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Matthäus 13, 31-22 - Gustav-Adolf-Werk eV

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GAW-Jahresfest im Kirchenbezirk Schorndorf<br />

Sonntag, <strong>13</strong>. Juni 2010<br />

Predigttext: <strong>Matthäus</strong> <strong>13</strong>, <strong>31</strong> – 32<br />

Liebe festliche Gemeinde!<br />

Sup. Hermann Miklas, Österreich<br />

Ein Senfkorn ist ungefähr ein Viertel so groß wie ein Kirschkern<br />

– meist sogar noch etwas kleiner –<br />

für einen Baumsamen also wirklich winzig.<br />

Von seiner Konsistenz her erinnert es ein bisschen an eine Wacholderbeere.<br />

Und Senfbäume können im besten Fall tatsächlich bis zu sechs Meter hoch werden.<br />

Was aber noch ganz besonders an ihnen ist:<br />

Sie gedeihen praktisch auf jedem beliebigen Boden!<br />

Das ist schon eine eindrucksvolle Symbolik, die Jesus da verwendet:<br />

Er vergleicht das Senfkorn ja mit dem „Himmelreich“,<br />

mit jenem unsichtbaren Reich Gottes also,<br />

das mit seinem eigenen Wirken hier auf Erden begonnen hat<br />

und das sich dermaleinst mit seiner Wiederkunft als Weltenherrscher erst vollenden wird.<br />

Die Betonung liegt hier auf: „unsichtbar“.<br />

Immer wieder in der Kirchengeschichte hat man das Gleichnis vom Senfkorn nämlich<br />

völlig ungefiltert gleich auf die sichtbare Kirche hin gedeutet –<br />

und hat es damit auf unzulässige Weise „platt“ gewalzt.<br />

Man muss schon im Auge behalten:<br />

Beim „Reich Gottes“ geht es zunächst einmal um etwas rein Ideelles,<br />

nämlich um die Wirk-Kraft des Evangeliums.<br />

Lassen Sie mich einen Vergleich ziehen zur Wirkkraft des ökologischen Denkens ziehen:<br />

Man kann sie ebenfalls nicht einfach 1 : 1 mit der Partei der Grünen gleichsetzen.<br />

Ökologie gehört zwar zur Kern-Definition dieser Partei<br />

und sie hat viel dazu beigetragen, das Umweltbewusstsein in unserer Welt zu schärfen.<br />

Aber natürlich gibt es ökologische Verantwortung genauso gut außerhalb der Partei.<br />

Und ebenso gibt es – wie bei der Institutionalisierung jeder Idee –<br />

in der konkreten Grün-Bewegung auch negative Auswüchse,<br />

die mit der ursprünglichen Idee nicht mehr viel gemeinsam haben.<br />

Ich weiß schon, dass Vergleiche immer ein bisschen hinken –<br />

aber irgendwie ist es mit der Kirche und dem Reich Gottes doch ähnlich.<br />

Man kann die beiden einfach nicht 1 : 1 gleichsetzen<br />

Natürlich gehört das Evangelium von Jesus Christus zur Kern-Definition von Kirche.<br />

Und die Kirchen haben viel dazu beigetragen,<br />

die Lehre Jesu in unserer Welt zu verbreiten und bekannt zu machen.<br />

Aber immer wieder in der Geschichte hat es ganz wesentliche christliche Impulse<br />

1


auch von außerhalb der verfassten Kirche gegeben.<br />

Und umgekehrt gibt es in den Kirchen – leider – mitunter durchaus negative Auswüchse,<br />

die mit dem ursprünglichen Anliegen Jesu nicht mehr viel gemeinsam haben.<br />

Zurück zum Gleichnis vom Senfkorn.<br />

Jesus sagt: Das Reich Gottes (also die Wirkkraft des Evangeliums)<br />

gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte.<br />

Es ist bloß ein winzig kleines Samenkörnchen.<br />

Wenn es aber gewachsen ist, wird es ein richtiger Baum – so groß,<br />

dass sogar die Vögel des Himmels kommen und in seinem Zweigen nisten können.<br />

Tatsächlich hat das alles ja sehr bescheiden angefangen mit dem Christentum:<br />

Mit einem Wanderprediger samt seinen zwölf Jüngern<br />

in einem nahezu unbekannten Kleinstaat an der äußersten Peripherie des Römischen Reiches.<br />

