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PARNASS 03/2020 Leseprobe

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K U N S T M A G A Z I N

KUNST

KLIMA

ZUKUNFT?

Heft 3/2020 | September–November | www.parnass.at | Ö/DE: EUR 18,– | CH: SFR 31,– | Österreichische Post AG | MZ 02Z032769 M | PARNASS Verlag GesmbH | Loquaiplatz 12 | 1060 Wien

POP ART

Andy Warhol Exhibits

BAYERN

Kunst- und Kulturraum

IM PORTRÄT

Lieselott Beschorner

Gerwald Rockenschaub

Franz Gertsch


Clifton Baumatic – Das neue Must-Have für alle Ästheten.

M0A10547

M0A10548


Erhältlich bei führenden Juwelieren.

www.baume-et-mercier.com


Anselm Kiefer

für WAlther von der vogelWeide

sAlzburg

september 2020


SILVIE AIGNER

CHEFREDAKTEURIN

Foto: © christianjungwirth.com

EDITORIAL

ARTLIFE

mehr Kunst

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alle Infos dazu finden

Sie auf unserem

Online-Portal

WWW.PARNASS.AT

COVER

MARTIN GAAL

PARNASS

„Das Geniale an Andy war, dass er die Regel verändert hat, was Kunst sein darf. Sein Einfluss, auch

auf junge Künstler heute, ist gewaltig“, so der legendäre Galerist und Kunsthändler Irving Blum.

Blum gilt als Entdecker des späteren Superstars Andy Warhol. Als Erster zeigte er Warhols Bilder

in einer Einzelausstellung – in seiner damaligen Galerie in Los Angeles. „Noch nie hat jemand Produkte

gemalt, die Ästhetik der Waren kopiert und zu Kunst erklärt. Hinzu kommt, dass Warhol davon

Serien anfertigt und später auch druckt. Es ist ein Angriff auf alles, was in der Kunst als erhaben

gilt“, resümierte Blum 2012 im Interview mit Jörg Burger für „Die Zeit“. Wie sehr Andy Warhol

in der Kunst der nächsten Generationen nachhallt, zeigte im selben Jahr eindrucksvoll die Ausstellung

„Regarding Warhol. Sixty Artists, Fifty Years“ im Metropolitan Museum of Art, New York,

auf die ich damals beim Durchstreifen der endlosen Weiten des Met eigentlich mehr zufällig als bewusst

gestoßen bin und die mich so begeistert hat, dass ich erst nach Stunden, an Informationen

und visuellen Eindrücken satt, wieder herauskam. Aktuell sind dem Pop-Art-Künstler im Herbst

wieder eine Reihe von Ausstellungen gewidmet. Sie alle versuchen, das künstlerische Werk Warhols

neu zu interpretieren, das weit umfassender ist als die Hollywood-Ikonen und die Campbell’s

Suppendosen in ihren „32 Geschmacksrichtungen“ (Andy Warhol). Wie sehr sich Warhol auch mit

den sozialen und politischen Themen seiner Zeit beschäftigte, zeigt die eindrucksvolle Serie „Ladies

and Gentleman“, und letztlich sind auch die Suppendosen ein Porträt ihrer Zeit.

Doch noch ein zweites Thema steht im Fokus dieser Ausgabe. Eines, das uns ein großes Anliegen

ist. Die Bewältigung der Klimakrise und die Bewahrung der Biodiversität haben in weiten Teilen

der Welt hohe Priorität. Ebenso werfen die ökologischen Herausforderungen auch komplexe soziale

Fragen von Migration bis zur Neudefinition von Arbeit und Fortschritt im 21. Jahrhundert auf. Der

Klima wandel ist längst auch zum Thema der Kunst geworden. Diese zeigt Fakten auf, eröffnet neue

Perspektiven, stellt neue Wege zur Diskussion. Die globale Kunstszene hinterlässt jedoch auch einen

gigantischen Fußabdruck. Neue Möglichkeiten der Kunstproduktion und ein klimagerechtes Handeln

in Museen stehen daher verstärkt im Fokus. Unter dem Titel „Kunst.Klima.Zukunft?“ stellen

wir nachhaltige Initiativen im Museumsbereich vor sowie aktuelle Ausstellungen, die sich mit ökologischen

Themen beschäftigen. Fiona Liewehr und Roland Schöny haben als Einstieg in das Thema

ein wunderbares Glossar verfasst und die Künstlerin und Philosophin Elisabeth von Samsonow einen

Essay, in dem sie eindrücklich auf die Bedeutung und wichtige Rolle der Kunst in der aktuellen

Klimadiskussion hinweist. Danken möchte ich auch unserem Art Director Martin Gaal, der nicht

nur für diese Rubrik ein ganz besonderes Layout entwickelt hat, sondern auch das Cover der Ausgabe

gestaltete. „Great, great, great“, um am Schluss nochmals Andy Warhol zu zitieren.

PA R NASS 03/2020 3


ANDY WARHOL | Beethoven, 1987 – Seite 16 & Seite 188

INHALT

POP ART

16 Andy Warhol Exhibits

28 (Keine) Pop Art in Österreich?

36 Appropriation Art

KUNST · KLIMA · ZUKUNFT?

42 Kunst und Klimawandel

54 Zehn Fragen zu Ökologie & Nachhaltigkeit

58 Kunst als Korrektiv

60 Themenausstellungen

Andy Warhol, Beethoven, 1987 | Siebdruck auf Lenox Museumskarton, 101.6 × 101.6 cm, TP 67/72, TP 67/72 | Signed by the Executor of The Estate of Andy Warhol, Publisher and Printer on a stamped certificate of authenticity

Courtesy und © Galerie Gerald Hartinger | Richard Deacon, Totes Bein, 2007 | ALBERTINA, Wien – The JABLONKA Collection © by the artist | Quetzal-feather headdress, Feathers of the quetzal, Mexico, Aztec, around 1520 AD, KHM-Museumsverband,

Weltmuseum Wien, © KHM-Museumsverband | Monika Kus-Picco, Sleeping Pill, 2019 © by the artist | Mara Schrötter-Malliczky, Plakat „Mirus. Antinikotin“ (überarbeitet), 1919 | MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien, Foto: © MAK |

4 PA R NASS 03/2020


Inhalt

Otobong Nkanga, Taste of a Stone (Detail), 2020, Ortsspezifische Installation | Installationsansicht Otobong Nkanga: There‘s No Such Thing as Solid Ground, Gropius Bau, Berlin, 2020 | © by the artist, Foto: Luca Giradini |

Kader Attia, Culture, Another Nature Repaired, 2014, Installation, Ausstellungsansicht «The Injuries are here», Musée Cantonal des Beaux-Arts, Lausanne, 2015 | Courtesy the artist, Kunsthaus Zürich, Musée Cantonal des Beaux-Arts,

Lausanne, Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main, Kunstmuseum Bern, Galerie Nagel Draxler | Foto: Nora Rupp © 2020 ProLitteris, Zürich

JOURNAL

8 Newsflash

10 Messeherbst

12 KOLUMNE:

Aber Hallo!

14 KUNSTSZENE:

Dom Museum Wien

IM PORTRÄT

74 Lieselott Beschorner

80 Gerwald Rockenschaub

86 Franz Gertsch

SPECIALS

90 Kunst- und Kulturraum

Bayern

ART & DESIGN

138 Vienna Design Week 2020

AUSSTELLUNGEN

144 Sammlung Rafael Jablonka

Albertina

148 Azteken

Weltmuseum Wien

150 Elena Luksch-Makowsky

Oberes Belvedere

RICHARD DEACON – Seite 144

152 curated by 2020

Wiener Galerienfestival

160 Spuren und Masken

der Flucht

Landesgalerie Niederösterreich

161 Emilio Vedova – Arnulf Rainer

Arnulf Rainer Museum

162 Monika Kus-Picco,

Martin Praska,

Mario Dalpra

Museum Angerlehner

166 Marina Faust

Museum der Moderne Salzburg

168 Joanna Gleich

Galerie Welz

170 Cyborg Synthesis

esc medien kunst labor

172 Ladies First!

Neue Galerie Graz

176 Dorothee Golz

Galerie Marenzi Leibnitz

178 Peter Fischli

KUB Bregenz

180 Don’t Miss

Ausstellungen im Herbst

182 Otobong Nkanga

Gropius Bau Berlin

184 Kader Attia

Kunsthaus Zürich

186 Anish Kapoor

Houghton Hall

BEETHOVEN 2020

188 Die Wiener Klassik

Mozarthaus Vienna

190 Eine Symphonie in Bildern

aus Wien 1900

Leopold Museum

192 Wien Beethoven 2020

Im Überblick

CITYSPOT

194 Ljubljana

KUNSTMARKT

198 im Kinsky: Werner Berg

200 Auktionen

TERMINE

202 Kunsttermine im Überblick

208 Vorschau / Impressum

QUETZALFEDER-KOPFSCHMUCK – Seite 148 MONIKA KUS-PICCO – Seite 162

MARA SCHRÖTTER-MALLICZKY – Seite 172 OTOBONG NKANGA – Seite 182

KADER ATTIA – Seite 184

DIE NÄCHSTE AUSGABE ERSCHEINT IM DEZEMBER 2020

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet.

Sämtliche Personen bezeichnungen gelten sowohl für männliche als auch für weibliche Kunstschaffende.

PA R NASS 03/2020 5


Kolumne

THOMAS TRENKLER | Foto: Rita Newman

KRIEGSGEHEUL

IM VERTEILUNGS-

KAMPF

Albertina-Direktor Klaus Albrecht

Schröder schlug vor, eine Zeit lang auf

das Theater zu verzichten. Er entfachte

damit einen Sturm der Entrüstung,

der ihn selbst überrascht haben dürfte.

THOMAS TRENKLER

ei manchen Kulturmanagern

liegen die

Nerven blank. Eigentlich

wollte ich

mit Klaus Albrecht

Schröder nur über die neue Dependance

reden. Aber dann hielt

der Albertina-Direktor beinahe einen

Monolog – über Corona und

die Auswirkungen. Er meinte, dass

uns die Krise „die nächsten zwei,

drei bis zu fünf Jahre beschäftigen“

werde: „Wir werden weit mehr

Arbeitslose haben, die Kaufkraft

wird nachlassen. Das wird nicht

nur den Automobilsektor und die

Luftfahrtindustrie treffen, das trifft

auch die Kulturindustrie, das trifft

selbstverständlich auch die Theater

und Museen.“

Diesem Befund wird man wohl

oder übel zustimmen müssen.

Doch die Schlüsse, die Schröder

im KURIER-Interview zog, brachten

viele in Rage. Man beklagte

unter anderem eine anhebende

Entsolidarisierung. Denn der

Albertina-Chef spielte, als sei er

bereits mitten im Verteilungskampf,

die bildende gegen die darstellende

Kunst aus. Wenn die

Zahl der Sitzplätze stark reduziert

werden müsse, steige der Subventionsbedarf

pro Karte – bei manchen

Opernproduktionen auf

mehrere hundert Euro. „Und da

stellt sich die Frage, ob man am

bisherigen Premierenreigen festhält

oder ob man nicht lieber zuwartet,

bis die Krise vorbei ist.“

Simpel gedacht: Die Theater

spielen nicht – und daher bleiben

mehr Mittel für die Museen

übrig. Die Zahlen legen diesen

Schluss sogar nahe: Die Albertina

erhielt 2018 als Basisabgeltung

7,75 Millionen Euro, die Staatsoper

71,4 Millionen. Die Albertina

hatte eine Million Besucher, die

Staatsoper 609.000. Folglich wurde

jeder Besuch der Albertina im

Durchschnitt mit 7,70 Euro gestützt

– und jeder der Staatsoper

mit 117,25 Euro.

Bei einer Triage also: Wen soll

die Kulturpolitik vor dem staatlichen

Sauerstoffzelt verrecken lassen?

Für Schröder scheint die Sache

klar. Und er führt noch einen

weiteren Grund ins Treffen: „Meiner

Meinung nach ist das basa-

le Grundrecht auf Gesundheit und

Unversehrtheit höher zu bewerten

als Kunst und Kultur. Das ist auch

der Grund, warum wir derzeit in

der Albertina keine Großveranstaltungen

– keine Eröffnungen mit

tausenden Besuchern, keine Konzerte

und keine Lesungen – anbieten.

Weil ich nicht will, dass die

Albertina ein Super-Spreader wird.“

Implizit unterstellte Schröder damit

den Theaterhäusern, eine

potenzielle Gefahrenquelle zu

sein. Bogdan Roščić, der neue

Staatsoperndirektor, ließ sich dies

nicht gefallen: Er konstatierte eine

Dreieckskombination aus „Hybris,

Ahnungslosigkeit und Perfidie“.

Schröder ruderte in der Folge zurück

und wies die Schuld von sich.

Herbert Föttinger, Direktor des

Josefstädter Theaters, gewann, wie

er zu Protokoll gab, nach einem

Telefonat mit dem Albertina-Chef

den Eindruck, dass „eine gewisse

Tendenz in den Fragen“ zu den

Aussagen geführt hätten. Es erstaunt

mich, wenn man glaubt, den

eloquentesten Redner unter den

Museumsdirektoren derart leicht

manipulieren zu können. Nein,

man kriegt einen Schröder nicht

dazu, Aussagen gegen seine Überzeugungen

zu tätigen. Und ja, es

ist nicht alles ganz falsch, was der

Albertina-Chef sagt.

Natürlich bringt es kurzfristig

nichts, Vorstellungen abzusagen,

weil die Verträge lange Laufzeiten

haben. Aber viele von uns werden

sich die Frage stellen, ob es in dieser

Situation sinnvoll ist, sich zum

Beispiel eine Repertoirevorstellung

anzuschauen. Zumal die Theater –

im Gegensatz zu den Salzburger

Festspielen – keinen Corona-Spielplan

erstellt haben: Sie wollen große

Stücke zeigen und auch Pausen

ansetzen.

Möge die Übung gelingen.

Denn so bedenklich die „Jedermann“-Premiere

war (aufgrund des

einsetzenden Regens stürmten alle

ins Große Festspielhaus), so grandios

war die „Elektra“. Man stellte

kurz fest, dass die Musiker derart

zusammengepfercht im Orchestergraben

sitzen, als gebe es keine Abstandsregeln.

Aber dann vergaß

man trotz Mund-Nasen-Schutz für

zwei Stunden alle Widrigkeiten.

PA R NASS 03/2020


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Soul, electrified.

