Z - Das ZOAR-Magazin Ausgabe 1 2020
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DAS <strong>ZOAR</strong>-<br />
MAGAZIN<br />
<strong>Ausgabe</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
MÖGLICHST ZU<br />
HAUSE BLEIBEN!<br />
Wege auf den<br />
allgemeinen Arbeitsmarkt:<br />
Christian Biffar beim 1. FCK<br />
Corona-Pandemie:<br />
Wir halten Abstand –<br />
aber zusammen<br />
Wohnen am Betzenberg,<br />
Kaiserslautern<br />
Der Neubau schreitet voran
Inhalt<br />
Grußwort 3<br />
Geistliches Wort<br />
Advent: Gott kommt zu uns und hält bei uns an 8<br />
<strong>Das</strong> Corona-Virus und seine Auswirkungen<br />
„Wir halten Abstand – aber zusammen“ 10<br />
3. Teil der Serie „Arbeitssicherheit“<br />
Baulicher und technischer Brandschutz für Arbeits- und Wohnsicherheit 16<br />
Wege auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
Schieba Nasiri: Sportlich ambitioniert und beruflich voller Ehrgeiz 21<br />
Zoar – Wohnen am Betzenberg in Kaiserslautern<br />
Der Neubau schreitet voran 28<br />
Vorstellung der Frauenbeauftragten der Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />
Unterstützung der Frauen als wichtige Funktion der Frauenbeauftragten 35<br />
Zoar – Service-Wohnen<br />
Service-Leistungen sind auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt 40<br />
Information<br />
Ausscheiden des Vorstandsmitglieds Peter Kaiser 44<br />
Jahresmitarbeitergespräch<br />
Entwicklung der Jahresmitarbeitergespräche von 2018 bis heute 45<br />
Ehrenamtliche Hospizarbeit<br />
Marc Becker: offen und interessiert – Tod ist kein Tabu 49<br />
Wege auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
Christian Biffar: ein Teil der großen FCK-Familie 53<br />
Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB)<br />
Webinar zum Thema „Inklusives Wohnen – besser Wohnen“ 59<br />
Bundesteilhabegesetz (BTHG)<br />
Gesetzlicher Rahmen für einen System- beziehungsweise Paradigmenwechsel 62<br />
Monika Beyer: 2. Vorsitzende des Fördervereins Zoar<br />
Soziales Engagement als ein wichtiger Bestandteil des Lebens 76<br />
Comic von Thomas Rothländer<br />
Der Inklusionator 79<br />
Weihnachts- und Neujahrsgruß der Redaktion 82<br />
Impressum 83<br />
2 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Grußwort<br />
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser!<br />
Schwerpunkt des Jahres <strong>2020</strong><br />
ist seit März das Thema<br />
„Corona“, und es hat uns die<br />
ganze Zeit nicht losgelassen. Wir<br />
leben in dieser besonderen Zeit und<br />
in dieser besonderen Situation MIT<br />
den Menschen anders, als es bisher<br />
war und auch anders, als es sich<br />
irgendjemand von uns jemals hätte<br />
vorstellen können. Grundsätzlich hat<br />
uns die Situation dazu gezwungen,<br />
vieles zu digitalisieren, von dem wir<br />
vorher dachten, dass es sich nicht<br />
digitalisieren lässt. Bei vielem hat<br />
sich aber auch gezeigt, dass der<br />
persönliche Kontakt und die Nähe<br />
ganz wichtig und unverzichtbar sind,<br />
um die Arbeit richtig machen zu<br />
können. Wenn man zum Beispiel in<br />
Arbeitsgruppen zusammenarbeitet<br />
und die Arbeitsgruppensitzungen per<br />
Videoschalte erfolgen, kommt oft<br />
keine richtige Diskussion auf; konnte<br />
gar nicht aufkommen, weil sich die<br />
Teilnehmer zwar nacheinander zu<br />
Wort melden, man aber die Mimik<br />
und Gestik jedes Einzelnen in der<br />
Gruppe nicht wahrnehmen kann. Es<br />
fehlt das Gesamtbild. <strong>Das</strong> hat unsere<br />
Arbeit schwieriger gemacht. Es hat<br />
aber auch gezeigt, dass wir trotz der<br />
Distanz, die wir wahren mussten, in<br />
Martina Leib-Herr,<br />
Vorstand Evangelisches Diakoniewerk Zoar<br />
allen Bereichen näher zusammengerückt<br />
sind. Nach dem Motto: Wir<br />
halten Abstand, aber zusammen!<br />
Extrem-Situation<br />
bisher gut gemeistert<br />
Es ist so, dass die Mitarbeiter in den<br />
Einrichtungen und Häusern von Zoar<br />
wirklich Großes geleistet haben; und<br />
dass man dafür gar nicht oft genug<br />
DANKE sagen kann. Sie tragen eine<br />
sehr hohe Last – noch immer. Angesichts<br />
der Schutzmaßnahmen und<br />
Hygienevorschriften ist es eine ganz<br />
große Leistung, jeden Arbeitstag<br />
erfolgreich damit umzugehen und<br />
den Anforderungen gerecht zu<br />
werden. Es hat sich bewährt, dass<br />
Herr Rose, Leiter der Altenhilfe, sich<br />
intern dem Thema „Corona“ angenommen<br />
hat (siehe das Interview<br />
mit Erich Rose und Dr. Michael<br />
Klöckner auf den Seiten 10 bis 15;<br />
Anm. d. Red.). Von externen Stellen<br />
wurde uns bestätigt, dass wir in<br />
diesem Bereich sehr gut aufgestellt<br />
und die Konzepte durchdacht sind.<br />
Vielen Verdachtsfällen stehen nur<br />
ganz wenige konkret Infizierte<br />
gegenüber.<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
3
Grußwort<br />
Bau von Gerüsttreppenanlagen für<br />
den dringend erforderlichen zweiten<br />
baulichen Rettungsweg<br />
<strong>Das</strong> zeigt, dass die Maßnahmen<br />
alle sehr wirksam sind. Trotz dieser<br />
positiven Nachricht, spüren wir<br />
natürlich aktuell, dass die Zahl der<br />
Infizierten in der Bevölkerung kontinuierlich<br />
steigt. Umso mehr müssen<br />
wir in unseren Einrichtungen stetig<br />
die Sensibilität für die Thematik<br />
beibehalten und weiterhin eine<br />
Beständigkeit im fürsorglichen<br />
Handeln zeigen.<br />
Wie haben wir es<br />
bislang geschafft?<br />
Wir haben kurzfristig ein Corona Jour<br />
Fixe- Team ins Leben gerufen. In<br />
dieser Runde kamen wir ab März<br />
zum Teil dreimal wöchentlich<br />
zusammen. Da wir nun aber bereits<br />
viele Erfahrungswerte haben, tagen<br />
wir aktuell einmal in der Woche. <strong>Das</strong><br />
Leitungsteam um mich herum haben<br />
wir neu aufgestellt. Und auch mit<br />
diesem Leitungsteam, das aus Vertretern<br />
aller Fachbereiche besteht, gibt<br />
es einmal wöchentlich eine Sitzung,<br />
in der wir über alle wichtigen, aktuellen<br />
Themen sprechen, die uns −<br />
unabhängig von Corona − begleiten.<br />
Die Arbeit in diesem Leitungsteam<br />
ist sehr hilfreich und dem Unternehmen<br />
zuträglich.<br />
Ausblick auf 2021<br />
und Rückblick auf <strong>2020</strong><br />
Was Baumaßnahmen betrifft, haben<br />
uns <strong>2020</strong> vor allem der Neubau der<br />
Einrichtung „Zoar – Wohnen am<br />
Betzenberg“ in Kaiserslautern (siehe<br />
Bericht auf den Seiten 28 bis 34;<br />
Anm. d. Red.) und das neue Wohnprojekt<br />
in Oppenheim beschäftigt.<br />
Ein anderes wichtiges Thema, das wir<br />
abgearbeitet haben, war und ist der<br />
Brandschutz auf dem Inkelthalerhof<br />
und die Ertüchtigung aller Gebäude<br />
auf einen brandschutztechnisch<br />
aktuellen Stand (siehe Bericht auf<br />
den Seiten 16 bis 20; Anm. d. Red.).<br />
Alternativ dazu schauen wir, wie die<br />
anderen Dezentralisierungsprojekte,<br />
zum Beispiel in Kirchheimbolanden<br />
und Ingelheim, entsprechend weiter<br />
vorangetrieben werden können. Mit<br />
der Art und dem Umfang der Umsetzungen<br />
werden wir uns 2021 konkret<br />
befassen. Auch die Erweiterungsplanungen<br />
am Zoar-Standort Kusel, was<br />
den Anbau und die Sanierung des<br />
Hauptgebäudes betrifft, werden wir<br />
in den kommenden Monaten<br />
Grundsteinlegung für das Bauprojekt<br />
„Zoar – Wohnen am Betzenberg“<br />
4 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Grußwort<br />
konkreter angehen (siehe Bericht im<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 4/2018 auf den Seiten<br />
38 bis 43; Anm. d. Red.). Über all<br />
diese Projekte werden wir in den<br />
Zoar-Publikationen fortschreitend<br />
berichten.<br />
Ende September ist mein ehemaliger<br />
Vorstandskollege Peter Kaiser aus<br />
dem Unternehmen ausgeschieden.<br />
Seither leite ich das Evangelische<br />
Diakoniewerk Zoar allein,<br />
gemeinsam mit dem engeren<br />
Führungskreis. Ein Fokus liegt im<br />
Moment darauf, mich dem Bereich<br />
Eingliederungshilfe, den Herr Kaiser<br />
bisher allein verantwortet hat,<br />
intensiv zu widmen. Dank der guten<br />
Unterstützung des Leitungsteams<br />
und aller anderen Mitarbeiter bin ich<br />
zuversichtlich, dass es uns gelingt,<br />
die Einrichtung entsprechend weiter<br />
nach vorne zu bringen.<br />
Beste Wünsche für das neue Jahr<br />
Gottes Segen sei mit Ihnen in den kommenden Wochen und Monaten.<br />
Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen das Allerbeste − Wohlergehen,<br />
Zuversicht, Glück und Zufriedenheit sowie vor allem Gesundheit.<br />
Mein ausdrücklicher Dank geht an alle haupt- und ehrenamtlichen<br />
Mitarbeitenden, die in diesem besonderen Jahr Herausragendes<br />
geleistet haben. Danke für Ihren Einsatz und für Ihre Treue zu uns.<br />
Gern erzähle ich Ihnen im Frühjahr 2021 an dieser Stelle im Vorwort,<br />
was es bei Zoar und den Tochtergesellschaften Neues gibt.<br />
Wir leben in einer krisenhaften Zeit. Versuchen Sie trotzdem, auch<br />
mal abzuschalten und die kommenden Feiertage für sich zu nutzen.<br />
Kommen Sie zur Ruhe, machen Sie es sich in den eigenen vier Wänden<br />
gemütlich und pflegen Sie Kontakte. <strong>Das</strong> geht auch digital und<br />
per Telefon. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein frohes und<br />
gesegnetes Weihnachtsfest, und kommen Sie gut ins neue Jahr.<br />
Möge sich die Pandemie-Lage 2021 normalisieren und wir alle<br />
wieder zu unserem liebgewonnenen Alltag mit Hobbys, Ausflügen,<br />
sozialen Kontakten und Reisen zurückkehren können. Denken wir<br />
in dieser schweren Zeit aber auch an all jene Menschen, denen es<br />
weitaus schlechter geht als uns, die krank sind oder krank waren<br />
oder die in große Existenznöte geraten sind. Seien wir dankbar!<br />
Seien wir füreinander da!<br />
Unsere Neujahrsempfänge müssen 2021 leider ausfallen.<br />
Um die Zahl der Corona-Neuinfektionen zu verringern, sollten<br />
wir uns konsequent an die Regeln halten und unsere Kontakte<br />
auf das unbedingt Notwendige beschränken.<br />
Bleiben Sie gesund!<br />
Es grüßt Sie herzlichst<br />
Martina Leib-Herr<br />
Vorstand<br />
Evangelisches Diakoniewerk Zoar<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong> 5
Grußwort<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />
<strong>Das</strong> Thema „Corona“ ist unser Schwer-Punkt. Seit März lässt uns das Thema<br />
nicht los. Wir leben in dieser besonderen Zeit und in dieser besonderen<br />
Situation MIT den Menschen anders, als es bisher war und auch anders, als<br />
es sich irgendjemand von uns jemals hätte vorstellen können. Dies Krise hat<br />
uns aber auch gezeigt, dass wir trotz der Distanz, die wir halten müssen, in<br />
allen Bereichen näher zusammengerückt sind. Nach dem Motto: Wir halten<br />
Abstand, aber zusammen!<br />
Die Mitarbeiter in den Einrichtungen und Häusern von Zoar haben Großes<br />
geleistet. Dafür kann nicht oft genug DANKE gesagt werden. Sie tragen<br />
eine sehr hohe Last – noch immer. Angesichts der Schutz-Maßnahmen<br />
und Hygiene-Vorschriften ist es eine ganz große Leistung, jeden Arbeits-Tag<br />
den speziellen Anforderungen gerecht zu werden. Es hat sich bewährt,<br />
dass Herr Rose, Leiter der Alten-Hilfe, sich intern dem Thema „Corona“<br />
angenommen hat. Auch unser Betriebs-Arzt Herr Klöckner ist lobend zu<br />
nennen. Von außen wurde uns bestätigt, dass wir in diesem Bereich<br />
sehr gut aufgestellt und die Konzepte durchdacht sind. Unser Corona<br />
Jour Fixe-Team tagt aktuell einmal in der Woche.<br />
Ausblick auf 2021 und Rückblick auf <strong>2020</strong><br />
Was Bau-Maßnahmen betrifft, haben uns <strong>2020</strong> vor allem der Neu-Bau der<br />
Einrichtung „Wohnen am Betzenberg“ in Kaiserslautern und das neue<br />
Wohn-Projekt in Oppenheim beschäftigt. Ein anderes wichtiges Thema, das<br />
wir abgearbeitet haben, war und ist der Brand-Schutz auf dem Inkelthalerhof.<br />
Auch 2021 werden wir an vielen Projekten weiterarbeiten, zum Beispiel<br />
Dezentralisierungs-Projekte in Kirchheimbolanden und Ingelheim sowie<br />
Erweiterung am Zoar-Standort Kusel. Dort soll angebaut werden. Außerdem<br />
soll das bestehende Gebäude saniert werden.<br />
6 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Grußwort<br />
Ende September ist mein ehemaliger Vorstands-Kollege Peter Kaiser aus<br />
dem Unternehmen ausgeschieden. Seither leite ich Zoar allein, gemeinsam<br />
mit dem engeren Führungs-Kreis. Mein Schwer-Punkt liegt momentan<br />
darauf, mich dem Bereich Eingliederungs-Hilfe, den Herr Kaiser bisher allein<br />
verantwortet hat, intensiv zu widmen. Dank der guten Unterstützung des<br />
Leitungs-Teams und aller anderen Mitarbeiter bin ich zuversichtlich, dass es<br />
uns gelingt, die Einrichtung entsprechend weiter nach vorne zu bringen.<br />
Beste Wünsche für das neue Jahr<br />
Gottes Segen sei mit Ihnen in den kommenden Wochen und Monaten.<br />
Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen das Allerbeste − Wohlergehen,<br />
Zuversicht, Glück und Zufriedenheit sowie vor allem Gesundheit.<br />
Mein ausdrücklicher Dank geht an alle haupt- und ehrenamtlichen<br />
Mitarbeitenden, die in diesem besonderen Jahr Herausragendes<br />
geleistet haben. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein frohes und<br />
gesegnetes Weihnachts-Fest. Kommen Sie gut ins neue Jahr.<br />
Bleiben Sie gesund!<br />
Es grüßt Sie herzlich<br />
Martina Leib-Herr<br />
Vorstand<br />
Evangelisches Diakoniewerk Zoar<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
7
Geistliches Wort<br />
Advent:<br />
Gott kommt zu uns<br />
und hält bei uns an<br />
Von einem D-Zug der besonderen Art erzählt ein uralter Gospel-Song: „The Gospeltrain“, der<br />
„Gute-Nachricht-Zug“. Advent heißt ja: Gott kommt an. Wie ein Zug am Bahnhof ankommt.<br />
Lange erwartet. Endlich ist er da. Was ist das für ein rätselhafter Zug, der da kommt?<br />
Der anhält. In den ich einsteigen kann?<br />
8 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Geistliches Wort<br />
Wo ich wohne, im Lautertal, haben alle Züge Namen.<br />
Ich sage dann immer: „Gerade fährt der Fritz Walter<br />
vorbei oder der „Horst Eckel“. Leider gibt es bei uns<br />
keinen „Gospeltrain“ oder „Gute-Nachricht-Zug“.<br />
Zum Zug gehört eine Lokomotive mit einigen Wagen.<br />
So ein Zug ist eine kleine, in sich geschlossene Welt.<br />
Der Zug durchfährt eine Landschaft. Drinnen im Zug<br />
sind Menschen. Draußen in der Landschaft leben<br />
Menschen. Sie kennen einander nicht. Jeder lebt in<br />
seiner eigenen Welt.<br />
Der „Gute-Nachricht-Zug“ im Gospel-Lied symbolisiert<br />
Gottes Welt. Der „Gute-Nachricht-Zug“ kreuzt und<br />
durchfährt unsere Welt. Es gibt Berührungspunkte.<br />
Einstiegsmöglichkeiten. Gott hält bei uns an. Fragt uns:<br />
„Möchtest Du mitkommen? Eine spannende Fahrt liegt<br />
vor Dir. Lass Dich überraschen“.<br />
Inspiriert vom Gospel-Song hat die Künstlerin Ruth Starr<br />
Rose im Jahr 1939 ein für mich wunderbares Bild gemalt:<br />
Menschen sind unterwegs zu einer Kirche. Gebeugte,<br />
Alte, Junge, Männer und Frauen. Es sind Menschen mit<br />
dunkler Hautfarbe. Sklaven Nordamerikas. Die Kirche,<br />
zu der sie unterwegs sind, hat etwas Einladendes.<br />
Helles, warmes Licht kommt aus ihren Fenstern und der<br />
Tür. Im Eingang steht der Pastor, der aus der Bibel<br />
vorliest. Doch er schaut und zeigt zugleich auf etwas, das<br />
hinter der Kirche ist. Da düst gerade der „Gospeltrain“<br />
vorbei. Er scheint fahrplanmäßig an dieser kleinen<br />
Kirche zu halten. Die Kirche ist der Bahnhof für den<br />
„Gute-Nachricht-Zug“.<br />
Die beiden Esel vor der Transportkutsche scheuen.<br />
Sie werden vom Dampf und Krach der Räder erschreckt.<br />
Der eine keilt nach hinten aus. Der andere erstarrt.<br />
Der Kutscher hat alle Mühe, sich auf dem Wagen zu<br />
halten. Denn es ist ein grandioses Schauspiel! Dieser<br />
„Gute-Nachricht-Zug“ braucht kein Gleis. Er hebt ab<br />
wie ein gewaltiges Flugzeug. Im Führerhaus sehen wir<br />
den Lokführer. Ein Engel fliegt dem Zug voraus.<br />
Er bestimmt die Richtung und bläst das Signalhorn.<br />
Der Zug gewinnt nun so gewaltig an Fahrt, dass es gut<br />
und sicher ist, wenn der Engel ein lautes Signal gibt.<br />
Und dann ist da noch ein Engel. Er legt seine Hand<br />
segnend und schützend auf das Wagendach.<br />
<strong>Das</strong> beruhigt die Passagiere. Sie winken fröhlich<br />
ihren Freunden draußen zu. Diese warten auf den<br />
nächsten Halt des „Gute-Nachricht-Zugs“, um<br />
zusteigen zu können.<br />
<strong>Das</strong> ist Advent: Gott hält bei uns an. Er lädt uns ein,<br />
einzusteigen. Er lädt uns ein, seine Welt kennenzulernen.<br />
Seine Welt ist mitten in unserer Welt.<br />
Die, die eingestiegen sind, strahlen Fröhlichkeit aus.<br />
Sie machen den „Mühseligen und Beladenen“<br />
draußen Mut. „Steigt auch ein und fahrt mit uns!“<br />
Es würde mich nicht wundern, wenn der nächste Halt<br />
des „Gute-Nachricht-Zugs“ in Bethlehem wäre; direkt<br />
am Stall, da wo Jesus geboren wird.<br />
„Der Gospel-Zug kommt gerade an.<br />
Man hört ihn schon ganz nah.<br />
Man hört die Räder rumpeln.<br />
Er kommt gleich bei uns an.<br />
Steig ein, kleiner Mann, kleine Frau, kleines Kind!<br />
Es ist noch Platz für ganz viele.“<br />
(Übersetzung von „The Gospeltrain is coming“)<br />
Den Advent kann man sich vorstellen wie einen Zug,<br />
der bei uns hält. Ich kann einsteigen und mich<br />
mitnehmen lassen, wenn ich will.<br />
Nie hat Gott die Welt so deutlich berührt wie in der<br />
Person Jesu. Gott selbst macht im Stall von<br />
Bethlehem Halt bei uns. Da steige ich mit ein.<br />
Auch in diesem Jahr hält Gott bei uns an!<br />
Es grüßt Sie herzlich und wünscht Ihnen einen gesegneten Advent und<br />
ein gesegnetes Weihnachtsfest in dieser so merkwürdigen Corona-Zeit,<br />
Ihr Pfarrer Jochen Walker<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
9
Aktuell<br />
<strong>Das</strong> Corona-Virus und seine Auswirkungen<br />
„Wir halten Abstand – aber zusammen“<br />
Wir befinden uns in einer Pandemie, ausgelöst durch das Virus „Sars-CoV-2“. Die Folgen?<br />
Lockdown, Beschränkungen, Schutzmaßnahmen, Hygiene-Konzepte, Hilfsprogramme, deren<br />
Kosten in die Milliarden gehen. Einiges muss sich bewegen, damit auf zukünftige Epidemien<br />
noch besser und schneller reagiert werden kann.<br />
Kontaktbeschränkungen und<br />
Hygiene-Schutzmaßnahmen<br />
prägen unseren Alltag seit<br />
Monaten. Dies dient der Verhinderung<br />
der weiteren Ausbreitung des<br />
Corona-Virus. <strong>Das</strong> kommt uns allen<br />
zugute; vor allem aber ist es wichtig<br />
für ältere Menschen, Menschen mit<br />
Beeinträchtigungen und/oder Vorerkrankungen.<br />
Deshalb stehen Infektionsschutz<br />
und Hygienemaßnahmen<br />
überall dort, wo Kontakte notwendig<br />
sind beziehungsweise Kontaktbeschränkungen<br />
gelockert wurden, im<br />
Mittelpunkt. Damit soll erreicht<br />
werden, uns vor der Infektion mit<br />
SARS-CoV-2 zu schützen, um nicht an<br />
Covid-19 zu erkranken und somit eine<br />
Überforderung des Gesundheitssystems<br />
zu vermeiden. Neue Infektionsketten<br />
müssen bestmöglich<br />
vermieden werden. Rasant steigende<br />
Infektionszahlen müssen unbedingt<br />
wieder abflachen.<br />
Hilfreiche Anteilnahme und<br />
süße Überraschungen<br />
Beim Evangelischen Diakoniewerk<br />
Zoar mit seinen Tochtergesellschaften<br />
an zahlreichen Standorten<br />
in Rheinland-Pfalz ging die Arbeit<br />
unter Einhaltung angepasster<br />
Schutzvorkehrungen kontinuierlich<br />
weiter. Menschen, die uns anvertraut<br />
sind, wurden und werden umfänglich<br />
betreut und versorgt. Alle<br />
müssen lernen, mit der Pandemie zu<br />
leben. Noch gibt es keinen Impfstoff<br />
und keine wirksame Therapie gegen<br />
Covid-19. So lange ist Vorsicht<br />
geboten, und wir müssen auf unsere<br />
Nächsten und uns achten. Hilfreiche<br />
Anteilnahme an der krisenhaften<br />
Situation nahm auch ein Großteil der<br />
Bevölkerung. Bewohner der Zoar-<br />
Einrichtung erhielten zum Beispiel<br />
liebe Briefe, gemalte Bilder und<br />
schöne Basteleien. Selbstgenähte<br />
Mund-Nasen-Masken wurden ehrenamtlich<br />
hergestellt und abgegeben.<br />
Spenden gingen ein, zum Beispiel<br />
Tablets für das Videotelefonat mit<br />
den Angehörigen sowie kleine<br />
Aufmerksamkeiten für die Pflegekräfte,<br />
um sie in dieser Zeit mit Eis<br />
und Kuchen sowie sonstigen schönen<br />
Dingen zu überraschen.<br />
10 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Aktuell<br />
Zur aktuellen Lage lesen Sie hier, liebe Leserinnen und Leser,<br />
fachliche Einschätzungen der Pandemie-Entwicklung von<br />
Zoar-Betriebsarzt, Dr. Michael Klöckner, und<br />
Erich Rose, Leitung Altenhilfe.<br />
<strong>Das</strong> Interview führte Alexandra Koch.<br />
1. <strong>2020</strong> – ein Jahr großer Herausforderungen:<br />
Was glauben Sie, war die größte Herausforderung<br />
in dieser für uns alle schwierigen Situation?<br />
Dr. Michael Klöckner:<br />
Die größte Herausforderung ist die<br />
Pandemie selbst, und das, was sie<br />
für Auswirkungen mit sich bringt<br />
– auf Zoar und auf unsere Gesellschaft<br />
allgemein. <strong>Das</strong> war und ist<br />
das entscheidende Thema, und es<br />
ist nach wie vor stark präsent und<br />
längst nicht abgehakt. <strong>Das</strong> Thema<br />
wird auch noch 2021 präsent sein.<br />
Letztendlich hängt alles davon ab, inwiefern es gelingt,<br />
einen schützenden Impfstoff zu entwickeln.<br />
Erich Rose:<br />
Wir als Einrichtung und unsere<br />
Gesellschaft generell sind erstmalig<br />
mit dieser Form von Pandemie<br />
konfrontiert. Zum einen ist es<br />
eine grundsätzliche Auseinandersetzung<br />
mit dem „Sars-CoV-2“-<br />
Virus bei jedem Einzelnen in<br />
persönlicher und gesundheitlicher<br />
Hinsicht und zum anderen, mit<br />
Blick auf konkret unseren Betrieb, sind es die vielfältigen<br />
Auswirkungen auf das Arbeitsgeschehen beziehungsweise<br />
der Schutz von Klienten, Mitarbeitern und Gästen.<br />
Ohne übertreiben zu wollen, kann man sagen, dass die<br />
Pandemie kolossale Auswirkungen auf die täglichen<br />
Arbeitsabläufe hat; sowohl was den Umgang mit<br />
Klienten und Mitarbeitern betrifft als auch deren Schutz.<br />
<strong>Das</strong> kommt bei den ambulanten Angeboten und bei der<br />
stationären Versorgung zum Tragen. Hier nenne ich zum<br />
Beispiel die umfänglichen Besuchsregelungen.<br />
2. Was ist Ihrer Meinung nach im Umgang mit der Pandemie<br />
bei Zoar besonders gut, was weniger gut gelaufen?<br />
Erich Rose:<br />
Wir können bei dieser Krise auf keinerlei<br />
Erfahrungswerte aus der Vergangenheit<br />
zurückgreifen. Trotzdem wage ich zu<br />
behaupten, dass wir innerbetrieblich gut<br />
und angemessen mit der Situation umgegangen sind.<br />
Dazu ein großes Lob an alle Mitarbeiter in den verschiedenen<br />
Bereichen. Ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein<br />
war überall zu erkennen. Informationen<br />
wurden offen und transparent sowie kontinuierlich an<br />
die gesamte Belegschaft weitergegeben. Von Vorteil war,<br />
dass wir zeitnah ein Corona-Pandemie-Team gegründet<br />
haben; besetzt mit dem Vorstand, dem Betriebsarzt, der<br />
Gesamtmitarbeitervertretung, Verantwortlichen der<br />
Arbeitssicherheit, des Personalbereichs und der Zentralen<br />
Dienste. Wir treffen uns seit März wöchentlich für<br />
circa ein bis zwei Stunden und haben dann immer<br />
aktuelle Themen auf der Agenda. Die gilt es abzuarbeiten<br />
und Rückschlüsse daraus zu ziehen.<br />
Jedoch steht und fällt jede Maßnahme mit der Bereitschaft<br />
der Mitarbeiter, Klienten und Gäste, diese mitzutragen<br />
und umzusetzen. Dies war und ist dankenswerterweise<br />
gegeben. Die gesamte Dienstgemeinschaft<br />
zeigt ein enormes Maß an Einsatzbereitschaft und<br />
Verantwortungsbewusstsein. Nur gemeinsam schaffen<br />
wir es, den Anforderungen durch die Pandemie angemessen<br />
gerecht zu werden.<br />
Dr. Michael Klöckner:<br />
Nicht gut Gelaufenes kann ich bei Zoar<br />
gar nicht erkennen. Ich hatte auch den<br />
Vergleich zu anderen Betrieben und<br />
Einrichtungen und muss sagen, dass das<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
11
Aktuell<br />
Thema dort vielfach nicht so systematisch angegangen<br />
wurde. Auch die Regelmäßigkeit der Arbeitsgruppensitzungen<br />
über einen langen Zeitraum ist bei Zoar vorbildlich.<br />
Was bereits im Vorfeld sehr gut aufgebaut war, ist<br />
der ganze Bereich des Infektionsschutzes und der Hygienemaßnahmen<br />
bei Zoar. Federführend durch Herrn Rose<br />
und sein Team (konkret genannt sei hier Liesel Sköries als<br />
Zentrale Hygienebeauftragte; Anm. d. Red.) war das<br />
schon vor Jahren aufgebaut und umgesetzt worden. Und<br />
so konnte man auf das Hygienemanagement von Zoar,<br />
was die Pandemie betrifft, sehr stark zurückgreifen. Die<br />
Instrumente zum Umgang mit dem Virus sind in der<br />
Einrichtung vorhanden. Daher ist man hier dem neuen<br />
Angreifer nicht schutzlos ausgesetzt. Es galt lediglich,<br />
alle Maßgaben konform zu halten mit den Empfehlungen<br />
des Robert Koch-Instituts und auch die immer neuen und<br />
aktualisierten Landesverordnungen in die Informationen<br />
an die Mitarbeiter einfließen zu lassen. Aufgrund der<br />
guten vorhandenen Basis ist man bei Zoar nicht in Panik<br />
geraten. Auch bezüglich der Körperschutzmaßnahmen<br />
beziehungsweise der Schutzausrüstung hat man hier gut<br />
und zeitig reagiert, noch bevor es große Engpässe gab.<br />
Erich Rose:<br />
Seit März haben wir konsequent darauf<br />
geachtet, dass wir die Artikel der persönlichen<br />
Schutzausrüstung vorrätig haben.<br />
<strong>Das</strong> war in den ersten Wochen und<br />
Monaten sehr zeitintensiv und auch schwierig, weil es<br />
aufgrund der weltweiten Masse, die benötigt wurde, zu<br />
Lieferengpässen auf dem freien Markt kam. Wir mussten<br />
sehr genau prüfen, ob die Artikel den gesetzten Normen<br />
entsprachen. Denn es wurde auch minderwertige Ware<br />
angeboten. Ich muss dazu sagen, dass bei uns zu keinem<br />
Zeitpunkt ein Defizit herrschte. Wir waren immer<br />
flächendeckend an allen Zoar-Standorten mit den Artikeln<br />
für die persönliche Schutzausrüstung versorgt.<br />
3. Wie schätzen Sie den weiteren Verlauf<br />
der Pandemie ein?<br />
Dr. Michael Klöckner:<br />
<strong>Das</strong> Corona-Virus ist angekommen und<br />
wird auch bleiben. Es wird nicht gelingen,<br />
das Corona-Virus auf null zurückzuführen.<br />
Es wird noch dauern, bis ein verfügbarer<br />
Impfstoff auf dem Markt verimpft werden kann. Es gibt<br />
Hinweise diverser Studien, die besagen, dass sich die<br />
Virus-Eigenschaften verändern. <strong>Das</strong> würde möglicherweise<br />
bedeuten, dass das Virus in Zukunft nicht mehr<br />
ganz so gefährliche Auswirkungen hat und sich dann am<br />
ehesten mit einem grippalen Infekt vergleichen ließe.<br />
<strong>Das</strong>s die Infektionszahlen im Herbst wieder ansteigen<br />
würden, war zu erwarten. Diese Entwicklung musste<br />
zwangsläufig so geschehen. Im Sommer während der<br />
Urlaubs- und Ferienzeit wurden die Vorgaben nicht mehr<br />
eingehalten, wie es nötig gewesen wäre. Im Zuge der im<br />
Herbst beginnenden Erkältungszeit ist außerdem<br />
häufiger getestet worden. Auch das ließ die Zahlen<br />
steigen. Denn je mehr getestet wird, desto höher ist die<br />
Wahrscheinlichkeit, dass auch asymptomatische<br />
Corona-Virus-Infektionen festgestellt werden.<br />
Vorsichtig optimistisch macht die Tatsache, dass die<br />
Sterblichkeitsrate nicht so stark und schnell ansteigt wie<br />
die Neuinfektionen. Außerdem haben wir nun auch<br />
mehr Praxis-Erfahrung im Umgang mit dem Virus. Die<br />
Menschen, die, wie bei Zoar, in den systemrelevanten<br />
Berufen arbeiten, sind auf diese Infektionskrankheit<br />
eingestellt. Sie wissen, wie sie mit dem Virus und dessen<br />
Vorbeugung sowie den Schutzmaßnahmen umgehen<br />
müssen und kennen auch die Auswirkungen auf die<br />
Bewohner und Beschäftigten. Ihr Interesse gilt nicht nur<br />
ihrem Schutz, sondern auch dem Schutz derer, für die sie<br />
da sind.<br />
Erich Rose:<br />
Wie es Herr Dr. Klöckner bereits sagte, das<br />
Corona-Virus wird uns in unserem Alltag,<br />
privat und beruflich, auch weiterhin<br />
begleiten. Daher ist es wichtig, immer auf<br />
die entsprechenden Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln<br />
zu achten. Es kommt auf jeden Einzelnen und<br />
dessen Kontaktpersonen an. Es ist und bleibt wichtig,<br />
dass wir die Hygieneaspekte, gerade im Umgang mit<br />
unseren Klienten, immer wieder auf die Agenda der<br />
Corona-Pandemie-Teamsitzungen setzen. <strong>Das</strong> darf nicht<br />
12 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Aktuell<br />
in Vergessenheit geraten. Wichtig ist, dass bei Symptomen,<br />
die ab der Herbst-Winterzeit vermehrt auftreten<br />
werden, frühzeitig Maßnahmen ergriffen und Kontakte<br />
nachverfolgt werden. Nur so kann eine Verbreitung in<br />
der Belegschaft und unter den Klienten vermieden<br />
werden. So lange kein Impfstoff da ist, der auch entsprechende<br />
Wirksamkeit hat, stehen Hygienemaßnahmen<br />
zur Vorbeugung absolut im Vordergrund. Selbst wenn<br />
ein wirksamer Impfstoff auf dem Markt wäre, dauert es<br />
voraussichtlich Monate, bis ein entsprechender Impfschutz<br />
in der Gesellschaft vorliegt, der das Infektionsrisiko<br />
minimiert; und auch nur, wenn die Impfbereitschaft<br />
entsprechend gegeben ist.<br />
Dr. Michael Klöckner:<br />
Es wird ein neuartiger Impfstoff sein −<br />
mit noch unklaren Risiken und Nebenwirkungen.<br />
Viele Menschen sind daher<br />
eher skeptisch. Sie warten ab und lassen<br />
erst einmal anderen den Vortritt. Generell wird ohnehin<br />
die Meinung vertreten, dass zuerst die Risikogruppen<br />
geimpft werden sollen. Ich bin sehr gespannt, wie die<br />
Impfquoten letztendlich sein werden.<br />
4. Herr Rose, halten Sie die jeweiligen Maßnahmen<br />
beziehungsweise Regeln in ihrer Tragweite für ältere<br />
Menschen in den Zoar-Alten- und Pflegeheimen für<br />
begreifbar und nachvollziehbar?<br />
Erich Rose:<br />
Teils, teils. In der Mehrheit werden die<br />
Konsequenzen aus den Schutzmaßnahmen<br />
verstanden und finden Akzeptanz.<br />
Die meisten Bewohner können es<br />
nachvollziehen und tragen diese Beschränkungen mit,<br />
ebenso die Angehörigen. Es gibt aber auch einzelfallbezogene<br />
Situationen, in denen die Maßnahmen nicht<br />
voll umfänglich nachvollzogen werden können. Es ist<br />
stark von der jeweiligen Person abhängig und davon,<br />
inwiefern ein Mensch kognitiv in der Lage ist, das Risiko<br />
einer Infektion einzuschätzen und entsprechende<br />
Schutzmaßnahmen nachzuvollziehen. Schaut man sich<br />
die Reaktionen in der Allgemeinbevölkerung an, ist es<br />
grundsätzlich nichts Anderes. Es gibt Personen, die das<br />
umfänglich mittragen und nachvollziehen können, und<br />
ebenso gibt es Personen, die Aspekte ablehnen. Es entspricht<br />
dem Bild der Gesellschaft. Schwieriger wird es<br />
mit zunehmender Dauer der Kontakteinschränkung. Je<br />
länger sie dauert, desto gravierender werden die Folgen<br />
des Kontaktverlustes.<br />
