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Z - Das ZOAR-Magazin Ausgabe 1 2020

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DAS <strong>ZOAR</strong>-<br />

MAGAZIN<br />

<strong>Ausgabe</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

MÖGLICHST ZU<br />

HAUSE BLEIBEN!<br />

Wege auf den<br />

allgemeinen Arbeitsmarkt:<br />

Christian Biffar beim 1. FCK<br />

Corona-Pandemie:<br />

Wir halten Abstand –<br />

aber zusammen<br />

Wohnen am Betzenberg,<br />

Kaiserslautern<br />

Der Neubau schreitet voran


Inhalt<br />

Grußwort 3<br />

Geistliches Wort<br />

Advent: Gott kommt zu uns und hält bei uns an 8<br />

<strong>Das</strong> Corona-Virus und seine Auswirkungen<br />

„Wir halten Abstand – aber zusammen“ 10<br />

3. Teil der Serie „Arbeitssicherheit“<br />

Baulicher und technischer Brandschutz für Arbeits- und Wohnsicherheit 16<br />

Wege auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

Schieba Nasiri: Sportlich ambitioniert und beruflich voller Ehrgeiz 21<br />

Zoar – Wohnen am Betzenberg in Kaiserslautern<br />

Der Neubau schreitet voran 28<br />

Vorstellung der Frauenbeauftragten der Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />

Unterstützung der Frauen als wichtige Funktion der Frauenbeauftragten 35<br />

Zoar – Service-Wohnen<br />

Service-Leistungen sind auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt 40<br />

Information<br />

Ausscheiden des Vorstandsmitglieds Peter Kaiser 44<br />

Jahresmitarbeitergespräch<br />

Entwicklung der Jahresmitarbeitergespräche von 2018 bis heute 45<br />

Ehrenamtliche Hospizarbeit<br />

Marc Becker: offen und interessiert – Tod ist kein Tabu 49<br />

Wege auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

Christian Biffar: ein Teil der großen FCK-Familie 53<br />

Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB)<br />

Webinar zum Thema „Inklusives Wohnen – besser Wohnen“ 59<br />

Bundesteilhabegesetz (BTHG)<br />

Gesetzlicher Rahmen für einen System- beziehungsweise Paradigmenwechsel 62<br />

Monika Beyer: 2. Vorsitzende des Fördervereins Zoar<br />

Soziales Engagement als ein wichtiger Bestandteil des Lebens 76<br />

Comic von Thomas Rothländer<br />

Der Inklusionator 79<br />

Weihnachts- und Neujahrsgruß der Redaktion 82<br />

Impressum 83<br />

2 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Grußwort<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser!<br />

