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Last und Freude Wissen um das Kind Sprache des ... - Moses Online

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Magazin www.moses-online.de Oktober 2012<br />

Die <strong>Kind</strong>er, die neu in Pflege-/ Adoptivfamilien<br />

vermittelt werden haben meist eine schwierige Vorgeschichte,<br />

die dazu führt, <strong>das</strong>s sie allem misstrauen.<br />

Sie haben erfahren, <strong>das</strong>s die Welt nicht verlässlich<br />

ist, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Leben bedroht wird, <strong>das</strong>s Hilfe ka<strong>um</strong> zu<br />

erwarten ist, <strong>das</strong> man auf sich allein gestellt ist. Es<br />

gilt eigentlich nur, <strong>das</strong> ‚hier <strong>und</strong> jetzt’ zu überleben<br />

<strong>und</strong> zu bewerkstelligen. Das Leben ist ein Kampf.<br />

Solche Erfahrungen prägen auch Art <strong>und</strong> Umfang<br />

der Hirnreifung <strong>des</strong> <strong>Kind</strong>es. Ebenso führen tra<strong>um</strong>atische<br />

Situationen zu vermehrter Ausschüttung von<br />

Stresshormonen, die wieder<strong>um</strong> <strong>das</strong> kindliche Gehirn<br />

auf ständige Alarmbereitschaft polen. Das fehlende<br />

Vertrauen zeigt sich durch permanente Anspannung<br />

(stark angespannter Körper). Ein „sich<br />

fallen lassen" ist nicht möglich.<br />

Die besondere Prägung vernachlässigter <strong>Kind</strong>er<br />

besteht darin, <strong>das</strong>s sie die Eltern nicht als versorgende<br />

<strong>und</strong> verlässliche Eltern erlebt. Es gab nichts regelmäßig,<br />

ausreichend, man konnte sich auf nichts<br />

wirklich verlassen. Um zu überleben, mussten die<br />

<strong>Kind</strong>er die Kontrolle bekommen <strong>und</strong> erhalten <strong>und</strong><br />

sich Überlebensstrategien ausdenken z.B. Essenbeschaffen.<br />

Kleinere <strong>Kind</strong>er wurden von größeren<br />

Geschwistern versorgt. Aus der Erfahrung der <strong>Kind</strong>er<br />

heißt es: Eltern können <strong>das</strong> nicht, Eltern kriegen<br />

nichts geregelt.<br />

Mit diesem Bild von Eltern kommen die <strong>Kind</strong>er zu<br />

Ihnen <strong>und</strong> übertragen dieses Bild erst einmal auf Sie.<br />

Das <strong>Kind</strong> muss alles unter Kontrolle haben <strong>und</strong> sieht<br />

sich nicht in der Lage, den Erwachsenen die Bewältigung<br />

<strong>des</strong> Alltages überlassen zu können. Die <strong>Kind</strong>er<br />

haben <strong>das</strong> Gefühl, nie genug zu bekommen.<br />

<strong>Kind</strong>er mit Gewalterfahrung durch ihre Eltern<br />

erlebten, <strong>das</strong>s diese Eltern uneinschätzbar sind, mal<br />

liebevoll, mal bedrohlich <strong>und</strong> gefährlich. <strong>Kind</strong>er<br />

sind diesen Eltern hilflos ausgeliefert. Auch Gewalt<br />

gegen andere (z.B. gegen die Mutter) erleben sie als<br />

tra<strong>um</strong>atisierend, weil sie hilflos sind. Hilflosigkeit<br />

ist ein wesentliches Merkmal von tra<strong>um</strong>atischen<br />

Erfahrungen.<br />

4<br />

Wenn <strong>Kind</strong>er Trennungen erleben, erfahren sie<br />

auch hier Unzuverlässigkeit, Verlassenheit, sich<br />

nicht verlassen können.<br />

Sexueller Missbrauch bedeutet Übergriffigkeit,<br />

Grenzverletzungen; <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> ist ein Objekt der Befriedigung<br />

ohne Berücksichtigung seiner selbst. Oft<br />

ist der sexuelle Missbrauch mit einem Schweigegebot<br />

belegt, welches zu Sprachproblemen <strong>und</strong> Wahrnehmungsstörungen<br />

führen kann. Viele dieser <strong>Kind</strong>er<br />

lernen, <strong>das</strong>s sie Aufmerksamkeit nur über sexuelles<br />

Verhalten bekommen – also benehmen sie sich<br />

so <strong>und</strong> glauben, <strong>das</strong>s dies Normalität sei.<br />