5. Herr Dr. Klöckner, kamen im Rahmen der Pandemie<br />
mehr Menschen als sonst auf Sie als Betriebsarzt zu?<br />
Gab es mehr Fragen?<br />
Dr. Michael Klöckner:<br />
Es kamen schon mehr Fragen auf als<br />
sonst, und es kamen auch mehr Leute auf<br />
mich zu. <strong>Das</strong> meiste lief telefonisch und<br />
per E-Mail. Die Pandemie ist für alle das<br />
vorherrschende Thema. Es ging häufig um die Gefährdung<br />
von Risikogruppen und um Infektionsgefahren für<br />
Angehörige. Auch gab es häufiger Fragen zum Arbeitsschutz,<br />
zur Hygiene und Schutzausrüstung. Ganz selten<br />
war es so, dass jemand vom Dienst freigestellt werden<br />
musste, wenn er nicht auf einen unbedenklichen<br />
Arbeitsplatz versetzt werden konnte. In der Regel aber<br />
konnte durch verschiedene Schutzmaßnahmen die<br />
Arbeitsfähigkeit erhalten werden.<br />
Der Eigenschutz der Mitarbeiter wurde erhöht, indem<br />
zum Beispiel anstatt einer normalen Mund-Nasen-<br />
Bedeckung eine spezielle FFP2-Maske zur Verfügung<br />
gestellt wurde. Dies wurde an der Arbeitssituation festgemacht.<br />
Denn eine FFP2-Maske zum höheren Eigenschutz<br />
bedeutet auch einen höheren Atemwiderstand.<br />
Man kann sie nicht längere Zeit bequem tragen. Daher<br />
macht man die Tragedauer im Hygienekonzept davon<br />
abhängig, wie lange Zeit der Mitarbeiter direkt am<br />
Bewohner eingesetzt ist. Macht er andere Arbeiten, bei<br />
denen der Abstand eingehalten werden kann, braucht<br />
er die FFP2-Maske nicht zu tragen.<br />
Meine Beratung der Mitarbeiter hat vorrangig kontaktlos<br />
stattgefunden. Auch Routineuntersuchungen wurden,<br />
soweit es geht, aufgeschoben. Die Einstellungsuntersu-<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
13
Aktuell<br />
chungen und Schutzimpfungen haben jedoch stattgefunden.<br />
Der Wunsch nach ärztlicher Beratung ist in<br />
diesen Zeiten schon groß. Im Sommer schwächte sich<br />
das mit zunehmendem Rückgang der Infektionen mal<br />
eine Weile ab und nahm dann wieder zu.<br />
6. Was glauben Sie: Hat der Virus unsere Gesellschaft<br />
verändert, wohlmöglich gespalten?<br />
Dr. Michael Klöckner:<br />
Am Anfang der Pandemie hat man noch<br />
gedacht, dass jetzt Vieles anders wird,<br />
dass man politisch-gesellschaftlich<br />
aufwacht und merkt, dass man nicht<br />
mehr so weiter wirtschaften kann wie bisher, dass man<br />
schauen muss, dass die Gesundheitsversorgung weltweit<br />
besser wird, auch in Deutschland; dass mehr auf den<br />
Schutz geachtet wird und die Lieferketten jetzt neu<br />
angepasst werden, dass man nicht mehr so sehr<br />
abhängig ist von China und anderen weltweiten Lieferanten,<br />
dass man wieder mehr Produktion in Deutschland<br />
hat und dass auch wieder mehr Medikamente, die<br />
ja auch zwischendurch knapp wurden, in Europa beziehungsweise<br />
Deutschland produziert werden. Ich bin da<br />
eher skeptisch. Sobald die Pandemie bekämpft sein wird,<br />
kommt es wieder zu „business as usual“ und da steht<br />
das Rendite- und Gewinnstreben immer im Vordergrund.<br />
Und wenn irgendwo etwas zu sparen ist, werden die<br />
Unternehmen die Lieferketten, so wie sie sind, beibehalten.<br />
Ein bisschen wird vielleicht nach Europa/Deutschland<br />
zurückverlagert, aber nicht in dem Ausmaß wie gedacht.<br />
Je länger die Pandemie und die Schutzmaßnahmen<br />
gehen werden, die ja zur Bekämpfung zwingend<br />
notwendig sind, und Menschen die Fallzahlen nur aus<br />
Statistiken kennen und keine konkreten Krankheitsfälle<br />
in ihrem näheren Umfeld haben, wächst der Nährboden<br />
für Verschwörungstheorien. Frust kann sich diesbezüglich<br />
zuspitzen – Frust auf den Kapitalismus, Frust auf<br />
gesellschaftliche Veränderungen. So eine gewisse Spaltung<br />
der Gesellschaft muss man im Moment leider<br />
schon erkennen. Es ist eine Minderheit, aber eine lautstarke.<br />
Es herrscht keine einheitliche Meinung, sondern<br />
es finden sich Menschen zusammen, die grundsätzlich<br />
gegen alles sind. Aber auch da wird es mit dem Greifen<br />
des Impfstoffes und seiner zuverlässigen Wirkung, und<br />
wenn die Schutzmaßnahmen sukzessive abgebaut<br />
werden können, zu einer Besserung kommen.<br />
Ich denke nicht, dass das auf Dauer so sein wird. Beim<br />
Zwischenmenschlichen sehe ich schon eine gewisse<br />
Form von Distanz, notwendigerweise wegen der<br />
Abstandsgebote. Die Frage wird sich aber stellen, inwieweit<br />
man danach, wenn man die Abstandsregeln nicht<br />
mehr so streng einhalten muss, wieder zu einer Normalisierung<br />
kommen wird. Ich glaube es wird eine gewisse<br />
Form von wohlüberlegter Distanzierung bei vielen<br />
Menschen bleiben. Da könnte ich mir schon so eine<br />
gewisse Reserviertheit vorstellen.<br />
Erich Rose:<br />
Durch die Pandemie ist unsere Gesellschaft<br />
gleichzeitig mit einer Vielzahl von<br />
Themen konfrontiert, mit denen wir uns<br />
aktuell beziehungsweise mittel- und<br />
langfristig konkret auseinandersetzen müssen. Es geht<br />
um den Umgang mit dem Virus, die Entwicklung des<br />
Impfstoffes und der Medikamente. Wo finden zukünftig<br />
Entwicklung und Produktion statt? Wer sorgt für die<br />
entsprechende Lagerhaltigkeit? Aktuell stellen sich<br />
zudem die Fragen nach der digitalen Infrastruktur, nach<br />
der zukünftigen Gestaltung von Arbeitsplätzen usw.<br />
Man muss sich nun vielen Themen stellen. Ich nenne<br />
nur Beispiele: Lüftungstechnik im öffentlichen<br />
Personenverkehr, personelle Ausstattung des Gesundheitswesens,<br />
Aufrechterhaltung der Wirtschaft allgemein.<br />
<strong>Das</strong> ist schon ein riesiges Thema. Welche Lehren<br />
werden wir als Gesellschaft aus dieser Situation ziehen?<br />
Zu wünschen sind positive Konsequenzen im Sinne von<br />
Nachhaltigkeit; auch, um in Zukunft präventiver<br />
gewappnet zu sein.<br />
14 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Aktuell<br />
In der Zwischenzeit haben wir ja schon viel dazugelernt<br />
und bei den Behandlungsmethoden einiges verbessert.<br />
Zum Beispiel hat man am Anfang definitiv zu viel<br />
beatmet, denn es ist ganz schwer, die Menschen von der<br />
Beatmung wieder zu entwöhnen. Man beatmet jetzt bei<br />
weitem nicht mehr so schnell. Hochdosiertes Cortison<br />
und die Verabreichung von Medikamenten zur Blutverdünnung<br />
haben sich sehr gut bewährt. Man muss dringend<br />
verhindern, dass Blutgerinnsel im Kreislauf<br />
entstehen. Seitdem sind Ärzte und Pflegepersonal auf<br />
den Intensivstationen besser aufgestellt. Man weiß<br />
durch die bestehenden Erfahrungen nun besser, mit dem<br />
Virus umzugehen. Trotzdem sind noch viele Fragen offen,<br />
zum Beispiel in Bezug auf einen zuverlässigen Antikörperschutz.<br />
Zu welchem Zeitpunkt ist man immun? Wenn<br />
man das genau wüsste, könnte man diesen Menschen<br />
einen Immunitätspass in die Hand geben.<br />
7. Mit welcher Überzeugung blicken Sie in die Zukunft?<br />
Wie wird die Lage in einem Jahr aussehen?<br />
Erich Rose:<br />
<strong>Das</strong> Virus wird sich nicht in Luft auflösen.<br />
Letztendlich wird es maßgeblich davon<br />
abhängen, wie sich jeder Einzelne im<br />
Rahmen der Pandemie verhält. Davon<br />
hängt es ab, wie sich die Infektionsraten entwickeln. Im<br />
weiteren Verlauf wird es eine große Rolle spielen, wie<br />
schnell ein wirksamer Impfstoff zur Vorbeugung und<br />
wirksame Medikamente zur Behandlung auf dem Markt<br />
sein werden.<br />
Dr. Michael Klöckner:<br />
Je schneller man einen zuverlässigen<br />
Impfstoff entwickelt, desto besser. Und je<br />
mehr Menschen sich dann impfen lassen,<br />
desto besser. Aber es wird seine Zeit brauchen.<br />
Denn es ist klar, dass es bei einem neuen Impfstoff<br />
auch Widerstände geben wird, vor allem bei der jüngeren<br />
Bevölkerung. Heute in einem Jahr wird man hoffentlich<br />
schon viele Menschen geimpft haben. Wenn das Virus<br />
aber genauso gefährlich bleibt wie heute, wird uns das<br />
dann noch keine große Erleichterung bringen. Nimmt<br />
jedoch die Gefährlichkeit des Virus wohlmöglich ab; das<br />
heißt, wenn sich die These bestätigen sollte, dass das<br />
Virus im Laufe der Zeit an Gefährlichkeit verliert, dann<br />
würden wir nächstes Jahr um diese Zeit viel besser<br />
dastehen als heute.<br />
Aber dazu bräuchte man eine zuverlässige Antikörperentwicklung<br />
und man müsste wissen, ab welchem Punkt<br />
man von einem wirklichen Eigenschutz ausgehen kann,<br />
so wie zum Beispiel bei Hepatitis B. Beim Corona-Virus<br />
ist es anders, noch zumindest. Außerdem neigt das<br />
Corona-Virus zur Mutation. Es bleibt nicht stabil. Wenn<br />
es dadurch harmloser wird, wäre es unser Vorteil, wenn<br />
aber der zukünftige Impfstoff deshalb nicht richtig<br />
greifen kann, ist es unser Nachteil. Alles Fragen, die wir<br />
weit ins Jahr 2021 mitnehmen werden. Und deshalb darf<br />
man bei diesem für uns alle wichtigen Thema nicht<br />
nachlässig werden.<br />
Erich Rose:<br />
Es muss vor allem darum gehen, die<br />
systemrelevanten Bereiche funktionsfähig<br />
aufrechtzuerhalten. Zuerst sollten daher<br />
Risikogruppen und Mitarbeiter in systemrelevanten<br />
Berufen geimpft werden. Es ist jedoch klar,<br />
dass das für jeden eine freiwillige Handlung sein wird; so<br />
wie bei der Grippeimpfung ja auch. Zusammenfassend<br />
lässt sich sagen, dass in unserer Mitarbeiterschaft ein<br />
großer Zusammenhalt herrscht, fast noch mehr als vor<br />
Corona. <strong>Das</strong> persönliche Verantwortungsbewusstsein,<br />
sich und andere zu schützen, ist sehr hoch. Alle<br />
Maßnahmen wurden aktiv mitgetragen, auch um das<br />
Infektionsgeschehen zu verlangsamen. Unsere Mitarbeiter<br />
haben bisher einen sehr guten Job gemacht, denn<br />
es steht und fällt mit der Verhaltensweise eines jeden<br />
Einzelnen. Wir leben in einer krisenhaften Zeit und<br />
müssen weiterhin achtsam bleiben. Trotzdem dürfen wir<br />
den Mut nicht verlieren. Ja. Es ist eine gesellschaftliche<br />
Kraftanstrengung, aber es werden auch wieder andere<br />
Zeiten kommen.<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
Anm. d. Red.: 2021 werden wir über die weitere<br />
Entwicklung berichten: Zoar im Umgang mit der Pandemie.<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
15
Wir stellen vor<br />
3. Teil der Serie „Arbeitssicherheit“<br />
Baulicher und technischer Brandschutz<br />
für Arbeits- und Wohnsicherheit<br />
Die Sicherstellung der Flucht- und Rettungswege gehört unter das Projektdach<br />
„Brandschutz Inkelthalerhof“. <strong>Das</strong> betrifft sämtliche Wohn- und Betriebsgebäude<br />
auf dem Inkelthalerhof in Rockenhausen.<br />
Vorrangig geht es dabei um Austausch sowie<br />
Ergänzung von Feuerschutztüren, die Herstellung<br />
des jeweils zweiten baulichen Rettungswegs<br />
mittels Treppenanlagen und die Installation einer<br />
Brandmeldeanlage mit Sicherheitsbeleuchtung. Die von<br />
außen montierten Gerüsttreppenanlagen können jederzeit<br />
auch an anderer Stelle wiederverwendet oder bei<br />
Nicht-Bedarf verkauft werden.<br />
Treppentürme mit bis zu 12 Metern Höhe<br />
Die Maßgabe und das Ziel des Projekts „Brandschutz<br />
Inkelthalerhof“ waren die Sicherung der Flucht- und<br />
Rettungswege sowie die Brandfrüherkennung. Baubeginn<br />
war im Frühjahr 2018 mit dem Projektstart im<br />
Fliednerhaus. Die Abnahme erfolgte bereits wenige<br />
Wochen später; und zwar im Juni 2018. Es folgten<br />
Bodelschwinghhaus 1 und 2 sowie Wichernhaus, Falkhäuser,<br />
Kunstgewerbe, Cafeteria, Kegelbahn, Nähstube<br />
und Zentrale Wäscheversorgung. „Es wurden insgesamt<br />
14 Gerüsttreppen und Steganlagen gebaut“, informiert<br />
Astrid Justen vom Architekturbüro Müller-Mizera-Archi-<br />
tekten in Kirchheimbolanden. „Außerdem haben wir<br />
insgesamt 134 neue Türen eingebaut, davon 88 Feuerschutztüren<br />
und 35 Notausgangstüren ins Freie.“ Auf<br />
diese Weise wurden die baulichen Rettungswege<br />
wesentlich optimiert. „Der größte der von außen angebauten<br />
Treppentürme steht am Falkhaus 3 und hat 49<br />
Steigungen und eine Höhe von 11,20 Metern“, ergänzt<br />
die Architektin. <strong>Das</strong> Gesamtprojekt ist jedoch noch nicht<br />
abgeschlossen; die Brandmeldeanlage und das Sicherheitslicht<br />
werden zurzeit installiert. Insgesamt wird der<br />
Kostenrahmen von drei Millionen Euro (brutto) voraussichtlich<br />
überstiegen.<br />
Regelmäßige Wartung und Sichtprüfung<br />
Die Treppentürme sind aus verzinktem Stahlblech gefertigt<br />
und somit nicht brennbar. Die Treppenstufen haben<br />
eine standardisierte Breite von 1,20 Metern sowie eine<br />
maximale Steigung von 20 Zentimetern. All dies dient<br />
der möglichst problemlosen Nutzung von Menschen mit<br />
Beeinträchtigung; zumal im Brandfall, wenn es hektisch<br />
zugeht und Panik vermieden werden muss. Alle Treppen-<br />
16 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Wir stellen vor<br />
Alles für den Brandschutz: baulicher Brandschutz zur Sicherheit der Mitarbeiter,<br />
Bewohner und Gäste<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
17
Wir stellen vor<br />
Zur entsprechenden Recherche für den Bericht<br />
„Brandschutz Inkelthalerhof Rockenhausen“ gab es<br />
eine Führung auf dem Gelände. Die Fachleute<br />
zum Thema sind: (v.l.n.r.)<br />
die Zoar-Mitarbeiter Denis Bäcker<br />
und Karin Hartig sowie Astrid Justen<br />
vom Architekturbüro<br />
Müller-Mizera-Architekten.<br />
Von außen montierte Gerüsttreppenanlagen sorgen für den<br />
dringend erforderlichen zweiten baulichen Rettungsweg. Die<br />
Treppentürme sind aus verzinktem Stahlblech gefertigt und<br />
somit nicht brennbar. Die Treppenstufen haben eine standardisierte<br />
Breite von 1,20 Metern sowie eine maximale<br />
Steigung von 20 Zentimetern. All dies dient der möglichst<br />
problemlosen Nutzung von Menschen mit Beeinträchtigung;<br />
zumal im Brandfall, wenn es hektisch zugeht und Panik vermieden<br />
werden muss. Dies bestätigen auch (v.l.n.r.) Astrid<br />
Justen, Karin Hartig und Denis Bäcker bei der Begehung.<br />
türme wurden ordnungsgemäß vom Gerüstbauer freigegeben,<br />
so dass sie im Notfall von zahlenmäßig vielen<br />
Menschen benutzt werden können. Mit dem Gerüstbauer<br />
wurde ein Wartungsvertrag abgeschlossen;<br />
zweimal im Jahr wird fachgerecht geprüft. Darüber<br />
hinaus organisieren die Zentralen Dienste eine wöchentliche<br />
Sichtprüfung der Gerüsttreppen und Steganlagen,<br />
um die Sicherheit zu gewährleisten. Denn vor allem im<br />
Herbst könnten die Treppenstufen durch herabfallendes<br />
Laub und herumfliegende Zweige unpassierbar sein, was<br />
selbstverständlich stetig verhindert werden muss.<br />
Die Arbeiten bezüglich des baulichen Brandschutzes<br />
waren aufwendig, denn zum Teil mussten für die Schaffung<br />
von Notausgängen beziehungsweise zur Sicherstellung<br />
der Flucht- und Rettungswege Fenster demontiert<br />
und Brüstungen heruntergebrochen werden. „Alle<br />
Bauarbeiten sind im laufenden Betrieb durchgeführt<br />
worden“, berichtet Astrid Justen. „Natürlich wurde<br />
dadurch die gewohnte Routine gestört.“ Trotzdem sei<br />
man auf großes Verständnis und viel Geduld der Mitarbeiter<br />
und Bewohner gestoßen. „Alle Mitarbeiter und<br />
Bewohner, die aufgrund der Bauarbeiten im Umfeld des<br />
Brandschutzes Einschränkungen, Schmutz- und Lärmbelästigungen<br />
erfahren mussten, bitten wir um Entschuldigung“,<br />
sagt Zoar-Direktorin Martina Leib-Herr. „Die<br />
Sicherstellung der Flucht- und Rettungswege ist<br />
aufgrund der notwendigen Brandschutzanforderungen<br />
jedoch alternativlos.“ Umso glücklicher sei man, dass die<br />
baulichen Maßnahmen erfolgreich abgeschlossen seien.<br />
Allen Beteiligten sei dafür großer Dank ausgesprochen.<br />
Brandabschnitte und Evakuierungspläne<br />
Im Rahmen der Baumaßnahmen in den Häusern auf<br />
dem Inkelthalerhof wurden einzelne Brandabschnitte<br />
gebildet. Dafür wurden Bereiche für maximal zehn<br />
Bewohner geformt. Neue, schwere Feuerschutztüren<br />
(mit Öffnungsunterstützung) verhindern, dass mögliches<br />
Feuer ungehindert in einen anderen Brandabschnitt<br />
übertritt. Eine vollzählige Evakuierung vor Brandausbreitung<br />
ist so wesentlich wahrscheinlicher. Auch Evakuierungspläne<br />
(Erstellung, Überprüfung, Durchführung)<br />
zählen zu diesem hochkomplexen Thema. Um das<br />
entsprechend effizient zu bearbeiten, bedurfte es einer<br />
18 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Wir stellen vor<br />
Windfeste Verkleidung hilft, die Verschmutzung der Gerüsttreppenanlagen durch herunterfallende<br />
Blätter und umherfliegende Zweige einzudämmen. <strong>Das</strong> Foto zeigt die<br />
Gerüsttreppe hinter dem Wichernhaus. Die baulichen Rettungswege wurden durch die<br />
Treppentürme im Außenbereich der Häuser wesentlich optimiert. Alle Treppentürme<br />
wurden ordnungsgemäß vom Gerüstbauer freigegeben, so dass sie im Notfall von zahlenmäßig<br />
vielen Menschen benutzt werden können. Mit dem Gerüstbauer wurde ein<br />
Wartungsvertrag abgeschlossen; zweimal im Jahr wird fachgerecht geprüft.<br />
Arbeitsgruppe mit regelmäßigen „Jour Fixe“-Sitzungen,<br />
in die sich jeder Teilnehmer mit seinem speziellen Sachverstand<br />
einbrachte. Hier die Arbeitsgruppenteilnehmer:<br />
Denis Bäcker, Zentrale Dienste, Barbara Venske, Regionalleitung<br />
Eingliederungshilfe Nordpfalz (Bereich Wohnen),<br />
Dr. Florence Asmus, Regionalleitung Eingliederungshilfe<br />
Nordpfalz (Bereich Arbeiten), Karin Hartig, Standortentwicklung<br />
Eingliederungshilfe, und Astrid Justen vom<br />
Architekturbüro Müller-Mizera-Architekten. Ihr oblag die<br />
Objektüberwachung, denn zum Teil waren zehn verschiedene<br />
Gewerke am Bauprojekt tätig; das heißt, es<br />
mussten zehn verschiedene Firmen mit ihren Mitarbeitern<br />
und Tätigkeiten koordiniert werden. „In den Arbeitsgruppensitzungen<br />
sind wir auch immer die von mir<br />
vorbereiteten Terminpläne durchgegangen“, berichtet<br />
Astrid Justen.<br />
Mit am Wichtigsten sei es allen Beteiligten gewesen, die<br />
Mitarbeiter und Bewohner eng und fortlaufend in die<br />
baulichen Veränderungen einzubeziehen. „Wir haben<br />
großen Wert daraufgelegt, vor allem die Bewohner über<br />
die Brandschutzmaßnahmen aufzuklären und kontinuierlich<br />
über die neuesten Baufortschritte zu informieren“,<br />
sagt Regionalleiterin Barbara Venske im Interview.<br />
<strong>Das</strong> habe mit einem großen zeitlichen Vorlauf stattgefunden.<br />
„Und so waren die Bewohner schon gut vorbereitet,<br />
als es dann tatsächlich mit den Bauarbeiten in<br />
den Häusern losging.“<br />
Großes Verständnis für Bauarbeiten<br />
im laufenden Betrieb<br />
Neuralgische Punkte im Inneren der Häuser waren unter<br />
anderem die Übergänge von den Fluren in die Treppenhäuser.<br />
Neu verbaut wurden Türen mit Feststellanlagen,<br />
die sich in Richtung des Fluchtwegs öffnen und im<br />
Brandfall schließen, um einzelne Brandabschnitte zu<br />
definieren. Dafür waren zum Teil auch neue Stromanschlüsse<br />
nötig. „Es war schon alles sehr aufwendig.<br />
Trotzdem haben wir versucht, den normalen Betrieb in<br />
den Häusern so wenig wie möglich zu stören“, so Astrid<br />
Justen, die werktäglich im engen Austausch mit den<br />
beauftragten Firmen stand. „Natürlich ist durch die<br />
Bauarbeiten Schmutz und Staub entstanden, so dass es<br />
da oft Kritik der Leidtragenden gab.“ Letztendlich hätten<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
19
Wir stellen vor<br />
die Mitarbeiter der Hauswirtschaft aber einen tollen Job<br />
gemacht. Auch zusätzliche Reinigungsarbeiten einer<br />
externen Firma seien durchgeführt worden. Auf diese<br />
Weise konnte das Konfliktthema des anfallenden<br />
Bauschmutzes entschärft werden.<br />
„Ansonsten war das Ver-ständnis für die baubedingten<br />
Unannehmlichkeiten groß“, berichtet<br />
Denis Bäcker von den Zentralen Diensten.<br />
„Baulärm war zwar nicht immer vermeidbar, aber<br />
dadurch, dass die Bewohner genau wussten, um was<br />
es geht, wurde es so auch akzeptiert.“ Im Gegenteil,<br />
manche hatten sogar großen Spaß daran, bei den<br />
Bauarbeiten zuzuschauen und mit den Bauarbeitern<br />
zu sprechen.<br />
Da dies vor Ausbruch der Corona-Pandemie geschah und<br />
Externe noch Zutritt zu den Häusern hatten, stand einem<br />
werktäglichen Austausch nichts im Wege. Es gab durchaus<br />
interessante Dinge zu beobachten, zum Beispiel als<br />
im Sommer 2019 die Arbeiten außen an der Cafeteria<br />
durchgeführt wurden. Dort wurde eine neue Notausgangstür<br />
gesetzt, weswegen Mauerwerk an den Fensteröffnungen<br />
zurückgebaut wurde, um eine bodentiefe<br />
Öffnung zu erhalten. Außerdem wurde eine Rinne mit<br />
Abwasserleitung gesetzt. Im Inneren ging es dann<br />
weiter. Der Flurbereich vor der Kegelbahn<br />
erhielt eine neue Akustikdecke. Im lobenswerten<br />
Einsatz waren hauptsächlich diese<br />
regionalen Firmen: Elektro Müller, Maler Nieder,<br />
Heizung Sanitär Keller, HS Bauunternehmung,<br />
Daiber Bauunternehmung, Metallbau<br />
Wellstein, BMH Trockenbau und Graf Trockenbau.<br />
Technischer Brandschutz<br />
Die Arbeiten am technischen Brandschutz haben bereits<br />
begonnen – mit der Installation der Brandmeldeanlage<br />
in allen Häusern. <strong>Das</strong> bedeutet, dass die Brandmeldeanlage<br />
zukünftig auf die Leitstelle der Feuerwehr in Rockenhausen<br />
aufgeschaltet wird. Zurzeit sind die Häuser noch<br />
über die Notrufnummer im Bodelschwinghhaus II mit<br />
der Feuerwehr verbunden. Corona bedingt haben sich<br />
die Restarbeiten am technischen Brandschutz verzögert,<br />
auch weil die Häuser für Externe geschlossen waren. Nur<br />
dringend notwendige, betriebserhaltende Reparaturen<br />
waren in dieser Zeit möglich. Da die Brandmeldeanlage<br />
im Zuge des technischen Brandschutzes ein komplexes<br />
Projekt ist, wurde dies getrennt vom baulichen Brandschutz<br />
terminiert. Auch hier gilt Teamwork, so dass<br />
jede Firma ihr jeweiliges Fachwissen einbringen kann.<br />
So beauftragte man die Ludwigshafener Fachfirma<br />
Ingenieurbüro Stümpert & Strunk für die Evakuierungspläne<br />
und -konzepte, die im Rahmen der brandschutztechnischen<br />
Stellungnahme für die Planung der<br />
Flucht- und Rettungswegpläne verantwortlich<br />
ist. <strong>Das</strong> Ingenieurbüro Jürgen Theuer mit Sitz<br />
in Speyer betreut die Planung und Objektüberwachung<br />
der Brandmeldeanlage und der Sicherheitsbeleuchtung.<br />
Außerdem liegt es in der<br />
Ausführung der Firma Hieronymus, Sicherheits-Systemhaus<br />
aus Mainz, die technischen Geräte der Brandmeldeanlage<br />
zu montieren. Die Firma Müller aus Nussbach<br />
verlegt dafür die erforderlichen elektrischen Leitungen.<br />
Arbeits- und Wohnsicherheit<br />
Experten auf dem Gebiet „Brandschutz“ arbeiten auch<br />
bei der Firma „FaMaCom“, die im Mai 2018 für vielfältige<br />
Dienstleistungen rund um die Themen Arbeitssicherheit,<br />
Gesundheits- und Brandschutz vom Evangelischen<br />
Diakoniewerk beauftragt wurde. <strong>Das</strong> komplexe Aufgabengebiet<br />
umfasst zahlreiche wichtige Punkte, zum Beispiel<br />
die jährlichen Arbeitsschutz- und Brandschutzbegehungen<br />
mit „FaMaCom“-Mitarbeitern unter der<br />
Leitung von Monika Boeckmann, verantwortlich für<br />
Arbeitssicherheit und Brandschutz. Auch die regelmäßigen<br />
Mitarbeiterschulungen zur Arbeitssicherheit,<br />
Schulung und Zertifizierung für<br />
Brandschutzhelfer und Evakuierungshelfer,<br />
Überprüfung und gegebenenfalls Aktualisierung<br />
der Feuerwehrpläne sowie der Flucht- und<br />
Rettungspläne obliegt den Mitarbeitern der<br />
Firma „FaMaCom“ aus Spiesen-Elversberg, mit denen<br />
Markus Helfrich als Koordinator für Brandschutz und<br />
Denis Bäcker als Koordinator für Arbeitssicherheit im<br />
regelmäßigen Kontakt stehen. Gemeinsam organisiert die<br />
Firma „FaMaCom“ in allen Einrichtungen Evakuierungsübungen<br />
und führt sie durch. Wenn notwendig, werden<br />
die jeweiligen Evakuierungskonzepte beziehungsweise<br />
Notfallpläne aktualisiert.<br />
Bereits zweimal haben wir in Zoar-<strong>Magazin</strong>en<br />
ausführlich über die Themen Arbeitssicherheit,<br />
Gesundheitsschutz, Brandschutz berichtet –<br />
mit zahlreichen Hintergrundinformationen und<br />
Interviews. Sie, liebe Leserinnen und Leser, können<br />
dies gerne nachlesen; und zwar in folgenden<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong>-<strong>Ausgabe</strong>n: 4/2018 und 3+4/2019.<br />
Alexandra Koch<br />
20 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Inklusion & Arbeit<br />
Wege auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
Sportlich ambitioniert und beruflich<br />
voller Ehrgeiz<br />
Schieba Nasiri (27) ist eine selbstbewusste, moderne,<br />
junge Frau mit festen Vorstellungen von ihrem<br />
Leben. Sie ist zielstrebig und ehrgeizig, wenn es darum<br />
geht, einen Weg mit einem von ihr gesteckten Ziel zu<br />
gehen und noch dazu erfolgreich dort anzukommen.<br />
Schieba Nasiri mit ihren zwei<br />
Special Olympics-Medaillen<br />
(Gold und Silber), die sie 2019 im<br />
Voltigier-Team in Hamm gewann.<br />
Darauf ist sie sehr stolz.<br />
So erhielt sie zum Beispiel im<br />
Sommer 2019 ein Zertifikat<br />
für ihren erfolgreichen<br />
Abschluss des Zertifikatslehrgangs<br />
„Fachhelfer/in in Sozialeinrichtungen<br />
(IHK)“ (siehe dazu den Bericht im<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 2, 2019, auf den Seiten<br />
49 bis 55; Anm. d. Red.). Auch von<br />
Corona lässt sie sich nicht unterkriegen.<br />
Schieba Nasiri, Mitarbeiterin<br />
mit Beeinträchtigung der Zoar-Werkstätten<br />
Heidesheim, ist nicht nur<br />
beruflich gern aktiv, sondern auch<br />
privat. Sie liebt Pferde und alles<br />
rund um den Reitsport.<br />
<strong>Das</strong> Voltigieren ist daher der ideale<br />
Sport für sie; zumal dadurch der<br />
Gleichgewichtssinn, die Motorik<br />
und Beweglichkeit trainiert werden.<br />
Beim Voltigieren werden der<br />
Gleichgewichtssinn, die Motorik<br />
und Beweglichkeit trainiert.<br />
Es ist immer schön anzuschauen,<br />
denn die Vorführungen werden so<br />
präsentiert, dass sie unterhaltsam<br />
sind. Choreographie, Musik,<br />
Bewegungen und Kostüme<br />
erzählen eine Geschichte.<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
21
Inklusion & Arbeit<br />
In dieser Sportart hat sie bei Special<br />
Olympics schon insgesamt dreimal<br />
Silber und zweimal Gold gewonnen.<br />
„<strong>Das</strong> regelmäßige Training bewirkt,<br />
dass das Selbstvertrauen gestärkt<br />
und das Körpergefühl geschult<br />
werden“, erklärt Sigrid Wolf vom<br />
Therapeutischen Pferdehof in<br />
Wackernheim, wo rund 100 Klienten,<br />
die regelmäßig zum Reiten und Voltigieren<br />
kommen, „betreut“ werden.<br />
Die Besitzerin gründete 2009<br />
zusammen mit anderen den Verein<br />
„Integratives Förderzentrum (IFZ)<br />
Mensch und Pferd in Sport und<br />
Therapie Rhein-Main“. Der Verein<br />
fördert mit gut ausgebildeten<br />
Therapiepferden das Wohlergehen<br />
seiner Mitglieder. „Wir pflegen ein<br />
ausgewogenes Miteinander von<br />
Menschen mit und ohne Beeinträchtigung“,<br />
sagt Sigrid Wolf über den<br />
Pferdehof mit seiner rund 30-jährigen<br />
Tradition. „Pferde haben eine enorme<br />
Heilkraft. Der Umgang mit ihnen<br />
macht ganz viel mit einem. Dies<br />
erfährt jeder, der sich unvoreingenommen<br />
auf die Tiere einlässt.“<br />
Seit 2015 ist der Pferdehof an<br />
seinem jetzigen Standort in<br />
Wackernheim angesiedelt. Im Zoar-<br />
<strong>Magazin</strong> 2, 2019, auf den Seiten 24<br />
bis 31, finden Sie, liebe Leserinnen<br />
und Leser, einen ausführlichen<br />
Bericht über den Therapeutischen<br />
Pferdehof in Wackernheim, in dem<br />
auch die Menschen vorgestellt<br />
werden, die dort arbeiten; ebenso<br />
wie die Pferde und alle dort zu<br />
verrichtenden Arbeiten.<br />
Gold und Silber in 2019<br />
„Als ich bei den Special Olympics<br />
2019 in Hamm zwei Medaillen, Gold<br />
und Silber, gewonnen habe, war ich<br />
sehr glücklich und auch stolz auf<br />
mich“, berichtet Schieba Nasiri aus<br />
Gau-Bischofsheim. <strong>Das</strong> liegt nun<br />
zwar schon eine Zeit lang zurück,<br />
und dieses Jahr konnten aufgrund<br />
der Corona-Krise gar kein Training<br />
und keine Wettbewerbe stattfinden,<br />
aber an die Großveranstaltung der<br />
Special Olympics in Nordrhein-Westfalen<br />
im Juni 2019 kann sich die<br />
junge Frau, ebenso wie die anderen<br />
Voltigierer aus ihrer Gruppe, noch<br />
sehr gut erinnern. Dort holten sie<br />
zuerst Mannschaftsgold (Filip Mohr,<br />
Susanne Dietz, Marcel von Zwehl,<br />
Julius Neufang, Lina Daniel, Julia<br />
Reichert, Alexandra Beier und<br />
Schieba Nasiri) und außerdem Gold<br />
im Doppel (Lena Gresser, Julia<br />
Reichert) sowie Silber im Doppel<br />
(Alexandra Beier, Schieba Nasiri). Der<br />
Medaillenregen für den Pferdehof<br />
Wackernheim ging sogar noch<br />
weiter: Gold im Einzel für Marcel<br />
von Zwehl und Filip Mohr sowie<br />
Silber im Einzel für Susanne Dietz,<br />
die mit ihrer Elfen-Kür überzeugte.<br />
Ein Teil der Vorführungen wird in<br />
Special Olympics 2019 in<br />
Hamm in Nordrhein-<br />
Westfalen: große Freude<br />
über das Mannschaftsgold<br />
im Voltigier-Sport.<br />
Verkleidung präsentiert, so dass<br />
Choreographie, Musik, Bewegungen<br />
und Kostüme eine ganz eigene<br />
„runde“ Geschichte erzählen.<br />
Schieba Nasiri zum Beispiel spielte<br />
in ihrer Kür zusammen mit<br />
Alexandra Beier die sagenumwobene<br />
Geschichte um die Zauberkünste<br />
von „Harry Potter“ nach und trat<br />
entsprechend im weißen Hemd und<br />
gestreifter Krawatte auf. Die Brille,<br />
die sie ohnehin trägt, war natürlich<br />
auch ein wichtiges Accessoire.<br />
„Wir hatten an den drei Tagen in<br />
Hamm so viel Spaß.“<br />
Übungen und Figuren<br />
auf dem Pferderücken<br />
Großen Anteil am damaligen Erfolg<br />
hatten natürlich auch die Vierbeiner<br />
„Aragon“ und „Havanna“ vom Pferdehof<br />
Wackernheim. Einmal in der<br />
Woche, immer dienstags, trainiert<br />
Schieba Nasiri dort. <strong>Das</strong> war<br />
zumindest vor Corona so und wird,<br />
22 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Inklusion & Arbeit<br />
so hoffen alle, in baldiger Zukunft<br />
wieder so sein. Ihre Voltigier-Gruppe<br />
besteht mit Trainer aus insgesamt<br />
acht Personen. „Wir verstehen uns<br />
alle sehr gut und haben auch schon<br />
viel gemeinsam erreicht“, sagt die<br />
Pferdenärrin, deren absolutes Lieblingspferd<br />
„Aragon“, ein 13-jähriges<br />
Noriker Kaltblut, ist. Beide Pferde,<br />
„Aragon“ und „Havanna“ haben sich<br />
in ihrer ruhigen und zuverlässigen<br />
Art mit den fließenden Bewegungen<br />
und dem gleichmäßigen Schritt ideal<br />
dem Voltigier-Sport angepasst.<br />
Begeistert erzählt Schieba Nasiri, die<br />
mit zwei älteren Schwestern aufgewachsen<br />
ist, von den verschiedenen<br />
Übungen und Figuren auf dem Rücken<br />
der Pferde. Abgesehen davon, dass<br />
es einen Grundsitz gibt, „machen<br />
wir ganz viel auf dem Pferderücken,<br />
zum Beispiel stehen, knien, Beine<br />
und Arme ausstrecken, Doppelformationen<br />