Schwerpunkt des Jahres <strong>2020</strong><br />

ist seit März das Thema<br />

„Corona“, und es hat uns die<br />

ganze Zeit nicht losgelassen. Wir<br />

leben in dieser besonderen Zeit und<br />

in dieser besonderen Situation MIT<br />

den Menschen anders, als es bisher<br />

war und auch anders, als es sich<br />

irgendjemand von uns jemals hätte<br />

vorstellen können. Grundsätzlich hat<br />

uns die Situation dazu gezwungen,<br />

vieles zu digitalisieren, von dem wir<br />

vorher dachten, dass es sich nicht<br />

digitalisieren lässt. Bei vielem hat<br />

sich aber auch gezeigt, dass der<br />

persönliche Kontakt und die Nähe<br />

ganz wichtig und unverzichtbar sind,<br />

um die Arbeit richtig machen zu<br />

können. Wenn man zum Beispiel in<br />

Arbeitsgruppen zusammenarbeitet<br />

und die Arbeitsgruppensitzungen per<br />

Videoschalte erfolgen, kommt oft<br />

keine richtige Diskussion auf; konnte<br />

gar nicht aufkommen, weil sich die<br />

Teilnehmer zwar nacheinander zu<br />

Wort melden, man aber die Mimik<br />

und Gestik jedes Einzelnen in der<br />

Gruppe nicht wahrnehmen kann. Es<br />

fehlt das Gesamtbild. <strong>Das</strong> hat unsere<br />

Arbeit schwieriger gemacht. Es hat<br />

aber auch gezeigt, dass wir trotz der<br />

Distanz, die wir wahren mussten, in<br />

Martina Leib-Herr,<br />

Vorstand Evangelisches Diakoniewerk Zoar<br />

allen Bereichen näher zusammengerückt<br />

sind. Nach dem Motto: Wir<br />

halten Abstand, aber zusammen!<br />

Extrem-Situation<br />

bisher gut gemeistert<br />

Es ist so, dass die Mitarbeiter in den<br />

Einrichtungen und Häusern von Zoar<br />

wirklich Großes geleistet haben; und<br />

dass man dafür gar nicht oft genug<br />

DANKE sagen kann. Sie tragen eine<br />

sehr hohe Last – noch immer. Angesichts<br />

der Schutzmaßnahmen und<br />

Hygienevorschriften ist es eine ganz<br />

große Leistung, jeden Arbeitstag<br />

erfolgreich damit umzugehen und<br />

den Anforderungen gerecht zu<br />

werden. Es hat sich bewährt, dass<br />

Herr Rose, Leiter der Altenhilfe, sich<br />

intern dem Thema „Corona“ angenommen<br />

hat (siehe das Interview<br />

mit Erich Rose und Dr. Michael<br />

Klöckner auf den Seiten 10 bis 15;<br />

Anm. d. Red.). Von externen Stellen<br />

wurde uns bestätigt, dass wir in<br />

diesem Bereich sehr gut aufgestellt<br />

und die Konzepte durchdacht sind.<br />

Vielen Verdachtsfällen stehen nur<br />

ganz wenige konkret Infizierte<br />

gegenüber.<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

3


Grußwort<br />

Bau von Gerüsttreppenanlagen für<br />

den dringend erforderlichen zweiten<br />

baulichen Rettungsweg<br />

<strong>Das</strong> zeigt, dass die Maßnahmen<br />

alle sehr wirksam sind. Trotz dieser<br />

positiven Nachricht, spüren wir<br />

natürlich aktuell, dass die Zahl der<br />

Infizierten in der Bevölkerung kontinuierlich<br />

steigt. Umso mehr müssen<br />

wir in unseren Einrichtungen stetig<br />

die Sensibilität für die Thematik<br />

beibehalten und weiterhin eine<br />

Beständigkeit im fürsorglichen<br />

Handeln zeigen.<br />

Wie haben wir es<br />

bislang geschafft?<br />

Wir haben kurzfristig ein Corona Jour<br />

Fixe- Team ins Leben gerufen. In<br />

dieser Runde kamen wir ab März<br />

zum Teil dreimal wöchentlich<br />

zusammen. Da wir nun aber bereits<br />

viele Erfahrungswerte haben, tagen<br />

wir aktuell einmal in der Woche. <strong>Das</strong><br />

Leitungsteam um mich herum haben<br />

wir neu aufgestellt. Und auch mit<br />

diesem Leitungsteam, das aus Vertretern<br />

aller Fachbereiche besteht, gibt<br />

es einmal wöchentlich eine Sitzung,<br />

in der wir über alle wichtigen, aktuellen<br />

Themen sprechen, die uns −<br />

unabhängig von Corona − begleiten.<br />

Die Arbeit in diesem Leitungsteam<br />

ist sehr hilfreich und dem Unternehmen<br />

zuträglich.<br />

Ausblick auf 2021<br />

und Rückblick auf <strong>2020</strong><br />

Was Baumaßnahmen betrifft, haben<br />

uns <strong>2020</strong> vor allem der Neubau der<br />

Einrichtung „Zoar – Wohnen am<br />

Betzenberg“ in Kaiserslautern (siehe<br />

Bericht auf den Seiten 28 bis 34;<br />

Anm. d. Red.) und das neue Wohnprojekt<br />

in Oppenheim beschäftigt.<br />

Ein anderes wichtiges Thema, das wir<br />

abgearbeitet haben, war und ist der<br />

Brandschutz auf dem Inkelthalerhof<br />

und die Ertüchtigung aller Gebäude<br />

auf einen brandschutztechnisch<br />

aktuellen Stand (siehe Bericht auf<br />

den Seiten 16 bis 20; Anm. d. Red.).<br />

Alternativ dazu schauen wir, wie die<br />

anderen Dezentralisierungsprojekte,<br />

zum Beispiel in Kirchheimbolanden<br />

und Ingelheim, entsprechend weiter<br />

vorangetrieben werden können. Mit<br />

der Art und dem Umfang der Umsetzungen<br />

werden wir uns 2021 konkret<br />

befassen. Auch die Erweiterungsplanungen<br />

am Zoar-Standort Kusel, was<br />

den Anbau und die Sanierung des<br />

Hauptgebäudes betrifft, werden wir<br />

in den kommenden Monaten<br />

Grundsteinlegung für das Bauprojekt<br />

„Zoar – Wohnen am Betzenberg“<br />

4 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Grußwort<br />

konkreter angehen (siehe Bericht im<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 4/2018 auf den Seiten<br />

38 bis 43; Anm. d. Red.). Über all<br />

diese Projekte werden wir in den<br />

Zoar-Publikationen fortschreitend<br />

berichten.<br />

Ende September ist mein ehemaliger<br />

Vorstandskollege Peter Kaiser aus<br />

dem Unternehmen ausgeschieden.<br />

Seither leite ich das Evangelische<br />

Diakoniewerk Zoar allein,<br />

gemeinsam mit dem engeren<br />

Führungskreis. Ein Fokus liegt im<br />

Moment darauf, mich dem Bereich<br />

Eingliederungshilfe, den Herr Kaiser<br />

bisher allein verantwortet hat,<br />

intensiv zu widmen. Dank der guten<br />

Unterstützung des Leitungsteams<br />

und aller anderen Mitarbeiter bin ich<br />

zuversichtlich, dass es uns gelingt,<br />

die Einrichtung entsprechend weiter<br />

nach vorne zu bringen.<br />

Beste Wünsche für das neue Jahr<br />

Gottes Segen sei mit Ihnen in den kommenden Wochen und Monaten.<br />

Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen das Allerbeste − Wohlergehen,<br />

Zuversicht, Glück und Zufriedenheit sowie vor allem Gesundheit.<br />

Mein ausdrücklicher Dank geht an alle haupt- und ehrenamtlichen<br />

Mitarbeitenden, die in diesem besonderen Jahr Herausragendes<br />

geleistet haben. Danke für Ihren Einsatz und für Ihre Treue zu uns.<br />

Gern erzähle ich Ihnen im Frühjahr 2021 an dieser Stelle im Vorwort,<br />

was es bei Zoar und den Tochtergesellschaften Neues gibt.<br />

Wir leben in einer krisenhaften Zeit. Versuchen Sie trotzdem, auch<br />

mal abzuschalten und die kommenden Feiertage für sich zu nutzen.<br />

Kommen Sie zur Ruhe, machen Sie es sich in den eigenen vier Wänden<br />

gemütlich und pflegen Sie Kontakte. <strong>Das</strong> geht auch digital und<br />

per Telefon. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein frohes und<br />

gesegnetes Weihnachtsfest, und kommen Sie gut ins neue Jahr.<br />

Möge sich die Pandemie-Lage 2021 normalisieren und wir alle<br />

wieder zu unserem liebgewonnenen Alltag mit Hobbys, Ausflügen,<br />

sozialen Kontakten und Reisen zurückkehren können. Denken wir<br />

in dieser schweren Zeit aber auch an all jene Menschen, denen es<br />

weitaus schlechter geht als uns, die krank sind oder krank waren<br />

oder die in große Existenznöte geraten sind. Seien wir dankbar!<br />

Seien wir füreinander da!<br />

Unsere Neujahrsempfänge müssen 2021 leider ausfallen.<br />

Um die Zahl der Corona-Neuinfektionen zu verringern, sollten<br />

wir uns konsequent an die Regeln halten und unsere Kontakte<br />

auf das unbedingt Notwendige beschränken.<br />

Bleiben Sie gesund!<br />

Es grüßt Sie herzlichst<br />

Martina Leib-Herr<br />

Vorstand<br />

Evangelisches Diakoniewerk Zoar<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong> 5


Grußwort<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />

<strong>Das</strong> Thema „Corona“ ist unser Schwer-Punkt. Seit März lässt uns das Thema<br />

nicht los. Wir leben in dieser besonderen Zeit und in dieser besonderen<br />

Situation MIT den Menschen anders, als es bisher war und auch anders, als<br />

es sich irgendjemand von uns jemals hätte vorstellen können. Dies Krise hat<br />

uns aber auch gezeigt, dass wir trotz der Distanz, die wir halten müssen, in<br />

allen Bereichen näher zusammengerückt sind. Nach dem Motto: Wir halten<br />

Abstand, aber zusammen!<br />

Die Mitarbeiter in den Einrichtungen und Häusern von Zoar haben Großes<br />

geleistet. Dafür kann nicht oft genug DANKE gesagt werden. Sie tragen<br />

eine sehr hohe Last – noch immer. Angesichts der Schutz-Maßnahmen<br />

und Hygiene-Vorschriften ist es eine ganz große Leistung, jeden Arbeits-Tag<br />

den speziellen Anforderungen gerecht zu werden. Es hat sich bewährt,<br />

dass Herr Rose, Leiter der Alten-Hilfe, sich intern dem Thema „Corona“<br />

angenommen hat. Auch unser Betriebs-Arzt Herr Klöckner ist lobend zu<br />

nennen. Von außen wurde uns bestätigt, dass wir in diesem Bereich<br />

sehr gut aufgestellt und die Konzepte durchdacht sind. Unser Corona<br />

Jour Fixe-Team tagt aktuell einmal in der Woche.<br />

Ausblick auf 2021 und Rückblick auf <strong>2020</strong><br />

Was Bau-Maßnahmen betrifft, haben uns <strong>2020</strong> vor allem der Neu-Bau der<br />

Einrichtung „Wohnen am Betzenberg“ in Kaiserslautern und das neue<br />

Wohn-Projekt in Oppenheim beschäftigt. Ein anderes wichtiges Thema, das<br />

wir abgearbeitet haben, war und ist der Brand-Schutz auf dem Inkelthalerhof.<br />

