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KULTUR [ FILMSTADT GÖTTINGEN ]

Eva Bunnemann

Eva Bunnemann betreibt ein eigenes

Reisebüro in Uslar. Die ersten Jahre ihrer

Kindheit verbrachte sie in der ehemaligen

Lüttich-Kaserne, die nach dem

Zweiten Weltkrieg als Wohnraum zivil

genutzt wurde. Später zog hier die Gothaer

Versicherung ein.

Erst als sie erwachsen war, erzählten ihre

Eltern von Dreharbeiten zur Hans-Albers-Komödie

„Der tolle Bomberg“, für

die das Kasernengelände im Sommer

1957 als Kulisse gedient hatte. Bei den

Aufnahmen war Eva Bunnemann ein

Baby, daher hat sie nur wenige Erinnerungen

aus ihrer Kindheit an die glänzenden

Zeiten der Filmstadt Göttingen.

Alle Anekdoten über das Miterleben dieser

Ära haben ihre Eltern in mündlicher

Form an sie weitergeben. In dem Haus,

das ihre Eltern damals bewohnten, hatte

Filmstar Hans Albers seine Garderobe;

auch ein Requisitenlager war dort eingerichtet.

Ihre Mutter Irene beschrieb

Albers als „zugänglich“ und ohne jegliche

Arroganz. Mit den Kindern aus der

Nachbarschaft ließ er sich fotografieren.

Inzwischen befinden sich die Bilder im

Archiv des Städtischen Museums.

Die Dreharbeiten zum „Tollen Bomberg“

seien für ihren Vater Ernst-August

eine „Initialzündung“ gewesen,

berichtet Eva Bunnemann. Bei einem

halben Dutzend Filmproduktionen war

er als Komparse mit dabei. Dafür erhielt

er eine Tagesgage von 50,- DM. Eva

Bunnemann ist sich sicher, dass ihr Vater

als Edelkomparse Karriere gemacht

hätte, wenn der Göttinger Atelierbetrieb

nicht eingestellt worden wäre. Die

Komparsen-Abteilung des Filmateliers

hatte ihn sogar aufgefordert, einen Telefonanschluss

zu beantragen. Eigentlich

war Ernst-August Bunnemann Profi-

Musiker; er spielte Geige, Trompete

und Waldhorn. Geboren 1921 in Hannover,

kam er nach Ende des Zweiten

Weltkriegs nach Göttingen. Er sei eine

„künstlerische Natur“ gewesen, sagt Eva

Bunnemann über ihren Vater.

In der Erhardtschen Kultkomödie „Natürlich

die Autofahrer“ (1959) ist er als

Mitglied der Polizeikapelle zu sehen. Ein

Foto, das allen Komparsen als Erinnerung

geschenkt wurde, zeigt ihn in der

hinteren Reihe als Zweiten von links.

Heinz Erhardt und Ruth Stephan, ebenfalls

auf dem Foto abgebildet, beschrieb

er als „sehr nett“. Auch Eva Bunnemanns

ältere Schwester hatte als Komparsin

in einer Erhardt-Komödie mitgewirkt

(„Der letzte Fußgänger“, 1960).

Außerdem war ihr Vater Ernst-August

am Theaterleben interessiert. Einige Jahre

hatte er in der Gastronomie gearbeitet

und bekannte Schauspieler wie Walter

Giller und Günther Ungeheuer persönlich

kennengelernt. Eines seiner Steckenpferde

war das Sammeln von Filmzeitschriften,

Illustrierten und Magazinen.

In einer Ausgabe der „Film-Revue“ aus

dem Jahr 1956 ist er in einem Bericht

über die Produktion „Ohne dich wird es

Nacht“ als Krankenpfleger neben Schauspieler

René Deltgen abgebildet. Das

Drama über Suchterkrankung inszenierte

Regisseur Curd Jürgens, der allerdings

von Ernst-August Bunnemann als „arrogant“

empfunden wurde.

Martin Schünemann

Martin Schünemann studierte von

1960 bis 1963 an der Pädagogischen

Hochschule Göttingen. Damals war

er auch Mitglied der Akademischen

Orchestervereinigung; dort spielte er

Oboe. Während einer Probe im Jahr

1961 kam ein leger gekleideter Herr

zur Tür herein. Er suchte Musiker

für eine Filmproduktion mit dem Titel

„Kalamitäten“. Herr Schünemann

erhielt eine Einladung ins Deutsche

Theater, wo an einem Sonntagvormittag

im DT-Keller eine Musikaufnahme

stattfinden sollte. Der Raum war mit

stoffbezogenen Stellwänden, Notenpulten

und Mikrophonen ausgestattet.

Nachdem Noten verteilt worden

waren, sollten sich die Musiker warmspielen.

Dann erfolgte die Aufnahme

mit einem Tonbandgerät. Dies musste

mehrmals wiederholt werden, bis

alles fehlerfrei aufgenommen war. Es

handelte sich um ein Musikstück mit

leichtem Charakter, erwies sich aber

als umso schwerer zu spielen. Einige

Zeit später gab es einen zweiten Termin

im Filmatelier Göttingen. In einer

der Hallen hatten die Bühnenbauer

eine Bar-Dekoration („Der Kuhstall“)

mit einer Bühne sowie Melkeimern als

Lampen über den Tischen hergerichtet.

In den Drehpausen wurden die Musiker

mit Getränken an der Bar versorgt.

Gedreht wurde eine Szene, in der eine

Sängerin zum Playback singend gefilmt

wurde; vom Tonband kam das Musikstück,

das Herr Schünemann und seine

Mitmusiker zuvor im Theater eingespielt

hatten. Das Ganze wiederholte sich so

lange, bis sich Regisseur Alwin Woesthoff

zufrieden zeigte. In einer Pause gab

der Requisiteur des Films dem jungen

Musiker eine Zigarette. Zwar war Herr

Schünemann eigentlich Nichtraucher,

nutzte aber diese Gelegenheit. Plötzlich

ging es weiter, und er musste zurück auf

seinen Platz. Dadurch spielte er sein

Instrument doppelt so schnell, was auch

im Film zu sehen ist. Regisseur Woesthoff

hatte für seine Komödie skurrile

Leute als Komparsen ins Atelier geholt,

beispielsweise eine kleine Frau, die eine

dicke Zigarre rauchte, erinnert sich der

Zeitzeuge. Eine interne Vorführung des

Films erfolgte nur wenige Monate nach

Beendigung der Dreharbeiten im Göttinger

Sterntheater.

Weitere Informationen: www.filmstadt-goettingen.de

50 in

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