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ST:A:R_05

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<strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>05</strong>/2004 Buch III - Vasko+Partner<br />

23<br />

<strong>ST</strong>/A/R-INTERVIEW MIT GU<strong>ST</strong>AV PEICHL<br />

Gerngross: Wir haben Sie schon einmal in der 3. Nummer<br />

der <strong>ST</strong>/A/R Zeitung (Dez. 2003) zitiert mit einem Statement<br />

aus dem Buch „die Architektur und ich“ von Maria Welzig<br />

und Gerhard Steixner; ich möchte mit einer allgemeinen Frage<br />

beginnen: Was hälts Du von der derzeitigen österreichischen<br />

Architekturszene, was ist zu kritisieren, was gibt es lobenswertes.<br />

Peichl: Also die Architekturszene aus meiner Sicht ist beachtlich,<br />

weil lebendig, es ist sehr viel besser, als es vor Jahrzehnten<br />

war, als ich mit meinen Altersgenossen kämpfen musste<br />

um gute Architektur: Heute hat sich gute Architektur herumgesprochen<br />

und es wird sehr viel gemacht. Was mich stört ist,<br />

dass die Gruppen, die da meistens unter Decknamen auftreten,<br />

die nennen sich so wie Popgruppen und Sängergruppen,<br />

die tun also sehr eigenständig und sehr egoistisch, die wollen<br />

die andere irgendwo rausdrängen, das haben wir nie<br />

gemacht. Unsere Generation, wir waren die Wegbereiter auf<br />

diesem Gebiet in Österreich, da hatte es ja auch viele verschiedene<br />

Gruppen gegeben, wenig zum Bauen, aber wir haben<br />

uns bemüht und durchgesetzt. Heute wird viel zu viel diskutiert<br />

und es geht eigentlich allen sehr gut und das Gutgehen,<br />

das Wohlstandsleben der Architekten ist gar nicht so gut wie<br />

man meint.<br />

Gerngross: Eine weitere Frage: Dein beliebtester Bau, wenn<br />

Du zurückblickst auf deine lange Bautätigkeit, kannst Du einen<br />

Bau nennen der Dir jetzt spontan einfällt, wo du sagst, das<br />

ist das, was mir persönlich wirklich gefällt.<br />

Peichl: Die ORF-Studios das war der internationale Durchbruch,<br />

das ist keine Frage, der gewonnene Wettbewerb für<br />

die ORF-Bundesländerstudios, die wir dann gebaut haben, dafür<br />

habe ich den Reynolds-Preis gekriegt, danach war dieses Projekt<br />

in aller Welt publiziert,<br />

überall kommt es in jedem<br />

Architekturlexikon vor, ist mein<br />

liebstes Bauwerk, mein bedeutendstes<br />

Bauwerk. Wenn ich<br />

mich selber loben darf, ist<br />

natürlich das Opus Magnum meines<br />

Architekturschaffens, die<br />

Bundeskunsthalle in Bonn. Von vielen nicht ganz verstanden,<br />

eine gute Architektur wo man auch Kunst ausstellen kann,<br />

nicht so gschmackiges modisches Zeug, das jetzt die Architekten<br />

hinstellen, wo man nicht ausstellen kann und so gesehen<br />

ist die Bundeskunsthalle in Bonn auch mein Lieblingsbauwerk.<br />

Thomas Redl: In deinem Buch „Marginalien der Architektur,<br />

Beiträge zur praktischen Theorie“ kommt der Begriff Postmoderne<br />

vor, du sagst in dem Buch, du bist kein postmoderner<br />

Architekt. Wenn ich deine ganz frühen Bauten sehe,<br />

ist eigentlich die klassische Moderne stark vorhanden und<br />

weiterfolgend hast du in deiner Architektur eine Sprache entwickelt,<br />

die etwas erzählerisches, etwas poetisches hat, die<br />

man immer wieder in deinen Bauten findet. Wie würdest<br />

Du dich in der Architekturgeschichte der letzten 50 Jahre,<br />

in den Strömungen dieser Zeit positionieren.<br />

Peichl: Meine Position ist ganz einfach. Ich war nie für das<br />

modische, ich war wohl modern und das hat mir viel geholfen.<br />

Ich habe die Zeiten überwunden, wo Architektur mit Ablaufdatum<br />

gemacht wurde und das war auch die Postmoderne,<br />

die hoch gelobte, hoch geschriebene Postmoderne. Ich war<br />

immer dagegen, ich habe das paramodern genannt statt postmodern<br />

und wollte immer nur Architektur machen, die funktioniert,<br />

die das Umfeld nicht beleidigt und die eine angenehme<br />

Atmosphäre für die Menschen schafft, die individuell ist<br />

und mit Heiterkeit; das war mir immer wichtig und das ist Teil<br />

meiner Erfolge.<br />

Gerngross: Du hast auch uns mit der Zeitung indirekt beeinflusst,<br />

weil ich ein wirklich interessiertester Leser der Bauzeitung<br />

war, bei der Du lang federführend mitgearbeitet hast<br />

und ich muss sagen rückblickend war für mich dieser Bau<br />

sehr wichtig. In Graz haben wir schon gewartet bis er wieder<br />

herauskommt, um neue Informationen zu kriegen, es war<br />

für mich schon eine Initialzündung, um jetzt auch publizistisch<br />

zu wirken.<br />

Peichl: Der „Bau“ war damals bedeutend, wir haben ja alle,<br />

der Hans Hollein und ich zum Beispiel, der Walter Pichler oder<br />

der Oswald Oberhuber, wir haben alle den „Bau“ gemacht. Wir<br />

hatten eigentlich nichts oder wenig zu tun in der Architektur,<br />

jetzt haben wir geschrieben, gezeichnet und den „Bau“ produziert.<br />

Es ist ein großer Erfolg geworden, heute wird er überall<br />

gehandelt in den Antiquitätenläden und für uns war es damals<br />

sehr wichtig. Heute gibt es so etwas nicht, heute gibt es die<br />

vielen Hochglanzzeitungen, wo also – egal was es ist – sofort<br />

gedruckt wird, ganzseitig, und dazu geschwätzt wird, dass ist<br />

es alles nichts. Für uns war die Haltung der Architektur interessant,<br />

die Haltung der Architekten zu demonstrieren und festzuhalten,<br />

und es scheint gelungen zu sein.<br />

Gerngross: Es ist auch so gelungen und ich glaube, dass<br />

wir jetzt mit der <strong>ST</strong>AR-Zeitung schon auch in eine ähnliche<br />