Der neue Taycan.

Taycan Turbo S – Stromverbrauch kombiniert: 24,5 – 25,7 kWh/100 km; CO 2

-Emissionen kombiniert: 0 g/km. Stand 01/2020. Die angegebenen Werte wurden nach dem vorgeschriebenen

Messverfahren VO (EG) 715/2007 (in der gegenwärtig geltenden Fassung) im Rahmen der Typengenehmigung des Fahrzeugs auf Basis des neuen WLTP-Prüfverfahrens ermittelt.


Kunstszene

DOM MUSEUM WIEN

ERHÄLT DEN ÖSTERREICHISCHEN MUSEUMSPREIS 2020

„Das Dom Museum Wien ist ein Ort der Anregung zum staunenden Verweilen, der sinnlichen Erkenntnis, der Begegnung und

des Dialogs“, heißt es im Jury-Statement zur Vergabe des Österreichischen Museumspreises 2020. Mit diskursoffener Gestaltung,

gehaltvollen Themen und dem Anspruch, Brücken zu bauen, leitet Johanna Schwanberg seit 2013 das unter ihrer Direktion

neu gestaltete Museum am Stephansplatz. Wir trafen sie zum Gespräch.

PAULA WATZL

PARNASS: Es sind fast drei Jahre, seit Sie im

Oktober 2017 das Dom Museum Wien wieder

eröffneten. Es wurde nicht nur durch die

architektonischen Eingriffe optisch neu ausgerichtet,

sondern vor allem inhaltlich neu positioniert.

Wie gestaltete sich der Weg der letzten

drei Jahre? JOHANNA SCHWANBERG: Wir

freuen uns natürlich riesig, dass diese Vision, die

wir für das neue Dom Museum Wien gehabt haben,

nämlich die Verbindung von Geschichte

und Gegenwart, so erfolgreich ist und auch so

geschätzt wird, von Besucherinnen und Besuchern,

aber auch von der Fachwelt. Und dass sich

das Museum in der Stadt als ein Ort etabliert hat,

der wichtig ist für das Verhandeln von essenziellen

gesellschaftspolitischen und existenziellen

Fragen. Wir haben 2017 mit einer medialen Frage,

die uns entscheidend als Kultur prägt, nämlich

dem Text-Bild-Verhältnis, begonnen, dann

sind wir zu einer Ausstellung übergegangen, die,

wie die letzten Wochen gezeigt haben, hochaktuell

ist: „Zeig mir deine Wunde“, in der wir uns

die Verwundbarkeit des Menschen und der Welt

angesehen haben. Zuletzt haben wir uns dann

hinbewegt zu einer wichtigen Thematik, die in

der Kunstwelt in den letzten Jahrzehnten ein

bisschen stiefmütterlich behandelt wurde, den

Familienbeziehungen. Gerade die Corona-Krise

hat gezeigt, wie brisant diese Thematik ist und

wie viel aktueller unsere Ausstellung noch über

die letzten Monate geworden ist, wo alle mit ihrer

Familie Tage, ja Monate zuhause waren.

P: Beobachten Sie unter Besuchern ausreichend

Lust an diesem Querdenken? JS: Wie immer,

wenn man etwas neu positioniert, gibt es natürlich

Leute, die begeistert sind, und manche, die

sich etwas anderes erwartet haben. Doch es ist

schön, dass wir uns von der Mehrheit der Besucherinnen

und Besucher und der breiteren Öffentlichkeit

bestätigt fühlen. Dass sie begeistert

sind von der Mischung, die wir hier bieten, die ja

auch eine gewisse Haltung ist. Es geht uns nicht

nur darum, historische Kunst und Gegenwartskunst

gegenüberzustellen, weil das vielleicht ästhetisch

spannend aussieht, sondern es ist ein Ziel

damit verbunden: Wir wollen Menschen unterschiedlichster

Gesellschaftsgruppen und Religionen

zusammenbringen. Unser Weg ist eine Brückenfunktion

in mehrfacher Hinsicht, nicht nur

zwischen den Epochen, sondern auch zwischen

unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen.

Gerade in einer Zeit, wo es in der Welt zu immer

größeren Spaltungen kommt, politisch, aber

auch sozial, ist dies ein notwendiger Weg. Wir

sind ein Ort, der versucht, keine Sichtweisen vorzugeben,

sondern ein Ort, der Fragen aufwirft, wo

man selbst aktiviert ist.

»WIR WOLLEN

HELFEN, ABNEIGUNGEN

GEGENÜBER ANDEREN

FORMENSPRACHEN

ABZUBAUEN.«

JOHANNA SCHWANBERG

P: Wie gelingt es, Besucher ins Museum zu holen?

JS: Dank der guten Kooperation mit den

Tourismusstellen sind – neben dem Dom-Kombiticket

– im letzten Halbjahr vor dem Lockdown

vermehrt Touristen gekommen. Viele

kommen wegen den historischen Schätzen, andere

wegen den Sonderausstellungen, es gibt unterschiedliche

Wege, von Mundpropaganda über

Tourismusarbeit. Aber es geht auch darum, immer

wieder zu überraschen, wie mit der immer

wechselnden Gestaltung unserer Fassade am

Stephansplatz. Wir nutzen bewusst verschiedene

Vermittlungsformate, auch in vereinfachter

Sprache, um auch Leute ins Museum zu holen,

die von sich aus nicht ohne weiteres hineinkommen

würden. Es gibt Programme für Demenzbetroffene

oder Kooperationen mit sozialen Einrichtungen.

Es ist uns wichtig, die Augen für das

Unbekannte zu öffnen. Es berührt mich, wenn

ich dann zum Beispiel von besonders gebildeten

Besuchern höre: „Ich habe mir nie gedacht, dass

ich mich im Leben noch einmal für eine Monstranz

interessieren werde, eigentlich interessiert

mich Videokunst.“ Dann sehen sie bei uns aber,

wie viel auch eine Monstranz mit gegenwärtigen

Themen zu tun haben kann. Umgekehrt gibt

es Besucherinnen und Besucher, die eine historische

Führung buchen wollen und dann stehen

sie berührt vor einer Videoinstallation von

Erkan Özgen über ein geflüchtetes Kind. Genau

das wollten wir mit unserem Museum, dass

wir auch helfen wollen, Abneigungen gegenüber

anderen Formensprachen abzubauen.

P: Der Weg, vieles neu und inklusiv zu denken,

wurde inzwischen auch 2019 durch die Nominierung

für den European Museum of the Year

Award bestätigt. Diesen Oktober werden Sie

den Österreichischen Museumspreis 2020 entgegennehmen.

Was bedeutet diese nationale

wie internationale Anerkennung? JS: Sie bedeutet

natürlich eine große Freude und Rückendeckung.

Wenn man etwas neu konzipiert, ist das

nicht immer ganz leicht und ohne Stolpersteine,

es gibt immer Zweifler und Kritiker. Es bedeutet,

dass der Weg, von dem wir absolut überzeugt

sind und von dem wir dachten, er könnte eine

Marktlücke sein, wie auch das Zusammenbringen

von sakral und profan, auch von Fachkolleginnen

und -kollegen bestätigt wird – insbesondere

in Zeiten, wo Religionen wieder stärker ein

Thema sind und auch ein Feld von Konflikten,

als Brückenbauer wahrgenommen zu werden.

Die Preise sind eine Bestärkung, diesen Weg gerade

in schwierigen Zeiten in dieser Form weiter

zu gehen. Mit den Schätzen der Sammlung hätte

man natürlich viele Museen machen können:

etwa eine ausschließlich historische Schatzkammer

oder ein Otto Mauer Museum der Moderne.

Durch die Preise werden auch Schwerpunkte

unseres Konzeptes hervorgehoben, wie, dass

wir bewusst heimische Kunst für unsere Ausstellungen

ankaufen oder dass wir eine demokratische

Haltung pflegen – Kunst ist für mich immer

gleichwertig und diese Haltung sieht man in

den Ausstellungen. Auch wurde betont, dass wir

auf Tiefe setzen, auf Ruhe und Auseinanderset-

14 PA R NASS 03/2020


zung im Museum. Nur auf Masse zu setzen, ist

vielleicht ein anfälligeres Konzept als das unsere.

P: Der Österreichische Museumspreis ist mit

20.000 Euro dotiert – wie werden Sie dieses

Budget einsetzen? JS: Es ist noch nicht genau

zugeteilt, aber wir überlegen uns, das Geld dafür

zu verwenden, wofür wir ausgezeichnet wurden

und was in der Jurybegründung hervorgehoben

wurde: etwa unsere Vermittlungsprogramme.

P: Der Preis ist ein Moment der Bestärkung –

auch einer des Innehaltens, wo es als nächstes

hingeht? JS: Es sind erst drei Jahre, das Konzept

ist noch nicht totgelaufen. Aber immer offen

für Kritik und Veränderung zu sein ist wichtig,

das ist nicht nur mit dem Preis verbunden. Etwa

nachzudenken, auch einmal die Ausstellungsformate

zu verändern. Im Moment sind wir noch

in der Phase, in der langsam überall, auch international,

durchsickert, welchen Weg wir gehen.

P: Die ersten Sonderausstellungen haben sich

mit Themen befasst die potenziell jeden ansprechen,

es sind aber immer sehr große, nicht

leicht fassbare Fragestellungen. JS: Die Themenausstellungen

sind bis jetzt der richtige Weg,

weil sie viele erreichen und Gegenüberstellungen

ermöglichen. Die einzelnen Ausstellungen müssen

auch innerhalb der Dynamik des Museums

in ihrer Abfolge einen Sinn ergeben. Jetzt bleiben

wir noch bei den großen, essenziellen Fragestellungen.

Irgendwann werde ich sicher auch

zu spezifischeren Ausstellungen kommen wie

„Kirche und Avantgarde“ – das ist aber zum Beispiel

ein Thema, das ich aktuell als noch zu eng

empfinde, weil es nicht die ganze Bandbreite der

Besuchersegmente abdecken würde.

P: Ein wesentlicher Ansatz Ihres Hauses ist es

aufzuzeigen, dass sich die Sammlung des Dom

Museum Wien und die Schätze des Monsignore

Otto Mauer immer mit der jeweiligen Gegenwart

beschäftigt haben, dass Themen wiederkehrend

in der Kulturgeschichte Relevanz

erfahren, so eben auch das Thema Natur. JS:

Das ist für uns ein brisantes, unglaublich spannendes

Thema. Obwohl ich kurz gezweifelt

habe, ob es vielleicht sogar zu aktuell ist. Mit

den bisherigen Ausstellungen hatten wir Themen,

die nicht so präsent waren in der Museumslandschaft.

Dann habe ich aber innegehalten

– es ist einfach das zentrale Thema, gerade

auch vor unserem christlichen Hintergrund. Vor

unseren historischen Schätzen ist die Auseinandersetzung

noch einmal eine andere, eine speziellere

als in einem Gegenwartsmuseum. Konkurrieren

ist auch nicht mehr zeitgemäß, es ist ein zu

wichtiges Thema. Wir werden im Zentrum eines

Raumes beispielsweise ein liturgisches Gewand

haben, in das sich die Natur eingeschrieben hat

und um das sich sodann zeitgenössische Arbeiten

gruppieren. Die Möglichkeit solcher Dialoge

unterscheidet uns von anderen Museen.

JOHANNA SCHWANBERG | Foto: eSeL – Lorenz Seidler

PA R NASS 03/2020



POP ART

Andy Warhol (1928–1987) prägte mit seiner Kunst

eine ganze Ära und sprengte mit seinem vielfältigen

Werk die Grenzen von Malerei, Skulptur, Film und

Musik. Seine einprägsamen Siebdruckbilder wurden

zu seinem „Signature Style“ und zum Inbegriff der Pop

Art. Doch sein Frühwerk ist wenig bekannt. Neben

seiner Tätigkeit als erfolgreicher Werbeillustrator entstanden

auch nicht-kommerzielle Werke – persönliche,

oft homoerotische Zeichnungen. So steht Warhol

nicht nur für seine Celebrity-Porträts oder die Darstellung

von Produkten der Massenkultur, sondern

auch für eine diverse, queere Gegenkultur, die nicht

zuletzt in seinem New Yorker Studio, der Factory, ihren

Ausdruck fand. Ebenso setzte Warhol mit seinen

Ausstellungen und Installationen neue Maßstäbe. Ausstellungskünstler,

Installationskünstler oder doch verkappter

Kurator? Das mumok blickt hinter die Fassade

der weltberühmten Pop-Art-Ikone und widmet

dem Künstler in diesem Herbst eine Ausstellungs-

trias auf fünf Ebenen. Die Londoner Tate und in der

Folge ab Dezember das Museum Ludwig in Köln beleuchten

mit über 100 Werken Warhols erweiterte

künstlerische Praxis vor dem Hintergrund drängender

gesellschaftlicher Fragen.

ANDY WARHOL | Selbstporträt, 1986, Kunstharzfarbe und Siebdrucke auf Leinwand, 1832 × 1832 mm

Tate London, Presented by Janet Wolfson de Botton 1996, © 2019 Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. Licensed by Artists Rights Society (ARS), New York

PA R NASS 03/2020 17


Pop Art

ANDY WARHOL IM MUMOK

Werke Andy Warhols waren zuletzt 1981 im mumok ausgestellt, noch zu Lebzeiten des Künstlers. Fast 40

Jahre später ist es an der Zeit, ihn und sein Schaffen neu zu bewerten. Neben seinem unbekannten Frühwerk

wird die Pop Art-Ikone besonders als Ausstellungsgestalter und Installationskünstler vorgestellt.

KARLA STARECEK

Mit einer Suppendose hat sich 1962 der damals

34-jährige Andy Warhol einen Fixplatz in

der Kunstgeschichte gesichert. Zu Beginn einer

Bewegung, die später als Pop Art bezeichnet

wird, nimmt er ein kommerzielles Massenprodukt

aus dem Supermarkt und „porträtiert“ es in

Überlebensgröße. Nach den ersten, noch handgemalten

Fertigsuppen (in der gesamten Produktpalette

von 32 verschiedenen Geschmacks-

richtungen) geht Warhol zum industriellen

Siebdruckverfahren über – und zur Massenproduktion.

