stimmungen zum Schweizer<br />

Film eingefangen. Zum fünfjährigen Jubiläum<br />

des Kinoprojekts werden diese in Solothurn präsentiert.<br />

Für die Solothurner Filmtage bringt Roadmovie<br />

die ganze Schweiz in die Filmstadt: Erinnerungsstücke<br />

von der Tournee und Leihgaben<br />

aus den besuchten Ortschaften verwandeln die<br />

Freitagsgalerie an der Kreuzgasse in ein kleines<br />

Stück Schweizerland, Tourneewein und Spezialitäten<br />

aus der ganzen Schweiz vermitteln ländliche<br />

Geselligkeit. Braucht es den Schweizer Film?<br />

Und welche Filme sind noch nicht gedreht? Die<br />

Stimmen zum Schweizer Film überraschen: jung<br />

und alt, deutsch, französisch, italienisch und<br />

rumantsch – so vielfältig wie die Sprachen und<br />

Dialekte, so unterschiedlich wie die Gesichter<br />

und Charaktere sind auch die Meinungen zum<br />

Schweizer Film.<br />

Freitagsgalerie, Kreuzgasse 5, 4500 Solothurn<br />

Di, 23. Januar bis So, 28. Januar, jeweils ab 16:00<br />

h bis in die späten Nachtstunden.<br />

www.roadmovie.ch<br />

Über das mobile Kino Roadmovie wurde im<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 46 vom Oktober<br />

2006 ausführlich berichtet.<br />

Sie wissen<br />

nicht wohin?<br />

abo@ensuite.ch<br />

22<br />

grosses gewinnen<br />

ensuite - kulturmagazin verlost 5 Fotobände zum Film «Babel»<br />

■ Das Buch wiegt 2.5 Kilo und bringt auf ganzen<br />

304 Seiten Hintergründiges und vor allem Bildliches<br />

zum Film «Babel» von Alejandro González<br />

Iñárritu - definitiv keine WC-Lecktüre. So sehen wir<br />

viele Schauplätze mehr als im Film und entdecken<br />

Geheimnisse und Persönlichkeiten, welche die Dimension<br />

des Filmes um Geschichten erweitert. Die<br />

Fotografen: Mary Ellen Mark, Patrick Bard, Graciela<br />

Iturbide und Miguel Rio Branco. Der Taschen-Verlag<br />

hat dieses Schwergewicht produziert und da<br />

der Regisseur Kulturstatus hat, der Buchverlag<br />

ebenfalls Kult ist, sind wir stolz, gleich 5 Exemplare<br />

davon verschenken zu können! Mehr zum Film<br />

lesen Sie auf der gegenüberliegenden Seite.<br />

Infos:<br />

www.taschen.com<br />

www.babel-derfilm.de<br />

Die ersten zwei Ziehungen erhalten zusätzlich<br />

den Soundtrack zum Film mit dem Buch zusammen!<br />

Wir werden unter all den eingesendeten<br />

Rückantworten die GewinnerInnen ziehen. Der<br />

Rechtsweg ist ausgeschlossen! Die GewinnerInnen<br />

werden schriftlich per Post benachrichtigt.<br />

Mitmachen und gewinnen: Senden Sie uns<br />

eine Postk<strong>art</strong>e mit dem Stichwort «BABEL» und<br />

ihrer vollständigen Absenderadresse bis zum 25.<br />

Januar 2007 an:<br />

ensuite - kulturmagazin<br />

Leserdienst - BABEL<br />

Sandrainstrasse 3<br />

3007 Bern<br />

song &<br />

dance men<br />

■ Der Musikfi lmzyklus «Song & Dance Men» präsentiert<br />

sechs Filme, die die Vielfalt einer zersplitterten,<br />

undefi nierbaren Popkultur aufzeigen. Die<br />

Filmauswahl versucht, verschiedene Anknüpfungspunkte<br />

innerhalb der popmusikalischen Genres<br />

und über diese Grenzen hinweg aufzuzeigen. Namhafte<br />

Musikjournalisten führen die in der Schweiz<br />

kaum je gezeigten Filme ein.<br />

Gezeigt werden unter anderem «The Devil and<br />

Daniel Johnston», «The Fearless Freaks» (The Flaming<br />

Lips) und «24 Hour P<strong>art</strong>y People».<br />

Bob Dylan zählt auch nach vierzig Jahren Karriere<br />

zu den wichtigsten Figuren der Popkultur.<br />

Der von M<strong>art</strong>in Scorsese gross<strong>art</strong>ig montierte Film<br />