Auch 2021 werden wir an vielen Projekten weiterarbeiten, zum Beispiel<br />

Dezentralisierungs-Projekte in Kirchheimbolanden und Ingelheim sowie<br />

Erweiterung am Zoar-Standort Kusel. Dort soll angebaut werden. Außerdem<br />

soll das bestehende Gebäude saniert werden.<br />

6 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Grußwort<br />

Ende September ist mein ehemaliger Vorstands-Kollege Peter Kaiser aus<br />

dem Unternehmen ausgeschieden. Seither leite ich Zoar allein, gemeinsam<br />

mit dem engeren Führungs-Kreis. Mein Schwer-Punkt liegt momentan<br />

darauf, mich dem Bereich Eingliederungs-Hilfe, den Herr Kaiser bisher allein<br />

verantwortet hat, intensiv zu widmen. Dank der guten Unterstützung des<br />

Leitungs-Teams und aller anderen Mitarbeiter bin ich zuversichtlich, dass es<br />

uns gelingt, die Einrichtung entsprechend weiter nach vorne zu bringen.<br />

Beste Wünsche für das neue Jahr<br />

Gottes Segen sei mit Ihnen in den kommenden Wochen und Monaten.<br />

Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen das Allerbeste − Wohlergehen,<br />

Zuversicht, Glück und Zufriedenheit sowie vor allem Gesundheit.<br />

Mein ausdrücklicher Dank geht an alle haupt- und ehrenamtlichen<br />

Mitarbeitenden, die in diesem besonderen Jahr Herausragendes<br />

geleistet haben. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein frohes und<br />

gesegnetes Weihnachts-Fest. Kommen Sie gut ins neue Jahr.<br />

Bleiben Sie gesund!<br />

Es grüßt Sie herzlich<br />

Martina Leib-Herr<br />

Vorstand<br />

Evangelisches Diakoniewerk Zoar<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

7


Geistliches Wort<br />

Advent:<br />

Gott kommt zu uns<br />

und hält bei uns an<br />

Von einem D-Zug der besonderen Art erzählt ein uralter Gospel-Song: „The Gospeltrain“, der<br />

„Gute-Nachricht-Zug“. Advent heißt ja: Gott kommt an. Wie ein Zug am Bahnhof ankommt.<br />

Lange erwartet. Endlich ist er da. Was ist das für ein rätselhafter Zug, der da kommt?<br />

Der anhält. In den ich einsteigen kann?<br />

8 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Geistliches Wort<br />

Wo ich wohne, im Lautertal, haben alle Züge Namen.<br />

Ich sage dann immer: „Gerade fährt der Fritz Walter<br />

vorbei oder der „Horst Eckel“. Leider gibt es bei uns<br />

keinen „Gospeltrain“ oder „Gute-Nachricht-Zug“.<br />

Zum Zug gehört eine Lokomotive mit einigen Wagen.<br />

So ein Zug ist eine kleine, in sich geschlossene Welt.<br />

Der Zug durchfährt eine Landschaft. Drinnen im Zug<br />

sind Menschen. Draußen in der Landschaft leben<br />

Menschen. Sie kennen einander nicht. Jeder lebt in<br />

seiner eigenen Welt.<br />

Der „Gute-Nachricht-Zug“ im Gospel-Lied symbolisiert<br />

Gottes Welt. Der „Gute-Nachricht-Zug“ kreuzt und<br />

durchfährt unsere Welt. Es gibt Berührungspunkte.<br />

Einstiegsmöglichkeiten. Gott hält bei uns an. Fragt uns:<br />

„Möchtest Du mitkommen? Eine spannende Fahrt liegt<br />

vor Dir. Lass Dich überraschen“.<br />

Inspiriert vom Gospel-Song hat die Künstlerin Ruth Starr<br />

Rose im Jahr 1939 ein für mich wunderbares Bild gemalt:<br />

Menschen sind unterwegs zu einer Kirche. Gebeugte,<br />

Alte, Junge, Männer und Frauen. Es sind Menschen mit<br />

dunkler Hautfarbe. Sklaven Nordamerikas. Die Kirche,<br />

zu der sie unterwegs sind, hat etwas Einladendes.<br />

Helles, warmes Licht kommt aus ihren Fenstern und der<br />

Tür. Im Eingang steht der Pastor, der aus der Bibel<br />

vorliest. Doch er schaut und zeigt zugleich auf etwas, das<br />

hinter der Kirche ist. Da düst gerade der „Gospeltrain“<br />

vorbei. Er scheint fahrplanmäßig an dieser kleinen<br />

Kirche zu halten. Die Kirche ist der Bahnhof für den<br />

„Gute-Nachricht-Zug“.<br />

Die beiden Esel vor der Transportkutsche scheuen.<br />

Sie werden vom Dampf und Krach der Räder erschreckt.<br />

Der eine keilt nach hinten aus. Der andere erstarrt.<br />

Der Kutscher hat alle Mühe, sich auf dem Wagen zu<br />

halten. Denn es ist ein grandioses Schauspiel! Dieser<br />

„Gute-Nachricht-Zug“ braucht kein Gleis. Er hebt ab<br />

wie ein gewaltiges Flugzeug. Im Führerhaus sehen wir<br />

den Lokführer. Ein Engel fliegt dem Zug voraus.<br />

Er bestimmt die Richtung und bläst das Signalhorn.<br />

Der Zug gewinnt nun so gewaltig an Fahrt, dass es gut<br />

und sicher ist, wenn der Engel ein lautes Signal gibt.<br />

Und dann ist da noch ein Engel. Er legt seine Hand<br />

segnend und schützend auf das Wagendach.<br />

<strong>Das</strong> beruhigt die Passagiere. Sie winken fröhlich<br />

ihren Freunden draußen zu. Diese warten auf den<br />

nächsten Halt des „Gute-Nachricht-Zugs“, um<br />

zusteigen zu können.<br />

<strong>Das</strong> ist Advent: Gott hält bei uns an. Er lädt uns ein,<br />

einzusteigen. Er lädt uns ein, seine Welt kennenzulernen.<br />

Seine Welt ist mitten in unserer Welt.<br />

Die, die eingestiegen sind, strahlen Fröhlichkeit aus.<br />

Sie machen den „Mühseligen und Beladenen“<br />

draußen Mut. „Steigt auch ein und fahrt mit uns!“<br />

Es würde mich nicht wundern, wenn der nächste Halt<br />

des „Gute-Nachricht-Zugs“ in Bethlehem wäre; direkt<br />

am Stall, da wo Jesus geboren wird.<br />

„Der Gospel-Zug kommt gerade an.<br />

Man hört ihn schon ganz nah.<br />

Man hört die Räder rumpeln.<br />

Er kommt gleich bei uns an.<br />

Steig ein, kleiner Mann, kleine Frau, kleines Kind!<br />

Es ist noch Platz für ganz viele.“<br />

(Übersetzung von „The Gospeltrain is coming“)<br />

Den Advent kann man sich vorstellen wie einen Zug,<br />

der bei uns hält. Ich kann einsteigen und mich<br />

mitnehmen lassen, wenn ich will.<br />

Nie hat Gott die Welt so deutlich berührt wie in der<br />

Person Jesu. Gott selbst macht im Stall von<br />

Bethlehem Halt bei uns. Da steige ich mit ein.<br />

Auch in diesem Jahr hält Gott bei uns an!<br />

Es grüßt Sie herzlich und wünscht Ihnen einen gesegneten Advent und<br />

ein gesegnetes Weihnachtsfest in dieser so merkwürdigen Corona-Zeit,<br />

Ihr Pfarrer Jochen Walker<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

9


Aktuell<br />

<strong>Das</strong> Corona-Virus und seine Auswirkungen<br />

„Wir halten Abstand – aber zusammen“<br />

Wir befinden uns in einer Pandemie, ausgelöst durch das Virus „Sars-CoV-2“. Die Folgen?<br />

Lockdown, Beschränkungen, Schutzmaßnahmen, Hygiene-Konzepte, Hilfsprogramme, deren<br />