Auf die Campbell’s Soup Cans folgen

die Starpor träts von Marilyn Monroe, Elvis

Presley und Liz Taylor, die Death and Disaster-Serie,

die Flowers sowie die Brillo Boxen aus

Holz. Die serielle Wiederholung lenkt weg vom

trivialen Motiv und enthüllt gleichzeitig den

manipulativen Charakter der Konsumkultur und

der Medien. Das ist Andy Warhol, wie man ihn

kennt. Dass er vor seiner kometenhaften Karriere

als Pop Art-Superstar erfolgreicher Werbegrafiker

in New York war, weiß man ebenso. Doch die

Ausstellungen im Juli 1962 in der Ferus Gallery

in Los Angeles und im November desselben Jahres

in der Stable Gallery in New York sind nicht

seine ersten Einzelpräsentationen, bereits Anfang

der 1950er-Jahre hat Warhol sein künstleri-

ANDY WARHOL | Cow Wallpaper [Pink on Yellow], 1966, Reprint 1994, Siebdruck auf Tapete, Pro Rolle 457,2 × 71,1 cm, pro Abbildung: 116,8 × 71,1 cm

© The Andy Warhol Museum, Pittsburgh | IA1994.7/Licensed by Bildrecht Wien, 2020


ANDY WARHOL | Sunset and evening shoe, 1955, 24,7 × 34,8 cm, Udo and Anette Brandhorst Collection

Foto: Haydar Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München © Museum Brandhorst

sches Werk in Galerien und Cafés gezeigt. Doch

als er durch die genial-schlichten Soup Cans

Berühmtheit erlangt, sorgt der Künstler dafür,

dass sein Frühwerk in der Öffentlichkeit vergessen

und nicht mehr erwähnt wird.

Dieses frühe, unbekannte Schaffen Warhols

wird auf der Eingangsebene des mumok präsentiert.

Es sind seine nicht-kommerziellen Arbeiten

aus den 1950er-Jahren, Zeichnungen und Drucke

mit homoerotischen Motiven, Serien und

Bücher sowie außergewöhnliche Papierobjekte.

Dabei kommt seine besondere Zeichentechnik

zum Einsatz, die Übertragung von Motiven

mittels eines Löschpapiers auf ein Blatt Papier,

die die unregelmäßige, unterbrochene „Blotted

line“ erzeugt. Auf sogenannten Colouring Parties

lädt Warhol Freunde ein, um seine Arbeiten

farbig auszumalen – was schon auf die serielle

„fabrikartige“ Produktionsweise der Factory vorausweist.

In seiner allerersten Einzelausstellung

im Jahre 1952 in der Hugo Gallery in New York

zeigt Warhol sein Buch „Fifteen Drawings Based

on the Writings of Truman Capote“.

Auffallend am Frühwerk ist, dass Warhol bereits

in Serien denkt. Seine „Boy-Drawings“ (mit

Kugelschreiber und Feder) zeigen junge Männer

in träumerischen und sinnlichen Posen. Mit feinem

sicherem Strich zeichnet er die Gesichter

und Körper der Männer als zarte Konturlinie, verzichtet

auf Binnenmodellierung. Neben den feinlinig-eleganten

„Shoes“, teilweise mit Blattgold

veredelt, und den fetischartigen Foot-Zeichnungen

gibt es die humorvollen „Cock-Draw ings“,

die die homosexuelle Neigung des jungen Warhol

offenlegen und in kleinen Bars, Cafés und Galerien

ausgestellt wurden. Ankündigungen in Zeitungen

dokumentieren Ort, Eröffnung und Dauer

der Ausstellungen – sie sind, neben dem seriell

konzipierten, frühen grafischen Werk Warhols,

im mumok ebenso zu sehen, ergänzt durch einzigartige,

seit 1954 nicht mehr gezeigte, gefaltete

Papierplastiken aus doppelseitig marmoriertem

Papier. Ein kleines Highlight sind sicherlich die

Alphabet-Serien – „Musterbücher“ mit halbkommerziellen

Modezeichnungen sowie privaten, humorvoll

erfassten Figuren, teils ohne eindeutige

Geschlechterzuschreibung.

Die Ausstellung ist das Ergebnis eines komplexen

und aufwendigen Forschungsunternehmens.

Kuratorin Marianne Dobner, die seit vielen Jahren

zu Warhol forscht – auch in Zusammenarbeit

mit der Andy Warhol Foundation in Pittsburgh

–, rückt den Ausstellungsgestalter Warhol

in den Fokus, seine Präsentationsarten sind ein

wesentlicher Bestandteil seines Werkes; nicht das

einzelne, autonome Kunstobjekt im Galerieraum

zählt, seine Ausstellungen sind immer ein Zusammenspiel

der Werkgruppen zu einer raumspezifischen

Installation. Auch liebte Warhol den

leeren Raum. „I really believe in empty spaces, although,

as an artist, I make a lot of junk. Empty

space is never-wasted space. Wasted space is any

space that has art in it. An artist is somebody who

produces things that people don’t need to have

but that he, for some reason, thinks it would be

a good idea to give them“, so der Künstler 1975.

PA R NASS 03/2020 19


Pop Art

Deshalb erblickt man in der Eingangsebene zunächst

auch nur leere Ausstellungsfläche, die Präsentation

ist raffiniert ums Eck versteckt.

In der Ausstellung werden auch Andy Warhols

Raumkonzepte nachgestellt: unter anderem seine

zweite Schau bei Leo Castelli in New York 1966.

Sie dokumentiert auch den Rückzug Warhols

von der Malerei und ist ein Mix aus Gebrauchsund

Konzeptkunst. Warhol ließ den ersten Ausstellungsraum

leer und tapezierte ihn mit der

Siebdruckserie „Cow Wallpaper“, in der sich

der Kuhkopf seriell in Pink und Gelb wiederholt

– Kunst als praktikabler Wandschmuck.

Im anschließenden Galerieraum zeigte er die Installation

„Silver Clouds“: rechteckige, silbrigschimmernde,

mit Helium gefüllte Luftballon-

Wolken, die frei im Raum schweben und auf Berührung,

Bewegung und Luftzug reagieren. Sie

vermitteln ein ganz anderes Raumgefühl als der

erste leere Saal. Solche Dichotomien bestimmen

immer wieder die Präsentationen Warhols.

Ab 1965 setzt sich der Künstler intensiv mit dem

Film auseinander. Seine filmischen Arbeiten sind

experimentell und extrem. Mit unbewegter Kamera,

ohne Schnitt, nimmt er stundenlang Freunde

beim Essen, Schlafen und Küssen auf oder richtet

das Filmobjektiv acht Stunden und fünf Minuten

auf die Spitze des Empire State Building.

In seinen „Screen Tests“ wird wieder sein serielles

Denken sichtbar: Männer, Frauen, Transvestiten,

Prominente – so gut wie jeder, der in

die Factory kommt, wird zu diesen Probeaufnahmen

gebeten. Auf einem Stuhl sitzend, von

einer Lampe angestrahlt, richtet Warhol für

drei bis vier Minuten die Kamera auf das Gesicht

der porträtierten Person, die dann mit

sich selbst und dem Objektiv vor dem Gesicht

allein gelassen wird. In „13 Most beautiful boys“

(1964–66) wird die Idee der „Boy-Drawings“

aus den 1950er-Jahren im filmischen Medium

weitergeführt; im gleichen Format, Ausschnitt

und in der gleichen Länge der Screen Tests wird

Warhols konzeptueller Ansatz sichtbar.

Eine weitere Art von Warhols Präsentation

übernimmt Marianne Dobner, indem sie seine

Filme neben Fotografie oder Siebdrucke platziert.

Neben dem Silkscreen-Klassiker „Scull“

(1976) und dem Film „The Chelsea Girls“

(1966) gibt es auch weniger Bekanntes zu entdecken,

wie Warhols späte Ausstellung bei Bruno

Bischofberger in Zürich 1983/84, wo er Siebdrucke

nach Bildern auf Spielzeugschachteln produzierte

und sie auf „Kinderaugenhöhe“ an die

Galeriewände anbringen ließ.

MISFITTING

TOGETHER.

SERIELLE

FORMATIONEN

DER POP ART,

MINIMAL ART

UND CONCEPTUAL

ART

bis 6. Jänner 2021

ANDY WARHOL

EXHIBITS

A GLITTERING

ALTERNATIVE

26. September 2020

bis 31. Jänner 2021

MUMOK

MUSEUM MODERNER KUNST

STIFTUNG LUDWIG WIEN

MUSEUMSPLATZ 1

1070 WIEN

WWW.MUMOK.AT

linke Seite | ANDY WARHOL | Unidentified Male, 1950s, Kugelschreiber auf Papier, Gesamt: 42,5 × 35,6 cm, mattiert: 61 × 45,7 cm

© The Andy Warhol Museum, Pittsburgh; Founding Collection, Contribution The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. | 1998.1.1661/Licensed by Bildrecht Wien, 2020

rechte Seite | ANDY WARHOL | Ladies and Gentlemen (Wilhelmina Ross) 1975, Acrylic paint and silkscreen ink on canvas, 127 × 101,6 cm, Italian private collection

© 2020 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by DACS, London

20 PA R NASS 03/2020



APPROPRIATION

IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN

URHEBERRECHT UND KUNSTFREIHEIT

BENITA BÖHM

Seit jeher berufen sich Künstler auf die Leistungen und Werke von

Kollegen. Ganze Kunstströmungen sind durch das gegenseitige Zitieren

oder die Übernahme von Techniken und künstlerischen Strategien

entstanden. Insbesondere Künstler der in den 1970er-Jahren

aufgekommenen Appropriation Art, aber auch des Dadaismus,

Surrealismus oder der Pop-Art, griffen auf fremde Werke zurück

und erschufen auf deren Grundlage völlig neue Schöpfungen.

So anerkannt diese künstlerische Praxis in der Kunstgeschichte

und auf dem Kunstmarkt auch sein mag, juristisch agieren Künstler,

die sich auf Bildübernahme und -verfremdung, Zitate, Collagen

sowie andere Formen der Aneignung spezialisiert haben, in einer

Grauzone. Denn nicht jede Bearbeitung von Fremdmaterial ist

von der Kunstfreiheit gedeckt.

Frei aneignen darf man sich ein Kunstwerk zwar dann, wenn

der Künstler bereits seit mehr als 70 Jahren verstorben ist. Danach

erlischt das Urheberrecht an den Originalwerken nach europäischer

sowie US-amerikanischer Rechtslage und auch die Erben

können sich nicht mehr auf dessen Verletzung berufen. Ansonsten

gilt jedoch, dass vor der Verwendung einer fremden Arbeit grundsätzlich

die Zustimmung des Urhebers, seiner Erben oder der ihn

gegebenenfalls vertretenden Verwertungsgesellschaft einzuholen

ist, es sei denn, eine der folgenden Ausnahmen greift.

AMERIKANISCHE RECHTSLAGE

Nach US-amerikanischem Recht können sich Künstler der Appropriation

Art auf das Recht des sogenannten „fair use“ berufen. Danach

darf ein fremdes Werk unter bestimmten Voraussetzungen

wiedergegeben werden, ohne dass dadurch eine Urheberrechtsverletzung

entsteht. Die Aneignung muss unter anderem zum Zwecke

der Kritik oder Kommentierung erfolgen. Zudem muss die

Verwendung angemessen sein. Zur Beurteilung dieser Angemessenheit

müssen im Einzelfall folgende vier Aspekte berücksichtigt

und gegeneinander abgewogen werden:

1. Zweck und Art der Verwendung des Originalwerkes

2. Art des urheberrechtlich geschützten Originalwerkes

3. Umfang und Bedeutung des verwendeten Auszugs im

Verhältnis zum ganzen Originalwerk

4. Auswirkung der Verwendung auf den Wert und die Verwertung

des Originalwerkes

ANDY WARHOL | $ (4) blau und $ (4) schwarz, 1982, Siebdrucke auf Lenox

Museumskarton, je 101.6 × 81.3 cm, AP 3/10 (Ed. 35 ), signiert, nummeriert

beide | Courtesy und © Galerie Gerlad Hartinger


Pop Art

In der Praxis wird dabei vorrangig auf den ersten der vier Faktoren,

den Zweck und die Art der Verwendung, abgestellt. Ein zum

Verkauf bestimmtes Kunstwerk wird regelmäßig einem gewerbsmäßigen

Zweck zugeführt. Streitentscheidend ist deshalb meist

allein die Frage, ob die Art der Verwendung als „transformativ“

angesehen werden kann. Dies ist der Fall, wenn durch die Aneignung

ein eigenständiges Werk mit einer neuen Bedeutung beziehungsweise

künstlerischen Aussage entsteht.

URTEILE GEGEN RICHARD PRINCE UND

SEINEN GALERISTEN LARRY GAGOSIAN

Als einer der Begründer und wichtigsten Vertreter der Appropriation

Art gilt Richard Prince. Als solcher wurden ihm und auch

seinem Galeristen Larry Gagosian in der Vergangenheit schon

mehrmals Urheberrechtsverletzungen vorgeworfen und Versuche

unternommen, diese gerichtlich durchzusetzen.

So hatte Prince Fotografien aus dem Bildband „Yes Rasta“ des

Fotografen Patrick Cariou für Collagen und Gemälde verwendet.

Das hierzu im Jahr 2011 angerufene Gericht entschied jedoch,

dass die streitgegenständlichen Werke größtenteils eigenständige

Schöpfungen darstellten und Prince die ursprüngliche künstlerische

Aussage der Originalfotografien weitreichend genug verändert

habe. Die damalige Ausstellung und der Verkauf der Arbeiten

erfolgten nach dem „fair use“-Prinzip rechtmäßig.

In einem weiteren Gerichtsverfahren, das der Fotograf Donald

Graham 2017 gegen Richard Prince und Larry Gagosian führte,

wurde solch ein „fair use“ jedoch verneint. Gegenstand des Prozesses

war eine Arbeit aus der Serie „New Portraits“. Prince hatte

Veröffentlichungen von ihm unbekannten Nutzern auf der Plattform

Instagram kommentiert, davon Bildschirmfotos angefertigt

und diese großformatig ausgedruckt. Eine der in der Gagosian

Gallery ausgestellten Arbeiten zeigte das ursprünglich von Donald

Graham veröffentlichte Foto „Rastafarian Smoking a Joint“. Das

Gericht nahm in diesem Fall keine „transformative“ Verwendung

an, weil Prince keine substanziellen ästhetischen Veränderungen

an dem Originalfoto vorgenommen hatte.

