Online Programmheft Die Agonie und die ... - Theater Dortmund
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DER BLINDE FLECK<br />
13. Mai 2012: Nach vielen Emails zwischen Dortm<strong>und</strong> <strong>und</strong> New York in Vorbereitung<br />
auf <strong>die</strong> Deutschsprachige Erstaufführung von DIE AGONIE UND DIE EKSTASE DES<br />
STEVE JOBS am Schauspiel Dortm<strong>und</strong> in der Regie von Jennifer Whigham gibt es ein<br />
persönliches Treffens von Mike Daisey <strong>und</strong> Dramaturgin Anne-Kathrin Schulz. Der 1976<br />
geborene US-amerikanische Autor <strong>und</strong> Performer von über 20 Bühnenprogrammen ist<br />
mit seiner Frau, der Regisseurin Jean-Michele Gregory zu Besuch in Berlin.<br />
DAISEY Das Stück speist sich aus meiner eigenen Lebensgeschichte <strong>und</strong> aus Ergebnissen<br />
meiner Recherchen. Ich habe zum Beispiel acht Biographien über Steve Jobs<br />
gelesen.<br />
SCHULZ Acht?<br />
DAISEY Ja, <strong>und</strong> ich kann jedem nur davon abraten. Sie sind alle fürchterlich. Alle leiden an<br />
dem selben Problem: <strong>Die</strong> Biographien von Wirtschaftsbossen sind nie besonders<br />
interessant, weil im Leben von Wirtschaftsbossen nicht wirklich viel passiert. Das<br />
ist sogar bei Steve Jobs so – <strong>und</strong> er ist vermutlich der interessanteste<br />
Wirtschaftboss von allen. Es ist auch ein Problem des Formats – <strong>die</strong> Verlage<br />
wollen 300, 400-Seiten-Bücher. Ein sechzigseitiges Buch über Steve Jobs wäre<br />
sicher faszinierende Lektüre. Und sein Leben ist großartiges Material für einen<br />
<strong>Theater</strong>abend, aber nicht für eine 400-Seiten-Biographie. <strong>Die</strong> letzte war ja sogar<br />
700 Seiten lang! Aber ich habe sie alle gelesen. Es gibt auch noch andere Einflüsse<br />
– <strong>die</strong> Struktur <strong>die</strong>ses Monologs war z.B. stark beeinflusst von dem Roman<br />
NEUROMANCER von William Gibson. Auch eine gewisse Art, mit Worten<br />
umzugehen. Auch SNOW CRASH von Neal Stephenson spielte eine Rolle. Es<br />
gibt im Monolog einige erzählerische Passagen, <strong>die</strong> von SNOW CRASH inspiriert<br />
sind. <strong>Die</strong>ses Heraufbeschwören von Distopien. Und weitere Inspirationsquellen<br />
werden ja im Text genannt – z.B. 1984 <strong>und</strong> BLADERUNNER.<br />
SCHULZ In der Recherchephase fürs <strong>Theater</strong>stück – wobei, sollte ich DIE AGONIE<br />
UND DIE EKSTASE DES STEVE JOBS überhaupt als solches bezeichnen?<br />
DAISEY Es ist eigenartig... Ich selber nenne meine Monologe immer einfach Monologe,<br />
jedenfalls bei meinen eigenen Aufführungen. Sie sind ehrlich gesagt der erste<br />
Dramaturg eines <strong>Theater</strong>s, den ich treffe, also Repräsentant einer anderen<br />
Produktion, <strong>die</strong> den Text realisiert. Ich habe das Transkript ja erst im Februar<br />
2012 online gestellt. Ich habe auch schon ein <strong>Theater</strong>stück geschrieben, aber mein<br />
Fokus lag immer auf meinen Monologen. Wenn ich sie selber performe,<br />
bezeichne ich sie absichtlich nicht als „<strong>Theater</strong>stück“, weil sie nicht wirklich den<br />
traditionellen Gesetzen eines <strong>Theater</strong>stücks gehorchen. Es gibt ja normalerweise<br />
auch keinen Stücktext, kein Transkript. Und ich selber bin auch kein Schauspieler<br />
im klassischen Sinne – wenn ich auf der Bühne bin, in einer Rolle, dann höchstens<br />
in dem Sinne, wie wir alle immerzu eine Rolle spielen.<br />
Aber es ist natürlich sofort ein anderer Fall, wenn es ein Transkript gibt <strong>und</strong> einen<br />
Schauspieler. Dann ist es durchaus eine Art <strong>Theater</strong>stück. Aber das ist wirklich<br />
neues Terrain für mich. Ich wurde über <strong>die</strong> Jahre immer wieder gebeten, von<br />
meinen Monologen Transkripte anzufertigen, aber das hier ist das erste, das es<br />
tatsächlich gibt.<br />
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