zuerich Wirtschaft 3 2020 Emag
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Digitalisierung<br />
IWahr oder falsch, dass sich Emotionen leichter via Bildschirm<br />
zeigen lassen?<br />
Falsch – jedenfalls bei Zoom, Facetime, Skype und dergleichen.<br />
Die non-verbale Kommunikation ist schlechter zu erkennen.<br />
Man erlebt nicht die volle Körpersprache der anderen Person,<br />
sondern meist eine sorgfältig ausgewählte Ansicht von deren<br />
Gesicht und Umgebung. Ich empfinde es außerdem als unangenehm<br />
und ablenkend, dass mir mein eigener Anblick permanent<br />
präsent ist. Es ist ein bisschen, als würde man sich mit jemandem<br />
unterhalten, der eine verspiegelte Sonnenbrille trägt.<br />
Zur Ausstellung “Real Feelings” hat du das Video „Foreigner“<br />
beigesteuert. Zu sehen ist ein Roboter, der<br />
von der Suche nach der Liebe singt. Wie denkst du über<br />
künstliche Empathie?<br />
Ich habe da noch viele Fragen. Ob und wie das tatsächlich funktioniert?<br />
Und wie es sich für mich anfühlen würde? Ich würde es<br />
eines Tages gern erfahren! In Bereichen wie dem Gesundheitswesen<br />
wäre künstliche Empathie ein enormer Gewinn. Schließlich<br />
fehlt es dort immer an Personal. Ich habe auch mal gelesen,<br />
dass Artificial Intelligence dazu genutzt werden kann, Selbstmorde<br />
bis zu zwei Jahre im Voraus vorauszusagen. Es werden<br />
unter anderem Gesundheitsdaten der Patient*innen ausgewertet.<br />
Potenzial besteht wohl auch bei Chatbots. Die Hypothese<br />
ist, dass Menschen sich dabei mehr öffnen – weil sie wissen,<br />
dass ein Roboter sie nicht verurteilen wird<br />
Gegenwind seitens des Mainstreams ausgesetzt. In meinen Augen<br />
sind großartiger Kunst in ihrer Form keine Grenzen gesetzt.<br />
Mir bereitet es gleichermaßen Freude, klassische Kunst zu betrachten,<br />
wie wenn ich mir ein Video in 4K-Auflösung anschaue,<br />
dass über einen Screen abgespielt wird, der von der Decke<br />
hängt. Zählen sollte, was Kunst in einem auslöst. Wenn Kunst<br />
die Gegenwart aufgreift, ist das doch nicht gleich eine Spielerei.<br />
Werden wir in der Zukunft andere Wesen sein? Und<br />
wenn ja: Welche Rolle wird Technologie darin gespielt<br />
haben?<br />
Wir haben uns bereits verändert. Mir fällt es schwer, eine Abgrenzung<br />
vom Jetzt vorzunehmen, als sei die Zukunft nicht<br />
längst in Bewegung. Die Menschheit wurde längst ins kalte<br />
Wasser technischer Intervention geworfen. Das bedeutet, dass<br />
wir uns schon heute permanent verändern.<br />
INTERVIEW<br />
Text von Anna Meinecke<br />
Es besteht noch immer ein gewisses Misstrauen gegenüber<br />
dem Einsatz moderner Technologie in der Kunst.<br />
Manche sehen das als Spielerei. Wie stehst du zu dieser<br />
Art Kritik?<br />
Ich halte es für eine ziemlich konservative Sichtweise. Die meisten<br />
künstlerischen Strömungen waren zu Anfangs harschem<br />
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