zeigen, bei denen sich<br />
die eine über den Rücken der anderen<br />
beugt und an den Schultern festhält,<br />
um das Bein abzuspreizen“. In diesem<br />
Jahr jedoch ist alles anders. Diese Art<br />
Gruppentraining darf in Zeiten der<br />
Corona-Pandemie nicht stattfinden.<br />
Daher sind alle Voltigierer, ähnlich<br />
wie andere Mannschaftssportler,<br />
dieses Jahr nicht sonderlich gut<br />
trainiert. „Ist aber nicht so schlimm“,<br />
sagt Schieba Nasiri. „Wichtiger ist es,<br />
gesund zu bleiben.“ Daher hält sie<br />
sich strikt an die Regelvorgaben<br />
bezüglich der Corona-Maßnahmen.<br />
Corona und die Auswirkungen für Menschen mit Beeinträchtigungen<br />
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
Schieba Nasiri war sehr stolz auf<br />
ihren ausgelagerten Werkstatt-<br />
Arbeitsplatz und darauf, eine<br />
Festanstellung anzustreben. Ihren<br />
Job in der Tagespflege „Vergiss<br />
mein nicht“ des Caritas-Zentrums<br />
„St. Alban“ in Bodenheim füllte sie<br />
zuverlässig und erfolgreich aus –<br />
drei Jahre lang. Dann kam Corona<br />
und mit dem Virus weitreichende<br />
Änderungen und Einschnitte für<br />
uns alle. Da Schieba Nasiri als<br />
Mensch mit Beeinträchtigungen<br />
zu einer der Risikogruppen<br />
gehört, endeten ihr Dienst und<br />
ihre werktägliche, berufliche Aufgabe bereits Mitte März <strong>2020</strong>. Im Zuge<br />
des „Shutdowns“ wurde die Tagespflege-Einrichtung geschlossen. Sie<br />
ist zwar mittlerweile wieder eingeschränkt geöffnet, aber Schieba Nasiri<br />
befindet sich als Angehörige einer Risikogruppe noch immer zuhause<br />
– im Schutz der eigenen vier Wände. „Aufgrund ihrer Vorerkrankungen<br />
ist das auch notwendig“, sagt ihre Mutter Monika Müller im Telefoninterview.<br />
„Gern würde sie dort wieder arbeiten. Sie vermisst die Kollegen<br />
und Tagespflegegäste sehr. Aber momentan ist das unmöglich.“<br />
In der ersten Zeit habe man viel zuhause gebastelt und die Wohnung<br />
verschönert, so die Mutter. Auch das Treffen mit den Freundinnen ist<br />
zu einem wichtigen Ritual geworden. Dann kam der Sommer. „Wir<br />
gingen viel spazieren und unternahmen draußen kleinere Aktivitäten.<br />
In Österreich haben wir zum Beispiel meine Schwester besucht. Man<br />
kann da sehr schön wandern.“ Schieba Nasiri ist eine tapfere, junge<br />
Frau, die noch viel vorhat. Jeder, der sie kennt, weiß, dass sie diese Zeit,<br />
wie so viele andere auch, überstehen wird, um dann wieder ihrem<br />
geliebten Sport und den beruflichen Zielen nachgehen zu können.<br />
„Ich bin mir sicher, auch an diesen Erfahrungen gewachsen zu sein“,<br />
sagt die 27-Jährige. Sie freue sich auf das bald beginnende neue Jahr.<br />
Gesundes Selbstbewusstsein<br />
Trotz der aktuellen Einschränkungen<br />
bleibt der Gau-Bischofsheimerin die<br />
Liebe zu den Pferden ungenommen.<br />
Bereits mit neun Jahren begann sie<br />
zu reiten. Gelernt hat sie es an einer<br />
Leine, der sogenannten Longe, im<br />
Schritt und ohne Sattel. „Longieren<br />
ist das Laufenlassen eines Pferds auf<br />
einer kreisförmigen Bahn, wobei es<br />
vom Longen-Führer geführt wird.<br />
Der steht beim Longieren in der<br />
Mitte des Longier-Zirkels und hält<br />
die Longe in der Hand, die in die Laufrichtung<br />
des Pferdes weist“, so ist es<br />
bei „Wikipedia“ nachzulesen. Schieba<br />
Nasiri schmunzelt, wenn sie an so<br />
manche frühere Begegnung mit den<br />
Pferden auf dem Pferdehof denkt, wo<br />
die Arbeit im Stall schon immer ganz<br />
selbstverständlich dazugehörte.<br />
„Wenn Aragon mit seinen weichen<br />
Nüstern an mir schnuppert, ist das<br />
toll. Aber er darf nicht zupfen und<br />
knaffen. <strong>Das</strong> ist verboten. Da bin ich<br />
streng“, sagt die junge Frau überzeugend.<br />
„Dann sage ich ‚Lass das!‘, und<br />
er hört auf. Pferde müssen Respekt<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
23
Inklusion & Arbeit<br />
vor dem Menschen haben; genauso<br />
aber sollte auch der Mensch Respekt<br />
vor dem Pferd haben.“ Die Arbeiten<br />
im Stall, wie zum Beispiel ausmisten<br />
und füttern, verrichtet Schieba Nasiri<br />
nicht unbedingt gern, aber sie weiß,<br />
dass es zur Tierpflege untrennbar<br />
dazugehört; genauso wie striegeln,<br />
Mähne und Schweif kämmen, Hufe<br />
auskratzen sowie zur Gesunderhaltung<br />
der Tiere beitragen. „Den Tieren<br />
darf man nicht mit Angst begegnen,<br />
aber auch nicht zu herrisch. Ein<br />
gesundes Selbstbewusstsein ist<br />
angebracht, was man im Umgang<br />
mit Pferden ganz gut lernen kann“,<br />
so Pferdehof-Besitzerin Sigrid Wolf.<br />
Vor, während und nach Corona<br />
Doch nicht nur beim Hobby hat<br />
Schieba Nasiri schon viel fürs Leben<br />
gelernt, sondern auch bei ihrer<br />
Ausbildung und fachlichen Praktikas.<br />
So arbeitete die junge Frau, die<br />
Beschäftigte der Zoar-Werkstätten<br />
Heidesheim ist, vor Ausbruch der<br />
Corona-Krise zum Beispiel in der<br />
Tagespflege „Vergiss mein nicht“ des<br />
Caritas-Zentrums „St. Alban“ in<br />
Bodenheim, und zwar rund drei Jahre<br />
im Bereich der Hauswirtschaft. Im<br />
Rahmen ihrer abwechslungsreichen<br />
Aufgaben hatte sie dort auch regelmäßig<br />
Kontakt zu den älteren Tagespflegegästen,<br />
die die junge Frau fest<br />
ins Herz geschlossen hatten. „Wenn<br />
ich morgens kam, habe ich zuerst<br />
geholfen, Frühstück zu machen.<br />
Dann habe ich den Tisch für die<br />
Tagespflegegäste gedeckt, die kurz<br />
darauf gebracht wurden. Wenn wir<br />
fertig gefrühstückt hatten, habe ich<br />
den Tisch wieder abgeräumt“,<br />
beschreibt Schieba Nasiri ihren<br />
Arbeitsalltag vor Corona (unser Interview<br />
fand Mitte Februar <strong>2020</strong> statt;<br />
Anm. d. Red.). Während der Corona-<br />
Krise hat die Werkstatt-Beschäftigte<br />
als Zugehörige einer Risikogruppe<br />
Schieba Nasiris berufliche Pläne<br />
Im Sommer 2019 erhielt Schieba Nasiri die besten Wünsche für ihren<br />
bestandenen Abschluss des Zertifikatslehrgangs Fachhelfer/in in Sozialeinrichtungen<br />
(IHK). <strong>Das</strong> war ein großer Tag mit feierlicher IHK-Zertifikatsvergabe<br />
an sechs glückliche Absolventen, unter anderem sie. Die damalige<br />
Feier fand in Wasems Kloster Engelthal in Ingelheim statt. Für Schieba Nasiri<br />
hat sich damit ein Traum erfüllt. Sie wünschte sich sehr, einen Beruf zu erlernen<br />
und im Bereich der Altenhilfe arbeiten zu können. Ihre Mutter erfuhr<br />
damals von dem Qualifizierungsangebot der Zoar-Werkstätten Heidesheim<br />
und meldete ihre Tochter auf deren Wunsch an. Schieba Nasiri wechselte<br />
zum 1. November 2018 von einem anderen Träger zu den Zoar-Werkstätten<br />
Heidesheim und wurde gleich im Anschluss Teilnehmerin der Qualifizierungsmaßnahme<br />
„Fachhelfer/in in Sozialeinrichtungen“.<br />
<strong>Das</strong> berufliche Bildungsangebot Fachhelfer/in<br />
in Sozialeinrichtungen (IHK) umfasste 128 Unterrichtseinheiten.<br />
<strong>Das</strong> Angebot mit verschiedenen<br />
Lernmodulen ist individuell angepasst und eingebettet<br />
in eine bis zu 27-monatige Praxisphase<br />
in einem Partnerbetrieb des regionalen, allgemeinen<br />
Arbeitsmarkts. Der Berufsbildungsund<br />
Integrationsservice (BIS) am Zoar-Standort<br />
Ingelheim plant, gestaltet und organisiert<br />
diese Weiterqualifizierung in Kooperation<br />
mit der Industrie- und Handelskammer (IHK)<br />
für Rheinhessen.<br />
Ein Praktikum machte Schieba Nasiri in<br />
der Tagespflege des Caritaszentrums<br />
„St. Alban“ in Bodenheim, wo sie im Bereich<br />
der Hauswirtschaft arbeitete; werktäglich<br />
fünf Stunden von 8.30 bis 14.00 Uhr. An diesen<br />
Wochentagen kamen durchschnittlich 15 Personen, die nachmittags um<br />
16.00 Uhr wieder abgeholt wurden. Während der Corona-Pandemie war<br />
die Tagespflege jedoch monatelang geschlossen. Nun hat sie zwar wieder<br />
geöffnet, aber nur für eine stark eingeschränkte Personenzahl.<br />
Guter Draht zu Menschen mit Demenz<br />
Schieba Nasiris Arbeitsplan umfasste vorwiegend Arbeiten, die sie ohne<br />
fremde Hilfe bewältigen konnte. „Denn sie arbeitet auch gern für sich allein<br />
und plant und organisiert die Abläufe selbst“, berichtete Nicole Knobloch<br />
vom Zoar − Berufsbildungs- und Integrationsservice im Interview. „Tätigkeiten,<br />
die ihr gefallen, sind zum Beispiel Schränke auswischen, Servietten<br />
falten, Nachtisch zubereiten und in Gläser füllen. Bei solchen Aufgaben<br />
steht der Rahmen schon, und sie entscheidet dann selbst, wie und in<br />
welcher Reihenfolge sie ihn ausfüllt.“<br />
24 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Inklusion & Arbeit<br />
Schieba Nasiri mit<br />
Roland Seher, Gast der<br />
Tagespflege des Caritaszentrums<br />
„St. Alban“ in<br />
Bodenheim, wo die junge<br />
Frau ein Praktikum im<br />
Bereich der Hauswirtschaft<br />
absolvierte.<br />
Schieba Nasiri (links) und Nicole Knobloch vom<br />
Zoar − Berufsbildungs- und Integrationsservice<br />
(BIS) der Zoar-Werkstätten Heidesheim<br />
Mit dem Mixgerät leckere<br />
Desserts zaubern – das<br />
ist genau ihr Ding!<br />
Schieba Nasiri hatte beim<br />
Praktikum einige Lieblingstätigkeiten,<br />
unter anderem<br />
Nachtisch zubereiten und<br />
in Gläser füllen.<br />
Schieba Nasiri hat einen besonders guten Draht zu dementen Menschen,<br />
was ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Tagespflege „Vergiss mein nicht“<br />
sehr hilfreich war. Sie bezieht Menschen mit dementiellen Erkrankungen<br />
ganz selbstverständlich mit ein und kümmert sich sogar erfolgreich um<br />
Menschen mit Weglauftendenzen. Auch an Dienstbesprechungen nahm<br />
Schieba Nasiri in der Zeit ihres Praktikums teil. Ihr Ziel ist es, nach der<br />
Corona-Pandemie wieder im Bereich der Altenhilfe arbeiten zu können,<br />
denn der enge Bezug zu älteren Menschen, die Unterstützung benötigen,<br />
liegt ihr ungemein.<br />
Beim Praktikum im Caritaszentrums<br />
„St. Alban“ in Bodenheim hatte<br />
Schieba Nasiri vielfältige Aufgaben.<br />
Dazu gehörten zum Beispiel das<br />
Tischdecken und Abräumen.<br />
lange Zeit nicht gearbeitet, sondern<br />
sich in ihrem Zuhause bei ihren<br />
Eltern in Gau-Bischofsheim aufgehalten<br />
– bis heute.<br />
Geduldig, fleißig<br />
und aufmerksam<br />
„Die Arbeit und die Menschen dort<br />
vermisse ich sehr“, sagt sie. Denn,<br />
wenn man sich fast jeden Tag sieht,<br />
gewöhnt man sich schnell aneinander.<br />
Und für Schieba Nasiri war es<br />
eine wichtige Aufgabe, die ihr liegt:<br />
älteren Menschen behilflich sein, sie<br />
morgens vom Bus abholen, mit dem<br />
sie gebracht werden, und sie in den<br />
Gemeinschaftsraum begleiten. Auch<br />
beim Essen Richten war die junge<br />
Frau eine echte Unterstützung.<br />
Besonders gern füllte sie zum<br />
Beispiel Nachtisch in die Dessert-<br />
Gläser; nicht, ohne den Pudding<br />
wenigstens mal kurz probiert zu<br />
haben. „Die gleichmäßige Füllung<br />
der Gläser ist wichtig, damit es<br />
beim Mittagessen der Gäste gerecht<br />
zugeht“, sagt sie. Die Menschen<br />
aus der „Vergiss mein nicht“-Tagespflegegruppe<br />
mögen die junge Frau<br />
auch vor allem für ihren Humor und<br />
die lustige und offene Art. Wenn sie<br />
was macht, macht sie es richtig –<br />
stets gewissenhaft und sorgfältig.<br />
„Wenn Schieba den Tisch deckt, dann<br />
fehlt es an nichts“, so der Tenor aus<br />
der Belegschaft. Von allen Seiten<br />
wird ihr ein toller Umgang mit den<br />
älteren Menschen bestätigt.<br />
Schieba Nasiri ist geduldig, fleißig<br />
und aufmerksam.<br />
Alexandra Koch<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
25
Inklusion & Arbeit<br />
Schieba Nasiri und ihr Ehr-Geiz im Sport und Beruf<br />
Schieba Nasiri ist 27 Jahre alt. Sie ist eine selbst-bewusste, moderne,<br />
junge Frau mit festen Vorstellungen von ihrem Leben. Im Sommer 2019<br />
erhielt sie ein Zertifikat für ihren erfolgreichen Abschluss des Lehrgangs<br />
„Fach-Helfer in Sozial-Einrichtungen (IHK)“. Auch von Corona lässt sie sich<br />
nicht unterkriegen. Schieba Nasiri, Mitarbeiterin mit Beeinträchtigung<br />
der Zoar-Werk-Stätten Heidesheim, ist nicht nur beruflich gern aktiv,<br />
sondern auch privat. Sie liebt Pferde und alles rund um den Reit-Sport.<br />
Gold und Silber in 2019<br />
Voltigieren ist daher der ideale Sport für sie. In dieser Sport-Art hat<br />
Schieba Nasiri bei Special Olympics schon insgesamt dreimal Silber und<br />
zweimal Gold gewonnen. „Pferde haben eine enorme Heil-Kraft“, sagt<br />
Sigrid Wolf vom Therapeutischen Pferde-Hof in Wackernheim, wo<br />
Schieba Nasiri reitet. „Als ich bei den Special Olympics 2019 in Hammzwei<br />
Medaillen, Gold und Silber, gewonnen habe, war ich sehr glücklich<br />
und auch stolz auf mich“, berichtet Schieba Nasiri aus Gau-Bischofsheim.<br />
<strong>Das</strong> liegt nun schon eine Zeit lang zurück. Dieses Jahr konnten aufgrund<br />
der Corona-Krise gar kein Training und keine Wett-Bewerbe stattfinden.<br />
Dafür gab es 2019 gleich zwei Medaillen. Mannschafts-Gold für Filip<br />
Mohr, Susanne Dietz, Marcel von Zwehl, Julius Neufang, Lina Daniel,<br />
Julia Reichert, Alexandra Beier und Schieba Nasiri sowie Silber im<br />
Doppel für Alexandra Beier und Schieba Nasiri.<br />
Übungen und Figuren auf dem Pferde-Rücken<br />
Anteil am Erfolg hatten auch die Pferde „Aragon“ und „Havanna“ vom<br />
Pferde-Hof Wackernheim. Einmal in der Woche, immer dienstags,<br />
trainiert Schieba Nasiri dort. <strong>Das</strong> war zumindest vor Corona so und wird,<br />
26 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Inklusion & Arbeit<br />
so hoffen alle, in baldiger Zukunft wieder so sein. Ihre Voltigier-Gruppe<br />
besteht mit Trainer aus insgesamt acht Personen. „Wir verstehen uns alle<br />
sehr gut und haben auch schon viel gemeinsam erreicht“, sagt Schieba Nasiri.<br />
Sie erzählt auch von den verschiedenen Übungen und Figuren auf dem Rücken<br />
der Pferde, zum Beispiel stehen, knien, Beine und Arme ausstrecken, Doppel-<br />
Formationen zeigen, bei denen sich die eine über den Rücken der anderen<br />
beugt und an den Schultern festhält, um das Bein abzuspreizen. Schieba<br />
Nasiri begann bereits mit neun Jahren zu reiten. Gelernt hat sie es an einer<br />
Leine, der sogenannten Longe, im Schritt und ohne Sattel. Die Arbeiten im<br />
Stall, wie zum Beispiel ausmisten und füttern, macht sie nicht unbedingt<br />
gern, aber sie weiß, dass es zur Tier-Pflege dazugehört; genauso wie striegeln,<br />
Mähne und Schweif kämmen sowie Hufe auskratzen.<br />
Vor, während und nach Corona<br />
Doch nicht nur beim Hobby hat Schieba Nasiri schon viel fürs Leben gelernt,<br />
sondern auch bei ihrer Ausbildung und im Praktikum. Vor Ausbruch der Corona-<br />
Krise arbeitete sie in der Haus-Wirtschaft der Tages-Pflege „Vergiss mein<br />
nicht“, Caritas-Zentrum „St. Alban“ in Bodenheim. Dort hatte sie auch<br />
regelmäßig Kontakt zu den älteren Tages-Pflege-Gästen, die die junge Frau<br />
fest ins Herz geschlossen haben. Während der Corona-Krise hat sie, weil sie<br />
zu einer Risiko-Gruppe gehört, lange Zeit nicht gearbeitet, sondern sich in<br />
ihrem Zuhause bei ihren Eltern aufgehalten – bis heute. „Die Arbeit und die<br />
Menschen in der Tages-Pflege vermisse ich sehr“, sagt sie. Für Schieba Nasiri<br />
war es eine wichtige Aufgabe, die ihr liegt: älteren Menschen behilflich sein,<br />
sie morgens vom Bus abholen, mit dem sie gebracht werden, und sie in den<br />
Gemeinschafts-Raum begleiten, kurze Gespräche führen, Essen richten, Tisch<br />
decken und Dessert-Gläser füllen. Die junge Frau machte all das und noch<br />
mehr. Schieba Nasiri ist geduldig, fleißig und aufmerksam. Ihr Ziel ist es, nach<br />
der Corona-Krise wieder im Bereich der Alten-Hilfe zu arbeiten. Der enge<br />
Bezug zu älteren Menschen, die Unterstützung brauchen, gefällt ihr.<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
27
Altenhilfe<br />
Zoar – Wohnen am Betzenberg in Kaiserslautern<br />
Der Neubau schreitet voran<br />
Im Juli <strong>2020</strong> war die Grundsteinlegung für<br />
das Bauprojekt Zoar − Wohnen am Betzenberg<br />
in Kaiserslautern, das mit Bauherr und Investor<br />
Hans Sachs und seiner Firma Sachs Real Estate GmbH<br />
umgesetzt wird. Im St.-Quentin-Ring auf dem Betzenberg<br />
in Kaiserslautern entsteht eine neue Zoar-Einrichtung,<br />
die im Herbst 2021 bezugsfertig sein soll.<br />
Saxophonspieler<br />
Helmut Engelhardt<br />
unterhielt die Gäste.<br />
Zoar-Direktorin Martina Leib-Herr<br />
und Bauherr und Investor Hans Sachs<br />
stehen bereit für die Grundsteinlegung.<br />
28 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Altenhilfe<br />
Zoar-Direktorin<br />
Martina Leib-Herr<br />
bei ihrer Ansprache<br />
Beate Kimmel, Bürgermeisterin<br />
von Kaiserslautern<br />
Landesdiakoniepfarrer<br />
Albrecht Bähr<br />
Geplant sind 80 vollstationäre Plätze (Betten) auf den Etagen eins<br />
und zwei, wovon ein Platz kontinuierlich als Kriseninterventionszimmer<br />
zur Verfügung stehen wird; des Weiteren 42 Appartements<br />
für Service-Wohnen auf den Etagen drei und vier, im Dachgeschoss vier<br />
Penthouse-Wohnungen zur freien Vermietung sowie ein von allen Parteien<br />
nutzbarer Dachgarten, Büroflächen sowie eine Tagespflege, Friseursalon,<br />
Physiotherapie-Praxis, Café und Andachtsraum im Erdgeschoss.<br />
Bei der feierlichen Grundsteinlegung wurde eine Edelstahl-Kapsel mit Gravur<br />
im Deckel (Logos, Anlass, Datum) und vielen schönen Erinnerungen an dieses<br />
Ereignis eingemauert. Zoar-Direktorin Martina Leib-Herr und Hans Sachs<br />
(siehe das Interview im Anschluss; Anm. d. Red.) begrüßten im Rahmen ihrer<br />
jeweiligen Ansprache die Gäste auf der Terrasse des „Best Western“-Hotels.<br />
Grußworte sprachen Beate Kimmel, Bürgermeisterin von Kaiserslautern, und<br />
Landesdiakoniepfarrer Albrecht Bähr. Zoar-Pfarrer Jochen Walker sagte ebenfalls<br />
Grüße und sprach dem Bauprojekt sowie der späteren Gebäudenutzung<br />
seinen Segen aus. Zur musikalischen Begleitung spielte Helmut Engelhardt<br />
aus Kaiserslautern auf dem Saxophon.<br />
Vorfreude auf die Inbetriebnahme des neuen Gebäudes<br />
Nach der Fertigstellung des neuen Hauses im dritten Quartal 2021 werden<br />
die Bewohner des Zoar – Bürgerhospitals in der Mennonitenstraße in Kaiserslautern<br />
umziehen. <strong>Das</strong> dortige Gebäude ist in die Jahre gekommen und<br />
entspricht nicht mehr den heutigen Standards. Die Freude über den Umzug in<br />
das neue Gebäude ist schon jetzt groß. „Unser Haus in der Mennonitenstraße<br />
ist nicht mehr zeitgemäß“, berichtet Einrichtungsleiterin Elke Bäcker (siehe<br />
das Interview im Anschluss; Anm. d. Red.). „Und da die Bewohner bei uns an<br />
erster Stelle stehen, möchten wir ihnen natürlich ein ansprechendes und<br />
komfortables Ambiente bieten.“ Bezüglich der Effizienz wird es selbstverständlich<br />
auch für die Mitarbeiter ein Gewinn sein, denn die Laufwege<br />
werden sich verkürzen. <strong>Das</strong> hängt mit der neuen Raumplanung zusammen.<br />
<strong>Das</strong> wiederum kommt auch den Bewohnern zugute, die auf den Wegen durch<br />
das Haus zum Teil begleitet werden müssen. „Und so wird es eine Erleichterung<br />
für uns alle sein, für Bewohner und Pflegekräfte“, sagt Elke Bäcker.<br />
Möge das Bauprojekt, wie geplant, gelingen und sich fortschreitend durch<br />
einen guten Verlauf auszeichnen. Bezüglich des weiteren Baufortschritts<br />
werden wir an dieser Stelle in einer der nächsten <strong>Ausgabe</strong>n über das<br />
Richtfest berichten.<br />
Zoar-Pfarrer Jochen Walker bei<br />
seinem Grußwort und Segen<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
29
Altenhilfe<br />
Die Grundsteinhülse beziehungsweise Zeitkapsel<br />
wurde mit vielen schönen Erinnerungen an<br />
dieses Ereignis befüllt.<br />
Lesen Sie hier<br />
das Interview mit<br />
Einrichtungsleiterin<br />
Elke Bäcker.<br />
Was ist momentan die größte Herausforderung?<br />
Die Zoar aktuell,<br />
<strong>Ausgabe</strong> Juli <strong>2020</strong>,<br />
bekam ihren Platz<br />
in der Zeitkapsel.<br />
Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />
Aktuell ist es eine große Herausforderung zu überlegen<br />
und zu prüfen, was wir aus unserer Einrichtung in der<br />
Mennonitenstraße mitnehmen können und was nicht.<br />
<strong>Das</strong> betrifft nicht nur die Bewohnerzimmer, sondern<br />
auch Küche, Verwaltung, Haustechnik. Was ist brauchbar<br />
und was nicht? Daraus ergibt sich die Beantwortung der<br />
Frage, was wir bis zum Umzug in das neue Gebäude auf<br />
dem Betzenberg noch anschaffen müssen. In der aktuellen<br />
Pandemie sind Zeitressourcen knapp und die<br />
Monate bis zum Umzug vergehen schnell, daher sind<br />
eine gute Organisation und Terminplanung sehr wichtig.<br />
Sprechen wir über die Bewohner, sind wir bezüglich der<br />
Planungen sicher, dass wir bei Einzug in das neue Haus<br />
„Wohnen am Betzenberg“ mit einem vollbelegten Haus<br />
rechnen können. Da wir hier in der Mennonitenstraße 88<br />
vollstationäre Plätze haben, wird dieser zahlenmäßige<br />
„Puffer“ vorteilhaft sein und voraussichtlich dazu führen,<br />
dass wir im vollstationären Bereich nach dem Umzug<br />
von Anfang an vollbelegt sein werden. Unseren jetzigen<br />
Bewohnern, Betreuern und Bevollmächtigten wird das<br />
Angebot zum Umzug unterbreitet, ob sie dieses<br />
annehmen, ist deren freiwillige Entscheidung. Für die<br />
Vermietung der Appartements und der Penthouse-<br />
Wohnungen liegen bereits Anfragen vor. Wir wissen,<br />
dass Bedarf an bezahlbaren, barrierearmen Wohnungen<br />
besteht und sind auch hier guter Dinge, dass sie zum<br />
größten Teil bis zur Inbetriebnahme des Gebäudes<br />
vermietet sein werden.<br />
Die Kapsel mit Gravur wurde von Martina Leib-Herr und<br />
Hans Sachs eingemauert; im Anschluss halfen noch viele<br />
Ehrengäste mit.<br />
30 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Altenhilfe<br />
Sind Sie in die Planungen und die einzelnen<br />
Entwicklungsschritte involviert?<br />
Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />
Ja. Von Anfang an war ich mit dabei. Wir treffen uns seit<br />
2018 regelmäßig in der Arbeitsgruppe. Seit dem<br />
Ausbruch der Corona-Pandemie machen wir auch viel<br />
digital und übers Telefon. Ab Mitte 2019 ist Herr Sachs<br />
(Hans Sachs, Investor; Anm. d. Red.) dazu gestoßen. Mit<br />
ihm haben wir aus unserer Praxissicht viel über Raumplanung<br />
und Ausstattung gesprochen. In der aktuellen<br />
Bauphase bekomme ich von Herrn Ogonowski (Leiter der<br />
Zentralen Dienste; Anm. d. Red.) regelmäßig die Baufortschritte<br />
mitgeteilt.<br />
Auch hier im Haus hatten wir in der Planungsvorbereitung<br />
eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern der einzelnen<br />
Bereiche des Bürgerhospitals. Dazu gehörten zusammen<br />
mit mir circa zwölf Mitarbeiter. Wir haben uns mit<br />
folgenden Fragen beschäftigt: Wie soll unsere Konzeption<br />
aussehen? Welche Räumlichkeiten brauchen wir<br />
wo? Außerdem haben wir eine Liste erarbeitet; was<br />
benötigen wir unbedingt? Was wäre hilfreich? Und was<br />
würden wir uns mit unserem Praxiswissen für die Bewältigung<br />
des Arbeitsalltags wünschen? Alle unsere<br />
Empfehlungen haben wir schriftlich festgehalten, zum<br />
Beispiel unser Hinweis, die Laufwege zu verkürzen. Des<br />
Weiteren haben wir darauf hingewiesen, dass es sehr<br />
wichtig ist, dass alles, was im Wohnbereich an Materialien<br />
benötigt wird, auch entsprechend dort gelagert<br />
wird; also auf einer Etage. Mit Blick auf das Zeitmanagement<br />
ist das von großem Vorteil.<br />
Auch für unsere Bewohner, die immer an erster Stelle<br />
stehen, wird der Umzug vorteilhaft sein. Die Ausstattung<br />
im hiesigen Bürgerhospital ist nicht mehr zeitgemäß.<br />
Stellenweise haben wir aufgrund der Räumlichkeiten<br />
Probleme bei der Belegung. Hier im Bürgerhospital gibt<br />
es zum Beispiel noch viele Doppelzimmer. Daher ist der<br />
moderne Neubau für uns so wichtig. Der Investor, Herr<br />
Sachs, hat sich von Anfang an für unsere Belange interessiert.<br />
Da es für ihn das erste Projekt einer Sozialeinrichtung<br />
ist, die von seiner Firma federführend geplant und<br />
umgesetzt wird, hat er auch an uns viele Fragen und<br />
nimmt praxisbezogene Hinweise gerne an. Beim Bau<br />
einer Sozialeinrichtung müssen bestimmte Vorgaben<br />
erfüllt sein. <strong>Das</strong> ist gesetzlich geregelt (Landesgesetz<br />
über Wohnformen und Teilhabe (LWTG); Anm. d. Red.)<br />
und wird auch geprüft (Beratungs- und Prüfbehörde;<br />
Anm. d. Red.). Solche Vorgaben beziehen sich unter<br />
anderem auf die Größe der Bewohnerzimmer, barrierefreie<br />
Räume mit dem notwendigen Wendekreis und<br />
barrierefreie Zugänge sowie Brandschutz.<br />
Freuen Sie sich auf den Umzug?<br />
Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />
Natürlich. Aber wie! Unseren Bewohnern wird das eine<br />
bessere Wohnqualität bieten, auch bezüglich des Raumklimas.<br />
Im neuen Gebäude hat jeder Bewohner, der das<br />
möchte, einen Raum für sich und kann sich bei Bedarf<br />
zurückziehen. Die älteren Menschen kommen leichter in<br />
ihre jeweiligen Bäder, die zu den Einzelzimmern gehören.<br />
Außerdem können sie sich noch individueller einrichten,<br />
als bislang möglich. Es wird in unserem neuen Alten- und<br />
Pflegeheim vier Doppelzimmer und zwei Tandemzimmer<br />
mit jeweils einem gemeinsamen Bad geben. Diese Räume<br />
sind unter anderem für Paare sowie für Menschen<br />
gedacht, die bereits im Bürgerhospital zusammen auf<br />
einem Zimmer gewohnt haben, sich bestens ergänzen<br />
und sich aneinander gewöhnt haben. Vieles wird praktikabler<br />
und einfacher werden. So wird zum Beispiel jede<br />
Wohngruppe auf den einzelnen Etagen ihren eigenen<br />
Speiseraum haben. Wir fiebern dem Umzug deshalb<br />
entgegen, weil es eine Erleichterung für uns alle sein<br />
wird. <strong>Das</strong> sind sehr gute Aussichten und motiviert auch<br />
unsere Mitarbeiter, die sich alle freuen, dieses Umzugsprojekt<br />
begleiten zu dürfen.<br />
Wie hat man sich den Umzug vorzustellen?<br />
Wie wird das zu bewältigen sein?<br />
Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />
<strong>Das</strong> ist auf jeden Fall eine große organisatorische<br />
Herausforderung. Wir hoffen dabei auf Erfahrungswerte<br />
von Mitarbeitern, die derartige Umzüge innerbetrieblich<br />
bereits begleitet haben, auch mit älteren Menschen.<br />
Diese Arbeit kann nur im Team und mit einem Projektplan<br />
„Umzug“ gestemmt werden. Viele Abteilungen<br />
werden großen Anteil an der erfolgreichen Durchführung<br />
haben, wie zum Beispiel unsere Hauswirtschaft mit<br />
Unterstützung von Frau Rose (Susanne Rose, Leitung<br />
Hauswirtschaft Altenhilfe; Anm. d. Red.) und die Haustechnik<br />
(Uwe Dengel, Hausmeister; Anm. d. Red.),<br />
außerdem natürlich die Zentralen Dienste und die IT.<br />
Aktiv beteiligt sein werden Mitarbeiter und andere Helfer,<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
31
Altenhilfe<br />
Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />
Die Arbeit in der Pflege bleibt gleich. Unsere Konzeption<br />
ist die Grundlage für die zukünftige Arbeit im neuen<br />
Haus. Die organisatorischen Abläufe werden sich verbessern.<br />
Die Zusammensetzung der Teams wird sich etwas<br />
ändern, weil die Wohngruppen im neuen Gebäude gleich<br />
groß sind; und nicht, wie hier in der Mennonitenstraße,<br />
ein kleiner Wohnbereich und ein großer Wohnbereich,<br />
der sich über mehrere Ebenen erstreckt. Die Anzahl der<br />
Bewohner mit ihren Pflegegraden bestimmt die Verteilung<br />
der Mitarbeiter. Da hier viele schon seit Jahrzehnten<br />
kollegial zusammenarbeiten, könnte die Gruppenneuzusammensetzung<br />
schwierig werden, was jedoch sicher<br />
durch die besseren Arbeitsbedingungen im neuen Haus<br />
ausgeglichen wird. Für die Mitarbeiter gibt es im Erdgeschoss<br />
einen eigenen Bereich: Umkleideräume mit<br />
Dusche, Aufenthaltsbereich, Ruhezimmer, um sich in den<br />
Pausen aus dem unmittelbaren Geschehen herausziehen<br />
zu können.<br />
Melanie Jungmann und David<br />
Laessing sind nur zwei von vielen<br />
Mitarbeitern des Zoar – Bürgerhospitals<br />
Kaiserslautern, die sich<br />
sehr freuen über den Umzug in<br />
das neue Gebäude. Im Haus in<br />
der Mennonitenstraße haben sie<br />
sich beim Arbeitsalltag eine Weile<br />
zuschauen lassen.<br />
zum Beispiel weitere Mitarbeiter des Bürgerhospitals<br />
und der Rockenhausener Beschäftigungsgesellschaft<br />
(RBG) sowie gegebenenfalls externe Helfer, die beim<br />
Umzug benötigt werden. Der Arbeitsumfang hängt auch<br />
davon ab, wie viel Inventar im Neubau am Betzenberg<br />
schon vorhanden sein beziehungsweise neu gekauft und<br />
direkt dorthin geliefert wird. In den Wochen davor, wenn<br />
die ganzen Anschlüsse für Wasser, Strom und die<br />
Computer gesetzt werden, ist es natürlich wichtig, regelmäßig<br />
vor Ort zu sein. Wir sind in der Mennonitenstraße<br />
schon dabei, auszusortieren und über den Sperrmüll zu<br />
entsorgen. Wenn es dann soweit ist, und wir umziehen,<br />
dann übergeben wir dieses Gebäude besenrein an die<br />
Stadt Kaiserslautern. Alles, was nicht fest eingebaut ist,<br />
muss von uns herausgeräumt werden.<br />
Wird die Arbeit im neuen Haus der im alten Haus ähneln?<br />
Geplant ist das neue Gebäude so, dass zwei nebeneinanderliegende<br />
Eingänge zum einen für die Bewohner der<br />
stationären Bereiche und zum anderen für die Mieter der<br />
Wohnungen vorhanden sind. Hinter den getrennten<br />
Haupteingängen sind jedoch vielerlei Angebote<br />
gemeinsam nutzbar. Empfangen wird man zum Beispiel<br />
von einer öffentlichen Cafeteria, die den Gästen eine<br />
schöne, große Außenterrasse bietet. Im Eingangsbereich<br />
des mehrstöckigen Gebäudes ist zudem der Empfang zu<br />
finden. <strong>Das</strong> ist ein bisschen so wie die Rezeption in<br />
einem Hotel. Außerdem werden im Erdgeschoss noch<br />
eine Tagespflege, ein Friseursalon, eine Physiotherapie-<br />
Praxis und der Mitarbeiterbereich zu finden sein.<br />
Was ist Ihre persönliche Meinung zum Projekt<br />
„Wohnen am Betzenberg“?<br />
Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />
Ich finde es gut und notwendig. Es ist eine sehr schöne<br />
Aufgabe, dieses Projekt begleiten zu dürfen. Die Gewissheit,<br />
unseren Kunden damit etwas Gutes zu tun, beflügelt<br />
mich sehr. Unser ganzes Team steckt da voller Herzblut<br />
drin. Die Vorfreude ist groß. Durch die kürzeren Laufwege<br />
wird die Arbeit im neuen Haus effizienter ablaufen. Ich<br />
denke auch, dass es weniger unruhig sein wird, da nicht so<br />
viel hin- und hergelaufen werden muss. Unsere Mitarbeiter<br />
werden aufgrund der besseren Ausstattung zufriedener<br />
sein, denn es wird ihre Arbeit erleichtern. Und auch<br />
für die Bewohner gibt es vermehrt Annehmlichkeiten. Sie<br />
können sich zum Beispiel mit ihren Angehörigen in der<br />
Cafeteria im Erdgeschoss treffen und dort entweder<br />
drinnen oder draußen sitzen. Sie können ohne weite Wege<br />
im selben Gebäude zum Friseur und zur Physiotherapie<br />
gehen. Auch die Dachterrasse kann von allen Bewohnern<br />