Kosten in die Milliarden gehen. Einiges muss sich bewegen, damit auf zukünftige Epidemien<br />

noch besser und schneller reagiert werden kann.<br />

Kontaktbeschränkungen und<br />

Hygiene-Schutzmaßnahmen<br />

prägen unseren Alltag seit<br />

Monaten. Dies dient der Verhinderung<br />

der weiteren Ausbreitung des<br />

Corona-Virus. <strong>Das</strong> kommt uns allen<br />

zugute; vor allem aber ist es wichtig<br />

für ältere Menschen, Menschen mit<br />

Beeinträchtigungen und/oder Vorerkrankungen.<br />

Deshalb stehen Infektionsschutz<br />

und Hygienemaßnahmen<br />

überall dort, wo Kontakte notwendig<br />

sind beziehungsweise Kontaktbeschränkungen<br />

gelockert wurden, im<br />

Mittelpunkt. Damit soll erreicht<br />

werden, uns vor der Infektion mit<br />

SARS-CoV-2 zu schützen, um nicht an<br />

Covid-19 zu erkranken und somit eine<br />

Überforderung des Gesundheitssystems<br />

zu vermeiden. Neue Infektionsketten<br />

müssen bestmöglich<br />

vermieden werden. Rasant steigende<br />

Infektionszahlen müssen unbedingt<br />

wieder abflachen.<br />

Hilfreiche Anteilnahme und<br />

süße Überraschungen<br />

Beim Evangelischen Diakoniewerk<br />

Zoar mit seinen Tochtergesellschaften<br />

an zahlreichen Standorten<br />

in Rheinland-Pfalz ging die Arbeit<br />

unter Einhaltung angepasster<br />

Schutzvorkehrungen kontinuierlich<br />

weiter. Menschen, die uns anvertraut<br />

sind, wurden und werden umfänglich<br />

betreut und versorgt. Alle<br />

müssen lernen, mit der Pandemie zu<br />

leben. Noch gibt es keinen Impfstoff<br />

und keine wirksame Therapie gegen<br />

Covid-19. So lange ist Vorsicht<br />

geboten, und wir müssen auf unsere<br />

Nächsten und uns achten. Hilfreiche<br />

Anteilnahme an der krisenhaften<br />

Situation nahm auch ein Großteil der<br />

Bevölkerung. Bewohner der Zoar-<br />

Einrichtung erhielten zum Beispiel<br />

liebe Briefe, gemalte Bilder und<br />

schöne Basteleien. Selbstgenähte<br />

Mund-Nasen-Masken wurden ehrenamtlich<br />

hergestellt und abgegeben.<br />

Spenden gingen ein, zum Beispiel<br />

Tablets für das Videotelefonat mit<br />

den Angehörigen sowie kleine<br />

Aufmerksamkeiten für die Pflegekräfte,<br />

um sie in dieser Zeit mit Eis<br />

und Kuchen sowie sonstigen schönen<br />

Dingen zu überraschen.<br />

10 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Aktuell<br />

Zur aktuellen Lage lesen Sie hier, liebe Leserinnen und Leser,<br />

fachliche Einschätzungen der Pandemie-Entwicklung von<br />

Zoar-Betriebsarzt, Dr. Michael Klöckner, und<br />

Erich Rose, Leitung Altenhilfe.<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Alexandra Koch.<br />

1. <strong>2020</strong> – ein Jahr großer Herausforderungen:<br />

Was glauben Sie, war die größte Herausforderung<br />

in dieser für uns alle schwierigen Situation?<br />

Dr. Michael Klöckner:<br />

Die größte Herausforderung ist die<br />

Pandemie selbst, und das, was sie<br />

für Auswirkungen mit sich bringt<br />

– auf Zoar und auf unsere Gesellschaft<br />

allgemein. <strong>Das</strong> war und ist<br />

das entscheidende Thema, und es<br />

ist nach wie vor stark präsent und<br />

längst nicht abgehakt. <strong>Das</strong> Thema<br />

wird auch noch 2021 präsent sein.<br />

Letztendlich hängt alles davon ab, inwiefern es gelingt,<br />

einen schützenden Impfstoff zu entwickeln.<br />

Erich Rose:<br />

Wir als Einrichtung und unsere<br />

Gesellschaft generell sind erstmalig<br />

mit dieser Form von Pandemie<br />

konfrontiert. Zum einen ist es<br />

eine grundsätzliche Auseinandersetzung<br />

mit dem „Sars-CoV-2“-<br />

Virus bei jedem Einzelnen in<br />

persönlicher und gesundheitlicher<br />

Hinsicht und zum anderen, mit<br />

Blick auf konkret unseren Betrieb, sind es die vielfältigen<br />

Auswirkungen auf das Arbeitsgeschehen beziehungsweise<br />

der Schutz von Klienten, Mitarbeitern und Gästen.<br />

Ohne übertreiben zu wollen, kann man sagen, dass die<br />

Pandemie kolossale Auswirkungen auf die täglichen<br />

Arbeitsabläufe hat; sowohl was den Umgang mit<br />

Klienten und Mitarbeitern betrifft als auch deren Schutz.<br />

<strong>Das</strong> kommt bei den ambulanten Angeboten und bei der<br />

stationären Versorgung zum Tragen. Hier nenne ich zum<br />

Beispiel die umfänglichen Besuchsregelungen.<br />

2. Was ist Ihrer Meinung nach im Umgang mit der Pandemie<br />

bei Zoar besonders gut, was weniger gut gelaufen?<br />

Erich Rose:<br />

Wir können bei dieser Krise auf keinerlei<br />

Erfahrungswerte aus der Vergangenheit<br />

zurückgreifen. Trotzdem wage ich zu<br />

behaupten, dass wir innerbetrieblich gut<br />

und angemessen mit der Situation umgegangen sind.<br />

Dazu ein großes Lob an alle Mitarbeiter in den verschiedenen<br />

Bereichen. Ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein<br />

war überall zu erkennen. Informationen<br />

wurden offen und transparent sowie kontinuierlich an<br />

die gesamte Belegschaft weitergegeben. Von Vorteil war,<br />

dass wir zeitnah ein Corona-Pandemie-Team gegründet<br />

haben; besetzt mit dem Vorstand, dem Betriebsarzt, der<br />

Gesamtmitarbeitervertretung, Verantwortlichen der<br />

Arbeitssicherheit, des Personalbereichs und der Zentralen<br />

Dienste. Wir treffen uns seit März wöchentlich für<br />

circa ein bis zwei Stunden und haben dann immer<br />

aktuelle Themen auf der Agenda. Die gilt es abzuarbeiten<br />

und Rückschlüsse daraus zu ziehen.<br />

Jedoch steht und fällt jede Maßnahme mit der Bereitschaft<br />

der Mitarbeiter, Klienten und Gäste, diese mitzutragen<br />

und umzusetzen. Dies war und ist dankenswerterweise<br />

gegeben. Die gesamte Dienstgemeinschaft<br />

zeigt ein enormes Maß an Einsatzbereitschaft und<br />

Verantwortungsbewusstsein. Nur gemeinsam schaffen<br />

wir es, den Anforderungen durch die Pandemie angemessen<br />

gerecht zu werden.<br />

Dr. Michael Klöckner:<br />

Nicht gut Gelaufenes kann ich bei Zoar<br />

gar nicht erkennen. Ich hatte auch den<br />

Vergleich zu anderen Betrieben und<br />

Einrichtungen und muss sagen, dass das<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