Richtung gehen. Die Haltung hat sich vielleicht geändert –<br />

es ist ein wenig intensiver, integrativer geworden – so dass<br />

wir auch mehr vielleicht aus der Kunst und Kulturszene miteinbinden<br />

und auch aus dem sozialen Leben und der Wirtschaft,<br />

das damals nicht so notwendig war. Es hat uns das<br />

letzte Mal besonders gefreut, als wir Dich gefragt haben, ob<br />

du eine Peichl-Seite in unserer Zeitung machen willst, das<br />

du eigentlich spontan zugesagt hast, ja Du machst es aus<br />

freiem Stücken heraus und schenkst uns sozusagen für die<br />

nächsten 4 Ausgaben die Peichl-Seite mit aktuellen Statements<br />

von dir; damit beglückst du uns.<br />

Peichl: Weil mir einfach gefällt, was ihr da auf die Beine gestellt<br />

habt’s. Das leicht Rotzige, der Inhalt der wichtig ist, transportiert<br />

zu werden und das Unkonventionelle; ich finde es in Ordnung,<br />

daher habe ich spontan zugesagt.<br />

Gerngross: Eine Frage habe ich noch: die Hochhäuser, die<br />

du uns gezeigt hast, die in Dubai realisiert werden, dass sind<br />

Peichl Star Ironimus<br />

doch ziemlich große Gebäude, ein silbernes und ein goldenes<br />

Hochhaus, einige 100 m hoch mit 600 qm großen<br />

Luxuswohnungen – wie ist es dazu gekommen, dass du diesen<br />

großartigen Auftrag durchführen kannst und schon intensiv<br />

daran zeichnest.<br />

Peichl: Eine Truppe von Arabern war in Bonn und haben meine<br />

Kunsthalle gesehen und haben gesagt, dass ist toll, das gefällt<br />

und einer ist dann nach Wien gekommen und hat mich gefragt<br />

ob ich für sie was bauen will. Ich habe gesagt, dass kann ich<br />

nicht; es war mir zu unsicher. Ich habe mich mit meinen jungen<br />

Leuten, meinem Team zusammengesetzt, die ja jetzt das<br />

Büro übernommen haben – dass weist Du ja alles, ich bin ja<br />

jetzt nur der Seniorpartner, der kommt nur schimpfen oder loben,<br />

je nachdem, und die machen es. So hat Christoph Lechner<br />

diese Hochhäuser in Arabien entwickelt und was interessant<br />

war, wir haben anfangs gesagt, nein wir machen nichts, Arabien<br />

ist viel zu unsicher, dann haben wir denen einen Brief<br />

geschrieben, das wir sehr interessiert sind, aber die sollen erst<br />

ein Geld zahlen und dann machen wir weiter. Wir haben geglaubt,<br />

die werden sich nicht mehr rühren, dass war aber falsch, die<br />

haben Geld überwiesen und dann haben wir weiter machen<br />

müssen. Das haben wir gemacht und es ist gut angekommen<br />

und ist jetzt alles im Bau und wir werden sehen, wie es weitergeht.<br />

Gerngross: Ein guter Weg, von einem Gebäude, dass du<br />

gebaut hast, ausgehend, das die Ausstrahlung hat, dass die<br />

Leute sagen: von dem wollen wir noch einmal was. Das ist<br />

eigentlich der Weg, den sich ein Architekt wünscht.<br />

Peichl: Ich habe ja immer Glück gehabt mit meinen Sachen.<br />

Entweder die Sachen haben sofort gut gefallen, haben Preise<br />

bekommen, zum Beispiel deutschen Architekturpreis, Berliner<br />

Architekturpreis oder es waren manche Kollegen dagegen,<br />

die haben gesagt, der Peichl mit seinen spaßigen Sachen,<br />

Curriculum vitae<br />

1928 geboren in Wien<br />

1949 – 1953 Akademie der bildenden Künste in<br />

Wien, Meisterschule Prof. Clemens<br />

Holzmeister<br />

1969 Preis der Stadt Wien für Architektur<br />

1971 Großer Österreichischer Staatspreis<br />

1973 – 1998 Leiter der Meisterschule für<br />