genutzt werden. Von dort kann der herrliche Ausblick auf<br />
die Stadt Kaiserslautern genossen werden.<br />
<strong>Das</strong> Interview mit Elke Bäcker führte Alexandra Koch.<br />
32 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Altenhilfe<br />
Lesen Sie hier das Interview<br />
mit Bauherr und Investor Hans Sachs,<br />
Gesellschafter und Geschäftsführer<br />
der Firma Sachs Real Estate GmbH.<br />
Warum investieren Sie in dieses Projekt?<br />
Hans Sachs:<br />
Mit diesem Bauprojekt schließen wir eine Lücke. Es ist<br />
aber nicht nur eine Baulücke, die wir schließen, sondern<br />
eine Lücke innerhalb der Entwicklung eines ganzen Viertels,<br />
das früher einmal ein Leuchtturm-Areal war. Im<br />
„Dorint“-Hotel sind Prominente abgestiegen, und das<br />
Wohnviertel war geprägt durch ein gut situiertes<br />
Bürgertum, eine bürgerliche Mitte. Mittlerweile hat hier<br />
jedoch ein Strukturwandel eingesetzt, und es drohte vor<br />
einigen Jahren ein partielles Abdriften des Viertels in<br />
eine untere soziale Schicht.<br />
Mit dem Erwerb des ehemaligen renovierungsbedürftigen<br />
„Dorint“-Hotels und dessen umfassender Renovierung<br />
in ein schickes „Best Western“-Hotel mit guten<br />
Auslastungszahlen sowie dem nun folgenden Erweiterungsbau<br />
mit dem Zoar-Seniorenheim, wird über den<br />
Zuzug und die damit verbundene Belebung des Areals<br />
mit Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten das<br />
Gebiet wieder urban und damit sozial eine Balance<br />
hergestellt. Urbanität entsteht, sozioökonomisch<br />
gesprochen, wenn an einem Platz oder in einem Gebiet<br />
alle sozialen Schichten abgebildet sind: schwarz/weiß,<br />
arm/reich, jung/alt.<br />
In diesem Kontext ist mir wichtig, dass ein guter<br />
Austausch erfolgt und nicht eine soziale Schicht das ganze<br />
Gebiet determiniert. Wir möchten das Quartier neu<br />
beleben, so dass es wie früher ein attraktives Wohngebiet<br />
bleibt. Mit diesem Bauprojekt, maßgeschneidert für Zoar,<br />
haben wir für beide Seiten eine Win-Win-Situation<br />
geschaffen. Mit Blick auf die vorhandene Infrastruktur, die<br />
lange Jahre brachlag, können wir sagen, dass wir nicht nur<br />
die bauliche Lücke schließen, sondern auch eine inhalt-<br />
liche. Zoar ist hierbei ein idealer Partner bei der Belebung<br />
des Quartiers. Ein wichtiger Eckpfeiler für die zukünftige<br />
Struktur des Wohngebiets.<br />
Hat Corona in diesem Zusammenhang<br />
zu Verzögerungen geführt?<br />
Hans Sachs:<br />
Bisher hat Corona zu keinen Verzögerungen geführt.<br />
<strong>Das</strong> Ganze steht und fällt mit einem guten Projektmanagement.<br />
Denn es ist ja nicht damit getan, dass<br />
man ein Grundstück kauft, ein Gebäude errichtet und<br />
die Aufträge vergibt. Man muss immer auf Anomalien<br />
vorbereitet sein; gerade bei Projekten dieser Größenordnungen,<br />
die sich in der Fertigstellung über Jahre<br />
erstrecken. Im Rahmen unseres Projektmanagements<br />
schauen wir, wo die möglichen Risiken liegen, und die<br />
werden dann zuerst angepackt. Mit Beginn der Corona-<br />
Pandemie im März haben wir mit dem zuständigen<br />
Bauunternehmer bereits über dieses Thema gesprochen.<br />
In diesem Zusammenhang wurden Passagen in den<br />
Vertrag aufgenommen, die ihn bezüglich des Umgangs<br />
mit der Corona-Pandemie dynamisch halten, sodass das<br />
Vertragswerk im Bedarfsfall angepasst werden kann.<br />
Die zurzeit rund fünfzig Mitarbeiter an der Baustelle<br />
des neuen Gebäudes „Wohnen am Betzenberg“, die<br />
zum größten Teil zu Subunternehmen aus europäischen<br />
Ländern gehören, sind alle gemäß der 12. Corona-<br />
Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz erfasst.<br />
Wir setzen Fieberpistolen zur Körpertemperaturmessung<br />
ein und planen eine Zugangsschleuse zur Baustelle,<br />
damit die vollständige Kontakterfassung gewährleistet<br />
bleibt. Im Inneren des Gebäudes sollte nach Möglichkeit<br />
Mund-Nasen-Schutz getragen werden, bei Arbeiten<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
33
Altenhilfe<br />
Am richtigen Platz:<br />
Betonring mit der<br />
eingemauerten<br />
Zeitkapsel auf<br />
dem Boden der<br />
Tiefgarage<br />
im Freien nicht zwingend. Aktuell sind wir dabei,<br />
Ausweise zu erstellen. Diese personalisierten Ausweise<br />
erhalten alle Mitarbeiter auf der Baustelle. Damit sollen<br />
die Angaben bei der Kontakterfassung geprüft werden.<br />
Wir haben auch im weiteren Verlauf der Baumaßnahme<br />
einen Wachdienst vor Ort, der täglich Stichproben und<br />
Ausweiskontrollen/Kontakterfassung durchführt. Für<br />
uns ist die Corona-Pandemie im Moment jedenfalls keine<br />
große Behinderung. Eine Behinderung würde es sein,<br />
wenn wir tatsächlich einen Krankheitsfall hätten, und die<br />
Baustelle eingestellt werden müsste. Dem müssen wir mit<br />
geeigneten Maßnahmen vorbeugen.<br />
Mit Blick auf die Zielgerade – was ist im Moment<br />
für Sie der größte Ansporn bezüglich der Übergabe<br />
und Eröffnung des Gebäudes?<br />
Hans Sachs:<br />
Ich möchte das Gebäude Zoar so zur Verfügung stellen,<br />
wie Zoar sich das Gebäude im Rahmen unserer Vereinbarungen<br />
vorstellt und damit die guten Voraussetzungen<br />
für einen Umzug von der Mennonitenstraße auf<br />
den Betzenberg schaffen.<br />
Der Rohbau im St.-Quentin-<br />
Ring auf dem Betzenberg in<br />
Kaiserslautern schreitet<br />
voran. Circa alle vier Wochen<br />
wird eine Geschossdecke<br />
betoniert. Der Rohbau des<br />
Gebäudes „Zoar – Wohnen<br />
am Betzenberg“ soll Ende<br />
Dezember <strong>2020</strong><br />
abgeschlossen sein.<br />
<strong>Das</strong> ist für mich im Moment der größte Ansporn.<br />
Wir möchten die Themen so abarbeiten, dass unsere<br />
Gesprächspartner von Zoar in die bauliche Umsetzung<br />
immer gut einbezogen sind – bis zur Übergabe. Mit der<br />
Übergabe gibt man als Bauherr und Projektmanager das<br />
„Baby“ aus der Hand. Man kommt dann immer wieder<br />
mal vorbei und freut sich, wenn man sieht, dass sich<br />
der Bau gerade in der Nutzung als praktikabel erweist<br />
und voller Leben ist. Was ich generell gut finde, ist der<br />
Mix im Gebäude, angefangen im Erdgeschoss bei der<br />
Tagespflege und dem Café; dann weiter zu zwei Etagen<br />
stationärer Pflege und Service-Wohnen; bis hin zu<br />
schönen Appartements im obersten Stockwerk mit<br />
einem tollen Blick auf die Stadt sowie einem weitläufigen<br />
Bürotrakt; und die Dachterrasse nicht zu<br />
vergessen. Unsere zentrale Aufgabe ist es, das Gebäude<br />
aus baulicher Sicht so zur Verfügung zu stellen, damit<br />
sich die Menschen, die in Zukunft im Gebäude wohnen<br />
werden, wohlfühlen. Die Zoar-Direktion soll auch in<br />
Jahren noch davon überzeugt sein, bezüglich dieses<br />
Projekts die richtige Entscheidung getroffen zu haben.<br />
<strong>Das</strong> Interview mit Hans Sachs führte Alexandra Koch.<br />
34 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Menschen bei Zoar<br />
Vorstellung der Frauenbeauftragten der Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />
Unterstützung der Frauen<br />
als wichtige Funktion<br />
der Frauenbeauftragten<br />
Jede Werkstatt für Menschen mit Behinderung muss<br />
eine Frauenbeauftragte und eventuell eine Stellvertreterin<br />
haben.Sie setzen sich in dieser Funktion für die Frauen in der<br />
Werkstatt ein. Gerade beeinträchtigte Frauen erfahren in<br />
ihrem Umfeld oft eine ungerechte und nicht-wertschätzende<br />
Behandlung. Daher sollen sie von den Frauenbeauftragten<br />
über ihre Rechte im Sinne der Gleichstellung aufgeklärt<br />
werden, so dass sie Rückhalt und Unterstützung erfahren.<br />
Anja Spieß<br />
Die Frauenbeauftragten unterstützen die<br />
Frauen in der Werkstatt. Sie hören den<br />
Frauen zu, wenn sie Probleme haben und<br />
geben Tipps, wo Hilfe und Rat eingeholt werden kann.<br />
Anja Spieß: Frauenbeauftragte der<br />
Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />
Anja Spieß (45), die Frauenbeauftragte der Zoar-Werkstätten<br />
Rockenhausen, wurde 2018 bei den Wahlen als<br />
stellvertretende Frauenbeauftragte gewählt. Jetzt ist<br />
sie Frauenbeauftragte der Zoar-Werkstätten Rockenhausen.<br />
Es hat sich so ergeben, weil die gewählte Frauenbeauftragte<br />
ihre Tätigkeit beendet hat. Deswegen<br />
wurden damit verbundene Aufgaben an Anja Spieß<br />
weitergeleitet. Für sie war das zwar unerwartet, aber<br />
sie stieg voller Kraft und Energie in die neue Materie<br />
ein. Mittlerweile hat sie sich in ihre Funktion eingefunden,<br />
und es klappt richtig gut.<br />
Die glücklich verheiratete Mutter war nicht immer so<br />
glücklich. In ihrem Leben ist schon vieles passiert, und<br />
leider hat sie nach eigenen Angaben auch Mobbing<br />
erlebt. Damals hätte sie selbst Hilfe gebraucht. Jetzt ist<br />
es alles anders. Nun versucht sie, anderen in schwierigen<br />
Situationen zu helfen. „Ich versuche es nicht nur,<br />
sondern tue es auch“, sagt die Frauenbeauftragte Anja<br />
Spieß. Früher sei sie sehr zurückhaltend gewesen.<br />
„Heute bin ich das Gegenteil davon.“ Anja Spieß hat ihr<br />
Arbeitsleben in den Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />
gefunden. Ihr macht die Arbeit Spaß, und sie fühlt sich<br />
im Umfeld mit ihren Kollegen wohl. „Die Menschen<br />
hier sind wie eine zweite Familie für mich“, berichtet<br />
sie weiter. Anja Spieß ist in der Abteilung „Mechanik“<br />
beschäftigt. „Mir gefallen eher technische Sachen, und<br />
diese Arbeit passt einfach zu mir.“<br />
Ein tolles Programm für das ganze Jahr<br />
In Rockenhausen organisiert die Frauenbeauftragte<br />
zusammen mit der Vertrauensperson der Frauenbeauftragten<br />
nicht nur regelmäßige Treffen, sondern auch<br />
verschiedene Unterhaltungsangebote. So wird<br />
Gemeinsamkeit und Zusammensein geschaffen. „Es<br />
freut mich, dass die von uns angebotenen Maßnahmen<br />
so gut bei den Frauen aus der Werkstatt ankommen.<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
35
Menschen bei Zoar<br />
Seit dem 1. Januar 2017 ist das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG) in Kraft getreten.<br />
Es hat auch eine Neufassung der Diakonie-Werkstätten-Mitwirkungsverordnung<br />
(DWMV-EKD) mit sich gebracht. Auch in Werkstätten für Menschen mit Behinderung<br />
soll es eine Frauenbeauftragte geben, die sich um die Belange ihrer Kolleginnen<br />
kümmert. Paragraph 49 (2) der DWMV-EKD lautet: „Die Frauenbeauftragte vertritt die<br />
Interessen der in der Werkstatt beschäftigten Frauen mit Behinderung gegenüber der<br />
Werkstattleitung, insbesondere in den Bereichen der Gleichstellung von Frauen und<br />
Männern, Vereinbarkeit von Familie und Beschäftigung sowie Schutz vor körperlicher,<br />
sexueller und psychischer Belästigung oder Gewalt.“ Die<br />
Stärkung der Autonomie soll vorangetrieben werden; im<br />
Sinne von „Empowerment“ der betroffenen Frauen. Den<br />
Frauenbeauftragten wird eine Unterstützerin zur Seite<br />
gestellt, eine Vertrauensperson, die Hilfestellung und<br />
Begleitung leistet.<br />
Anja Spieß bei der Arbeit<br />
in der Abteilung „Mechanik“<br />
der Zoar-Werkstätten<br />
Rockenhausen<br />
Anja Spieß (links) fühlt sich<br />
wohl im Kreis der Kollegen<br />
und mag es, wenn es etwas<br />
zu werkeln gibt.<br />
<strong>Das</strong> hätte ich nie gedacht“, so Anja Spieß. „Wenn wir<br />
bei unseren Angeboten Pausen oder Unterbrechungen,<br />
wie jetzt wegen Corona, haben, dann vermissen die<br />
Leute das und fragen ständig nach, wann es wieder<br />
stattfinden wird. <strong>Das</strong> ist für mich mehr als ein Lob.“ Die<br />
Angebote mit verschiedenen Themen begeistern die<br />
Teilnehmerinnen. Gut ist, dass Zeit miteinander<br />
verbracht und gleichzeitig etwas Interessantes<br />
gemacht wird; zum Beispiel Masken basteln. „Für mich<br />
war es wichtig, nicht einfach nur Kaffeepausen,<br />
sondern abwechslungsreiche Treffen zu organisieren“,<br />
erklärt Anja Spieß. <strong>Das</strong> ist auch gelungen; zum Beispiel<br />
Wellness-Angebote und ein Ausflug zum Hanauerhof<br />
in Dielkirchen kamen sehr gut an. Im Programm steht<br />
natürlich viel mehr, und es werden ständig neue Ideen<br />
generiert. Grundsätzlich gibt es monatlich einen<br />
Termin; entweder ein Treffen oder ein Unterhaltungsangebot.<br />
Natürlich kann jede Frau die Frauenbeauftragte<br />
jederzeit ansprechen und muss nicht unbedingt<br />
erst auf einen Termin warten. <strong>Das</strong> kommt gut bei den<br />
Frauen an. Ein Vorteil regelmäßiger Treffen ist, dass die<br />
Frauen sich gegenseitig austauschen können. Anja<br />
Spieß und ihre Vertrauensperson überlegen sich am<br />
Jahresanfang ein Programm, das sie in diesem Jahr<br />
durchführen möchten. Dieses besprechen sie mit<br />
Regionalleiterin Dr. Florence Asmus. Bei den einzelnen<br />
Veranstaltungen werden sie je nach Angebot von<br />
einigen Fachkräften unterstützt.<br />
36 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Menschen bei Zoar<br />
Auch Basteln gehört zum Programm. Etwas aufzuzeichnen und<br />
auszuschneiden, macht allen Spaß. Auch dieses Foto entstand vor Corona.<br />
So entstanden zum Beispiel<br />
tolle und farbenfrohe Masken.<br />
„Corona“ hat alle Pläne durcheinandergebracht.<br />
Wie geht es nun weiter?<br />
<strong>Das</strong> Jahr <strong>2020</strong> hat die bekannten Abläufe verändert.<br />
Vieles musste abgesagt werden. Anja Spieß hatte auch<br />
für dieses Jahr ein tolles Programm geplant. Leider wurde<br />
Corona bedingt nichts daraus. Die Zoar-Werkstätten für<br />
Menschen mit Beeinträchtigung waren einige Wochen<br />
komplett geschlossen. Glücklicherweise konnte im März<br />
<strong>2020</strong> noch ein Wellnessangebot durchführt werden. Nach<br />
der Wiedereröffnung gab es viele Regeln und Schutzvorkehrungen<br />
zu beachten. „<strong>Das</strong> ist heute noch so“, sagt<br />
Anja Spieß. „Wir alle müssen uns an das Hygienekonzept<br />
halten.“ Und weiter: „Die Zeit der Schließung war für<br />
viele Mitarbeiter sehr schwer. <strong>Das</strong> zu bewältigen war eine<br />
große Herausforderung“. Nun hoffe sie, dass die regelmäßigen<br />
Treffen im Kreis rund um die Frauenbeauftragte<br />
bald wieder stattfinden werden. „<strong>Das</strong> Programm kann<br />
Gemütliche Runde bei einem der regelmäßigen Treffen<br />
(vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie)<br />
dann zwar nicht mehr so erfüllt werden wie geplant,<br />
aber immerhin.“ Seit August wurde wieder eine Sprechstunde<br />
angeboten. Im September hat wieder ein schöner<br />
Ausflug auf den Hanauerhof stattgefunden. Corona<br />
bedingt können leider nur einige Frauen mitfahren.<br />
Pfalz-Steine: ein interessantes Hobby<br />
Wie wir alle hat auch Anja Spieß diverse Hobbys. Sie mag<br />
es, ihre freie Zeit mit der Familie zu verbringen. Egal, ob<br />
beim Fernsehschauen oder Spazierengehen; Hauptsache,<br />
entspannen. Es gibt noch eine Leidenschaft, die ganz<br />
interessant ist. <strong>Das</strong> ist das Bemalen von Pfalz-Steinen,<br />
das Verstecken und<br />
natürlich auch die<br />
Suche nach interessanten<br />
anderen Pfalz-<br />
Steinen. Dabei zeigt<br />
Anja Spieß ihre Kreativität<br />
und lässt ihrer<br />
Phantasie freien Lauf.<br />
„Für mich ist das eine<br />
sehr gute Abwechslung,<br />
die mir großen Spaß<br />
macht“, sagt die<br />
Frauenbeauftragte der<br />
Zoar-Werkstätten<br />
Eine Auswahl schöner Pfalz-Steine:<br />
ein Hobby, das Anja Spieß viel<br />
Freude macht.<br />
Rockenhausen. Bei diesem „Spiel“ gibt es ganz einfache<br />
Regeln: Man sucht interessante Steine und bemalt sie,<br />
dann versteckt man sie und postet in den sozialen<br />
Medien, dass es da und dort etwas Schönes zu suchen<br />
gibt. <strong>Das</strong> Spiel ist sehr beliebt.<br />
Diana Aglamova<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
37
Menschen bei Zoar<br />
Anja Spieß:<br />
Frauen-Beauftragte der Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />
Jede Werkstatt für Menschen mit Behinderung muss eine Frauen-Beauftragte<br />
und eventuell Stellvertreterin haben. Sie setzen sich für die Frauen in der<br />
Werkstatt ein und unterstützen sie. Die Frauen-Beauftragte stellt wichtige<br />
Rechte der Gleich-Stellung vor und klärt auf.<br />
In den Zoar-Werkstätten Rockenhausen ist Anja Spieß die Frauen-Beauftragte.<br />
Sie ist 45 Jahre alt. Anja Spieß ist verheiratet und hat einen Sohn. Die Aufgabe<br />
als Frauen-Beauftragte gefällt ihr gut. In ihrem Leben ist schon vieles passiert.<br />
Sie hat auch schwierige Zeiten erlebt. Damals hätte sie selbst Hilfe gebraucht.<br />
Daher versucht sie jetzt, anderen Frauen in schwierigen Situationen zu helfen.<br />
Anja Spieß hat ihr Arbeits-Leben in den Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />
gefunden. Ihr macht die Arbeit viel Spaß. Sie fühlt sich im Umfeld mit ihren<br />
Kollegen wohl. „Die Menschen hier sind wie eine zweite Familie für mich“,<br />
berichtet sie. Anja Spieß ist in der Abteilung „Mechanik“ beschäftigt.<br />
Ein tolles Programm für das ganze Jahr<br />
In den Zoar-Werkstätten Rockenhausen organisiert Anja Spieß zusammen mit<br />
der Vertrauens-Person der Frauen-Beauftragten regelmäßige Treffen. Außerdem<br />
plant sie verschiedene Unterhaltungs-Angebote. Die Angebote kommen bei<br />
den Teilnehmerinnen immer sehr gut an. <strong>Das</strong> freut Anja Spieß. „<strong>Das</strong> ist für<br />
mich mehr als ein Lob“, sagt Anja Spieß. Angeboten werden zum Beispiel<br />
38 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Menschen bei Zoar<br />
Wellness-Programme und Ausflüge, unter anderem zum Hanauerhof in<br />
Dielkirchen. Jede Frau kann die Frauen-Beauftragte jederzeit ansprechen.<br />
Sie muss nicht erst auf einen Termin warten.<br />
Corona-Zeit? Wie geht es nun weiter?<br />
Anja Spieß hatte für das Jahr <strong>2020</strong> ein tolles Programm geplant. Leider fand das<br />
Programm nur eingeschränkt statt. <strong>Das</strong> ist wegen dem Corona-Ausbruch so.<br />
Glücklicherweise hat im März noch ein Wellness-Angebot stattgefunden. Später<br />
wurden die Zoar-Werkstätten für einige Zeit geschlossen. In dieser Zeit blieben<br />
alle zu Hause. Die regelmäßigen Treffen mit der Frauen-Beauftragten fanden<br />
nicht statt. <strong>Das</strong> haben die Frauen vermisst. Aktuell gibt es viele Regeln und<br />
Schutz-Maßnahmen zu beachten. Im August wurde wieder eine Sprech-Stunde<br />
angeboten. Im September hat ein schöner Ausflug auf den Hanauerhof<br />
stattgefunden.<br />
<strong>Das</strong> Hobby von Anja Spieß<br />
Anja Spieß hat viele Hobbys. Sie verbringt gerne ihre freie Zeit mit der Familie.<br />
Sie entspannt sich beim Fernseh-Schauen und Spazieren-Gehen. Es gibt noch<br />
eine andere Leidenschaft von ihr. <strong>Das</strong> ist das Bemalen von Pfalz-Steinen. Dabei<br />
zeigt Anja Spieß ihre Kreativität und lässt ihrer Phantasie freien Lauf. <strong>Das</strong> Spiel<br />
hat ganz einfache Regeln. Die Leute suchen interessante Steine und bemalen sie.<br />
Die bemalten Steine versteckt man. <strong>Das</strong> postet man in den sozialen Medien. Die<br />
anderen Teilnehmer können die Steine suchen und finden. <strong>Das</strong> Spiel ist sehr beliebt.<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
39
Altenhilfe<br />
Zoar – Service-Wohnen<br />
Service-Leistungen sind auf die<br />
jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt<br />
Service-Wohnen − was genau verbirgt sich<br />
hinter dieser Bezeichnung? Und wie gestaltet<br />
sich der Alltag in diesen Wohnformen?<br />
Diesen und noch mehr Fragen sind wir nachgegangen<br />
und konnten drei Bewohnerinnen<br />
aus der Seniorenresidenz Kirchheimbolanden<br />
und fünf weitere Bewohnerinnen des<br />
Zoar – Service-Wohnens am Altstadtring in<br />
Rockenhausen für ein Gespräch gewinnen.<br />
Diese Gespräche fanden im<br />
Spätsommer vor dem<br />
erneuten Teil-Lockdown ab<br />
Anfang November statt<br />
(Anm. d. Red.).<br />
Die häufigste Antwort auf<br />
die Frage, warum eine<br />
Person sich für eins der<br />
Appartements an einem der fünf<br />
Standorte entschieden hat, ist<br />
meistens ähnlich. Sechs der acht<br />
Befragten wollten nach dem Tod<br />
ihres Partners nicht alleine sein und<br />
fanden sowohl das eigene Haus als<br />
auch die Wohnung plötzlich zu groß.<br />
Auch andere Gründe sprechen dafür,<br />
einen solchen Schritt zu machen.<br />
So wurde beispielsweise bei Lucia<br />
Deicke der Zugang zu ihrer damaligen<br />
Wohnung ohne die Hilfe ihres<br />
verstorbenen Ehemanns unüberwindbar.<br />
„Durch meine Erkrankung<br />
konnte ich die Treppe ohne seine<br />
Hilfe nicht mehr hinaufsteigen“,<br />
erzählt sie. Die gebürtige Koblenzerin<br />
kam der Liebe wegen nach Winnweiler<br />
und lebt nun seit April <strong>2020</strong><br />
im Zoar − Service-Wohnen am<br />
Altstadtring in Rockenhausen<br />
(Speyerstraße). Gisela Molter aus<br />
Dreisen wohnte früher mit ihrer<br />
Schwester zusammen. „Wir verstanden<br />
uns nicht mehr, und deshalb bin ich<br />
mit Hilfe meiner Betreuerin ausgezogen“,<br />
erklärt sie. Auch sie ist dieses<br />
Jahr nach Rockenhausen gezogen.<br />
Hans-Jürgen Berndt aus Dresden<br />
kam in die Nordpfalz, genauer gesagt<br />
nach Rockenhausen, wegen seiner<br />
Ehefrau und der gemeinsamen<br />
Tochter. „Durch die Demenz-<br />
Erkrankung meiner Frau konnte ich<br />
nicht mehr in Dresden bleiben.<br />
Unsere Tochter wohnt in Hefersweiler<br />
und unterstützt mich bei der<br />
Pflege. Daher bot sich Rockenhausen<br />
örtlich an. Die Pflege ist für mich nun<br />
machbar, und ich verbringe weiterhin<br />
eine schöne Zeit mit meiner Frau,<br />
ohne zu viel Stress. Hier habe ich<br />
auch Zeit für mich“, beschreibt er<br />
seine momentane Situation.<br />
Vorteile und Angebote<br />
Die Vorteile sind kurz in folgendem<br />
Satz zusammengefasst: „Wenn Sie<br />
sich entscheiden, dorthin zu ziehen,<br />
dann können sie sich ihre Eigen-<br />
40 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Altenhilfe<br />
ständigkeit noch lange erhalten“.<br />
Diesen Satz hörte Ruth Weigel von<br />
ihrer Ärztin in Rockenhausen.<br />
„Damals nach dem Tod meines<br />
Mannes war ich verständlicherweise<br />
verunsichert und wusste nicht, wie<br />
es weitergehen soll. Als ich von<br />
meiner Ärztin diese Möglichkeit des<br />
Service-Wohnens vorgestellt bekam,<br />
gewann ich wieder ein Stück Lebensenergie<br />
zurück“, lächelt Ruth Weigel.<br />
Die 95-jährige Göllheimerin fühlt<br />
sich im Bereich des Service-Wohnens<br />
der Seniorenresidenz Kirchheimbolanden<br />
sehr wohl. Seit sieben<br />
Jahren wohnt sie in ihrem jetzigen<br />
Appartement. In ihrer Kochnische<br />
kann sie auch selbst kochen. Trotzdem<br />
isst sie gern gemeinsam mit ihren<br />
Mitbewohnern im Speisesaal der<br />
Seniorenresidenz. Auch, wenn es am<br />
Essen immer mal wieder etwas<br />
auszusetzen gibt. Geschmäcker sind<br />
verschieden. Kritik und Verbesserungsvorschläge<br />
geben sie immer<br />
gern weiter. „Nur so können sich<br />
Dinge verbessern.“<br />
„Babuschka“ (Oma) und<br />
„Deduschka“ (Opa) − so nennen<br />
sich die beiden guten Freunde aus<br />
der Speyerstraße in Rockenhausen.<br />
Links sitzt Lothar Schiller und rechts<br />
Ida Rifel. Ida Rifel kommt aus<br />
Moldawien und Lothar Schiller aus<br />
Sachsen-Anhalt. Beide können<br />
russisch sprechen, weshalb sie sich<br />
gerne so betiteln.<br />
Sichtlich wohl fühlt sich Hans-Jürgen Berndt auf der Couch, flankiert von zwei<br />
netten Damen. Links sitzt Lucia Deicke und rechts Gisela Molter. Die beiden<br />
Frauen fühlen sich in ihrer neuen Wohnung in der Speyerstraße jeweils sehr<br />
wohl, so wie Hans-Jürgen Berndt auch.<br />
Auch Lothar Schiller, wohnhaft im<br />
Zoar − Service-Wohnen am Altstadtring<br />
in Rockenhausen, spricht gern<br />
über das Essen. Sein Vorschlag ist<br />
unter anderem, einen Gewürzständer<br />
auf jeden Tisch zu stellen, damit<br />
man die Speisen gegebenenfalls<br />
nachwürzen kann. Dies bekräftigt<br />
auch Hans-Jürgen Berndt. Lothar<br />
Schiller wohnt seit Januar 2016 in<br />
der Speyerstraße. Im Frühjahr <strong>2020</strong><br />
hat er beschlossen, in seiner<br />
Wohnung für sich selbst zu kochen.<br />
Gegenwind bezüglich des Essens<br />
kommt von Lucia Deicke und Gisela<br />
Molter. Beide finden das Essen<br />
hervorragend. Beim gemeinsamen<br />
Gespräch in der Speyerstraße wird<br />
deutlich, dass Männer und Frauen<br />
tatsächlich ein unterschiedliches<br />
Geschmacksempfinden haben.<br />
Es ist ein sehr interessantes<br />
Gespräch, und es wird gelacht.<br />
Weitere Vorteile des Service-<br />
Wohnens sind die altersgerechten<br />
Zugänge zu den Wohnungen. Mit<br />
einem Aufzug und ohne jegliche<br />
Stufen sind die Wohnbereiche und<br />
gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten<br />
für Bewohner mit eingeschränkter<br />
Mobilität, wie zum<br />
Beispiel mit Rollstuhl oder Rollator,<br />
leicht zu erreichen. Wenn die<br />
Bewohner gelegentlich schwerere<br />
Einkäufe tätigen, erhalten sie Hilfe<br />
von den Mitarbeitern. <strong>Das</strong> wissen<br />
alle sehr zu schätzen. Ganz individuell<br />
lassen sich verschiedene<br />
Service-Leistungen dazu buchen, wie<br />
zum Beispiel hauswirtschaftliche<br />
und pflegerische Dienstleistungen.<br />
Standorte und Ausstattung<br />
Die Wohnungen sind zwischen 24<br />
und 68 Quadratmeter groß und<br />
verfügen neben einem Schlafraum<br />
und Wohnraum über ein Bad und<br />
eine Kochnische. Die Seniorenresidenz<br />
in Kirchheimbolanden<br />
hat 17 Ein- und Zwei-Zimmer-<br />
Wohnungen. Ebenfalls in Kirchheimbolanden<br />
bietet die Zoar-Wohnanlage<br />
„Am Torbogen“ 15 Zwei-<br />
Zimmer-Wohnungen. Die Zoar-<br />
Wohnanlage „Am Altstadtring“ in<br />
Rockenhausen verfügt über die<br />
gleiche Anzahl an Wohnungen wie<br />
„Am Torbogen“ in Kirchheimbolanden.<br />
In Kusel hat man sogar die Möglichkeit,<br />
Drei-Zimmer-Wohnungen zu<br />
beziehen. Allerdings gibt es dort<br />
erst fünf Appartements. Zwei Zwei-<br />
Zimmer-Wohnungen werden in<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
41
Altenhilfe<br />
Dies ist der Flur in der Seniorenresidenz<br />
Kirchheimbolanden, der zu den<br />
einzelnen Wohnungen des Bereichs<br />
„Service-Wohnen“ führt. Hier gibt<br />
es viele Möglichkeiten, sich mit den<br />
anderen Bewohnern zu einem<br />
Gespräch zu treffen.<br />
Ingrid Langer in ihrer Wohnung in der<br />
Seniorenresidenz in Kirchheimbolanden;<br />
hier in ihrem mit eigenen Möbeln<br />
eingerichteten Wohnzimmerbereich.<br />
Alsenz in der Zoar-Wohnanlage<br />
„Am Uferweg“ angeboten. Alle<br />
Wohnungen befinden sich im<br />
Zentrum der jeweiligen Städte und<br />
Orte und ermöglichen es, dass die<br />
Bewohner zahlreiche Geschäfte,<br />
Apotheken oder Ärzte auf relativ<br />
kurzen Wegen erreichen. Manche der<br />
Service-Wohnformen liegen direkt<br />
neben einem Zoar-Alten- und Pflegeheim.<br />
Auf diese Weise lassen sich<br />
Synergien vorteilhaft nutzen.<br />
Zoar-Mitarbeiter Dieter Steiner ist<br />
verantwortlich für den Bereich des<br />
Service-Wohnens beim Evangelischen<br />
Diakoniewerk Zoar. „Er hat immer<br />
ein offenes Ohr für meine Anliegen<br />
und Wünsche“, schwärmt Ida Rifel<br />
aus Rockenhausen. „Außerdem ist<br />
er immer freundlich und lustig.“<br />
Auch Ingrid Langer, wohnhaft in<br />
der Seniorenresidenz in Kirchheimbolanden,<br />
bestätigt, dass sich die<br />
Mitarbeiter im Bereich „Service-<br />
Wohnen“, die bei der Sozialstation<br />
Brücken beschäftigt sind, erfreulicherweise<br />
auch Zeit für persönliche<br />
Gespräche lassen. „Allerdings<br />
vermisse ich die frühere familiäre<br />
Atmosphäre im Haus. Aufgrund der<br />
Corona-Pandemie fallen die Yoga-,<br />
Sitztanz- und Singstunden aus“,<br />
erzählt die weitgereiste Hannoveranerin<br />
Ingrid Langer. „Drei Jahre habe<br />
ich mit meiner fünfköpfigen Familie<br />
in Montreal in Kanada gelebt. Dann<br />
sind wir ins sonnige Kalifornien in<br />
den USA gezogen und haben dort<br />
weitere 17 Jahre verbracht“, berichtet<br />
Ingrid Langer. Fehlende Aktivitäten<br />
bemängelt auch Lothar Schiller:<br />
„Früher bin ich wöchentlich zum<br />
Schachspielen in die Wohnanlage in<br />
der Wiesenstraße in Rockenhausen<br />
gegangen. Ein solches Angebot<br />
würde ich mir auch für unser Haus in<br />
der Speyerstraße wünschen“. Auch<br />
Lucia Deicke hätte nichts gegen ein<br />
sonntägliches Kuchenangebot aus<br />
einem Automaten. Eine Kaffeemaschine,<br />
an der man sich kostenlos<br />
einen Kaffee ziehen kann, wurde<br />
zwischenzeitlich angeschafft.<br />
Da die Wohnanlagen meist zentral<br />
liegen und sich Cafés und Geschäfte<br />
in der Nähe befinden, kann Lucia<br />
Deicke verstehen, dass sich in den<br />
Häusern nicht auch noch ein öffentliches<br />
Café befinden kann. „Gerade<br />
deshalb wäre ein Kuchenautomat<br />
eine gute Idee.“<br />
42 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Altenhilfe<br />
Der geschmackvoll eingerichtete<br />
Eingangsbereich von Hedwig<br />
Leibrocks Wohnung.<br />
Hedwig „Heddi“ Leibrock in ihrem<br />
Wohnzimmer in der Seniorenresidenz<br />
in Kirchheimbolanden.<br />
Der persönliche Touch<br />
Jeder Mensch ist einzigartig und individuell,<br />
darauf darf sich auch in<br />
diesen Wohnbereichen jeder berufen.<br />
Die Wünsche und Lebensmodelle<br />
werden mit den potentiellen<br />
Wohnungsmietern im Vorfeld<br />
besprochen. Hedwig Leibrock ist in<br />
ihrer früheren Wahlheimat Kirchheimbolanden<br />
im Bereich „Service-<br />
Wohnen“ geblieben. „Nach 18<br />
Ehejahren ist mein Mann vor etwa<br />
acht Jahren gestorben. So zog ich<br />
dann kurze Zeit später hierher. Ich<br />
mag es, in der Natur spazieren zu<br />
gehen und koche seit Beginn immer<br />
für mich selbst. Ich war schon immer<br />
gern für mich“, erzählt sie. Sie fühlt<br />
sich in der Seniorenresidenz sehr<br />
wohl und führt gern mit ihren Mitbewohnern,<br />
von denen sie liebevoll<br />
„Heddi“ gerufen wird, Gespräche.<br />
Ida Rifel darf in ihrer Wohnung in der<br />
Speyerstraße in Rockenhausen einen<br />
jungen, schwarz-weißen Kater halten<br />
und zeigt ihn stolz jedem Besucher.<br />
Überglücklich erzählt sie, wie viel<br />
Freude sie mit ihrem Haustier hat.<br />
Auch, wenn es das ein oder andere zu<br />
bemängeln gibt, ist der Umzug ins<br />
Service-Wohnen für alle acht vorgestellten<br />
Bewohner die beste<br />
Entscheidung gewesen.<br />
Der offene Schlafraum<br />
Hedwig Leibrock im Außengelände<br />
der Seniorenresidenz<br />
Kirchheimbolanden.<br />
Die Naturliebhaberin steht vor<br />
dem alten Wasserbrunnen und<br />
genießt die herrliche Sonne<br />
an diesem Tag.<br />
„<strong>Das</strong> ganze Leben über hat man<br />
jemanden, der einen zu bestimmten<br />
Sachen drängelt. Hier kann ich<br />
endlich ich selbst sein und mich<br />
frei entfalten“, sagt Lucia Deicke.<br />
Außerdem könne man die Wohnung<br />
so dekorieren, wie es einem selbst<br />
am besten gefalle. „Die Rockenhausener<br />
sind alle sehr freundlich. Jeder<br />
grüßt, ob man sie kennst oder nicht.<br />
<strong>Das</strong> habe ich vorher noch nie so<br />
erlebt. Ich möchte hier nie wieder<br />
