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Lesebuch zum Schwerpunktthema - Evangelische Kirche in ...

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DIMENSIONEN<br />

Die Reformation war<br />

e<strong>in</strong>e europäische Bewegung<br />

In Skand<strong>in</strong>avien gab es ke<strong>in</strong>en so radikalen Umbruch wie <strong>in</strong> Deutschland.<br />

In Schweden wechselten die katholischen Bischöfe e<strong>in</strong>fach das Bekenntnis,<br />

sagt Stephanie Dietrich im Gespräch mit Silke Römhild.<br />

Sie s<strong>in</strong>d Deutsche, leben aber schon viele<br />

Jahre <strong>in</strong> Norwegen und arbeiten dort für<br />

die norwegische <strong>Kirche</strong>. Wie kam das?<br />

Als ich 21 Jahre alt war, wollte ich für e<strong>in</strong><br />

Jahr <strong>in</strong>s Ausland. Ich habe <strong>in</strong> Neuendettelsau<br />

studiert und die boten im Grundstudium<br />

e<strong>in</strong>en Austausch mit Oslo an. Da hat es mir<br />

sehr gut gefallen. In der Zeit waren <strong>in</strong><br />

Deutschland die Berufsaussichten für Theologen<br />

eher schwierig. In Norwegen dagegen<br />

ist irgendwann der kirchenleitende Bischof<br />

auf mich zugekommen und hat gesagt: Bei<br />

uns ist die Lage anders. Wir können dich <strong>in</strong><br />

der norwegischen <strong>Kirche</strong> gut gebrauchen.<br />

Und so habe ich dort Examen gemacht und<br />

b<strong>in</strong> geblieben. Unter anderem habe ich als<br />

Assistent<strong>in</strong> an der Geme<strong>in</strong>defakultät gearbeitet,<br />

im Außenamt der Norwegischen<br />

<strong>Kirche</strong> als Oberkirchenrät<strong>in</strong> für Ökumene<br />

und jetzt b<strong>in</strong> ich seit vier Jahren an der<br />

Fakultät für Diakoniewissenschaft.<br />

Sie s<strong>in</strong>d Mitglied im Vorbereitungsausschuss<br />

der Synode für das <strong>Schwerpunktthema</strong><br />

„Perspektiven auf das Reformationsjubiläum<br />

2017“. Wie erleben Sie aus<br />

der norwegischen Perspektive die Vor bereitungen,<br />

die hier <strong>in</strong> Deutschland laufen?<br />

Für mich ist es <strong>in</strong>teressant zu sehen, wie zentral<br />

und wichtig das Ereignis Reformation<br />

und Reformationsjubiläum <strong>in</strong> Deutschland<br />

ist. Es ist bee<strong>in</strong>druckend, mit welchem Enthusiasmus<br />

man sich darauf vorbereitet! Gleichzeitig<br />

habe ich manchmal den E<strong>in</strong>druck, dass<br />

man sich vielleicht nicht immer bewusst<br />

macht, dass die Reformation e<strong>in</strong>e europäische<br />

Bewegung war, die nicht nur <strong>in</strong> Deutschland<br />

stattgefunden hat und sich um Mart<strong>in</strong> Luthers<br />

reformatorische Entdeckungen dreht.<br />

Es gab Reformatoren <strong>in</strong> ganz Europa, <strong>in</strong> der<br />

Schweiz <strong>zum</strong> Beispiel und <strong>in</strong> Frankreich. Es<br />

26<br />

Reformationsjubiläum 2017<br />

gab ja auch schon reformatorische Gedanken<br />

von der damaligen katholischen <strong>Kirche</strong> und<br />

<strong>in</strong> <strong>Kirche</strong>n wie den Waldensern, schon vor<br />

der Zeit der großen Reformatoren. Geistesgeschichtlich<br />

und politisch war vieles am „Gären“.<br />

Deutschland ist e<strong>in</strong> sehr wichtiges Land<br />

für die Reformation, aber eben nicht das E<strong>in</strong>zige.<br />

Was erhoffen Sie sich von der EKD­Synode<br />

2012?<br />

Die EKD-Synode soll durch ihr Thema Impulse<br />

setzen, was es heute heißt, als <strong>Kirche</strong>n,<br />

die durch die Reformation entscheidend geprägt<br />

s<strong>in</strong>d, immer wieder neu mite<strong>in</strong>ander<br />

<strong>Kirche</strong> zu se<strong>in</strong>. Ich hoffe, dass die Mitglieder<br />

der Synode neue Impulse von dort mit nach<br />

Hause, <strong>in</strong> ihre Geme<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> ihre verschiedenen<br />