Architektur an der Akademie der<br />

bildenden Künste in Wien<br />

1975 Reynolds Memorial-Award, USA<br />

1984 steirischer Architekturpreis<br />

1986 Mies van der Rohe- Preis<br />

1987–1988 Rektor der Akademie der bildenden<br />

Künste in Wien 1989 Berliner<br />

Architekturpreis<br />

1991 Gründung des Ateliers Peichl &<br />

Partner<br />

1993 Goldenes Ehrenzeichen für<br />

Verdienste um das Land Wien<br />

Großer Sudetendeutscher<br />

Kulturpreis<br />

1993 Auszeichnung zum deutschen<br />

Architekturpreis<br />

1996 Honorary Fellow of The American<br />

Institute of Architects<br />

Großes Verdienstkreuz des<br />

Verdienstordens der Bundesrepublik<br />

Deutschland<br />

1997 Großes Goldenes Ehrenzeichen für<br />

Verdienste um die Republik Österreich<br />

1998 Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt<br />

Wien<br />

Politischer Karikaturist (Pseudonym<br />

„IRONIMUS“)<br />

Mitglied des österreichischen<br />

Kunstsenats<br />

Ehrenmitglied der Akademie der<br />

Künste Berlin<br />

Mitglied der Akademie der Künste<br />

Berlin<br />

Ehrenmitglied des Royal Institute of<br />

British Architects<br />

2002 Neugründung Peichl & Partner ZT<br />

GmbH. mit Prof. Rudolf F. Weber<br />

und den Geschäftsführenden<br />

Gesellschaftern DI Katharina Fröch<br />

und Mag. Christoph Lechner<br />

was soll das und beide Reaktionen sind gut. Beides hat es<br />

hoch gebracht und hochgejubelt und so ist es entstanden. Jetzt<br />

machen es ja die jungen Architekten in meinem Büro, ich sitze<br />

jetzt nur da und kritisiere. Einmal gebe ich den Daumen hinauf,<br />

einmal geben ich ihn runter.<br />

Redl: Eine Frage noch zu der Bauzeitung, die Du damals<br />

gemacht hast. Es war ja eine Zeitung wirklich von der schöpferisch<br />

Tätigen und direkt von der Szene und wenn wir uns<br />

heute die Medienlandschaft anschauen, ist es ja so das alles<br />

von Medienkonzernen gelenkt und gefiltert wird und fast nichts<br />

hat diese Frische, diese Lebendigkeit und diese Lebendigkeit<br />

ist es, glaube ich, was diese Szene damals im Gesamten<br />

ausgezeichnet hat; sei es die Kunstszene oder die Architekturszene<br />

oder die Literaturszene, dass die Leute<br />

eigentlich zusammen gesessen sind und gemeinsam gewirkt<br />

haben.<br />

Peichl: Heute ist es anders. Heute glaubt ja jeder, er versteht<br />

was von Architektur, es nennt sich ja jeder sofort Architekturexperte,<br />

Architekturkritiker; dass sind entweder Studienabbrecher<br />

oder das sind Leute, die wohl Architekten sind, aber<br />

gerne bauen würden, aber nicht zum Bauen kommen und die<br />

raunzen halt herum in den Zeitungen und Zeitschriften, meistens<br />

Tratsch und wenig Architekturkritik und schon gar keine<br />

Betonung der Architekturqualität, dass hat eigentlich nach Fritz<br />

Achleitner – auch unser Jahrgang – eigentlich aufgehört. Nachher<br />

gab es nichts mehr an seriöser Architekturkritik in diesem<br />

Land. Heute sind es meist keine Architekturkritiker, sondern<br />

Architekturtratscher.<br />

Gerngross: Vielleicht haben wir deshalb den Weg des Interviews<br />

gewählt, dass wir den Kritiker oder Tratscher überhaupt<br />

ausschalten und du direkt im Medium <strong>ST</strong>AR berichten<br />

kannst.<br />

Danke für den Raum den Du uns gegeben hast.

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