weg“, weiß Lucia Deicke ganz sicher.<br />
Helena Gomes Oester<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
43
Aktuell<br />
Information über<br />
das Ausscheiden<br />
des Vorstandsmitglieds<br />
Peter Kaiser<br />
Peter Kaiser ist nicht mehr Direktor des Evangelischen Diakoniewerks Zoar.<br />
Der Verwaltungsrat hat am Montag, 17.08.<strong>2020</strong>, beschlossen, Vorstandssprecher<br />
Peter Kaiser wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Zukunft von Zoar,<br />
auch angesichts der Vielzahl der Projekte, vom Dienst freizustellen.<br />
Dies ist am 18.08.<strong>2020</strong> erfolgt.<br />
Der Zoar-Verwaltungsratsvorsitzende, Klaus Rüter, und der ehemalige<br />
Zoar-Direktor, Peter Kaiser, haben sich auf eine einvernehmliche Aufhebung<br />
und damit zeitnahe Beendigung des Vertragsverhältnisses von Herrn Peter Kaiser<br />
geeinigt. Nach Billigung des Vertragstextes, für den beiderseitige Verschwiegenheit<br />
vereinbart wurde, durch den Verwaltungsrat wurde der Vertrag von beiden<br />
Parteien unterschrieben und somit rechtsgültig.<br />
Klaus Rüter, Zoar-Verwaltungsratsvorsitzender, stellt klar, dass Spekulationen<br />
um Verfehlungen von Peter Kaiser keine Grundlage haben. Es ging und geht<br />
dem Verwaltungsrat allein um die weitere Entwicklung und Zukunft des<br />
Evangelischen Diakoniewerks Zoar. Zu diesem wichtigen Punkt bestanden seit<br />
geraumer Zeit nicht zu überbrückende Meinungsunterschiede beider Seiten.<br />
Peter Kaisers Verdienste um Zoar werden vom Verwaltungsrat anerkannt.<br />
Verwaltungsratsvorsitzender Klaus Rüter spricht ihm dafür den Dank des<br />
Gremiums aus.<br />
Die „Zoar-<strong>Magazin</strong>“-Redaktion<br />
Rockenhausen im Dezember <strong>2020</strong><br />
44 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Weiterbildung & Seminare<br />
Wichtiges Instrument im Rahmen der Personalführung<br />
Die Entwicklung der Jahresmitarbeitergespräche<br />
von 2018 bis heute<br />
2018 sind die Jahresmitarbeitergespräche<br />
beim Evangelischen<br />
Diakoniewerk Zoar und den<br />
Tochtergesellschaften eingeführt<br />
worden. Es geschah unter<br />
anderem auf Wunsch der<br />
Mitarbeiter, die das im Rahmen<br />
einer zweitägigen Leitbildkonferenz<br />
mehrfach äußerten.<br />
Die Leitbildkonferenz-<br />
Ergebnisse flossen<br />
damals in das aktuelle<br />
Zoar-Leitbild ein. Es ist heute<br />
weit verbreitet, steht auf der<br />
Zoar-Internetseite und wird jedem<br />
neuen Mitarbeiter zu Beginn seiner<br />
Tätigkeit an die Hand gegeben.<br />
Moderner Ansatz<br />
für die Umsetzung<br />
„Fundierte Jahresmitarbeitergespräche<br />
bilden eine Brücke zwischen dem<br />
Vorgesetzten und seinen Mitarbeitern<br />
und somit die Grundlage für<br />
eine erfolgreiche und zufriedenstellende<br />
Zusammenarbeit“, erklärt<br />
Sabine Schmitt, Leiterin Personalentwicklung.<br />
„Davon profitieren<br />
beide Seiten und natürlich das<br />
Evangelische Diakoniewerk Zoar als<br />
moderner und zukunftsweisender<br />
Arbeitgeber.“ Um eine adäquate<br />
Umsetzung zu realisieren, wurden<br />
Multiplikatoren für das Projekt<br />
„Jahresmitarbeitergespräche“<br />
ausgebildet, die die Aufgabe haben,<br />
alles Wissenswerte über das<br />
Personalführungsinstrument im<br />
Unternehmen zu verbreiten. Alle<br />
zehn Multiplikatoren waren von<br />
Anfang an und über einen langen<br />
Zeitraum mit Herzblut bei der Sache<br />
(siehe dazu den Bericht „Einführung<br />
von Jahresmitarbeitergesprächen<br />
ab 2018“ im Zoar-<strong>Magazin</strong> 3+4, 2017;<br />
Seite 7 bis 11). <strong>Das</strong> Besondere an<br />
ihrer Qualifizierung war, dass sowohl<br />
Strukturelles als auch Inhaltliches<br />
über das Mitarbeitergespräch vermittelt<br />
wurde und dass die Multiplikatoren<br />
lernten, die Führungskräfte in<br />
den darauffolgenden verschiedenen<br />
Workshops „Bottom-Up“ (engl.<br />
von unten nach oben; Anm. d. Red.)<br />
Multiplikatoren-Schulung 2017: mit Mitarbeitern verschiedener Zoar-Bereiche<br />
zum Thema „Jahresmitarbeitergespräche“<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
45
Weiterbildung & Seminare<br />
<strong>Das</strong> Jahresmitarbeitergespräch<br />
<strong>Das</strong> Mitarbeitergespräch bietet die Möglichkeit, Vereinbarungen und<br />
Ziele über die Arbeitsaufgaben, das Arbeitsumfeld, die Zusammenarbeit<br />
und Führung und die Veränderungs- und Entwicklungsperspektiven zu<br />
treffen. Gerade die Entwicklungsperspektiven der Mitarbeiter sind ein<br />
zentrales Thema, um vorhandene Ressourcen und Potentiale zu nutzen.<br />
Mit Hilfe des strukturierten Jahresmitarbeitergesprächs haben Mitarbeiter<br />
und Führungskraft einmal im Jahr die Möglichkeit, in Ruhe und<br />
gut vorbereitet über wichtige Themen der Aufgabenerfüllung und Zusammenarbeit<br />
zu sprechen. Dieses Gespräch dient sowohl der Orientierung<br />
des Mitarbeiters als auch der Führungskraft und soll Arbeitsfreude,<br />
Motivation und Leistungsbereitschaft fördern. Im Jahresmitarbeitergespräch<br />
wird der Fortbildungsbedarf des Mitarbeiters besprochen, und<br />
es werden gemeinsam Qualifizierungsperspektiven entwickelt, um eine<br />
nachhaltige Personalentwicklung zu etablieren.<br />
zu schulen. Dieser moderne Ansatz<br />
führte zum Umgang auf Augenhöhe<br />
und zur Überwindung von Hierarchien.<br />
Die Multiplikatoren sind auch heute<br />
noch davon überzeugt, dass sich ihr<br />
Einsatz gelohnt hat, denn in der<br />
Beurteilung sind sie sich einig: „<strong>Das</strong><br />
Jahresmitarbeitergespräch kann als<br />
wechselseitiger Austausch Missverständnisse<br />
und Konflikte in der<br />
Zusammenarbeit ausräumen, Ziele<br />
definieren und für ein ausgewogenes<br />
Unternehmensklima sorgen“.<br />
Entsprechend schulten sie rund<br />
100 Führungskräfte des Evangelischen<br />
Diakoniewerks Zoar.<br />
Ansteigende Gesprächszahlen<br />
Ziel ist es nun, das Jahresmitarbeitergespräch<br />
mit jedem Mitarbeiter<br />
(ausgenommen Mitarbeiter in Probezeit,<br />
Auszubildende und geringfügig<br />
Beschäftigte) einmal jährlich durchzuführen.<br />
„Bei der Anzahl der<br />
geführten Mitarbeitergespräche<br />
müssen wir noch zulegen“, sagt<br />
Sabine Schmitt. „Hier ist noch Luft<br />
nach oben.“ <strong>Das</strong> Gute ist, dass von<br />
2018 bis heute ein Anstieg zu<br />
verzeichnen ist. „Insgesamt wurden<br />
im vergangenen Jahr 25,5 Prozent der<br />
Gespräche geführt.“ Die Personalentwicklung<br />
sieht es als ihre Aufgabe an,<br />
ohne Unterlass für das Mitarbeiterge-<br />
spräch zu werben und immer wieder<br />
fundierte Informationen über dieses<br />
Führungsinstrument zu verbreiten.<br />
„Unsere Mitarbeiter haben sich<br />
bewusst dafür entschieden“, so<br />
Schmitt, „daher sollte es auch in<br />
allen Bereichen umgesetzt werden“.<br />
Die Bedeutung wird unterstrichen<br />
durch eine Dienstvereinbarung,<br />
einen Leitfaden, Vorbereitungsbogen<br />
und Gesprächsbogen<br />
sowie Schulungen, die der Wieder-<br />
Auffrischung dienen.<br />
Oft gibt es auch Erinnerungs-<br />
E-Mails mit Inhalten wie diesem:<br />
„Vor zwei Jahren haben wir das<br />
Jahresmitarbeitergespräch eingeführt.<br />
Eins der wichtigsten Führungsinstrumente.<br />
Viele von Ihnen haben<br />
dieses Jahr schon Gespräche geführt.<br />
Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben<br />
Sie schon Ihre Gespräche geführt<br />
oder zumindest terminiert? Nutzen<br />
Sie dieses Instrument! Fundierte<br />
Jahresmitarbeitergespräche, ein<br />
Austausch auf Augenhöhe, bilden<br />
eine Brücke zwischen Führungskraft<br />
und Mitarbeiter und somit die<br />
Grundlage für eine erfolgreiche und<br />
zufriedenstellende Zusammenarbeit.<br />
Haben Sie noch Fragen oder<br />
Schulungsbedarf?“ Im Anschluss<br />
daran werden Schulungstermine der<br />
Personalentwicklung genannt, wobei<br />
diese im Corona-Jahr <strong>2020</strong> leider<br />
ausfallen mussten. 2021 aber geht es<br />
weiter. „Wenn sich die Pandemie-<br />
Situation entschärft hat, führen wir<br />
auch wieder Schulungen durch“,<br />
so Sabine Schmitt.<br />
Kontinuierliche Optimierungen<br />
Der Bereich Personalentwicklung<br />
arbeitet immer an Optimierungen.<br />
So ist zum Beispiel der Vorbereitungsbogen<br />
für das Mitarbeiterjahresgespräch<br />
überarbeitet worden. Auf<br />
diese Weise wurde der Vorgang<br />
46 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Weiterbildung & Seminare<br />
Berichte über die Erfahrung, Jahresmitarbeitergespräche zu führen;<br />
beidseitig – als Vorgesetzter und als Mitarbeiter. Hier einige Kommentare:<br />
Jutta Kunz,<br />
Einrichtungsleitung Zoar – Alten- und Pflegeheim Kusel<br />
„Lange habe ich das Thema der Jahresmitarbeitergespräche vor mir hergeschoben. Bis es<br />
dann plötzlich Klick gemacht hat. Ich habe jetzt einen guten Weg gefunden, mir das nicht<br />
als einen zusätzlichen Berg an Arbeit vorzustellen, sondern es strukturiert, geplant und<br />
effizient zu gestalten. Keine Zeit zu haben, ist ja doch meistens nur eine Ausrede. Da ich<br />
jedoch voll hinter den Jahresmitarbeitergesprächen stehe, ist mir die Notwendigkeit, sich die Zeit zu nehmen,<br />
völlig klar. Es fängt damit an, dass ich alle 16 Gespräche frühzeitig plane und im Outlook-Kalender festhalte.<br />
Beim Gespräch darf niemand stören. Da bin ich in dieser Stunde auch wirklich für niemanden sonst erreichbar;<br />
es sei denn, es ist ein Notfall. Außerdem ist es wichtig, beim Durchführen der Gespräche im Jahresrhythmus<br />
zu bleiben und nicht wieder mit dem Aufschieben anzufangen, dann ballt sich nämlich gegen Ende des Jahres<br />
alles. Mir liegt es am Herzen, im Gespräch Feedback zu geben und keine Kritik zu üben.“<br />
Barbara Venske,<br />
Regionalleitung<br />
Eingliederungshilfe Nordpfalz<br />
„Sich einmal im Jahr richtig Zeit<br />
zu nehmen und ungestört mit<br />
dem jeweiligen Mitarbeiter<br />
zu sprechen, ist eine besondere Form der Wertschätzung.<br />
Kein Zeitdruck, angenehme Atmosphäre.<br />
Ich persönlich nutze diese Gespräche, um mit dem<br />
Mitarbeiter über aktuelle Themen zu diskutieren,<br />
unsere strategischen Ziele zu benennen und im<br />
Austausch zielführende Ideen und Arbeitsschritte<br />
gemeinsam zu gestalten und festzulegen. Eine<br />
Würdigung der Arbeit und ein Lob sollten auch<br />
nicht fehlen. Grundsätzlich ist es mir wichtig,<br />
dass mein Gesprächspartner und ich uns auf das<br />
gemeinsame Gespräch vorbereiten. Gleichzeitig<br />
empfinde ich spontane Themen immer als gewinnbringend.<br />
Die Zeit vergeht oft sehr schnell. <strong>Das</strong>,<br />
was im Gesprächsbogen festgehalten wird, wird<br />
gemeinsam erarbeitet und formuliert. So ist es<br />
eine runde Sache und passend für beide.“<br />
Vanessa Steingaß,<br />
Mitarbeiterin der Finanzbuchhaltung,<br />
Verwaltung,<br />
Rockenhausen<br />
„Ich finde es toll, dass<br />
wir dieses Personalentwicklungsinstrument<br />
haben. Vorher mache<br />
ich mir immer Notizen, damit ich nicht vergesse,<br />
was ich sagen möchte. Zur Grundlage nehmen<br />
wir die Stellenbeschreibung und schauen<br />
gemeinsam, ob alles enthalten ist oder etwas<br />
angepasst werden muss. <strong>Das</strong>s das so konkret ist,<br />
gefällt mir gut. In dem Zusammenhang mache<br />
ich auch gern Verbesserungsvorschläge. Oft sind<br />
das Dinge, die mir übers Jahr hinweg einfallen<br />
und die ich mir dann notiere. Für Vorgesetzte<br />
ist das Jahresmitarbeitergespräch eine sehr<br />
gute Möglichkeit, den Mitarbeitern gegenüber<br />
Wertschätzung zu zeigen.“<br />
Felix Steinmüller,<br />
Teamleitung AWG II, Mainz<br />
„Wichtig ist vor allem, dass man beim Jahresmitarbeitergespräch ungestört ist.<br />
Denn diese Zeit gehört ganz allein dem Mitarbeiter. Dafür blocke ich vorneweg zwei<br />
Stunden. Ich finde es gut, wenn man dafür eine schöne Atmosphäre schafft, zum<br />
Beispiel nach draußen geht und sich in den Schatten der Bäume setzt. Dabei lässt<br />
sich gut ein Eis essen oder Kaffee trinken. Beim Austausch ist es mir schon passiert, dass ich Dinge, die<br />
ich zwar schon wusste, nochmal ganz anders wahrgenommen und mir bewusst gemacht habe.“<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
47
Weiterbildung & Seminare<br />
Multiplikatoren-Schulung 2017:<br />
gemeinsam viel bewegen!<br />
verschlankt. „Damit gingen wir auf<br />
Anregungen der Führungskräfte ein,<br />
die uns zurückmeldeten, dass der<br />
Vorbereitungsbogen als Grundlage<br />
für das Gespräch zu inhaltsreich und<br />
kompliziert ist“, berichtet Personalerin<br />
Schmitt. „Uns ist es wichtig, immer<br />
wieder darauf hinzuweisen, dass<br />
Vorbereitungs- und Gesprächsbogen<br />
als roter Faden dienen sollen und<br />
keine verbindliche Vorgabe sind.“<br />
In das Thema der Jahresmitarbeitergespräche<br />
sind auch ganz stark die<br />
Mitglieder der Gesamtmitarbeitervertretung<br />
(GMAV) eingebunden.<br />
Auch sie sind der Meinung, dass sich<br />
sowohl das „Bottom-Up“-System als<br />
auch das Schulungsverfahren im<br />
Trainer-Team („Buddy-Team“) ausgezahlt<br />
haben. Die schulenden Multiplikatoren<br />
sind auch heute noch<br />
Ansprechpartner bei Unklarheiten<br />
und stehen bei Fragen zum Jahresmitarbeitergespräch<br />
mit Rat und<br />
Tat zur Seite.<br />
Positive Bewertung bei der<br />
Mitarbeiterbefragung 2019<br />
Zoar-Direktorin Martina Leib-Herr ist<br />
stolz auf das, was die „Buddy-Teams“<br />
geschafft haben. Es gibt zwar immer<br />
noch Bereiche, in denen die Anzahl<br />
der geführten Gespräche zu wünschen<br />
übriglässt, aber „die Saat ist aufgegangen“,<br />
so die Direktorin. „Für<br />
uns alle ist dies ein wichtiges<br />
Instrument der Personalführung<br />
und Mitarbeitermotivation.“<br />
Verbesserungspotential sei<br />
angesichts der Quantität zwar<br />
vorhanden, aber das ist auch gut<br />
so, sagt die Direktorin. „Es entspricht<br />
einer gesunden Entwicklung, wenn<br />
nicht alles von Beginn an perfekt ist.“<br />
Wichtig sei vor allem, dass keine<br />
Führungskraft, die diese Gespräche<br />
mit den zugeordneten Mitarbeitern<br />
führt, allein gelassen wird.<br />
Im Gegenteil.<br />
Zahlreiche Mitarbeiter bestätigen<br />
im Rahmen der letzten Mitarbeiterbefragung,<br />
dass sie das Jahresmitarbeitergespräch<br />
grundsätzlich<br />
als Chance für alle Mitarbeiter<br />
sehen. Ganz sicher sei es kein<br />
Kontrollinstrument. Auf die Aussage<br />
„Ich schätze das Jahresmitarbeitergespräch<br />
als gute Möglichkeit<br />
für den Austausch“ reagierte die<br />
weitaus größte Anzahl befragter<br />
Mitarbeiter mit „Trifft voll zu“.<br />
Warum? Beim Jahresmitarbeitergespräch<br />
reflektieren sich beide<br />
Gegenüber − Mitarbeiter und<br />
Führungskraft. Gegenseitig gibt man<br />
sich Impulse, und das wiederum<br />
ist gut für den „Workflow“, für die<br />
gute Zusammenarbeit.<br />
Alexandra Koch<br />
48 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Hospiz<br />
Ehrenamtliche Hospizarbeit<br />
Marc Becker: offen und interessiert –<br />
Tod ist kein Tabu<br />
Marc Becker (22) hat keine Probleme mit den Tabuthemen<br />
„Tod“ und „Trauer“. Und obwohl er bislang wenig damit zu<br />
tun hatte, öffnete er sich für diese schwere Thematik und ließ<br />
sich auf Hintergrundwissen dazu ein. 2018/2019 absolvierte<br />
er die halbjährige Grundausbildung zum ehrenamtlichen<br />
Hospizhelfer beziehungsweise Sterbebegleiter, die in<br />
Kooperation zwischen dem Stationären Hospiz Nordpfalz<br />
und dem ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst<br />
Rockenhausen regelmäßig angeboten wird. Damit aber<br />
nicht genug. Marc Becker wollte gleich noch eine zweite<br />
Weiterbildung anschließen: „Hospiz macht Schule“.<br />
Diese wurde jedoch Corona bedingt verschoben. „Ich freue<br />
mich schon jetzt darauf, wenn es losgeht“, so der<br />
ehrenamtliche Hospizhelfer.<br />
Der junge Mann aus Ramsen studiert „Soziale<br />
Arbeit“ und befindet sich im 5. Semester.<br />
„Mein Einstieg in die Hospizarbeit war völlig<br />
unspektakulär“, sagt Marc Becker. „In zahlreichen<br />
Gesprächen mit meiner Mutter, die lange im Bereich<br />
der Altenhilfe gearbeitet hat, fielen auch immer wieder<br />
Begriffe wie ‚Krankheit‘ und ‚Tod‘. Da ist es doch klar,<br />
dass man auch mal nachfragt, vor allem, wenn man<br />
sich für den Gesprächspartner interessiert und seine<br />
Arbeit wertschätzt.“<br />
Der 22-Jährige, dessen Studium, wie das so vieler<br />
anderer Studenten in der Zeit der Corona-Pandemie,<br />
online stattfindet, ist darauf bedacht, möglichst viele<br />
unterschiedliche Berufsfelder im Bereich der „Sozialen<br />
Arbeit“ kennenzulernen. „An einem Wochenende im<br />
November 2018 hatte ich dann mein erstes Blockseminar<br />
zum Thema ‚Hospiz‘“, erinnert er sich. Es sei um Tod<br />
und Trauer sowie Begleitung der Sterbenden und<br />
Angehörigen gegangen. Gemeinsam mit rund zwölf<br />
anderen Teilnehmerinnen (Marc Becker war der einzige<br />
Mann bei dieser Weitbildung; Anm. d. Red.) lernte er<br />
in den Räumen des ambulanten Hospiz- und Palliativ-<br />
Beratungsdienstes Rockenhausen in der Rognacallee<br />
und im Stationären Hospiz Nordpfalz in der Speyerstraße<br />
viel zum Thema „Hospiz“.<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
49
Hospiz<br />
Sich aktiv einbringen<br />
„Vermittelt wurde nicht nur Theorie“, informiert Birgit<br />
Edinger, Leiterin des Stationären Hospizes Nordpfalz,<br />
„auch Praxisanteile gehörten dazu“. Marc Becker ist<br />
ehrlich und gibt geradewegs zu, dass die Auseinandersetzung<br />
mit diesem Thema Überwindung gekostet hat.<br />
„Genauso stark hat es mich aber auch gefangen<br />
genommen. Ich wurde immer neugieriger auf all diese<br />
Infos und wollte immer mehr wissen.“ Genau dafür<br />
waren die Weiterbildungsseminare da. Der Lehrstoff<br />
wurde vermittelt von Birgit Edinger, Silke Schmidt, stellvertretende<br />
Leiterin des Stationären Hospizes Nordpfalz,<br />
Tanja Keller vom ambulanten Hospiz- und Palliativ-<br />
Beratungsdienst sowie Gastreferenten zu bestimmten<br />
Fachthemen. „Hier wurde ganz normal über den Tod und<br />
das Sterben gesprochen“, so Marc Becker. Folglich habe<br />
er auch immer mehr Interesse daran gehabt, sich aktiv<br />
einzubringen. „Ich konnte es noch nie verstehen, dass<br />
so wenig oder gar nicht über den Tod gesprochen wird.<br />
Er gehört doch ganz natürlich zum Leben dazu.“ Im<br />
Rahmen der Weiterbildungsseminare war es nicht nur<br />
das Referentenwissen, das der junge Ramsener aufsog<br />
wie ein Schwamm, sondern auch der Austausch mit den<br />
anderen Lehrgangsteilnehmern. Einmal im Monat<br />
Aktionsprojekt „Hospiz macht Schule“<br />
Bei „Hospiz macht Schule“ handelt es sich um eine Projektwoche an Grundschulen.<br />
Sie wird durchgeführt von zuvor befähigten und ehrenamtlich engagierten<br />
Menschen aus örtlichen Hospizgruppen in Kooperation mit den Grundschulen.<br />
Die Ehrenamtlichen werden im Rahmen der speziell für das Projekt entwickelten<br />
Ausbildungsstandards der Bundes-Hospiz-Akademie vorbereitet. <strong>Das</strong> Projekt richtet<br />
sich an Kinder der 3. und 4. Klasse. In der Projektwoche „Hospiz macht Schule“ gehen,<br />
wenn möglich, mindestens fünf oder sechs Ehrenamtliche einer Hospizbewegung<br />
für fünf Tage gemeinsam als Team in eine Schulklasse. Die Projektwoche hat jeden<br />
Tag der Woche einen neuen Themenschwerpunkt.<br />
1. Tag: Werden und Vergehen − Wandlungserfahrungen<br />
2. Tag: Krankheit und Leid<br />
3. Tag: Sterben und Tod<br />
4. Tag: Vom Traurigsein<br />
5. Tag: Trost und Trösten<br />
Durch die Anzahl von fünf Ehrenamtlichen in einer Klasse ist gewährleistet, dass<br />
die Kinder in den Kleingruppen ausreichend zu Wort kommen und ihre Fragen in<br />
diesem geschützten Rahmen stellen können. Es geht grundsätzlich auch darum, zu<br />
vermitteln, dass Leben und Sterben untrennbar miteinander verbunden sind. Die<br />
Themenschwerpunkte werden den Grundschülern sach- und altersangemessen mit<br />
Geschichten, Bilderbüchern und Filmausschnitten nahegebracht. Die Auseinandersetzung<br />
damit erfolgt in Kleingruppen. Es entstehen zum Beispiel Collagen.<br />
Pantomimisch werden eigene Gefühle bei Krankheit dargestellt. Fantasiereisen,<br />
Meditationen sowie der Umgang mit Farben und Musik ergänzen das konkrete<br />
Handeln der Kinder. Die Kinder lernen darüber hinaus auch Jenseits-Vorstellungen<br />
anderer Religionen kennen.<br />
„Hospiz macht Schule“ wurde 2006 von einer Arbeitsgruppe entwickelt und seit 2008<br />
von der Bundes-Hospiz-Akademie bundesweit multipliziert, fortentwickelt und über<br />
einen speziellen Befähigungskurs an ehrenamtliche Hospizhelfer weitergegeben.<br />
50 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Hospiz<br />
Marc Becker privat<br />
Marc Beckers Schwerpunkt beim Studium sind alte Menschen und Menschen mit Beeinträchtigung.<br />
Es gibt ihm persönlich sehr viel, alte Menschen, die Hilfe benötigen, zu unterstützen. Sein Fachabitur hat<br />
Marc Becker an der IGS in Enkenbach-Alsenborn gemacht. Danach absolvierte er ein Freiwilliges Soziales<br />
Jahr (FSJ). Nach seinem FSJ-Dienst im katholischen Kindergarten in Ramsen, startete er mit dem Studium<br />
der Sozialen Arbeit in Wiesbaden. Aktuell absolviert er Corona bedingt Online-Semester und wohnt<br />
wieder bei seinen Eltern in Ramsen. Auch der ehrenamtliche Einsatz im Stationären Hospiz Nordpfalz ist<br />
momentan nur bedingt möglich. „Es kommen auch wieder andere Zeiten“, sagt der junge Mann. „Sobald<br />
es möglich sein wird, bin ich auf jeden Fall wieder dabei.“ Marc Becker ist es<br />
gewohnt, mit fremden Menschen „Small Talk“ zu führen. So ist er zum Beispiel<br />
schon jahrelang im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)<br />
aktiv und begleitet FSJler in verschiedenen Kursen zu sozialpädagogischen<br />
Themen. Demnächst möchte er sich zum Rettungssanitäter ausbilden<br />
lassen. „<strong>Das</strong> könnte ich dann während des Studiums im Nebenjob machen,<br />
auch um Geld zu verdienen.“ Denn Marc Becker hat noch viele Träume;<br />
auch ein Auslandssemester im englischsprachigen Raum gehört dazu.<br />
Fußball ist in der Freizeit seine größte Leidenschaft; Freundin Sabrina<br />
natürlich nicht zu vergessen. Die Mannschaft „Leinigerland“ trainiert<br />
normalerweise zweimal in der Woche und hat an den Wochenenden<br />
Spiele. Dann kam Corona und mit dem Virus<br />
weitreichende Änderungen und Einschnitte<br />
für alle. „Ich spiele aber auch gern alle<br />
möglichen Gesellschaftsspiele“, berichtet<br />
der junge Mann. Und das lässt sich ja<br />
gerade in dieser Pandemie-Zeit hervorragend<br />
professionalisieren. Marc Becker hat<br />
eine 19-jährige Schwester, die Jura studiert.<br />
Marc Becker (7. von links, im blauen IKK-Trikot)<br />
spielt leidenschaftlich gern Fußball.<br />
treffen sich alle Hospiz-Ehrenamtlichen zu einer Art<br />
Stammtisch, um sich kennenzulernen, auszutauschen<br />
und Themen zu besprechen (Corona bedingt sind diese<br />
Treffen, wie natürlich auch die Schulungen, aktuell<br />
nicht möglich; Anm. der Red.). „Auch Supervision<br />
findet normalerweise regelmäßig statt“, berichtet<br />
Hospizleiterin Birgit Edinger. „<strong>Das</strong> ist wichtig, denn wir<br />
möchten die ehrenamtlich Tätigen mit ihren Eindrücken<br />
und Grenzerfahrungen nicht alleine lassen.“ Sobald es<br />
zu einer deutlichen Entspannung der Corona-Lage<br />
komme, würden Schulungen, Ehrenamtlichen-<br />
Stammtisch und Supervision wiederaufgenommen,<br />
so die Hospizleitung.<br />
Vertrauen und Ehrlichkeit<br />
Im Zuge seiner Ausbildung war Marc Becker auch einige<br />
Male im Stationären Hospiz in der Speyerstraße. So<br />
wie er erzählt, hat er sich den Gästen dort langsam<br />
angenähert. „Ganz wichtig sind Vertrauen und Ehrlichkeit.<br />
Man muss erst warm werden miteinander.“ Auch<br />
als „Anfänger“ sei ihm das sofort klar gewesen, so<br />
Marc Becker. Und so habe er sich im Haus einfach unter<br />
die Gäste gemischt. „Ich habe mit gefrühstückt oder zu<br />
Abend gegessen, habe mit den Menschen im Flur oder<br />
auf der Terrasse gesprochen oder auf den Zimmern mit<br />
ihnen zusammen Fernsehen geschaut.“ Es seien nur<br />
Kleinigkeiten gewesen, die den schwerkranken<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
51
Hospiz<br />
Was man über das Stationäre Hospiz wissen sollte!<br />
95 Prozent des vereinbarten Tagessatzes werden von den<br />
Kranken- und Pflegekassen getragen. 5 Prozent der Investitionskosten<br />
für den Bau müssen über Spenden generiert werden.<br />
Dies betrifft auch den Tagessatz (ebenfalls 5 Prozent) bei<br />
laufendem Betrieb und muss jährlich durch Spendenerlöse<br />
gedeckt werden. Ein privater Eigenanteil der schwerkranken Menschen, die stationär aufgenommen werden,<br />
entfällt. Achtung und Anerkennung der Würde des Menschen sowie die Sicherung der Lebensqualität, auch<br />
in der letzten Lebensphase, sind die Zielsetzungen des Hospizes.<br />
<strong>Das</strong> Stationäre Hospiz Nordpfalz im Stadtzentrum von Rockenhausen hat acht Plätze. Es ist das erste und<br />
einzige in der Nordpfalz. Jedes Zimmer hat aufgrund der ebenerdigen Lage eine geschützte und nicht<br />
einsehbare Terrasse, deren Größe es ermöglicht, die Betten bei Bedarf hinauszuschieben. Im Raum der Stille<br />
hat man die Möglichkeit zum Beten, zum Innehalten und zum Meditieren. <strong>Das</strong> Stationäre Hospiz war für<br />
Angehörige auch während der Corona-Pandemie geöffnet – natürlich unter den gegebenen Schutzmaßnahmen<br />
und Hygienevorschriften. „Ein Abschied vom Sterbenden muss unbedingt möglich sein. Dieser Kontakt<br />
darf nicht unterbunden werden“, beschreibt Hospizleiterin Birgit Edinger den hospizeigenen Weg im<br />
Umgang mit der Corona bedingt veränderten Situation.<br />
Menschen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hätten.<br />
„Da ist ganz viel Dankbarkeit zu spüren.“<br />
Birgit Edinger und Silke Schmidt bestätigen diese<br />
grenzenlose Dankbarkeit der Gäste im Hospiz, die ihren<br />
Tod vor Augen haben. „Gerade männliche Hospizbegleiter<br />
kommen gut an.“ <strong>Das</strong> sei mal etwas Anderes.<br />
„Da kommt meinerseits auch schon mal ein flotter<br />
Spruch, oder wir tauschen Fußballergebnisse aus“,<br />
lacht der junge Hospizbegleiter. „Alles ganz normal.<br />
Ein Hospiz ist kein dunkler und trauriger Ort.“ <strong>Das</strong> lerne<br />
man, wenn man ein Hospiz betrete. Im Gegenteil. Es<br />
sei beidseitig ein förderliches Erlebnis, und noch dazu<br />
könne man den hauptamtlichen Mitarbeitern ein<br />
wenig Arbeit abnehmen.<br />
Über das Stationäre Hospiz Nordpfalz in<br />
Rockenhausen ist schon viel geschrieben worden,<br />
unter anderem im Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 + 2, 2018, auf<br />
den Seiten 24 bis 33, im Zoar-<strong>Magazin</strong> 1/2019, auf<br />
den Seiten 60 bis 70, und im Zoar-<strong>Magazin</strong> 2/2019,<br />
auf den Seiten 10 bis 19.<br />
Weitere Informationen zur ehrenamtlichen Hospizarbeit<br />
gibt Hospizleiterin Birgit Edinger sehr gerne.<br />
Kontakt:<br />
Tel.: 06361/25407-0,<br />
E-Mail: birgit.edinger@zoar.de<br />
Alexandra Koch<br />
52 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Inklusion & Arbeit<br />
Wege auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
Christian Biffar: ein Teil<br />
der großen FCK-Familie<br />
Christian Biffar hat einen ganz besonderen Arbeitsplatz im<br />
Fritz-Walter-Stadion auf dem Betzenberg in Kaiserslautern. Mit<br />
Spielern, Trainern und dem gesamten Team ist er auf Du und<br />
Du. Mit ihnen hat er schon so manche Höhen und Tiefen erlebt.<br />
Für Christian Biffar ist es ein<br />
Traumjob, beim 1. FCK zu<br />
arbeiten, auch wenn dieser<br />
„nur“ in der 3. Liga spielt. Er lebt und<br />
liebt den Verein; so wie alle anderen,<br />
die dort arbeiten. Er hat das sogenannte<br />
FCK-Gen und die Leidenschaft<br />
für den Fußball im Blut. Bei<br />
seinem Arbeitgeber wird er in den<br />
höchsten Tönen gelobt und als vollwertiger<br />
Mitarbeiter anerkannt. Bei<br />
den „Roten Teufeln“ arbeitet Christian<br />
Biffar auf einem ausgelagerten<br />
Werkstatt-Arbeitsplatz – und das seit<br />
nunmehr über zwei Jahren; auch<br />
Corona machte ihm keine Angst. Er<br />
blieb dem 1. FCK nicht nur als Mitarbeiter<br />
treu, sondern auch als Fan.<br />
Jeder ist ein Teil des Ganzen<br />
Der 1. FC Kaiserslautern ist ein<br />
Traditionsverein mit vielen Höhen<br />
und Tiefen, wie so oft im Sport.<br />
Besonders <strong>2020</strong> ging es hoch her;<br />
vom Insolvenzantrag bis hin zum<br />
neuen Trainer. Am 15. Juni <strong>2020</strong><br />
hat die Geschäftsführung der<br />
1. FC Kaiserslautern GmbH & Co. KGaA<br />
(FCK KGaA) beim zuständigen Amtsgericht<br />
in Kaiserslautern Antrag auf<br />
Eröffnung eines Insolvenzverfahrens<br />
in Eigenverwaltung gestellt. „Ziel<br />
des Verfahrens ist es, zügig die<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
53
Inklusion & Arbeit<br />
<strong>Das</strong> Fritz-Walter-Stadion auf<br />
dem Betzenberg hat fünf<br />
Zugänge. Alle Wege, die auf<br />
dem Betriebsgelände<br />
zum Stadion führen,<br />
müssen sicher sein. Daher<br />
muss das Laub regelmäßig<br />
entfernt werden. Hier sehen<br />
wir Christian Biffar<br />
mit dem Laubsauger.<br />
Hinweis: Alle Fotos aus dem aktiven Praxisbetrieb<br />
wurden im Dezember 2019 aufgenommen.<br />
Christian Biffar in der Werkstatt<br />
des 1. FCK. Auch hier gibt es<br />
immer etwas zu tun. <strong>Das</strong> Foto<br />
zeigt ihn beim Anbringen<br />
einer Vorrichtung über der<br />
Werkbank. Der Umgang mit<br />
dem Akkuschrauber ist für den<br />
jungen Mann kein Problem.<br />
Zusammen mit Till Mohrbach arbeitet<br />
Christian Biffar auch in der Instandhaltung.<br />
Hier befinden sie sich in den Katakomben<br />
des Stadions, um ein Notlicht zu ersetzen.<br />
Manchmal muss auch etwas erklärt werden; wie hier zum Beispiel von Tobias Schmidt<br />
(rechts), Leiter Stadionbetrieb. Till Mohrbach (links) und Christian Biffar hören aufmerksam<br />
zu, damit sie bei den diversen Instandsetzungsarbeiten immer besser werden.<br />
Hier kontrolliert Christian Biffar die<br />
fest installierten Sitzplätze mit<br />
Sitzschalen aus Kunststoff in den<br />
verschiedenen Stadionblöcken.<br />
Es kommt häufig vor, dass<br />
Reparaturen gemacht werden<br />
müssen. Diese Arbeit gehört zu<br />
den Instandsetzungsaufgaben,<br />
wie zum Beispiel die<br />
Beleuchtungskontrolle.<br />
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />
wiederherzustellen“, erklärte Soeren<br />
Oliver Voigt, Geschäftsführer der<br />
FCK KGaA. „<strong>Das</strong> Investoren-Interesse<br />
an der Marke FCK war und ist enorm,<br />
ebenso der Wille, diese Marke weiter<br />
zu entwickeln.“ Die Kraftanstrengung<br />
war erfolgreich. <strong>Das</strong> Insolvenzverfahren<br />
ist nunmehr vom Tisch. Auch<br />
Christian Biffar sieht den 1. FCK als<br />
sanierungswürdig. In der offiziellen<br />
Pressemitteilung steht: „Bei positiver<br />
Fortführungsprognose geht das<br />
Gericht davon aus, dass der FCK<br />
überwiegend wahrscheinlich in der<br />
Lage sein wird, künftig wieder<br />
Gewinne zu erwirtschaften und<br />