«No Direction Home» zeichnet die Karriereanfänge<br />

Dylans nach und stellt ein packendes Zeitdokument<br />

über die 60er Jahre dar.<br />

31. Januar 2007<br />

No Direction Home – Bob Dylan<br />

Regie: M<strong>art</strong>in Scorsese<br />

2005; DVD, OV mit D Untertiteln<br />

Cinématte, 19:30 h<br />

Mit einer Einführung von Jean-M<strong>art</strong>in Büttner<br />

(Tages Anzeiger)<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


FILM<br />

babel<br />

Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />

■ Nach dem Erfolg von «Amores Perros» und<br />

dem Psychodrama «21 Gramm» hat der mexikanische<br />

Regisseur Alejandro González Iñárritu mit<br />

«Babel» nun eine Trilogie vollendet, das sich zu einem<br />

«fi lmischen Gesamtkunstwerk über Zufall und<br />

Schicksal, Ursache und Wirkung, Schuld und Sühne»<br />

verbindet. Während es bei den ersten beiden<br />

Filmen um die Verfl echtung verschiedener Milieus<br />

und der Verstrickung des Schicksals dreier Personen<br />

ging, zeigt «Babel» anhand einer einzelnen,<br />

eher beiläufi gen Handlung, welche weitreichenden<br />

Konsequenzen unser Tun haben kann.<br />

Geradezu sinnbildlich für das globale Dorf sind<br />

die Schicksale einzelner Personen auf drei Kontinenten,<br />

aus drei unterschiedlichsten Kulturen und<br />

Motivationen in «Babel» miteinander verwoben.<br />

Ein japanischer Geschäftsmann aus Tokio schenkt<br />

einem marokkanischen Jagdführer sein Gewehr.<br />

Zwei marrokanische Jungen schiessen damit in<br />

der Wüste aus Gedankenlosigkeit auf einen Touristenbus.<br />

Dabei wird eine Amerikanerin schwer<br />

verletzt. Weit weg von jeder medizinischen Versorgung<br />

versucht ihr Ehemann verzweifelt ihr Leben<br />

zu retten. Während die internationalen Medien das<br />

Ereignis zu einem terroristischen Überfall aufbauschen,<br />

sitzt Amelia, das Kindermädchen des Paares<br />

zuhause in San Diego in der Patsche, weil sie<br />

keinen Ersatzbabysitter für die Kleinen fi ndet. Kurzerhand<br />

und unerlaubt nimmt sie diese deshalb<br />

mit nach Mexiko zur Hochzeit ihres Sohnes. Doch<br />

die Rückfahrt spät nachts wird zum Horrortrip, weil<br />

ihr betrunkener Neffe nicht nur die US-amerikanische<br />

Grenze durchbricht, sondern alle drei auch<br />

noch mitten in der Wüste aussetzt. Gleichzeitig<br />

fordert die taubstumme Tochter des japanischen<br />

Geschäftsmannes, dass man sie um ihrer selbst<br />

willen beachtet und liebt, da ihr aber die Sprache<br />

und die Worte dazu fehlen, benutzt sie statt dessen<br />

ihren Körper.<br />

Der Filmtitel «Babel» erinnert nicht von ungefähr<br />

an jene biblische Geschichte, bei der Gott<br />

allen Menschen verschiedene Sprachen gab und<br />

sie mit dem entstandenen Kommunikationschaos<br />

strafen wollte. Denn genau um das Unvermögen<br />

der Menschen sinnlose Missverständnisse zu vermeiden,<br />

geht es dem Regisseur. So sind Eifersucht<br />

und brüderliche Hahnenkämpfe, die Unfähigkeit,<br />

den Tod der Mutter, der Ehefrau oder des Kindes<br />

gemeinsam zu verarbeiten, physische und seelische<br />

Sprachlosigkeit zwischen einem Ehepaar oder<br />

zwischen Eltern und Kindern, Gedankenlosigkeit in<br />

der Wortwahl, falsches Verhalten in einer Stresssituation,<br />

Eigennutz des Individuums und Rücksichtslosigkeit<br />

der Behörden alles nur Teilaspekte<br />

jener Probleme, die in unserer kommunikationssüchtigen<br />

Welt bestehen und deshalb die Grundlage<br />

von «Babel» bilden. Jeder kämpft in seinem<br />

eigenen kleinen Kosmos gegen die Einsamkeit, die<br />

Isolation nicht nur in der Gesellschaft, der Wüste,<br />

oder der Grossstadt, sondern auch innerhalb der<br />

eigenen Familie.<br />

Wer den Film mit konventionellen Erw<strong>art</strong>ungen<br />

oder dem Wunsch nach Kurzweiligkeit betrachtet,<br />

wird wohl unweigerlich enttäuscht werden. Vielmehr<br />

ist «Babel» ein Film mit höchster stilistischer<br />

und handwerklicher Qualität. Jedes Detail – von<br />

der Wahl der Instrumente der Filmmusik bis zum<br />

Farbspektrum der Bilder – dient der visuellen Unterscheidung<br />

und der gleichzeitigen Überbrückung<br />

der kulturellen und geografi schen Gegensätze. Der<br />

Film ist auch kein Starvehikel, denn neben den internationalen<br />

Stars wie Cate Blanchett, Brad Pitt,<br />

cinéma<br />

Mexikos Gael García Bernal und Japans Kôji Yakusho,<br />

spielen in «Babel» vor allem lokale Laiendarsteller,<br />

was dem Film eine grosse Natürlichkeit verleiht.<br />

Und nicht zuletzt spricht der Regisseur jene<br />

Sprache des Symbolismus, die im mexikanischen<br />

Kino meisterlich eingesetzt wird, und so gar nichts<br />

mit den mitteleuropäischen Sehgewohnheiten zu<br />

tun hat.<br />

So wird zum Beispiel die Chronologie der Geschichten<br />

durchaus eingehalten, aber auch immer<br />

wieder in den unmöglichsten Momenten durchbrochen.<br />

Dem Verlangen des Zuschauers nach Kontinuität<br />

ist zwar stattgegeben, doch der Wunsch<br />

nach Verweilen in einem emotionalen Moment wird<br />

mutig ignoriert. Und so wie sich beim Publikum die<br />

Hilfl osigkeit des Vorherahnens staut, brechen am<br />

Ende auch bei den Charakteren die Gefühle hervor,<br />

ergiessen sich in kleinen Gesten oder tränenreichen<br />

Momenten grandioser schauspielerischer<br />

Präsenz. Wie im wahren Leben realisieren auch die<br />

Protagonisten zum Teil erst im Angesicht von Tragödien<br />

oder dem möglichen Verlust des Vertrauten,<br />

was ihnen wirklich wichtig ist. Diese erlösenden<br />

Momente, die in «Babel» zelebriert werden,<br />

machen den Film zu jenem speziellen Erlebnis, das<br />

bereits seit Monaten angekündigt wurde. Und es<br />

ist ein faszinierendes Talent des Regisseurs Iñárritu,<br />

dass er dies mit Bildern zustande bringt, wie sie<br />

sonst nur in der Realität zu fi nden sind.<br />

Der Film dauert 144 Minuten und kommt am 11.<br />

Januar in die Kinos.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 23


cinéma<br />

FILM<br />

das leben als eine<br />

einzige lange inszenierung<br />

Von Sarah Stähli (Bild: zVg.)<br />

■ «Robert Wilson ist nie zufrieden. Nicht mit sich<br />

selbst, nicht mit seiner Arbeit, er ist mit nichts zufrieden.<br />

Er will immer noch mehr und mehr für immer<br />

und ewig.» So beschreibt eine Schauspielerin<br />

Wilson und bringt damit den Charakter des amerikanischen<br />

Theaterregisseurs auf den Punkt. Er<br />

ist ein pedantischer Perfektionist, ein Workaholic,<br />

ein autistisches Kind und ein sensibler Menschenfreund<br />

mit einer grossen künstlerischen Vision.<br />

Der Dokumentarfi lm «Absolute Wilson» von<br />

Katharina Otto-Bernstein porträtiert den 1941<br />

geborenen Künstler auf seinem Werdegang vom<br />

schwulen Aussenseiter im erzkonservativen Texas<br />

zum Vorzeige-Avantgarderegisseur der New<br />

Yorker Kunstszene. In Archivaufnahmen und Interviews<br />

zeichnet Bernstein in ihrem leider ziemlich<br />

konventionell inszenierten Film die wichtigsten<br />

Stationen von Wilsons Schaffen nach. Nebenbei<br />

erhält der Zuschauer einen kurzen Abriss amerikanischer<br />

Zeitgeschichte und bekommt den unterschiedlichen<br />

Stellenwert unabhängiger Kunst in<br />

Europa und den USA mit.<br />

Guru und Tyrann Wilson ist meistens zugleich<br />

Autor, Bühnenbildner und Regisseur seiner Inszenierungen,<br />

die von formaler Strenge und Minimalismus<br />

geprägt sind. Er lotet mit seinen Inszenierungen<br />

oft Grenzen aus; eine Performance, die<br />

er im Iran durchführte, dauerte sieben Tage ohne<br />

Pause. Im Film wird er von beteiligten Schauspielern<br />

als Choreograf bezeichnet. Ein Choreograf,<br />

der auch tyrannische Züge annehmen kann, wie in<br />

den Probeaufnahmen sichtbar wird. In einer Szene<br />

bewegt er die Arme der Schauspielerin Isabelle<br />

Huppert, als seien es die einer leblosen Holzpuppe.<br />

Manche der Interviewten vergöttern ihn wie<br />

einen Guru – von einigen langjährigen Ensemble-<br />

24<br />

mitgliedern trennte er sich aus diesem Grund auch<br />

– andere beklagen sich über die unmenschlichen<br />

Anforderungen an sein Team.<br />

Seinen Durchbruch erfuhr Wilson mit seiner<br />

von Philipp Glass komponierten Oper «Einstein on<br />

the Beach», mit Glass folgten weitere wichtige Inszenierungen,<br />

ebenso mit Lou Reed und Tom Waits.<br />

«The Black Rider» mit der Musik von Waits und einem<br />

Libretto des Beatpoeten William S. Burroughs<br />

ist wahrscheinlich seine erfolgreichste Arbeit.<br />

Anders<strong>art</strong>ig Das Interessanteste an Wilson ist<br />

seine Vorliebe für das »Anders<strong>art</strong>ige». Selber ein<br />

schwer stotterndes Kind, besitzt er eine grosse<br />

Faszination und ein tiefes Verständnis für Kinder<br />

und Jugendliche mit psychischen Störungen und<br />

arbeitet in seinen Theaterinszenierungen immer<br />

wieder erfolgreich mit hyperaktiven und konzentrationsgestörten<br />

Kindern zusammen. Die schönste<br />

Zusammenarbeit entsteht mit dem tauben und gehirngeschädigten<br />

Christopher Knowles. Knowles<br />

schreibt dadaistische Texte, dargestellt in geometrischen<br />

Zeichnungen. Wilson fi ndet in ihm einen<br />

Seelenverwandten. Er fühle sich niemandem so<br />

nahe wie Christopher Knowles, meint er und weist<br />

die Einwände, er missbrauche den behinderten<br />

Jungen für seine Arbeit, vehement von sich. Zu<br />

Recht, denn die beiden inspirieren sich gegenseitig<br />

und das höchst poetische Resultat liegt fern jeglicher<br />

Beschäftigungstherapie.<br />

Das Falsche tun Trotz seinen teils schwer<br />

zugänglichen Konzepten und künstlerisch vertrackten<br />

Ausführungen zeigt Wilson im Gespräch<br />

keinerlei Allüren. Er spricht verständlich und bescheiden<br />

von seinem Werk und wird von kleinen<br />

Anekdoten mehrmals zu Tränen gerührt. Ständig<br />

auf der Suche nach Neuem, beschreibt er seinen<br />

unermüdlichen Arbeitsdrang im Interview treffend:<br />

«Jede neue Arbeit ist eine Freik<strong>art</strong>e für die nächste»<br />

und sieht die Aufgabe eines Künstlers darin,<br />

«Fragen zu stellen und nicht Antworten zu geben.»<br />

In allem sieht er Inspiration für seine Arbeit. Als er<br />

als Jugendlicher nach einem Selbstmordversuch<br />

einige Zeit in einer psychiatrischen Klinik verbringen<br />

muss, spricht er lediglich von der Ästhetik des<br />

Ortes, die ihn so beeindruckt habe, dass er sie später<br />

in seine Inszenierungen eingebaut hat.<br />

«Manchmal sagst du zu dir selber, was sollte<br />

ich als nächstes tun? Du versuchst, das Richtige<br />

zu tun, aber vielleicht sollten wir viel eher denken,<br />

was wäre das Falsche, was sollte ich nicht tun? Und<br />

dann genau dies tun.»<br />

«Absolute Wilson»<br />

Vorführungen:<br />

Sa, 3.2., 20:30 h<br />

So, 4.2., 13:30 h<br />

Mo, 5.2., 20:30 h / mit einer Einführung von Leonie<br />

Stein, Studiengangsleiterin Theater, HKB<br />

Bern<br />

Di, 6.2., 18:00 h / mit einer Einführung von Gerald<br />

Siegmund, Professor für Theaterwissenschaften,<br />

ITW Bern<br />

Sa, 10.2., 18:00 h<br />

So, 11.2., 16:00 h<br />

Mo, 19.2., 20:30 h<br />

Di, 20.2., 18:30 h<br />

So, 25.2., 11:00 h<br />

Kino Kunstmuseum, Hodlerstrasse 8<br />

www.robertwilson.com<br />

www.kinokunstmuseum.ch<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


FILM<br />

red road<br />

Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />

■ Bis zu 300-mal täglich werden Briten und Britinnen<br />

von Überwachungskameras gefi lmt. Diese<br />

werden als CCTV bezeichnet, und die Überwachung<br />

der Öffentlichkeit ist eine der boomendsten<br />

Branchen des Landes. Natürlich muss CCTV<br />

nicht immer nur schlecht sein, denn die Kameras<br />

helfen unter anderem auch Verbrechen zu verhindern,<br />

Täter zu fi nden und damit die Bevölkerung<br />

zu schützen. Trotzdem ist diese Kontrollmanie des<br />

britischen Staates für Mitteleuropäer – noch immer<br />

– befremdlich.<br />

Die Regisseurin und Drehbuchautorin Andrea<br />

Arnold setzt sich mit ihrem Spielfi lmdebüt «Red<br />

Road» mit den Menschen auseinander, die beobachten<br />

und kontrollieren, was die Kameras in jedem<br />

Winkel ohne Unterbruch aufzeichnen. Und<br />

welche Folgen das Wissen und der Zugang zu intimen<br />

Details der Mitmenschen haben kann. Jackie<br />

(Katie Dickie) arbeitet als Sicherheitsangestellte<br />

der städtischen Videoüberwachung von Glasgow.<br />

Bereits in den ersten Minuten erfährt das Publikum<br />

ohne grosse Worte viele Details über Jackies<br />

Arbeits- und Sexleben, ihr soziales Umfeld und ihre<br />

Familie. Eigentlich ist nichts Spannendes dabei, ihr<br />

Alltag scheint geprägt von einem unvermeidlichen<br />

Voyeurismus, Desillusion, grauer Tristesse und<br />

irgendeinem unverarbeiteten Schmerz aus der<br />

Vergangenheit. Doch genau das öffnet die Pforten<br />

zu einem beständig wachsenden Gefühl der unterschwelligen<br />

Bedrohung, aber auch der unbändigen<br />

Neugierde. Denn eines Tages sieht Jackie auf dem<br />

Monitor das Gesicht von Clyde (Tony Curran), einem<br />

Mann von dem sie glaubte, dass er im Gefängnis<br />

sei. Von diesem Moment an verfolgt Jackie ihn<br />

bis hin zu jener Konsequenz, dass sie ihre Arbeit<br />

vernachlässigt. Sie versucht ihn zu diskreditieren,<br />

scheint aber gleichzeitig magisch von ihm angezo-<br />

gen zu werden. Die Spannung spitzt sich stetig zu,<br />

denn Jackie geht Risiken ein und exponiert sich gegenüber<br />

Clyde auf eine überaus irritierende Weise.<br />

Jede Information und Aufl ösung trägt in sich zwei<br />

neue Fragen, aber das, was man bereits zu wissen<br />

glaubt, wird konstant durch die Motivation und das<br />

Verhalten der Charaktere in Frage gestellt.<br />

Unendlich langsam nur entblättert sich die Vergangenheit<br />

und das Geschehene. Es passiert nur<br />

wenig, manche Dialoge wirken fast schon störend<br />

und das Fehlen einer untermalenden Hintergrundmusik<br />

tut das ihrige, dem Film einen schmerzhaft<br />

realistischen Zug zu verleihen. Je weniger man als<br />

Zuschauer über die Geschichte weiss, desto besser<br />

und umso stärker wird die Überraschung über die<br />

emotional eindringliche Aufl ösung am Ende nachklingen.<br />

Die Leistung der Schauspieler schafft eine<br />

Nähe und Intensität zu der Geschichte, die das<br />

Publikum direkt am Fortgang der Geschichte beteiligt,<br />

denn die Wendungen und Überraschungen<br />

basieren immer auch auf den Klischees und Vorurteilen<br />

in unseren eigenen Köpfen. Zudem fängt die<br />

Kamera jene reale Kälte, Isolation, Auswegs- und<br />

manchmal auch Hoffnungslosigkeit des schottischen<br />

Arbeitermilieus ohne Zwischenfi lter ein.<br />

«Red Road» wendet sich an ein erwachsenes,<br />

intelligentes Publikum, das keine Angst vor den<br />

Widersprüchlichkeiten menschlicher Handlungsweisen<br />

hat. Ein früherer Kurzfi lm der Regisseurin<br />

wurde von der «Times» als ein «düsteres Juwel»<br />

bezeichnet. Entsprechend könnte man RED ROAD<br />

ein «beklemmendes Juwel» nennen, das zu Recht<br />

den Preis der Jury beim Filmfestival Cannes 2006<br />

gewonnen hat.<br />

Der Film dauert 113 Minuten und kommt am 4.<br />

Januar in die Kinos.<br />

cinéma<br />

TRATSCHUNDLABER<br />

von Sonja Wenger<br />

■ Ich weiss, Halleluja, Weihnachten ist vorbei,<br />

die heilige Zeit der pathetischen Rückblicke und<br />

prophetischer Ausblicke, aber ich muss einfach:<br />

Es war Freitag, der 22. Dezember, die Kinderlein<br />

sangen, die Kassen klangen, da fand sich in «Heute»<br />

ein Bild von Viktoria Beckham mit dem Titel:<br />

«Neue Kugeln für den Weihnachtsbaum? Dient<br />

ihr BH als Einkaufskorb oder war sie wieder mal<br />

beim Chirurgen.» Wow! Ich meine...wow!<br />

Überall fi nden sich solche journalistischen<br />

Perlen. Man greife sich irgendein beliebiges Heft<br />

eines beliebigen Tages und ohne jeglichen Zweifel<br />

fi ndet sich so sicher wie die nächste Ausgabe<br />

am Kiosk darin Atemberaubendes. Beweise?<br />

Nach Spanien und Brasilien wird nun auch Italien<br />

die Festlegung einer Untergrenze des Body-<br />

Mass-Index für Laufstegmodells einführen. Und<br />

Armani meinte dazu: «Ich nehme nur gesunde<br />

Mädchen». Klar. Noch strengere Sitten herrschen<br />

in anderen Ländern. So steht der Chef des indonesischen<br />

«Playboy» wegen Veröffentlichung<br />

«unanständiger Fotos» vor Gericht. Unter anderem,<br />

weil die Models für Unterwäsche einen «einladenden<br />

Gesichtsausdruck» hatten. Über deren<br />

Body-Mass-Index lagen allerdings keine Informationen<br />

vor.<br />

Apropos Wäsche: Nach dem Hochzeitsfetzen<br />

von Viktor & Rolf erreichte uns eine weitere Horrormeldung<br />

aus dem Tummelfeld der Massenanfertigung.<br />

Madonna macht, weil sie so «ein sicheres<br />

Gespür für Trends hat», nochmals Mode für<br />

H&M. Die Linie soll «zeitlos, einzig<strong>art</strong>ig und glamourös<br />

wie ihre Schöpferin sein». Und wenn wir<br />

schon bei zeitloser Wäsche sind: Die «Schweizer<br />

Illustrierte» präsentierte eine Hommage an die<br />

ehemalige, in Unehren zurückgetretene Bundesrätin<br />

Elisabeth Kopp. Zu ihrem Siebzigsten. Laut<br />

«Heute» bereut sie ihr Vorgehen nicht. Allerdings<br />

würde sie in der gleichen Situation «heute<br />

nicht mehr zurücktreten» - sprich nachdem sie<br />

ihren Mann über ein drohendes Verfahren wegen<br />

Geldwäscherei informiert hatte. Lizzie! Please!<br />

Das müsstest du auch nicht mehr. Wir leben in<br />

der Welt eines George Dabbelju Bush und Silvio<br />

Berlusconi. Korruption gehört zum guten Ton.<br />

Und wenn du mal nicht weisst, was tun: Italiens<br />

ehemaliger Premierminister will dem Land «ein<br />

Geschenk» machen, um «etwas Bleibendes zu<br />

hinterlassen». Nämlich will er eine europäische<br />

Universität gründen, um eine neue politische Elite<br />

zu formen. Als Fächer stehen dann zur Auswahl<br />

Nepotismus, Spinning, Korruption, Manipulation,<br />

Missmanagement der öffentlichen und<br />

Weisswaschung der eigenen Gelder. Und als fachkundige<br />

Dozenten fänden sich so illustre Namen<br />

wie George Bush Senior, Bill Clinton und Michail<br />

Gorbatschow.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 25


das andere kino<br />

26<br />

www.cinematte.ch / Telefon 031 312 4546 www.kellerkino.ch / Telefon 031 311 38 05 www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99<br />

■ Robert de Niro Nach dem Tod des Paten übernimmt<br />

sein Sohn Michael (Al Pacino) in Godfather<br />

2 die Familiengeschäfte. Neben dem Aufstieg von<br />

Michael Corleone schildert der Film die Jugendjahre<br />

von Vito (Robert de Niro) in seinem Heimatdorf Corleone,<br />

dessen Flucht vor der Mafi a nach New York<br />

und den Anfang seiner «Karriere» als Pate. In Godfather<br />

3 wird der letzte Abschnitt im Leben von Michael<br />

Corleone und der Zerfall seines Machtimperiums<br />

gezeigt. 1980 wurde de Niro für die Darstellung des<br />

Boxers Jake de la Motta in Raging Bull mit dem Oscar<br />

ausgezeichnet. Oscarwürdig wäre auch de Niros<br />

Nebenrolle in Tarantinos Jackie Brown gewesen.<br />

Zum Abschluss unserer John Huston Reihe<br />

zeigen wir den 1948 entstandenen The treasure of<br />

the Sierra Madre mit Walter Huston und Humphrey<br />

Bog<strong>art</strong> in den Hauptrollen sowie Moulin Rouge aus<br />

dem Jahr 1952.<br />

Anlässlich des Todes von Robert Altman präsentieren<br />

wir eine kleine Hommage an den kritischen<br />

und eigensinnigen Regisseur und Produzenten. In<br />

seiner 55-jährigen Laufbahn drehte er 86 Filme, produzierte<br />

39 und schrieb 37 Drehbücher. Er galt als<br />

Erneuerer des amerikanischen Kinos und als einer<br />

der bedeutendsten Vertreter einer Anti-Hollywood-<br />

Ästhetik. Trotz seiner Hollywoodkritik wurde er 1970<br />

mit der schwarzen Militärkomödie M*A*S*H über<br />

Nacht berühmt. Durch Filme wie Short Cuts, den er<br />

als seinen besten bezeichnete, dem Western McCabe<br />

& Mrs. Miller, The Long Goodbye und Nashville<br />

bewies Altman sein Talent, seinen präzisen Blick und<br />

sein aussergewöhnliches Gespür.<br />

Ein Wiedersehen mit Mogli, Balu und Baghira:<br />

Das Dschungelbuch wurde unter anderem als Meisterwerk,<br />

Klassiker, Filmlegende und als Filmspass<br />

der Superlative bezeichnet. Vor allem aber ist das<br />

Dschungelbuch ein Phänomen, das es versteht, jede<br />

Generation wieder aufs Neue zu begeistern.<br />

Der Musikfi lmzyklus «Song & Dance Men» präsentiert<br />

sechs Filme, die die Vielfalt einer zersplitterten,<br />

undefi nierbaren Popkultur aufzeigen. Die<br />

Filmauswahl versucht, verschiedene Anknüpfungspunkte<br />

innerhalb der popmusikalischen Genres und<br />

über diese Grenzen hinweg aufzuzeigen. Namhafte<br />

Musikjournalisten führen die in der Schweiz kaum<br />

je gezeigten Filme ein. Im Januar zeigen wir M<strong>art</strong>in<br />

Scorseses «No direction home» über Bob Dylan.<br />

■ SHOOTING DOGS (Von Michael Caton-Jones,<br />

GB 2006, 114’, E/d/f, Spielfi lm) Für Pater Michael<br />

Thomas und seinen jungen Lehrerkollegen Joe<br />

Connor scheint die Ermordung des Präsidenten<br />

von Ruanda am 6. April 1994 nur ein weiterer kleiner<br />

Aufruhr im turbulenten Afrika zu sein. Aber<br />

innerhalb nur weniger Stunden überschlagen sich<br />

die Ereignisse, in deren Folge unzählige Tutsi von<br />

den Hutus brutal abgeschlachtet werden. Mittendrin<br />

befi ndet sich eine kleine Missionsschule, in<br />

der die Blauhelmsoldaten der UN untergebracht<br />

sind. Sie wird zum letzten Zufl uchtsort für Flüchtlinge,<br />

die verzweifelt versuchen dem Massaker zu<br />

entkommen. Unterdessen w<strong>art</strong>en draussen die<br />

Mörder. Der Film beruht auf wahren Begebenheiten.<br />

David Belton, ein Produzent von SHOOTING<br />

DOGS, ist auch Co-Autor der Originalgeschichte<br />

des Films, die auf seinen eigenen Erlebnissen in<br />

Ruanda baut. (ab 18.1.)<br />

DER KICK (Von Andres Veiel, Deutschland<br />

2006, 82’, D, Dokumentarfi lm) In der Nacht zum<br />

13. Juli 2002 misshandeln die Brüder Marco und<br />

Marcel Schönfeld und ihr Freund Sebastian Fink<br />

den 16-jährigen Marinus Schöberl. Täter und Opfer<br />

kennen sich. Die Täter schlagen auf ihr Opfer über<br />

Stunden hinweg ein. In einem Schweinestall muss<br />

Marinus in die Kante eines Futtertrogs beißen.<br />

Er wird nach dem Vorbild des Bordsteinkicks aus<br />

dem Film American History X hingerichtet. Marcel<br />

springt auf den Hinterkopf seines Opfers. Die Täter<br />

vergraben die Leiche in einer Jauchegrube. Später<br />

werden die Überreste von Marinus Schöberl gefunden.<br />

Über mehre Monate haben sich Andres Veiel<br />

und Gesine Schmidt auf Spurensuche in Potzlow<br />

begeben. Die Gespräche mit den Tätern, mit Dorfbewohnern,<br />

mit Angehörigen und Freunden von<br />

Tätern und Opfer verdichteten sie zusammen mit<br />

Akten, Plädoyers und Verhörprotokollen zu einem<br />

fi lmischen Protokoll für zwei Schauspieler. Der Kick<br />

versucht, den Strukturen und Biografi en hinter der<br />

Tat eine Sprache zu geben. «Es geht darum», sagt<br />

Andres Veiel, «über das Entsetzen hinaus Fragen<br />

zuzulassen, Brüche auszuhalten und einen Bruchteil<br />

zu verstehen.» (ab 18.1.)<br />

■ Das neue Kinojahr beginnt mit einer Berner<br />

Kinopremiere, zeigt mit Best of Bern ausgezeichnetes<br />

Berner Filmschaffen, widmet einem Grossen<br />

des Kinos eine Filmreihe und macht einen Abstecher<br />

in die Welt der Neuen Musik.<br />

KUNST UND FILM 1: Gustav Klimt Der Maler<br />

erinnert sich auf dem Totenbett noch einmal<br />

an prägende Momente seines Lebens. An die Arbeit<br />

in seinem Atelier, Besuche im Café Central,<br />

die Pariser Weltausstellung im Jahr 1900 sowie<br />

an Begegnungen mit einer Vielzahl von Frauen,<br />

die wie Chimären auftauchen: die geheimnisvolle<br />

Tänzerin Lea, Mizzi, die Mutter seiner unehelichen<br />

Kinder, die Mäzenin Serena Lederer oder die vertraute<br />

Kunstkritikerin Berta Zuckerkandl. Mit Veronica<br />

Ferres und John Malkovich. Klimt: Raoúl Ruiz,<br />

D/Aut/GB/F 2006). 6.1. bis 4.2.<br />

BEST OF BERN – Auswahl kantonaler Filmpreis<br />

’06 Gezeigt werden Filmarbeiten, die letztes<br />

Jahr für den kantonalen Filmpreis eingereicht<br />

wurden und in die engere Wahl gekommen sind:<br />

113 von Jason Brandenberg, Aschenbrüder von<br />

Steve Walker und Markus Heiniger, Meerdolen von<br />

Peter Guyer, Männer am Meer von Reto Caffi , Hippie<br />

Massala von Ulrich Grossenbacher und Damaris<br />

Lüthi, Rashedas Trust von Jürg Neuenschwander<br />

und Sweeping Addis von Corinne Kuenzli. 7. bis<br />

30.1.<br />

JOHN HOUSTON – Hommage zum 100. Geburtstag<br />

Er zählt zu den Grossen des amerikanischen<br />

Kinos. Unsere Geburtstags-Hommage zeigt<br />

eine kleine Auswahl aus seinen fast 50 Filmen,<br />

von seinem Erstling The Maltese Falcon über The<br />

African Queen bis zum Vermächtnis The Dead.<br />

Zudem gibt es ein Wiedersehen mit The Asphalt<br />

Jungle und Key Largo als Reeditionen mit neuen<br />

Kopien. 13.1. bis 20.2.<br />

MUSIK UND FILM: Arvo Pärth – 24 Preludes<br />

for a Fugue Arvo Pärt, einer der international<br />

bedeutendsten Vertreter der Neuen Musik, war im<br />

Dezember für drei Konzerte in Bern. Nun zeigt das<br />

Kino Kunstmuseum ein fi lmisches Portrait über<br />

den eigenwilligen estnischen Komponisten. 14. bis<br />

28.1.<br />

Ausserdem KUNST UND FILM 2 (Six Feet Under)<br />

Harold an Maude: Hal Ashby, (USA 1971). 6.<br />

bis 9.1.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


KI O<br />

i n d e r R e i t s c h u l e<br />

N<br />

Für das Tagesprogramm die Tageszeitung oder das Internet www.bernerkino.ch<br />

LICHTSPIEL<br />

www.reitschule.ch / Telefon 031 306 69 69 www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05 www.pasqu<strong>art</strong>.ch / Telefon 032 322 71 01<br />