11


Aktuell<br />

Thema dort vielfach nicht so systematisch angegangen<br />

wurde. Auch die Regelmäßigkeit der Arbeitsgruppensitzungen<br />

über einen langen Zeitraum ist bei Zoar vorbildlich.<br />

Was bereits im Vorfeld sehr gut aufgebaut war, ist<br />

der ganze Bereich des Infektionsschutzes und der Hygienemaßnahmen<br />

bei Zoar. Federführend durch Herrn Rose<br />

und sein Team (konkret genannt sei hier Liesel Sköries als<br />

Zentrale Hygienebeauftragte; Anm. d. Red.) war das<br />

schon vor Jahren aufgebaut und umgesetzt worden. Und<br />

so konnte man auf das Hygienemanagement von Zoar,<br />

was die Pandemie betrifft, sehr stark zurückgreifen. Die<br />

Instrumente zum Umgang mit dem Virus sind in der<br />

Einrichtung vorhanden. Daher ist man hier dem neuen<br />

Angreifer nicht schutzlos ausgesetzt. Es galt lediglich,<br />

alle Maßgaben konform zu halten mit den Empfehlungen<br />

des Robert Koch-Instituts und auch die immer neuen und<br />

aktualisierten Landesverordnungen in die Informationen<br />

an die Mitarbeiter einfließen zu lassen. Aufgrund der<br />

guten vorhandenen Basis ist man bei Zoar nicht in Panik<br />

geraten. Auch bezüglich der Körperschutzmaßnahmen<br />

beziehungsweise der Schutzausrüstung hat man hier gut<br />

und zeitig reagiert, noch bevor es große Engpässe gab.<br />

Erich Rose:<br />

Seit März haben wir konsequent darauf<br />

geachtet, dass wir die Artikel der persönlichen<br />

Schutzausrüstung vorrätig haben.<br />

<strong>Das</strong> war in den ersten Wochen und<br />

Monaten sehr zeitintensiv und auch schwierig, weil es<br />

aufgrund der weltweiten Masse, die benötigt wurde, zu<br />

Lieferengpässen auf dem freien Markt kam. Wir mussten<br />

sehr genau prüfen, ob die Artikel den gesetzten Normen<br />

entsprachen. Denn es wurde auch minderwertige Ware<br />

angeboten. Ich muss dazu sagen, dass bei uns zu keinem<br />

Zeitpunkt ein Defizit herrschte. Wir waren immer<br />

flächendeckend an allen Zoar-Standorten mit den Artikeln<br />

für die persönliche Schutzausrüstung versorgt.<br />

3. Wie schätzen Sie den weiteren Verlauf<br />

der Pandemie ein?<br />

Dr. Michael Klöckner:<br />

<strong>Das</strong> Corona-Virus ist angekommen und<br />

wird auch bleiben. Es wird nicht gelingen,<br />

das Corona-Virus auf null zurückzuführen.<br />

Es wird noch dauern, bis ein verfügbarer<br />

Impfstoff auf dem Markt verimpft werden kann. Es gibt<br />

Hinweise diverser Studien, die besagen, dass sich die<br />

Virus-Eigenschaften verändern. <strong>Das</strong> würde möglicherweise<br />

bedeuten, dass das Virus in Zukunft nicht mehr<br />

ganz so gefährliche Auswirkungen hat und sich dann am<br />

ehesten mit einem grippalen Infekt vergleichen ließe.<br />

<strong>Das</strong>s die Infektionszahlen im Herbst wieder ansteigen<br />

würden, war zu erwarten. Diese Entwicklung musste<br />

zwangsläufig so geschehen. Im Sommer während der<br />

Urlaubs- und Ferienzeit wurden die Vorgaben nicht mehr<br />

eingehalten, wie es nötig gewesen wäre. Im Zuge der im<br />

Herbst beginnenden Erkältungszeit ist außerdem<br />

häufiger getestet worden. Auch das ließ die Zahlen<br />

steigen. Denn je mehr getestet wird, desto höher ist die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass auch asymptomatische<br />