den Zahlungsverpflichtungen<br />
uneingeschränkt nachzukommen“.<br />
„Jeder in unserem Team trägt zum<br />
Erfolg auf dem Platz bei, nicht nur<br />
wenn er Fußball spielt und Tore<br />
schießt“, sagt Pressesprecher Stefan<br />
Roßkopf. „Unser Betrieb ist ein komplexes<br />
Gebilde.“ Die enge Bindung<br />
zum Verein schweißt zusammen.<br />
„Jeder ist an seinem speziellen Platz<br />
54 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Inklusion & Arbeit<br />
Christian Biffar als Fan, als Arbeitnehmer und privat<br />
Christian Biffar arbeitet beim 1. FCK auf einem ausgelagerten Werkstatt-<br />
Arbeitsplatz. Zuvor war er bei den Zoar-Werkstätten am Volkspark in<br />
Kaiserslautern in der Kleinteilemontage (KTM) beschäftigt. Ende 2019<br />
hat er bei der Fußball-GmbH einen einjährigen Vertrag unterschrieben.<br />
Am liebsten möchte er für immer dort arbeiten. <strong>Das</strong> ist sein Ziel.<br />
Zu tun gibt es auf jeden Fall genug, bestätigt Tobias Schmidt vom<br />
Stadionbetrieb. Von ihm erhält der 38-Jährige seine Arbeitsaufträge<br />
im und um das Stadion auf dem Betzenberg.<br />
Christian Biffar ist handwerklich begabt. Er ist offen und kommunikativ<br />
und durch diese Art schon mehrfach an verschiedenen Stellen positiv<br />
aufgefallen. „Er weiß sich aber auch zurückzuhalten, zum Beispiel, wenn<br />
wir vor oder während der Spiele alle extrem angespannt sind“, so der<br />
Tenor aus dem Kader. Es gehört zum eingespielten Ablauf, dass sich Spieler<br />
und Trainer bei Bedarf zurückziehen. Hier ist auch Fingerspitzengefühl<br />
gefragt. „Klar, muss man hier offen sein und auf jeden zugehen können,<br />
genauso aber muss man auch auf höfliche Art und Weise zurückhaltend<br />
sein können“, so Pressesprecher Stefan Roßkopf. Christian wisse das alles<br />
sehr gut einzuschätzen.<br />
Immer hoch motiviert und offen für Neues<br />
Christian Biffar spielt auch selbst gern Fußball und engagiert sich in<br />
der Zoar-Spielgemeinschaft, in der sich Spieler der Zoar-Standorte Alzey,<br />
Heidesheim und Kaiserslautern zusammenfinden. Rockenhausen hat am<br />
gleichnamigen Standort eine eigene Fußballmannschaft. Der Fußball-Fan<br />
nimmt seit Dezember 2019 außerdem an einer Weiterbildung zum „Fachhelfer<br />
Gartenpflege und Gebäudeservice (IHK)“ teil. Dieser Lehrgang wird<br />
von den Zoar-Werkstätten Heidesheim in Kooperation mit der Industrieund<br />
Handelskammer für Rheinhessen (IHK) angeboten. Es handelt sich<br />
dabei um ein neues, berufliches Qualifizierungsangebot, das die Zoar-<br />
Werkstätten Heidesheim gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer<br />
für Rheinhessen für Menschen mit Unterstützungsbedarf<br />
entwickelt haben. <strong>Das</strong> Praxis-Training umfasst 230 Unterrichtsstunden<br />
und dauert insgesamt etwa ein Jahr. In der Corona-Krise musste es<br />
zeitweise auf Eis gelegt werden; es wird aber weitergehen, so dass die<br />
Zertifikatsvergabe gewiss ist.<br />
Die berufliche Praxisbezogenheit erfolgt direkt im Job; bei Christian Biffar<br />
demnach bei der Arbeit im Stadionbetrieb des FCK. Dort arbeitet er, wie<br />
seine Lehrgangs-Kollegen in den anderen Betrieben, an vier Tagen in der<br />
Woche. Freitags nimmt er am Praxis-Training in Heidesheim teil. Corona<br />
bedingt wurde beim Berufsbildungs- und Integrationsservice (BIS) der<br />
Zoar-Werkstätten das „Virtuelle Klassenzimmer“ eingeführt – mit innovativen<br />
Lösungen über die Corona-Zeit hinaus. Am Lehrgangsende erhalten<br />
die erfolgreichen Absolventen ein bundesweit gültiges IHK-Zertifikat, das<br />
bescheinigt, welche konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten während des<br />
Qualifizierungslehrgangs erworben wurden.<br />
Gutes Verhältnis zum Chef:<br />
Christian Biffar (rechts) mit<br />
Tobias Schmidt, Leiter Stadionbetrieb<br />
mit seiner speziellen Aufgabe wichtig<br />
und ein Teil des Ganzen.“ So auch<br />
Christian Biffar. Seine Aufgaben beim<br />
FCK sind vielfältig. Was gehört alles<br />
dazu? Grünschnitt mit der Motorsense<br />
auf dem riesigen Außengelände,<br />
Pflege der Parkflächen, Entfernen<br />
von Unkraut, kleinere Reparaturen,<br />
Auf- und Abhängen der Vereinsfahnen,<br />
Aufstellen und Abbauen<br />
des Sichtschutzes zwischen den<br />
Fan-Blöcken, Reparaturen an den<br />
fest installierten Sitzplätzen mit<br />
Sitzschalen aus Kunststoff in den<br />
verschiedenen Stadionblöcken.<br />
Dies gehört schon zu den Instandsetzungsarbeiten,<br />
ebenso wie zum<br />
Beispiel die Beleuchtungskontrolle<br />
und das Beheben diverser Störungen.<br />
Sicherheit geht vor<br />
„Es werden Tickets erstellt, in denen<br />
die Störungen und Reparaturbedarfe<br />
notiert sind“, erklärt Tobias Schmidt,<br />
Leiter Stadionbetrieb. Und weiter:<br />
„Die Mitarbeiter im Bereich ‚Stadionbetrieb‘<br />
arbeiten diese ab. Jeden<br />
Montag findet im Stadion ein Sicherheitsrundgang<br />
auf der Suche nach<br />
Fehlern statt. Unser Sicherheitskonzept<br />
hat feste Positionen“. Auch die<br />
Flucht-Tore hat Christian Biffar<br />
schon allein überprüft, „nachdem er<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
55
Inklusion & Arbeit<br />
Der FCK – Ein Traditionsverein<br />
Der Verein wurde 1900 gegründet<br />
und ist auch Gründungsmitglied der<br />
1963 gegründeten Bundesliga. 2006<br />
zur Weltmeisterschaft wurde das<br />
Fritz-Walter-Stadion umgebaut.<br />
Jeder Spieltag im Stadion auf dem<br />
„Betze“ ist stressig – von der Corona-<br />
Zeit einmal abgesehen. Es tritt ein<br />
eingespielter Ablauf in Kraft, um<br />
den regulären Spielbetrieb zu gewährleisten.<br />
An Spieltagen arbeiten<br />
rund 400 Ordner rund ums Stadion.<br />
50.000 Zuschauer passen ins Fritz-<br />
Walter-Stadion. Die FCK-Familie<br />
hofft darauf, dass diese Vor-Corona-<br />
Zeit bald wieder beginnt.<br />
Jubiläumsjahr <strong>2020</strong>:<br />
Fritz Walter wäre 100 geworden<br />
Der FCK hat auch ein Museum.<br />
Dort wird die über hundertjährige<br />
Geschichte des Vereins gezeigt und<br />
bewahrt. <strong>Das</strong> Museum im Stadion<br />
zeigt die spannende Geschichte des<br />
Fußballs in Kaiserslautern. Von der<br />
Gründung des Vereins über die Zeiten,<br />
in denen Fritz Walter und seine<br />
Kameraden Geschichte schrieben,<br />
bis zu den Triumphen und Tragödien<br />
der vergangenen Jahrzehnte. Fritz<br />
Walter − sein Name ist ganz eng mit<br />
dem 1. FC Kaiserslautern verbunden.<br />
Der Ehrenspielführer der deutschen<br />
Nationalmannschaft und Kapitän<br />
der Weltmeisterelf von 1954 führte<br />
als Lenker und Denker der legendären<br />
„Walter-Elf” den FCK 1951 und 1953<br />
zur Deutschen Meisterschaft. Am<br />
31. Oktober <strong>2020</strong> wäre Fritz Walter<br />
100 Jahre alt geworden. An diesem<br />
Tag wurde ihm besonders ehrend<br />
gedacht.<br />
Neue Mannschaftsvorstellung am 27. Oktober <strong>2020</strong><br />
Jeff Saibene (rechts), Chef-Trainer seit Oktober <strong>2020</strong><br />
Co-Trainer: Ryszard Komornicki<br />
FCK-Spieltag am 1. September 2019:<br />
Blick in die Westkurve<br />
56 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Inklusion & Arbeit<br />
<strong>Das</strong> Wahrzeichen<br />
der „Roten Teufel“<br />
Stadion Ostansicht<br />
mehrfach intensiv eingewiesen<br />
wurde“, ergänzt Schmidt, zu dessen<br />
Abteilung sechs Mitarbeiter gehören,<br />
darunter Christian Biffar. Bezüglich<br />
des Grünschnitts teilt man sich die<br />
Arbeit mit dem „Green Keeper“ vom<br />
Golf-Club „Barbarossa“. In dieser<br />
Kooperation sind die Kosten geringer,<br />
„und außerdem bedarf der Rasen im<br />
Stadion der gleichen Pflege wie das<br />
Grün auf dem Golfplatz. „Daher<br />
haben die Platzwarte natürlich eine<br />
wichtige Aufgabe“, so Schmidt.<br />
Hoch motiviert und anerkannt<br />
„Christian ist jeden Tag top motiviert.<br />
Er hat immer gute Laune, ist höflich<br />
und zuvorkommend“, lobt ihn Tobias<br />
Schmidt, dem er direkt unterstellt ist.<br />
„Er hat eine gute Auffassungsgabe<br />
und kann auch allein und selbstständig<br />
seiner Arbeit nachgehen.“<br />
Christian Biffar steht dem 1. FCK<br />
ganz nahe, hofft und bangt, jubelt<br />
und feuert an. Zoar-Mitarbeiterin<br />
Sarah Linnebacher ist das Bindeglied<br />
zwischen Christian Biffars ausgelagertem<br />
Werkstatt-Arbeitsplatz und<br />
der Sozialkompetenz des Trägers<br />
Zoar. Wenn es Fragen seitens des FCK<br />
gibt, steht sie als Ansprechpartnerin<br />
zur Verfügung. Viel macht Christian<br />
Biffar aber auch selbst. Bei der Suche<br />
nach einem Praktikum engagierte er<br />
sich stark und fand es bei den „Roten<br />
Teufeln“ auf dem Betzenberg. Ein<br />
Traum ging in Erfüllung! Nun möchte<br />
er dort gar nicht mehr weg. Da passt<br />
es, dass er einen Jahresvertrag unterschreiben<br />
durfte. „<strong>Das</strong> hat mich sehr<br />
stolz gemacht“, schwärmt er und<br />
hofft schon jetzt auf eine Verlängerung.<br />
Christian Biffars Arbeit im<br />
Stadionbetrieb wird gewürdigt. Er ist<br />
Vollzeit beschäftigt und arbeitet dort<br />
auch, ohne zu klagen, an den angesetzten<br />
Wochenend-Spieltagen.<br />
Dafür gibt es in der Folgewoche<br />
einen Freizeitausgleich. „Jeder<br />
Spieltag im heimischen Stadion ist<br />
ein Highlight“, sagt der leidenschaftliche<br />
FCK-Fan. <strong>Das</strong> alles hat sich,<br />
wie wir wissen, in der Zeit der<br />
Corona-Pandemie, geändert. Großveranstaltungen<br />
dürfen nur zahlenmäßig<br />
eingeschränkt oder gar nicht<br />
Beeindruckende Choreographie<br />
in der Westkurve des<br />
Fritz-Walter-Stadions<br />
Ein gutes Kollegen-Team:<br />
(v.l.n.r.) Tobias Schmidt, Marco Christ,<br />
Christian Biffar, Till Mohrbach und Bernd Schmitt<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
57
Inklusion & Arbeit<br />
Christian Biffar: Wie hat er die Corona-Krise erlebt?<br />
Der junge Mann muss immer etwas zu tun haben und ist am liebsten<br />
aktiv. Daher fiel es ihm auch entsprechend schwer, während der<br />
„Lockdowns“ nicht zu arbeiten. „Ich habe mir dann aber klargemacht,<br />
dass es besser ist, sich und andere zu schützen“, beschreibt er diese<br />
schwere Situation. Als es die ersten Lockerungen im Frühsommer gab,<br />
war Christian Biffar voller Bewegungsdrang und wollte unbedingt<br />
etwas tun. Man einigte sich darauf, dass er die Außenanlagen der<br />
Zoar-Einrichtungen „Am Volkspark“ pflegen kann. „Ich durfte sehr<br />
selbstständig arbeiten und habe dann noch die Müll-Entsorgung<br />
mit übernommen“, erzählt er. Weitere sechs Wochen später durfte er<br />
dann wieder auf den „Betze“ zu seinem Lieblingsverein und seinem<br />
Lieblingsarbeitgeber. Ihm fiel ein Stern von Herzen. Endlich! „Meine<br />
Arbeitsaufgaben hier habe ich ganz normal weitergeführt, wie vor<br />
Corona.“ Seitdem arbeitete Christian Biffar wieder Vollzeit für den<br />
FCK, bis er dann im November wieder in den beruflichen „Lockdown“<br />
gehen musste.<br />
stattfinden – und so blieben auch die<br />
Fußballstadien vorerst leer oder nur<br />
zur Hälfte gefüllt.<br />
Eingeschworene FCK-Familie<br />
„Seine hohe Motivation schlägt sich<br />
in seiner Arbeit nieder,“ lobt Stefan<br />
Roßkopf, der als Pressesprecher den<br />
Bereich „Medien, Kommunikation<br />
und Fanangelegenheiten“ leitet,<br />
FCK-Mitarbeiter Christian Biffar.<br />
„Er weiß, wo er sich einbringen kann<br />
beziehungsweise einbringen sollte.<br />
Er sieht die Arbeit und muss nicht<br />
ständig darauf hingewiesen werden.“<br />
In der Geschäftsstelle beim Fritz-<br />
Walter-Stadion auf dem Betzenberg<br />
in Kaiserslautern arbeiten (bei<br />
normalem Betrieb) rund fünfzig<br />
Mitarbeiter. <strong>Das</strong> ist der Geschäftsstab,<br />
wozu auch der Bereich<br />
„Medien, Kommunikation und<br />
Fanangelegenheiten“ gehört. Pressesprecher<br />
Stefan Roßkopf ist dem<br />
1. FCK schon lange verbunden und<br />
arbeitet seit 17 Jahren für den Club.<br />
Christian Biffar hat sich schnell im<br />
Umfeld der eingeschworenen FCK-<br />
Familie zurechtgefunden; wahrscheinlich,<br />
weil er selbst ein ganz<br />
großer Fan ist. „Christian hat ganz<br />
schnell verstanden, wie es hier bei<br />
uns läuft. Er versteht sich mit allen<br />
gut und ist immer freundlich. Seine<br />
Aufgaben erfasst er schnell, fragt<br />
nicht lange und macht einfach“, so<br />
der allgemeine Tenor. Eine hohe<br />
soziale Kompetenz wird ihm von<br />
seinen Vorgesetzten sowie dem<br />
gesamten Team zugesprochen.<br />
„Wenn wir uns hier im Stadion über<br />
den Weg laufen, quatschen wir<br />
immer ein paar Worte. <strong>Das</strong> gehört<br />
bei uns ganz einfach dazu. Hier kennt<br />
jeder jeden und lässt andere teilhaben.<br />
Auf diese Weise sind wir zu<br />
einer großen Familie zusammengewachsen“,<br />
berichtet Roßkopf. „In<br />
diesem Verbund sind auch Probleme<br />
viel besser zu bewältigen.“<br />
Emotionaler Arbeitsplatz<br />
der besonderen Art<br />
„Wir bieten hier bei uns einen<br />
besonderen Arbeitsplatz und noch<br />
dazu hoch emotional. Ob wir<br />
gewinnen oder verlieren, in unserem<br />
Spielbetrieb geht es immer sehr<br />
Unterwegs auf dem Betriebsgelände<br />
mit dem Caddy; Christian Biffar liebt es.<br />
emotional zu. <strong>Das</strong> muss man mögen,<br />
sonst kann diese Verbindung nicht<br />
hergestellt werden“, sagt Stefan<br />
Roßkopf. Nur so sei es möglich,<br />
schwankende Stimmungen, auch<br />
wenn die Nerven mal blank liegen,<br />
richtig einzuschätzen und sich dem<br />
entsprechend anzupassen. „Ich gehe<br />
jeden Morgen gern zur Arbeit“,<br />
sagt Christian Biffar. „Es ist mein<br />
Lieblingsverein und mein Lieblingsstadion.“<br />
Der 1. FCK hat schon<br />
Erfolge gefeiert und dann wieder<br />
tiefe Täler durchschritten. „In<br />
schweren Zeiten lastet der Druck<br />
dreifach so hoch auf uns“, so der<br />
Pressesprecher. Umso größer die<br />
Freude, wenn es in guten Zeiten<br />
wieder rund läuft. Stefan Roßkopf<br />
und seine Mitstreiter haben schon<br />
alles erlebt. Erfolg und Niederlage<br />
liegen oft sehr nah beieinander.<br />
Aber egal, wie es läuft, ein richtiger<br />
FCK-Fan bleibt in jeder Situation ein<br />
Fan. „Fan ist man in guten und in<br />
schlechten Zeiten.“ Die Devise lautet:<br />
„<strong>Das</strong> war schon immer mein Verein<br />
und wird es auch bleiben“. Die<br />
Spieler sind für Christian Biffar<br />
echte Ikonen. „Ich erlebe hier im<br />
Arbeitsalltag das, was andere,<br />
wenn sie Glück haben, vielleicht im<br />
Preisausschreiben gewinnen.“<br />
Alexandra Koch<br />
58 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Wohnen & Assistenz<br />
Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB)<br />
Webinar zum Thema<br />
„Inklusives Wohnen – besser Wohnen“<br />
Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe<br />
(BeB) hat kürzlich ein Webinar zum<br />
Thema „Inklusives Wohnen – besser Wohnen“<br />
veranstaltet. Genannt wird es daher „BeBinar“.<br />
Hier haben verschiedene Experten zu verschiedenen<br />
Themen einen Vortrag gehalten.<br />
<strong>Das</strong> Evangelische Diakoniewerk Zoar hat am<br />
26.10.<strong>2020</strong> das Wohnangebot „Wohnen am<br />
Ebertpark“, Ludwigshafen, als gutes Beispiel<br />
vorgestellt. Wie Partizipation hilft, inklusiven<br />
Wohnraum mit Leben zu füllen, war das Thema.<br />
Der Vortrag wurde von Nadja Bier, Regionalleitung<br />
West- und Vorderpfalz, gehalten.<br />
<strong>Das</strong> Webinar, also das Online-Seminar im Web,<br />
fand über „Zoom“ statt. „Zoom“ ist ein virtueller<br />
Video-Konferenzraum, in dem man sich<br />
online zu einer bestimmten Zeit trifft. Die teilnehmenden<br />
Menschen sehen und hören sich. Man kann sich<br />
also gut mit vielen anderen Menschen austauschen.<br />
Es können auch Präsentationen und Videos gezeigt<br />
werden. „Zoom“ ermöglicht, sich zu treffen und<br />
auszutauschen, ohne dass die Teilnehmer an einem Ort,<br />
in einem Raum sind. Die Akteure vor Ort in Ludwigshafen<br />
saßen dabei im großzügigen Café „MittenDrin“.<br />
Sie hielten den notwendigen Abstand zueinander und<br />
hatten ihren Mund-Nasen-Schutz auf, wenn sie nicht<br />
sprachen. So konnte trotz der Corona-Einschränkungen<br />
ein tolles Seminar gestaltet werden. Für den reibungslosen<br />
Ablauf der Schalte vor Ort sorgte Anatoli Peplauf,<br />
der „PIKSL“-Projektkoordinator, der auch die Videos für<br />
das „BeBinar“ gedreht hat.<br />
Dem Team um Nadja Bier, Regionalleitung West- und<br />
Vorderpfalz, ging es darum, am Beispiel des Wohnens<br />
Gleich zu Beginn des „BeBinars“ wurde Partizipation noch<br />
einmal erklärt.<br />
in Ludwigshafen zu zeigen, wie Teilhabe gelebt wird und<br />
was Mitbestimmung für die Menschen bedeutet, die<br />
dort wohnen und arbeiten. Nadja Bier bekam Unterstützung<br />
von Anja Seepe, Leitung „WIR gestalten ZUKUNFT“,<br />
Björn Schmitt, Hausleiter „Wohnen am Ebertpark“,<br />
Angela Neuhard, Hauswirtschaftsleitung „Wohnen am<br />
Ebertpark“ und Silke Wolff, Mieterin im Haus „Wohnen<br />
am Ebertpark“ in Ludwigshafen.<br />
Beschreibung einer Entwicklung<br />
Die Teilnehmer des Webinars erfuhren von diesen<br />
Experten, was für sie persönlich Teilhabe ausmacht und<br />
was das Besondere daran im Wohnangebot in Ludwigshafen<br />
ist. Anja Seepe berichtete in diesem Zusammenhang,<br />
welche Rolle „WIR gestalten ZUKUNFT“ für die<br />
Wohnangebote spielt und wie durch die Umsetzung des<br />
Zoar-Aktionsplans mehr Teilhabe bei Zoar erreicht wird.<br />
Silke Wolff erklärte aus ihrer Sicht, welche Entwicklung<br />
sie im „Wohnen am Ebertpark“ durchlaufen hat. Sie<br />
wurde zuerst Mieterin in der besonderen Wohnform und<br />
erhielt dort die nötige Assistenz der Mitarbeiter, die sie<br />
brauchte, um drei Jahre später in ein frei gemietetes<br />
Appartement im Haus umzuziehen, in dem sie seither<br />
lebt. Während ihres Beitrags war im Hintergrund eines<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
59
Wohnen & Assistenz<br />
ihrer Kunstwerke an der Wand zu sehen. <strong>Das</strong> hatte nach<br />
dem „BeBinar“ zur erfreulichen Folge, dass sich eine<br />
Interessentin dafür meldete.<br />
Kurz-Videos geben Einblicke<br />
In Kurz-Videos wurden verschiedene Bereiche gezeigt,<br />
die das Leben im „Wohnen am Ebertpark“ in Ludwigshafen<br />
ganz besonders machen. Es wurde ein Video zum<br />
Thema Mitkochen gezeigt, bei dem man sehen kann, wie<br />
die Essensplanung, das Einkaufen und Zubereiten des<br />
Essens gemeinsam in der Wohngruppe stattfinden.<br />
Hierzu sagte Angela Neuhard im Interview: „Partizipation<br />
fängt bei uns, auch im hauswirtschaft-lichen<br />
Bereich, schon vor dem Einzug an und zieht sich weiter<br />
durch alle Bereiche. Ob es das Zimmer ist, das nach<br />
eigenen Wünschen möbliert und gestaltet werden kann,<br />
Vorlieben/Abneigungen beim Essen, die erfragt und<br />
berücksichtigt werden oder auch die Wäsche, die<br />
selbstverständlich selbst gewaschen wird (oder auch<br />
mit Assistenz). Hier bei uns in Ludwigshafen sind es eben<br />
nicht die Wurst, der Käse, der Speiseplan, die sich alle<br />
acht Wochen wiederholen oder ein Zimmer, das wie<br />
jedes andere Zimmer aussehen muss. Hier kann jeder<br />
mitbestimmen, was auf den Tisch kommt. Zusammen<br />
einkaufen und kochen ist bei uns an der Tagesordnung.<br />
Hier soll jeder so leben und essen, wie er sich wohlfühlt.<br />
Hier is(s)t man daheim!“.<br />
Ein anderes Video zeigt, wie Hausleiter Björn Schmitt<br />
das Wohnhaus im Rahmen einer Hausbesichtigung<br />
präsentiert, wenn sich Menschen für ein Zimmer im<br />
Wohnangebot in Ludwigshafen interessieren. Björn<br />
Schmitt findet: „Aus meiner Sicht ist die Partizipation<br />
der einzelnen Bewohner unserer besonderen Wohnform<br />
bei Themen, die sie betreffen, wie zum Beispiel Teilnahme<br />
an Team-Gesprächen, Teilnahme an Bewerbungsgesprächen,<br />
gemeinsames Planen und Kochen der<br />
Speisen, ein wichtiges Instrument, um den Weg der<br />
Inklusion gehen zu können. Zudem sind individuelle<br />
Angebote und Vereinbarungen mit den Menschen<br />
wichtig, statt allgemeingültige Regeln für jeden gleich<br />
aufzustellen. Es ist wichtig, keine eigene Expertise über<br />
den Menschen zu erstellen, sondern diese gemeinsam<br />
zu erarbeiten“.<br />
Mitwirkung und Mitbestimmung<br />
Außerdem sahen die Teilnehmer des Webinars in einem<br />
weiteren Video wie Mieter, Mitarbeiter und Bewohner<br />
gemeinsam im Café „MittenDrin“ musizieren. Allerdings<br />
Team-Arbeit: (v.l.n.r.)<br />
Angela Neuhard,<br />
Björn Schmitt, Nadja Bier<br />
und Silke Wolff während<br />
der Übertragung<br />
Spannende Fragen gingen<br />
von Interessierten<br />
während des „BeBinars “<br />
per Chat ein.<br />
60 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Wohnen & Assistenz<br />
in dieser Zeit unter den allgemein geltenden Corona-<br />
Schutzmaßnahmen, wie Abstands- und Hygieneregeln.<br />
Zum Schluss konnten die Teilnehmer den Vortragenden<br />
Fragen stellen, die ausführlich von allen Beteiligten<br />
beantwortet wurden. Nadja Bier gab in diesem Rahmen<br />
eine ausführliche Zusammenfassung, die den Hauptgedanken<br />
der Idee von Partizipation und inklusivem<br />
Wohnraum wiedergibt: „Partizipation hilft, inklusiven<br />
Wohnraum mit Leben zu füllen, weil nur dann, wenn<br />
Menschen sich beteiligen und mitgestalten können und<br />
zu Dingen befragt werden, werden sie echte Teilhabe<br />
am Leben erfahren können“.<br />
Anatoli Peplauf unterstützt Nadja Bier bei der technischen<br />
Umsetzung der Übertragung. Im Hintergrund sind Angela<br />
Neuhard (links) und Silke Wolff zu sehen.<br />
Während des Webinars ist der Bildschirm der<br />
anderen Teilnehmer an der Wand zu sehen.<br />
Und weiter: „Wir möchten als Unternehmen innovativ,<br />
kundenorientiert und zukunftssicher sein. Dafür müssen<br />
unsere Angebote angenommen und gekauft werden.<br />
<strong>Das</strong> kann nur mit Partizipation gelingen. Denn nur die<br />
Menschen, die zukünftig in den neuen Wohnhäusern<br />
leben werden oder sollen, wissen, wie diese Wohnhäuser<br />
oder die Assistenzangebote sein müssen, damit sie ihnen<br />
gefallen. <strong>Das</strong> Bundesteilhabegesetz (siehe dazu<br />
auch den Bericht auf den Seiten 62 bis 75;<br />
Anm. d. Red.) und die UN-Behindertenrechtskonvention<br />
fordern Beteiligung und<br />
Mitbestimmung und nur wer Angebote<br />
schafft, die von den Kunden angenommen<br />
werden, wird sicher in die Zukunft gehen.<br />
Deshalb ist Partizipation der Schlüssel zum<br />
Erfolg und wie man in Ludwigshafen sieht,<br />
auch der Schlüssel zur Zufriedenheit der dort<br />
wohnenden Menschen“.<br />
Silke Wolff: „BeBinar“-Teilnehmerin<br />
Silke Wolff schaute im Nachgang des Webinars mit<br />
Freude auf die Veranstaltung und deren Vorbereitung<br />
zurück. Sie findet es eine große Sache für Zoar, in<br />
einer Live-Schalte in die Öffentlichkeit zu gehen.<br />
Begeistert erinnert sie sich daran, dass sie beteiligt<br />
wurde, sich einen Text für ihren Beitrag überlegte und<br />
diesen auswendig lernte, um am Tag des Online-<br />
Seminars auch alles mitzuteilen, was ihr wichtig ist.<br />
Die Generalprobe verlief reibungslos, und am Tag der<br />
Übertragung bekam sie Applaus, was sie sehr freute.<br />
Begeistert war Silke Wolff auch davon, dass eine der<br />
Veranstalterinnen sich für ihre Kunstwerke interessierte.<br />
Vielleicht kommt es durch das „BeBinar“ zu einem<br />
Kunstverkauf für sie − oder sogar zu einer Ausstellung.<br />
Wir wünschen es ihr.<br />
Anja Seepe<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
61
BTHG<br />
Bundesteilhabegesetz (BTHG)<br />
Gesetzlicher Rahmen für einen Systembeziehungsweise<br />
Paradigmenwechsel<br />
Unter Berufung auf die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ist das<br />
Bundesteilhabegesetz (BTHG) erarbeitet und 2016 verabschiedet worden. Am 1.1.<strong>2020</strong> ist mit<br />
der dritten Reformstufe des BTHG die neue Eingliederungshilfe in Kraft getreten. Mit ihr sollen<br />
die gesellschaftliche Entwicklung und die moderne Gesetzgebung in Bezug auf<br />
behinderte Menschen auch die Menschen erreichen, die für die Verwirklichung<br />
von Teilhabe und Selbstbestimmung auf institutionalisierte Unterstützung<br />
angewiesen sind. Damit verbunden sind grundlegende Änderungen bei den<br />
Leistungsansprüchen, beispielsweise durch die Trennung von Fachleistungen<br />
und existenzsichernden Leistungen.<br />
Grundsätzlich geht es um<br />
die Neuordnung der<br />
Eingliederungshilfe und<br />
die damit verbundene wünschenswerte<br />
Entwicklung der Inklusion.<br />
Hierbei geht es um nichts weniger als<br />
einen System- beziehungsweise Paradigmenwechsel.<br />
Leistungen<br />
für Menschen, die aufgrund einer<br />
Beeinträchtigung nur eingeschränkte<br />
Möglichkeiten haben, sollen aus dem<br />
bisherigen Fürsorgesystem herausgeführt<br />
und die Eingliederungshilfe<br />
zu einem modernen Teilhaberecht<br />
weiterentwickelt werden. Im Laufe<br />
der stufenweisen Einführung des<br />
BTHG haben wir im Zoar-<strong>Magazin</strong><br />
schon mehrfach darüber berichtet;<br />
und zwar in den Exemplaren 3,4/2017,<br />
1/2019 sowie 2/2019. Dieser Bericht<br />
ist somit der vierte zum Thema<br />
„BTHG“. 2023 soll Reformstufe vier<br />
erreicht sein. Diese letzte Reformstufe<br />
wird abschließend auch noch<br />
den leistungsberechtigten Personenkreis<br />
neu definieren.<br />
Reformen sind das Ziel<br />
Denkmuster und Sonderwelten<br />
fallen zugunsten einer neuen<br />
Betrachtungsweise weg. Menschen<br />
mit Beeinträchtigung sind die<br />
Kunden der Sozialunternehmen,<br />
wie zum Beispiel Zoar. In Zukunft<br />
werden sie viel stärker als früher als<br />
Auftraggeber gesehen, für die<br />
passende und speziell auf ihre Person<br />
bezogene Angebote entwickelt<br />
werden. Selbstbestimmung heißt<br />
auch Wahlfreiheit. Dieser Einfachklausel<br />
sollte sich jeder soziale<br />
Dienstleister bewusst sein. Um den<br />
Verlauf des BTHG mit den wichtigen<br />
Reformzielen zu verstehen, müssen<br />
die verschiedenen Seiten betrachtet<br />
werden: Leistungsträger (Städte<br />
und Kommunen, Rentenkassen,<br />
Agentur für Arbeit), Leistungserbringer<br />
(wie zum Beispiel Zoar)<br />
und Leistungsberechtigte (Menschen<br />
mit Beeinträchtigungen).<br />
62 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
BTHG<br />
Wie es zum Beispiel Hans Michael<br />
Eberle, Leiter des Bereichs Teilhabe,<br />
Pflege und Senioren der Stadt<br />
Ludwigshafen, erklärt, ist eine<br />
Bilanzierung der Entwicklungsschritte<br />
bislang noch gar nicht<br />
möglich, „da wir uns noch mitten in<br />
der Umsetzung befinden“. Schließlich<br />
sei dieses Thema an Komplexität<br />
kaum zu überbieten. Der Begriff<br />
„Systemwechsel“ sei da durchaus<br />
angebracht. „Der Systemwechsel<br />
muss in den Köpfen aller beteiligten<br />
Menschen geschehen“, sagte<br />
Referatsleiter Hans Michael Eberle<br />
im Interview. „Gesetzliche Vorgaben<br />
können lediglich Rahmenbedingungen<br />
vorgeben.“<br />
Neue Eingliederungshilfe<br />
Die Vergütung durch Pauschalen<br />
sowie die Trennung zwischen<br />
ambulant, teilstationär und stationär<br />
gibt es seit diesem Jahr nicht mehr.<br />
Schwerpunkte des Wandels liegen<br />
vor allem in der Umsetzung von<br />
mehr Teilhabe; letztlich eine ganz<br />
selbstverständliche Teilhabe<br />
beeinträchtigter Menschen in den<br />
Bereichen Arbeit, Wohnen und<br />
Freizeit. Zum Selbstverständnis der<br />
neuen Eingliederungshilfe gehören<br />
Personenzentrierung, Umsetzung<br />
des Wunsch- und Wahlrechts (zum<br />
Beispiel Wohnform und -ort sowie<br />
passende Assistenz) und Mitwirkung<br />
und Mitbestimmung in Gremien.<br />
Unter diesem Fokus steht zum einen<br />
die Weiterentwicklung der Angebote<br />
der Werkstätten für Menschen mit<br />
Beeinträchtigung und zum anderen<br />
die Weiterentwicklung der Assistenzleistungen<br />
im Bereich Wohnen. <strong>Das</strong><br />
Ziel ist überall gleich: mehr Raum<br />
schaffen für Persönlichkeitsentwicklung<br />
und Eigenständigkeit.<br />
In diesem Zusammenhang startete<br />
im September 2017 das Projekt<br />
„WIR sind alle BUNT“, aus dem sich<br />
„WIR gestalten ZUKUNFT“ (Leitung:<br />
Anja Seepe; Anm. d. Red.) entwickelte,<br />
mit einem großen Kick-Off, in dessen<br />
Rahmen Austausch und Begegnung<br />
stattfanden. In verschiedenen<br />
Arbeitsgruppen wurden die Kernthemen<br />
„Wie wollen wir wohnen“,<br />
„Wie wollen wir miteinander<br />
umgehen“, „Wie wollen wir arbeiten“<br />
und „Partnerschaft und Zweisamkeit“<br />
erarbeitet. Ziel war ein<br />
Aktionsplan, der im September 2019<br />
verabschiedet wurde. Dieser enthält<br />
sowohl Maßgaben zur Kommunikation,<br />
um eine Haltungsänderung<br />
deutlich zu machen als auch<br />
konkrete Maßnahmen zur Partizipation.<br />
Außerdem gibt der Aktionsplan<br />
konkrete Handlungsanweisungen für<br />
den respektvollen Umgang miteinander,<br />
so sollte zum Beispiel vor<br />
Betreten eines Zimmers angeklopft<br />
werden. Weil es hierbei um eine<br />
veränderte Haltung und einen<br />
Umgang auf Augenhöhe geht, ist<br />
das „WIR“-Projekt bei Zoar eng mit<br />
einer erfolgreichen Umsetzung des<br />
BTHG verknüpft.<br />
Decken sich Theorie und Wirklichkeit?<br />
In den Informationsveranstaltungen 2019 erhielten die Leistungsanbieter häufig die Rückmeldung von<br />
den Angehörigen sowie gesetzlichen Betreuern und Betroffenen, dass dieses neue System komplexer und<br />
komplizierter ist als das vorherige. Mehr Aufwand. So, wie es war, war es doch gut, so die Äußerung vieler.<br />
Wo ist unser Mehrwert durch das Bundesteilhabegesetz? Viele wünschten sich zwar schon lange einen<br />
individuelleren, personenzentrierten Ansatz, sind aber trotzdem der Meinung, dass das System dafür<br />
nicht in der Gänze hätte reformiert werden müssen.<br />
<strong>Das</strong> BTHG sieht auch vor, dass der Klient prozessbegleitend einbezogen wird. Zu Beginn steht der Beratungsprozess,<br />
dann die Bedarfsermittlung, dann werden Ziele formuliert, zum Beispiel „Ich möchte lernen mit<br />
dem Bus, mit dem Zug zu fahren“, „Ich möchte einmal die Woche einkaufen gehen“, „Ich möchte einen<br />
Putzplan erstellen“. Gemeinsam werden die Ziele festgelegt. Was sind Deine Ziele? Wo sind Deine<br />
Problemlagen? Wo stehst Du im Moment und welche Unterstützung brauchst Du, um Dein Ziel zu<br />
erreichen? Danach sollte sich die Unterstützung orientieren. Im nächsten Schritt wird überlegt, wer diese<br />
Unterstützung anbieten kann. Erst dann kommt der Leistungsanbieter ins Spiel. Die Leistung, die finanziert<br />
werden soll, ist nun festgelegt. Aus der Vielzahl von Leistungsanbietern wählt der behinderte Mensch mit<br />
Unterstützung des Trägers der Eingliederungshilfe einen Anbieter aus.<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
63
BTHG<br />
Interview mit Volker Conrad, Leiter der Abteilung „Soziale Hilfen“<br />
der Kreisverwaltung Mainz-Bingen, zum Thema „BTHG“<br />
<strong>Das</strong> Interview führte Alexandra Koch.<br />
Ist die Umsetzung des BTHG gut oder weniger<br />
gut gelungen? Wie hat sich die Eingliederungshilfe<br />
seitdem verändert?<br />