■ Anfangs Januar rund um das WEF dreht sich<br />

im Kino in der Reitschule alles um die Globalisierung.<br />

Konkret geht es heuer um die Ernährung.<br />

Welche Auswirkungen hat eine Landwirtschaft, die<br />

immer mehr von riesigen Firmen mit industriellen<br />

Methoden betrieben wird auf die Lebensgrundlage<br />

der Weltbevölkerung? Am 12. Januar wird im<br />

Kino über das internationale Agrobusiness, das in<br />

grossem Masse für die weltweite ökologische Zerstörung<br />

verantwortlich ist, und über das Konzept<br />

der Ernährungssouveränität diskutiert. Die Filme<br />

Europas neue Sklaven, Struggle (4.-6.1.) und We<br />

Feed the World (13.1.) erzählen u. a. von Menschen,<br />

die aus Armut ihre Heimatländer verlassen müssen<br />

und in Europa und USA von den gewinnorientierten,<br />

habgierigen Gesellschaften bis aufs Blut<br />

ausgebeutet werden. Die Begegnungen der Menschen<br />

aus dem Osten, dem Süden mit denjenigen<br />

aus dem Westen zeigen aber auch die emotionalen<br />

Nöte unserer Gesellschaften auf.<br />

Seit September - mit zunehmendem Erfolg<br />

- macht die Gruppe UNCUT – warme Filme am<br />

Donnerstag lesbisch-schwules Kino. Im Januar mit<br />

Loggerheads, von Tim Kirkman über einen HIVpositiven<br />

Herumtreiber und mit Chutney Popcorn<br />

von Nisha Ganatra, einer charmanten Komödie<br />

zweier lesbischer Schwestern, die gerne Mutter<br />

werden möchten.<br />

Das Festival Brasil Plural, seit neun Jahren in<br />

Deutschland zu sehen, kommt dieses Jahr auch in<br />

die Schweiz, ins Lichtspiel (Kurzfi lme) und in das<br />

Kino in der Reitschule (Dok- und Spielfi lme).Sommer,<br />

Hitze, Wasser bringt uns Der fabelhafte Fábio,<br />

der grösste Surfer Brasiliens aller Zeiten (19.1.)<br />

mit in die Schweiz. Mit Der Blick von aussen werden<br />

wir mit den Klischees und den Vorstellungen<br />

konfrontiert, die sich die Welt über Brasilien macht<br />

(20.1.). Am 26.1. versucht die Protagonistin Nina<br />

in einer entmenschlichten Welt zu überleben, was<br />

auch Carula eine «einfach gestrickte Frau» aus<br />

dem Hinterland Brasiliens in Verfl ixtes Fleisch<br />

(27.1.) versucht: Ihr grosser Traum ist es, sich zu<br />

verheiraten und dafür tut sie alles.<br />

■ Das ganze Jahr hindurch überrascht das Lichtspiel<br />

sein Publikum jeden Sonntagabend mit einem<br />

Programm aus dem hauseigenen Archiv, in<br />

dem sich vorwiegend Vorprogramme aus alten<br />

Zeiten, Musikclips, Werbungen, Dokumentarfi lme<br />

und Wochenschauen, jedoch auch spannende<br />

Amateurfi lme fi nden, die jede Rolle zu einem einmaligen<br />

Erlebnis machen. (So 20:00 h)<br />

Mit dem «sortie du labo»-Programm, welches<br />

das Lichtspiel gemeinsam mit der Cinémathèque<br />

suisse und MEMORIAV monatlich veranstaltet,<br />

können frisch restaurierte Filme (wieder)entdeckt<br />

werden. Mit Rapt (1933) von Dimitri Kirsanoff ist<br />

einer der originellsten Beiträge aus den ersten<br />

fünf Jahrzehnten des Schweizer Films zu sehen,<br />

was insbesondere der künstlerischen Zusammenarbeit<br />

des Regisseurs mit Ramuz sowie den beiden<br />

Komponisten Hoérée und Honegger zuzuschreiben<br />

ist: Alles trennt die Berner Oberländer Hirten<br />

von den Einwohnern des Walliser Dorfes Cheyseron:<br />

ihre Sprache und ihre Sitten, ihr Lebensstandard,<br />

ihre Religion und ein Berg. Auf der Berner<br />

Seite tötet Hans, verlobt mit der verführerischen<br />

Elsi, den Hund des Walliser Hirten Firmin mit einem<br />

Steinwurf. Dieser rächt sich, indem er Elsi gewaltsam<br />

entführt und in Cheyseron gefangen hält.<br />

Die Romanverfi lmung nach «La séparation des<br />

races» von Ramuz arbeitet mit einem suggestiven<br />

Stil, der sich an der Stummfi lmästhetik orientiert.<br />

So kommt der Film mit wenigen Dialogen aus, die<br />

dem expressiven Spiel der Darsteller den Vorrang<br />

lassen. (Mo 8.1., 20:00 h)<br />

Brasil Plural, das Festival für brasilianische<br />

Kurz-, Spiel- und Dokumentarfi lme ist bereits zum<br />

dritten Mal mit den zwei Kurzfi lmprogrammen<br />

im Lichtspiel zu Gast. Die Filme von vorwiegend<br />

jungen KünstlerInnen beeindrucken durch eine<br />

schwer umfassende Eigen<strong>art</strong> mit landestypischer<br />

Verpackung, jedoch auch durch Details und Ausschmückungen,<br />

die auf regionale Eigenheiten<br />

verweisen und tief in der Geschichte des Landes<br />

verankert sind. (Di 16.1.: Kurzfi lmschau 1, Di 23.1:<br />

Kurzfi lmschau 2, jeweils 20:00 h). Dokumentar-<br />

und Spielfi lme von Brasil Plural werden im Kino<br />

Reitschule gezeigt.<br />

■ Mit Writers, den teils sehr abenteuerlichen und<br />

schillernden Lebensgeschichten berühmter Dichterinnen<br />

und Schriftsteller geht’s noch bis Mitte<br />

Januar weiter:<br />

L’AMANT (Marguerite Duras): Mit Sorgfalt und<br />

grossem Aufwand rekonstruiert Jean-Jacques<br />

Annaud das koloniale Vietnam der 20er Jahre, das<br />

den Hintergrund bildet für die Liebesbeziehung einer<br />

15-jährigen Französin zu einem mehr als zehn<br />

Jahre älteren reichen Chinesen. SYLVIA (Sylvia<br />

Plath): Porträt der komplizierten Beziehung der<br />

Dichterin Sylvia Plath und ihres ebenfalls schreibenden<br />

Ehemannes Ted Hughes mit Gwyneth<br />

Paltrow in der Titelrolle. NICOLAS BOUVIER, 22<br />

HOSPITAL STREET: Nach einer zweijährigen Reise<br />

quer durch den Balkan, die Türkei, den Iran und<br />

halb Asien erreicht der Genfer Schriftsteller und<br />

Fotograf Nicolas Bouvier 1955 ein kleines Nest an<br />

der Südspitze Sri Lankas. WILDE (Oscar Wilde): Die<br />

Kritiker feiern Oscar Wilde als den neuen Dramatiker.<br />

Als er dem jungen Lord Alfred Douglas verfällt,<br />

verändert sich sein Leben grundlegend. DIE UN-<br />

BERÜHRBARE (Gisela Elsner): Die Schriftstellerin<br />

Hanna Flanders alias Gisela Elsner reagiert auf<br />

den Fall der Mauer irritiert. In einer schmerzlichen<br />

Odyssee erlebt sie eine Gesellschaft, die im Begriff<br />

ist, sich rasant zu verändern.<br />

Marie Caffari, die Leiterin des im Oktober neu<br />

eröffneten Literaturinstitutes wird am Montag, 8.<br />

Januar im Filmpodium das Projekt vorstellen und<br />

sich Gedanken machen über die Vermittlung und<br />

Erforschung des Kreativen Schreibens, welche<br />

Grundanliegen des Institutes sind.<br />

NEWS: Die Reihe neuerer Filme aus den letzten<br />

Jahren ist ab Mitte Januar programmiert. Ganz<br />

besondere Aufmerksamkeit verdient Ju Ichikawas<br />

TONY TAKITANI! Die Verfi lmung der gleichnamigen<br />

Erzählung des japanischen Schriftstellers Haruki<br />

Murakami zeigt die Welt des Illustrators Tony<br />

Takitani, einem leidenschaftslosen Einzelgänger,<br />

der sich selbstgenügsam seiner Kunst widmet bis<br />

er der grossen Liebe begegnet. Dem Film wohnt<br />

eine zauberhafte Melancholie inne und wunderschöne<br />

poetische Bilder entlassen einen ganz entzückt<br />

aus dem Kino.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 27


magazin<br />

STADTLÄUFER<br />

Von Andy Limacher<br />

■ nr. 26 // brückenbauer. Seit Ende des 19.<br />

Jahrhunderts verbinden Kirchenfeld- und Kornhausbrücke<br />

die Berner Altstadt mit den Qu<strong>art</strong>ieren<br />

im Süden und Norden. Ungefähr zur selben<br />

Zeit wurde in Paris der Eiffelturm gebaut – es war<br />

die Zeit, in der Stahlkonstruktionen allmählich<br />

Holz und Stein ablösten.<br />

Vor kurzem machte ich einen Spaziergang<br />

entlang der Aare, wobei mir folgendes auffi el:<br />

Bei der Lorrainebrücke wie auch dem Eisenbahnviadukt<br />

handelt es sich um Betonkonstruktionen<br />

aus dem 20. Jahrhundert. Da der Bau des Hauptbahnhofs<br />

aber in die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

fällt, muss es an dieser Stelle früher schon andere<br />

Brücken gegeben haben.<br />

Und tatsächlich: Ungefähr dort, wo heute die<br />

Lorrainebrücke über das Aaretal führt, stand bis<br />

1941 die sogenannte rote Brücke, eine Stahlkonstruktion<br />

mit zwei Stockwerken. Auf der oberen<br />

Ebene fuhren ab 1858 die Züge in den noch jungen<br />

Kopfbahnhof ein, die untere Ebene diente als<br />

Strasse von der Lorraine in die Stadt. Die Geleise<br />

führten damals von Norden her direkt durch das<br />

Wylerfeldqu<strong>art</strong>ier – der Name «Dammweg» erinnert<br />

heute noch daran.<br />

Das Wachstum der Stadt führte allerdings<br />

bald an die Kapazitätsgrenze der roten Brücke,<br />

und auch dem moderen Bahnverkehr genügten<br />

die Ansprüche nicht mehr. Hinzu kam, dass den<br />

Fussgängern gelegentlich heisse Kohlestücke<br />

von den Dampfl oks auf den Kopf fi elen.<br />

1928 wurde deshalb mit dem Bau der Lorrainebrücke<br />

begonnen, zwei Jahre später wurde sie<br />

fertiggestellt. Die Verlegung der Eisenbahnlinie<br />

um das Qu<strong>art</strong>ier herum auf das neue Viadukt<br />

folgte rund zehn Jahre später: Damit war das<br />

Schicksal der roten Brücke besiegelt.<br />

Vielleicht wird es auch dem heutigen, vierspurigen<br />

Bahndamm irgendwann so ergehen. Die Kapazitätsgrenze<br />

ist nach nur sechzig Jahren abermals<br />

erreicht – das weiss jeder, der gelegentlich<br />

von Norden her in den Hauptbahnhof einfährt.<br />

www.ensuite.ch<br />

Ein Abo macht Sinn.<br />

28<br />

LESERBRIEFE<br />

leserbrief@ensuite.ch<br />

Thema: museum franz gertsch<br />

■ Diese «Leserbrief»-Zusendung (Bild oben)<br />

kommt von Daniel Rohrbach. Es ist sein Kommentar<br />

zu der «museum franz gertsch-Affäre» um die<br />

Entlassung von Reinhard Spieler.<br />

Leserbriefe:<br />

■ Senden Sie uns Ihre Kommentare und Leserbriefe<br />

zum Kulturgeschehen in Bern oder auch Kritiken<br />

(es darf natürlich auch mal ein Lob sein...) an<br />

die ensuite-Redaktion zu. Wir wollen den Kulturdi-<br />

alog in Bern nicht nur fördern, sondern auch eine<br />

aktive Plattform für kulturelle Meinungen sein.<br />

Einsendungen an:<br />

leserbrief@ensuite.ch oder auf dem Postweg:<br />

ensuite - kulturmagazin<br />

Leserbriefe<br />

Sandrainstrasse 3<br />

3007 Bern<br />

Telefon: 031 318 6050<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


KULTUR & GESELLSCHAFT<br />

zwei paare, dann ein drittes, stehen<br />

Von Peter J. Betts<br />

■ Zwei Paare, dann ein drittes, stehen reglos, fasziniert<br />

und vorerst stumm in der unteren Gerechtigkeitsgasse,<br />

starren in den für ein paar Meter<br />

dreiteilig geöffneten Stadtbach mitten im rechtwinklig<br />

normierten Kopfsteinpfl aster. «Da läuft<br />

etwas gegen den Strich», sagt eine der Damen.<br />

«Keineswegs regelkonform», bestätigt ein Herr,<br />

und die Dame, seine Hand haltend, sagt: «Das ausgerechnet<br />

in der Gerechtigkeitsgasse.» «Was wohl<br />

hierzu die Denkmalpfl ege meint?», fragt die dritte<br />

Dame. «Oder die Polizei?», doppelt die erste nach.<br />

Drei Paare, die einander anscheinend nicht kennen,<br />

tauschen von gemeinsamem Erleben ausgelöste<br />

Gedanken aus: sprechen über KiöR.<br />

Der Sachverhalt ist einfach: in der auf drei<br />

staatlichen Ebenen formaljuristisch totalsanierten<br />

Beamtenstadt, ein veritables Vexierbild, läuft<br />

in der Gerechtigkeitsgasse! im mittleren von drei<br />

schnurgeraden Segmenten für alle sichtbar das<br />

Wasser AUFWÄRTS, während es in den beiden<br />

umklammernden Teilen mit gleicher Geschwindigkeit<br />

und mit gleichem Gluckern ordnungsgemäss<br />

abwärts läuft. Das ist ein Affront! Egal, ob diese<br />

Regelwidrigkeit «nur» scheinbar oder wirklich<br />

existiert! KiöR!<br />

Im ensuite - kulturmagazin Nr. 47 vom November<br />

2006 schreibt Tabea Steiner über Kultur in<br />

Thun und Hanswalter Graf (S. 84) u. a.: «...Er arbeitet<br />

ausschliesslich im öffentlichen Raum, Kunst<br />

im öffentlichen Raum, was das schöne Kürzel KiöR<br />

verpasst kriegte. Die Abkürzung ist schrecklich<br />

bürokratisch, was dahinter steckt, aber wunderbar<br />

praxisnah...». Ach, die lieben Kolleginnen und<br />

Kollegen aus der Journaille, unserer Sippe! Schon<br />

mein Freund, Fred Zaugg, hat sich über meine Erfi<br />

ndung dieses Kürzels lustig gemacht, und jetzt<br />

noch Tabea Steiner – ich schmunzle. Aber: mein<br />

Herz (haben Bürokraten ein Herz?) könnte bluten<br />

über den Hohn, der sich über die Frucht meiner<br />

Hirnarbeit (haben Bürokraten ein Hirn oder arbeiten<br />

sie jemals?) ergiesst und vor Freude (können<br />

sich Bürokraten freuen?) zerspringen, weil diese<br />

Erfi ndung INHALTLICH offenbar etwas bewirkt<br />

hat, z. B. in Thun. Und dabei hatte ich doch nur,<br />

wie M<strong>art</strong>in Beyeler mitten in der unteren Gerechtigkeitsgasse,<br />

über einen Umweg die Regeln ein<br />

bisschen gegen den Strich gestriegelt, um, wie er,<br />

etwas zu sagen und, liest man z. B. Tabea Steiners<br />

Text (was ich Ihnen empfehle), anscheinend auch<br />

etwas zu erreichen. Und das freut mich riesig, ob<br />

es sich um die Kunstoffenheit Thuns oder den Dialog<br />

über den Kommentar zur Regelkonformität à<br />

tout prix in der unteren Gerechtigkeitsgasse handeln<br />

mag. KiöR.<br />

Vor KiöR gab es im öffentlichen Raum für bil-<br />

dende Künstlerinnen und Künstler erstens die<br />

Möglichkeit, von der Behörde den Auftrag zu<br />

erhalten, ein Stück «Künstlerischen Schmuck»<br />

herzustellen. Ein Beispiel: Die Verkehrsraumkonzeption<br />

beim Bahnhof - beeinfl usst von jener Zeit,<br />

in der Inseratenwerbung Neubauten mit der Qualität:<br />

«Freie Sicht auf Autobahn!» gut verkaufte...<br />

Meret Oppenheim wurde höfl ich aufgefordert,<br />

«Künstlerischen Schmuck» für den neu und mit<br />

etwas Verspätung zeitgeistkonform gestalteten<br />

Bereich Bubenbergplatz – Bahnhofplatz zu schaffen.<br />

Sie lehnte den Auftrag ebenso höfl ich ab, weil<br />

die Gestaltung des Bereichs durch Kunst nicht zu<br />

retten sei und es hier nichts zu schmücken gebe.<br />

Sie liess sich jedoch später darauf ein, ein KiöR-<br />

Projekt auf dem unteren Waisenhausplatz zu realisieren.<br />

Das Stadtplanungsamt hatte sich damals<br />

mit dem Gedanken getragen, einen «kinderfreundlichen»<br />

Platz zwischen den beiden Schulhäusern<br />

zu gestalten. Glücklicherweise verzichtete der<br />

Planer nach eingehender Auseinandersetzung mit<br />

der Künstlerin zugunsten von Meret Oppenheims<br />

Ideen darauf, in seinem idyllisierend? ironisierend?<br />

nachempfundenen Barockgärtchen auf der Metroparkhallendecke<br />

die Schülerinnen und Schüler in<br />

den Pausen durch tosenden Verkehr umbranden<br />

zu lassen. Und Meret Oppenheim schuf in einer<br />

wenig lebensfreundlichen Umgebung ein Mahnmal<br />

für das Leben: mit Beton (jenem Material, das einigen<br />

der umliegenden denkmalgeschützten Ziegeldächer<br />

auf Sand- oder Backstein untergelegt<br />

worden ist), etwas Blech, Wasser und ZEIT. Gut,<br />

man hat sich nicht die Zeit zu geben gewagt, die<br />

das Wachsenlassen erfordern würde, und hat mit<br />

künstlichem Bepfl anzen eingegriffen; eine Flora,<br />

die glücklicherweise durch Vögel und Wind herbeigetragene<br />

Pionierpfl anzen u. Ä., wie ursprünglich<br />

gedacht, verdrängt haben. Es gibt Ordner voller<br />

Protestbriefe gegen die Brunnensäule: motiviert<br />

durch Angst vor Ungewohntem, Antisemitismus,<br />

Probleme bei Glatteisgefahr, Ärger, dass dieses<br />

«Kunstwerk» die freie Sicht auf die schöne Fassade<br />

des Waisenhauses - hatte man diese vorher jeweils<br />

anzuSCHAUEN versucht? – verbaut: eine breite<br />

Skala von Begründungen des Unbehagens. Und die<br />

Auseinandersetzung mit Meret Oppenheims Symbol<br />

hat angehalten - vielleicht war dieses Zeichen<br />

gar (unbewusst) mitverantwortlich für den Prozess<br />

des Umdenkens der Verantwortlichen bezüglich<br />

Priorität des privaten Motorfahrzeugverkehrs im<br />

hochurbanen Raum? Vor KiöR gab es als zweite<br />

Möglichkeit die «Kunst am Bau». Die Möglichkeit,<br />

mit einem kosmetischen Eingriff von einer nachhaltigen<br />

Bausünde abzulenken? Schmücken oder<br />

vertuschen also. (Auch ich weiss: Kosmetik KANN<br />

magazin<br />

viel tiefer als die Oberfl äche wirken.)<br />

KiöR ermöglicht es bei öffentlichen Bauvorhaben,<br />

die Kreativität von Künstlerinnen und Künstlern<br />

mit jener der FachspezialistInnen (etwa aus<br />

den Bereichen Statik, Planung, Sicherheit, Verkehr,<br />

Wirtschaft, Bildung, Polizei) in Arbeitsgruppen zu<br />

verbinden, den Blick-von-Aussen einzubeziehen: oft<br />

stellvertretend für spätere NutzerInnen, die noch<br />

gar nicht verfügbar wären. «Kunst im öffentlichen<br />

Raum» ermöglicht es z. B. George Steinmann, in<br />

der Planungsphase vor dem Umbau des Casinoparkings<br />

mit Schülerinnen und Schülern einen Tag<br />

im alten Parkhaus zu verbringen und all das mit<br />

ihnen herauszuarbeiten, was Angst macht oder<br />

bedrückt: was auf jeden Fall beim Umbau zu vermeiden<br />

ist, und wäre es ästhetisch, statisch, ökonomisch,<br />

logistisch noch so wünschenswert. Dem<br />

Künstler ging es nicht darum, sich selber ein Denkmal<br />

zu setzen, nicht um Künstlerischen Schmuck,<br />

nicht um Kunst am Bau. Es ging darum, das Vorhaben<br />

durch Auseinandersetzung und Dialog zu<br />

humanisieren, durch das unorthodoxe Verbinden<br />

aller Kompetenzen Aller: ohne Hahnenkämpfe,<br />

Prestigestellungskriege und Machtgerangel. Kultur:<br />

Unter Einbezug von Kunst und künstlerischer<br />

Arbeitsweise, technischem Wissen und Vermögen,<br />

materiellen Ressourcen, räumlichen und zeitlichen<br />

Randbedingungen, funktionalen Zielsetzungen, Erfahrungen,<br />

Spontaneität das erstehen lassen, was<br />

der Gemeinschaft die nachhaltigste Verbesserung<br />

verschafft. Kunst als Teil so verstandener Kultur,<br />

ein taugliches und fruchtbares Übungsfeld für<br />

notwendige gesellschaftsbezogene Kulturpolitik.<br />

KiöR: nicht Beitrag zum Prestigewettbewerb der<br />

Städte, nicht Werkzeug des Citymarketings, nicht<br />

Stufenanstieg auf dem Weg zum Olymp.<br />

Ein Tipp für Ihren Besuch der unteren Gerechtigkeitsgasse:<br />

werfen Sie ein abgefallenes Blatt<br />

oder halt ein Kügelchen aus einem Stück Papiertaschentuch<br />

ins mittlere Stadtbachsegment, schauen<br />

Sie, wo es verschwindet und wo es nach geraumer<br />

Zeit wieder erscheint: Sie haben entdeckt,<br />

mit welchem Umweg scheinbar die Schwerkraft<br />

ausgetrickst, in Wirklichkeit nur genutzt worden<br />

ist. Judo in der Kunst? Und mit einer Spur Denkarbeit,<br />

vielleicht hilft der erlauschte Dialog im ersten<br />

Abschnitt dieses Textes, sehen Sie, welchen gesellschaftsrelevanten<br />

Themenkreis der Künstler mit<br />

seinem Werk an diesem Ort orthogonal geerdeter<br />

Welt in traditionsreichem Gewand möglicherweise<br />

ansprechen wollte? Vexierbilder sind lesbarer,<br />

wenn man gelegentlich den Blickwinkel ändert:<br />

sich selber oder das Bild bewegt. KiöR.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 29


magazin<br />

BERNER KULTURMENSCHEN<br />

über tasten tanzende fi nger<br />

Von Eva Mollet (Foto: Eva Mollet)<br />

■ Karin Jampen ist eine Pianistin mit kleinen Händen.<br />

Sie greift damit eine None. Sie ist freischaffende<br />

Musikerin. Sie unterrichtet auch vierjährige<br />

bis sechzigjährige Schüler und Schülerinnen an<br />

der Musikschule des Konservatoriums Bern. Wenn<br />

Karin lacht, umrahmen feine Fältchen ihre Augen.<br />

Ohrschmuck schimmert durch das dunkle Haar. Karins<br />

Interessensgebiete und Betätigungsfelder sind<br />

vielseitig. Sie heckt Projekte aus, um interdisziplinär<br />

alles zu vereinen.<br />

Ruhe und Ausgleich fi ndet Karin auf ihren Reisen.<br />

Immer wieder zieht es sie ans Meer, wo sie den<br />

Wellen zuschaut. Oder sie wandert an der Küste von<br />

England. Oder sie verbringt längere Zeit in Indien.<br />

Im nächsten Sommer ist Karin als Stipendiatin des<br />

Kantons Bern für ein halbes Jahr in New York.<br />

Karin und das Klavier Karin beginnt mit fünf<br />

Jahren Klavier zu spielen. Das Instrument gehört<br />

längst zum Inventar der elterlichen Wohnung. «Der<br />

Klang des Klaviers hat mich immer angezogen,<br />

auch die vielen schwarzen und weissen Tasten.»<br />

Ein prägendes Erlebnis für Karin ist das Konzert<br />

von Werner Bärtschi. Auch die Kinderkonzerte von<br />

Gertrud Schneider bleiben unvergesslich. Mit neun<br />

Jahren kommt das Tanzen hinzu. Seither sind Musik<br />

und Bewegung nicht mehr wegzudenken.<br />

Nach der Ausbildung zur Primarlehrerin absolviert<br />

Karin das Lehrdiplom und anschliessend<br />

das Reifediploman der Hochschule für Musik und<br />

Theater Bern. Danach folgt ein Studienaufenthalt<br />

am Royal College of Music in London und schliesslich<br />

ein Nachdiplomstudium in der Meisterklasse<br />

30<br />

von Professor Bruno Canino.<br />

Das Repertoire von Karin Jampen reicht von<br />

Barock bis zu zeitgenössischer Musik. Sie spielt in<br />

verschiedenen Formationen: Als Solistin oder als<br />

Kammermusikerin. «Ich lasse mich nicht gerne einschränken,<br />

und ich durchbreche gerne traditionelle<br />

Hörgewohnheiten.»<br />

Die Annährung an ein Werk Die Auseinandersetzungen<br />

und die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen<br />

Komponisten erlebt Karin als Bereicherung.<br />

Über verstorbene Komponisten betreibt sie Recherchen.<br />

Sie sucht immer die Vertiefung. Auf diese<br />

Weise tritt sie selbst mit dem Werk in Verbindung,<br />

involviert sich. «Sowohl für einen rein instrumentalen<br />

Konzertabend, als auch für ein sp<strong>art</strong>enübergreifendes<br />

Gesamtwerk, brauche ich viel Information,<br />

um die Komplexität der Werke und Themen auszuloten<br />

und zu hinterfragen – daraus schöpfe ich u.<br />

a. meine Inspiration. Es braucht viel Zeit, das Gesammelte<br />

zu vernetzen und schliesslich wieder zu<br />

reduzieren.»<br />

Die Arbeit am Instrument durchläuft verschiedene<br />

Phasen bis zur Interpretation. «Die technische<br />

Aneignung des Notentextes bis zur künstlerischen<br />

Umsetzung ist sowohl eine intuitive, wie auch eine<br />

intellektuelle Arbeit.» Karin sucht nach verschiedenen<br />

Möglichkeiten, wie sie einen Melodiebogen gestalten<br />

kann, und sie pröbelt an unterschiedlichen<br />

Klängen durch differenzierte Anschlags<strong>art</strong>en. Wichtig<br />

ist ihr, keine Routine aufkommen zu lassen. «Diese<br />

Art der Ausarbeitung eines Werks ist für mich<br />

das Spannendste und bereitet mir Freude. Je mehr<br />

Gestaltungsmöglichkeiten ich habe, desto freier<br />

werde ich im Spiel.»<br />

Interdisziplinäre Gesamtprojekte Karin ist die<br />

Initiantin von verschiedenen Projekten, die unterschiedliche<br />

Interessensgebiete zu einem Gesamtkunstwerk<br />

vereinen. Es ist ihr wichtig, Raum, Klang<br />

und Aktion zu berücksichtigen. Damit gelingt es ihr,<br />

verschiedene Sp<strong>art</strong>en zusammenzuführen: Bildende<br />

Kunst, Tanz, Theater und Musik. Mit der Duop<strong>art</strong>nerin<br />

und Sängerin Franziska Hegi wurde im<br />

vergangenen Jahr eine solche Konzertkonzeption<br />

entwickelt: «Wenn ein schwerer Tropfen fällt». Dieses<br />

Projekt verbindet eine Uraufführung von Christian<br />

Henking mit sechs Ton-Text-Inseln und einer<br />

tropfenden Installation von Judith Albisser.<br />

Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche<br />

Karin tritt auf mit Konzerten für Kinder. Im letzten<br />

Jahr entwickelte sie in Zusammenarbeit eine<br />

Klang-Entdeckungsstrasse namens KLANGEST. Das<br />

neuste Kinderprojekt nennt sich «Petruschka» und<br />

verarbeitet Musik von Strawinsky. Das instrumentale<br />

Musiktheater ist mit dem Tastentheater Schweiz<br />

entstanden und wird im 2007 zu sehen und zu hören<br />

sein.<br />

New York, New York Karin wird im Big Apple vor<br />

allem für ein neues Projekt recherchieren und sich<br />

eine Übungsmöglichkeit organisieren. Der Sommer<br />

in der Grossstadt ist heiss. Karins Finger werden<br />

dennoch über die Tasten tanzen.<br />

mailto: karinja@bluewin.ch<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


CARTOON<br />

www.fauser.ch<br />

VON MENSCHEN UND MEDIEN<br />

«tischlein entdeck dich!»<br />

Von Lukas Vogelsang<br />

■ Das Tischlein ist gedeckt und der Roger Köppel<br />

(37) sitzt mit dem Lätzli vor seinen Aktien und leckt<br />

die Finger: 99,5 Prozent der Weltwoche gehören<br />

jetzt ihm – also die ganze Zeitung mit allem Plunder<br />

dazu (Bücher, Internet und so). In einer spektakulären<br />

Pokeraktion haben die ganz Grossen in<br />

den letzten Monaten gedealt – und dabei sind einige<br />

Krümmel neben den Tisch gefallen. Köppel hat<br />

nur erhalten, worum sich die Grossen nicht interessierten:<br />

Ein Köppel-Wochenblatt. Denn eines ist<br />

klar, Köppel hin oder her, die Weltwoche ist nicht<br />

der Spekulanten-Liebling.<br />

Und da der Jetztalleinchef Köppel nun das<br />

Steuer in der Hand hat, kann ihm auch keiner mehr<br />

widersprechen. Wenn doch, so lässt der Köppel den<br />

Knüppel aus dem Sack und legt sich mächtig ins<br />

Zeug. Meistens ruft er dabei die Chefredaktoren<br />

an. Am 13. Februar 2005 titelte die NZZ (und das<br />

ist jetzt zufälligerweise ganz schnell im Internet<br />

zu googeln!) «Die Aufl age der ‹Weltwoche› brach<br />

abrupt ein, als sie vom ehemaligen Chefredaktor<br />

Roger Köppel auf SVP-Kurs gesteuert wurde.<br />

Mittlerweile erholt sich das Wochenmagazin langsam<br />

wieder.» (Als dieser wieder gegangen war).<br />

Das gab Schelte. Jetzt ist er leider wieder zurück,<br />

zu 95 Prozent als Journalist und zu 5 Prozent als<br />

Verleger. («95 Prozent meiner Arbeit ist Journalismus»<br />

sagt er im «Schweizer Journalist».) Er meinte<br />

natürlich: «Ich bin Journalist, der gleichzeitig<br />

Verleger ist.» Herr Köppel, wir können lesen.<br />

Aber ob das Köppelsyndrom funktionieren<br />

soll, haben wir in den letzten Monaten zu spüren<br />

bekommen. Seit Oktober ist der Köppel aus dem<br />

Sack und die Weltwoche inhaltlich am Boden. Einen<br />

solchen Mediensturzfl ug erlebt man selten.<br />

Die aufreisserischen Artikel von Naomi Campbell<br />

oder Jack Nicholson waren nur abgeschriebene<br />

BlaBla-Texte, der Rest entsprang der SVP-P<strong>art</strong>eihymne.<br />

Nichts von dem verschwörerischen «wir<br />

sind doch faktisch das einzige Blatt, das andere<br />

Akzente setzt, auch die scheinbar ganz fest gefügten<br />

Gewissheiten in Frage stellt.» (Zitat Köppel<br />

im «Schweizer Journalist»). Genau dies ist doch<br />

der Leitsatz der SVP! In der Weihnachtsnummer<br />

(«Was wirklich zählt») haben Sie, Herr Köppel, uns<br />

zum Beispiel das SVP-Bild der Frau eingehämmert:<br />

Entweder sie sieht gut aus (SEX!) oder trägt einen<br />

Öko-Strickpulli (Suggeriert: Frau hat nichts zu sagen.),<br />

redet über Sex (SEX!) oder Soziales (Suggeriert:<br />

Frau hat nichts zu sagen.) Und wenn von alle<br />

dem nichts ist, dann muss noch ein Sexthema her.<br />

«Sex sells», denn jetzt ist der Köppel aus dem Sack<br />

magazin<br />

und der zeigt uns, wie’s geht. «Die bestverkaufte<br />

Ausgabe der letzten drei Jahre war das ‹Femal<br />

Brain›-Cover mit dem Bild von Marilyn Monroe.»<br />

(Zitat Köppel im «Schweizer Journalist».)<br />

Traurig, oder? Gerade jetzt, wo die Weltwoche<br />

im Sommer einen Höhefl ug hatte. Gerade jetzt,<br />

wo’s spannend wurde, weil eine kritische Redaktion<br />

Mut fasste und nach all den turbulenten Jahren<br />

eine Wochenzeitung wirklich Biss und Farbe erhielt.<br />

Wo wir LeserInnen mit roten Klobrillenrändern<br />

durch die Welt marschieren und dabei ein gutes,<br />

gebildetes Gefühl hatten… Einzig ein Satz von<br />

Köppel selbst rechtfertigt die 29-köpfi ge Jury, welche<br />

ihn Ende 2006 zum «Journalist des Jahres»<br />

kürte: «Ich hoffe nur, dass Sie mir den Preis nicht<br />

aus Mitleid gegeben haben.» Vielleicht hatte die<br />

Jury ja wirklich Hoffnungen - oder zuwenig Sex.<br />

Der Tisch ist gedeckt, doch was mir serviert<br />

wird, schmeckt nicht. Im Gegenteil, mir ist schlecht.<br />

Und wie im Grimm-Märchen «Tischlein deck dich»<br />

rufe ich mit letzter Kraft: «Knüppel in den Sack!»<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 31