ANHÄNGIGE KLAGE GEGEN DIE

ANDY WARHOL FOUNDATION

Die Urteile gegen Richard Prince zeigen, wie ambivalent und unsicher

sich die US-amerikanische Rechtslage im Bereich der Appropriation

Art darstellt. In Kürze könnte jedoch eine gegen die Andy

Warhol Foundation ausstehende Gerichtsentscheidung Klarheit

in die Sache bringen. Wie keine andere Künstlerpersönlichkeit ist

Andy Warhol dafür bekannt, sich fremde Fotografien und Werbeplakate

zur Herstellung seiner Kunst angeeignet zu haben. Zuletzt

verklagte deshalb die Fotografin Lynn Goldsmith die Andy

Warhol Foundation. Sie sah sich in ihrem Urheberrecht an einem

von ihr geschossenen Porträt des Musikers Prince verletzt. Andy

Warhol hatte dieses als Grundlage für seine 16-teilige „Prince Series“

von Siebdrucken und Papierzeichnungen verwendet.

Das erstinstanzliche Gericht argumentierte, dass es sich hierbei

um eine angemessene Verwendung der Originalfotografie handelte.

Andy Warhol habe die Vorlage so verändert, dass ein eigenständiges

Werk mit neuer Bedeutung entstanden ist. Gegen das Urteil

hat Goldsmith Berufung eingelegt, sodass eine abschließende Entscheidung

abzuwarten bleibt. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass

diese eine grundsätzliche Wertung zur Zulässigkeit der Appropriation

Art in den USA enthalten und wegen der internationalen

Bekanntheit Warhols auch im Ausland Beachtung finden wird.

EUROPÄISCHE RECHTSLAGE

Das europäische Recht kennt das Prinzip des „fair use“ mit seinem

viergliedrigen Kriterienkatalog bislang nicht. Seit der 2019 durchgeführten

Reform des EU-Urheberrechts gilt, dass die Mitgliedstaaten

die Verwendung eines fremden urheberrechtlichen Werkes

unter folgenden Voraussetzungen erlauben können:

1. Verwendung des Originalwerkes stellt ein Zitat zu Zwecken

wie Kritik oder Rezension dar

2. Originalwerk ist der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig

zugänglich gemacht worden

3. Quelle des Originalwerkes, einschließlich des Namens des

Urhebers, wird angegeben, außer dies erweist sich wegen der

Umstände des Einzelfalls als unmöglich

4. Nutzung des Originalwerkes entspricht den anständigen

Gepflogenheiten

5. Nutzung des Originalwerkes ist in ihrem Umfang durch den

besonderen Zweck gerechtfertigt

Über diese Vorgaben hinausgehende Regelungen der Mitgliedstaaten

sind mit dem Unionsrecht unvereinbar. Dies dürfte aktuell

vor allem die deutschen und österreichischen Vorschriften betreffen,

die im Falle von Appropriation Art einschlägig sind. Ähnlich

wie im Fall von Andy Warhol dürfte danach ein Künstler im

Wege der sogenannten „freien Benutzung“ ein Original grundsätzlich

ohne Zustimmung des Urhebers verwenden, wenn er durch

die Aneignung ein selbständiges Werk erschafft, hinter dem die

ursprüngliche Arbeit zurücktritt.

EUGH KIPPT DEUTSCHE REGELUNG

Mitte letzten Jahres bestätigte der EuGH genau diese Annahme. In

dem betreffenden Prozess der Musikgruppe Kraftwerk gegen den

Komponisten Moses Pelham ging es um die Frage, ob Sampling

zulässig ist. Pelham hatte eine ursprünglich von Kraftwerk stammende

Tonsequenz aus dem Lied „Metall auf Metall“ kopiert und

in fortlaufender Wiederholung für den mit der Sängerin Sabrina

Setlur produzierten Song „Nur mir“ verwendet.

Der EuGH erklärte das Sampling an sich zwar für zulässig. Die

Richter wiesen aber ausdrücklich darauf hin, dass sich Pelham dabei

nicht auf eine „freie Benutzung“ nach deutschem Recht berufen

könne, weil die entsprechende Vorschrift über die europarechtliche

Regelung hinausgeht. Wegen der Vergleichbarkeit der

Regelungen gilt dies wohl auch für Österreich. Offen ist jedoch,

welche Konsequenzen die zu erwartenden Gesetzesänderungen

in den Mitgliedstaaten für die Aneignungskunst haben werden.

FAZIT FÜR DIE VERWERTUNG VON APPROPRIATION ART

Alles in allem stellt sich die Rechtslage im Falle von Aneignungskunst

also aktuell als sehr unsicher dar. Bis hier etwas mehr Klarheit

herrscht, sollte man als produzierender Künstler, aber auch als

vertretender Galerist oder bei der Veröffentlichung von Druckerzeugnissen

oder anderweitiger Berichterstattung, möglichst darauf

achten, dass die europäischen Vorgaben eingehalten werden. Soweit

man damit liebäugelt, Werke in den USA zu vermarkten, sollte man

zudem einen Blick auf den dort geltenden Kriterienkatalog werfen.

Im Zweifel empfiehlt es sich, die Zustimmung des anderen Künstlers,

seiner Erben oder seiner Verwertungsgesellschaft einzuholen.

Um das Vorliegen des Einverständnisses im Streitfall nachweisen

zu können, sollte dies bestenfalls schriftlich dokumentiert werden.

PA R NASS 03/2020 41


Kunst

Klima

Zukunft

?

42 PA R NASS 03/2020


Die Bewältigung der Klimakrise und die Bewahrung

der Biodiversität haben in weiten Teilen der

Welt hohe Priorität. Ebenso werfen die ökologischen

Herausforderungen auch komplexe soziale

Fragen von Migration bis zur Neudefinition von

Arbeit und Fortschritt im 21. Jahrhundert auf. Der

Klimawandel ist längst zum Thema der Kunst geworden.

Diese schafft Visionen und zeigt Fakten

auf – und ist selbst Teil des Problems! Die globale

Kunstszene, ebenso wie oft auch die Produktion

der Kunst selbst, hinterlässt einen gigantischen

Fußabdruck. Auch wir sind ein Teil davon. Andererseits

sind es auch die Kunst, das Design und die

Architektur, die Diskussionen anregen und Lösungen

präsentieren. Ebenso beginnen die Museen,

sich mit dem Thema Nachhaltigkeit stärker

auseinanderzusetzen, wie die Tate in London.

Richtlinien für ein Umweltzeichen für österreichische

Museen wurden kürzlich ausgearbeitet. Doch

was bedeutet das Grüne Museum? Werden wir

Ausstellungen nur noch digital erleben – und ist

das sinnvoll? Wie ist die Entwicklung am Kunstmarkt?

Verändern sich Kunstproduktion, Kunstevents,

Kunstmarkt durch die zunehmende Brisanz

einer nachhaltigen Ökobilanz? Wir starten daher

im aktuellen Magazin mit einer neuen Serie, die

künstlerische Strategien und Ausstellungen präsentiert,

die sich mit ökologischen Themen rund um

Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit beschäftigen,

und stellen im ersten Teil nachhaltige Initia tiven

im Ausstellungs- und Museumsbereich vor.

SILVIE AIGNER

PA R NASS 03/2020 43


Kunst · Klima · Zukunft?

JULIAN CHARRIÈRE | Towards No Earthly Pole, 2019, Film Still | © by the artist, VG Bild-Kunst, Bonn 2020

»Pessimismus

ist nicht angesagt«

HELGA KROMP-KOLB

Business as usual war gestern – die Klimakrise

hat alle Bereiche unseres Lebens erreicht. 2019

stand sie nicht zuletzt auch durch den weltweiten

Erfolg der Bewegung „Fridays for Future“ im

Zentrum der medialen und politischen Debatte,

bis sie von der aktuellen COVID-19-Pandemie

von der Agenda der täglichen Berichterstattung

abgelöst wurde. Aktuell rücken jedoch mit der

Wiederaufnahme unseres wirtschaftlichen und

gesellschaftlichen Lebens zunehmend auch die

Klimathemen und die Diskussionen um die Gestaltung

unserer Zukunft wieder in den Fokus.

Doch ist noch genug Zeit zu handeln?

„Pessimismus ist nicht angesagt“, so die renommierte

und bekannte Wiener Meteorologin und

Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb in einem

Interview mit Kristina Schubert-Zsilavecz für

das Magazin „studio“ der FH WIEN. „Wir können

uns Pessimismus nicht leisten, denn er lähmt. Es

geht darum, aktiv daran zu arbeiten, dass sich etwas

ändert. Ich habe extremes Vertrauen darin,

was Menschen leisten können, wenn sie sich mal

zu etwas durchgerungen haben.“

WIE REAGIEREN DIE KUNST

UND DER KUNSTBETRIEB AUF

DEN KLIMAWANDEL?

Kunst, die sich kritisch mit Ökologie, Umwelt

und den damit verbundenen sozialen Anliegen

auseinandersetzt, gibt es seit den späten

1960er-Jahren. Dies zeigen Beispiele der Land

Art, die bereits auf die Auswirkungen der Industrialisierung

und Zerstörung der Natur hinwiesen.

Projekte der 1980er-Jahre, wie etwa „Wheatfield

– A Confrontation“ von Agnes Denes, die 1982

ein Weizenfeld in Manhattan pflanzte, veranschaulichten

den menschlichen Eingriff durch

eine zunehmende Urbanisierung der Natur. Ein

weiteres bekanntes Beispiel ist „7000 Eichen –

Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ von

Joseph Beuys, das im selben Jahr auf der documenta

7 präsentiert wurde. Die Folgewirkung

einer immer größeren wirtschaftlichen Produktivität

bestimmte die Kunst der 1990er-Jahre.

So definierte der US-amerikanische Künstler

Peter Fend seine künstlerische Strategie als „Forschungsprojekt“.

Seine 1993 in Graz gezeigte

Ausstellung nannte er „For a world which works“

und schlug vor, die Welt nicht nach Nationen,

sondern nach neuen Energiequellen (wie Biogas)

44 PA R NASS 03/2020


Julian

Charrière

Über zwei Jahre arbeitete

der 33-jährige Schweizer

an seinem neuen Film

»Towards No Earthly Pole«.

103 Minuten betrachtet

man darin das sterbende

Eis an unterschiedlichen

Erdwinkeln. Es gibt keinen

weiteren Handlungsstrang

als die menschengemachte

Vergänglichkeit der Natur.

und neuen Energieverteilungs-Systemen zu ordnen.

Nicht selten nutzt die Kunst auch Formen

des Aktivismus, um den Betrachter aufzurütteln,

emotional zu erreichen und damit zum Handeln

zu bewegen. Das Thema Klimawandel ist heute

vielfältiger und komplexer und umfasst auch die

Veränderungen unseres Lebens durch Digitalisierung.

Nachhaltigkeit umfasst Migration ebenso

wie Biotechnologie und das Verschwinden der

Artenvielfalt. Die Kunst arbeitet grenzüberschreitend

mit der Wissenschaft, Technologie

und Ökologie zusammen. Auch Ausstellungen

haben in den letzten Jahren verstärkt das Thema

Klimawandel aufgegriffen.

Die drängenden Fragen unserer Gegenwart

sind also längst zum Stoff für Kunstschaffende

und zum Thema von Ausstellungen geworden.

Sie schaffen Visionen und zeigen Fakten auf –

und sind selbst Teil des Problems!

Um auf die Folgen der Klimaerwärmung hinzuweisen,

brachte der dänische Künstler Olafur

Eliasson 2019 per LKW und Schiff 122 Tonnen Eis

aus Grönland vor die Tate Modern nach London

und ließ diese öffentlich schmelzen. Die Aktion

verursachte, wie auf seiner Webpage nachzulesen

ist, allerdings um die 35 Tonnen CO 2 -Emissionen.

Dem Künstler ist der ökologische Fußabdruck

also durchaus bewusst. „Doch manchmal ist

Wissen nicht genug, um sich aktivieren zu lassen“,

meinte er in einem Interview mit 3sat. „Es ist unglaublich

wichtig, dass wir auch mit unserem Körper

die Welt und das Klima wahrnehmen, um darauf

reagieren zu können.“ Heiligt also der Zweck

die Mittel? Die Künstlerinnen Lina Lapelyte,

Vaiva Grainyte und Rugile Barzdziukaite gewannen

mit ihrer Opern-Performance „Sun &

Sea (Marina)“ den Goldenen Löwen der letzten

Kunst-Biennale in Venedig 2019. Darin thematisieren

sie unser Freizeitverhalten, den Overtourism.

Seit ihrem Erfolg ist die Performance mitsamt

ihren Akteuren und Materialien Teil einer

Reihe von Kunst-Festivals und reist selbst um

die Welt. Sind es nicht die Künstler, etwa die einprägsamen

Bilder von Julian Charrière, Julius von

Bismarck, Oliver Ressler oder vielen anderen, die

uns erst die Brisanz des Themas vor Augen führen?

Doch was ist mit dem Kunstbetrieb selbst?

Aktuell werden Groß-Ausstellungen aufgrund

der COVID-19-Pandemie abgesagt, weil die Touristen

fehlen. Der Kunsttourismus ist längst einer

der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren und

auch der Erfolg von Museen, Messen und Biennalen

ist verbunden mit einer ständig wachsenden

Quote. Doch ist Publikumserfolg nur mit

Quantität zu beziffern? Auch die Akteure der

Kunstszene – Kuratoren, Künstler und ebenso

ihre Werke – reisen um die Welt und verursachen

einen fatalen ökologischen Fußabdruck.

„The artist is present“ als Vermerk auf der Einladungskarte

gilt als selbstverständlich.

„Natürlich ist die Kulturwelt ganz entschieden

für den Klimaschutz – und produziert doch

Treibhausgase in gigantischem Ausmaß. Ist das

der Preis der Weltläufigkeit?“, fragte der Journalist

Hanno Rauterberg provokant in seinem Artikel

in „Die Zeit“. Darin kritisiert er die Doppelmoral

des Kunstbetriebs: Wie wirkungslos

eine sozial und politisch gepolte Kunst in der

Regel ist, zeigt sich bereits daran, dass Künstler-Appelle

grundsätzlich nur die anderen meinen.