Volker Conrad: <strong>Das</strong> Ganze ist ein Prozess. Es kann nicht<br />
die Erwartung sein, dass alle, also die Betroffenen, die<br />
Leistungsanbieter und die Träger der Eingliederungshilfe,<br />
das BTHG innerhalb eines Jahres umgesetzt haben. <strong>Das</strong><br />
ist ein noch nie dagewesener Systemumbruch in der<br />
Eingliederungshilfe. <strong>Das</strong> braucht Zeit. Wir kommen aus<br />
einer Ära, in der vor allem beim stationären Wohnen das<br />
Fürsorgeprinzip vorherrschend war, und jetzt möchte<br />
man genau in diesem Bereich mehr Selbstbestimmung.<br />
<strong>Das</strong> wird noch die ein oder andere kontroverse Diskussion<br />
mit sich bringen. Zur Selbstbestimmung gehört<br />
auch, zu akzeptieren, dass es keine Bewohner mehr gibt,<br />
sondern Mieter von Wohnraum und Menschen, die eine<br />
Dienstleistung zahlen. Daraus ergeben sich Standards,<br />
die auch mit Respekt und Haltung zu tun haben, zum<br />
Beispiel Anklopfen und vorher Bescheid geben, wenn<br />
Fenster geputzt oder Reparaturen durchgeführt werden,<br />
denn die Räume sind ja privat, also sollte man nur mit<br />
Einverständnis eintreten. Menschen mit Behinderung<br />
kommen auch in eine neue Rolle hinein. Dem ein oder<br />
anderen ist das offensichtlich noch gar nicht so bewusst.<br />
In diese neue Rolle müssen viele erst hinwachsen.<br />
Auch das ist ein Prozess. Menschen, die neu in dieses<br />
System kommen, das heißt erstmalig Leistungen<br />
beantragen, sind da wahrscheinlich offener. Da erleben<br />
wir auch ganz andere Vorstellungen und Haltungen,<br />
denn wir hören von diesen Menschen zum Beispiel:<br />
„Wir wollen nicht versorgt werden, sondern selbstbestimmt<br />
leben“. <strong>Das</strong> sind ganz andere Anforderungen<br />
an uns. Über die Gesamt- und Teilhabeplanung kann<br />
man den Systemwechsel dezidiert deutlich machen.<br />
Kommentare von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung,<br />
die bei Zoar arbeiten und/oder wohnen:<br />
Manfred Lamby; wohnt im Wichernhaus, Inkelthalerhof, Rockenhausen / er kann gut mit Zahlen<br />
umgehen und hat fast jeden Tag den Taschenrechner in der Hand. Warum? Weil er für seine<br />
Mitbewohner gern kleine Einkäufe übernimmt und dann auf den Cent genau abrechnen muss.<br />
Man nenn ihn auch den „wandelnden Einkaufsladen“. Manfred Lamby ist Haussprecher<br />
im Wichernhaus und Mitglied im Bewohnerbeirat.<br />
„Mit Geld umgehen zu können, ist wichtig. Jeder braucht Geld. Damit kauft man<br />
ein und erfüllt sich Wünsche. Auch die Miete muss davon bezahlt werden. <strong>Das</strong> ist<br />
ja jetzt anders geworden. So wissen wir wenigstens, was das Wohnen kostet. <strong>Das</strong><br />
ist gut. Jeder sollte das wissen. Wie das mit der EC-Karte und PIN-Nummer geht,<br />
habe ich einmal gezeigt bekommen. Seitdem mache ich es alleine. Ich habe schon<br />
lange ein eigenes Girokonto. Zu meinen Mitbewohnern habe ich einen guten Kontakt.<br />
Für einige von ihnen kaufe ich, wenn ich in der Stadt bin, mit ein. Was sie brauchen,<br />
schreiben sie mir vorher auf einen Zettel. Manchmal gebe ich auch Kredit. Da ich aber alles ganz<br />
genau aufschreibe, weiß ich immer, von wem ich noch Geld zu bekommen habe.“<br />
64 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
BTHG<br />
Ist der Systemwechsel zur Ablösung des Fürsorgesystems<br />
der Sozialhilfe hin zu mehr Selbstbestimmung<br />
in der Eingliederungshilfe gelungen?<br />
Volker Conrad: Ja. Er befindet sich jedoch noch in der<br />
Umsetzung. <strong>Das</strong> BTHG setzt genau an dem Punkt an,<br />
nämlich auf Augenhöhe mit Menschen mit Behinderung<br />
die Bedarfserhebung und -planung durchzuführen. Es ist<br />
das große Ziel, dass nicht über die Köpfe der Menschen<br />
mit Behinderung hinweg entschieden wird, sondern dass<br />
man sie ernst nimmt und fragt, was ihre Ziele, Wünsche<br />
und Vorstellungen sind. Wie möchtest Du leben? Mit<br />
wem möchtest Du leben? Wie möchtest Du arbeiten? Wie<br />
möchtest Du Deine Freizeit gestalten? Es ist ein guter<br />
Ansatz des BTHG, dass es bundesweit neutrale Beratungsinstanzen<br />
gibt, deren Aufgabe es ist, Menschen mit<br />
Behinderung zu beraten; das sind hier in der Region zum<br />
Beispiel das ‚ZSL‘, Mainz, und ‚Rhein-Main inklusiv‘.<br />
Dortige Mitarbeiter haben oft selbst eine Beeinträchtigung.<br />
Die Devise lautet, Betroffene unterstützen Betroffene,<br />
beraten vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen<br />
und unterstützen bei der Beantragung von Leistungen.<br />
Die persönliche Einbindung ist ein ganz wichtiger Aspekt.<br />
Die sachgerechte Umsetzung dieses Ziels erfordert<br />
personelle Ressourcen. Es wird wesentlich individueller,<br />
aber auch zeitaufwendiger. Wenn Zoar zum Beispiel<br />
früher ein Geldbetrag als ‚All inclusive‘-Paket überwiesen<br />
wurde, ist es heute so, dass Zoar einen Teil überwiesen<br />
bekommt und der Mensch mit Behinderung ebenfalls,<br />
nämlich einen sehr individuellen Grundsicherungsbetrag,<br />
der ständig überprüft werden muss, weil sich unter<br />
anderem Rentenbeiträge und Regelsätze ändern und<br />
Mieten anpassen. <strong>Das</strong>, was im ambulanten Bereich,<br />
schon lange normal ist, trifft jetzt eine große Personengruppe,<br />
die in stationären Wohnformen lebt und bisher<br />
immer anders behandelt wurde. Sie bekamen zum<br />
Beispiel ein wöchentliches ‚Taschengeld‘ zur besseren<br />
Einteilung der Finanzen.<br />
Mitwirkung und Mitbestimmung von Menschen mit<br />
Beeinträchtigung sind wichtige Begriffe in diesem<br />
Zusammenhang. Hat sich Teilhabe in beruflicher<br />
und gesellschaftlicher Hinsicht verändert?<br />
Volker Conrad: <strong>Das</strong> BTHG birgt eine Riesen-Chance,<br />
gerade für Menschen mit hohen Unterstützungsbedarfen,<br />
wo man bislang immer gesagt hat: „Weil Dein<br />
Unterstützungsbedarf so hoch ist, solltest Du im Heim<br />
wohnen“. Mit der besonderen Wohnform wird jetzt alles<br />
viel transparenter. Was bezahlt jemand an Miete?<br />
Michael Zimmermann; wohnt im Bodelschwinghhaus 1, Inkelthalerhof,<br />
Rockenhausen / er malt sehr gerne (seine Bilder wurden in den verschiedenen<br />
Zoar-Publikationen schon mehrfach vorgestellt; Anm. d. Red.). Für die<br />
Malutensilien gibt er gern Geld aus. Trotzdem weiß er mit Geld umzugehen<br />
und schaut sich auch seine Kontoauszüge regelmäßig an. <strong>Das</strong> macht er schon<br />
immer so, obwohl er einen gesetzlichen Betreuer hat. Seiner Meinung nach,<br />
sollte man sich um die eigenen Sachen so gut es geht selbst kümmern. Daher<br />
findet er den Selbstbestimmungsgedanken des BTHG sehr gut.<br />
„Für mich hat sich bisher nicht viel geändert seit der Einführung vom BTHG. <strong>Das</strong> ist gut so,<br />
denn Veränderungen mag ich nicht so sehr. Seit der Änderung bleibt auf meinem Girokonto sogar<br />
mehr Geld hängen. Daher kann ich mich nicht beklagen. Seitdem ich die monatlichen Zu- und<br />
Abgänge von meinem Konto sehe, weiß ich erst, wie viel Geld das Wohnen kostet. <strong>Das</strong> Leben ist<br />
generell teuer. Jeder von uns muss mit seinem Geld haushalten können, besonders, wenn man sich<br />
auch noch private Wünsche erfüllen möchte. Ich zum Beispiel gehe gern essen, wenn wir das nach<br />
der Corona-Zeit hoffentlich bald wieder können, und kaufe mir auch gern mal neue Klamotten.<br />
Ich persönlich finde es gut, hier in dem geschützten Rahmen zu leben. Trotzdem mag ich es auch,<br />
mitzubestimmen und selbst aktiv zu werden.“<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
65
BTHG<br />
Wie hoch ist der Regelsatz? Was ist die Eingliederungshilfemaßnahme?<br />
Noch hapert es bei der personenzentrierten<br />
Finanzierung der Eingliederungshilfemaßnahme.<br />
<strong>Das</strong> sind langjährige Prozesse. Man kann nicht<br />
von heute auf morgen ein Finanzierungssystem in der<br />
Gänze umstellen. Wir sind bei der Umsetzung des BTHG<br />
noch sehr am Anfang, was ich aber auch gar nicht<br />
negativ sehe. Wir müssen jetzt erstmal den Schritt<br />
schaffen, Fachleistung und Existenzsicherung sauber zu<br />
trennen, um dann die Fachleistung personenzentriert<br />
auszurichten. Damit es Menschen, auch mit hohem<br />
Unterstützungsbedarf, möglich gemacht wird, bei Bedarf<br />
außerhalb von besonderen Wohnformen zu leben.<br />
In welcher Weise hat die Corona-Pandemie die<br />
Reformschritte verzögert oder gar ganz verhindert?<br />
Volker Conrad: Auf verschiedenen Ebenen ist das ein<br />
deutlicher Einschnitt. Wenn Bewohner verselbstständigt<br />
werden sollen, einkaufen zu gehen, dann hat Corona<br />
da sehr viel an guter Entwicklung zunichte gemacht.<br />
Denn da Menschen mit Behinderung zumeist zu den<br />
Risikogruppen zählen, sind sie zum eigenen Schutz<br />
im geschützten Rahmen verblieben, und es sind,<br />
um bei diesem Beispiel zu bleiben, andere für sie<br />
einkaufen gegangen.<br />
Mit Blick auf den BTHG-Umsetzungsprozess sind viele<br />
Besprechungen aufgrund der Corona-Pandemie ausgefallen.<br />
<strong>Das</strong> verlangsamt den Prozess momentan deutlich.<br />
Es ist aber auch richtig, dass wir verantwortungsvoll mit<br />
der Pandemie umgehen. Der Mensch mit Behinderung<br />
hat verschiedene Lebensbereiche: Arbeit, das wurde ihm<br />
verwehrt beim ersten ‚Lockdown‘, Wohnen in der<br />
besonderen Wohnform und die Herkunftsfamilie.<br />
Und wenn sich das von heute auf morgen auf einen<br />
Lebensbereich reduziert, ist das natürlich eine sehr<br />
massive Einschränkung und Belastung. Es waren<br />
politische Entscheidungen, die getroffen wurden und<br />
die der Pandemie-Lage geschuldet waren und sind.<br />
Hätte man diese Maßnahmen nicht ergriffen, wäre die<br />
Situation für uns alle noch viel kritischer gewesen. Es ist<br />
ein Abwägen. Was ist im Moment wichtiger? Da sind wir<br />
wieder beim Thema Fürsorge und der Spannung<br />
zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung. Corona<br />
geschuldet sind aktuell mehr die fürsorgenden Elemente<br />
in den Vordergrund gerückt. Wenn es dann einen Impf-<br />
Thomas Spintler; wohnt im Haus am Park, Zoar Heidesheim / er fühlt sich relativ<br />
fit und kann sich um vieles selbst kümmern. Gern gibt er auch mal Mitbewohnern<br />
Rat, Rentner zum Beispiel haben einen höheren Selbstbehalt, was dazu<br />
führt, dass ihnen monatlich etwas mehr Geld zur Verfügung steht. Andererseits<br />
hat er auch gern seine Ruhe und hält sich in seinem Zimmer auf. Während dem<br />
Corona-Lockdown haben Mitarbeiter für die Hausbewohner eingekauft. Zum<br />
Teil seien sie mit über dreißig Umschlägen mit Geld „losgezogen“. Thomas Spintler<br />
empfand Dankbarkeit dafür, obwohl er es eigentlich gewohnt ist, seine Wege selbst zu<br />
erledigen; eben auch, weil er so aktiv ist.<br />
„Ich finde, es war längst überfällig, uns mehr mitwirken und mitbestimmen zu lassen. Durch Corona ist<br />
vieles wieder verdrängt worden. Dinge haben sich verzögert oder liegen immer noch auf Eis. Rund um das<br />
BTHG gibt es eine Fülle an Informationen. Je nachdem, welche kognitive Einschränkung man hat, ist das<br />
alles mehr oder weniger gut zu verstehen. Jeder sollte in dem Rahmen, der ihm möglich ist und seinen<br />
Fähigkeiten entspricht, selbstbestimmt leben können. Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen<br />
Leben ist auf jeden Fall sehr wichtig. Ich selbst sehe mich nicht als ausgegrenzt.“<br />
66 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
BTHG<br />
stoff gibt und sich die Lage entspannt, muss man die<br />
BTHG-Umsetzung wieder mehr in den Fokus nehmen.<br />
Wenn man Menschen mit Beeinträchtigungen als<br />
Kunden für zu erbringende soziale Dienstleistungen<br />
sieht, ändert sich das Verhalten gegenüber diesen<br />
Menschen. Sehen Sie das auch so?<br />
Volker Conrad: Ganz klar, ja. Es sind Kunden für eine<br />
soziale Dienstleistung. Wichtig ist da die Transparenz.<br />
Was kostet der soziale Dienstleister? Was kostet die<br />
Fachleistung und welche Leistung wird genau erbracht?<br />
Welche Qualifikationen haben die Mitarbeiter des<br />
sozialen Dienstleisters? Der Mensch mit Behinderung ist<br />
nicht mehr Objekt, sondern er steuert den Prozess, wenn<br />
er einen anerkannten Bedarf hat, aktiv mit.<br />
Tatsache ist, dass die Eingliederungshilfe dem Träger<br />
der besonderen Wohnform bis zum 31.12.2019 einen<br />
Pauschalbetrag gezahlt hat. In diesem Pauschalbetrag<br />
waren Positionen wie Unterkunft und Verpflegung nicht<br />
sauber getrennt von der Fachleistung. Jetzt müssen<br />
aufgrund des Systemwechsels diese Positionen<br />
auseinanderdividiert werden. Durch die Trennung der<br />
Leistungen wird erst richtig transparent, was wie viel<br />
kostet. Was kostet das Wohnen? Was kostet die Fachleistung?<br />
<strong>Das</strong> nächste wird sein, diese Fachleistungen<br />
personenzentriert zu finanzieren. Da gibt es verschiedene<br />
Denkmodelle, wie das geschehen könnte. Klar ist jedoch,<br />
je personenzentrierter ich die Finanzierung gestalte,<br />
umso mehr kann der Verwaltungsaufwand für alle<br />
Beteiligten steigen. In den ambulanten Bereichen<br />
haben wir diese Finanzierungsstrukturen ja schon lange.<br />
Vorranging dreht es sich um die Bedarfserhebung und<br />
entsprechende Finanzierung. Es ist zwar zeit- und<br />
personalintensiv, birgt aber eine große Chance für<br />
mehr Teilhabe und Selbstbestimmung.<br />
Für den stationären Bereich und die Menschen, die<br />
dort wohnen, ist das eine neue Form, selbst zu<br />
bestimmen, zum Beispiel: Der Regelsatz kommt auf<br />
das private Konto und der Empfänger kann entscheiden,<br />
wie er ihn einsetzt. Wenn ihm das Essen nicht schmeckt,<br />
dann kann er selbstständig die Entscheidung treffen,<br />
woanders sein Essen zu sich zu nehmen. <strong>Das</strong> ist<br />
auch eine Form der Selbstbestimmung. Diese eigenständige<br />
Entscheidung möchten wir Menschen mit<br />
Kerstin Kessel; wohnt im Haus Rheinblick, Zoar Heidesheim / sie bekommt<br />
Grundsicherung und Blindenhilfe. Bis die Umstellung geklappt hat und<br />
das Geld nach Wochen endlich erstmals auf ihrem Konto eingegangen ist, war<br />
die Erleichterung groß. Denn seit dem 01.01.<strong>2020</strong> haben die Mieter ja auch monatliche<br />
Abzüge. Und um diese bezahlen zu können, müssen auch die Zugänge aufs Konto<br />
sichergestellt sein. Jetzt fühlt sich Kerstin Kessel wieder entspannter, zumal ihr die<br />
Blindenhilfe rückwirkend von Dezember 2019 ausgezahlt wurde. Die junge Frau führt<br />
ihre Bankgeschäfte über eine Handy-App online.<br />
„<strong>Das</strong>s so eine Systemumstellung viel Arbeit macht, verstehe ich ja.<br />
Trotzdem war es für mich ärgerlich und nervenaufreibend, denn<br />
irgendwann waren auch meine Rücklagen aufgebraucht. Trotz<br />
meiner Einschränkung versuche ich, aktiv zu sein. <strong>Das</strong> gelingt mir<br />
eigentlich auch. Natürlich war der Corona-Lockdown für uns alle ein<br />
Rückschritt. Aber es werden auch wieder bessere Zeiten kommen.“<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
67
BTHG<br />
Behinderung zutrauen; und sie erhalten ja die<br />
fachliche Unterstützung, genau bei diesem Punkt in<br />
eine Diskussion einzutreten.<br />
Welche Aufgabe im Zusammenhang mit dem BTHG<br />
beschäftigt Sie derzeit in Ihrer beruflichen Funktion<br />
besonders? Welche Herausforderungen müssen noch<br />
bewältigt werden?<br />
etwas an ihren gewohnten Abläufen zu ändern. Gerade<br />
da sind wir auf die Mitarbeit der Leistungserbringer<br />
angewiesen, diesen Prozess zu unterstützen und die<br />
Menschen genau an diesem Punkt zu ermutigen, sich<br />
mehr zuzutrauen. Prozesse der Verselbstständigung<br />
sollten aktiv unterstützt werden. <strong>Das</strong> Evangelische<br />
Diakoniewerk Zoar sehen wir in dieser Hinsicht als<br />
verlässlichen Kooperationspartner.<br />
Volker Conrad: Die größte Herausforderung wird sein,<br />
dass die Fachleistung personenzentriert ausgerichtet<br />
wird. <strong>Das</strong>s der individuelle Bedarf des Menschen auch<br />
finanziell dargestellt wird, weg von der pauschalen<br />
Finanzierung, hin zu einem Finanzierungssystem, das<br />
es berücksichtigt, dass es Menschen mit hohen und<br />
niedrigen Unterstützungsbedarfen gibt. So kann das<br />
System der besonderen Wohnformen durchlässiger<br />
gemacht werden.<br />
Die zweite Herausforderung ist, dass es uns weiterhin<br />
gelingt, Menschen mit Behinderung aktiv in die<br />
Teilhabeplanung einzubinden. Es gibt Menschen,<br />
bei denen das gut klappt; andere, die schon lange in<br />
Wohnheimen leben, können sich oft schwer vorstellen,<br />
Jörg Andreas Petersen; wohnt im Haus Rheinblick, Zoar Heidesheim / er war früher Busfahrer<br />
und befindet sich in Frührente. Er sagt, dass er sich mit seiner psychischen Krankheit<br />
arrangiert und sich sein Zustand stabilisiert hat. Gern würde Jörg Andreas Petersen auf<br />
einem ausgelagerten Arbeitsplatz, am liebsten in einer Buchhandlung, arbeiten. Allerdings<br />
weiß er auch, dass er aufgrund seiner Einschränkung nicht so belastbar ist. Daher würde<br />
er dort gern Teilzeit arbeiten. Er hofft auf die Zeit nach Corona und hält an seinem<br />
beruflichen Teilhabewunsch fest. In seiner Freizeit hört er gern Musik, zum Beispiel<br />
Jazz, Klassik und Christrock.<br />
„Ich bekomme Rente und Grundsicherung. Durch das BTHG und die damit verbundenen<br />
Umstellungen weiß ich jetzt, was Miete, Verpflegung und Assistenzleistungen kosten.<br />
Vieles ist transparenter geworden. <strong>Das</strong> finde ich gut. Denn so fühlt man sich viel mehr einbezogen.<br />
Es bringt nichts, wenn man zu überbehütet lebt, dann verlernt man die Alltagstauglichkeit.<br />
Als Ersatz für den Heimvertrag bekamen wir den Wohn- und Assistenzvertrag.<br />
Allein schon der Wechsel der Begrifflichkeiten ist ein großer Schritt. Ich fühle mich hier als<br />
Mieter. Wir alle sollten uns mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen.“<br />
68 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
BTHG<br />
Interview mit Hans Michael Eberle, Leiter des Bereichs Teilhabe,<br />
Pflege und Senioren der Stadt Ludwigshafen, zum Thema „BTHG“<br />
<strong>Das</strong> Interview führte Alexandra Koch.<br />
Ist die Umsetzung des BTHG gut oder weniger gut<br />
gelungen? Wie hat sich die Eingliederungshilfe<br />
seitdem verändert?<br />
Hans Michael Eberle: Um diese Frage beantworten zu<br />
können, müssen die verschiedenen Seiten betrachtet<br />
werden: Leistungsträger – Leistungserbringer –<br />
Leistungsberechtigter. Hier handelt es sich um das<br />
sozialrechtliche Dreiecksverhältnis. Wir als Leistungsträger,<br />
aus dessen Sicht ich spreche, sind noch mitten<br />
in der Umsetzung, die ja noch mindestens bis zum<br />
31.12.2022, dem Ende der Umsetzungsvereinbarung<br />
Rheinland-Pfalz, andauern wird. Zudem sind Dinge, wie<br />
die Sozialraumorientierung, die im SGB IX mehrmals<br />
vorgesehen ist, noch nicht umgesetzt. Wenn ich an die<br />
ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit,<br />
Behinderung und Gesundheit; Anm. d. Red.) orientierte<br />
Gesamtplanung denke, sind wir ebenfalls mitten in der<br />
Umsetzung. Daher kann meines Erachtens noch nicht<br />
davon gesprochen werden, ob die Umsetzung des<br />
BTHG gelungen ist.<br />
Ist der Systemwechsel zur Ablösung des Fürsorgesystems<br />
der Sozialhilfe hin zu mehr Selbstbestimmung<br />
in der Eingliederungshilfe gelungen?<br />
Hans Michael Eberle: Meines Erachtens kann ein<br />
Systemwechsel nicht durch gesetzliche Vorgaben<br />
beziehungsweise Veränderungen gelingen. Sie können<br />
lediglich einen Rahmen vorgeben. Ein Systemwechsel<br />
kann nur in den Köpfen aller beteiligten Menschen<br />
geschehen. Und davon sind wir, so meine Meinung,<br />
leider immer noch meilenweit entfernt. <strong>Das</strong> Wort<br />
‚Inklusion‘ möchte ich da gar nicht erst in den<br />
Mund nehmen.<br />
Ute Ganneck; wohnt im Haus am Park, Zoar Heidesheim / 2019 hat sie ein<br />
Praktikum in der Abteilung Kunst & Gewerbe gemacht. <strong>Das</strong> hat ihr zwar gut<br />
gefallen, war aber auch anstrengend für sie. Ute Ganneck braucht nach eigener<br />
Einschätzung den geschützten Rahmen mehr als manch anderer und ist daher<br />
froh, dass die Assistenzleistungen so personenzentriert sind. Zurzeit besucht sie<br />
die tagesstrukturierenden Maßnahmen am Zoar-Standort Heidesheim.<br />
„Ich wohne hier seit einem Jahr und fühle mich wohl, trotzdem würde ich aber auch gerne<br />
mal in eine anthroposophische Klinik gehen, weil ich denke, dass die dortige Therapie mir<br />
helfen würde. Ich habe multiple Einschränkungen und traue mir auch nicht so viel zu. <strong>Das</strong><br />
Thema ‚BTHG‘ ist komplex. Für mich ist es manchmal kompliziert. Wenn uns das Taschengeld<br />
wöchentlich bar ausgezahlt wird, ist das doch ok. Es war auf jeden Fall einfacher und<br />
nicht so umständlich.“<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
69
BTHG<br />
Gern möchte ich ein Beispiel nennen: Seit dem<br />
01.01.<strong>2020</strong> haben wir die Trennung der Fachleistungen<br />
von den existenzsichernden Leistungen. Diese Trennung<br />
wirkt sich vor allem bei den bisherigen Wohnheimen,<br />
also den jetzigen besonderen Wohnformen, aus. Gesetzlich<br />
im BTHG vorgesehen ist, dass die Fachleistung direkt<br />
vom Leistungsträger an den Leistungserbringer gezahlt<br />
wird. Die existenzsichernde Leistung sollte normalerweise<br />
an den leistungsberechtigten Menschen direkt gezahlt<br />
werden. Der zahlt dann die Miete selbst an den<br />
Vermieter, und der Regelsatz steht ihm für seinen täglichen<br />
Bedarf, also für Verpflegung, Strom, Kleidung und<br />
Freizeitgestaltung, zur Verfügung. So funktioniert es im<br />
besten Fall, und so ist es auch im BTHG gemeint.<br />
Allerdings gab und gibt es vielfältige Alltagsanpassungen<br />
und Verwässerungen des BTHG. <strong>Das</strong> ‚All inclusive‘-<br />
Angebot der Leistungserbringer hat eigentlich immer<br />
noch Bestand. Leistungserbringer haben Mietverträge<br />
gestaltet, mit denen die direkte Mietzahlung vom<br />
Leistungsträger an den Leistungserbringer vorgesehen<br />
ist. Diese haben darüber hinaus angeboten, dass die<br />
entsprechenden Anteile des Regelsatzes direkt an den<br />
Leistungserbringer gezahlt werden. Der Einfachheit<br />
halber haben sie zudem angeboten, dass die Barmittel<br />
gleich mit überwiesen werden. Und so haben wir unter<br />
dem Strich eine Situation wie vorher. Alle Leistungen<br />
werden direkt an den Leistungserbringer gezahlt, der<br />
dann wie bisher ‚Taschengeld‘ an den Leistungsberechtigten<br />
auszahlt.<br />
In welcher Weise hat die Corona-Pandemie die<br />
Reformschritte verzögert oder gar ganz verhindert?<br />
Hans Michael Eberle: Selbstverständlich hat die Corona-<br />
Pandemie zu Verzögerungen geführt. Auch mussten wir<br />
erleben, dass Menschen mit und ohne Behinderung in<br />
Pierre Leis; wohnt im Haus Rheinblick, Zoar Heidesheim / er wohnt seit Sommer <strong>2020</strong><br />
dort. Er erzählt, dass er 2001 psychisch krank wurde und sich auch einige Zeit in der<br />
Forensik aufhielt. Davor hat er in der IT-Branche gearbeitet. Da hofft er auch, wieder<br />
beruflich Fuß zu fassen. Momentan liegt Corona bedingt jedoch alles auf Eis. Pierre Leis<br />
macht das meiste allein. Er findet es gut, Eigenverantwortung zu tragen. Bei seinen<br />
Bewerbungen erhält er Assistenz, zum Beispiel, wenn es darum geht, Passfotos machen<br />
zu lassen oder das Anschreiben zu formulieren.<br />
„Seit dem 01.01.<strong>2020</strong> bekomme ich etwas mehr Geld als früher. Es bleibt zum Selbstbehalt einfach<br />
mehr übrig. Später möchte ich im Alltag auf jeden Fall wieder Fuß fassen. Hier wohne ich ein Jahr<br />
zur Probe. <strong>Das</strong> An- und Abmelden im Haus funktioniert mittlerweile gut. An die Hausordnung sollte<br />
sich am besten jeder halten. Dafür ist sie ja da. Ich bin es gewohnt, ein eigenes Konto zu haben. Für<br />
mich ist das nichts, was mir erklärt werden müsste. Während der Corona-Zeit ist der Zusammenhalt<br />
unter den Bewohnern im Haus noch größer geworden. Ich glaube, das ist in allen Häusern so.“<br />
Bei den Gesprächen mit dabei war Melanie Getto, Zoar-Mitarbeiterin am Standort Heidesheim.<br />
70 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
BTHG<br />
dieser Krise unterschiedlich behandelt wurden. Aber wir<br />
dürfen nicht vergessen, es diente dem Schutz dieser<br />
Menschen, von denen viele zur Risikogruppe gehören.<br />
Außerdem sind es Bund-Länder-Verordnungen, deren<br />
Sinnhaftigkeit man nicht anzweifeln sollte. Auch<br />
Vorwürfe sind hier fehl am Platz. Wenn ich mir überlege,<br />
was passiert wäre, wenn zum Beispiel in einer Werkstatt<br />
für Menschen mit Behinderung oder in einem Wohnheim<br />
Corona ausgebrochen wäre, Menschen erkrankt<br />
oder gestorben wären. Nicht auszudenken. Werkstätten<br />
sind in die Wertschöpfungskette eingebunden, wurden<br />
aber nicht wegen wegfallender Aufträge, sondern<br />
aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen gegenüber der<br />
Personengruppe geschlossen.<br />
Wenn man Menschen mit Beeinträchtigungen als Kunden<br />
für zu erbringende soziale Dienstleistungen sieht, ändert<br />
sich das Verhalten gegenüber diesen Menschen.<br />
Sehen Sie das auch so?<br />
Hans Michael Eberle: Im Bundessozialhilfegesetz hat<br />
man noch von Hilfesuchenden und Hilfeempfängern<br />
gesprochen. Dann kam zum 01.01.2005 das SGB XII<br />
und hat das Bundessozialhilfegesetz abgelöst. Darin<br />
wurde erstmals von nachfragenden Personen und<br />
Leistungsberechtigten gesprochen. <strong>Das</strong> SGB IX spricht<br />
auch heute nicht von Kunden. Im Gesetz ist mir diese<br />
Begrifflichkeit fremd.<br />
Hilfeempfänger – Leistungsberechtigter: Es kommt<br />
immer auf das Individuum an. Wie gehe ich mit den<br />
Menschen um? Wie verwende ich Sprache? Sehe ich<br />
einen Menschen, egal, ob er Grundsicherung oder<br />
Eingliederungshilfe beantragt, als Hilfesuchenden und<br />
Hilfeempfänger? Oder sehe ich ihn als einen Menschen<br />
an, der auf diese Leistung einen Anspruch hat. Im BTHG<br />
ist es sogar so geregelt, dass wir bei jedem Prozessschritt<br />
den Menschen mit Behinderung zu beteiligen haben.<br />
<strong>Das</strong> macht sehr viel Arbeit und ist daher personalintensiv.<br />
Ein Beispiel: Wir hatten bisher sechs Stellen fürs<br />
Fallmanagement Eingliederungshilfe; ab <strong>2020</strong> stehen<br />
mir dafür in diesem Bereich zwanzig Mitarbeiter zur<br />
Verfügung. Wir haben massiv Personal aufgestockt,<br />
um diesem gesetzlichen Auftrag, den Menschen mit<br />
Behinderung am Prozess zu beteiligen, nachzukommen.<br />
Wir setzen im Fallmanagement Mitarbeiter ein, die ein<br />
Studium der Sozialen Arbeit haben; außerdem erhalten<br />
sie berufsbegleitend eine 18-modulige zertifizierte<br />
Weiterbildung zum Fallmanager. Sie stehen im<br />
Frank Theobald, Hausleiter Falkhaus, Inkelthalerhof Rockenhausen<br />
„Wir merken, dass die Veränderung für manche schwer zu verstehen ist, weil<br />
es eben ganz lange anders war. Die Menschen wurden mehr betreut und Dinge<br />
wurden für sie entschieden. Heute stehen Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit<br />
im Mittelpunkt; auch unterstützt durch das BTHG. Trotzdem ist es für<br />
manche unserer langjährigen Bewohner zu viel. Sie können damit nicht umgehen.<br />
Sind hospitalisiert. Wir müssen das immer am jeweiligen Einzelfall sehen. Alles funktioniert<br />
eben sehr personenzentriert. Der mögliche Grad der Mitbestimmung und Mitwirkung hängt auch<br />
von den persönlichen Möglichkeiten ab und davon, in wie weit die Mieter dies überhaupt möchten.<br />
Manche ja, manche nein; bei denen erledigt die Bankgeschäfte dann der gesetzliche Betreuer, so wie<br />
die anderen Formalitäten auch.<br />
Bei einigen, die hier wohnen, bleibt finanziell mehr hängen als früher. <strong>Das</strong> ist gut. So wird zum Beispiel<br />
eventuelles Vermögen nicht mehr komplett für den Platz in der besonderen Wohnform angerechnet. Früher<br />
war das dann weg. Auch von der Rente bleibt mehr für den Einzelnen übrig. Auf der anderen Seite finde ich<br />
es auch gut, dass die Kosten für Miete, Verpflegung und Assistenz nun offen liegen. So weiß jeder, was das<br />
Leben kostet. Außerdem misst man Dingen, die etwas kosten, einen größeren Wert bei.“<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
71
BTHG<br />
unmittelbaren Kontakt zu den Leistungsberechtigten<br />
und schauen sich den betroffenen Menschen<br />
ganzheitlich an, auch in dessen Umfeld.<br />
Ein Miteinander auf Augenhöhe – zuhören, ernst<br />
nehmen, nicht über Köpfe hinweg entscheiden.<br />
Diese Wünsche äußerten viele Teilnehmer der Zoar-AGs<br />
zum Thema „WIR gestalten ZUKUNFT“. Sind Sie der<br />
Ansicht, dass das BTHG und seine Umsetzung in vier<br />
Reformstufen genau dort ansetzt? Ist es idealerweise<br />
so entworfen und geplant, dass es den Menschen<br />
in den Mittelpunkt stellt?<br />
Hans Michael Eberle: <strong>Das</strong> Bundesteilhabegesetz setzt<br />
genau dort an, denn es spricht zum Beispiel von Sozialraumorientierung.<br />
Was ist das? In Ludwigshafen haben<br />
wir mit Zoar und vier anderen Leistungserbringern eine<br />
Art Kooperation geschlossen, mit dem Ziel an einem<br />
Modellprojekt des Landes teilzunehmen. Wir möchten<br />
ein gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, was<br />
Sozialraumorientierung ist und auch so arbeiten.<br />
Der ‚Papst‘ der Sozialraumorientierung ist Professor<br />
Wolfgang Hinte. Er war schon einige Male hier in<br />
Ludwigshafen. Er begleitet uns zu diesem Thema.<br />
Außerdem sehen wir uns gut funktionierende<br />
Beispiele mit Vorbildcharakter an, zum Beispiel in<br />
Husum. Auch hier in Ludwigshafen soll ein Modellprojekt<br />
entstehen. Dafür müssen wir jedoch erst eine<br />
gemeinsame Sprache finden, denn oftmals gibt es<br />
verschiedene Vorstellungen, so auch zu den Begriffen<br />
‚Inklusion‘ und ‚Sozialraumorientierung‘.<br />
<strong>Das</strong> SGB IX stellt den Menschen in den Mittelpunkt.<br />
Der Mensch soll an allen Schritten im Rahmen der<br />
Gesamtplanung beteiligt werden. Umsetzung der<br />
Selbstbestimmung − wenn uns das gelingt, dann<br />
haben wir Inklusion. Selbstbestimmung des<br />
Jennifer Helt-Armbrüster, Zoar-Mitarbeiterin der Finanzbuchhaltung<br />
„<strong>Das</strong> BTHG in seiner Umsetzung ist aufwendig, vor allem im Bereich der Finanzbuchhaltung.<br />
Früher wurde eine Rechnung an den Kostenträger gestellt. Heute<br />
muss für alles separat eine Rechnung geschrieben werden. Die Rechnungsstellung<br />
hat sich vermehrt und verändert. Heute gehen Gelder ein, die man erst nach intensiver<br />
Recherche zuordnen kann. Die Zahlungseingänge kommen von vielen unterschiedlichen Stellen: von<br />
diversen Kostenträgern, aus privater Hand, von Rententrägern und vom Grundsicherungsamt. Früher<br />
waren die meisten eingehenden Beträge immer gleich und konnten einfach und schnell<br />
verbucht werden. Heute ist alles sehr diffizil geworden.<br />
Problematisch wird es auch aufgrund der dynamischen und nicht statischen Strukturen.<br />
Grundsicherungs- und Rentenbescheide zum Beispiel ändern sich aufgrund von Anpassungen<br />