Corona-Virus-Infektionen festgestellt werden.<br />

Vorsichtig optimistisch macht die Tatsache, dass die<br />

Sterblichkeitsrate nicht so stark und schnell ansteigt wie<br />

die Neuinfektionen. Außerdem haben wir nun auch<br />

mehr Praxis-Erfahrung im Umgang mit dem Virus. Die<br />

Menschen, die, wie bei Zoar, in den systemrelevanten<br />

Berufen arbeiten, sind auf diese Infektionskrankheit<br />

eingestellt. Sie wissen, wie sie mit dem Virus und dessen<br />

Vorbeugung sowie den Schutzmaßnahmen umgehen<br />

müssen und kennen auch die Auswirkungen auf die<br />

Bewohner und Beschäftigten. Ihr Interesse gilt nicht nur<br />

ihrem Schutz, sondern auch dem Schutz derer, für die sie<br />

da sind.<br />

Erich Rose:<br />

Wie es Herr Dr. Klöckner bereits sagte, das<br />

Corona-Virus wird uns in unserem Alltag,<br />

privat und beruflich, auch weiterhin<br />

begleiten. Daher ist es wichtig, immer auf<br />

die entsprechenden Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln<br />

zu achten. Es kommt auf jeden Einzelnen und<br />

dessen Kontaktpersonen an. Es ist und bleibt wichtig,<br />

dass wir die Hygieneaspekte, gerade im Umgang mit<br />

unseren Klienten, immer wieder auf die Agenda der<br />

Corona-Pandemie-Teamsitzungen setzen. <strong>Das</strong> darf nicht<br />

12 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Aktuell<br />

in Vergessenheit geraten. Wichtig ist, dass bei Symptomen,<br />

die ab der Herbst-Winterzeit vermehrt auftreten<br />

werden, frühzeitig Maßnahmen ergriffen und Kontakte<br />

nachverfolgt werden. Nur so kann eine Verbreitung in<br />

der Belegschaft und unter den Klienten vermieden<br />

werden. So lange kein Impfstoff da ist, der auch entsprechende<br />

Wirksamkeit hat, stehen Hygienemaßnahmen<br />

zur Vorbeugung absolut im Vordergrund. Selbst wenn<br />

ein wirksamer Impfstoff auf dem Markt wäre, dauert es<br />

voraussichtlich Monate, bis ein entsprechender Impfschutz<br />

in der Gesellschaft vorliegt, der das Infektionsrisiko<br />

minimiert; und auch nur, wenn die Impfbereitschaft<br />

entsprechend gegeben ist.<br />

Dr. Michael Klöckner:<br />

Es wird ein neuartiger Impfstoff sein −<br />

mit noch unklaren Risiken und Nebenwirkungen.<br />

Viele Menschen sind daher<br />

eher skeptisch. Sie warten ab und lassen<br />

erst einmal anderen den Vortritt. Generell wird ohnehin<br />

die Meinung vertreten, dass zuerst die Risikogruppen<br />

geimpft werden sollen. Ich bin sehr gespannt, wie die<br />

Impfquoten letztendlich sein werden.<br />

4. Herr Rose, halten Sie die jeweiligen Maßnahmen<br />

beziehungsweise Regeln in ihrer Tragweite für ältere<br />

Menschen in den Zoar-Alten- und Pflegeheimen für<br />

begreifbar und nachvollziehbar?<br />

Erich Rose:<br />

Teils, teils. In der Mehrheit werden die<br />

Konsequenzen aus den Schutzmaßnahmen<br />

verstanden und finden Akzeptanz.<br />

Die meisten Bewohner können es<br />

nachvollziehen und tragen diese Beschränkungen mit,<br />

ebenso die Angehörigen. Es gibt aber auch einzelfallbezogene<br />

Situationen, in denen die Maßnahmen nicht<br />

voll umfänglich nachvollzogen werden können. Es ist<br />

stark von der jeweiligen Person abhängig und davon,<br />

inwiefern ein Mensch kognitiv in der Lage ist, das Risiko<br />

einer Infektion einzuschätzen und entsprechende<br />

Schutzmaßnahmen nachzuvollziehen. Schaut man sich<br />

die Reaktionen in der Allgemeinbevölkerung an, ist es<br />

grundsätzlich nichts Anderes. Es gibt Personen, die das<br />

umfänglich mittragen und nachvollziehen können, und<br />

ebenso gibt es Personen, die Aspekte ablehnen. Es entspricht<br />

dem Bild der Gesellschaft. Schwieriger wird es<br />

mit zunehmender Dauer der Kontakteinschränkung. Je<br />

länger sie dauert, desto gravierender werden die Folgen<br />

des Kontaktverlustes.<br />

5. Herr Dr. Klöckner, kamen im Rahmen der Pandemie<br />

mehr Menschen als sonst auf Sie als Betriebsarzt zu?<br />

Gab es mehr Fragen?<br />

Dr. Michael Klöckner:<br />

Es kamen schon mehr Fragen auf als<br />

sonst, und es kamen auch mehr Leute auf<br />

mich zu. <strong>Das</strong> meiste lief telefonisch und<br />

per E-Mail. Die Pandemie ist für alle das<br />

vorherrschende Thema. Es ging häufig um die Gefährdung<br />

von Risikogruppen und um Infektionsgefahren für<br />

Angehörige. Auch gab es häufiger Fragen zum Arbeitsschutz,<br />

zur Hygiene und Schutzausrüstung. Ganz selten<br />

war es so, dass jemand vom Dienst freigestellt werden<br />

musste, wenn er nicht auf einen unbedenklichen<br />

Arbeitsplatz versetzt werden konnte. In der Regel aber<br />

konnte durch verschiedene Schutzmaßnahmen die<br />

Arbeitsfähigkeit erhalten werden.<br />

Der Eigenschutz der Mitarbeiter wurde erhöht, indem<br />

zum Beispiel anstatt einer normalen Mund-Nasen-<br />

Bedeckung eine spezielle FFP2-Maske zur Verfügung<br />

gestellt wurde. Dies wurde an der Arbeitssituation festgemacht.<br />

Denn eine FFP2-Maske zum höheren Eigenschutz<br />

bedeutet auch einen höheren Atemwiderstand.<br />

Man kann sie nicht längere Zeit bequem tragen. Daher<br />

macht man die Tragedauer im Hygienekonzept davon<br />

abhängig, wie lange Zeit der Mitarbeiter direkt am<br />

Bewohner eingesetzt ist. Macht er andere Arbeiten, bei<br />

denen der Abstand eingehalten werden kann, braucht<br />

er die FFP2-Maske nicht zu tragen.<br />

Meine Beratung der Mitarbeiter hat vorrangig kontaktlos<br />

stattgefunden. Auch Routineuntersuchungen wurden,<br />

soweit es geht, aufgeschoben. Die Einstellungsuntersu-<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

