Online Programmheft Die Agonie und die ... - Theater Dortmund
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verstorben. Im Januar 2012 ist Daisey zu Gast bei Ira Glass in der Radiosendung „This American Life“. In<br />
<strong>die</strong>sem journalistischen Format wird auch ein Auszug aus Daiseys Monolog gesendet. „Mr Daisey and the Apple<br />
Factory“ wird zu einer der meist herunter geladenen TAL-Episoden. Zwei Wochen später, am 25. Januar 2012,<br />
veröffentlicht <strong>die</strong> renommierte New York Times in der Reihe „The iEconomy“ einen Artikel von Journalist<br />
Charles Duhigg über Apple, Aluminiumstaub-Explosionen, <strong>die</strong> Foxconn-Fabriken <strong>und</strong> China: IN CHINA,<br />
HUMAN COSTS ARE BUILT INTO AN IPAD. <strong>Die</strong> Debatte über Globalisierungsethik am Beispiel<br />
des Unternehmens Apple ist auf einem Höhepunkt angelangt, Apple bemüht sich um Schadensbegrenzung.<br />
<strong>Die</strong> Redaktion von „This American Life“ zieht <strong>die</strong> Episode mit Mike Daisey einige Wochen später zurück, mit<br />
dem Vorwurf, dass Daisey u.a. den Anschein erweckt habe, den kompletten Geschichtsstrang des Monologs, der<br />
in China spielt, persönlich erlebt zu haben, einige Details verfälschend dramatisch zugespitzt sowie den Sender<br />
bezüglich der Kontaktdaten seiner Übersetzerin getäuscht zu haben (was Daisey zugibt). Noch Monate später<br />
wird Mike Daisey im Internet mit Häme überschüttet. Inzwischen hat er <strong>die</strong> sachlich umstrittenen 5 Minuten<br />
seines ca. 90-minütigen <strong>Theater</strong>textes überarbeitet, beide Versionen stehen kostenlos im Internet.<br />
SCHULZ Da ist ja ein Fokusklau in Reinform passiert. Reaktion des Immunsystems? <strong>Die</strong><br />
Debatte verschob sich sofort komplett – weg von den Selbstmorden chinesischer<br />
Arbeiter, weg von den unumstrittenen Zuständen bei Foxconn, weg von Apple,<br />
weg von Fragen der Verantwortung. Hin zu Charakterstu<strong>die</strong>n zur Person Mike<br />
Daisey, zur Frage, was <strong>Theater</strong> darf <strong>und</strong> was nicht, <strong>und</strong> wie sich Kunst von<br />
Journalismus unterscheidet. <strong>Die</strong> Tech-Branche muss sich ins Fäustchen gelacht<br />
haben. Und nicht nur <strong>die</strong>! Jen Whigham <strong>und</strong> ich saßen hier in Deutschland an<br />
unseren Rechnern <strong>und</strong> konnten förmlich <strong>die</strong> Erleichterung im Netz spüren, <strong>die</strong><br />
einem aus den „Mike Daisey hat gelogen“-Headlines erfreut entgegenstrahlte: ‚<strong>Die</strong><br />
Details? Egal! Vorbei mit den gemischten Gefühle, alles wieder gut!’<br />
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