KÄNGURU September 2020
Gesellschaft: Diversity im Kinderzimmer Gesundheit: Zähneputzen in der Kita Endlich Familie: Partnerschaft in der Krise Neues aus der Region: Sonntags in die Bibliothek Kinderrechte feiern: Weltkindertag im Veedel Kinderseite: Karla kocht Zwetschgenknödel mit Veranstaltungskalender für die Wochenenden
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Gesundheit FAMILIENLEBEN <strong>KÄNGURU</strong> 09 I 20<br />
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fest zum Bildungsplan. Die Pädagog*innen sollen den betreuten<br />
Kindern Gesundheitsbewusstsein vermitteln. Im Idealfall sieht das<br />
so aus: Die Erzieherin begleitet die Kinder beim Zähneputzen, sie<br />
können das Thema Zähne spielerisch in den Mittelpunkt stellen, in<br />
Spielen, Liedern und durch Bilderbücher aufgreifen oder ein ganzes<br />
Projekt dazu starten.<br />
Hygienische Voraussetzungen<br />
In der Theorie ist es also nicht nur lobenswert, wenn Kindergartenkinder<br />
gemeinschaftlich zähneputzen, es ist auch genau so vorgesehen.<br />
Doch die Situation in der Kita – ganz realistisch betrachtet –<br />
hält diesem Ideal nicht stand.<br />
Man könnte meinen, Zähneputzen sei ein Kinderspiel. In der Kita<br />
ist es ein Abenteuer und gar nicht so einfach durchführbar, wie<br />
viele Eltern vermuten. Erste Voraussetzung für die kleinen Zähneputzer<br />
ist ein Raum mit Waschbecken. Jedes Kind hat seine eigene<br />
Zahnbürste in seinem eigenen beschrifteten Becher. Zahnbürsten<br />
sollten ausgetauscht werden, sobald sie verschlissen oder zerkaut<br />
sind, spätestens jedoch nach drei Monaten.<br />
Die Kleineren benötigen beim Zähneputzen Training: Zahnbürste<br />
in die Hand, die richtige Menge Zahnpasta aus der Tube auf den<br />
Bürstenkopf drücken. Die darf nicht gleich wieder runter rutschen,<br />
da ist Geschick gefragt! Dann die Bürste mit Paste zum Mund balancieren<br />
und rein damit! Jeder einzelne Zahn wird gebürstet,<br />
kein wildes Schrubben, sondern vorsichtig und mit wohl dosiertem<br />
Druck. Zuerst die Kauflächen, dann die Außenflächen, zuletzt die<br />
Innenflächen.<br />
Und wenn das alles geklappt hat, heißt es am Schluss: Die Zahnpasta<br />
nicht schlucken, sondern ausspucken! Nicht kleckern! Mund<br />
ausspülen, Bürste und Becher auswaschen! Patrick Heitkemper,<br />
Zahnarzt für Öffentliches Gesundheitswesen beim Kölner Gesundheitsamt,<br />
gibt folgende Anleitung: „Die Zahnbürsten werden mit<br />
dem Bürstenkopf nach oben bei Zimmertemperatur in dem Zahnputzbecher<br />
aufbewahrt. Die Becher sind so aufzubewahren, dass<br />
sich die Zahnbürsten nicht berühren können.“<br />
Das alles ist eine kleine Meisterleistung. Sie erfordert Koordination,<br />
Geduld, Gefühl und viel, viel Übung. Ohne einen erfahrenen Erwachsenen<br />
an der Seite gelingt das nicht. „Das Zähneputzen muss von<br />
einer Betreuungsperson begleitet werden, die die Zahnbürsten austeilt<br />
und nach dem Zähneputzen einsammelt und in die beschrifteten<br />
Zahnputzbecher zurückstellt“, so Heitkemper. „Die Empfehlung<br />
der täglichen Zahnpflege in der Kita kann nur bei entsprechendem<br />
Personal und den erforderlichen hygienischen Voraussetzungen<br />