13


Aktuell<br />

chungen und Schutzimpfungen haben jedoch stattgefunden.<br />

Der Wunsch nach ärztlicher Beratung ist in<br />

diesen Zeiten schon groß. Im Sommer schwächte sich<br />

das mit zunehmendem Rückgang der Infektionen mal<br />

eine Weile ab und nahm dann wieder zu.<br />

6. Was glauben Sie: Hat der Virus unsere Gesellschaft<br />

verändert, wohlmöglich gespalten?<br />

Dr. Michael Klöckner:<br />

Am Anfang der Pandemie hat man noch<br />

gedacht, dass jetzt Vieles anders wird,<br />

dass man politisch-gesellschaftlich<br />

aufwacht und merkt, dass man nicht<br />

mehr so weiter wirtschaften kann wie bisher, dass man<br />

schauen muss, dass die Gesundheitsversorgung weltweit<br />

besser wird, auch in Deutschland; dass mehr auf den<br />

Schutz geachtet wird und die Lieferketten jetzt neu<br />

angepasst werden, dass man nicht mehr so sehr<br />

abhängig ist von China und anderen weltweiten Lieferanten,<br />

dass man wieder mehr Produktion in Deutschland<br />

hat und dass auch wieder mehr Medikamente, die<br />

ja auch zwischendurch knapp wurden, in Europa beziehungsweise<br />

Deutschland produziert werden. Ich bin da<br />

eher skeptisch. Sobald die Pandemie bekämpft sein wird,<br />

kommt es wieder zu „business as usual“ und da steht<br />

das Rendite- und Gewinnstreben immer im Vordergrund.<br />

Und wenn irgendwo etwas zu sparen ist, werden die<br />

Unternehmen die Lieferketten, so wie sie sind, beibehalten.<br />

Ein bisschen wird vielleicht nach Europa/Deutschland<br />

zurückverlagert, aber nicht in dem Ausmaß wie gedacht.<br />

Je länger die Pandemie und die Schutzmaßnahmen<br />

gehen werden, die ja zur Bekämpfung zwingend<br />

notwendig sind, und Menschen die Fallzahlen nur aus<br />

Statistiken kennen und keine konkreten Krankheitsfälle<br />

in ihrem näheren Umfeld haben, wächst der Nährboden<br />

für Verschwörungstheorien. Frust kann sich diesbezüglich<br />

zuspitzen – Frust auf den Kapitalismus, Frust auf<br />

gesellschaftliche Veränderungen. So eine gewisse Spaltung<br />

der Gesellschaft muss man im Moment leider<br />

schon erkennen. Es ist eine Minderheit, aber eine lautstarke.<br />

Es herrscht keine einheitliche Meinung, sondern<br />

es finden sich Menschen zusammen, die grundsätzlich<br />

gegen alles sind. Aber auch da wird es mit dem Greifen<br />

des Impfstoffes und seiner zuverlässigen Wirkung, und<br />

wenn die Schutzmaßnahmen sukzessive abgebaut<br />

werden können, zu einer Besserung kommen.<br />

Ich denke nicht, dass das auf Dauer so sein wird. Beim<br />

Zwischenmenschlichen sehe ich schon eine gewisse<br />

Form von Distanz, notwendigerweise wegen der<br />

Abstandsgebote. Die Frage wird sich aber stellen, inwieweit<br />

man danach, wenn man die Abstandsregeln nicht<br />

mehr so streng einhalten muss, wieder zu einer Normalisierung<br />

kommen wird. Ich glaube es wird eine gewisse<br />

Form von wohlüberlegter Distanzierung bei vielen<br />

Menschen bleiben. Da könnte ich mir schon so eine<br />

gewisse Reserviertheit vorstellen.<br />

Erich Rose:<br />

Durch die Pandemie ist unsere Gesellschaft<br />

gleichzeitig mit einer Vielzahl von<br />

Themen konfrontiert, mit denen wir uns<br />

aktuell beziehungsweise mittel- und<br />

langfristig konkret auseinandersetzen müssen. Es geht<br />

um den Umgang mit dem Virus, die Entwicklung des<br />

Impfstoffes und der Medikamente. Wo finden zukünftig<br />

Entwicklung und Produktion statt? Wer sorgt für die<br />

entsprechende Lagerhaltigkeit? Aktuell stellen sich<br />

zudem die Fragen nach der digitalen Infrastruktur, nach<br />

der zukünftigen Gestaltung von Arbeitsplätzen usw.<br />

Man muss sich nun vielen Themen stellen. Ich nenne<br />

nur Beispiele: Lüftungstechnik im öffentlichen<br />

Personenverkehr, personelle Ausstattung des Gesundheitswesens,<br />

Aufrechterhaltung der Wirtschaft allgemein.<br />

<strong>Das</strong> ist schon ein riesiges Thema. Welche Lehren<br />

werden wir als Gesellschaft aus dieser Situation ziehen?<br />

Zu wünschen sind positive Konsequenzen im Sinne von<br />

Nachhaltigkeit; auch, um in Zukunft präventiver<br />

gewappnet zu sein.<br />

14 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Aktuell<br />

In der Zwischenzeit haben wir ja schon viel dazugelernt<br />

und bei den Behandlungsmethoden einiges verbessert.<br />

Zum Beispiel hat man am Anfang definitiv zu viel<br />

beatmet, denn es ist ganz schwer, die Menschen von der<br />

Beatmung wieder zu entwöhnen. Man beatmet jetzt bei<br />

weitem nicht mehr so schnell. Hochdosiertes Cortison<br />

und die Verabreichung von Medikamenten zur Blutverdünnung<br />

haben sich sehr gut bewährt. Man muss dringend<br />

verhindern, dass Blutgerinnsel im Kreislauf<br />

entstehen. Seitdem sind Ärzte und Pflegepersonal auf<br />

den Intensivstationen besser aufgestellt. Man weiß<br />

durch die bestehenden Erfahrungen nun besser, mit dem<br />

Virus umzugehen. Trotzdem sind noch viele Fragen offen,<br />

zum Beispiel in Bezug auf einen zuverlässigen Antikörperschutz.<br />

Zu welchem Zeitpunkt ist man immun? Wenn<br />

man das genau wüsste, könnte man diesen Menschen<br />

einen Immunitätspass in die Hand geben.<br />

7. Mit welcher Überzeugung blicken Sie in die Zukunft?<br />

Wie wird die Lage in einem Jahr aussehen?<br />

Erich Rose:<br />

<strong>Das</strong> Virus wird sich nicht in Luft auflösen.<br />

Letztendlich wird es maßgeblich davon<br />

abhängen, wie sich jeder Einzelne im<br />

Rahmen der Pandemie verhält. Davon<br />

hängt es ab, wie sich die Infektionsraten entwickeln. Im<br />

weiteren Verlauf wird es eine große Rolle spielen, wie<br />

schnell ein wirksamer Impfstoff zur Vorbeugung und<br />

wirksame Medikamente zur Behandlung auf dem Markt<br />

sein werden.<br />

Dr. Michael Klöckner:<br />

Je schneller man einen zuverlässigen<br />

Impfstoff entwickelt, desto besser. Und je<br />

mehr Menschen sich dann impfen lassen,<br />

desto besser. Aber es wird seine Zeit brauchen.<br />

Denn es ist klar, dass es bei einem neuen Impfstoff<br />

auch Widerstände geben wird, vor allem bei der jüngeren<br />

Bevölkerung. Heute in einem Jahr wird man hoffentlich<br />

schon viele Menschen geimpft haben. Wenn das Virus<br />

aber genauso gefährlich bleibt wie heute, wird uns das<br />

dann noch keine große Erleichterung bringen. Nimmt<br />

jedoch die Gefährlichkeit des Virus wohlmöglich ab; das<br />

heißt, wenn sich die These bestätigen sollte, dass das<br />

Virus im Laufe der Zeit an Gefährlichkeit verliert, dann<br />

würden wir nächstes Jahr um diese Zeit viel besser<br />

dastehen als heute.<br />

Aber dazu bräuchte man eine zuverlässige Antikörperentwicklung<br />

und man müsste wissen, ab welchem Punkt<br />

man von einem wirklichen Eigenschutz ausgehen kann,<br />

so wie zum Beispiel bei Hepatitis B. Beim Corona-Virus<br />

ist es anders, noch zumindest. Außerdem neigt das<br />

Corona-Virus zur Mutation. Es bleibt nicht stabil. Wenn<br />

es dadurch harmloser wird, wäre es unser Vorteil, wenn<br />

aber der zukünftige Impfstoff deshalb nicht richtig<br />

greifen kann, ist es unser Nachteil. Alles Fragen, die wir<br />

weit ins Jahr 2021 mitnehmen werden. Und deshalb darf<br />

man bei diesem für uns alle wichtigen Thema nicht<br />

nachlässig werden.<br />

Erich Rose:<br />

Es muss vor allem darum gehen, die<br />

systemrelevanten Bereiche funktionsfähig<br />

aufrechtzuerhalten. Zuerst sollten daher<br />

Risikogruppen und Mitarbeiter in systemrelevanten<br />

Berufen geimpft werden. Es ist jedoch klar,<br />

dass das für jeden eine freiwillige Handlung sein wird; so<br />

wie bei der Grippeimpfung ja auch. Zusammenfassend<br />

lässt sich sagen, dass in unserer Mitarbeiterschaft ein<br />

großer Zusammenhalt herrscht, fast noch mehr als vor<br />

Corona. <strong>Das</strong> persönliche Verantwortungsbewusstsein,<br />

sich und andere zu schützen, ist sehr hoch. Alle<br />

Maßnahmen wurden aktiv mitgetragen, auch um das<br />

Infektionsgeschehen zu verlangsamen. Unsere Mitarbeiter<br />

haben bisher einen sehr guten Job gemacht, denn<br />

es steht und fällt mit der Verhaltensweise eines jeden<br />

Einzelnen. Wir leben in einer krisenhaften Zeit und<br />

müssen weiterhin achtsam bleiben. Trotzdem dürfen wir<br />

den Mut nicht verlieren. Ja. Es ist eine gesellschaftliche<br />

Kraftanstrengung, aber es werden auch wieder andere<br />

Zeiten kommen.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

Anm. d. Red.: 2021 werden wir über die weitere<br />

Entwicklung berichten: Zoar im Umgang mit der Pandemie.<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

15


Wir stellen vor<br />

3. Teil der Serie „Arbeitssicherheit“<br />

Baulicher und technischer Brandschutz<br />

für Arbeits- und Wohnsicherheit<br />

Die Sicherstellung der Flucht- und Rettungswege gehört unter das Projektdach<br />