Kontexte und Zusammenhänge tragen.<br />

Was heißt es, sowohl zur Reformationszeit als<br />

auch heute, sich als <strong>Kirche</strong> zu erneuern? Hoffentlich<br />

wird es gel<strong>in</strong>gen bewusst<strong>zum</strong>achen,<br />

dass Reformation bedeutet, die Relevanz und<br />

die Lebensfähigkeit unserer <strong>Kirche</strong>n immer<br />

wieder zu erneuern. Dass man sich nicht nur<br />

auf e<strong>in</strong> großes Fest vorbereitet – so schön das<br />

ist –, sondern sich <strong>in</strong>haltlich Gedanken<br />

macht, was bedeutet das für unser Zusammenleben<br />

und für die Geme<strong>in</strong>schaft und die<br />

Gesellschaft <strong>in</strong> Deutschland und global. Wie<br />

können wir heute mite<strong>in</strong>ander und für die<br />

Menschen <strong>in</strong> unserem Umfeld <strong>Kirche</strong> se<strong>in</strong>?<br />

Was heißt es heute, der Leib Jesu Christi hier<br />

vor Ort, <strong>in</strong> Europa und der ganzen Welt zu<br />

se<strong>in</strong>?<br />

Wie kann das Jubiläum 2017 darüber h<strong>in</strong>aus<br />

die <strong>in</strong>ternationale Perspektive aufnehmen?<br />

Vor 100 Jahren hat man Mart<strong>in</strong> Luther als<br />

Helden gefeiert. Dieses Mal wollen wir das<br />

anders machen. Wir müssen darüber nachdenken,<br />

wie die Reformatoren darum gerungen<br />

haben, dass die <strong>Kirche</strong> irdischer Raum<br />

der Wahrheit des Evangeliums se<strong>in</strong> kann.<br />

Das müssen wir hochhalten. Und wir müssen<br />

nach vorne blicken. Was heißt es <strong>in</strong> 100<br />

oder 120 Jahren, <strong>Kirche</strong> Jesu Christi zu se<strong>in</strong>?<br />

Was heißt es, <strong>Kirche</strong> füre<strong>in</strong>ander, <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft<br />

zu se<strong>in</strong>? Das Evangelium wird<br />

heute verkündigt und vermittelt mit und ohne<br />

Worte. Ich denke, für unsere <strong>Kirche</strong>n ist<br />

das diakonische Zeugnis genauso wichtig<br />

wie das Zeugnis <strong>in</strong> der Verkündigung. Da<br />

haben wir viel zu lernen. Und wie gehen<br />

Christ<strong>in</strong>nen und Christen auf der ganzen<br />

Welt mite<strong>in</strong>ander um? Der Großteil der<br />

Christen auf der Welt lebt im globalen Süden.<br />

Das haben wir uns <strong>in</strong> Europa oft noch<br />

gar nicht richtig klargemacht. Das Jubiläum<br />

kann uns deshalb auch daran er<strong>in</strong>nern, dass<br />

<strong>Kirche</strong> immer <strong>in</strong> Bewegung, <strong>in</strong> Entwicklung<br />

se<strong>in</strong> muss – zu Zeiten der Reformation, und<br />

heute.<br />

In Deutschland wird darüber diskutiert,<br />

ob es e<strong>in</strong> Reformationsgedenken oder e<strong>in</strong>e<br />

Reformationsfeier se<strong>in</strong> soll. Wie sehen Sie<br />

das?<br />

Ich denke, es ist beides! In Skand<strong>in</strong>avien war<br />

die Reformation ke<strong>in</strong> so radikaler Umbruch<br />

wie <strong>in</strong> Deutschland. Im Pr<strong>in</strong>zip wurden die<br />

Geistlichen e<strong>in</strong>fach umgeschult auf das lutherische<br />

Bekenntnis. In Schweden <strong>zum</strong> Beispiel<br />

wurden die katholischen Bischöfe zu lutherischen<br />

Bischöfen. In Norwegen und Dänemark<br />

wurden Super<strong>in</strong>tendenten e<strong>in</strong>gesetzt,<br />

die Lutheraner waren. Daran kann man sehen,<br />

dass die Reformation zwar e<strong>in</strong>e fundamentale<br />

Erneuerung der eigenen <strong>Kirche</strong> bedeutete,<br />

aber zugleich e<strong>in</strong>e gewisse Kont<strong>in</strong>uität<br />

bestand. Deswegen gibt es dieses<br />

Bewusstse<strong>in</strong>: Wir s<strong>in</strong>d die <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Norwe-<br />

Fotos: oben: Diakonhjemmet, unten: epd-bild / Norbert Neetz

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