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BLATTWERK AUSGABE No.13 – August bis September 2020

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Von Puppen

und Brücken

ÜBER EIN THEATER

DER DISTANZ

Von Sophie Reyer

Also, ein Theater ist es auf jeden Fall, dieses Spektakel

der Medien rund um Corona. Oder? Wen wundert es

da, dass die Menschheit von der dramatischen Form fürs

Erste genug zu haben scheint. Was folgte, wissen wir alle:

Der große Shutdown, die Unmöglichkeit, sich noch leiblich

und real zu begegnen. Es scheint, als hätte der Dataismus

nun endgültig die Weltherrschaft an sich gerissen: Entkörpert

zieht das Individuum sich zurück, hegt und pflegt in

„Quarantäne“ seine Amazon-Käufe und steigert den Netflix-Konsum,

während für eine Welt zum Angreifen kaum

noch etwas übrig zu sein scheint an Kraft. Kein Wunder:

Muss man doch zwischen Zoom- und Sype-Meetings auch

noch dafür sorgen, dass einem der Pizza-Service rechtzeitig

das Abendessen liefert, oder?

Wie pervers die Situation in unserer Wohlstandsgesellschaft

angesichts der Lage ist, das weiß keiner so gut in

seiner künstlerischen Herangehensweise auszudrücken

wie Peter Wagner. Vehement setzt er sich gegen die neue

„Mode“, in der nur die Devise „Help us flatten the curve“

zu gelten scheint, ein, indem er einfach einmal schnell eine

neue Form der Theaterkonzeption entwickelt. Und zwar

die des Distanz Theaters. „Bleib mir vom Leibe!“ nennt sich

demnach auch, in leicht ironischer Weise, die neue Produktion,

die hier entsteht, und sie trägt den augenzwinkernden

Untertitel „Sagenhafte Übergriffe im Zeitalter der Distanz“.

Sagenhaft sind die Unternehmungen, die diese neue dramatische

Form auszuloten versucht, auch tatsächlich: Denn

auf das Sagen, das Sprechen, die Sprache an sich konzentrieren

sich die Texte der AutorInnen Petra Ganglbauer,

Siegmund Kleindl, Sophie Reyer, Katharina Tiwald, Konstantin

Milena Vlasich und Peter Wagner auch tatsächlich.

Hier wird – zum Beispiel in Petra Ganglbauers Fall – lyrische

Rede auf neuartige Weise ins Bühnengeschehen hineingeflochten,

hier kommen – so in etwa im Prolog des Stückes

– Laute wie „O und A“ genauso wie zauberspruchartiges

Geraune (z. B. ene mene tekel) zu Wort.

Ja, aber sagenhaft ist dieses Theaterwerk auch in dem Sinne,

dass es sich mit Sagen, also märchenhaften und mythischen

Elementen, auseinandersetzt. Demnach erzählt das

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