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NAH DRAN 01-04.4 - Kinderschutz eV

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14<br />

nah dran<br />

Selber kochen<br />

angesagt!<br />

Ein Bewohner der „Übergangs-<br />

WG“ im nah-dran-Interview<br />

Michael (19 Jahre, Name von der Redaktion<br />

geändert) schildert seinen Weg<br />

in die Selbständigkeit und wie ihm die<br />

Angebote der Kurt-Seelmann-Wohngruppen<br />

dabei geholfen haben:<br />

Wie lange lebst du schon in der Übergangswohngruppe<br />

in Karlsfeld?<br />

Seit einem Jahr, kurz bevor ich meine neue<br />

Lehrstelle angefangen habe.<br />

Mit 13 Jahren bist du in eine der beiden<br />

heilpädagogischen Wohngruppen eingezogen.<br />

Wie ging es dir dort?<br />

Ich habe dort zwei Jahre verbracht, bin<br />

dann aber rausgeflogen. Anschließend bin<br />

ich wieder zu meiner Mutter gezogen, jedoch<br />

nur kurz, denn bald gab es wieder<br />

Probleme zwischen uns.<br />

Warum musstest du damals die Wohngruppe<br />

verlassen?<br />

Ich habe mich an keine der Regeln dort<br />

gehalten und nur das gemacht, wozu ich<br />

Lust hatte. Ich hatte keine Lust auf Schule,<br />

da lief eh alles schief. Ich hatte Probleme<br />

mit einem anderen Typen. Und an die<br />

strengen Regeln in der Wohngruppe wollte<br />

ich mich auch nicht gewöhnen. Aber<br />

bei meiner Mutter klappte es dann auch<br />

nicht mehr. Wir hatten ständig totalen<br />

Krach, konnten einfach nicht mehr miteinander<br />

auskommen. Deshalb wollte ich<br />

wieder Hilfe haben.<br />

Wie ging es dann für dich weiter?<br />

Auf Wohngruppe hatte ich erst mal keine<br />

Lust mehr, das wäre eh wieder schief gegangen.<br />

Ich habe dann ISE bekommen und<br />

konnte ein Jahr lang bei einem Betreuer<br />

wohnen. Das war ganz schön anstrengend,<br />

aber auch gut!<br />

Wie sah die Betreuung aus?<br />

Der ISE-Betreuer hat mir geholfen, meinen<br />

Alltag besser auf die Reihe zu bekommen,<br />

und eine Betreuerin aus den<br />

Wohngruppen hat sich mit<br />

mir um meine Schulprobleme<br />

gekümmert. In dieser Zeit habe<br />

ich eine Praktikums-Klasse<br />

in einer Hauptschule gemacht.<br />

Damit war die Schulpflicht<br />

erledigt, und ich hatte<br />

ein Zeugnis. Eine Lehrstelle als<br />

Maler und Lackierer bekam<br />

ich dann auch. Es lief alles<br />

ganz super, deshalb konnte<br />

ich schließlich in eine eigene<br />

Wohnung ziehen. Die ISE-Betreuung<br />

ging dabei weiter.<br />

Wie kamst du damit klar?<br />

Erst ging alles ganz gut, die<br />

Lehre war nicht schlecht, und<br />

der Meister war auch in Ordnung.<br />

Aber irgendwann<br />

klappte es dann nicht mehr<br />

mit dem Aufstehen am Morgen.<br />

Ich habe meinen Wecker<br />

nicht gehört, und wenn ich<br />

von meinem Betreuer geweckt<br />

wurde, bin ich nur kurz<br />

aufgestanden und dann wieder eingeschlafen.<br />

Da gab es bald Ärger in der<br />

Lehrstelle, weil die auf mich gewartet haben<br />

und deshalb nicht mehr pünktlich zu<br />

den Baustellen gekommen sind.<br />

Wie ging es mit der Lehrstelle weiter?<br />

Nachdem ich die Probezeit doch knapp geschafft<br />

hatte, habe ich mir bei einem Unfall<br />

beide Handgelenke gebrochen und war<br />

erst mal vier Monate krankgeschrieben. Irgendwann<br />

stellte sich dann heraus, dass<br />

ich den Beruf wegen der körperlichen Belastung<br />

nicht mehr machen konnte. Da<br />

musste ich mir also überlegen, was ich<br />

sonst beruflich noch machen könnte.<br />

Warum hast du dich dann für die Übergangswohngruppe<br />

entschieden?<br />

Erst hatte ich überhaupt keine Ahnung,<br />

wusste gar nicht mehr weiter. Es hat auch<br />

genervt, immer allein zu Hause zu sein -<br />

alle meine Freunde waren in der Schule<br />

oder in der Arbeit und hatten keine Zeit<br />

mehr. Ich habe dann eine neue Lehrstelle<br />

als Friseur gefunden. Damit es da gut läuft,<br />

war es mir ganz recht, dass ich in die<br />

Übergangswohngruppe wechseln sollte.<br />

Mit dem Kochbuch ein<br />

Stück Eigenständigkeit erobern:<br />

Michael packt’s an!<br />

Ich hatte nämlich Angst, dass es am Morgen<br />

wieder nicht klappt und ich meine<br />

Lehrstelle wieder verlieren könnte.<br />

Wie hat dir das Leben in der Übergangswohngruppe<br />

weitergeholfen?<br />

Vor allem habe ich gelernt, selbständig<br />

rechtzeitig aufzustehen und mehr Verantwortung<br />

für mich zu übernehmen! Ich gehe<br />

regelmäßig in die Arbeit und in die Berufsschule.<br />

Außerdem finde ich gut, dass<br />

ich in der Wohngruppe Kontakt zu anderen<br />

Leuten haben kann - oder eben mal<br />

allein sein, wenn ich es will. Hier koche<br />

ich auch öfter für mich selbst als früher.<br />

Wie soll es für dich weitergehen? Was<br />

hast du für Ziele?<br />

Als nächstes möchte ich wieder in eine eigene<br />

Wohnung ziehen und meine Lehre<br />

fertig machen. Mittlerweile traue ich mir<br />

zu, dass ich das auch schaffe.<br />

Wir danken dir für das Interview und<br />

wünschen dir alles Gute für deine Zukunft!<br />

DAS INTERVIEW FÜHRTE SABINA ENDTER-NAVRATIL ■

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