Doch ist daraus in erstaunlich kurzer Zeit<br />

eine geradezu weltumspannende Bewegung geworden – schon beachtlich!<br />

Ähnliches vollzieht sich übrigens auch heute noch –<br />

und zwar immer wieder von Neuem – im Großen genauso wie im Kleinen.<br />

Einer unserer österreichischen Pfarrer hat dazu unlängst<br />

eine erstaunliche Geschichte erzählt – über die Führung Gottes in seinem eigenen Leben.<br />

Obwohl seine Eltern nicht besonders kirchlich waren,<br />

haben sie ihn als <strong>13</strong>-Jährigen auf eine evangelische Jungscharfreizeit geschickt.<br />

Dort hat es jeden Morgen und jeden Abend eine kurze Andacht gegeben,<br />

die jeweils einer der Jugend-Mitarbeiter vorbereitet und gehalten hat.<br />

Sie sind bei ihm damals beim einen Ohr rein – und beim anderen wieder raus gegangen,<br />

wie das halt in dem Alter oft so ist.<br />

Bis eines Abends ein ziemlich beliebter Bursche unter den Mitarbeitern<br />

die erste Andacht seines Lebens halten sollte.<br />

Er hat sich den ganzen Nachmittag gründlich darauf vorbereitet…<br />

Dann war es endlich so weit: Er hat ein Lied singen lassen,<br />

steht auf und will beginnen –<br />

und hat vor lauter Aufregung plötzlich alles vergessen, was er sagen wollte.<br />

Nach zehn peinlichen, endlos scheinenden Sekunden<br />

setzt er sich – ohne ein einziges Wort gesagt zu haben – wieder hin.<br />

Ein anderer Mitarbeiter stimmt das nächste Lied an,<br />

die Jungscharkinder aber beginnen zu kichern und zu pfeifen.<br />

Nur einer der Teilnehmer denkt sich später:<br />

Das muss echt eine besondere Sache sein,<br />

wenn dieser an sich coole Typ bereit ist, sich sogar öffentlich dafür zu blamieren!<br />

Und so ist diese Andacht, die in Wirklichkeit gar nicht gehalten worden ist,<br />

für den einen zum Beginn seines bewussten Glaubensweges geworden.<br />

Er hat später Theologie studiert – und ist Pfarrer geworden,<br />

ein Pfarrer, von dem schon viel Segen ausgegangen ist.<br />

Wahrlich ein winziges Samenkörnchen – diese nie gehaltene Andacht –<br />

und doch ist ein ausgesprochen stattlicher Baum aus ihr geworden!<br />

Für mich sind solche Erfahrungen eine enorme Ermutigung.<br />

2


Wie oft versuchen wir doch, anderen Menschen etwas mitzugeben auf ihren Lebensweg;<br />

unseren Kindern und Enkelkindern den Samen des Wortes Gottes einzupflanzen…<br />

Und trotzdem plagt uns oft das Gefühl: „Es war viel zu wenig, was wir tun konnten!<br />

Und womöglich hat es auch gar nichts genützt.“<br />

Eine befreundete Familie von mir leidet ziemlich darunter,<br />

dass ihre Kinder zwar alle „etwas geworden“ sind im Leben – und „ihren Weg“ gehen,<br />

aber mit Glaube und Kirche nicht mehr viel anfangen können,<br />

obwohl die Eltern sie doch im besten Sinn des Wortes „christlich erzogen“ haben.<br />

Vor ein paar Tagen habe ich zufällig eine ihrer Töchter in der Stadt getroffen,<br />

wir sind dann miteinander irgendwohin essen gegangen –<br />

und siehe da: Zu meiner großen Verwunderung hat sie,<br />

bevor sie tatsächlich zu Messer und Gabel gegriffen hat,<br />

ganz selbstverständlich kurz ihre Hände gefaltet und die Augen geschlossen.<br />

Darauf angesprochen meinte sie: „Ja, vieles vom Glauben meiner Eltern<br />

kann ich heute nicht mehr vertreten, davon habe ich mich entfernt.<br />

Aber gerade das Innehalten und Danken vor dem Essen<br />

das ist mir als Erwachsener überhaupt erst so richtig ein Anliegen geworden!“<br />

So ist auch dieses kleine Samenkorn doch ein Stück weit aufgegangen –<br />

vielleicht etwas anders, als die Eltern sich das erhofft hatten – aber eben doch!<br />