Diese Erfahrungen drücken sich natürlich auch im<br />

Verhalten der <strong>Kind</strong>er aus, wenn sie schon bei Ihnen<br />

leben.<br />

Der Wechsel <strong>des</strong> <strong>Kind</strong>es von der Herkunftsfamilie,<br />

Bereitschaftspflege oder Heim in die Pflegefamilie<br />

wechselt nur den Wohnort aus, er verändert nicht<br />

<strong>das</strong> <strong>Kind</strong>. Das <strong>Kind</strong> bleibt erst mal <strong>das</strong> <strong>Kind</strong> mit<br />

seinen bisherigen Erfahrungen <strong>und</strong> den sich daraus<br />

entwickelten Vorstellungen <strong>und</strong> Überlebensstrategien.<br />

Beispiele:<br />

� Ein älteres <strong>Kind</strong> kommt in eine Pflegefamilie<br />

<strong>und</strong> die Pflegemutter steht morgens immer auf.<br />

Das <strong>Kind</strong> empfindet dies erst einmal als Kontrollmaßnahme,<br />

bis es durch ein Gespräch mit<br />

der Pflegemutter versteht, <strong>das</strong>s diese mit aufsteht,<br />

damit es morgens nicht allein ist. Allein sein war<br />

es aber gewöhnt <strong>und</strong> war vom Donner gerührt,<br />

als es begriff, <strong>das</strong>s die Mutter nur wegen ihm<br />

aufstand. „Sie stand einfach mit mir auf, so<br />

wichtig war ich ihr“.<br />

� Pflegeeltern nehmen einen Eineinhalbjährigen<br />

auf. Sie freuten sich auf die Versorgung eines<br />

kleines abhängigen <strong>Kind</strong>es <strong>und</strong> erlebten ein selbständiges<br />

kleines Wesen. Der Kleine versuchte<br />

alles selbst zu erledigen, ans Essen zu kommen,<br />

Tropfen aus dem Wasserhahn aufzufangen, irgendwo<br />

sich z<strong>um</strong> schlafen zu legen etc. <strong>und</strong> begriff<br />

überhaupt nicht, was die Pflegeeltern eigentlich<br />

mit ihrer Fürsorglichkeit wollten.<br />

Tipp: Ein Lebensbuch hilft dem <strong>Kind</strong>, seine bisherige Lebensgeschichte besser zu verstehen.<br />

Mehr Infos dazu finden Sie auf Seite 19.<br />

Viele Pflegekinder sind wie erfroren <strong>und</strong> erstarrt, wenn sie zu Ihnen kommen<br />

Pflegekinder sind <strong>Kind</strong>er mit Bindungs- <strong>und</strong> Beziehungsstörungen<br />

<strong>Kind</strong>er kommen in Pflegefamilien, <strong>um</strong> dort wieder<br />

hilfreiche Bindungen aufbauen zu können. Bindungen<br />

zu neuen wichtigsten Bezugspersonen bewirken<br />

dann die Möglichkeit, auch Beziehungen zu anderen<br />

Menschen aufzunehmen. Beziehungen sind un<strong>um</strong>-<br />

gänglich notwendig, <strong>um</strong> sozial angemessen in der<br />

Gesellschaft leben zu können.<br />

Gerade die Schule – besonders die Gr<strong>und</strong>schule – ist<br />

ein Bereich, in dem Beziehungen eine große Rolle<br />

spielen. Wir alle wissen, <strong>das</strong>s <strong>Kind</strong>er, die ihre Lehrer<br />

mögen, besser lernen können. Pflegekinder mit ihren

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