regelmäßig, daher müssen sie in bestimmten Abständen alle händisch überprüft werden; und das<br />
bei uns für 570 Menschen mit Beeinträchtigung. <strong>Das</strong> muss sauber organisiert sein, sonst wird es<br />
chaotisch. Gerade für Menschen mit Beeinträchtigung sind klare Strukturen wichtig. So waren<br />
sie es gewohnt, und so waren auch die Geldzuflüsse und -abgänge ordentlich geregelt. Gut.<br />
Jede Veränderung bringt immer erst einmal Unruhe und Mehraufwand mit sich. <strong>Das</strong> ist normal.<br />
2019 gab es ja viele Informationsveranstaltung für die Betroffenen. Und die, die fit sind und fest<br />
im Leben stehen, schaffen das auch gut, wo sie vielleicht früher unterschätzt wurden.<br />
Alle sind gefordert.“<br />
72 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
BTHG<br />
Menschen mit Behinderung bedeutet, im Gesetz wird<br />
von Wunsch- und Wahlrecht gesprochen, dass der Wille<br />
des Menschen das Entscheidende ist und nicht das, was<br />
Leistungsträger und Leistungserbringer meinen, was für<br />
den Menschen aus professioneller Sicht gut wäre. Wenn<br />
wir den Willen des Menschen als Maß setzen und dies in<br />
der Gesamtgesellschaft so umsetzen, dann ist Inklusion<br />
gelungen. Dafür ist es unabdingbar, dass der Mensch mit<br />
Behinderung seinen Willen äußert. Was will er? <strong>Das</strong> muss<br />
er uns sagen.<br />
Welche Aufgabe im Zusammenhang mit dem<br />
BTHG beschäftigt Sie derzeit in Ihrer beruflichen<br />
Funktion besonders? Welche Herausforderungen<br />
müssen noch bewältigt werden?<br />
Hans Michael Eberle: Die Umsetzung des BTHG ist sehr<br />
personalintensiv. Es wird zunehmend zum Problem<br />
werden, an die entsprechenden Fachkräfte heranzukommen.<br />
Durch die Umsetzungsvereinbarung<br />
auf Landesebene, die besagt, dass es ein Basismodul<br />
und sieben Leistungsmodule geben wird,<br />
haben wir im zweiten Halbjahr 2022 noch einmal<br />
ähnlich Großes vor wie 2019/20. Wir hier in<br />
Ludwigshafen müssen dann erneut rund 1.300<br />
Fälle in die Hand nehmen, zur ICF (Internationale<br />
Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung<br />
und Gesundheit; Anm. d. Red.) basierten<br />
Bedarfsermittlung; daraus dann die Verknüpfung<br />
zur Finanzstruktur Eingliederungshilfe. Bis dahin<br />
sollten sich Land und Leistungserbringer über die<br />
neue Finanzstruktur einig geworden sein. Ich bin<br />
gespannt, wann wir als Leistungsträger in die<br />
Lage versetzt werden, das Ganze anzuwenden.<br />
Wobei wir wieder beim Punkt wären: <strong>Das</strong> Ganze<br />
ist ein Prozess.<br />
Alexandra Koch<br />
Statement von Kurt Philipp,<br />
Strategische Ausrichtung Eingliederungshilfe / Projektleitung BTHG<br />
„<strong>Das</strong> BTHG hat für viele Menschen Ansatzpunkte in Bezug auf mehr Selbstbestimmung<br />
vorgesehen. Vieles davon ist auf dem Weg, aber einige wünschenswerte Auswirkungen sind<br />
nur in Ansätzen wahrnehmbar. Bei den Leistungserbringern der besonderen Wohnformen<br />
ist die Verunsicherung über eine fehlende landesweite Vereinbarung bezüglich der<br />
Vorgehensweise und Umsetzung deutlich spürbar. Es gibt im Landesrahmenvertrag Punkte,<br />
die noch nicht einvernehmlich geklärt werden konnten, und auch fehlende Vereinbarungen<br />
zwischen den Mitwirkungsgremien, der Liga und dem Land als Träger der Eingliederungshilfe.<br />
Die gewollte zunehmende Individualität scheitert noch an fehlenden generellen Strukturen. Denn, um die<br />
Umsetzung dieser Individualität gewährleisten zu können, sind verlässliche Vereinbarungen beziehungsweise<br />
Spielregeln, die als Qualitätsstandard im Sinne der Partizipation und Selbstbestimmung zu sehen<br />
sind, erforderlich.<br />
Da die entsprechenden Instrumente und Strukturen diese Qualitätsstandards noch nicht gewährleisten<br />
können und ein wahrnehmbarer Sparwillen bei den Kommunen spürbar ist, hat dies auch Einfluss auf die<br />
Entwicklung der Umsetzung des BTHG. Zurzeit erfolgt die Umsetzung noch nach den jeweiligen Vorstellungen<br />
der einzelnen Kommunen, denn die klaren, landesweiten Regeln lassen auf sich warten. Die hier<br />
notwendigen Gespräche wurden mittlerweile wieder aufgenommen, ohne dass es bisher zu gemeinsamen<br />
Vereinbarungen kam. Deutlich wird jedoch, dass sich die positive Entwicklung des BTHG für die Menschen<br />
mit Beeinträchtigung nicht umkehren lässt und sie auch weiterhin in die richtige Richtung zu mehr<br />
Eigenverantwortlichkeit läuft. Für das Evangelische Diakoniewerk Zoar gilt es, den beschrittenen Weg<br />
weiter zu verfolgen und in den Lebensbereichen und Organisationsabläufen, in denen Partizipation und<br />
Selbstbestimmung noch nicht adäquat umgesetzt werden, die entsprechenden Veränderungen unter<br />
der Beteiligung aller vorzunehmen.“<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
73
BTHG<br />
Bundes-Teilhabe-Gesetz (BTHG)<br />
<strong>Das</strong> Bundes-Teilhabe-Gesetz gibt es seit 2016. Es wird in mehreren Reform-<br />
Stufen umgesetzt. Am 1.1.<strong>2020</strong> ist mit der dritten Reform-Stufe die neue<br />
Eingliederungs-Hilfe in Kraft getreten. Grund-legende Änderungen bei<br />
den Leistungs-Ansprüchen gehören dazu, zum Beispiel die Trennung von<br />
Fach-Leistung und existenz-sichernder Leistung.<br />
Die Eingliederungs-Hilfe wird neu geordnet. Die Inklusion wird verbessert.<br />
<strong>Das</strong> ist ein wichtiger System-Wechsel. Leistungen an Menschen mit<br />
Beeinträchtigung sollen aus dem bisherigen Fürsorge-System herausgeführt<br />
werden. So soll ein modernes Teilhabe-Recht entstehen. 2023<br />
soll Reform-Stufe vier erreicht sein. <strong>Das</strong> ist dann die letzte Reform-Stufe.<br />
Reformen sind das Ziel<br />
Menschen mit Beeinträchtigung sind die Kunden der Sozial-Unternehmen,<br />
wie zum Beispiel Zoar. Wir nennen sie auch Nutzer. Für sie werden<br />
passende und speziell auf ihre Person bezogene Angebote entwickelt.<br />
Selbst-Bestimmung heißt auch Wahl-Freiheit. Es gibt verschiedene<br />
Beteiligte: Leistungs-Träger (Städte und Kommunen, Renten-Kassen,<br />
Agentur für Arbeit), Leistungs-Erbringer (Zoar) und Leistungs-Berechtigte<br />
(Menschen mit Beeinträchtigung). Die Vergütung durch Pauschalen sowie<br />
die Trennung zwischen ambulant, teil-stationär und stationär gibt es nicht<br />
mehr. Schwer-Punkte liegen vor allem in der Umsetzung von mehr Teil-Habe.<br />
In diesem Zusammen-Hang startete im September 2017 das Projekt<br />
„WIR sind alle BUNT“, aus dem sich „WIR gestalten ZUKUNFT“, unter der<br />
Leitung von Anja Seepe, entwickelte. Ziel war ein Aktions-Plan, der im<br />
September 2019 verabschiedet wurde. Dieser enthält Maß-Gaben zur<br />
Kommunikation und Teil-Habe. Außerdem gibt der Aktions-Plan<br />
74 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
BTHG<br />
Handlungs-Anweisungen für den respekt-vollen Umgang miteinander,<br />
so sollte zum Beispiel vor Betreten eines Zimmers angeklopft werden.<br />
Weil es hierbei um eine veränderte Haltung und einen Umgang auf<br />
Augen-Höhe geht, ist das „WIR“-Projekt bei Zoar eng mit einer<br />
erfolgreichen BTHG-Umsetzung verbunden.<br />
Gespräche über das BTHG<br />
Zum Thema BTHG führte Zoar-Mitarbeiterin Alexandra Koch viele unterschiedliche<br />
Gespräche: mit Volker Conrad, Leiter der Abteilung „Soziale Hilfen“<br />
der Kreis-Verwaltung Mainz-Bingen, mit Hans Michael Eberle, Leiter des<br />
Bereichs Teil-Habe, Pflege und Senioren der Stadt Ludwigshafen, mit<br />
Manfred Lamby, Michael Zimmermann, Thomas Spintler, Kerstin Kessel,<br />
Ute Ganneck, Jörg Andreas Petersen und Pierre Leis sowie mit Frank Theobald<br />
und Jennifer Helt-Armbrüster. Kurt Philipp, strategische Ausrichtung<br />
Eingliederungs-Hilfe und Projekt-Leitung BTHG, gab einen Kommentar ab.<br />
Es wurden verschiedene Fragen gestellt. Alle antworteten mit ihrem<br />
speziellen Erfahrungs-Hintergrund. Wer möchte, kann die Antworten auf<br />
den Seiten 64 bis 73 nachlesen. Fragen können an die Zoar-Redaktion gestellt<br />
werden. Wir leiten sie gern weiter.<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
75
Ehrenamt & Engagement<br />
Monika Beyer: 2. Vorsitzende des Fördervereins Zoar<br />
Soziales Engagement als ein wichtiger<br />
Bestandteil des Lebens<br />
Der Beruf war für sie<br />
Berufung. Studiert hat sie<br />
Biologie, Geografie und<br />
Politik in Mainz – für Lehramt<br />
Gymnasium. Von Anfang an hatte<br />
Monika Beyer ihre speziellen Vorstellungen,<br />
vor allem, was ihre berufliche<br />
Zukunft betrifft. Sie wollte nicht<br />
einfach unterrichten: „Ich war zwar<br />
Gymnasiallehrerin, wollte aber nicht<br />
an einem Gymnasium arbeiten. Ich<br />
wollte Kinder aller gesellschaftlichen<br />
Schichten von der 5. Klasse bis zum<br />
Abitur unterrichten. <strong>Das</strong> war nur an<br />
den inzwischen neu gegründeten<br />
Integrierten Gesamtschulen<br />
möglich“, sagt Monika Beyer. Ihr<br />
Wunsch wurde erfüllt. Nach dem<br />
erfolgreich abgeschlossenen<br />
Studium war sie als Lehrerin an einer<br />
IGS (Integrierte Gesamtschule) in<br />
Wiesbaden und dann an einer IGS in<br />
Mainz tätig. Seit 2013 befindet sie<br />
sich im (Un)ruhestand. Auch diese<br />
Lebensphase hat sie, gemäß ihrer<br />
aktiven Lebensplanung, aktiv geplant<br />
und gestaltet und verbringt sie mit<br />
vielfältigem sozialem Engagement.<br />
Monika Beyer (72) aus Mainz ist<br />
verheiratet und hat eine erwachsene<br />
Tochter. 40 Jahre lang arbeitete<br />
Monika Beyer als Lehrerin.<br />
Vor dem Erlebnisbad „Rheinwelle“ in Gau-Algesheim<br />
bei Ingelheim: (v.l.n.r.) Martina Brühl, Monika Beyer<br />
und „Mister X“ mit Maske<br />
Für Monika Beyer war es immer<br />
wichtig, Menschen mit Beeinträchtigung<br />
in ihren speziellen Bedürfnissen<br />
personenzentriert zu unterstützen<br />
und für deren Rechte einzutreten.<br />
Schon während ihrer Schulzeit war<br />
sie sozial engagiert. „Ich habe zum<br />
Beispiel kinderreiche Familien und<br />
alleinstehende Mütter an zwei Nachmittagen<br />
die Woche unterstützt. <strong>Das</strong><br />
lief über den kirchlichen Dienst. Ich<br />
habe auch Nachhilfe gegeben und an<br />
den Wochenenden im Krankenhaus<br />
Patienten vorgelesen und Hilfsarbeiten<br />
in der Pflege verrichtet“,<br />
erzählt sie. Später während des<br />
Studiums war sie im Rahmen der<br />
Studentenbewegung engagiert; das<br />
schloss neben studentischer Selbstverwaltung<br />
politische Arbeit mit<br />
Jugendlichen über die Gewerkschaften<br />
ein. Soziales Handeln war<br />
und ist in ihrem Leben ein ganz<br />
wichtiger Aspekt.<br />
Ehrenamt bei Zoar, wie ist es?<br />
Schon seit langer Zeit hat sie regelmäßigen<br />
Kontakt zu Zoar-Einrichtungen<br />
in Heidesheim, was nicht<br />
weit von ihrem Zuhause entfernt ist.<br />
76 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Ehrenamt & Engagement<br />
Ihre Tochter wohnt im Haus „Rheinblick“<br />
auf dem Gelände des Zoar −<br />
Rheinhessischen Diakonie-Zentrums.<br />
„Die Mitarbeiter sind so liebevoll und<br />
so engagiert und haben so viel zu<br />
tun. Sie haben darüber hinaus so<br />
tolle Ideen, die sie aber nicht immer<br />
umsetzen können, da die Zeit fehlt.<br />
<strong>Das</strong> finde ich schade. Aus diesem<br />
Grund habe ich mir gedacht, die<br />
Mitarbeiter, wenn möglich, zu unterstützen“,<br />
sagt Beyer. So begann ihre<br />
ehrenamtliche Tätigkeit beim<br />
Evangelischen Diakoniewerk Zoar.<br />
In dieser Funktion ist sie nicht nur<br />
für ihre Tochter da, sondern für<br />
viele Bewohner.<br />
Monika Beyer ist ein Mensch, der<br />
zuhören kann und es auch tut. Wenn<br />
die Bewohner des Hauses „Rheinblick“<br />
sie sehen, freuen sie sich und<br />
kommen gern mit ihr ins Gespräch.<br />
Sie hat ein offenes Ohr für alles und<br />
jeden. „Sehr interessant sind die<br />
Lebensgeschichten der Bewohner,<br />
ihre verborgenen Talente und ihre<br />
Lebenserfahrungen. Ich höre zu,<br />
wenn sie erzählen; zum Beispiel wie<br />
sie ihre Krankheit verarbeiten, oft<br />
mit fröhlicher Selbstironie.“ Mit<br />
einigen Bewohnern ergab sich unter<br />
anderem ein gemeinsames Kartenund<br />
Brettspiel, mit anderen ein<br />
längerer Spaziergang. Freundinnen<br />
ihrer Tochter hat sie zum Shoppen<br />
begleitet, Bücher auf Wunsch weitergegeben,<br />
einen Ausflug in den<br />
Rheingau organisiert und durchgeführt<br />
und vieles mehr.<br />
Aktivitäten, Bewegung<br />
und Ausflüge machen Spaß<br />
und tun gut<br />
Im Rahmen ihres ehrenamtlichen<br />
Engagements bei Zoar in Heidesheim<br />
bringt sie viel Abwechslung ins Leben<br />
der Bewohner. <strong>Das</strong> schafft sie auch<br />
durch die Organisation verschiedener<br />
Aktivitäten. Die meisten Ideen hat<br />
sie zusammen mit der Mutter einer<br />
anderen Bewohnerin ins Leben<br />
gerufen. Sie heißt Corina Hagedorn-<br />
Hähnel. „Bewegung und Ausflüge<br />
machen Spaß und tun gut.“ <strong>Das</strong><br />
dachten sich Corina Hagedorn-<br />
Hähnel und Monika Beyer und sind<br />
da einer Meinung. Von diesem<br />
Tandem gingen viele gute Ideen aus,<br />
die dann auch, leider nur zum Teil,<br />
umgesetzt wurden; zum Beispiel<br />
Kino-Besuche, Üben von Bus- und<br />
Bahnfahrten, Minigolf im sommerlichen<br />
Bad Kreuznach mit wunderbarem<br />
Picknick und vieles mehr.<br />
Leider kann Corina Hagedorn-Hähnel<br />
aus gesundheitlichen Gründen nicht<br />
mehr am Aktiv-Programm teilnehmen,<br />
aber das ist ja aktuell<br />
aufgrund der Corona-Krise ohnehin<br />
komplett gestrichen. „Ich bin Frau<br />
Hagedorn-Hähnel sehr dankbar für<br />
die zurückliegende Unterstützung<br />
und ihr Engagement.“<br />
Aktuell hat Monika Beyer auch<br />
andere Unterstützer. Dieses<br />
Engagement, das sie im Rahmen<br />
ihres Ehrenamts anbietet, wird von<br />
Bewohnern der Zoar-Einrichtungen<br />
sehr geschätzt. Auch bei zahlreichen<br />
Zoar-Veranstaltungen ist sie dabei,<br />
Vor der Corona-Krise − glücklich in gemeinsamer<br />
Runde: (v.l.n.r.) Heiko Reidenbach, Monika Beyer,<br />
Susanna Salfelder und Sascha Heinze<br />
zum Beispiel beim Singen, organisiert<br />
vom Zoar-Besuchsdienstkreis in<br />
Heidesheim. <strong>Das</strong> gemeinsame Feiern<br />
im Advent, Sommerfeste, Fastnachtssitzungen,<br />
aber auch inhaltsreiche<br />
Arbeit in fachlichen Workshops oder<br />
die glücklichen Gesichter im Rahmen<br />
der Schwimmbadbesuche beim<br />
Eintauchen ins Wasser – all das<br />
begeistert Monika Beyer immer<br />
wieder aufs Neue.<br />
Schwimmgruppe und Minigolf<br />
Eine Aktion, die vielen Teilnehmern<br />
große Freude bereitet, ist die sogenannte<br />
„Schwimmgruppe“;<br />
entstanden auf den speziellen<br />
Wunsch der Bewohner. Schnell<br />
fanden sich sechs „Wasserratten“,<br />
die nun einmal im Monat in das<br />
Erlebnisbad „Rheinwelle“ in Gau-<br />
Algesheim bei Ingelheim fahren.<br />
„Wir freuen uns, dass wir unterstützt<br />
werden, zum Beispiel vom Förderverein<br />
Zoar. Der Verein zahlt den<br />
Eintritt ins Schwimmbad und je ein<br />
Getränk“, erzählt die Ehrenamtliche.<br />
Inzwischen ist aus dem<br />
Schwimmbad-Besuch eine schöne<br />
Tradition geworden, mit teilweise<br />
wechselnden Teilnehmern. Nicht<br />
nur der Besuch des Schwimmbads<br />
kommt gut an, sondern auch Mini-<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
77
Ehrenamt & Engagement<br />
Was hat Corona verändert? Wie war das Leben in dieser Zeit?<br />
Wie geht es weiter?<br />
Der Ausbruch der Corona-Krise hat das Leben und den Alltag vieler Menschen<br />
verändert. Kaum etwas ist so geblieben, wie es war. So war es auch beim<br />
Evangelischen Diakoniewerk Zoar. Nicht leicht war diese Zeit für alle Bewohner.<br />
Auf einmal war alles anders. Es gab keine Veranstaltungen und Besuche<br />
mehr. <strong>Das</strong> war hart, auch für Monika Beyer. „Ich konnte die Zeit nicht mehr<br />
mit den Bewohnern verbringen. Ich habe sie alle sehr vermisst. Diese Zeit<br />
war für mich sehr traurig.“ Gerade deswegen wollte sie das Leben der<br />
Bewohner in dieser Zeit etwas schöner machen. Dank der Unterstützung<br />
des Fördervereins ist sie auf die tolle Idee gekommen, Eis an alle Bewohner<br />
zu verteilen. „Ich habe unsere Lebensmittelmärkte fast leer gekauft. <strong>Das</strong><br />
hat sich aber gelohnt. Die Bewohner haben sich sehr gefreut.“<br />
Vor allem in den letzten „Corona“-Monaten waren die Mitarbeiter in den<br />
Zoar-Wohnanlagen und Einrichtungen extrem gefordert: Werkstätten<br />
geschlossen, keine Besuche der Angehörigen, keine Ehrenamtlichen zur<br />
Unterstützung, Sorge um die eigene Gesundheit, stressige Vorsichtsmaßnahmen<br />
und Abstandsregelungen, immer wieder Erklärungen und der<br />
Aufbau einer völlig neuen Tagesstruktur für viele Bewohner. „Ich als Mutter<br />
und Betreuerin habe hier in Heidesheim die Erfahrung gemacht, dass diese<br />
Mammutaufgabe hervorragend gelungen ist. Unsere Tochter hat keine<br />
zusätzlichen Ängste, Mängel oder Einschränkungen empfunden. Sie wurde<br />
ja toll betreut und versorgt und hatte viel Abwechslung im Haus mit den<br />
anderen Bewohnern. Dazu konnten sie sich bei herrlichem Wetter in dem<br />
wunderschönen Park bewegen. Für dieses große Engagement, die zusätzliche<br />
Arbeit und kreativen Problemlösungen bin ich den Zoar-Mitarbeitern<br />
außerordentlich dankbar. In erster Linie sage ich das als Angehörige, aber<br />
auch im Namen des Fördervereins Zoar. Vielen herzlichen Dank!“<br />
Zwischenzeitlich wurden die Maßnahmen gelockert. <strong>Das</strong> sind gute Nachrichten.<br />
Alle hoffen, dass es so bleibt. Ehrenamtliche durften die Bewohner<br />
auf der Wiese vor dem Haus treffen, sich begegnen und austauschen, natürlich<br />
mit Mund- und Nasenschutz.<br />
Ab August durfte das Schwimmbad<br />
wieder besucht werden. Immer mehr<br />
Bewohner haben Interesse daran.<br />
Bewegung tut einfach gut und sorgt<br />
für Abwechslung. „Ich freue mich<br />
so sehr, dass das für viele Bewohner<br />
so etwas Besonderes ist und dass<br />
sie diese Aktionen voller Vorfreude<br />
herbeisehnen.“ Nach der Corona-<br />
Krise werden alle diese Aktivitäten<br />
wieder möglich sein.<br />
Monika Bayer<br />
golf. „Da das Schwimmbad während<br />
der Schulferien im Sommer oft stark<br />
besucht ist, hatten wir die Idee, mit<br />
der Gruppe mal eine andere sportliche<br />
Freizeitaktivität zu unternehmen.<br />
Da fiel uns Minigolf ein.<br />
Und so fuhren wir in den wunderschönen<br />
Oranienpark nach Bad<br />
Kreuznach“, erinnert sich Beyer. Bei<br />
den hohen Temperaturen im Juli des<br />
vergangenen Jahres boten die alten<br />
Bäume angenehmen Schatten und<br />
somit einen richtig guten Platz für<br />
ein gemütliches Picknick.<br />
Förderverein Zoar e.V.<br />
„In der hinzugewonnenen Freizeit<br />
nach meiner Pensionierung habe ich<br />
viel gelesen, in einem Chor gesungen<br />
und einige Kurse zur Betreuung<br />
gemacht, da unsere Tochter sich<br />
gewünscht hat, dass wir ihre gesetzlichen<br />
Betreuer sein sollten“, erzählt<br />
Monika Beyer. Seit dieser Zeit hat sie<br />
Zoar besser kennengelernt, und ist<br />
begeistert von der Arbeit dort. <strong>Das</strong><br />
Wort „Unterstützung“ bedeutet für<br />
sie sehr viel. Ihr Mann und sie hatten<br />
dann die Idee der Gründung eines<br />
Fördervereins; diese gaben sie weiter<br />
an den damaligen Zoar-Direktor<br />
Peter Kaiser und Regionalleiterin<br />
Monja Seckler-Classen. „Jede Schule<br />
hat einen Förderverein, Zoar damals<br />
nicht, nur in Alzey“, erinnert sich<br />
Monika Beyer. Dann war es irgendwann<br />
klar, dass für Zoar ein Förderverein<br />
gegründet werden soll. Gesagt,<br />
getan. Im März 2016 wurde ein Zoar<br />
übergreifender Förderverein mit<br />
Hauptsitz Rockenhausen gegründet.<br />
Erster Vorsitzender wurde Apotheker<br />
Ullrich Geib. Monika Beyer wurde<br />
zur zweiten Vorsitzenden gewählt.<br />
Mit diesem Amt war und ist sie<br />
sehr zufrieden. Die Zusammenarbeit<br />
zwischen ihr und Ullrich Geib<br />
funktioniert gut.<br />
Diana Aglamova<br />
78 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Wir stellen vor<br />
Der Inklusionator<br />
© Thomas Rothländer<br />
Teil 2 der Comic-Serie von Thomas Rothländer zeigt<br />
den Inklusionator erneut in Aktion. Es gibt viel zu<br />
tun, und der Inklusionator möchte am liebsten<br />
überall gleichzeitig sein. Aber klonen kann er sich nicht,<br />
zumindest noch nicht. Trotzdem ist er immer zur richtigen<br />
Zeit am richtigen Ort, zum Beispiel wie in dieser Geschichte,<br />
um dem König das Leben zu retten. Diese Kurzgeschichte<br />
schrieb Thomas Rothländer im Herbst 2019.<br />
Thomas Rothländer<br />
Der Inklusionator wurde von Thomas Rothländer erfunden<br />
und am PC „geschaffen“. Thomas Rothländer arbeitet in den<br />
Zoar-Werkstätten Kaiserslautern. „Sein“ Inklusionator agiert<br />
im Bild und ist einfach zu verstehen. Er hilft und handelt.<br />
Seine Aktionen und seine Erscheinung sind anschaulich.<br />
Er trägt das „Z“ für Zoar auf der Brust und reckt den Arm<br />
siegessicher nach oben. All das sind starke Symbole, die ohne<br />
viele Worte zu verstehen sind. In dieser Comic-Reihe ist der<br />
Superheld die Hauptperson. Er ist nicht nur stark, sondern<br />
auch klug; und er setzt sich für die Gemeinschaft ein.<br />
Alexandra Koch<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
79
Wir stellen vor<br />
Der Inklusionator wird von einem König in seine<br />
Burg gerufen, um über seine Fortschritte bei der<br />
Inklusion zu berichten. Er fliegt mit seinem<br />
Düsenjet in das Land des Königs, der seit Jahren<br />
im Rollstuhl sitzt, und freut sich auf eine nette<br />
Begegnung und interessante Gespräche mit ihm.<br />
Auf der Burg angekommen, wird der Inklusionator<br />
herzlich begrüßt und hereingebeten, um in der<br />
Burg die Nacht zu verbringen und um gemeinsam<br />
mit dem König zu speisen.<br />
80 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Wir stellen vor<br />
Nach dem ausgiebigen Abendessen und dem Gespräch liegt der König noch lange wach.<br />
Die Pfeife, sein kleines Laster, liegt neben ihm auf dem Nachttisch. Leider vergisst er, sie<br />
auszumachen. Es entsteht ein Brand mit Rauchentwicklung. Aber, zum Glück, ist ja der<br />
Superheld „Inklusionator“ in der Burg und schreitet, ohne zu zögern, zur Tat. Er nimmt den<br />
Feuerlöscher und löscht den Brand im Schlafgemach des Königs, womit er diesem das Leben<br />
rettet. Der König hätte sich aufgrund seiner Beeinträchtigung nicht selbst helfen können.<br />
Am nächsten Morgen bedankt sich der König herzlich beim Inklusionator.<br />
Er findet, dass der Inklusionator Fortschritte bei der Inklusion gemacht hat.<br />
Sie verabschieden sich und sind sich einig, dass Inklusion notwendig ist und<br />
immer weiterentwickelt werden muss.<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />
81
Wir wünschen Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest<br />
mit diesem Gedicht von Rainer Maria Rilke.<br />
„Es treibt der Wind im Winterwalde<br />
die Flockenherde wie ein Hirt<br />
und manche Tanne ahnt wie balde<br />
sie fromm und lichterheilig wird.<br />
Und lauscht hinaus: den weißen Wegen<br />
streckt sie die Zweige hin – bereit<br />
und wehrt dem Wind und wächst entgegen<br />
der einen Nacht der Herrlichkeit.“<br />
Für das neue Jahr wünschen wir Ihnen alles erdenklich Gute,<br />
vor allem Gesundheit, Zuversicht, Wohlergehen und Gottes Segen.<br />
Die „Zoar-<strong>Magazin</strong>“-Redaktion<br />
82 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>
Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />
Im Mittelpunkt der Tätigkeiten des Evangelischen<br />
Diakoniewerks Zoar und seiner Tochtergesellschaften<br />
steht der hilfebedürftige Mensch.<br />
Zoar bietet ein breites Angebot in der Betreuung,<br />
Pflege, Förderung und Beschäftigung der Menschen,<br />
die Unterstützung brauchen, und ist somit auch ein<br />
bedeutender Arbeitgeber an den Standorten<br />
Alsenz, Alzey, Bad Kreuznach, Brücken, Heidesheim,<br />
Ingelheim, Kaiserslautern, Kirchheimbolanden, Kusel,<br />
Ludwigshafen, Mainz, Rockenhausen und Winnweiler.<br />
In Zeiten der institutionellen Geldknappheit und<br />
dünner Personaldecken im sozialen Bereich sollten<br />
Haupt- und Ehrenamtliche bei der Ideenfindung<br />
und -umsetzung nicht ständig an finanzielle Grenzen<br />
stoßen, wenn es darum geht, Menschen mit Beeinträchtigung<br />
zu fördern. Im Rahmen der begleitenden<br />
Assistenz können Spenden sinnvoll, vielfältig und<br />
nachhaltig eingesetzt werden.<br />
Auch Sie können dabei helfen. Helfen tut gut!<br />
Sprechen Sie uns an!<br />
Selbstverständlich sind Spenden und Mitgliedsbeiträge<br />
steuerlich absetzbar, da wir gemeinnützig sind.<br />
Es grüßen Sie herzlichst,<br />
Förderverein Zoar e.V.<br />
Ullrich Geib<br />
Monika Beyer<br />
1. Vorsitzender 2. Vorsitzende<br />
Porto<br />
bezahlt<br />
Empfänger<br />
Interessieren Sie sich für den Förderverein Zoar e.V.<br />
und/oder möchten Sie Mitglied werden?<br />
Füllen Sie einfach die Rückseite dieser Postkarte aus<br />
und schicken Sie sie an den Förderverein Zoar mit<br />
Sitz in Rockenhausen.<br />
Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung und werden<br />
uns zeitnah bei Ihnen melden.<br />
Herzlichen Dank im Voraus!<br />
Inkelthalerhof<br />
67806 Rockenhausen
Impressum<br />
Impressum<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
Herausgeber:<br />
Evangelisches Diakoniewerk Zoar<br />
Inkelthalerhof<br />
67806 Rockenhausen<br />
Verantwortlich:<br />
Martina Leib-Herr, Vorstand<br />
Redaktion:<br />
Alexandra Koch, Leiterin<br />
Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Marketing und Fundraising<br />
Layout und Satz:<br />
Andrea Adler & Alice Hubert<br />
hauptsache:design, Mainz<br />
Druck:<br />
Volkhardt Caruna Medien<br />
GmbH & Co. KG, Amorbach<br />
Auflage: 2.700<br />
Fotos:<br />
Alexandra Koch, Diana Aglamova, Zoar-Mitarbeiter,<br />
Foto: Hoffmann (Seite 3), Doris Büschel (Seite 11),<br />
Fotowerkstatt Patric Dressel (Seite 11, 71+73), Astrid Justen<br />
(Seite 4+17), Michael Schmitt (Seite 28-30 und 33+34),<br />
Reiner Voß (Seite 28), Helena Gomes Oester (41-43), Ursula<br />
Engelmann (Seite 52), lunisolar fotodesign: Friedhelm Rettig<br />
(Seite 62+64); stock.adobe.com: Strichfiguren.de (Seite 1),<br />
AlejandroIvanSuarez (Seite 1, 3+10), Alexander Raths<br />
(Seite 5), Belkin & Co (Seite 12-15), Maridav (Seite 12+13),<br />
Kunstzeug (Seite 12-13), Robert Leßmann (Seite 14),<br />
Satjawat (Seite 14- 15), Алина Бузунова (Seite 15),<br />
andrejco (Seite 17-20), dechevm (Seite 40), ink drop<br />
(Seite 45), fotogestoeber (Seite 46+48), Christian Solf<br />
(Seite 49), zinkevych (Seite 50), jro-grafik (Seite 62), Cmon<br />
(Seite 68), patpitchaya (Seite 70), vectorpocket (Seite 82),<br />
Spencer (Seite 83)<br />
Der Inhalt dieses Heftes wurde sorgfältig geprüft, aber<br />
dennoch übernimmt die Redaktion keine Haftung für die<br />
Richtigkeit aller Angaben.<br />
In dieser Publikation wird auf eine geschlechtsneutrale<br />
Schreibweise geachtet. Wo dies nicht möglich ist, wird<br />
zugunsten der besseren Lesbarkeit das ursprüngliche<br />
grammatische Geschlecht verwendet. Es wird hier ausdrücklich<br />
darauf hingewiesen, dass damit auch jeweils<br />
das andere Geschlecht angesprochen ist.<br />
Zoar in Kooperation mit<br />
lange haben Sie in diesem Jahr auf<br />
unser Zoar-<strong>Magazin</strong> warten müssen.<br />
Weil Corona bedingt alle Veranstaltungen<br />
ausgefallen sind, gab es auch<br />
weniger zu berichten. Dafür haben<br />
wir unsere monatlich erscheinende<br />
„Zoar aktuell“ mit mehr Inhalten<br />
noch attraktiver gemacht. Für viele<br />
war das Monatsheft in den Zeiten<br />
der Pandemie eine willkommene Lektüre.<br />
Seit diesem Jahr veröffentlichen wir<br />
das „Zoar aktuell“ auch digital auf<br />
unserer Internetseite.<br />
Nun aber noch einmal zum Zoar-<strong>Magazin</strong>.<br />
Wir freuen uns, dass Sie es jetzt vor<br />
Weihnachten in den Händen halten und<br />
vielleicht während der freien Tage darin<br />
schmökern können. Es gibt viele interessante<br />
Themen. Natürlich widmen wir unserem<br />
Umgang mit Corona in diesem Heft einen<br />
großen Seitenanteil. Uns allen hat das<br />
Corona-Virus in diesem Jahr viel abverlangt.<br />
Für alle war das eine große Herausforderung.<br />
Den umfänglichen Dank an alle Mitarbeiter<br />
formuliert Zoar-Direktorin Martina Leib-Herr<br />
in ihrem Vorwort am Anfang des Heftes.<br />
Getreu dem Motto „Wir halten Abstand,<br />
aber zusammen“.<br />
Im Jahr 2021 werden wieder<br />
zwei Zoar-<strong>Magazin</strong>e erscheinen –<br />
im Frühjahr und Herbst.<br />
Alexandra Koch<br />
Leiterin Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Marketing und Fundraising<br />
Zoar-Werkstätten sind nach<br />
folgenden Systemen zertifiziert:<br />
Zertifikat der Bundesagentur für<br />
Arbeit Mainz für erfolgreiche Inklusion<br />
Qualitätsmanagement DIN EN ISO 9001,<br />
Umweltmanagement DIN EN ISO 14001<br />
und nach AZAV (Akkreditierungs- und<br />
Zulassungsverordnung Arbeitsförderung)<br />
Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong> 83
Unsere Ziele<br />
Der Förderverein Zoar e.V. hat sich sein<br />
Ziel in der Förderung und Unterstützung<br />
alter und beeinträchtigter Menschen gesetzt.<br />
Diese Menschen wohnen und/oder<br />
arbeiten in einer Einrichtung des Evangelischen<br />
Diakoniewerks Zoar oder werden<br />
von Zoar-Diensten ambulant betreut.<br />
Unsere Aktivitäten<br />
Werden Sie Mitglied<br />
im Förderverein Zoar.<br />
Der Mitgliedsbeitrag beträgt<br />
24,00, 60,00 oder 120,00 Euro jährlich.<br />
Ansprechpartner<br />
1. Vorsitzender Ullrich Geib<br />
2. Vorsitzende Monika Beyer<br />
• finanzielle Hilfen und unterstützende<br />
Angebote, die zur Verbesserung der<br />
individuellen Lebensqualität beitragen<br />
• Unterstützung bei der Anschaffung<br />
therapeutischen Materials<br />
• Unterstützung der Kinder der<br />
Zoar-Kindertagesstätte Heidesheim<br />
• Ermöglichung diverser Freizeitaktivitäten<br />
• Unterstützung des Stationären Hospizes<br />
Nordpfalz in Rockenhausen<br />
Förderverein Zoar e.V.<br />
Inkelthalerhof<br />
67806 Rockenhausen<br />
Telefon: 06361/452-288<br />
E-Mail: foerderverein@zoar.de<br />
Besuchen Sie uns im Internet unter:<br />
http://foerderverein.zoar.de<br />
Ich möchte helfen! Helfen tut gut!<br />
Ich möchte gern Mitglied im Förderverein Zoar e.V. werden.<br />
Name:<br />
Bitte lassen Sie mir einen<br />
Mitgliedsantrag zukommen.<br />
Vorname:<br />
per E-Mail<br />
per Post<br />
Straße:<br />
PLZ/Ort:<br />
E-Mail:<br />
Ich möchte (noch) kein Mitglied werden,<br />
interessiere mich aber für den Förderverein.<br />
Bitte lassen Sie mir regelmäßig<br />
Informationen aus dem Verein zukommen.<br />
per E-Mail<br />
per Post<br />
Ort, Datum:<br />
Unterschrift:
www.zoar.de<br />
Ingelheim<br />
Bad Kreuznach<br />
Waldgrehweiler<br />
Rockenhausen<br />
Kusel<br />
Winnweiler<br />
Brücken<br />
Kaiserslautern<br />
Alzey<br />
Alsenz<br />
Kirchheimbolanden<br />
Heidesheim<br />
Mainz<br />
Oppenheim<br />
Eisenberg<br />
Ludwigshafen<br />
Unsere Standorte in Rheinland-Pfalz