Erdgasför<strong>der</strong>ung in NRW Trinkwasserschutz sicherstellen Günstiges Erdgas o<strong>der</strong> unverantwortliche Gefährdung des Trinkwassers rund um Münsterland, Rhein und Ruhr? Seit knapp zwei Jahren spaltet die Diskussion über unkonventionelle Erdgasvorkommen in NRW Energiekonzerne, Wasserversorger, Umweltschützer und Politiker. Im Winter 2011 hat das Land ein Moratorium verhängt. Neue Studien verweisen auf die Risiken <strong>der</strong> umstrittenen För<strong>der</strong>methode. 4 Foto: GettyImages
Bisher ungenutzte Erdgasvorkommen liegen in unterirdischen Gesteinsporen entlang von Rhein und Ruhr verborgen. Ihr Abbau könnte die Energieversorgung unterstützen und einen Teil teurer Erdgasimporte ersetzen. Die Methode, mit <strong>der</strong> sich Erdgas aus solchen sogenannten unkonventionellen Vorkommen gewinnen lässt, ist jedoch umstritten. An<strong>der</strong>s als bei konventionellem Erdgas wird es nicht durch einfache Bohrungen geför<strong>der</strong>t; das Gestein in <strong>der</strong> Lagerstätte muss aufgebrochen und ein Chemie-Cocktail tief hineingepumpt werden. Bei je<strong>der</strong> Bohrung kommen mehrere Tonnen Chemikalien zum Einsatz, teilweise als giftig o<strong>der</strong> wassergefährdend eingestuft. Die Folgen für das Grund- und damit auch das Trinkwasser sind ungewiss. Energiepolitischer Nutzen und technische Machbarkeit stehen dem Schutz <strong>der</strong> Bevölkerung und <strong>der</strong> Trinkwasserqualität gegenüber. In die Tiefe bohren Beim Hydraulic Fracturing – kurz Fracking – geht es um Bohrungen in tiefe erdgasführende Gesteinsschichten, um über Risse Abwasser Erdgasbohrung DAS FRACKING-VERFAHREN „Hydraulic Frackturing“, kurz Fracking, bricht das Gestein auf, indem es große Mengen Wasser und Chemikalien mit viel Druck in die Tiefe pumpt. (englisch: Frac) Wegsamkeiten im Gestein zu schaffen. Mit diesem Verfahren lassen sich unkonventionelle Erdgasvorkommen erschließen, die früher unwirtschaftlich waren. Um das Gestein aufzubrechen und an die Erdgasvorräte zu gelangen, wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck ins Gestein gepresst. Die Additive im Wasser ermöglichen es dem Erdgas, zu entweichen, und stabilisieren die entstandenen Wegsamkeiten. <strong>Das</strong> freigesetzte Erdgas kann dann geför<strong>der</strong>t werden. Die USA haben mit dieser Methode ihre Energiewirtschaft revolutioniert, ein regelrechter Gasboom eroberte das Land. Begleitet wird die Entwicklung jedoch von erschreckenden Bil<strong>der</strong>n, die die Gefahren unkontrollierbarer Gasaustritte belegen: Gas aus aufgedrehten Wasserhähnen lässt sich mit einem Feuerzeug entzünden, Trinkwasserbrunnen sind nicht mehr nutzbar. Die Gasför<strong>der</strong>unternehmen relativieren die Risiken, Wasserwirtschaft und Wissenschaft warnen vor den Folgen für die Trinkwassergewinnung, denn die tiefen Bohrungen durchstoßen die grundwasserführenden Gesteinsschichten. Die Risse im Gestein liefern nur wenig Erdgas. Horizontale Gasleitung Grundwasser Kleine Löcher in <strong>der</strong> Leitung. „Claims“ an Ruhr und Baldeneysee In Deutschland wurden schon Aufsuchungsgebiete, sogenannte „Claims“, vergeben. In Nie<strong>der</strong>sachsen wird bereits „gefract“. Die Konzessionsgebiete „Rheinland“ und „Ruhr“ umfassen ein Areal von insgesamt etwa 3.900 Quadratkilometern und reichen von <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>ländischen Grenze bis nach Ostwestfa- len – inklusive des <strong>Essen</strong>er Südens. Nun warten Energieunternehmen wie die BASF- Tochter Wintershall darauf, Probebohrungen durchzuführen. Von <strong>der</strong> Analyse dieser Ergebnisse hängt ab, ob überhaupt „gefract“ bzw. Erdgas gewonnen wird. Wann, wo und wie viel? Darüber, wie groß die Erdgasvorkommen hierzulande tatsächlich sind, herrscht indes noch Unklarheit. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover geht davon aus, dass zwischen 0,7 und 2,3 Billionen Kubikmeter nach <strong>der</strong>zeitigem technologischem Stand för<strong>der</strong>bares Erdgas im deutschen Schiefergestein lagern. Doch sind dies nur vage vorläufige Ergebnisse einer noch andauernden Untersuchung. Lediglich durch eine Än<strong>der</strong>ung des Bundesbergrechts ließe sich das Fracking grundsätzlich verbieten. Der aktuellen Rechtslage nach dürfen Unternehmen unkonventionelles Erdgas för<strong>der</strong>n, sofern sie nachweisen können, dass es ihnen technisch und wirtschaftlich möglich ist. Die Umweltverträglichkeit unter Beteiligung aller Betroffenen zu untersuchen o<strong>der</strong> Teilflächen von <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung auszunehmen, ist nicht vorgesehen. Im September entschied die Landesregierung auf Basis <strong>der</strong> Fracking-Risikostudie, bis auf Weiteres we<strong>der</strong> die Erkundung noch die Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten in NRW zu genehmigen. <strong>Das</strong> 2011 verhängte Moratorium für Fracking in NRW gilt vorerst weiter. n Durch das Einpumpen <strong>der</strong> Flüssigkeit werden die Risse weiter geöffnet. Die „Frack-Flüssigkeit“ wird mit hohem Druck ins Gestein gepumpt. Erdgas Verbesserter Erdgasfluss aus den Rissen in die Leitung. 5