[…] Es gilt die alte Regel: Je moralisierender

das Pathos der Kunst, desto schwächer die

Bereitschaft zur Selbstkritik. Es gilt als Selbstverständlichkeit,

dass Kuratoren für einen kleinen

Atelierbesuch um die halbe Welt jetten, dass immerzu

Kunstwerke per Flugexpress versandt werden

und bei den Messen in Miami oder Basel die

Flughäfen nachgerade verstopft sind, weil so viele

Sammler mit einem Learjet anreisen.“

Dienen die Klimakunst und auch die Ausstellungen,

die sich mit der Klimakrise beschäftigen,

doch zuallererst dem Greenwashing, wie

Rauterberg meint? „Sie soll ablenken von der

kapitalistischen und letztlich umweltschädlichen

Steigerungslogik, der die meisten Museen,

Konzerthäuser und Theaterfestivals gehorchen.“

Auch die Kunstkritikerin, Kuratorin und Aktivistin

Lenka Kukurová benennt das Thema Greenwashing

in ihrem Essay in der Publikation „Barricading

the Ice Sheets“, herausgegeben von dem

Künstler Oliver Ressler als Publikation zu seinem

gleichnamigen Projekt in der Camera Austria,

und spricht damit das Problem des Corporate

Sponsoring an. Weiters erteilt sie einer großen

Veränderung durch individuelles Engagement

eine Absage. Es ginge nur kollektiv. „Als Einzelner

kann man einiges verändern, aber viel effektiver

ist es, Netzwerke und Bündnisse zu bilden.

Alleine kann jede*r Kulturschaffende oder jede

Kultureinrichtung sofort etwas tun, etwa durch

die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen,

den Einsatz umweltfreundlicher Verkehrsmittel

PA R NASS 03/2020 45


Kunst · Klima · Zukunft?

und Materialien und weniger Fleischkonsum.“

Doch letztlich, so Kukurová, müssen individuelle

Veränderungen mit einer Veränderung des Systems

verbunden sein. „Wir wissen, dass wir die

Beteiligung aller in diesem Prozess benötigen:

kleine und große Kultureinrichtungen, öffentliche

und private Galerien und Museen …“

NEUE PERSPEKTIVEN –

NACHHALTIGE STRATEGIEN

Die Kunst und Kunstszene hat begonnen, eine

Wertedebatte zu führen, die auf das Thema Klimawandel

nicht mit Verzicht argumentiert, sondern

mit neuen Perspektiven; die das bisherige

Handeln hinterfragt und nach Möglichkeiten

versucht, Ausstellungen, Transporte und Kunstproduktion

nachhaltiger zu gestalten. „Die brutale

Erkenntnis, dass auch die beruhigende Staffage

der Kunstpreise, Biennalen, Vernissagen, Kunstmessen,

Rezensionen und Blockbuster-Ausstellungen

keine Zukunft hat, wenn die Erdtemperatur

weiter steigt und die natürliche Artenvielfalt

verloren geht, hat die Debatte über Kunst und

Ökologie grundlegend verändert“, schreiben

die in London ansässigen Kuratoren, Kritiker

und Kunsthistoriker Maja und Reuben Fowkes,

die sich auf osteuropäische Kunstgeschichte sowie

zeitgenössische Kunst und Ökologie spezialisiert

haben, in ihrem Essay. „Keine Kunst auf

einem toten Planeten“, ein weiterer Beitrag in

Oliver Resslers Publikation „Barricading the Ice

Sheets“. „Das Thema interessiert nicht mehr bloß

Umweltkünstler*innen, und es genügt auch nicht

mehr, den ökologischen Fußabdruck von Kunstwerken

zu berechnen, feierlich zu versprechen, in

Zukunft nachhaltiger zu sein oder sich programmatisch

mit der Vermittlung von Umweltfragen

an eine breite Öffentlichkeit zu wenden“, fordern

sie Verpflichtung und Verantwortung ein.

Doch punkto Nachhaltigkeit stehen Museen

und Kunstinstitutionen erst am Anfang, meinte

Christopher Garthe, Journalist und Berater für

Nachhaltigkeit in Museen und Ausstellungen bei

studio klv, 2019 bei der Herbsttagung des deutschen

Museumsbundes. Auch wenn einige Museen

in Deutschland bereits auf LED-Beleuchtung

mit weniger Energieverbrauch umgestiegen

sind und einige Berliner Kunstinstitutionen Photovoltaikanlagen

besitzen, wie der Journalist

Daniel Völzke für „Monopol“ recherchierte.


Nicole Six

& Paul

Petritsch

Das österreichische

Künstlerduo Nicole Six und

Paul Petritsch vermisst

und erkundet die Welt. 28

Film-Minuten lang schlägt

Paul Petritsch 2002 ein

Loch in den gefrorenen

Neusiedler See, um dann im

Wasser zu versinken. Eine

Poesie zwischen Machtkampf,

Zerstörungsdrängen

und der Schönheit der

Bedrohung.

Justin

Brice

Guariglia

In seinen Fotoarbeiten und

Installationen untersucht

der US-amerikanische

Künstler das Verhältnis

von Mensch und Natur.

Viele seiner Arbeiten entstehen

in Zusammenarbeit

mit Philosophen, Literaten

und Wissenschaftlern, um

ein tieferes Verständnis

für den Impact, den unser

Verhalten nach sich zieht,

zu veranschaulichen, wie

die Serie, in der Guariglia

den rapiden Rückgang der

Grönland-Gletscher in den

Fokus stellt.

NICOLE SIX & PAUL PETRITSCH | Räumliche Maßnahmen, 2002 | © by the artists, Bildrecht Wien 2020

aktuell i.d.Ausst.: Nach uns die Sintflut/Kunst Haus Wien

JUSTIN

BRICE GUARIGLIA

Goodbye Arctic Ice, 2018

© Justin Brice Guariglia

aktuell i.d.Ausst.: Nach uns die

Sintflut/Kunst Haus Wien

Einen ambitionierten Schritt setzten die vier

Museen der Tate in England. „Wir haben einen

entscheidenden Moment in der Geschichte unseres

Planeten erreicht und der Kultursektor spielt

eine besondere Rolle in der Umsetzung effektiver

Änderungen“, so die Direktion der vier Tate-Museen:

Tate Britain, Tate Modern, Tate Liverpool

und Tate St Ives in einer Presseaussendung

vom Juli 2019. Anlass war die Ausstellung „The

Weather Project“ von Olafur Eliasson. „Wir nehmen

dieses ethische Commitment für Umweltprobleme

als einen Hinweis, um eine Plattform

für Diskussionen zu eröffnen, in Partnerschaft

mit Künstlern, Aktivisten, Künstlervereinigungen

und Kulturorganisationen“, so die Direktoren

der Tate. Als eine Organisation, die mit lebenden

Künstlerinnen und Künstlern arbeitet,

sehen sie sich – auch gegenüber ihren Besuchern,

verpflichtet, ihre Anliegen ernst zu nehmen und

das Thema durch die Kunst ins Rampenlicht zu

PA R NASS 03/2020 47


Kunst · Klima · Zukunft?

GLOSSAR

Kunst und

Klimawandel

Zehn Fragen

zu Ökologie und

Nachhaltigkeit in

der Kunstwelt

Was hat Kunst mit

Klimawandel zu tun? Ist

der Kunstbetrieb selbst

gar Mitverursacher? Das

folgende Glossar bietet eine

Orientierungshilfe durch

das Dickicht an Fragen. Es

werden Markierungen

gesetzt, die eine weitere

Beschäftigung von PARNASS

mit dem Thema Kunst und

Klimawandel eröffnen.

FIONA LIEWEHR

UND ROLAND SCHÖNY

Wie klimafeindlich

ist der globale Kunstbetrieb?

Die Fridays for Future-Bewegung

verstärkte diese Frage, bevor die

Corona-Pandemie den Stillstand

einleitete. Zentrale Themen sind

dabei unter anderem Kunsttransporte,

hohe Flugfrequenz

und Ausstellungsarchitektur.

2017 feierte

sich der internationale

Kunstbetrieb in einem

Superkunstjahr, in dem

die Biennale in Venedig,

die documenta in Kassel

und die Skulpturenprojekte

Münster zusammenfielen.

Hinzu kam

die Istanbul Biennale,

begleitet von Kunstmessen

rund um den

Globus, in Miami, Hongkong,

New York, Mexico

City, Paris, London oder

Basel, sowie Großausstellungen

in den internationalen

Museen. Die

documenta 14 schloss

mit einem Rekord von

891.500 Besuchern. (1)

Weltweit belief sich in

diesem Jahr der Wert

der Kunstverkäufe auf

67,4 Milliarden USD, wobei auf den

Online-Kunstmarkt nur 4,64 Milliarden

USD entfielen. (2) Die Verteilung der

Verkäufe von Kunst nach Vertriebskanal

zeigte 2018, dass bereits 46

Prozent auf nationale und internationale

Messen entfielen, während

online nur 6 Prozent getätigt wurden.

(3) Möglichst schnell per Flug vor Ort

zu sein, gehörte somit dazu. Es war

der Höhepunkt eines von Event- und

Kunstmarkt-Logiken getriebenen

Spektakels für ein unterhaltungs- und

konsumhungriges Publikum – in der

Rückschau betrachtet vielleicht auch

sein Wendepunkt. FL

(1) Quelle: Statista Research Departement, Veröffentlicht 09.2017, Erhebungszeitraum 1955–2017, Deutschland; (2) Quelle: Statista Research Departement,

Veröffentlicht 10.09.2019, weltweite Erhebung 2016–2018; (3) Quelle: Arts Economics, USB, Herkunft: The Art Market 2019, S. 225, Veröffentlicht 2019

54

PA R NASS 03/2020


Was hat Kunst mit

Nachhaltigkeit

zu tun?

Derzeit noch viel zu wenig. Zu

unterscheiden ist zwischen den

Materialien, die Künstler für die

Produktion ihrer Werke verbrauchen,

und jenen Ressourcen, welche die

Dynamik eines globalen Kunstbetriebs

einfordert und verbraucht. Während

Künstler oft mehr aus ökonomischen

denn aus Gründen der Nachhaltigkeit

Materialien sammeln, bearbeiten und

wieder verwerten, steckt hinter dem

Ausstellungs- und Messebetrieb

oft ein gigantischer Aufwand,

der dem Publikum verborgen

bleibt. Internationale Transporte

mit individuell angefertigten Klimakisten,

hypertrophe Aufbauten

und Ausstellungsdisplays, aufwendige

Beleuchtungsanlagen und Reisen

für Kuriere, Aussteller, Künstler und

Besucher. In österreichischen Bundesmuseen

kommen mittlerweile wiederverwendbare

Wandsysteme zum

Einsatz und es werden Sockel, Bänke

oder Sound-Panele umgearbeitet und

weiterverwendet. Speziell für Künstler

angefertigte Displays aber werden

nach Ende der Ausstellung zumeist

zerstört. In den Bundesmuseen sind

diese aus Steuermitteln finanziert und

können daher oft nicht kostenfrei an

die Künstler weiter gegeben werden. FL

Kommt bald die

Umweltzertifizierung

für Museen?

In der Praxis ist sie schon da – zumindest

in Österreich. 2018 erhielt

das Kunst Haus Wien das Österreichische

Umweltzeichen. Dieses wird

seit 30 Jahren vergeben und war

bisher nur den Bereichen Tourismus,

Gastronomie und Bildung vorbehalten.

Die Initiative für eine Erweiterung

um Museen und Ausstellungshäuser

ging von Bettina Leidl, Direktorin des

Kunst Haus Wien, aus. Sie ist seit

2019 Präsidentin von ICOM Österreich

(Nationalkomitee des International

Council of Museums) und setzte das

Thema Nachhaltigkeit für Museen

auf ihre Agenda – basierend auf den

visionären Ideen zu Ökologie und

Gesellschaftspolitik von Friedensreich

Hundertwasser, dessen Werke im

Kunst Haus Wien präsentiert werden.

Friedensreich Hundertwasser entwarf

auch das Design für das Österreichische

Umweltzeichen. Die Parameter

für den Erhalt des Umweltzeichens

sind vergleichbar mit dem weltweit

normierten Standard für Umweltmanagementsysteme

ISO 14001, der

aber für Kunstbetriebe nicht vorhandene

Faktoren wie die CO 2 -Emission

umfasst. Seine Vergabe erfolgt für

jeweils vier Jahre und ist gebunden an

die Einhaltung eines Kriterienkatalogs.

Er umfasst die Wiederverwendbarkeit

von Ausstellungswänden ebenso wie

die Reduzierung von Reisen per Flugzeug,

den Einsatz biologisch abbaubarer

Wandfarben und energiesparender

LED-Lampen, die Wahl des Papiers

für Drucker oder nachhaltig erzeugte

Produkte im Museumsshop (wie im

Fall des Kunst Haus Wien: Honig direkt

vom Dach des Hauses). Derzeit setzen

das MAK und das Naturhistorische

Museum Maßnahmen zur Erlangung

der Grün-Plakette. RS

Gibt es Nachhaltigkeitskriterien

für den

Kunstbetrieb?

Ökologische Nachhaltigkeitskriterien

hatten im Kunst- und Ausstellungsbereich

bislang marginale Bedeutung.

Das sich schnell drehende Karussell

an Kunstmessen, Biennalen und

Blockbuster-Ausstellungen orientierte

sich bisher mehr an ökonomischen

denn an ökologischen Gesichtspunkten.

Mit dem zunehmenden Bewusstsein

für den Klimawandel hat sich

auch im globalen Kunstbetrieb die

ökologische Nachhaltigkeitsdebatte

verstärkt. FL/RS

PA R NASS 03/2020

55


WÜRZBURG

KUNST-& KULTURRAUM

BAMBERG

NÜRNBERG

BAY

AUGSBURG

ERLANGEN

MEMMINGEN

LUCY MCKENZIE | May of Teck, 2010, 2 Teile, je 290 × 300 cm,

Courtesy of the artist; Galerie Buchholz, Cologne/Berlin/New York; and Cabinet, London

aktuell i.d. Ausst.: Lucy McKenzie »Prime Suspect«, Museum Brandhorst

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ERN

REGENSBURG

MÜNCHEN

PENZBERG

TRAUNREUT

KOCHEL AM SEE

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91


Kunst- und Kulturraum Bayern

MÜNCHEN

KUNSTAREAL MÜNCHEN

DENKRAUM, FREIRAUM, LEBENSRAUM

ADVERTORIAL

© Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, Foto: Werner Böhm

92 PA R NASS 03/2020


Nur wenige Schritte sind es von der Hochkultur

Ägyptens bis zur Antike und weiter bis zur Gegenwartskunst.

