Leitlinien für den Bau und die Ausgestaltung von - Deutsches ...
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Die sich entwickelnde Liturgie stellte neue Anforderungen an <strong>den</strong> gottes<strong>die</strong>nstlichen<br />
Raum. Die Formen heidnischer Kultstätten entsprachen nicht<br />
dem christlichen Gottes<strong>die</strong>nstverständnis. Seit der Konstantinischen Zeit<br />
wurde vielmehr im Westen <strong>die</strong> als Versammlungsraum <strong>für</strong> politische <strong>und</strong><br />
wirtschaftliche Zwecke des römischen Reiches <strong>die</strong>nende Basilika zum<br />
beherrschen<strong>den</strong> Gr<strong>und</strong>typ des Kirchengebäudes. In ihm ließen sich <strong>die</strong><br />
liturgischen Versammlungsformen des Gottesvolkes sinnvoll verwirklichen.<br />
Wenn man <strong>die</strong> unterschiedlichen Typen der abendländischen Kirchenbauten<br />
im Verlauf der Geschichte betrachtet, wird man darin u. a. das Selbstverständnis<br />
der Kirche der jeweiligen Zeit wiedererkennen. Kirchenbild<br />
<strong>und</strong> Kirchenbau korrespon<strong>die</strong>ren miteinander. Während ursprünglich das<br />
Motiv der Versammlung überwiegt, schiebt sich im Laufe der folgen<strong>den</strong><br />
Jahrh<strong>und</strong>erte aufgr<strong>und</strong> der engen Verbindung <strong>von</strong> Kirche <strong>und</strong> Römischem<br />
Imperium der Repräsentationsgedanke in <strong>den</strong> Vordergr<strong>und</strong>. Gottes<strong>die</strong>nst<br />
<strong>und</strong> gottes<strong>die</strong>nstlicher Raum spiegeln <strong>den</strong> hierarchisch geordneten Kosmos<br />
der römischen Reichskirche wider. Der Pantokrator Christus nimmt<br />
<strong>den</strong> Platz ein, der in <strong>den</strong> profanen Basiliken <strong>und</strong> in dem darin stattfin<strong>den</strong><strong>den</strong><br />
Zeremoniell dem römischen Kaiser zukam.<br />
Nach dem Verfall der spätantiken Kultur ist das Kirchenbild stark <strong>von</strong> <strong>den</strong><br />
Mönchsgemeinschaften geprägt, <strong>die</strong> das christliche Erbe auf ihre Weise<br />
weitertragen. Mönchsstand <strong>und</strong> weltlicher Stand wer<strong>den</strong> stark <strong>von</strong>einander<br />
abgegrenzt. Architektonisch wirkt sich <strong>die</strong>s in einer Absonderung des<br />
Mönchschors vom Gläubigenraum aus.<br />
Das Selbstverständnis der Kirche als „Sacrum Imperium“ (als Reich Gottes<br />
auf Er<strong>den</strong>) in der Karolingerzeit, das sich später in <strong>den</strong> romanischen<br />
Basiliken widerspiegelt, wird in der hochmittelalterlichen Stadtkultur abgelöst<br />
durch das Bild der Kirche als der vollkommenen Stadt Gottes, das<br />
<strong>die</strong> gotischen Kathedralen in höchster Vollendung zum Ausdruck bringen.<br />
Der gegliederte Einheitsraum wird nun <strong>von</strong> einer nach Stän<strong>den</strong> geordneten<br />
Raumkonzeption abgelöst; in der Spätgotik tritt das Individuum stärker<br />
in <strong>den</strong> Vordergr<strong>und</strong>, so dass zusätzliche Nebenräume <strong>für</strong> private Andachtsübungen<br />
nötig wer<strong>den</strong>.<br />
Die Bildidee der durch <strong>die</strong> weltliche <strong>und</strong> geistliche Herrschaft geeinten<br />
Christenheit geht im Spätmittelalter politisch <strong>und</strong> religiös mehr <strong>und</strong> mehr<br />
verloren. Spätestens seit der Reformation scheint eine Selbstdarstellung<br />
der Kirche im Sinne der vollkommenen Stadt Gottes nicht mehr möglich.<br />
Die katholische Reform führt aber bald zur Entdeckung eines neuen<br />
katholischen Selbstverständnisses, das sich im triumphalen Gestus des<br />
Barock k<strong>und</strong>tut. Die Barockkirche ist zwar als Einheitsraum konzipiert<br />
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