magazin<br />

BERNER QUARTIERE<br />

alle jahre wieder<br />

Von Kathrina von W<strong>art</strong>burg<br />

■ Der Titel klingt weihnächtlich, hat aber mit Weihnachten<br />

wenig zu tun: Alle Jahre wieder fi ndet im<br />

Januar - am 13. 1. - die «Tour de Lorraine» statt. Der<br />

Name ist Programm; denn hier geht es darum, sich<br />

einen Abend lang ein reichhaltiges Kulturprogramm<br />

in Beizen dies- und jenseits der Lorrainebrücke zu<br />

Gemüte zu führen. Zehn Bands, diverse DJ’s und<br />

eine Tanztheatergruppe treten in zehn verschiedenen<br />

Lokalen auf. Für einen Eintritt von 20 Franken<br />

ist man/frau dabei.<br />

Was nach reichlich Kultur klingt, hat auch einen<br />

politischen Hintergrund. Vor rund sieben Jahren<br />

organisierten die Gruppen «Anti-WTO», Attac Bern<br />

und die Oeme-Kommission die erste Tour de Lorraine<br />

im Vorfeld des WEF in Davos. Man fragte ein paar<br />

Beizen an, die auch sofort Interesse zeigten. «Das<br />

Fest funktioniert auch für die Beizen», meint David<br />

Böhner vom OK. «Sie erzielen einen hohen Bar-<br />

Umsatz, wir erhalten die Eintrittsgelder.» Mit dem<br />

Anlass wollte man ein Zeichen gegen das WEF setzen,<br />

mit dem (möglichen) Gewinn sollten Anti-WEF-<br />

Aktivitäten fi nanziert werden. Seit Beginn stiess die<br />

TOUR DE LORRAINE<br />

Freitag, 12. Januar 2007<br />

Infoveranstaltung Tour de Lorraine:<br />

20:00 Kino in der Reitschule:<br />

«Eine Landwirtschaft für das Leben - Vom<br />

Kampf um Ernährungssouveränität gegen<br />

das internationale Agrobusiness.» Eine Podiumsdiskussion<br />

mit: Valentina Hemmeler,<br />

Uniterre; Javiera Rulli, Grupo de Refl exion<br />

Rural, Argentinien; Stephan Suhner,<br />

Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien.<br />

Samstag 13. Januar 2007<br />

Tojo, Reitschule, Neubrückstrasse 8<br />

20:30 Jitterbug – Larve, Puppe, Imago, Tanztheater<br />

pulp.noir<br />

Kino in der Reitschule, Neubrückstrasse<br />

20:00 We feed the World World Erwin Wagenhofer,<br />

Ö, 2005<br />

22:00 Diskussion mit dem Regisseur Erwin Wagenhofer<br />

00:00 Hühnerwahnsinn; Marcello Faraggi, DE 06<br />

32<br />

Tour de Lorraine auf grosses Interesse: Rund 3000<br />

Menschen kommen jährlich in das berühmte Berner<br />

Qu<strong>art</strong>ier. Während in den ersten Jahren noch der<br />

ganze Gewinn in Protestaktionen gegen das WEF<br />

fl oss, sollen nun vermehrt auch andere politische<br />

und soziale Projekte unterstützt werden. «Die Globalisierungsthematik<br />

war früher ein grösseres Thema<br />

in den Medien», so Böhner. In den letzten Jahren<br />

sei der Widerstand gegen das WEF aber aufgrund<br />

der Repression immer schwieriger geworden. «Wir<br />

wollten deshalb etwas weg von der WEF-Diskussion<br />

und begannen, auch andere Projekte zu unterstützen»,<br />

ergänzt er.<br />

Die diesjährige T.d.L steht inhaltlich unter dem<br />

Thema «Ernährungssouveränität». Am Vorabend<br />

fi ndet im Kino in der Reitschule eine Podiumsdiskussion<br />

mit VertreterInnen aus der Landwirtschaft<br />

aus der Schweiz und Südamerika statt. An der T.d.L<br />

wird der Film «We feed the world» von Erwin Wagenhofer<br />

gezeigt. Der Regisseur hat sich darin auf<br />

die Spur unserer Lebensmittel gemacht. Zu Wort<br />

kommen neben Fischern, Bauern, Agronomen,<br />

00:30 Grober Unfug – Widerstände gegen das<br />

WEF von Bern 05 nach Davos 06; dadavos,<br />

CH 2006<br />

01:15 Sea You on G8; Aktion Kunterbunt, DE<br />

2006 danach weitere Kurzfi lme zu politischen<br />

Bewegungen.<br />

Café Bar Kairo,Dammweg 43<br />

21:30 My Name is George (Winterthur), Retro-<br />

Rock-Punk-Grunge<br />

Brasserie Lorraine,Qu<strong>art</strong>iergasse 17<br />

21:30 Fisty Four (Bern), Rock<br />

23:00 Flaming Cocks (Prag), Rock-a-Psychobilly<br />

danach DJ Polsko Niemiecka Przyjazn (BE/<br />

ZH), Wildstyle, anschliessend DJ El Tigre<br />

Restaurant Du Nord,Lorrainestrasse 2<br />

23:00 Mouthwatering Club Night feat. DJ‘s Kev<br />

the Head, Dustbowl & Swo (BE). Visuals by<br />

Tectonics, electro, break beats, dub house<br />

Biologen und Jean Ziegler auch der Produktionsdirektor<br />

des weltgrössten Saatgutherstellers Pioneer<br />

sowie Peter Brabeck, Konzernchef von Nestlé International,<br />

dem grössten Nahrungsmittelkonzern der<br />

Welt. Wagenhofer selbst wird anwesend sein und<br />

im Anschluss an den Film mit allen Interessierten<br />

diskutieren. Als symbolischer Akt werden die beteiligten<br />

Beizen der T.d.L zur «Nestlé-freien Zone»<br />

erklärt. Will heissen: An diesem Abend gibt’s keine<br />

Nestlé-Produkte in den Beizen. «Wir möchten unsere<br />

politische Botschaft dieses Jahr besser vermitteln»,<br />

sagt Böhner.<br />

Trotz politischem Hintergrund und einer klaren<br />

Botschaft ist die Tour de Lorraine vor allem ein kultureller<br />

Anlass und steht allen offen. «Es soll einfach<br />

ein tolles Fest werden», sagt Böhner. Und wer<br />

an diesem 13. Januar nicht kommen kann, der sei<br />

an dieser Stelle schon vertröstet: Die Organisatoren<br />

planen, bereits im Mai die nächste Tour de Lorraine<br />

- oder zumindest ein ähnlich tolles Strassenfest.<br />

Dachstock, Reitschule,Neubrückstrasse 8<br />

23:30 Diesler feat. Laura Vane (UK), Funk-Soul-<br />

HipHop, anschliessend DJ Studer TM (VS)<br />

Frauenraum, Reitschule,Neubrückstrasse 8<br />

23:00 Stella Glitter et les deux etoiles ** (ZH),<br />

R’n’R<br />

01:00 aRAPiata (BL), HipHopvor & nachher:<br />

Djane Cannibalic Vakuum & Die Raumpfl egerin<br />

mit Internationalem Ramsch<br />

Sous le Pont, Reitschule,Neubrückstrasse 8<br />

23:00 Fullstop (VD), Metal/Hardcore<br />

00:30 Blown (VD), Metal/Hardcore<br />

05:30 Das Katzen & Katerfrühstück im Sous le<br />

Pont, Reitschule, MC NRK (BE), Freestyle<br />

Folk-Punk<br />

Restaurant O Bolles, Bollwerk 35<br />

22:30 Marvin (BE/FR), Songwriter Pop<br />

Turnhalle im Progr, Speichergasse 4<br />

22:00 The Felas (BE), Fela Kuti Tribute Big Band;<br />

anschliessend DJ giggs (bonzzaj rec.)<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


STADT UND LAND<br />

ein ohr über den röschtigraben<br />

Von Anna-Sophie Scholl (Bild: zVg.)<br />

■ Musik aus dem Welschland? Was kenn man<br />

hier? Sens Unik etwa, vielleicht aber vor allem den<br />

Frontmann Carlos Leal, der sich seit der Aufl ösung<br />

der Gruppe als charismatischer Schauspieler in<br />

Samirs Film «Snow white» oder im neuen Bond einen<br />

Namen macht? Oder Polar? Doch wer kennt<br />

ihn als welschen Künstler? Und wer kennt seine<br />

neusten, französischsprachigen Recordings? Ist<br />

Laurence Revey ein Begriff? Auch Pascal Rinaldi<br />

oder die Gruppe Zorg, die in der Romandie schon<br />

zu den Etablierteren gezählt werden, sagen hierzulande<br />

kaum jemandem etwas. Beide waren sie<br />

letztes Jahr in Bern zu hören, in einem kleinen Altstadtkeller,<br />

dem ONO, einem sm<strong>art</strong>en Lokal unter<br />

dem Kellergewölbe, wo sich knapp hundert Leute<br />

einfi nden.<br />

La Welsch Music Gibt es denn so etwas wie<br />

eine Welsch Music, eine eigenständige Musik aus<br />

der Romandie? Der Markt ist klein. Selbst eine<br />

erfolgreiche Band kann in der Romandie alleine<br />

höchstens 3000 CDs an die Leute bringen. Und<br />

davon kann niemand leben. Der Blick ist also ins<br />

Nachbarland gerichtet. Nach Frankreich. Dort fi nden<br />

sich auch die grossen Vorbilder. Und trotzdem,<br />

es gibt so etwas wie eine welsche Musikszene, oder<br />

besser gesagt, verschiedene Szenen. Die Musik in<br />

der französischsprachigen Schweiz ist sehr vital<br />

und lebendig, vor allem auch als Live-Musik. Zahlreiche<br />

Festivals, etwa die Genfer Fête de la musique<br />

oder das Festival de la cité in Lausanne und<br />

sonstige Auftrittsmöglichkeiten unterstützen Musiker<br />

oder solche, die es werden wollen. Einstiegsschwellen<br />

sind niedrig. So kommt auch die Musik<br />

sehr selbstverständlich und unverkrampft daher.<br />

Musik hat in der Romandie einen hohen Stellenwert.<br />

Das Chanson ist die klassische Musik aus dem<br />

französischsprachigen Raum. Eine Musik, bei der<br />

der Text im Vordergrund steht und minimal beglei-<br />

tet wird. Autor, Komponist und Sänger sind eins.<br />

Ein-Mann-Musik sozusagen, denn das Chanson ist<br />

vorab männlich: Renaud oder Alain Souchon etwa<br />

sind die Namen der letzten grossen Chansonniers<br />

im benachb<strong>art</strong>en Frankreich. Gegen diese Tradition<br />

grenzt man sich heute ab. Rockige Musik und<br />

dann vor allem der Rap hatten in der Zwischenzeit<br />

ihre Höhenfl üge und haben Spuren hinterlassen.<br />

Doch subtil kommt das Chanson zurück. Erzählt<br />

wird aus dem eigenen Leben, auf Französisch, natürlich,<br />

und meist in sehr einfachen Worten. Worte<br />

aber, die simpel nicht sind und zwischen den Zeilen<br />

Platz lassen für unerw<strong>art</strong>ete Einsichten oder für<br />

feine Ironie.<br />

Chanson neu interpretiert Schlicht und unprätentiös<br />

die Geschichten bei François Vé, der<br />

von seinem eigenen Balkon erzählt, einem privaten<br />

Reich, dem die Sonne einen Hauch Südlichkeit<br />

verleiht: Ein kleines Stück ländliches Leben<br />

inmitten der Lausanner Stadtwelt, wo Salat und<br />

Zwiebeln wachsen, wo aber auch die Gleichzeitigkeit<br />

von Nähe und Distanz im modernen Leben<br />

spürbar wird, wenn die Heimkunften und Abwesenheiten<br />

der charmanten Nachbarin notiert werden<br />

und unschuldig schuldige Blicke zu den Mädchen<br />

gleiten, die auf der Strasse unten vorübergehen.<br />

Vielschichtig ist die Sprache bei Jerôme Kisling,<br />

der eine Vorliebe für Wortspiele und Mehrdeutigkeiten<br />

pfl egt und beispielsweise so wie zwischen<br />

dem formalen vous und dem intimeren tu hin und<br />

herpendelnd, auch zwischen den Wortlauten changierend<br />

mit drängender Nähe oder schüchterner<br />

Distanz ein bald entschlosseneres, bald verletzlicheres<br />

Flirten in seiner Ambivalenz erkennbar<br />

werden lässt. Die spürbare Faszination für die eigene<br />

Sprache kommt auch in Frankreich gut an:<br />

Kisling ist von einem Pariser Plattenlabel unter<br />

Vertrag genommen und hat einen steilen Aufstieg<br />

vor sich.<br />

Zwischen Berggesang und Elektropop Musikalisch<br />

werden feine Anlehnungen gemacht an<br />

verschiedene und durchaus internationale Traditionen<br />

– elektronische Musik etwa, oder eben Pop,<br />

Rock oder auch volkstümliche Elemente wie etwa<br />

das Akkordeon und der Musette-Stil. Laurence<br />

Revey ist eine, die den Spagat zwischen moderner<br />

Avantgarde und traditionellem Volkstum bravourös<br />

meistert. Die Walliserin hat einen grossen<br />

Teil ihrer Kindheit bei ihrer Grossmutter im Val<br />

d’Anniviers verbracht und mischt die Sprache des<br />

dortigen vom Aussterben bedrohten Patois mit repetitiv<br />

hypnotisierenden Rhythmusschlaufen moderner<br />

Clubmusik. Ihr letztes Album hat sie remixen<br />

lassen von international bekannten Musikern<br />

wie Bugge Wesseltoft oder Nils Petter Molvaer.<br />

Oder auch von dem Berner Bassisten Mich Gerber,<br />

womit sie einen zweiten Spagat schafft, den über<br />

den Röstigraben.<br />

Die Musik in der Romandie zu Beginn des 21.<br />

Jahrhunderts ist ehrlich, authentisch, nicht immer<br />

erstklassig, aber lustvoll und voller Spielfreude.<br />

Mit geschriebenen Porträts, die durch grosse<br />

Nähe faszinieren, und mit Farbaufnahmen in privatem<br />

Umfeld oder bei Live-Konzerten sowie mit<br />

Tonbeispielen lädt der ehemalige Westschweizer<br />

DRS-Korrespondent Dieter Kohler ein zu einer<br />

Entdeckungsreise, die über den Deutschschweizer<br />

Horizont hinaus führt. La Welsch Music – Musik aus<br />

einem kleinen Land, die manchmal aber auch ganz<br />

gross ist.<br />

Dieter Kohler<br />

La Welsch Music<br />

Chanson, Pop und Rap aus der Westschweiz<br />

Mit Musik-CD und Fotografi en von Ute Schendel<br />

Christoph Merian Verlag 2006<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 33


magazin<br />

REISEZIEL HOTEL<br />

das luxushotel für kleine leute<br />

Von Andrea Baumann (Bild: zVg.)<br />

■ Einmal wie Adelsleute zur Jahrhundertwende<br />

in einem Luxushotel nächtigen – und dies zu äusserst<br />

moderaten Preisen? Gibt es denn dies überhaupt?<br />

Das 100-jährige Hotel Regina mitten im<br />

Dorfzentrum von Mürren bietet die Gelegenheit.<br />

Nachdem die beiden Weltkriege Europa merklich<br />

gezeichnet hatten und eine Gesellschaftsumschichtung<br />

herbeiführten, blieb die edle Kundschaft<br />

aus, so dass viele Hotelpaläste in den Alpen<br />

den Glanz verloren und die Fassade zu bröckeln<br />

begann. Karl Burkh<strong>art</strong>, Hüttenw<strong>art</strong> des Naturfreundehauses<br />

in Grindelwald, entdeckte eine<br />

Marktlücke als er solche Betriebe relativ günstig<br />

aufkaufte und für die Mittelschicht öffnete. Denn<br />

in den 50er Jahren hatten die Leute dank des<br />

Wirtschaftswunders wieder Geld in der Tasche<br />

und wollten sich mehr leisten als ein Massenlager.<br />

Burkh<strong>art</strong>s Idee fasste Fuss und so folgten ihm seine<br />

Naturfreunde bald nach St. Moritz, Davos, Pontresina<br />

oder Engelberg.<br />

Zusammen mit einer befreundeten Familie kaufte<br />

Burkh<strong>art</strong> in den 60er Jahren das Hotel Regina.<br />

Über die Jahre ist die Kundschaft anspruchvoller<br />

geworden, dies weiss auch der heutige Geschäftsführer<br />

der Hotel Regina Mürren AG, Peter Burkh<strong>art</strong><br />

zu berichten: «War früher das Motto möglichst<br />

einfache und billige Übernachtungsmöglichkeiten<br />

anzubieten, so sind heute die Ansprüche schon<br />

etwas gestiegen. Es ist uns aber immer noch ein<br />

Anliegen, günstig zu sein und eine lockere Atmosphäre<br />

anzubieten». Es braucht demnach ein gutes<br />

Fingerspitzengefühl bei einem solchen Prachtsbau<br />

die Betriebskosten tief zu halten, ohne dass die<br />

Urlaubsstimmung der Gäste beeinträchtigt wird.<br />

Wichtig ist der Hotelleitung, das Haus weiterhin familienfreundlich<br />

zu führen. Frau Bergert vom Regina<br />

rät deshalb Gästen, die Ruhe suchen, nicht während<br />

den Sportferien zu kommen. Während dieser<br />

Zeit toben bis zu 50 Kinder im Hotel herum.<br />

Eine Konsequenz, die das Konzept mit sich<br />

bringt, ist, dass nicht alle Zimmer mit Toilette /<br />

34<br />

Bad bestückt sind. Fernseher sucht man auch vergebens.<br />

Ausserdem wieseln keine Kellner herum<br />

und servieren à la c<strong>art</strong>e Gerichte. Zum Frühstück<br />

gibt es ein einfaches Buffet und abends ein währschaftes<br />

Menü. Trotz diesen kleinen Serviceeinschränkungen,<br />

soll der Gast die ausserordentliche<br />

Ambiance, die nach wie vor ausgestrahlt wird, in<br />

vollen Zügen geniessen können. Die enorm grosszügigen<br />

Räume, die Panoramafenster, der Speisesaal,<br />

der Ballsaal, die knarrenden Parkettböden,<br />

die Kandelaber, die schmiedeisernen Balkone sind<br />

alles Zeitzeugen einer prunkvollen Epoche. Luxus<br />

pur verspricht indes die schönste und grösste Sonnenterrasse<br />

von Mürren mit atemberaubenden<br />

Blick auf das Jungfraumassiv. Was kann sich ein<br />

Feriengast mehr wünschen als Sonne, Alpensicht<br />

und dies ganz ohne Verkehrslärm. Mürren ist als<br />

einer der wenigen autofreien Orte in der Alpenregion<br />

einzig<strong>art</strong>. Der amerikanische Literat Mark<br />

Twain hielt in seinem 1878 verfassten Reisebericht<br />

«Bummel durch Europa» Folgendes fest: «Als wir<br />

am nächsten Morgen zum Fenster hinausschauten,<br />

bot sich uns ein wunderbarer Anblick. Jenseits des<br />

Tales, und scheinbar ganz nachbarlich und nahe,<br />

ragte hinter einer Toröffnung im näherliegenden<br />

Vorgebirge die Riesengestalt der Jungfrau kalt<br />

und weiss in den klaren Himmel.»<br />

Die reiche Klientel kam nicht nur der bezaubernden<br />

Atmosphäre und des Komforts wegen ins<br />

Regina. Nein, auch das Unterhaltungsprogramm<br />

entsprach ihren Vorstellungen. Von Ballabenden,<br />

Konzerten, Kegelp<strong>art</strong>ien, Curling-Cups ganz zuschweigen,<br />

war eine der Hauptattraktionen die<br />

Bobbahn, die vom Allemendhubel direkt am Hotel<br />

Regina vorbeiführte. Die Terrasse bot für diesen<br />

Spass die allerbesten Logenplätze. Leider wird<br />

diesem Wintervergnügen in Mürren nicht mehr<br />

gefröhnt. Die damaligen Gäste bezahlten enorme<br />

Summen, um den selben Standard wie zuhause<br />

auf dem Schloss zu haben. Dies ist auch der Grund,<br />

weshalb viele Hotelbauten aus dieser Zeit «Palace»<br />

heissen, ganz nach dem Motto: «My home ist my<br />

castle oder eben palace».<br />

Zur Jahrhundertwende bis in die 40er Jahre<br />

waren in erster Linie britische Gäste in Mürren<br />

anzutreffen. Während dieser Blütezeit erlebte der<br />

Ferienort eine Reihe von Ersterwähnungen, die allesamt<br />

auf das Konto des britischen Pioniergeistes<br />

gingen. So steckte 1922 Sir Arnold Lunn in Mürren<br />

das erste Slalomrennen in der Geschichte des alpinen<br />

Skisports aus. 1930 wird die erste Skischule<br />

der Schweiz gegründet oder ein paar Jahre später<br />

organisierte der britische Skiverband die ersten<br />

Alpinen Weltmeisterschaften im Slalom und in der<br />

Abfahrt. Die Geschichte des alpinen Skisports in<br />

Mürren ist jedoch eng mit dem 1928 ins Leben gerufene<br />

Infernorennen verbunden. Dieses waghalsige<br />

Rennen, das am Schilthorn st<strong>art</strong>et und über<br />

15,8 km nach Lauterbrunnen führt, ist noch heute<br />

ein beliebter Volksevent.<br />

Weltberühmt wurde Mürren mit dem Drehrestaurant<br />

«Piz Gloria» auf dem Schilthorn, das<br />

dem Bond-Thriller «Im Geheimdienst Ihrer Majestät»<br />

einen spektakulären Schauplatz bescherte.<br />

Aufgrund der geografi schen Lage konnte Mürren<br />

sich nicht beliebig ausdehnen. So blieb der<br />

beschauliche Dorfcharakter erhalten, der nach wie<br />

vor einen Hauch von britischer Lebensweise versprüht.<br />

Wer den Weg nicht scheut auf 1650 m über<br />

Meer mit der Seilbahn zu gelangen, wird mit einem<br />

herrlichen Bergpanorama und himmlischer Ruhe<br />

belohnt.<br />

Anreise: Seilbahn ab Lauterbrunnen oder Schilthornbahn<br />

ab Stechelberg (Parkplätze vorhanden),<br />

Wagen für den Gepäcktransport zum Hotel<br />

stehen an beiden Stationen zur Verfügung.<br />

Hotel Regina, 3825 Mürren<br />

Telefon +41 33 855 42 42, Fax +41 33 855 20 71<br />

hotel-regina@muerren.ch<br />

www.regina-muerren.ch<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


REISEN<br />

vancouver<br />

Von Simone Wahli - Object May Be Closer Then They Appear Vol II: Nur nicht in Italien!<br />