Direkt im Herzen der bayerischen

Landeshauptstadt liegt das Kunstareal München

auf einer Fläche von 500 mal 500 Metern. Es ist

einer der wichtigsten Kulturstandorte Europas,

ein Ort zum Mitmachen, Genießen, Entdecken.

Das einzigartige Ensemble umfasst 18 Museen

und Sammlungshäuser, über 40 Galerien, sechs

renommierte Hochschulen und unzählige Kulturinstitutionen.

Es trägt die ganze Menschheitsgeschichte

in sich: Vergangenheit, Gegenwart und

Zukunft. Die Schönheit seiner Räume, Werke und

Geschichten lässt einen einfach nur staunen.

Lediglich ein paar Gehminuten von Hauptbahnhof

und Odeonsplatz entfernt, treffen Besucher hier

auf eine einmalige Verbindung von Kunst, Kultur

und Wissen. Das Kunstareal ist in 200 Jahren kontinuierlich

gewachsen und präsentiert heute Kulturgeschichte

aus mehr als 5.000 Jahren. Zwischen dem

grandiosen Königsplatz mit der Glyptothek und

den Antikensammlungen und der Theresienstraße

bietet das Kunstareal eine außergewöhnliche Vielfalt

an Ausstellungshäusern, aber auch zahlreiche

Straßencafés, Restaurants und denkmalgeschützte

Gärten zum Flanieren, Entspannen und Sonnenbaden.

Kulturelle Streifzüge durch das Kunstareal

zeigen architektonische sowie unzählige kulturelle

Highlights. Die berühmten Bayerischen Staatsgemäldesammlungen

mit der Alten Pinakothek, der

Neuen Pinakothek und der Pinakothek der Moderne,

die in sich vier Museen zu Kunst, Grafik, Architektur

und Design verbindet, begeistern Gäste mit

hochrangigen Kunstwerken vom Spätmittelalter bis

zur Gegenwart. Die Akademie der Bildenden Künste

oder der beeindruckende Neubau des Staatlichen

Museums für Ägyptische Kunst sind ebenso Teil des

Kunstareals wie die Institutionen der Wissenschaften

mit dem Paläontologischen Museum, dem Museum

Reich der Kristalle und dem zentralen Lernort

zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus,

dem vor fünf Jahren eröffneten

NS-Dokumentationszentrum. Auch architekturinteressierte

Besucher begeistert das Kunstareal mit

seinen prachtvollen historischen Bauten, Plätzen

und Museen sowie herausragenden An- und Neubauten

international renommierter Architekten.

Zeitgenössische Akzente setzen beispielsweise das

Museum Brandhorst mit seiner bunten Fassade von

Sauerbruch Hutton und das spektakuläre Lenbachhaus

mit der gelungenen Kombination aus moderner

Architektur (Sir Norman Foster) und der historischen

Künstlervilla. Besucher sind eingeladen,

das Kunstareal mit seinen Orten des Wissens und

der Kreativität immer wieder neu zu erleben. Ob

innen, draußen oder unterirdisch – sie können aus

einem abwechslungsreichen, immer wieder neuen

Programm wählen, um Neues kennenzulernen oder

Bekanntes neu zu entdecken. Sämtliche Angebote

auf einen Blick, ansprechend aufbereitet und nach

Interessen sortiert, gibt es auf www.kunstareal.de.

DER KULTURHERBST

IM KUNSTAREAL MÜNCHEN –

DIE HIGHLIGHTS

GLYPTOTHEK

(Wiedereröffnung im Herbst!)

19. November 2020 – 30. Mai 2021

Bertel Thorvaldsen und Ludwig I.

LENBACHHAUS

13. Oktober 2020 – 6. Juni 2021

Unter freiem Himmel. Unterwegs mit

Wassily Kandinsky und Gabriele Münter

MUSEUM BRANDHORST

10. September 2020 – 21. Februar 2021

Lucie McKenzie. Prime Suspect

MUSEUM FÜR ABGÜSSE

KLASSISCHER BILDWERKE

bis 10. Januar 2021

Lebendiger Gips – 150 Jahre Museum

für Abgüsse Klassischer Bildwerke

NS-DOKUMENTATIONS-

ZENTRUM MÜNCHEN

12. November 2020 – 14. März 2021

Heimrad Bäcker – Es kann sein, dass

man uns nicht töten wird und uns

erlauben wird, zu leben

PINAKOTHEK DER MODERNE

SAMMLUNG MODERNE KUNST

16. September 2020 – 15. August 2021

Anish Kapoor in der Rotunde

STAATLICHE GRAPHISCHE

SAMMLUNG MÜNCHEN

8. Oktober – 10. Januar 2021

Max Beckmann / Omer Fast: Abfahrt

ARCHITEKTURMUSEUM DER TUM

14. Oktober 2020 – 10. Januar 2021

Die Architekturmaschine

DIE NEUE SAMMLUNG –

THE DESIGN MUSEUM

ab 6. November 2020

Öffentlich zugängliches Schaudepot

STAATLICHES MUSEUM

ÄGYPTISCHER KUNST

bis 10. Januar 2021

Adam, wo bist du?

Weitere Informationen und eine

Übersicht über sämtliche Ausstellungen,

Events und die ständigen Sammlungen

finden Sie auf www.kunstareal.de

Aktuelles und spannende Hintergrundinformationen

direkt ins

Postfach gibt’s mit pulse, dem

Newsletter aus dem Kunstareal:

www.kunstareal.de/newsletter

PA R NASS 03/2020 93


MUSEEN UND

AUSSTELLUNGSHÄUSER

1 Alte Pinakothek

2 Geologisches

Museum München

3 Glyptothek

4 Lenbachhaus München

5 Museum für Abgüsse

Klassischer Bildwerke

6 Museum Brandhorst

7 Museum Reich

der Kristalle

8 Neue Pinakothek

9 NS-Dokumentationszentrum

München

10 Paläontologisches

Museum München

11 Pinakothek der Moderne

12 Staatliche

Antikensammlungen

13 Staatliches Museum

Ägyptischer Kunst

14 Türkentor

Gabelsbergerstraße

KULTURELLE

EINRICHTUNGEN

15 AkademieGalerie

16 Amerikahaus München

17 Architekturgalerie

München e. V.

18 Benediktinerabtei

und Stiftsbibliothek

St. Bonifaz

19 DG Deutsche Gesellschaft

für christliche Kunst e. V.

20 Bayerische

Staatsgemäldesammlungen

21 Evangelisch-Lutherische Kirche

in Bayern / Landeskirchenamt

22 Kunstpavillon im

Alten Botanischen Garten

23 Oskar von Miller Forum

24 St. Markus / Evangelisch-

Lutherische Kirchengemeinde

25 Zentralinstitut für

Kunstgeschichte

Stiglmaierplatz

Brienner Straße

Augustenstraße

Karlstraße

HOCHSCHULEN

Hauptbahnhof

LENBACHHAUS

Olafur Eliasson, Wirbelwerk

Foto: Christian Kasper

26 Akademie der

Bildenden Künste München

27 Hochschule für Musik

und Theater München

28 HFF Hochschule für

Fernsehen und Film

29 HM Hochschule für angewandte

Wissenschaften München

30 LMU Ludwig-Maximilians-

Universität

31 TUM Technische Universität


Karlstraße

Kunst- und Kulturraum Bayern

Theresienstraße

Brienner Straße

Königsplatz

Augustenstraße Augustenstraße

Luisenstraße Luisenstraße

Königsplatz

Luisenstraße Luisenstraße

Katharina-von-Bora-Straße

Gabelsbergerstraße

Arcisstraße

Brienner Straße

Arcisstraße

Schellingstraße

Arcisstraße

Barer Straße

Karolinenplatz

Max-Joseph-Straße

Theresienstraße

Gabelsbergerstraße

Barer Straße Barer Straße

Brienner Straße

Türkenstraße

Türkenstraße

Schellingstraße

Oskar-von-Miller-Ring

Türkenstraße

Universität

Amalienstraße

>

Oskar-von-Miller-Ring

Barer Straße

Brienner Straße

Ottostraße

Karlsplatz (Stachus)

Maximiliansplatz

Odeonsplatz

Elisenstraße

Maximiliansplatz

>

PA R NASS 03/2020

95


KUNSTAREAL

MÜNCHEN

2009 vereinbarten der Freistaat Bayern

und die Landeshauptstadt München, eine

Museums-, Kunst- und Wissenschaftslandschaft

rund um die Pinakotheken und den

Königsplatz zu etablieren. München sollte

mit dem Kunstareal stärker als Kultur- und

Wissensstandort wahrgenommen werden.

Über die Entwicklung des Kunstareals

und auch darüber, was in Zukunft geplant

wird, sprachen wir mit Angelika Nollert,

Direktorin von „Die Neuen Sammlung

– The Design Museum“ und Sprecherin

der Museen in der Steuerungsgruppe des

Kunstareals.

SILVIE AIGNER

PARNASS: Welche Maßnahmen, die 2009/2010

definiert wurden, konnten im Kunstareal bereits

umgesetzt werden? ANGELIKA NOLLERT: Die vor

zehn Jahren formulierten Maßnahmen spiegelten

die Vision eines Kunstareals, waren aber noch relativ

allgemein gehalten. Grundsätzliches Ziel war

eine starke Vernetzung der Museen, Hochschulen,

Kulturinstitutionen und Galerien. München

als einmaliger Kultur- und Wissensstandort und

damit das Kunstareal mit seinen 31 Museen, Institutionen

und Hochschulen sollte national und

international gefördert sowie in seiner Vielfalt

sichtbar gemacht werden. Seitdem ist sehr viel passiert,

nicht nur die Maßnahmen betreffend, sondern

auch die konkrete Umsetzung. Wie die Implementierung

eines Leitsystems an 19 Standorten

im Kunstareal oder das zweijährlich stattfindende

Kunstareal-Fest, an dem sich zahlreiche Institutionen

beteiligen und das im letzten Jahr wieder rund

70.000 Menschen begeisterte. 2016 finanzierte

und implementierte der Förderkreis Kunstareal

eine komplett neue Website, die nun tagesaktuell

und zweisprachig ist und in deren Kalender man

alle Ausstellungen und Sonderveranstaltungen auf

einen Blick findet. Es wurde der Newsletter „pulse“

etabliert, die Social-Media-Kanäle sowie der

Kunstareal-Guide herausgegeben. Dieser erscheint

auf Deutsch und Englisch im Taschenformat. Er

ist überall vor Ort erhältlich und bietet nicht nur

schnelle Orientierung, sondern ist vollgepackt mit

Insidertipps und wertvollen Informationen zu

Kunst, Kultur und Wissen.

P: Die Zusammenarbeit der Landeshauptstadt

München und dem Freistaat Bayern wurde 2018

nochmals bekräftigt. AN: Die Kooperationsvereinbarung,

die der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt

München 2018 unterzeichneten,

KUNSTAREAL

»Sommer in der Stadt«,

Riesenrad am Königsplatz

Foto: Frank Stolle

96


Kunst- und Kulturraum Bayern

war ein sehr großer und wichtiger Schritt und ermöglichte

eine Verstetigung der Geschäftsstelle

mit einem soliden Budget. Aus einem zeitlich befristeten

Projekt erwuchs eine institutionell verankerte

Infrastruktur. Die Politik hat – mit neuen

Gremien und der permanenten Geschäftsstelle –

das Kunstareal so gestärkt, dass es seinem Anspruch

gerecht wird. Auch im Koalitionsvertrag

von CSU und Freien Wählern wird das Kunstareal

als eines von fünf zentralen kulturellen Projekten

in Bayern genannt.

P: Eines der Anliegen war auch eine Vernetzung

des Kunstareals in die Maxvorstadt mit seinen

Cafés und Geschäften, wie weit ist das gelungen?

AN: Das Kunstareal ist Teil der Maxvorstadt. Gerade

in der Theresienstraße finden sich sehr viele

Cafés und Geschäfte, die zum Kunstareal gehören

und sich darüber sehr glücklich schätzen. Buchhandlungen,

Antiquariate, Antiquitätengeschäfte

und Trödelläden, die zum Stöbern einladen, sind

»WIR SIND DARAN

INTERESSIERT,

DASS DINGE, DIE

IM KUNSTAREAL

STATTFINDEN, AUCH

ZUR STEIGERUNG

DER INHALTE DES

KUNSTAREALS

BEITRAGEN.«

ANGELIKA NOLLERT

charakteristisch für das gesamte Kunstareal. Auch

in den Museen und Hochschulen gibt es hervorragende

Gastronomie, auf der Terrasse des Vorhoelzer

Forums der TUM hat man beispielsweise einen

wunderbaren Blick über das gesamte Kunstareal.

Der Gastro-Wagon Minna Thiel direkt vor der

Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) lockt

vor allem junge Menschen an, die dort den Sonnenuntergang

mit Blick auf die Alte Pinakothek

genießen. Und das Kunstareal ist mittlerweile

bekannt für seine hervorragenden Eisdielen!

P: Die Öffnung der Museen und die Bespielung

der Freiflächen wie aktuell mit „Sommer in der

Stadt“ sind zentrale Anliegen. Welche Maßnahmen

wurden bisher gesetzt? AN: Zwischen den

Staatlichen Museum für Ägyptische Kunst und

dem Lenbachhaus begegnen Ihnen auf dem Königsplatz

die sogenannten Glypto-Theken. Das

sind großflächige Sitzmöbel, die zum Ausruhen

und Sonnenbaden einladen. Ausgehend von der

Tatsache, dass die Glyptothek noch bis Ende des

Jahres renoviert wird und eingezäunt ist, haben

engagierte Studierende der TUM die Treppen der

Glyptothek stilisiert nachgebaut und sie dem öffentlichen

Raum als Zwischenlösung zugeführt.

Auf dem Vorplatz des NS-Dokumentationszentrums

können Gäste und Passanten eine Pause auf

einem der dort platzierten Kunstareal-Liegestühle

einlegen. Ein gelungenes Beispiel für die Bespielung

des öffentlichen Raums war auch das Projekt

„Ballenernte“ von Michael Beutler. Dieser hat auf

mehreren Flächen des Kunstareals aus überdimensionierten

bunten Trinkhalmen „Heuballen“ gerollt,

die nicht nur eine visuelle Verbindung zwischen

den Häusern schufen, sondern gleichzeitig

auch als Sitz- und Liegemöbel genutzt werden

konnten. Eine solche saisonale Bespielung soll in

Zukunft verstärkt werden, um die Aufenthaltsqualität

spürbar zu steigern. Die Freiräume sind jedoch

bereits insgesamt beliebte Treffpunkte, seien es die

Wiesen auf der Südseite der Alten Pinakothek

oder der Nordseite der Pinakothek der Moderne

rund um das FUTURO-Haus, die zum Ausruhen

und zum Ballspielen einladen, oder die Tango-Tanz-Abende

bei den Antikensammlungen.