umgesetzt werden“, so der Zahnarzt. Und genau daran scheitert bei<br />
vielen Kitas der gute Vorsatz: Die Personaldecke ist dünn, die Zeit<br />
ist knapp. Erzieherinnen sind nicht in der Lage, bei jedem Kind zu<br />
kontrollieren, ob es die richtige Technik anwendet.<br />
Besuch vom Gesundheitsamt<br />
Das Gesundheitsamt der Stadt Köln, besser<br />
gesagt dessen Kinder- und Jugendzahnärztlicher<br />
Dienst, besucht die Kitas regelmäßig<br />
einmal im Jahr, im Schlepptau das „Zahnkrokodil“.<br />
Diese Prophylaxeberater*innen beraten<br />
zu Ernährung und Mundhygiene. Für jedes Kind<br />
gibt es eine Zahnbürste mit Zahnpasta und Zahnputzbecher.<br />
Und dann geht’s in die Praxis: In kleinen Gruppen wird<br />
ein „Zahnputztraining“ nach dem KAI-System durchgeführt.<br />
Bis zum Alter von 2 Jahren heißt das: Zahnbürste nur mit Wasser<br />
anfeuchten und putzen; die älteren Kinder bekommen eine erbsengroße<br />
Menge Kinderzahnpasta auf die Bürste. Die Zahnärzt*innen<br />
des Gesundheitsamtes führen zusätzlich bei jedem Kind eine<br />
Untersuchung der Mundhöhle und eine Erhebung des Zahnstatus<br />
durch. Stellen sie unbehandelte Zahnschäden oder einen frühkindlichen<br />
kieferorthopädischen Behandlungsbedarf fest, geben sie<br />
den Eltern entsprechende Rückmeldung. Der Besuch des Gesundheitsamtes<br />
ersetzt also keinen Zahnarztbesuch.<br />
Sinnvoll oder schädlich?<br />
Kritische Stimmen sehen im schnellen Schrubbi-di-schrubb eine<br />
Gefahr: Wenn die Kids ihre Bürsten vertauschen, können Karies,<br />
Krankheiten oder Viren übertragen werden – auch wenn die Bürste<br />
nach dem Putzen nicht ausreichend gesäubert oder zum Spielen<br />
zweckentfremdet wird, so dass sie schmutzig wird.<br />
Aber hier gibt Heitkemper Entwarnung: Wenn die Bürsten außer<br />
Reichweite der Kinder aufbewahrt werden, kommen die Kleinen<br />
gar nicht auf dumme Ideen. Und was die Übertragung von Krankheiten<br />
durch Zahnbürsten angeht: Das Risiko ist bei weitem nicht<br />
so hoch wie befürchtet. Zähneputzen stärkt die Immunkompetenz<br />
und kann so helfen, eine Virusinfektion zu vermeiden oder ihren<br />
Verlauf abzumildern.<br />
Dass Kitas und Tagespflegeeinrichtungen entsprechend ihrer Hygienekonzepte<br />
das Zähneputzen infolge der Corona-Pandemie<br />
eingestellt haben, müsste nicht sein. „Wenn die erforderlichen hygienischen<br />
Voraussetzungen eingehalten werden, ist das Risiko einer<br />
Keimübertragung minimiert und der Nutzen des gemeinsamen<br />
Zähneputzens überwiegt“, beurteilt Heitkemper. Auch das Robert<br />
Koch-Institut (RKI), maßgebliche Institution in Sachen Krankheitsüberwachung<br />
und -prävention, entkräftet das Argument, Zahnpflege<br />
in der Kita sei unhygienisch. Das RKI weist darauf hin, dass die<br />
Gefahr von Speichel- und Tröpfcheninfektionen über Zahnbürsten<br />
in der Kita nicht größer sei als über Spielzeug. „Es sind keine Berichte<br />
über virale oder bakterielle Infektionen beim Verwechseln<br />
von Zahnbürsten mitgeteilt worden“, heißt es. Kein Grund also, die<br />
Zahnbürsten aus der Kita zu verbannen.<br />
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