21.09.2020 Aufrufe

PARNASS 03/2020 Leseprobe

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kolumne

THOMAS TRENKLER | Foto: Rita Newman

KRIEGSGEHEUL

IM VERTEILUNGS-

KAMPF

Albertina-Direktor Klaus Albrecht

Schröder schlug vor, eine Zeit lang auf

das Theater zu verzichten. Er entfachte

damit einen Sturm der Entrüstung,

der ihn selbst überrascht haben dürfte.

THOMAS TRENKLER

ei manchen Kulturmanagern

liegen die

Nerven blank. Eigentlich

wollte ich

mit Klaus Albrecht

Schröder nur über die neue Dependance

reden. Aber dann hielt

der Albertina-Direktor beinahe einen

Monolog – über Corona und

die Auswirkungen. Er meinte, dass

uns die Krise „die nächsten zwei,

drei bis zu fünf Jahre beschäftigen“

werde: „Wir werden weit mehr

Arbeitslose haben, die Kaufkraft

wird nachlassen. Das wird nicht

nur den Automobilsektor und die

Luftfahrtindustrie treffen, das trifft

auch die Kulturindustrie, das trifft

selbstverständlich auch die Theater

und Museen.“

Diesem Befund wird man wohl

oder übel zustimmen müssen.

Doch die Schlüsse, die Schröder

im KURIER-Interview zog, brachten

viele in Rage. Man beklagte

unter anderem eine anhebende

Entsolidarisierung. Denn der

Albertina-Chef spielte, als sei er

bereits mitten im Verteilungskampf,

die bildende gegen die darstellende

Kunst aus. Wenn die

Zahl der Sitzplätze stark reduziert

werden müsse, steige der Subventionsbedarf

pro Karte – bei manchen

Opernproduktionen auf

mehrere hundert Euro. „Und da

stellt sich die Frage, ob man am

bisherigen Premierenreigen festhält

oder ob man nicht lieber zuwartet,

bis die Krise vorbei ist.“

Simpel gedacht: Die Theater

spielen nicht – und daher bleiben

mehr Mittel für die Museen

übrig. Die Zahlen legen diesen

Schluss sogar nahe: Die Albertina

erhielt 2018 als Basisabgeltung

7,75 Millionen Euro, die Staatsoper

71,4 Millionen. Die Albertina

hatte eine Million Besucher, die

Staatsoper 609.000. Folglich wurde

jeder Besuch der Albertina im

Durchschnitt mit 7,70 Euro gestützt

– und jeder der Staatsoper

mit 117,25 Euro.

Bei einer Triage also: Wen soll

die Kulturpolitik vor dem staatlichen

Sauerstoffzelt verrecken lassen?

Für Schröder scheint die Sache

klar. Und er führt noch einen

weiteren Grund ins Treffen: „Meiner

Meinung nach ist das basa-

le Grundrecht auf Gesundheit und

Unversehrtheit höher zu bewerten

als Kunst und Kultur. Das ist auch

der Grund, warum wir derzeit in

der Albertina keine Großveranstaltungen

– keine Eröffnungen mit

tausenden Besuchern, keine Konzerte

und keine Lesungen – anbieten.

Weil ich nicht will, dass die

Albertina ein Super-Spreader wird.“

Implizit unterstellte Schröder damit

den Theaterhäusern, eine

potenzielle Gefahrenquelle zu

sein. Bogdan Roščić, der neue

Staatsoperndirektor, ließ sich dies

nicht gefallen: Er konstatierte eine

Dreieckskombination aus „Hybris,

Ahnungslosigkeit und Perfidie“.

Schröder ruderte in der Folge zurück

und wies die Schuld von sich.

Herbert Föttinger, Direktor des

Josefstädter Theaters, gewann, wie

er zu Protokoll gab, nach einem

Telefonat mit dem Albertina-Chef

den Eindruck, dass „eine gewisse

Tendenz in den Fragen“ zu den

Aussagen geführt hätten. Es erstaunt

mich, wenn man glaubt, den

eloquentesten Redner unter den

Museumsdirektoren derart leicht

manipulieren zu können. Nein,

man kriegt einen Schröder nicht

dazu, Aussagen gegen seine Überzeugungen

zu tätigen. Und ja, es

ist nicht alles ganz falsch, was der

Albertina-Chef sagt.

Natürlich bringt es kurzfristig

nichts, Vorstellungen abzusagen,

weil die Verträge lange Laufzeiten

haben. Aber viele von uns werden

sich die Frage stellen, ob es in dieser

Situation sinnvoll ist, sich zum

Beispiel eine Repertoirevorstellung

anzuschauen. Zumal die Theater –

im Gegensatz zu den Salzburger

Festspielen – keinen Corona-Spielplan

erstellt haben: Sie wollen große

Stücke zeigen und auch Pausen

ansetzen.

Möge die Übung gelingen.

Denn so bedenklich die „Jedermann“-Premiere

war (aufgrund des

einsetzenden Regens stürmten alle

ins Große Festspielhaus), so grandios

war die „Elektra“. Man stellte

kurz fest, dass die Musiker derart

zusammengepfercht im Orchestergraben

sitzen, als gebe es keine Abstandsregeln.

Aber dann vergaß

man trotz Mund-Nasen-Schutz für

zwei Stunden alle Widrigkeiten.

PA R NASS 03/2020

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!