P: Gibt es auch eine Zusammenarbeit unter den

Museen des Kunstareals? AN: Das Kooperieren

mit anderen Institutionen innerhalb des Kunstareals

wird immer selbstverständlicher. Zur Zeit

werden beispielsweise im Kontext der Sonderausstellung

„Tell me about yesterday tomorrow“

des NS-Dokumentationszentrums Arbeiten aus

Harald Pickerts Zyklus „Die Pestbeulen Europas.

Naziterror in Konzentrationslagern“ im Zentralinstitut

für Kunstgeschichte ausgestellt. Die Pinakothek

der Moderne arbeitet regelmäßig und auf

unterschiedlichen Ebenen mit der TUM und der

Akademie der Bildenden Künste zusammen, und

auch das Dokumentarfilmfestival DOKfest, dessen

Festivalzentrum immer in der HFF liegt, zeigt

Filme an unterschiedlichen Orten im Kunstareal.

Unser Konzept ist, die Programmatik für den

Außenraum auch aus den Vorschlägen der Institutionen

heraus und mit ihrer Einbindung zu entwickeln.

So wurde „Sommer in der Stadt“ als Initiative

der Landeshauptstadt in enger Absprache

mit den Häusern ermöglicht. Wir sind daran interessiert,

dass Dinge, die im Kunstareal stattfinden,

auch zur Steigerung der Inhalte des Kunstareals

beitragen. Ich freue mich, dass Sie mich genau

nach diesen Punkten fragen, denn das ist das, was

wir jetzt, aufgrund der neuen Geschäftsstelle, nun

auch mittel- und langfristig planen können.

P: Gibt es konkrete Pläne für die Zukunft?

AN: Ich darf noch nicht zu viel verraten, aber ab

Dezember wird eine Künstlerin oder ein Künstler

das Kunstareal für alle sicht- und erlebbar machen.

Seien Sie gespannt und planen Sie Ihren

Besuch schon jetzt, denn eines ist sicher: Dieses

Projekt ist coronakonform geplant und darf auf jeden

Fall stattfinden, denn es findet ausschließlich

im Außenraum statt.

PA R NASS 03/2020


Kunst- und Kulturraum Bayern

Quer durch

BAYERN

Unser Kunst- und Kulturraum führt uns über München hinaus in alle

Himmelsrichtungen des Freistaates Bayern und der Region Franken. Freilich

gäbe es in dieser der Kunst so nahen Gegend noch viel mehr zu entdecken,

doch unsere Auswahl soll Ihnen Höhepunkte präsentieren und den einen

oder anderen Ankerpunkt für Ihre nächste Reise nahelegen.

112 PA R NASS 03/2020


Kunst- und Kulturraum Bayern

DASMAXIMUM | Ausstellungsansicht mit Walter De Maria, Equal Area Series, 14–16, 1976–82 | © The Estate of Walter De Maria, Foto: Franz Kimmel

PA R NASS 03/2020 113


Aschaffenburg

Bayreuth

Würzburg

Bamberg

MEHR

ALS 20 ORTE

DER KUNST

EINE TOUR DURCH DIE

PINAKOTHEKEN IN BAYERN

Ansbach

Ottobeuren

Augsburg

Staatsgalerien

in Bayern

Neuburg an der Donau

Oberschleißheim

München

Tegernsee

Burghausen

Herrenchiemsee

Füssen

Pinakothek – ein Name, der mit München verwoben

ist und den Klang großer Bilder in sich trägt:

Man hat die Erhabenheit Albrecht Dürers in der

Alten Pinakothek vor Augen, den Farbenrausch

van Goghs in der Neuen Pinakothek (die aktuell

wegen Sanierung geschlossen ist; ihre Highlights

sind daher in der Alten Pinakothek zu finden) oder

die bewegenden Figuren Max Beckmanns in der

Pinakothek der Moderne. Dass der Bilderkosmos

der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen darüber

hinaus an mehr als 20 Orten in ganz Bayern

zu entdecken ist, wissen nur wenige. Bei einer Reise

durch den Süden Bayerns zum Beispiel können

Sie in einem Umkreis von rund 100 Kilometern in

ferne Länder und vergangene Zeiten eintauchen.

Nur einen Fußmarsch vom Münchner Kunstareal

entfernt, warten in der Prinzregentenstraße arkadische

Landschaften und Mythen. Die Sammlung, die

der Dichter und Übersetzer Graf Adolf Friedrich

von Schack nach 1850 anlegte und für die Kaiser

Wilhelm II. 1909 eine eigene Galerie bauen ließ, ist

als vollständig erhaltenes Sammlermuseum ein Dokument

ihrer Zeit und zugleich ein Ort der Sehnsucht.

Kunstwerke von Moritz von Schwind, Arnold

Böcklin oder Anselm Feuerbach erzählen Legenden,

während Franz Ludwig Catel, Johann Georg von

Dillis oder Carl Spitzweg den Blick von Griechenland

und Italien nach Spanien und in den Orient

entführen. Schon für Schack war die Beschäftigung

mit den jungen Meistern ohne eine Auseinandersetzung

mit den alten undenkbar. Noch vor der Alten

Pinakothek bot das Neue Schloss Schleißheim vor

den Toren Münchens einen einzigartigen Rahmen

für die Sammlungen der Wittelsbacher. Heute vermitteln

dort Meisterwerke der europäischen Barockmalerei

von Peter Paul Rubens, Luca Giordano,

Joachim von Sandrart oder Nicolas Poussin vor tiefrotem

Seidendamast und in zeitgenössischer Rahmung

eindrücklich, welche Bedeutung Gemälden

zur Zeit des Absolutismus in einer Residenz zukam.

Die Epoche der barocken Malerfürsten ist auch

in Neuburg an der Donau lebendig, wo sich in der

Staatsgalerie im Neuen Schloss regionale mit europäischer

Geschichte verbindet: Als Bündnispartner

der Statthalter Spaniens in den Niederlanden

beauftragte Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm keinen

Geringeren als Peter Paul Rubens, zwei Altarbilder

für Neuburg zu malen. Die Staatsgalerie im

Schloss ist deshalb der flämischen Malerei gewidmet

– nicht nur den imposanten Gemälden, sondern

auch den feinmalerischen Kabinettbildern

der sogenannten „Kleinmeister“, zu denen Jan

Brueghel d. Ä. und Frans Francken d. J. ebenso gehören

wie David Teniers d.J.

In Burghausen erzählen Maler wie der Münchner

Gabriel Mäleskircher dagegen von der goldenen

Zeit der bayerischen Klöster. Ihre Bildgeschichten

führen in die Welt des späten Mittelalters und lassen

die Pracht der ursprünglich sechs oder sieben Meter

breiten und mit Bekrönung fast ebenso hohen

Flügelretabel erahnen. Monumental wartet auch der

zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstandene Gemäldezyklus

mit Historien des Hauses Wittelsbach im

dritten Obergeschoß der Staatsgalerie auf: Fast elf

Meter misst Hans Werls Darstellung der Schlacht

bei Mühldorf – wo könnte diese besser hängen als

in der längsten Burganlage Europas?

Den schwäbischen Kunstzentren Augsburg,

Ulm, Memmingen, aber auch Kaufbeuren und

Nördlingen spürt man im Hohen Schloss zu Füssen

nach. Es sind die Wirkungsorte von Hans

Holbein und seiner Werkstatt oder Bartholomäus

Zeitblom, deren Werke der Staatsgalerie ihren besonderen

Glanz geben. Schon Kaiser Maximilian

I. war in Füssen gern gesehener Gast. Mit Krone

und Zepter begegnet man ihm dort heute noch in

einem Porträt nach Bernhard Strigel.

Zwischen Füssen und Burghausen liegt das Olaf

Gulbransson-Museum, das uns zurück ins 20. Jahrhundert

führt. Fernweh ist hier gleich mit angelegt,

denn der aus Oslo stammende Gulbransson fand

nach einer turbulenten Zeit im München des „Simplicissimus“

am Tegernsee seinen persönlichen Fjord.

In seiner Darstellung von Zeitgenossen und des Zeitgeschehens,

seiner eigenen Persönlichkeit und der

von anderen, ist es stets die Linie, die den Scharfsinn

und Witz dieses „Titans der Zeichenkunst“ trägt.

114 PA R NASS 03/2020


Kunst- und Kulturraum Bayern

ADVERTORIAL

MÜNCHEN

• Alte Pinakothek

• Neue Pinakothek

• Pinakothek der Moderne

• Museum Brandhorst

• Sammlung Schack

DIE PINAKOTHEKEN

IN BAYERN

• Staatsgalerie in der

Burg, Burghausen

• Staatsgalerie im Hohen

Schloss, Füssen

• Staatsgalerie im Residenzschloss,

Neuburg an der Donau

• Staatsgalerie in der

Benediktinerabtei, Ottobeuren

• Staatsgalerie im Neuen

Schloss Schleißheim

• Staatsgalerie in der

Residenz Ansbach

• Staatsgalerie im Schloss

• Johannisburg, Aschaffenburg

• Staatsgalerie in der

Katharinenkirche, Augsburg

• Staatsgalerie in der

Neuen Residenz Bamberg

• Staatsgalerie Bayreuth

• Olaf Gulbransson Museum,

Tegernsee

• Staatsgalerie in der

Residenz Würzburg

STAATSGALERIE WÜRZBURG | Ovalsaal | Foto: Haydar Koyupinar

STAATSGALERIE SCHLEISSHEIM | Große Galerie | Foto: Martin Fengel

WWW.PINAKOTHEK.DE/BESUCH/STAATSGALERIEN

PA R NASS 03/2020 115


Kunst- und Kulturraum Bayern

TRAUNREUT

DASMAXIMUM | Baselitz-Saal mit Winterschlaf, 2014 | © Georg Baselitz, Foto: Franz Kimmel

DASMAXIMUM

KUNST DER GEGENWART

Das 2011 eröffnete Museum „DASMAXIMUM –

Kunst der Gegenwart“ gilt als besonderer Tipp

zwischen Salzburg und München. Vermuten würde

man das Museum mit seinen weiträumigen

Ausstellungsflächen und Arbeiten internationaler

Gegenwartskunst in der kleinen oberbayerischen

Indus triestadt Traunreut nicht. Der Stifter

des Museums ist jedoch niemand geringerer

als der Galerist Heiner Friedrich. Künstler wie

Georg Baselitz, Joseph Beuys, Imi Knoebel, Blinky

Palermo, Sigmar Polke und Gerhard Richter gehörten

zu seinen Weggefährten, ebenso wie die amerikanische

Avantgarde rund um John Chamberlain,

Dan Flavin, Donald Judd, Walter de Maria, Barnett

Newman, Cy Twombly und Andy Warhol, die er

teils zum ersten Mal in Europa zeigte. Friedrich

war 1974 Mitbegründer der Dia Art Foundation

in New York, initiierte Projekte wie Walter De

Marias „Lightning Field“ in New Mexico 1977,

den „Vertikalen Erdkilometer“ in Kassel 1977 sowie

den „New York Earth Room“ 1979, das Dan

Flavin Institute in Bridgehampton 1983, Donald

Judds Chinati Foundation in Marfa 1987, das

Andy Warhol Museum in Pittsburgh 1994, die

Cy Twombly Gallery in Houston 1995 und das

Dia:Beacon 2003. Mit der Ayn Foundation 1990 ermöglichte

Friedrich unter anderem 1993–1995 das

Arnulf Rainer Museum in New York. Mit der Stiftung

DASMAXIMUM in Traunreut setzt er nicht nur

ein markantes Zeichen für die Kunst der Gegenwart,

die Stiftung trägt auch deutlich seine Handschrift.

Bereits als Galerist setzte er Maßstäbe in der

Ausstellungsgestaltung: nur ein Künstler pro Raum

sollte es sein, präsentiert bei reinem Tageslicht und

in Bezug zum Raum. So wurde für „DASMAXIMUM“

der zuvor industriell genutzte Gebäudekomplex in

ein Tageslicht-Museum mit 4.300 Quadratmeter

Ausstellungsfläche umgewandelt. Friedrich geht es

auch stets um eine dauerhafte Präsentation aktueller

Kunst. Ein Leitmotiv, das er nun im DASMAXI-

MUM erneut umsetzte. Bei Georg Baselitz, Blinky

Palermo und Uwe Lausen ermöglichen Arbeiten

aus verschiedenen Werkphasen einen Überblick

über ihr Œuvre, von Imi Knoebel und Maria Zerres

werden großformatige Serien gezeigt. Einen besonderen

Schwerpunkt im „DASMAXIMUM“ setzt der

reiche Bestand an Werken amerikanischer Künstler.

Neben Gemälden von Andy Warhol werden die

Skulpturen von John Chamberlain und Walter De

Maria sowie die Lichtinstallationen von Dan Flavin

in eigenen Räumen präsentiert. Die „Eichenpflanzungen

zu Ehren von Joseph Beuys“ setzt auf dem

Gelände und in der Stadt wichtige Fixpunkte. RED

DASMAXIMUM –

KUNST DER GEGENWART

FRIDTJOF-NANSEN-STRASSE 16

83301 TRAUNREUT

WWW.DASMAXIMUM.COM

© Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig

116 PA R NASS 03/2020


Wassily Kandinsky, Segelboot auf dem Meer, 1902, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957

Eine Kooperation des Lenbachhauses mit der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung Mit freundlicher Unterstützung des Förderverein Lenbachhaus e.V.

UNTER FREIEM

HIMMEL

UNTERWEGS MIT

WASSILY

KANDINSKY

UND

GABRIELE

MÜNTER

BIS

JUNI

20

21

LENBACHHAUS.DE

IHR

KUNSTMUSEUM

IN MÜNCHEN

LENBACHHAUS


Kunst- und Kulturraum Bayern

PENZBERG

MUSEUM PENZBERG | Sammlung Campendonk, Außenansicht | Foto: Stefan Geisbauer

MUSEUM

PENZBERG –

SAMMLUNG

CAMPENDONK

FASZINIERENDE

HINTERGLASBILDER,

LEUCHTENDE FARBEN

UND ABSTRAKTE FORMEN

Das Museum beherbergt weltweit die größte Sammlung

von Werken des expressionistischen Malers

Heinrich Campendonk. Er kam 1911 aus dem Rheinland

nach Bayern und schloss sich als Jüngster dem

Umfeld des „Blauen Reiters“ an.