Und die Eltern haben es womöglich noch gar nicht bemerkt.<br />

Das Besondere am schwarzen Senfkorn – dieses war zur Zeit Jesu die gängigste Sorte<br />

und dürfte daher für Sein Gleichnis auch Pate gestanden haben – ist weiter:<br />

Es gedeiht nicht allein auf dem als besonders fruchtbar geltenden Ackerboden,<br />

sondern es wächst überall, also etwa auch auf Sand- oder Lehmboden.<br />

Denken wir etwa an so manche „Größen“ im Reich Gottes,<br />

denen es wahrlich nicht in die Wiege gelegt war,<br />

dort einmal eine solche Rolle zu spielen.<br />

Da hat es in Kärnten gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum Beispiel<br />

die vermögende Gräfin de la Tour gegeben.<br />

Ja, das Senfkorn des persönlichen Glaubens<br />

ist ihr bereits in ihrem Elternhaus eingepflanzt worden.<br />

Aber in solchen Kreisen war es damals absolut nicht üblich,<br />

über den Tellerrand des eigenen Milieus auch nur einen Milimeter hinauszublicken.<br />

Und doch ist Elvine de la Tour<br />

zur Begründerin der Diakonischen Anstalten in Treffen geworden!<br />

Immer wieder hat sie sich die Frage gestellt: „Wie kommt es,<br />

dass eine so ungleiche Verteilung besteht: Ich lebe im Überfluss, andere müssen darben.<br />

Ich halte das auf Dauer nicht aus!“<br />

Und so hat sie nacheinander ein Mädchenheim, Schulen, Kinderhorte, ein Altenheim<br />

und mehrere Behinderten-Wohnhäuser gegründet…<br />

„Wenn das eingepflanzte Senfkorn aber zu wachsen beginnt,<br />

wird es größer als alle anderen Kräuter und wird ein richtiger Baum,<br />

sodass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen wohnen können!“<br />

Wir könnten ebenso an Dietrich Bonhoeffer denken.<br />

Er entstammte einer sehr gebildeten, aber sicher keiner „frommen“ Familie.<br />

Theologie studiert hat er nur deshalb, weil er in jugendlichem Trotz<br />

partout jenen Beruf ergreifen wollte,<br />

3


der in der gesamten Familiengeschichte bisher noch nie vorgekommen ist.<br />

Und das war – nach Durchsicht aller Familienchroniken – eben der Beruf des Pfarrers.<br />

Kein guter Boden für eine geistliche Laufbahn, würde man meinen.<br />

Aber dann wird aus dem bloßen Theologen bald ein sehr bewusst praktizierender Christ,<br />

ja ein standhafter Bekenner des Glaubens in schwierigsten Zeiten,<br />

der schließlich sogar die Kraft zum Martyrium aufbringt…<br />

Was für ein Baum!<br />

Gerade an ihm können wir aber auch den feinen Unterschied<br />

zwischen Kirche und Reich Gottes ablesen.<br />

Dietrich Bonhoeffer ist seinen Weg als Christ gegangen,<br />

aber zuletzt nicht mehr im Auftrag der Kirche.<br />

Im Gegenteil: Selbst nach dem Krieg noch hat es etliche Jahre gedauert,<br />

bis die offizielle Kirche ihn überhaupt als „Glaubens-Märtyrer“ anerkannt hat.<br />

In vielen Listen derer, die im 20. Jahrhundert um des Glaubens willen<br />

ihr Leben lassen mussten, fehlt sein Name.<br />

Dennoch dürfen wir das Wort Jesu vom Senfkorn<br />

in aller Bescheidenheit und Demut, staunend und dankbar<br />

immer wieder auch im Leben unserer Kirchen und Gemeinden verwirklicht sehen.<br />

Wenn wir an diesem Wochenende hier in Schorndorf<br />

gerade das große <strong>Gustav</strong>-<strong>Adolf</strong>-Fest feiern, dann sind hier aus diesem Anlass<br />