■ Standardisierte Gemütlichkeit Es ist ein regnerischer<br />

Montag in North Vancouver, mit einem<br />

Buch und einer Tall Vanilla Latte sitze ich in einem<br />

der Armsessel in einer der unzähligen Starbucks-<br />

Filialen, neben mir ein mir unbekannter Mann,<br />

möglicherweise Autor, jedenfalls hat er sein Notizbuch<br />

dabei und macht sich eifrig Notizen, mir<br />

gegenüber eine junge Frau, wahrscheinlich Studentin,<br />

die Nase in einem Lehrbuch. Wir alle verbringen<br />

mehrere Stunden hier.<br />

Jahrzehnte nachdem die Kaffeehaus-Kultur in<br />

den meisten europäischen Städten ausgestorben<br />

zu sein scheint, entdeckt der Nordamerikanische<br />

Kontinent und mit ihm der Rest der Welt das Kaffeehaus<br />

unter dem Namen Starbucks, dessen<br />

scheinbare Gemütlichkeit dazu verleitet, ihn als ein<br />

erweitertes Wohnzimmer zu empfi nden. Die Armsessel,<br />

die Musik der Fünfziger sowie die gedimmten<br />

Ständerlampen schaffen ein Ambiente der Gemütlichkeit.<br />

Dennoch kann sich der unp<strong>art</strong>eiische<br />

Beobachter nicht der Frage erwehren, weshalb die<br />

solcher<strong>art</strong> animierten Gäste in ihren eigenen vier<br />

Wänden nicht eine ähnliche Stimmung erschaffen<br />

beziehungsweise warum sie, wenn sie ein vergleichbares<br />

Wohnzimmer ihr eigen nennen dürfen,<br />

sich nicht dort aufhalten?<br />

The Third Place in unser aller Leben Das beschriebene<br />

Interieur hat jedoch genau diese Intention,<br />

nämlich, dass der potentielle Stammgast<br />

das Lokal als The Third Place in seinem Leben integriert,<br />

als Drittes folglich neben seinem Zuhause<br />

und seiner Arbeit.<br />

Obwohl Starbuckseigentümer Howard Schultz<br />

sich seit dem Jahre 1987 auf eine italienische<br />

Espresso-Bar in Mailand als Inspiration für seine<br />

heute insgesamt 10‘800 Filialen beruft und diese<br />

Anekdote auch bei jeder neuen Filialeröffnung mit<br />

glänzenden Augen wiedergibt, könnte die Atmosphäre<br />

womöglich nicht weiter davon entfernt<br />

sein. Umso weniger verwundert es, dass bis ins<br />

Jahr 2006 keine Starbucks-Filialen in Italien existieren,<br />

denn das wäre Eulen nach Athen tragen.<br />

Den Italienern die Idee des Kaffees neu zu verkaufen<br />

scheint selbst für den geborenen Verkäufer<br />

Schultz ein Ding der Unmöglichkeit.<br />

Dennoch sind in den meisten anderen Ländern<br />

dieser Welt offenbar eben jene Orte künstlich erschaffener<br />

Gemütlichkeit in einer Zeit, welche von<br />

einer stetig stärker werdenden Anonymisierung<br />

gekennzeichnet ist, von immanenter Bedeutung<br />

- eine standarisierte Gemütlichkeit in einer standardisierten<br />

Zeit.<br />

Die Realisierung eines Traums Der weltweite<br />

Siegeszug hätten die ursprünglichen Erfi nder von<br />

Starbucks, Gerald Baldwin, Gordon Bowker und Zev<br />

Siegl, beinahe verhindert. Ihr Geschäft in Seattle,<br />

Washington für Kaffebohnen und Kaffeezubehör<br />

sollte nie zu einem globalen Unternehmen wachsen.<br />

Als sie 1982 Howard Schultz als Manager<br />

einstellten, hatten sie jedoch ohne ihr Wissen den<br />

Verkauf ihrer Firma bereits unterschrieben. Denn<br />

auch wenn sich Schultz 1985 von ihnen trennte und<br />

seine eigene Kette Il Giornale eröffnete, realisierte<br />

er seinen Starbucks-Traum im Jahre 1987, indem er<br />

die Gründungsmitglieder mit 3,8 Millionen Dollar<br />

abfertigte. Fortan stand der Name Starbucks nicht<br />

mehr nur für Kaffeezubehör, sondern vor allem für<br />

schnell zubereiteten hochwertigen Kaffee.<br />

Erfolgsgeheimnisse In den neunziger Jahren<br />

des letzten Jahrhunderts galt Starbucks als einer<br />

der besten Arbeitgeber Nordamerikas, keine<br />

Restaraunt- oder Fast-Food-Kette verzeichnete<br />

eine niedrigere Fluktuationsrate. Schultz bezahlte<br />

seinen Mitarbeitern mehr als den Mindestlohn,<br />

garantierte ihnen eine gute Krankenversicherung<br />

und liess sogar Teilzeitkräfte in den Genuss von<br />

Aktienoptionen kommen. Ehemalige Angestellte<br />

malen jedoch ein anderes Bild, sprechen von der<br />

schieren Unmöglichkeit, die Karriereleiter hochzuklettern<br />

und von der Wertlosigkeit der erhaltenen<br />

Aktien.<br />

Und doch muss Starbucks, zumindest was die<br />

Schulung seiner Mitarbeiter anbelangt, etwas richtig<br />

machen, denn diese sind fast ohne Ausnahme<br />

freundlich und effi zient, und dies rund um den Erdball.<br />

Ein weiteres Erfolgsgeheimnis ist die Ausschaltung<br />

der Konkurrenz, entweder durch deren Aufkauf<br />

oder durch agressives Verhalten auf dem Immobilienmarkt.<br />

Mitbewerber werden insbesondere<br />

dadurch geschwächt, dass Schultz seine Filialen<br />

möglichst nahe beieinander eröffnet. Dies, um die<br />

W<strong>art</strong>ezeit während Stosszeiten zu verkürzen, jedoch<br />

auch um die Auswahlmöglichkeiten an sich<br />

einzuschränken.<br />

Dies lässt sich am Beispiel Vancouvers sehr gut<br />

magazin<br />

illustrieren: Auf meiner fünfminütigen Busfahrt<br />

zum Hafen in North Vancouver passiere ich insgesamt<br />

drei Starbucksfi lialen. Das letzte, was ich vor<br />

der Abfahrt mit dem Seabus sehe, ist Starbucks<br />

(sowie McDonalds) und auf der gegenüberliegenden<br />

Seite der Bucht werde ich wiederum als erstes<br />

von einer Starbucksfi liale empfangen.<br />

Eine Art Heimathafen? Warum bin ich hier?<br />

Weil ich genau weiss, was ich erhalte. Der Kaffee<br />

schmeckt überall identisch. Aus demselben Grund<br />

gehe ich im Ausland zu McDonalds, wenn mir das<br />

dortige Essen nicht schmeckt oder mich die Lust<br />

auf eine mir bekannte Speise überkommt. Genau<br />

dies ist die Aufgabe von Supermarkt-, Kaffeehaus-<br />

oder Fast-Food-Ketten: Sie schüren keine unerfüllbaren<br />

Erw<strong>art</strong>ungen, versprechen nichts, was sie<br />

nicht halten könnten. Sie sind ein sicherer Hafen,<br />

unabhängig von Ort und Zeit und können gerade<br />

deshalb zu Orten der Erinnerung werden, insofern<br />

mich das Starbucks-Café in Basel oder Bern an jenes<br />

in New York, Vancouver oder Peking erinnert.<br />

Ketten werden zu Brückenbauern, dadurch, dass<br />

sie einen gemeinsamen Referenzrahmen schaffen,<br />

ohne Beziehung zur jeweiligen Kultur und<br />

ohne oder nur mit minimen Verweisen auf diese.<br />

In einer Welt, welche uns täglich mehr Flexibilität<br />

abfordert, in der wir von Berufs wegen oder aus<br />

privaten Gründen zum Reisen gezwungen sind,<br />

bedeuten Orte wie dieser eine Heimat, die wir uns<br />

nicht erarbeiten müssen. Vom Kundenservice über<br />

die Aromanote, ja bis hin zu den Toiletten erw<strong>art</strong>et<br />

mich, was ich bereits kenne. Wir sind nicht gezwungen<br />

durch ein langwieriges Prozedere von Trial<br />

and Error herauszufi nden, in welchem Café die<br />

freundlichste Bedienung oder der beste Kaffee zu<br />

fi nden ist - folglich eine Art Instantbefriedigung.<br />

Und doch, kann ein Ort wie dieser mit der ursprünglichen<br />

Idee eines Kaffehauses verglichen<br />

werden, welches es nur ein einziges Mal an einem<br />

einzigen Ort auf dieser Welt gibt und dessen Entdeckung<br />

uns mit einem nachhaltigen Gefühl der<br />

Zufriedenheit erfüllt und dazu beiträgt, dass wir<br />

eben diesen Ort als so einzig<strong>art</strong>ig empfi nden?<br />

Das nächste Mal also von jenen besonderen Orten,<br />

die Vancouver zu Vancouver machen.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07 35


magazin<br />

�������������<br />

���������<br />

�������<br />

36<br />

��������������������������������������<br />

����������������������<br />

�����������������������������������<br />

��������������������������������<br />

����������������������������������������������<br />

����������������������<br />

������������������������������������������������������������������<br />

����������������������������������������������������������<br />

�������������������������������������������������������<br />

�����������������������������������������������<br />

�����������<br />

Asita Hamidi‘s Bazaar:<br />

NEW Release!<br />

«Bazaarpool in Music & Film»<br />

Eine Dokumentations-DVD & eine Live CD über die<br />

Arbeit und Abenteuer von verschiedenen Projekten im<br />

und um den Bazaarpool! (DVD 45‘ Min.)<br />

Im CD-Handel erhältlich oder über www.bazaarpool.ch.<br />

Wir machen<br />

aus Gedanken<br />

Druck(kult)sachen.<br />

■ interwerk gmbh<br />

kulturmanagement & -consulting<br />

www.interwerk.ch<br />

die grösste kulturmanagementagentur in Bern<br />

sandrainstrasse 3 3007 bern +41 (0)31 318 6050<br />

telefon 031 720 51 11<br />

www.fischerprint.ch<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 49 | Januar 07


ar <strong>art</strong>ensuite nsuite<br />

nr. 01/2007<br />

Titelseite: Erik Dettwiler<br />

Levitation, 2001, Videoarbeit, 3:20 Min<br />

Ausstellungskritiken Berner Galerien siehe Seite 43<br />

Kunst für jeden Geschmack 38 | Greift Rudolf Steiner nach dem Pfefferspray... 39 | Hofstettenstrasse 2006 40 | Experimentelles<br />

im Zeichen der Zeit 40 | Kunst im Buch 41 | Galerienseiten 42/43 | Kunstmenschen 46 | Berner Galerien<br />

47 | Augenspiel 50 | Impressum 50 | Berner Museen Bern / Biel / Thun 51<br />

www.<strong>art</strong>ensuite.ch


38<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

Installationsaufnahme<br />

Saal 9 «Bilderzimmer» von<br />

Anton Henning.<br />

© Kunstmuseum Luzern,<br />

Foto: Stefano Schröter<br />

Modell für ein<br />

Museum<br />

Kunstmuseum<br />

Luzern<br />

Europaplatz 1.<br />

Geöffnet Dienstag<br />

bis Sonntag<br />

10:00-17:00 h,<br />

Mittwoch 10:00-<br />

20:00 h.<br />

Bis 18. Februar.<br />

Kunst für jeden Geschmack<br />

■ Über Geschmack und Kunst lässt<br />

sich bekanntlich ja gut und gerne<br />

streiten. Wer dies wieder einmal ausgiebig<br />

tun möchte, dem bietet die aktuelle<br />

Ausstellung im Kunstmuseum<br />

Luzern genügend Diskussionsstoff.<br />

Von Monique Meyer<br />

Die Ausstellung «Modell für ein Museum»<br />

hält für jeden Kunstgeschmack<br />

eine Menge Kunst bereit, denn sie<br />

präsentiert die Sammlung des Museums<br />

auf eine ganz besondere Art. Es<br />

geht darum, die Institution Museum<br />

von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten.<br />

Die Realisation dieser Ausstellung<br />

geht aus dem «Projekt Sammlung<br />

04-06» hervor, mit welchem sich<br />

der Sammlungskonservator Christoph<br />

Lichtin seit zwei Jahren befasst. Dieses<br />

Projekt, das nun bis Ende 2007<br />

verlängert wird, widmet sich dem<br />

Museum als Sammlungs-, Erinnerungs-<br />

und Repräsentationsstätte.<br />

Das Projekt beinhaltet einerseits das<br />

zeitgemässe Erfassen der gesammelten<br />

Kunstwerke, d. h. sie werden wissenschaftlich<br />

dokumentiert, in einer<br />

digitalen Datenbank erfasst und für<br />

vielfältige Nutzungen zugänglich gemacht.<br />

Andererseits geht es darum,<br />

die Konservierung der Kunstwerke<br />

zu gewährleisten und schliesslich<br />

neue Formen der Präsentation in den<br />

gegebenen Räumlichkeiten zu entwickeln.<br />

In diesem Rahmen möchte<br />

das Museum die bereits bestehenden<br />

Sammlungsschwerpunkte wie Zentralschweizer<br />

Kunst, nationale und<br />

internationale Gegenw<strong>art</strong>skunst seit<br />

1970 oder Kunst mit neuen Medien<br />

durch Ankäufe ausbauen und weiterentwickeln.<br />

Damit erhofft man sich<br />

auch, dass die Sammlung mit neuen<br />

Möglichkeiten in die Ausstellungstätigkeit<br />

integriert wird.<br />

In zwölf Räumen werden nun die<br />

Sammlungsbestände aus verschiedenen<br />

Kunstepochen und Stilrichtungen<br />

vorgestellt. Die unterschiedlich<br />

geordneten Räume zeigen, wie jeder<br />

Kunstgattung jeweils eine andere<br />

Form der Ausstellung zukommt. Die<br />

verschiedenen Modelle werden auf<br />

interessante Weise konfrontiert und<br />

zeigen dem Besucher auf einer Metaebene<br />

die gestalterischen Möglichkeiten<br />

eines Museums auf.<br />

Im ersten Raum, der «Kunsthalle»,<br />

stehen der grossformatigen Malerei<br />

der 1970er und 1980er Jahre, u. a.<br />

Gemälde von M<strong>art</strong>in Disler, Rolf Winnewisser<br />

und Franz Wanner, grosse,<br />

weiss getünchte Wandflächen zur<br />

Verfügung. In einem weiteren Raum,<br />

dem «Oberlichtsaal», werden Gemälde<br />

des 19. Jahrhunderts präsentiert.<br />

Die Wände mit den Landschaftsmalereien<br />

von Robert Zünd, Alexandre<br />

Calame, Léopold Robert etc. sind<br />

grün-grau abgetönt, die weisse Fläche<br />

in der oberen Wandhälfte begünstigt<br />

das Licht im Raum, das von der De-<br />

cke einfällt. Dennoch wirkt ein solcher<br />

Raum eher düster und kalt. Ein<br />

Gegenmodell zu diesem klassischen<br />

Raum bildet das «Bilderzimmer». Der<br />

Maler Anton Henning verwandelt seinen<br />

Raum in satte, leuchtende Farben<br />

und gestaltet ihn mit einer «Crossover»-Installation<br />

von Gemälden, Möbeln,<br />

Skulpturen Wandmalereien und<br />

Videos.<br />

Zwei unterschiedliche Sammlungen<br />

erhalten in der Ausstellung besonderes<br />

Gewicht. Zum einen wird<br />

die Sammlung Walter Minnich, die<br />

dem Kunstmuseum 1937 geschenkt<br />

wurde, erstmals in seiner Gesamtheit<br />

gezeigt. Die Sammlung enthält Werke<br />

von Max Pechstein, Chaim Soutine,<br />

Raoul Dufy, Maurice de Vlamick sowie<br />

Monotypien von Moriz Melzer.<br />

Zum anderen wird die Fotosammlung<br />

«I Am a Museum» des seit langem in<br />

Luzern lebenden Fotografen und<br />

Schriftstellers Allan Porter vorgeführt.<br />

Die ausgestellten Fotografien sind für<br />

Porter vor allem «lebendiges Archiv<br />

und Arbeitsmittel».<br />

Die unterschiedlich gestalteten<br />

Räume bieten dem Besucher eine<br />

wahre Entdeckungsreise durch die<br />

Vielfältigkeit der Kunstgeschichte und<br />

der Möglichkeiten des Ausstellens in<br />

einem Museum. Wenn auch nicht in<br />

jeden Raum alles ganz verständlich<br />

wird, so kann man aber trotzdem immer<br />

wieder staunen und innehalten.<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07