Auf der Suche nach eigenen Motiven beeindruckte

ihn die Bergwerksstadt Penzberg mit ihren

Koloniehäusern, den Fördertürmen und Schornsteinen.

Die Bilder aus der Phase des „Blauen Reiters“

waren für Campendonk (1889–1957) der Einstieg

in ein sehr selbständiges Kunstschaffen, das

mit vielen Entwicklungsphasen bis in die 1950er

-Jahre reicht. Besonders die Hinterglasbilder bestechen

durch eine ganz eigene Schönheit und faszinierende

Meisterschaft.

Daneben steht die Stadtgeschichte im Fokus,

auch der Museumsbau spiegelt diese wieder: Das

denkmalgeschützte Bergarbeiterhaus wurde 2016

um einen Zwillingsbau mit dunkler Klinkerfassade

ergänzt. Zusätzlich zeigt das Museum Wechselausstellungen

zu Expressionismus, zeitgenössischer

Kunst und Stadtgeschichte.

RASENGLÜCK

Die Erfindung des Elfmeterschießens

bis 4. Oktober 2020

NIEMALS WIEDER!

300 »Mahnblumen« für Penzberg zum

75. Gedenkjahr der Penzberger Mordnacht

17. Oktober bis 6. Dezember 2020

GLASS MATTERS

Technik der Hinterglasmalerei

19. Dezember 2020 bis 11. April 2021

MUSEUM PENZBERG

AM MUSEUM 1 | 82377 PENZBERG

WWW.MUSEUM-PENZBERG.DE

Di–So und an Feiertagen 10–17 Uhr

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118 PA R NASS 03/2020


Kunst- und Kulturraum Bayern

KOCHEL

AM

SEE

ANSELM KIEFER

OPUS MAGNUM

FRANZ MARC MUSEUM

ANSELM KIEFER | Opus Magnum – Athanor, 2014, (Detail)

Kiefer-Sammlung Grothe im Franz Marc Museum | © Anselm Kiefer, Foto: collecto.art

Unter dem Titel „Opus Magnum“ fasst Anselm Kiefer 23 Vitrinen

und sechs Fotografien aus den Jahren 2014 bis 2016 zusammen,

die nun im Franz Marc Museum in Kochel als Dauerleihgaben

aus der Sammlung Grothe zu sehen sind. Neben

Georg Baselitz und Gerhard Richter gehört Anselm Kiefer zu

jenen deutschen Künstlern, die, während oder kurz nach dem

Zweiten Weltkrieg geboren, sich einem allgemeinen „traumatischen“

Schweigen über den Nationalsozialismus entgegenstellen.

“Ich lebte unter Leuten, die alle dabei waren und

nicht darüber reden wollten. Diese Zeit war ein leerer Raum“,

so Anselm Kiefer, dessen Werk sich stets um Fragestellungen

nah am weiten Begriff der „Kultur“ bewegt. Mit Blick auf das

Spektrum menschlicher Lebensarten entspinnt Kiefer immer

wieder Deutungsambivalenzen. Mehrdeutig ist auch die Bedeutung

des ausgestellten „Opus Magnum“. Der Titel kann

das zentrale große Werk des Künstlers, sein Meisterwerk, bezeichnen,

er lässt sich aber auch im Sinn der alchemistischen

Bedeutung des Transformationsprozesses von unedlen Metallen

in Gold verstehen – ein grundlegender Prozess für Kiefers

Œuvre. In den Vitrinen präsentieren sich kunstvoll arrangierte

Stillleben, ein assoziationsreiches Ensemble von Dingen

und Bedeutungen. Wie Zeitkapseln in Referenz zu Kiefers

Gesamtwerk bilden sie Mikrokosmen, die das Gesamtwerk,

das „Opus Magnum“ Kiefers, spiegelt. RED

ANSELM KIEFER

OPUS MAGNUM

bis 21. Februar 2021

FRANZ MARC MUSEUM

FRANZ MARC PARK 8–10

82431 KOCHEL AM SEE

FRANZ-MARC-MUSEUM.DE

Anselm Kiefer. Opus Magnum – Daphne (Detail). 2016. Kiefer-Sammlung Grothe im Franz Marc Museum, © Anselm Kiefer. Foto: collecto.art

Anselm Kiefer

Opus Magnum

Franz Marc

Museum

Kochel a. See

12.07.2020

21.02.2021

www.franz-marc-museum.de


Kunst- und Kulturraum Bayern

MEMMINGEN

ADVERTORIAL

TIM WOLFF | Lichthof mit der Installation »Messengers« aus dem Jahr 2018 | Foto: MEWO Kunsthalle/Carsten Eisfeld

MEWO KUNSTHALLE

ZEITGENÖSSISCHE KUNST ABSEITS DER METROPOLEN

Seit 2005 zeigt die MEWO Kunsthalle in

Memmingen ein attraktives Programm mit Ausstellungen

zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.

In bis zu zehn Einzel- und Gruppenausstellungen

pro Jahr vermittelt das Haus auf 800 qm Fläche

einen vielfältigen Blick auf künstlerische Fragestellungen,

präsentiert internationale zeitgenössische

Kunst und eröffnet überraschende Einblicke in die

lokale Kulturlandschaft.

Um allen Besuchern Kultur- und Kunstgenuss zu

ermöglichen, setzt die MEWO Kunsthalle einen

Schwerpunkt auf die Vermittlungsarbeit. Diese

wurde in den letzten Jahren konsequent weiterentwickelt

und ist integraler Bestandteil des Programms.

Als Bildungseinrichtung am Ort tritt die

MEWO Kunsthalle für ein Kulturverständnis ein,

das Barrieren abbaut und den Dialog mit diversen

Akteuren und Institutionen sucht, was in Kooperationen

etwa mit dem Landestheater Schwaben

mündet. Neben qualitativer Ausstellungsarbeit

und entsprechendem Vermittlungsprogramm ist

ein besonderes Highlight, dass der Eintritt in der

MEWO Kunsthalle und den anderen städtischen

Museen in Memmingen frei ist und man so dem

gemeinsamen Ziel einer „Kultur für alle!“ einen

bedeutenden Schritt nähergekommen ist.

Noch bis zum 1. 11. 2020 ist die Ausstellung

„Prinz Gholam: Dial F for Father“ zu sehen. Vom

2. 10. 2020 bis zum 31. 1. 2021 werden Arbeiten

der Künstlerin Cornelia Renz unter dem Titel

„Heimspiel“ gezeigt und vom 26. 11. 2020 bis

zum 6. 6. 2021 beschäftigt sich die Ausstellung

„imPERFEKT“ mit Barrierefreiheit und Schönheitsidealen.

PRINZ GHOLAM:

DIAL F FOR FATHER

bis 1. November 2020

CORNELIA RENZ: HEIMSPIEL

2. Oktober 2020 bis 31. Jänner 2021

IMPERFEKT

26. November 2020 bis 6. Juni 2021

MEWO KUNSTHALLE

BAHNHOFSTRASSE 1 | 87700 MEMMINGEN

WWW.MEWO-KUNSTHALLE.DE

Di–So und feiertags: 11–17 Uhr

Eintritt frei

120 PA R NASS 03/2020


Kunst- und Kulturraum Bayern

AUGSBURG

AUSSERGEWÖHNLICHE VIELFALT

ADVERTORIAL

Eine reiche Geschichte, bedeutende Traditionen

und große Persönlichkeiten prägen Augsburg. Eine

vielschichte Aufgabe für die Kunstsammlungen &

Museen. In ihren Häusern befassen sie sich mit allen

Aspekten der kunst- und kulturgeschichtlichen

Entwicklung – von der Gründung als Römerstadt

vor über 2000 Jahren bis heute. Eine außergewöhnliche

Vielfalt, die Kunst aus unterschiedlichsten

Blickwinkeln erlebbar macht.

Das Römische Museum und die Stadtarchäologie

Augsburg kümmern sich um das antike

Erbe der Stadt. Eine Auswahl wesentlicher Exponate

wird derzeit im Zeughaus in der Ausstellung

„Römerlager – Das römische Augsburg in

Kisten“ präsentiert. Das Maximilianmuseum, gegründet

1855, ist das Stammhaus der Kunstsammlungen

und seit damals in zwei Stadtpalästen von

Augsburger Kaufmannsdynastien untergebracht.

Im 1770 erbauten Schaezlerpalais präsentiert sich

die Deutsche Barockgalerie. Der prächtige Festsaal

und der frei zugängliche Rokokogarten gelten als

touristische Highlights.

Das Grafische Kabinett ist das Schaufenster der

Grafischen Sammlung mit über 40.000 Arbeiten

auf Papier. Heimische und internationale Künstlerinnen

und Künstler finden nebenan in der

1996 eingerichteten Neuen Galerie im Höhmannhaus

ein Forum. Es widmet sich aktuellen Strömungen

zusammen mit dem H2 – Zentrum für

Gegenwartskunst im Glaspalast, dem städtischen

Museum für zeitgenössische Kunst.

1898 kam der Dichter und Dramatiker Bert

Brecht in Augsburg zur Welt. Das Brechthaus

im Lechviertel ist sein Geburtshaus und heute

Gedenkstätte. Elf Themenräume bietet das 2019

neu konzipierte Leopold-Mozart-Haus. Der Vater

des großen Amadeus wird hier als Musik-Pädagoge

erlebbar.

TIPP

DRESSED FOR SUCCESS

EIN AUGSBURGER MODETAGEBUCH

AUS DEM 16. JAHRHUNDERT

28. November 2020 bis 28. Februar 2021

Im Jahr 1520, lange vor Instagram & Co., legte

Matthäus Schwarz (1497–1574) ein ungewöhnliches

Tagebuch an: Das »klaidungsbuechlin« mit

140 Miniaturen. Der Hauptbuchhalter der Fugger hielt

darin 40 Jahre lang die Männermode des 16. Jahrhunderts

fest. Extravagant und standesbewusst.

MAXIMILIANMUSEUM

FUGGERPLATZ 1 | 86150 AUGSBURG

KMAUGSBURG.DE

© Kunstsammlungen & Museen Augsburg

KUNSTSAMMLUNGEN & MUSEEN AUGSBURG | links | Der prachtvolle Rokoko-Festsaal des 1770 eingeweihten Schaezlerpalais ist Teil des Rundgangs durch die Barockgalerie.

rechts | Die Originalskulpturen der Augsburger Monumentalbrunnen sind im Viermetzhof des Maximilianmuseum zu sehen.

PA R NASS 03/2020 121


Kunst- und Kulturraum Bayern

REGENSBURG

KUNSTFORUM OSTDEUTSCHE GALERIE | mit Installation von Magdalena Jetelová »Venceremos/Sale« | Foto: Studio Zink Fotografen

ZEITGENÖSSISCHE KUNST IN REGENSBURG

Als Kontrast zu seinem mittelalterlichen Stadtkern

weiß Regensburg sich in Sachen Kunst zeitgenössisch

zu positionieren. Vielleicht ist es auch mehr

eine Symbiose von Vergangenheit und Gegenwart

als ein Gegensatz, dem wir in der Stadt an der Donau

begegnen. So trifft in der Ostdeutschen Galerie

schon an der Fassade die Geschichte auf das

Jetzt – als Kunst am Bau aus dem Jahr 2006 prägt

eine markante Säuleninstallation von Magdalena

Jetelová die Fassade des ursprünglichen Jugendstilgebäudes.

Innen erwartet den Besucher eine facettenreiche

Sammlung von der Romantik bis zur

Gegenwart sowie sehenswerte Sonderausstellungen,

in deren Fokus diesen Herbst Peter Weibel rückt.

(POST-)EUROPA? HERBSTAUSSTELLUNG

MIT MEDIENKÜNSTLER PETER WEIBEL

KUNSTFORUM OSTDEUTSCHE GALERIE

Der biennal verliehene Lovis-Corinth-Preis geht

2020 an Peter Weibel. Zum 50-jährigen Bestehen

des Museums Kunstforum Ostdeutsche Galerie

zeigt Weibel, Kunsttheoretiker und Kura-

tor sowie langjähriger Vorstand des Zentrums für

Kunst und Medien Karlsruhe, nun seine eigens

für Regensburg konzipierte Schau. Es ist eine umfassende

Werkauswahl, die einen Überblick über

sein gesamtes Schaffen von seinen Anfängen in

den 1960er-Jahren bis heute bietet. So ergründet

Weibel mit seiner Computer-Videoinstallation

„Die Vertreibung der Vernunft“ von 1993 ein einschneidendes

historisches Ereignis – nämlich die

erzwungene Emigration von Künstlern und Intellektuellen

Österreichs zwischen 1933 und 1945. Zugleich

widmet er sich aktuellen Fragen, wobei er

von Beginn an vielfach visionär ins Schwarze trifft.

Bezeichnend hierfür ist seine Installation „Station

W – die Welt ein Krankenhaus“, entstanden 2019.

Weibel ist essenzieller Protagonist in der internationalen

Medienkunst, sein künstlerisches Schaffen

umfasst Experimentalfilm, Computerkunst, Videokunst,

Konzeptkunst und Performance. Die

Regensburger Schau versammelt auch solche Arbeiten,

in denen sich Weibel mit Kernfragen rund

um Europa befasst. Wie der Titel „(Post-)Europa?“

ankündigt, legt er den Finger in die Wunden

und berührt die Wurzeln der vielschichtigen Krise.

Natürlich ist es kein Zufall, dass sich der Ausstellungszeitraum

teils mit der sechsmonatigen

EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands deckt. Die

neueste, für die Ausstellung angefertigte, Arbeit,

heißt „Brennt das Haus Europa?“. Mit ihr zeigt er

dem Betrachter im wahrsten Sinne des Wortes den

Spiegel – so trägt die Figur der Europa plötzlich

das eigene Gesicht, wodurch man aktiv in die Verantwortung

gezogen wird. RED

PETER WEIBEL – (POST-)EUROPA?

LOVIS-CORINTH-PREIS 2020

3. Oktober 2020 bis 31. Januar 2021

KUNSTFORUM OSTDEUTSCHE GALERIE

DR.-JOHANN-MAIER-STRASSE 5

93049 REGENSBURG

WWW.KUNSTFORUM.NET

122 PA R NASS 03/2020


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