Berichte von den verschiedensten Diasporakirchen aus aller Welt eingelangt –<br />

in geradezu unglaublicher Dichte.<br />

Ob es aus Südamerika, aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion,<br />

aus Süd-Ost-Europa oder auch China ist –<br />

durch ganz viele Erzählungen und Erfahrungsberichte leuchtet es durch:<br />

„Da wächst doch was!“<br />

Oft trotz widrigster Umstände und angesichts schier unlösbarer Probleme,<br />

aber es wächst.<br />

Auch in meiner eigenen Kirche in Österreich bzw. in der Steiermark<br />

gibt es immer wieder Grund zum Staunen und zur Dankbarkeit.<br />

Im Zuge der Gegenreformation wurde in allen Habsburgisch regierten Ländern<br />

evangelisches Leben ja komplett ausgerottet.<br />

Erst 1781 hat Kaiser Josef II. allen A-Katholiken<br />

wieder ein bescheidenes „Privat-Exerzitium“ zugestanden.<br />

Damals waren es in ganz Österreich vielleicht ein paar hunderte Leute,<br />

die diesen neuen Anfang gewagt haben.<br />

Dennoch ist aus diesem kleinen Senfkorn mittlerweile<br />

der Baum einer richtigen – wenn auch kleinen – „Volkskirche“ geworden,<br />

mit all ihren Licht- und ihren Schattenseiten.<br />

Evangelische machen heute knapp 4% der Gesamtbevölkerung aus.<br />

Aber interessant: In diversen Umfragen<br />

werden wir in aller Regel wesentlich höher eingeschätzt,<br />

meist liegen wir bei „gefühlten“ 10 – 15% – durchaus eine gewisse Anerkennung<br />

für die Präsenz evangelischen Lebens in der Öffentlichkeit.<br />

Ich will das hier nicht glorifizieren –<br />

zu gut weiß ich auch um unsere Schwächen und Fehler Bescheid<br />

4


und um so manches Problem, das uns mitunter den Schlaf rauben will.<br />

Wohl aber möchte ich die Gelegenheit nützen, um Ihnen zu danken!<br />

Die Unterstützung durch das Württembergische <strong>Gustav</strong>-<strong>Adolf</strong>-<strong>Werk</strong><br />

in Geschichte und Gegenwart ist der Dünger,<br />

der das gute Gedeihen auf dem manchmal kargen Boden oft erst ermöglicht<br />

und stets nachhaltig gefördert hat.<br />

Und so möchte ich Ihnen mit meiner Predigt heute ganz bewusst etwas zurückgeben<br />

von unserer Dankbarkeit – und dafür aus dem Reichtum unseres Überflusses schöpfen.<br />

Geld haben wir nur wenig.<br />

Aber im Lauf unserer Geschichte haben wir uns ein großes Maß an Zuversicht erworben,<br />

an Vertrauen und an Hoffnung.<br />

Wir haben gelernt – bzw. lernen müssen –<br />

uns nicht so sehr auf Strukturen und Statistiken zu verlassen,<br />

sondern immer wieder auf Christus zu schauen und uns an Gottes Gnade genügen zu lassen.<br />

Wir alle wissen, dass die christlichen Kirchen in Europa<br />

zurzeit einen schweren Stand haben.<br />

Die Mitgliederzahlen gehen zurück, die Einnahmen schrumpfen zum Teil sogar dramatisch,<br />

die öffentliche Meinung steht uns großteils hart entgegen<br />

und vor allem die Generation der heutigen Jugendlichen ist von Kirche meilenweit entfernt<br />

(Ausnahmen bestätigen höchstens die Regel).<br />

Es gäbe also viel Grund zur Resignation.<br />

Das Gleichnis Jesu vom Senfkorn erinnert uns daran,<br />

dass im Reich Gottes ganz besondere Gesetzmäßigkeiten gelten.<br />

Anders als die sichtbaren Kirche, die bis zu einem gewissen Grad<br />

den Spielregeln unserer modernen Gesellschaft unterworfen ist<br />

(und sich dem auch nicht ganz entziehen kann)<br />

verhält sich das Reich Gottes teilweise fast antizyklisch dazu.<br />

Das Reich Gottes lebt nicht von den „großen“ Aktionen und Impulsen,<br />

ja es braucht nicht einmal extra gute Bodenbedingungen,<br />

sondern es erwächst oft aus winzig kleinen, unscheinbaren Samenkörnern.<br />

Dann wächst es und wächst es – ganz von alleine – selbst auf kargem Boden,<br />

sodass es vielen Menschen Raum geben kann.<br />

Werden wir nur nicht müde, immer und überall<br />

fröhlich gute Samenkörner auszustreuen – und seien sie auch noch klein!<br />

Amen<br />

5

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