Greift Rudolf Steiner nach<br />

dem Pfefferspray …<br />

… verlassen die demo-unerprobten<br />

Vernissagebesucher die schützende<br />

Wärme und setzen ihre angeregten<br />

Gespräche bei Minustemperaturen<br />

fort. Zur Eröffnung der diesjährigen<br />

Weihnachtsausstellung in der Kunsthalle<br />

hat sich viel Volk eingefunden.<br />

Dies ist nicht weiter verwunderlich,<br />

Von Monika Schäfer<br />

stellen doch ausschliesslich in Bern<br />

ansässige, respektive arbeitende<br />

KünstlerInnen aus, darunter Leute,<br />

deren Namen sich im kollektiven Gedächtnis<br />

der Berner Kunstinteressierten<br />

längst eingeprägt haben. Von insgesamt<br />

114 BewerberInnen konnten<br />

sich 19 Kunstschaffende bei der Jury<br />

behaupten. Verglichen mit der letztjährigen<br />

unjurierten Ausstellung, die<br />

– unter Einbezug der Räumlichkeiten<br />

von PROGR, Stadtgalerie und Kunstmuseum<br />

– Werke von 42 KünstlerInnen<br />

umfasste, eine eher bescheidene<br />

Anzahl Beteiligter. Dafür ist die Ausstellung<br />

übersichtlich gestaltet und ermöglicht<br />

eine vertiefte Auseinandersetzung<br />

mit den meist mit mehreren<br />

Werken vertretenen KünstlerInnen.<br />

Auch ist der Kunsthalle eine äusserst<br />

vielseitige Werkschau gelungen: Fotografie,<br />

Ölmalerei, Aquarell, Raum-,<br />

Wand- und Videoinstallationen sorgen<br />

für einen abwechslungsreichen<br />

Ausstellungsbesuch.<br />

Andrea Loux, in Bern unter anderem<br />

durch Videoinstallationen in<br />

PROGR und Stadtgalerie bekannt,<br />

präsentiert die Fotoarbeit «My Fami-<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />

ly». Sie nimmt Familienfotos aus dem<br />

Internet, kennzeichnet mögliche Beziehungen<br />

zwischen den Porträtierten<br />

durch Pfeile und Kreise und erinnert<br />

uns daran, welche internen Zwiste<br />

und Intrigen hinter einer nach aussen<br />

hin strahlend lächelnden Familienfassade<br />

stecken können – ein ironischer<br />

Hinweis auf die bevorstehende weihnächtliche<br />

Familienfeier?<br />

Von den drei Videoinstallationen<br />

sticht, im wahrsten Sinne des Wortes,<br />

Peter Aerschmanns «Eyes» ins Auge.<br />

Der Künstler hat drei Personen gefilmt,<br />

aus ihrer natürlichen Umgebung<br />

herausgelöst und vervielfacht. So treffen<br />

sich in «Eyes» eine verhüllte ägyptische<br />

Zoobesucherin und zwei bis<br />

auf die Augen verhüllte New Yorker<br />

Verkehrspolizisten in einem neutralen<br />

grauen Raum. Indem Aerschmann<br />

die einzelnen Figuren und deren Bewegungsablauf<br />

vervielfacht und übereinanderlegt,<br />

entsteht ein seltsames<br />

in einem leeren Raum stattfindendes<br />

Nebeneinander, das unterschiedliche<br />

Interpretationen zulässt: Geprägt<br />

durch die Medienberichterstattung<br />

rund um die Terroranschläge der vergangenen<br />

fünf Jahre werden bei der<br />

Betrachtung von Aerschmanns Videoarbeit<br />

unweigerlich Assoziationen<br />

wachgerufen, die mit Zoobesuch und<br />

Verkehrsregelung herzlich wenig zu<br />

tun haben. «Eyes» führt uns vor, wie<br />

stark unsere Wahrnehmung in bereits<br />

vorgegebene Deutungsmuster eingebettet<br />

und deshalb bis zu einem gewissen<br />

Grad manipulierbar ist.<br />

Gleich mit zwei Werkgruppen prä-<br />

sent ist Francisco Sierra. Während er<br />

in «Eines Tages kommen wir zur Ruh’»<br />

mit der fotorealistischen Darstellung<br />

eines eingepferchten Schweins, der<br />

Präsentation eines Biskuit-Hundes<br />

und der Fotografie einer regungslos<br />

daliegenden Schönheit in dreifacher<br />

Weise einen kritischen Blick auf die<br />

Verdinglichung von Lebewesen wirft,<br />

offenb<strong>art</strong> er uns in «ExBoligrafo und<br />

ein Selbstporträt» gewissermassen<br />

sein Innenleben: Sierra hat neben<br />

sein Selbstporträt in Gertsch-Manier<br />

24 kleinformatige Ölbilder gehängt,<br />

die mit ihren grottesken und makabren<br />

Figuren an Höllen-Szenarien von<br />

Hieronymus Bosch und an Goyas<br />

beängstigende «Caprichos» erinnern.<br />

Die seltsam anrührenden und zugleich<br />

abstossenden Miniaturen sind<br />

präzise Weiterverarbeitungen von<br />

Kugelschreiberzeichnungen, sogenannten<br />

«boligrafos», in denen Sierra<br />

Gedankengänge und Beobachtungen<br />

spontan festgehalten hat. Mit den surrealistisch<br />

anmutenden «ExBoligrafo»<br />

gewährt uns der Künstler gewissermassen<br />

Einblick in sein Innenleben,<br />

in diejenigen Welten, die wir hinter<br />

dem eindringlichen Blick des Porträtierten<br />

vermuten möchten.<br />

Und um noch einmal auf die Pfefferspray-Performancezurückzukommen:<br />

Wenn ich mich bisher beim<br />

Erklingen des Namens Rudolf Steiner<br />

eurhythmisch hin und her gewiegt<br />

habe, so huste ich heute und schneuze<br />

die triefende Nase – fürwahr eine<br />

Horizonterweiterung…<br />

Francisco Sierra, ExBoligrafo,<br />

2005/06, Ölfarbe<br />

und Firnis auf Baumwolle,<br />

je 18 x 24 cm<br />

Weihnachtsausstellung<br />

2006/07<br />

Kunsthalle Bern,<br />

Helvetiaplatz 1.<br />

Geöffnet Dienstag<br />

10:00-19:00<br />

h, Mittwoch bis<br />

Sonntag 10:00-<br />

17:00 Uhr. Bis<br />

7. Januar.<br />

<strong>art</strong>ensuite 39


40<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

Stefan Guggisberg, Ohne<br />

Titel, 2006, Öl auf Papier,<br />

200 x 150 cm<br />

Regine von Felten, Pilze<br />

haben keine Blätter, 2004,<br />

Digitalfotografi e aus Serie,<br />

nachbearbeitet mit Kreide,<br />

Filzstift, Schere, auf Plexiglas,<br />

18.9 x 28 cm<br />

Reto Leibundgut, Roger<br />

III, 2005, Gobelin, 40,5<br />

x 30 cm<br />

Hofstettenstrasse<br />

2006<br />

Kunstmuseum<br />

Thun, Hofstettenstrasse<br />

14.<br />

Geöffnet Dienstag<br />

bis Sonntag<br />

10:00-17:00 h,<br />

Mittwoch 10:00-<br />

21:00 h. Bis 14.<br />

Januar.<br />

Giovanni Giacometti.<br />

Arbeiten<br />

auf Papier<br />

Kunstmuseum<br />

Solothurn, Werkhofstrasse<br />

30.<br />

Geöffnet Dienstag<br />

bis Freitag<br />

11:00-17:00 h,<br />

Samstag bis<br />

Sonntag 10:00-<br />

17:00 h.<br />

Bis 28. Januar.<br />

Hofstettenstrasse 2006<br />

■ Alle Jahre wieder präsentiert das<br />

Kunstmuseum Thun das aktuelle regionale<br />

Kunstschaffen. 2006 ist die<br />

Hofstettenstrasse Ausstellung geprägt<br />

von Malerei und Fotografie, installative<br />

Arbeiten wie auch Skulpturen<br />

sind leicht untervertreten. Die Palette<br />

aber ist breit, was Techniken, Stile<br />

und Jahrgänge angeht. Und wie jedes<br />

Jahr ist man überrascht, dass in einer<br />

Kleinstadt wie Thun nebst dem<br />

Waffenplatz ein äusserst reger Kunstbetrieb<br />

herrscht. Aus Solidarität zu<br />

Experimentelles im Zeichen der Zeit<br />

■ In seiner Reihe von Ausstellungen<br />

zu Papierarbeiten bedeutender<br />

Schweizer Künstler gewährt das<br />

Kunstmuseum Solothurn im graphischen<br />

Kabinett derzeit einen Einblick<br />

in das Schaffen Giovanni Giacomettis.<br />

Das Werk des vor allem durch<br />

nachimpressionistische Freilichtmalerei<br />

bekannt gewordenen Künstlers<br />

umfasst eine grosse Anzahl grafischer<br />

Arbeiten, die der Öffentlichkeit in<br />

diesem Umfang bisher noch nicht zugänglich<br />

war.<br />

Die technischen Fähigkeiten Giacomettis<br />

treten in der Bandbreite der<br />

ausgestellten Aquarelle, Radierungen,<br />

Holzschnitte, Pastelle und Zeichnungen,<br />

die sich über seine gesamte<br />

Schaffensphase erstrecken, deutlich<br />

zu Tage. Insbesondere Landschaftsdarstellungen,<br />

sowie Porträts bestimmen<br />

den thematischen Rahmen der<br />

gezeigten Arbeiten, darunter auch<br />

Skizzen und Entwürfe für einige seiner<br />

Ölbilder. Die weitgehend chrono-<br />

all jenen Künstlern, die in der Presse<br />

bisher nicht erwähnt wurden, seien<br />

alle hier aufgelistet; es lohnt sich, die<br />

Ausstellung nicht zu verpassen. (ts)<br />

Künstlerinnen und Künstler:<br />

Marianne Baumann, Manuel Burgener,<br />

Erik Dettwiler, Diana Dodson,<br />

Hanspeter Gempeler, Marco Giacomoni.<br />

Alexandre Güdel, Stefan Guggisberg,<br />

Filip Haag, Mirjam Helfenberger,<br />

Christian Helmle, M<strong>art</strong>a Herzog,<br />

logisch angeordnete Ausstellung zeigt<br />

viel Experimentelles im Zeichen der<br />

jeweiligen Kunstströmungen der Zeit.<br />

Dazu zählen neben Annäherungen an<br />

den Pointillismus, expressionistische<br />

Umrissbetonungen und dem Fauvismus<br />

zugewandte Farbspiele vor allem<br />

Anklänge an die Arbeiten seines<br />

Vorbildes Segantini. Insbesondere die<br />

ausgestellten Gruppen verschieden<br />

farbig gedruckter Holzschnitte, deren<br />

Druckstöcke ebenfalls zu sehen<br />

sind, vermitteln das besondere Gespür<br />

Giacomettis für Farbe und Form.<br />

Die sichere Aufnahme der künstlerischen<br />

Tendenzen seiner Umgebung<br />

täuscht jedoch nicht darüber hinweg,<br />

dass es dem grafischen Werk Giacomettis<br />

an Originärem fehlt. Im sich<br />

aufdrängenden Vergleich der Arbeiten<br />

Giovannis mit dem Werk seines<br />

ungleich berühmteren Sohnes Alberto<br />

muss dieser Mangel einer eigenen<br />

Linie verstärkt ins Auge fallen. Doch<br />

gerade im Bereich der menschlichen<br />

Burkhard Hilty, Béatrice Hofer-Gysin,<br />

Paul Le Grand, Reto Leibundgut, Myriam<br />

Aline Loepfe, M<strong>art</strong>in Loosli. Patrik<br />

Marcet, Jürg Maurer, Chantal Michel,<br />

Ernesto Nicolai, Olivia Notaro,<br />

Kai Rheineck, Dominik Stauch, Reto<br />

Steiner, Egle Vido, Regine von Felten,<br />

Bendicht Walthert.<br />

Figur, der als Knotenpunkt des Werks<br />

Albertos angesehen werden kann,<br />

vermittelt die Solothurner Ausstellung<br />

mit den ausgewählten Zeichnungen<br />

eine enge innere Beziehung von Vater<br />

und Sohn. Insbesondere die beiden<br />

feinnervigen Darstellungen Giovannis<br />

von seiner Frau Annetta von 1923<br />

und einer in Silberstift gearbeiteten<br />

von Alberto aus dem Jahr 1922 zeugen<br />

von einem aussergewöhnlichen<br />

Einfühlungsvermögen in sein Gegenüber<br />

und die künstlerischen Mittel.<br />

Eine erfreuliche Fügung für das<br />

Kunstmuseum Solothurn und das an<br />

der Ausstellung massgeblich beteiligte<br />

Bündner Kunstmuseum Chur (wo die<br />

Ausstellung im Anschluss zu sehen<br />

sein wird) ergab sich in der Schenkung<br />

der zunächst als Leihgaben für<br />

die Ausstellung entgegengenommenen<br />

Werke aus dem Besitz von Bruno<br />

und Odette Giacometti. (ns)<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07


Kunst im Buch<br />

Standardwerk<br />

■ Weisses Kreuz auf rotem Grund.<br />

Bereits im geometrisch ausgestalteten<br />

Einband zeigt sich bildlich, worum<br />

sich der Inhalt dreht: um das «Kunstschaffen<br />

in der Schweiz, 1848-2006»,<br />

so der Titel der jüngsten Publikation<br />

des Schweizerischen Institut für<br />

Kunstwissenschaft. Entstanden ist<br />

kein herkömmliches Lexikon, sondern<br />

ein äusserst lesenswertes Buch, das<br />

sich in längeren Texten mit einzelnen<br />

Aspekten der Kunstwelt auseinandersetzt,<br />

wobei das Schwergewicht auf<br />

dem sozialen Feld und seinen Bedingungen<br />

liegt, wo Kunst entsteht und<br />

rezipiert wird. In neunundzwanzig<br />

fundierten Aufsätzen werden Einblicke<br />

in verschiedene Sp<strong>art</strong>en der Geschichte<br />

der Kunst gewährt, wobei<br />

die Autoren sowohl aus der Sicht der<br />

Wissenschaft wie auch aus der musealen<br />

Praxis berichten und aus diesen<br />

unterschiedlichen Perspektiven für<br />

eine abwechslungsreiche Mischung<br />

sorgen.<br />

Unter der Überschrift «Zeitlinien»<br />

wird zunächst ein Überblick über<br />

stilistische Entwicklungen und historische<br />

Fixpunkte gegeben, flankiert<br />

von Bilddokumenten der bedeutendsten<br />

künstlerischen Werke der<br />

jeweiligen Zeit. Es folgen Schlaglichter<br />

auf einzelne Aspekte, beginnend<br />

mit dem Engagement des Staates,<br />

dem die Kunst einerseits eine «Nationale<br />

Identität» verleihen kann, aber<br />

andererseits auch als Förderstelle in<br />

Anspruch genommen wird und beispielsweise<br />

einen Länderpavillon an<br />

der Kunstbiennale Venedig zur Verfügung<br />

stellt. Nach den politischen Rahmenbedingungen<br />

werden sowohl der<br />

Kunstmarkt, die Kunstkritik, Sammler<br />

und Ausbildungsstätten besprochen,<br />

bevor die Kunstschaffenden selbst im<br />

Zentrum der Diskussionen stehen.<br />

Das voluminöse, gewichtige Buch<br />

hat beste Chancen, zur künftigen<br />

Grundausstattung von Studierenden,<br />

Kunsthistorikern und Kunstinteressierten<br />

zu werden. (sm)<br />

Das Kunstschaffen in der Schweiz<br />

1848-2006, hrsg. vom Schweizerischen<br />

Institut für Kunstwissenschaft,<br />

Benteli, 2006, 412 Seiten, Fr. 48.00.<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />

Porträtist<br />

■ Bereits mit vierundzwanzig Jahren<br />

wird Diego Rodriguez de Silva y<br />

Velázquez (1599-1660) zum Hofmaler<br />

am spanischen Hof unter Philipp IV.<br />

in Madrid. Damit ist er, ausgehend<br />

von Sevilla, wo er seine Lehrjahre bei<br />

Francisco Pacheco verbrachte, in eine<br />

der zentralen Schaltstellen der Macht<br />

in Europa gelangt und wird zu einem<br />

einflussreichen Maler. Seine Stellung<br />

als Hofmaler brachten Velázquez eine<br />

einmalige Position, jedoch waren<br />

damit nicht nur Vorteile verbunden,<br />

denn neben seiner künstlerischen Tätigkeit<br />

hatte er weitere Aufgaben im<br />

königlichen Haushalt, als Kammerherr<br />

bis hin zum Zeremonienmeister.<br />

Der<strong>art</strong>ige Aufgaben waren oft zeitraubend<br />

und eher lästige Pflichten für<br />

den Maler.<br />

Bekannt geworden und geblieben<br />

ist Velázquez vor allem durch<br />

seine aussergewöhnlichen Porträts<br />

der königlichen Familie und anderer<br />

Personen des Hofes. Dass Velázquez<br />

aber mehr ist als «Köpfe malen», dies<br />

zeigt die aktuelle Ausstellung in der<br />

National Gallery London (bis 21. Januar<br />

2007) und der dazu – auch in<br />

Deutsch – erschienene Katalog. Gut<br />

ein Drittel aller Werke von Velázquez,<br />

immerhin 46 Gemälde, zeigt die Ausstellung.<br />

Es sind Werke aller Stationen<br />

ausgestellt und im Katalog ausführlich<br />

beschrieben: von den frühen Bodegones<br />

(Darstellung des einfachen<br />

Volkes, Wirtshausszenen), die bereits<br />

den für Velázquez so typischen Realismus<br />

beinhalten, bis hin zu seinen<br />

meisterhaften Porträts.<br />

Neben Kunst und Leben von<br />

Velázquez werden in weiteren Essays<br />

das Umfeld des spanischen Hofes<br />

vorgestellt, seine Maltechnik (in nicht<br />

immer verständlichem Fachjargon),<br />

seine Beziehungen zu Grossbritannien<br />

(die National Gallery besitzt immerhin<br />

acht Gemälde von Velázquez)<br />

sowie die weltberühmte «Rockeby-<br />

Venus». Im Katalogteil werden zudem<br />

alle ausgestellten Werke in kurzen<br />

Texten vorgestellt. (di)<br />

Diego Velázquez. Katalog zur Ausstellung<br />

in der National Gallery, London<br />

2006/2007. Belser, 2006, 255 Seiten,<br />

Fr. 94.00.<br />

Bildarchitektur<br />

■ Gemeinhin wird Thomas Demand<br />

(1964 in München geboren) als Fotograf<br />

bezeichnet. Aber wie Gregory<br />

Crewdson genauso Regisseur wie<br />

Fotograf ist, so ist Demand Bildhauer<br />

und Installationskünstler – oder sogar<br />

Architekt. Demands Bildwelten<br />

erscheinen erst einmal kalt, vielleicht<br />

sogar trostlos. Dies ist ein Resultat<br />

seiner Arbeitsweise. Bevor Demand<br />

überhaupt zur Kamera greift, baut er<br />

seine Motive aus Pappe und K<strong>art</strong>on,<br />

was eine gewisse Glätte und Vereinfachung<br />

zur Folge hat. Grundlage sind<br />

meist Fotos aus unseren Massenmedien,<br />

aus Zeitungen und Zeitschriften,<br />

Tatort- und Pressefotografien. Foto<br />

– Installation – Foto. Vom Spektakulären<br />

der Medienbilder bleibt jedoch<br />

bei Demand wenig übrig, er überführt<br />

die Bilder zu völlig unspektakulären<br />

Ansichten.<br />

In «Bathtub» (1997) ist eine leere<br />

Badewanne zu sehen. Es ist die Wanne,<br />

in der Uwe Barschel tot aufgefunden<br />

wurde. Von ihm ist keine Spur<br />

zu sehen. Was bleibt ist der Ort – die<br />

Architektur.<br />

Auf diesen architektonischen<br />

Aspekt in Demands Schaffen geht<br />

Beatriz Colomina in ihrem Essay im<br />

neu erschienen Katalog zu Demands<br />

Ausstellung in der Londoner Serpentine<br />

Gallery des letzten Jahres ein.<br />

Demand selbst sieht die Medien als<br />

Architektur, als eine weite Landschaft,<br />

einem virtuellen Gebiet mit<br />

Städten aus Skandalen, Türmen aus<br />

Superstars, einem Sumpf aus Mord.<br />

Am Deutlichsten wird dies in der<br />

monumentalen Arbeit «Grotto», die<br />

eine Tropfsteinhöhle zeigt, die Demand<br />

erstmals mit Hilfe des Computers<br />

nachbaute. «Grotto» erinnert an<br />

Schwitters und den «Merzbau».<br />

Der zweite Teil des Katalogs ist<br />

einem ausführlichen Interview des<br />

Filmemachers Alexander Kluge mit<br />

Demand gewidmet. Zahlreiche hochwertige<br />

Abbildungen runden den<br />

schön gestalten und luxuriösen Katalog<br />

ab. (di)<br />

Thomas Demand. Catalogue of the<br />

exhibition at Serpentine Gallery London.<br />

Schirmer/Mosel, 2006, 143 Seiten,<br />

Englisch, Fr. 97.00.<br />

<strong>art</strong>ensuite 41


42<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07


Natürlich künstlich<br />

■ «Bitte nicht berühren» prangt in<br />

schwarzen Lettern auf einem weissen<br />

Zettel am Topf einer Zimmerpflanze.<br />

Merkwürdig mutet dieses Ensemble<br />

mitten in einem Galerieraum an, doch<br />

das Schild ist nicht das einzige, das<br />

irritiert: Die Blätter der Pflanze sind<br />

kunstvoll mit einer grünen Fadenborte<br />

umrahmt, als wäre das Gewächs<br />

ein absonderlicher Spross einer genetischen<br />

Mutation. In Regula Dettwilers<br />

Arbeiten kreuzen sich Kunst und Natur<br />

zu einer neuen Gattung. In ihrem<br />

Projekt «Naturgeschichte der <strong>art</strong>ifiziellen<br />

Welt» fertigt sie mit akribischer<br />

Genauigkeit Aquarelle von Pflanzen<br />

an, die sich auf den zweiten Blick als<br />

künstliche Flora aus Plastik und Stoff<br />

Zuckersüsser Blütenzauber<br />

■ «Ich möchte, dass meine Bilder<br />

schön sind. (…) Ich bin für die Schönheit»,<br />

so die gebürtige Japanerin Teruko<br />

Yokoi, die seit 1962 in Bern lebt.<br />

Mit der aktuellen Ausstellung widmet<br />

sich die Galerie Kornfeld einer Präsentation<br />

von jüngsten Werken der heute<br />

82-jährigen Malerin.<br />

Der kalligraphischen Tradition folgend<br />

sind Natursujets, Blumen, Zweige<br />

oder Wasserflächen zeichenhaft reduziert.<br />

Schnelle Pinselstriche markieren<br />

linienhafte Stengel, flächig überlagern<br />

sich lasierende Farbschichten, die sich<br />

zu leuchtkräftigen Volumen und kontrastreichen<br />

Blütenblättern formieren.<br />

In Yokois Malerei gerät die Natur an<br />

Kakophonie im Loop<br />

■ Der erste Eindruck ist überwältigend:<br />

Eine unerw<strong>art</strong>ete Bilderflut<br />

und Schallorgie stürzt beim Betreten<br />

des Raumes auf den Betrachter ein. In<br />

grossformatigen Projektionen gleicher<br />

Dimension präsentiert Kurator Gerard<br />

Johann Lischka im Kunstdepot der Galerie<br />

Henze & Ketterer neun Arbeiten<br />

aktueller Schweizer Videokunst. Während<br />

sich Museen bemühen, einzelne<br />

Videos voneinander abzugrenzen,<br />

wird hier das Störungspotential ganz<br />

absichtlich an die Grenze des Erträglichen<br />

getrieben. Die problematische<br />

räumliche Nähe wird zur Maxime erhoben,<br />

über die entstehende Durchmischung<br />

von Klang und Bild bewusst<br />

gesucht und dadurch thematisiert.<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />

entpuppen. In alle Einzelteile auseinanderdividiert,<br />

erinnern sie an gemalte<br />

Lexikoneinträge von zweifelhaftem<br />

wissenschaftlichen Wert.<br />

In der dritten der insgesamt fünf<br />

Ausstellungen zum Jubiläum ihres<br />

25-jährigen Bestehens präsentiert die<br />

Galerie Haldemann zehn Kunstschaffende<br />

unter dem Titel «Garden View».<br />

Einblicke und Ausblicke, ausschnitthafte<br />

Zooms und abstrahierte Inspirationen<br />

umreissen das Thema in vielfältigen<br />

Variationen und fragen nach<br />

dem Empfinden und Ausdruck von<br />

Natur in einer zunehmend künstlichen<br />

Welt.<br />

Im Kabinett der Galerie begegnen<br />

sich die Werke zweier Künstlerinnen:<br />

den Rand der Abstraktion, doch wird<br />

dieser schmale Grat nur in wenigen<br />

Bildern zu Gunsten der Ungegenständlichkeit<br />

überschritten. Aber gerade<br />

diese erweisen sich als die stärksten<br />

Werke der Ausstellung, in denen die<br />

strahlende Couleur das Auge nicht nur<br />

verführt und mit lieblichen Blumen<br />

in einen gar süsslichen Farbenrausch<br />

eintaucht. Denn diese Bilder animieren<br />

zum Schauen, ohne dass sich die<br />

Sujets offensichtlich auf den ersten<br />

Blick erschliessen und die vereinnahmende<br />

Ästhetik überwiegt. Trotzdem<br />

lässt einen das schale Gefühl nicht<br />

los, dass hier allzu gefällig präsentiert<br />

wird: Praktisch alle Bilder sind im<br />

Der Ausstellungstitel «<strong>art</strong>-clips.<br />

ch performativ» verweist auf das Potential<br />

von Video, flüchtige Momente<br />

des Daseins und somit insbesondere<br />

auch einmalige, künstlerische Performances<br />

festzuhalten. Das Medium ist<br />

ausserdem dafür geschaffen, die Beschleunigung<br />

des alltäglichen Lebens<br />

und der damit einhergehenden Informationsflut<br />

bildlich auszudrücken.<br />

Die gezeigten Arbeiten beschäftigen<br />

sich insbesondere mit dem Körperbild<br />

und reichen von gefilmten Performances<br />

als Dokumentation etwa von<br />

Heinrich Lüber oder Lori Hersberger<br />

bis hin zu Werken, die explizit für das<br />

Medium Video kreiert wurden, beispielsweise<br />

von Chantal Michel oder<br />

Bea Hänggi beschäftigt sich mit der<br />

von Menschenhand bezwungenen,<br />

domestizierten Natur, dem Schreberg<strong>art</strong>en,<br />

lässt diesen jedoch aussen<br />

vor. Im Zentrum ihrer Fotografien<br />

steht die Schreberg<strong>art</strong>enarchitektur,<br />

die aufgeklappt wie ein Bastelbogen<br />

den kleinräumigen hortus conclusus<br />

des Menschen wie eine Wunschwelt<br />

für jedermann aussehen lässt. Dem<br />

gegenüber wirken die Werke Rita<br />

Siegfrieds im noch geringeren Format<br />

wie gemalte Preziosen: Nach Vorlagen<br />

alter Gemälde aus der Geschichte der<br />

Kunst stellt sie in einer Art Bühnenkulisse<br />

ihre Sujets zusammen, die sie<br />

aufwändig, mit grosser Sorgfalt in filigrane<br />

loci amoeni verwandelt. (sm)<br />

handlichen Format von 31 x 31 cm genormt<br />

und folgen dem künstlerischen<br />

Credo der Schönheit. Die Ausstellung<br />

gefällt zweifellos, denn schon nach<br />

der Hälfte der Ausstellungszeit ist der<br />

überwiegende Teil der Exponate verkauft,<br />

was aufzeigt, dass diese Kunst<br />

kaum Widerhaken aufweist. Doch es<br />

finden sich auch weniger zugängliche<br />

Beispiele, bei denen sich plasmahafte<br />

Farbspuren in unbestimmte Horizonte<br />

mit tiefem Blau und dräuendem Grau<br />

gegeneinander abgrenzen, Bilder mit<br />

starken Stimmungen, die Zeit brauchen<br />

und an deren Seite bezeichnenderweise<br />

bisher noch kein roter Punkt<br />

angebracht worden ist. (sm)<br />

František Klossner, dessen langsam<br />

zerfliessendes Eisporträt sich wie eine<br />

sinnlich stille Oase im hektischen Umfeld<br />

der übrigen Werke ausnimmt. Im<br />

Loop drehen sich die Videos immerzu<br />

wie Erik Dettwiler auf seinem Bürostuhl<br />

immerwährend zirkelt und seine<br />

Gedanken in Denkerpose gleich<br />

mitkreisen. Von der Gleichzeitigkeit<br />

des anderen zeugen ausserdem drei<br />

nebeneinanderstehende Bildschirme<br />

mit ausgewählten Videoclips aus der<br />

Schweiz, Deutschland und Österreich.<br />

Hier wird die menschliche Konzentration<br />

nun endgültig auf die Probe<br />

gestellt, bis das mediale Flimmern ein<br />

weisses Rauschen im Kopf hinterlässt.<br />

(sm)<br />

Garden View<br />

Galerie Margit<br />

Haldemann,<br />

Brunngasse 14 /<br />

Brunngasshalde<br />

31, Bern. Geöffnet<br />

Mittwoch bis<br />

Freitag 14:00-<br />

18:00 h, Samstag<br />

11:00-16:00 h.<br />

Bis 28. Januar.<br />

Rita Siegfried, «G<strong>art</strong>en»,<br />

2006, Eitempera auf MDF-<br />

Tafel, 12 x 22 cm<br />

Teruko Yokoi<br />

- Farbentanz zu<br />

Windmusik<br />

Galerie Kornfeld,<br />

Laupenstrasse 41,<br />

Bern. Geöffnet<br />

Montag bis Freitag<br />

14:00-17:00 h,<br />

Samstag 10:00-<br />

12:00 h. Bis 20.<br />

Januar.<br />

Teruko Yokoi, Japanese<br />

peony, 2006, Aquarell und<br />

Eitempera, 31 x 31 cm<br />

<strong>art</strong>_clips.ch<br />

performativ<br />

Galerie Henze<br />

& Ketterer,<br />

Kirchstrasse 26,<br />

Wichtrach/BE.<br />

Geöffnet Samstag<br />

10:00-16:00 h.<br />

Bis 17. März.<br />

Erik Dettwiler, Levitation,<br />

Videoarbeit, 2001<br />

<strong>art</strong>ensuite 43


Nikolaus List<br />

Nikolaus List<br />

Kabinett Gerechtigkeitsgasse 72, 3011 Bern, bern@kabinett.ch<br />

Kabinett Gerechtigkeitsgasse 72, 3011 Bern, bern@kabinett.ch<br />

13. Januar – 10. März Do/Fr 14 –19 Uhr, Sa 11–16 Uhr<br />

13. Januar – 10. März Do/Fr 14 –19 Uhr, Sa 11–16 Uhr


Gabi Hamm<br />

Gabi Hamm<br />

Kabinett Gerechtigkeitsgasse 72, 3011 Bern, bern@kabinett.ch<br />

Kabinett Gerechtigkeitsgasse 72, 3011 Bern, bern@kabinett.ch<br />

13. Januar – 10. März Do/Fr 14 –19 Uhr, Sa 11–16 Uhr<br />

13. Januar – 10. März Do/Fr 14 –19 Uhr, Sa 11–16 Uhr


46<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

Werke von Gabi<br />

Hamm und<br />

Nikolaus List sind<br />

in der Galerie<br />

Kabinett vom 13.<br />

Januar bis 10.<br />

März 2007 zu<br />

sehen.<br />

Kunstmenschen<br />

Gabi Hamm<br />

■ Die Gemälde von Gabi Hamm<br />

sind reine Malerei an der Grenze des<br />

Gegenständlichen. Sie übersetzen die<br />

Konfrontationen mit der Wirklichkeit<br />

in ein ästhetisches Empfinden und<br />

machen «weniger Aussagen über etwas,<br />

sondern bringen dieses Etwas<br />

selbst zur Sprache» (Max Raphael<br />

über Cézanne). Der Werkprozess<br />

wird durch die unmittelbar gewonnenen<br />

Einsichten, nicht aber durch im<br />

Voraus gefasste Konzepte gesteuert.<br />

Ein Plan würde das fragile Gewebe<br />

zerstören und sich wie ein lähmender<br />

Schatten über die aus der Unschuld<br />

hervorgegangenen Gebilde legen.<br />

Die Bilder leben durch das subtile<br />

Gleichgewicht zwischen Motiv und<br />

Malerei. Dieses offenb<strong>art</strong> sich in zwei<br />

Tendenzen, die der Pinsel zu verfolgen<br />

scheint: Die eine, zeichnerisch<br />

und mimetisch, respektiert die Vorgaben<br />

der Wirklichkeit; die andere<br />

hingegen, malerisch und abstrakt,<br />

bestimmt die ästhetische Wirkung.<br />

Gabi Hamms Porträts junger Frauen,<br />

durch die sie bekannt geworden ist,<br />

lassen die Schnittstelle wahrnehmbar<br />

werden, aus der die Kunst Funken<br />

schlägt. Sie ziehen die Blicke auf sich<br />

und fordern dazu auf, dass man sie<br />

anblickt. Statt aber in die Tiefen der<br />

individuellen Person herabzusteigen,<br />

verliert sich der Blick in der Malerei.<br />

(Norberto Gramaccini)<br />

Nikolaus List<br />

■ Im Werk von Nikolaus List nehmen<br />

Darstellungen von Bäumen eine<br />

zentrale Rolle ein. Als Träger individueller<br />

und kollektiver Erfahrungs-<br />

werte ist der Baum ein Motiv, das<br />

dem Betrachter einen leichten Einstieg<br />

ermöglicht. Sofort wird einem<br />

aber klar, dass List etwas anders beabsichtigt<br />

als uns an längst bekannte<br />

Bildchiffren zu erinnern. Er entzieht<br />

den Bäumen jeglichen Beigeschmack<br />

des Natürlichen. Unter seiner Anleitung<br />

verflechten sich bunte Geäste zu<br />

flimmernden Kompositionen.<br />

Stämme sind rissig, die Wurzeln<br />

kaum vorhanden, Alles scheint labil<br />

zu sein und gehorcht allein dem Willen<br />

des Malers, der die wilden Baumwirbel<br />

in dem Moment einfriert, da<br />

sie die vollendete Form der Komposition<br />

angenommen haben. An dem<br />

von List angestrebten Punkt wird<br />

das Künstliche als eigentlicher Auslöser<br />

einer Bilderfahrung wirksam.<br />

(Michael Krethlow)<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07


BERNER<br />

GALERIEN<br />

Galerieneintrag:<br />

Auf den Seiten «Galerien in Bern» werden nur<br />

noch Galerien publiziert, welche unsere jährliche<br />

Publikationsgebühr bezahlt haben. Wer<br />

sich hier eintragen lassen möchte, melde sich<br />

bei der Redaktion: Telefon 031 318 6050 oder<br />

redaktion@ensuite.ch.<br />

Altes Schlachthaus<br />

Metzgergasse 15, Burgdorf<br />

T 034 422 97 86<br />

Sa&So jeweils 11:00-17:00 h<br />

annex14 - Galerie für zeitgenössische<br />

Kunst<br />

Junkerngasse 14, 3011 Bern<br />

T 031 311 97 04 / www.annex14.ch<br />

Mi-Fr 13:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h<br />

Yves Mettler<br />

13.1. - 17.2.<br />

Art-House<br />

Mittlere Strasse 3A, 3600 Thun<br />

T 033 222 93 74 7 www.<strong>art</strong>-house.ch<br />

Mi&Fr 14:00-17:30 h / Do 16:00-19:30 h / Sa<br />

11:00-16:00 h<br />

«Spiritualität in der Kunst»<br />

Jakob Jenzer: Malerei, Urs Kurth: Fotografie,<br />

Renato Jordan: Text-Bilder, Max Roth:<br />

Skulptur<br />

bis 27.1.<br />

Art + Vision<br />

Junkerngasse 34, 3011 Bern<br />

T 031 311 31 91<br />

Di-Fr 14:00-19:00 h / Do 14:00-21:00 h /<br />

Sa & So 11:00-16:00 h<br />

M<strong>art</strong>in Thönen<br />

Holzschnitte<br />

bis 6.1.<br />

Bärtschihus Gümligen<br />

Dorfstrasse 14, 3073 Gümligen<br />

Mary Poppins!<br />

superkalifragilistigexpialigetisch<br />

ESPACE Indigo<br />

Stauffacher Buchhandlung, 3011 Bern<br />

T 0844 88 00 40<br />

Ladenöffnungszeiten<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />

Jean-Luc Darbellay, L’<strong>art</strong> pour l’Aar, Ausstellung im raum, 20.1.-2.2.07<br />

Fri-Art<br />

22 Petites Rames, 1700 Fribourg<br />

T 026 323 23 51 / www.fri-<strong>art</strong>.ch<br />

Di-Fr 14-18:00 h / Sa&So 14:00-17:00 h<br />

Nocturne Do 18:00-20:00 h<br />

EXPOSITION 1 L’ÂGE CRITIQUE<br />

Nicolas Savary en collaboration avec :<br />

Christian Bovey, Happypets, Genêt Mayor,<br />

Daniel Ruggiero<br />

Vernissage: Samstag 27.1., 18:00 h<br />

bk Galerie Bernhard Bischoff & P<strong>art</strong>ner<br />

Speichergasse 8, 3011 Bern<br />

T 031 312 06 66<br />

www.bernhardbischoff.ch<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder<br />

nach Absprache<br />

Christian Kathriner, Elisabeth Llach, Andrea<br />

Loux, Kotscha Reist, Dominik Stauch & Brigitte<br />

Zieger<br />

X_MAS<br />

bis 6.1. (nur nach Voranmeldung geöffnet)<br />

Luc Andrié, Urs Zahn<br />

absurdities<br />

11.1. - 24.2.<br />

Galerie 25 Regina Larsson<br />

2577 Siselen / T 032 396 20 71<br />

www.galerie25.ch<br />

Fr-So 14.00-19:00 h oder nach<br />

tel. Vereinbarung<br />

Die Galerie ist bis am 24.2. geschlossen.<br />

Galerie 67<br />

Belpstrasse 67, 3007 Bern / T 031 371 95 71<br />

www.galerie67.ch<br />

Mo 14:00-18:30 h / Di-Fr 9:00-12:00 h &<br />

14:00-18:00 h / Sa 10:00-12:00 h<br />

Dany Mar, Bern<br />

Öl / Acryl auf Leinwand<br />

3.1. - 28.2.<br />

Galerie 849 MüM<br />

Gurtenpark im Grünen, 3084 Wabern<br />

Täglich von 9:00-18:00 h<br />

Galerie Artdirekt<br />

Herrengasse 4, 3011 Bern / T 031 312 05 67<br />

www.<strong>art</strong>direkt.ch<br />

Vera Goul<strong>art</strong><br />

Malerei,Zeichnungen,Installation<br />

13.1. - 10.2.<br />

Galerie Artraktion<br />

Hodlerstrasse 16, 3011 Bern<br />

T 031 311 63 30 / www.<strong>art</strong>raktion.ch<br />

Do&Fr 15:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />

oder nach Vereinbarung<br />

DENISE FELBER Bildobjekte<br />

GABI KOPP Bilder und Objekte<br />

Vernissage zum Galerienwochenende Sa,<br />

13. / So, 14.1., 11:00-17:00 h<br />

Galerie bis Heute<br />

Amtshausgasse 22, 3011 Bern<br />

T 031-311 78 77 www.galerie-bisheute.ch<br />

Do-Fr 14:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h &<br />

nach Vereinbarung<br />

Galerie Beatrice Brunner<br />

Nydeggstalden 26, 3011 Bern<br />

T 031 312 40 12 / www.beatricebrunner.ch<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />

<strong>art</strong>_clips<br />

.ch performativ<br />

Ariane Andereggen, Erik Dettwiler, Lori<br />

Hersberger, Franticek Klossner, Heinrich<br />

Lüber, Chantal Michel, Victorine Müller, RE-<br />

LAX, Rudolf Steiner.<br />

2.12. - 17.3.<br />

Galerie Duflon & Racz<br />

Gerechtigkeitsgasse 40, 3011 Bern<br />

T 031 311 42 62<br />

<strong>art</strong>ensuite 47


<strong>art</strong>ensuite 48<br />

Thomas Wyder - Landschaften in der Galerie Ramseyer & Kaelin vom 9. - 27. januar 07 Anna-Rosa haldemann - Blumen und mehr in der Galerie Ramseyer & Kaelin vom 9. - 27. januar 07<br />

Do 14:00-20:00 h, Sa 12:00-17:00 h oder<br />

nach tel. Vereinbarung.<br />

Markus Baumann<br />

série rouge<br />

Markus Baumann zeigt erstmals seit 5 Jahren<br />

erneut Bilder, welche sich kritisch mit<br />

dem Zeitgeschehen auseinandersetzen.<br />

Vernissage 13.1. ab 13:00 h mit open end<br />

bis 23.2.<br />

Galerie Henze & Ketterer<br />

Kirchstrasse 26, 3114 Wichtrach<br />

T 031 781 06 01 / www.henze-ketterer.ch<br />

Di-Fr 10:00-13:00 h & 14:00-18:00 h / Sa<br />

10:00-16:00 h<br />

Kunst Depot: <strong>art</strong> clips, .ch performativ<br />

Videoclips-Preview von Schweizer Künstlerinnen<br />

und Künstlern. Eine Ausstellung<br />

der videokunst.ch kuratiert von Gerhard Johann<br />

Lischka<br />

bis 17.3.<br />

Sechzig Jahre GHK<br />

Ebene I + II + III<br />

13.1. - 17.3.<br />

Galerie im Graben<br />

Waldeckstrasse 12, 3052 Zollikofen<br />

T 031 911 96 06<br />

Fr 17:00-19:00 h / Sa 16:00-19:00 h & So<br />

11:00-17:00 h<br />

Galerie Margit Haldemann<br />

Brunngasse 14, Brunngasshalde 31<br />

T 031 311 56 56 margithaldemann@bluewin.<br />

ch, www.<strong>art</strong>galleries.ch/haldemann<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />

Saison 2006/07: 25 Jahr Jubiläum<br />

Ausstellung 3/5 „Garden View“:<br />

Regula Dettwiler, René Fendt, Bea Hänggi,<br />

Irma Ineichen, René Küng, Jörg Mollet,<br />

Rita Siegfried, Ivo Vonlanthen, Paul<br />

Wiedmer, Irène Wydler<br />

bis 28.1.<br />

18. Berner Galerien-Wochenende: Sa/So,<br />

13./14.1., je 11:00-17:00 h<br />

Berner Design Weekend: Sa/So, 27./28.1.,<br />

je 11:00-17:00 h<br />

(vom 23.12.06 - 9.1.07 ist die Galerie nur<br />

nach Vereinbarung geöffnet)<br />

Galerie M<strong>art</strong>in Krebs<br />

Münstergasse 43, 3011 Bern<br />

T 031 311 73 70 / www.krebs.<strong>art</strong>galleries.ch/<br />

Di-Fr 14:30-18:30 h / Sa 10:00-14:00 h<br />

M.S. Bastian, 100 Ansichten von Bastropolis<br />

Vernissage: 11.1., 18:30-20:30 h<br />

Finissage: 24.2., 11:30-14:00 h<br />

Wochenende des Vereins Berner Galerien:<br />

Sa & So, 13./14.1., je 11:00-17:00 h<br />

Galerie Kornfeld<br />

Laupenstrasse 41, 3001 Bern<br />

T 031 381 46 73 / www.kornfeld.ch<br />

Mo-Fr 14:00-17:00 h<br />

Teruko Yokoi<br />

Farbentanz zu Windmusik<br />

Aquarelle und Tempera auf Papier<br />

bis 20.1.<br />

Galerie Ramseyer & Kaelin<br />

Junkerngasse 1, 3011 Bern<br />

T 031 311 41 72<br />

Mi-Fr 16:00-19:00h / Sa 13:00-16:00h<br />

Anna-Rosa Haldemann<br />

Thomas Wyder<br />

Ottfried Zielke<br />

Vernissage: 9.1., 19:00 h<br />

bis 27.1.<br />

Galerienwochenende vom 13./14.1. geöffnet<br />

von 11:00-17:00 h<br />

Galerie Rigassi<br />

Münstergasse 62, 3011 Bern<br />

T 031 311 69 64 / www.swiss<strong>art</strong>.net/rigassi<br />

Di-Fr 11:30-13:30 h & 15:30-19:00 h / Sa<br />

10:30-16:00 h<br />

anniversary 20<br />

20 Jahre Verein Berner Galerien<br />

Vernissage: 10.1 von 18:45-20:30 h<br />

bis 24.2.<br />

Galerie Silvia Steiner<br />

Seevorstadt 57, 2502 Biel / T 032 323 46 56 /<br />

www.silviasteinergalerie.ch<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 14:00-17:00 h oder<br />

nach Vereinbarung<br />

Im Januar ist die Galerie geschlossen.<br />

Galerie Tom Bleass<br />

Uferweg 10b 3013 Bern / T 079 222 46 61<br />

www.tomblaess.ch<br />

Kabinett Bern<br />

Gerechtigkeitsgasse 72-74, 3011 Bern<br />

T 031 312 35 01 www.kabinett.ch<br />

Do & Fr 14:00-19:00 h & Sa 11:00-16:00 h<br />

Cécile Hummel<br />

bis 6.1.<br />

Kerstin Pfefferkorn<br />

bis 6.1.<br />

Gabi Hamm & Nikolaus List<br />

13.1. (Galerienwochenende) bis zum 10.3.<br />

Kornhausforum -<br />

Forum für Medien und Gestaltung<br />

Kornhausplatz 18, 3011 Bern<br />

T 031 312 91 10 / www.kornhausforum.ch<br />

Di-Fr 10:00-19:00 h / Do 10:00-20:00 h / Sa<br />

10:00-16:00 h<br />

Spielwitz & Klarheit<br />

Schweizer Architektur, Grafik und Design<br />

1950-2006<br />

bis 21.1.<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07


Nikolaus List, Ausstellung in der Galerie Kabinett 13.1.-10.3.07<br />

Ohne Dings kein Bums<br />

20 Jahre Umgang mit Aids Revue passieren<br />

bis 6.1.<br />

Shaxi Rehabilitation Project<br />

17.1 - 3.3.<br />

Kunstreich<br />

Gerechtigkeitsgasse 76, 3011 Bern<br />

T 031 311 48 49 / www.kunstreich.ch<br />

Mo-Fr 09:00-18:30 h / Do 09:00-20:00 h / Sa<br />

09:00-16:00 h<br />

Heinz-Peter Kohler<br />

zur Eröffnung am 14.1. ca. 13:30 h spricht<br />

Toni Muhmenthaler, Musiker<br />

15.1. - 24.2.<br />

Kunstraum Oktogon<br />

Aarstrasse 96, 3005 Bern<br />

Fr 16:00-19:00 h / Sa 11:00-15:00 h<br />

KunstQuelle<br />

Brunngasse 14, 3011 Bern<br />

T 079 818 32 82 / www.kunstquelle.ch<br />

Mi & Fr 14:30-18h / Do 15:30-19:00h / Sa<br />

13:00-16:00 h oder nach tel. Vereinbarung.<br />

ONO Bühne Galerie Bar<br />

Kramgasse 6, 3011 Bern<br />

T 031 312 73 10 www.onobern.ch<br />

Nachtgalerie Fr&Sa 22:00-24:00 h oder nach<br />

telefonischer Vereinbarung / bei allen ONO-<br />

Veranstaltungen<br />

Adrian Moser<br />

‘Berns Unterwelt’<br />

9.1. - 28.2.<br />

Berner Galeriewochenende: ONO zeigt Bilder<br />

der Serie ’Berns Unterwelt’ des Fotografen<br />

Adrian Moser<br />

Sa & So 13./14. jeweils ab 11:00 h<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />

PROGR Zentrum für Kulturproduktion<br />

Speichergasse 4, 3011 Bern www.progr.ch<br />

Präsentation der Städtischen Ankäufe<br />

Stadtgalerie_Pavillon im PROGR_Hof<br />

Öffnungszeiten: Di 14:00-20:00h & Mi-Sa<br />

14:00-17:00 h<br />

bis 6.1.<br />

Videokunst.ch:<br />

Arno Nollen (NL)<br />

Ort: videokunst.ch, 1.OG<br />

«MPLS The Avenue», 2002 / 59‘ Di 14:00-<br />

20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h / Sa 27.1.<br />

14:00-21:00 h<br />

9.1.-10.2.<br />

«Prag - Bern Retour»<br />

Werkpräsentation<br />

Ort: Ausstellungszone, 1.OG<br />

Zbynìk Baladrán (Prag)<br />

Peter Brand (Bern)<br />

24.–27.1.<br />

Mi-Fr 14:00-17:00 h & Sa 27.1., 14:00-21:00 h<br />

Eröffnung Loge<br />

Sa 27.1., 19:00 h<br />

«No place like home»<br />

Ort: Loge im PROGR_Hof<br />

Vernissage:<br />

Daniel Robert Hunziker<br />

Ausstellungsdauer:<br />

30.1. - 24.2.<br />

Di 14:00-20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h<br />

R A U M<br />

Militärstrasse 60, 3014 Bern /<br />

www.kulturraum.ch<br />

Mi-Fr 16:00-19:00 h / Sa 12:00-16:00 h<br />

Jean Luc Darbellay, l’<strong>art</strong> pour l’Aar<br />

Fotografie<br />

20.1 – 2.2.<br />

Vernissage & Lesung: Sa, 20.1., 17:00 h<br />

Schloss Hünigen<br />

3510 Konolfingen<br />

Täglich von 8:00-21:00 h<br />

www.schlosshuenigen.com<br />

Wunderland<br />

Contemporary rug <strong>art</strong> by Jan Kath<br />

bis 28.1.<br />

SLM Kunstausstellung<br />

Dorfplatz 5, 3110 Münsingen<br />

T 031 724 11 11<br />

Mo-Do 8:00-12:00 h & 13:30-17:00h / Fr<br />

8:00-12:00 h & 13:30-18:00 h<br />

Stadtgalerie<br />

Speichergasse 4 3001 Bern<br />

T 031 311 43 35 7 www.stadtgalerie.ch<br />

Di 14:00-20:00 h & Di-Fr 14:00-17:00 h<br />

W<strong>art</strong>saal 3<br />

Helvetiaplatz 3, 3005 Bern<br />

T 031 351 33 21 www.w<strong>art</strong>saal3.ch<br />

Sonja Klingler<br />

eskaywork RAW-Horizont Fotografie<br />

11.1. - 17.1.<br />

Arlette Zurbuchen<br />

bilder<br />

17.1. - 29.1.<br />

Temporäre Austellungsräume<br />

fotostudio & galerie lichtblick<br />

Casinoplatz 8, 3. UG, 3011 bern<br />

Fotobilder mit der Holga<br />

Silvia Baechler, Roland Goy und Ronnie Feller<br />

Fr 12.1., Vernissage ab 16:00 h<br />

Sa 13.1., 9:00-16:00 h<br />

So 14.1., 12:00-16:00 h<br />

<strong>art</strong>ensuite 49


<strong>art</strong>ensuite 50<br />

Berner Design Weekend<br />

27. & 28. Januar<br />

Möbel- und Einrichtungsdesign à la c<strong>art</strong>e:.<br />

Das «Berner Design Weekend 2007» macht<br />

Appetit auf frische Einrichtungsideen! Witziges,<br />

Edles, Mutiges und Dezentes – Acht<br />

Berner Einrichtungsfachgeschäfte präsentieren<br />

am 27. und 28. Januar jeweils zwischen<br />

10 und 17 Uhr zeitgenössische Objekte, aber<br />

auch unsterbliche Klassiker von berühmten<br />

Designerinnen und Designer. Der Rundgang<br />

vermittelt einen Einblick in die anregende<br />

Welt der Formen und Farben, der Materialien<br />

und Verarbeitungstechniken des aktuellen<br />

Möbel- und Einrichtungsdesigns.<br />

Anliker die Möbelmacher, Bubenbergplatz<br />

15 | Form+Raum, Belpstrasse 14 | intraform,<br />

Rathausgasse 76 | Meer Wohnen,<br />

Junkerngasse 1 | teo jakob, Gerechtigkeitsgasse<br />

25 und Waldeggstrasse 41 (3097 Bern-<br />

Liebefeld) | ursarber+co, Sickingerstrasse 6<br />

| Wohnform Kilchenmann, Kramgasse 64 |<br />

Zona, Postgasse 60<br />

Augenspiel<br />

Von Dominik Imhof<br />

<strong>art</strong>ensuite entwickelt sich und wird nicht<br />

nur grösser, sondern besser. Neben Kritiken<br />

zu aktuellen Ausstellungen, die auch<br />

weiterhin im Zentrum stehen sollen, neben<br />

Rezensionen zu Neuerscheinungen im<br />

Kunstbuchmarkt und der Agenda, gibt es<br />

seit dieser Ausgabe die Galerienseiten, in<br />

denen jeweils mehrere Galerienausstellung<br />

besprochen werden. Wir freuen uns, damit<br />

der Galerienszene der Stadt und der Region<br />

Bern eine neue Plattform bieten zu können<br />

und vor allem einem interessierten Publikum<br />

auch die Galerien näher zu bringen.<br />

Damit soll auch dem Kern des <strong>art</strong>ensuite<br />

– der Berner Kunstszene – noch verstärkter<br />

Rechnung getragen werden.<br />

Der Zeitpunkt ist ideal, denn auch in<br />

diesem Jahr öffnen Mitte Januar (13. und<br />

14. Januar jeweils 11:00-17:00 h) wieder<br />

zahlreiche Berner Galerien Tür und Tor<br />

für das vom Verein Berner Galerien organisierte<br />

Galerienwochenende. Bereits zum<br />

18. Mal findet diese Veranstaltung statt, die<br />

immer zu einer aussergewöhnlichen Belebung<br />

(vor allem) von Berns Altstadt führt.<br />

Gleichzeitig feiert der Verein Berner Galerien<br />

ihr 20-jähriges Bestehen. Gratulation!<br />

Und für uns ein Grund mehr, den Galerien<br />

vermehrt kritische Aufmerksamkeit zu<br />

schenken.<br />

In diesem Jahr steht das Galerienwochenende<br />

nicht mehr unter einem bestimmten<br />

Motto oder Thema. Sicher eine<br />

gute Entscheidung, denn die ausgestellten<br />

Arbeiten waren stets nur teilweise und<br />

wenn, dann oftmals sehr lose mit dem jeweiligen<br />

Thema in Verbindung zu bringen.<br />

2007 sind die Galeristinnen und Galeristen<br />

vollkommen frei in der Wahl der Kunstschaffenden<br />

und Kunstwerke. Eine enorme<br />

Vielfalt ist zu entdecken: von gegenständlicher<br />

Malerei bei Gabi Hamm (Kabinett),<br />

über Fotografien auf Holzkästen bei Denise<br />

Felber (Artraktion) zu den Holzschnitten<br />

eines Michael Wissmann (Art+Vision), über<br />

Eisenskulpturen von Marianne Lutz (Christine<br />

Brügger) oder Rauminstallationen von<br />

Urs Zahn (Bernhard Bischoff & P<strong>art</strong>ner) bis<br />

hin zur comic<strong>art</strong>igen Figurenwelt eines M.<br />

S. Bastian (Krebs). Es lohnt sich also, sich<br />

wieder einmal auf einen Spaziergang durch<br />

die Berner Gassen zu begeben und einen<br />

Blick in die eine oder andere Galerie zu<br />

wagen. (di)<br />

Impressum<br />

<strong>art</strong>ensuite erscheint monatlich als Beilage<br />

im ensuite - kulturmagazin.<br />

Herausgeber: edition ■ ensuite, Bern<br />

Redaktion: Dominik Imhof (di); Helen<br />

Lagger (hl), Monique Meyer (mm), Sylvia<br />

Mutti (sm), Nicola Schröder (ns), Eva Pfirter<br />

(ep), Sylvia Rüttimann (sr), Monika Schäfer<br />

(ms)<br />

Die Redaktion <strong>art</strong>ensuite ist politisch,<br />

wirtschaftlich und ethisch unabhängig und<br />

selbständig. Die Texte repräsentieren die<br />

Meinungen der Autoren/innen, nicht jene<br />

der Redaktion.<br />

Copyrights für alle Informationen und Bilder<br />

liegen beim Verein WE ARE in Bern<br />

und der edition ■ ensuite.<br />

Redaktionsadresse:<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

Sandrainstrasse 3<br />

3007 Bern<br />

Telefon 031 318 6050<br />

mail: <strong>art</strong>@ensuite.ch<br />

www.<strong>art</strong>ensuite.ch<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07


BERNER MUSEEN<br />

BERN / BIEL / THUN<br />

Abegg-Stiftung<br />

Werner Abegg-Strasse 67, 3132 Riggisberg<br />

täglich 14:00-17:30 h<br />

Winterpause<br />

Antikensammlung Bern<br />

Hallerstrasse 12, 3012 Bern<br />

Mi 18:00-20:00 h<br />

Die Antikensammlung beherbergt nebst<br />

den Abgüssen (rund 230 Exponate antiker<br />

Skulpturen von den Anfängen der griechischen<br />

Archaik bis zur römischen Spätantike)<br />

auch eine kleine Sammlung mit originalen<br />

Fundstücken aus der griechisch-römischen<br />

Antike.<br />

Bernisches Historisches Museum<br />

Helvetiaplatz 5, 3005 Bern<br />

Di-So 10:00-17:00 h<br />

Centre Dürrenmatt<br />

Chemin du Pertuis-du-Sault 74, 2000<br />

Neuchâtel<br />

Mi-So 11:00-17:00 h<br />

Dauerausstellung: Friedrich Dürrenmatt,<br />

Schrifsteller und Maler.<br />

Einstein-Haus<br />

Kramgasse 49, 3011 Bern<br />

1.10.-16.12., Di-Fr 10:00-17:00 h / Sa 10:00-<br />

16:00 h<br />

Führungen jederzeit nach Absprache<br />

Heilsarmeemuseum<br />

Laupenstrasse 5, 3001 Bern<br />

Di-Do 9:00-12:00 h & 14:00-17:00 h<br />

Dokumente, Zeitschriften, Bilder, Fotos,<br />

Grammophonplatten, Kassetten, Musikinstrumente<br />

und andere Sammelobjekte.<br />

Institut für Archäologie der<br />

Universität Bern<br />

Länggassstrasse 10, 3012 Bern<br />

Montag - Freitag, 8 - 17 Uhr<br />

Das Pantheon in Rom<br />

Ergebnisse des Bern Pantheon Digital Projects<br />

bis Sa, 31.3.<br />

Kunsthaus Centre Pasqu’<strong>art</strong><br />

Seevorstadt 71-75, 2502 Biel<br />

Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa&So 11:00-18:00 h<br />

Ruedy Schwyn<br />

bis 7.1.<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07<br />

Begegnung mit dem Künstler Ruedy<br />

Schwyn<br />

Weihnachtsausstellung 2006<br />

bis 7.1.<br />

SELECTED BY... Ankäufe 2003-2006 der<br />

Kunstsammlung der Stadt Biel<br />

Vernissage: Sa 20.1., 17:00 h<br />

bis 7.1.<br />

Photoforum<br />

CHRISTIAN VOGT<br />

Photographic Essays on Space<br />

21.1. - 4.3.<br />

Kunsthalle Bern<br />

Helvetiaplatz 1, 3005 Bern<br />

Mi-So 10:00-17:00 h / Di 10:00-19:00 h<br />

WEIHNACHTSAUSSTELLUNG 2006/07<br />

bis 7.1.<br />

JUTTA KOETHER<br />

19.1. - 11.3.<br />

Kunstmuseum Bern<br />

Hodlerstrasse 8-12, 3007 Bern<br />

Di 10:00-21:00 h / Mi-So 10:00-17:00 h<br />

Ausstellungen<br />

Serge Spitzer – Installation<br />

“Re/Search (Alchemy and/or Question<br />

Marks with Swiss Air)”, 1996-2002<br />

Bis Ende 2007<br />

Ernst Kreidolf und seine Malerfreunde<br />

bis 7.1.<br />

Im Lichte Tunesiens<br />

Europäische Künstler in Nordafrika<br />

1900-1925<br />

bis 7.1.<br />

Six feet under – Autopsie unseres Umgangs<br />

mit Toten<br />

bis 21.1.<br />

Architekturprojekte Erweiterungsbau<br />

für Kunst der Gegenw<strong>art</strong><br />

bis 7.1.<br />

Louise Bourgeois – Fugue<br />

16.1. – 8.4.<br />

Sonderveranstaltungen<br />

so, 7.1., 13:00 h Literarische Führung Six<br />

feet under mit Michaela Wendt<br />

di, 16.1., 18:00 h Literarische Führung<br />

Six feet under mit Michaela Wendt<br />

so, 21.1., 11:00 h Literarische Veranstaltung<br />

zur Finissage von Six feet under<br />

Kinder-Kunst-Club<br />

mi, 24.1., 14.00-16.00 h<br />

Cool Kids’ Classes<br />

Art Workshops for kids and teens (ages<br />

6-14, in english)<br />

Sa, January 27, 10:30-12:00 a.m.<br />

cool kids’ classes<br />

<strong>art</strong> workshops for kids and teens (ages<br />

6-14, in english)<br />

Tue, January 30, 16:30-18:00 p.m.<br />

Dies und Das / Kunst über Mittag<br />

Jeden Mittwoch, 12:30-13:00 h<br />

Kunsthaus Langenthal<br />

Marktgasse 13, 4900 Langenthal<br />

Mi & Do 14:00-17:00, Fr 14:00-19:00 h, Sa&<br />

So 10:00-17:00 h<br />

Giro Annen - retro.aktiv<br />

bis 28.1.<br />

Kunstmuseum Thun<br />

Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun<br />

Di-So 10:00-17:00 h / Mi 10:00-21:00 h<br />

Hofstettenstrasse 2006<br />

bis 14.1.<br />

11.2.-9.4. Gegenlicht<br />

11.2.-11.3. Projektraum enter: Christian Andersen<br />

museum franz gertsch<br />

Platanenstrasse 3, 3401 Burgdorf<br />

Di-Fr 11:00-19:00 h / Sa&So 10:00-17:00 h<br />

Zurück zur Figur. Malerei der Gegenw<strong>art</strong><br />

bis 11.2.<br />

Literarische Führung<br />

14.1, 12:00-13:00 h<br />

Familienführung<br />

14.1., 14:00-15:00 h<br />

kunst-licht<br />

27.1., 14:00-17:00 h<br />

Familienführung<br />

28.1., 14:00-15:00 h<br />

ton meister konzert 4<br />

28.1., 17:00-19:00 h<br />

<strong>art</strong>ensuite 51


<strong>art</strong>ensuite 52<br />

Museum für Kommunikation<br />

Helvetiastrasse 16, 3005 Bern<br />

Di-So 10:00-17:00 h<br />

«haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation»<br />

bis 1.7.<br />

Öffentliche Führungen:<br />

So, 11:00 h: haarsträubend: Tier – Mensch<br />

– Kommunikation<br />

So, 13:00 h: Top Secret - Von Hieroglyphen,<br />

Hackern und Codetalkers<br />

So, 15:00 h: Abenteuer Kommunikation im<br />

Überblick<br />

Museum Neuhaus Biel<br />

Schüsselpromenade 26, 2501 Biel<br />

Di-So 11:00-17:00 h / Mi 11:00-19:00 h<br />

Urs Dickerhof und Francesco Micieli<br />

lesen eigene Texte im Rahmen der Ausstellung<br />

«Ravitaillement».<br />

Théodore Strawinsky (1907-1989)<br />

Eine Retrospektive<br />

bis 8.1.<br />

Öffentliche Führung durch die Ausstellung<br />

Théodore Strawinsky. Mit Myriam Lanz, lic.<br />

phil (auf Deutsch)<br />

17.1, 18:00 h<br />

Naturhistorisches Museum der<br />

Burgergemeinde Bern<br />

Bernastrasse 15, 3005 Bern<br />

Mo 14:00-17:00 h / Di/Do/Fr 9:00-17:00 h<br />

Mi 9:00-18:00 h, Sa&So 10:00-17:00 h<br />

«haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation»<br />

bis 1.7.<br />

Psychiatrie Museum Bern<br />

Bolligenstrasse 111, 3060 Bern<br />

Mi 14:00-16:00 h<br />

Neben historisch wichtigen Gegenständen<br />

und Dokumenten beherbergt das Museum<br />

auch eine Sammlung bildnerischer Patientenarbeiten,<br />

die mehrheitlich auf jener Morgenthalers<br />

beruht. Sie umfasst über 2500<br />

Bilder (Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder<br />

und Collagen), rund 1500 Textblätter sowie<br />

viele Stoffarbeiten, Objekte aus Holz, Ton,<br />

Keramik und anderen Materialien.<br />

Schloss Landshut<br />

Schweizer Museum für Wild & Jagd<br />

3427 Utzenstorf<br />

Di-Sa 14:00-17:00 h<br />

Das Schloss ist bis und mit 12.5.07 geschl.<br />

Schlossmuseum Thun<br />

Schlossberg 1, 3600 Thun<br />

Bis Januar jeden Sonntag 13:00-16:00 h<br />

Das historische Museum mit einmaliger<br />

Aussicht auf Stadt, See und Alpen.<br />

Schweizerische Landesbibliothek<br />

Hallwylstrasse 15, 3003 Bern<br />

Mo-Fr 9:00-18:00 h, Mi bis 20:00 h / Sa<br />

9:00-16:00 h / So 12:00-17:00 h<br />

DÜRRENMATT UND EINSTEIN<br />

bis 25.1.<br />

Schweizerisches Alpines Museum<br />

Helvetiaplatz 4, 3005 Bern<br />

Mo 14:00-17:00 h / Di-So 10:00-17:30 h<br />

«Gletscher im Treibhaus. Ernste Signale<br />

aus der alpinen Eiswelt»<br />

Vom gewaltigen Eisstrom des Rhônegletschers,<br />

der auf der Postk<strong>art</strong>e von 1900 hinter<br />

dem Hotel Belvédère ins Tal gleitet, ist<br />

auf der aktuellen Aufnahme nichts mehr zu<br />

sehen. Stattdessen nackter grauer Fels, ein<br />

Bach und die zurückgezogene Gletscherzunge<br />

weit oberhalb des Hotels.Ein einzig<strong>art</strong>iges<br />

Landschaftsbild droht verloren zu<br />

gehen. Gehören wir zur letzten Generation,<br />

die die gross<strong>art</strong>igen Eisriesen bewundern<br />

kann?<br />

bis 25.3.<br />

Schweizerisches<br />

Schützenmuseum Bern<br />

Bernastrasse 5, 3005 Bern<br />

Di-Sa 14:00-17:00 h / So 10:00-12:00 h &<br />

14:00-17:00 h<br />

Weihnachskrippe Christmas<br />

Diese 1965 entworfene, 23-teilige Weihnachtskrippe<br />

Christmas, besticht durch die<br />

32 cm hohen, aus Lindenholz gefertigten<br />

und bemalten Figuren.<br />

bis 9.1.<br />

Stadt- und Universitätsbibliothek Bern<br />

Münstergasse 61-63, 3011 Bern<br />

Mo-Fr 8:00-19:00 h / Sa 8:00-12:00 h<br />

Connaisseure unterwegs:<br />

Die Reisen von Hans R. Hahnloser und Julius<br />

von Schlosser zu kulturellen Stätten im<br />

Europa der zwanziger Jahre.<br />

bis 24.2.<br />

Stiftung Historisches Erbe SBB<br />

Bollwerk 12, 3000 Bern 65<br />

Mo-Fr 9:00-12:00 h & 13:30-17:00 h<br />

Die Infothek der Schweizer Bahngeschichte<br />

zum Nachlesen und Ansehen.<br />

Unsere öffentlich zugängliche Infothek bietet<br />

Ihnen u. a. folgende Dienstleistungen an:<br />

regelmässige Publikation ausgewählter Neuerscheinungen.<br />

Beratung in Dokumentationsfragen<br />

und bei Recherchen. Leseplätze<br />

mit Internetarbeitsplatz, Lexika usw. Konsultationsmöglichkeit<br />

für aktuelle Zeitschriften,<br />

Wörterbücher, Nachschlagewerke und<br />

aktuelle Fahrpläne ausländischer Bahnunternehmungen.<br />

Zugang zu den historischen<br />

und audiovisuellen Archiven (auf Voranmeldung).<br />

Bereits 1923 wurde die Bibliothek<br />

der Generaldirektion SBB gegründet. Später<br />

wurde sie zum Dokumentationsdienst<br />

erweitert und seit 1996 ist sie als «Infothek<br />

SBB» bekannt. 1999 wurden ihr die Plakatsammlung<br />

und 2001 das historische Archiv,<br />

das Fotoarchiv, - und Videoarchiv anvertraut.<br />

2002 wurde sie in die neu gegründete Stiftung<br />

Historisches Erbe der SBB integriert.<br />

Die Bestände der Bibliothek und Archive<br />

werden laufend ergänzt und erweitert.<br />

Zentrum Paul Klee<br />

Monument im Fruchtland 3, 3031 Bern<br />

Di-So 10:00-17:00 h / Do 10:00-21:00 h<br />

Kindermuseum Creaviva 10:00-17:00 h, Do<br />

bis 21:00 h<br />

Paul Klee – Melodie und Rhythmus<br />

bis 2.1.<br />

Robert Walser zu Gast bei Paul Klee<br />

Gedenkausstellung zum 50. Todestag des<br />

Dichters.<br />

28.1.-25.2.<br />

Sämtliche Führungen und Aktivitäten finden<br />

Sie in der ensuite - kulturmagazin-agenda<br />

und unter www.zpk.org<br />

<strong>art</strong>ensuite Januar 01 | 07

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!