„Brandschutz Inkelthalerhof“. <strong>Das</strong> betrifft sämtliche Wohn- und Betriebsgebäude<br />

auf dem Inkelthalerhof in Rockenhausen.<br />

Vorrangig geht es dabei um Austausch sowie<br />

Ergänzung von Feuerschutztüren, die Herstellung<br />

des jeweils zweiten baulichen Rettungswegs<br />

mittels Treppenanlagen und die Installation einer<br />

Brandmeldeanlage mit Sicherheitsbeleuchtung. Die von<br />

außen montierten Gerüsttreppenanlagen können jederzeit<br />

auch an anderer Stelle wiederverwendet oder bei<br />

Nicht-Bedarf verkauft werden.<br />

Treppentürme mit bis zu 12 Metern Höhe<br />

Die Maßgabe und das Ziel des Projekts „Brandschutz<br />

Inkelthalerhof“ waren die Sicherung der Flucht- und<br />

Rettungswege sowie die Brandfrüherkennung. Baubeginn<br />

war im Frühjahr 2018 mit dem Projektstart im<br />

Fliednerhaus. Die Abnahme erfolgte bereits wenige<br />

Wochen später; und zwar im Juni 2018. Es folgten<br />

Bodelschwinghhaus 1 und 2 sowie Wichernhaus, Falkhäuser,<br />

Kunstgewerbe, Cafeteria, Kegelbahn, Nähstube<br />

und Zentrale Wäscheversorgung. „Es wurden insgesamt<br />

14 Gerüsttreppen und Steganlagen gebaut“, informiert<br />

Astrid Justen vom Architekturbüro Müller-Mizera-Archi-<br />

tekten in Kirchheimbolanden. „Außerdem haben wir<br />

insgesamt 134 neue Türen eingebaut, davon 88 Feuerschutztüren<br />

und 35 Notausgangstüren ins Freie.“ Auf<br />

diese Weise wurden die baulichen Rettungswege<br />

wesentlich optimiert. „Der größte der von außen angebauten<br />

Treppentürme steht am Falkhaus 3 und hat 49<br />

Steigungen und eine Höhe von 11,20 Metern“, ergänzt<br />

die Architektin. <strong>Das</strong> Gesamtprojekt ist jedoch noch nicht<br />

abgeschlossen; die Brandmeldeanlage und das Sicherheitslicht<br />

werden zurzeit installiert. Insgesamt wird der<br />

Kostenrahmen von drei Millionen Euro (brutto) voraussichtlich<br />

überstiegen.<br />

Regelmäßige Wartung und Sichtprüfung<br />

Die Treppentürme sind aus verzinktem Stahlblech gefertigt<br />

und somit nicht brennbar. Die Treppenstufen haben<br />

eine standardisierte Breite von 1,20 Metern sowie eine<br />

maximale Steigung von 20 Zentimetern. All dies dient<br />

der möglichst problemlosen Nutzung von Menschen mit<br />

Beeinträchtigung; zumal im Brandfall, wenn es hektisch<br />

zugeht und Panik vermieden werden muss. Alle Treppen-<br />

16 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Wir stellen vor<br />

Alles für den Brandschutz: baulicher Brandschutz zur Sicherheit der Mitarbeiter,<br />

Bewohner und Gäste<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

17


Wir stellen vor<br />

Zur entsprechenden Recherche für den Bericht<br />

„Brandschutz Inkelthalerhof Rockenhausen“ gab es<br />

eine Führung auf dem Gelände. Die Fachleute<br />

zum Thema sind: (v.l.n.r.)<br />

die Zoar-Mitarbeiter Denis Bäcker<br />

und Karin Hartig sowie Astrid Justen<br />

vom Architekturbüro<br />

Müller-Mizera-Architekten.<br />

Von außen montierte Gerüsttreppenanlagen sorgen für den<br />

dringend erforderlichen zweiten baulichen Rettungsweg. Die<br />

Treppentürme sind aus verzinktem Stahlblech gefertigt und<br />

somit nicht brennbar. Die Treppenstufen haben eine standardisierte<br />

Breite von 1,20 Metern sowie eine maximale<br />

Steigung von 20 Zentimetern. All dies dient der möglichst<br />

problemlosen Nutzung von Menschen mit Beeinträchtigung;<br />

zumal im Brandfall, wenn es hektisch zugeht und Panik vermieden<br />

werden muss. Dies bestätigen auch (v.l.n.r.) Astrid<br />

Justen, Karin Hartig und Denis Bäcker bei der Begehung.<br />

türme wurden ordnungsgemäß vom Gerüstbauer freigegeben,<br />

so dass sie im Notfall von zahlenmäßig vielen<br />

Menschen benutzt werden können. Mit dem Gerüstbauer<br />

wurde ein Wartungsvertrag abgeschlossen;<br />

zweimal im Jahr wird fachgerecht geprüft. Darüber<br />

hinaus organisieren die Zentralen Dienste eine wöchentliche<br />

Sichtprüfung der Gerüsttreppen und Steganlagen,<br />

um die Sicherheit zu gewährleisten. Denn vor allem im<br />

Herbst könnten die Treppenstufen durch herabfallendes<br />

Laub und herumfliegende Zweige unpassierbar sein, was<br />

selbstverständlich stetig verhindert werden muss.<br />

Die Arbeiten bezüglich des baulichen Brandschutzes<br />

waren aufwendig, denn zum Teil mussten für die Schaffung<br />

von Notausgängen beziehungsweise zur Sicherstellung<br />

der Flucht- und Rettungswege Fenster demontiert<br />

und Brüstungen heruntergebrochen werden. „Alle<br />

Bauarbeiten sind im laufenden Betrieb durchgeführt<br />

worden“, berichtet Astrid Justen. „Natürlich wurde<br />

dadurch die gewohnte Routine gestört.“ Trotzdem sei<br />

man auf großes Verständnis und viel Geduld der Mitarbeiter<br />

und Bewohner gestoßen. „Alle Mitarbeiter und<br />

Bewohner, die aufgrund der Bauarbeiten im Umfeld des<br />

Brandschutzes Einschränkungen, Schmutz- und Lärmbelästigungen<br />

erfahren mussten, bitten wir um Entschuldigung“,<br />

sagt Zoar-Direktorin Martina Leib-Herr. „Die<br />

Sicherstellung der Flucht- und Rettungswege ist<br />

aufgrund der notwendigen Brandschutzanforderungen<br />

jedoch alternativlos.“ Umso glücklicher sei man, dass die<br />

baulichen Maßnahmen erfolgreich abgeschlossen seien.<br />

Allen Beteiligten sei dafür großer Dank ausgesprochen.<br />

Brandabschnitte und Evakuierungspläne<br />

Im Rahmen der Baumaßnahmen in den Häusern auf<br />

dem Inkelthalerhof wurden einzelne Brandabschnitte<br />

gebildet. Dafür wurden Bereiche für maximal zehn<br />

Bewohner geformt. Neue, schwere Feuerschutztüren<br />

(mit Öffnungsunterstützung) verhindern, dass mögliches<br />

Feuer ungehindert in einen anderen Brandabschnitt<br />

übertritt. Eine vollzählige Evakuierung vor Brandausbreitung<br />

ist so wesentlich wahrscheinlicher. Auch Evakuierungspläne<br />

(Erstellung, Überprüfung, Durchführung)<br />

zählen zu diesem hochkomplexen Thema. Um das<br />

entsprechend effizient zu bearbeiten, bedurfte es einer<br />

18 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Wir stellen vor<br />

Windfeste Verkleidung hilft, die Verschmutzung der Gerüsttreppenanlagen durch herunterfallende<br />

Blätter und umherfliegende Zweige einzudämmen. <strong>Das</strong> Foto zeigt die<br />

Gerüsttreppe hinter dem Wichernhaus. Die baulichen Rettungswege wurden durch die<br />

Treppentürme im Außenbereich der Häuser wesentlich optimiert. Alle Treppentürme<br />

wurden ordnungsgemäß vom Gerüstbauer freigegeben, so dass sie im Notfall von zahlenmäßig<br />

vielen Menschen benutzt werden können. Mit dem Gerüstbauer wurde ein<br />

Wartungsvertrag abgeschlossen; zweimal im Jahr wird fachgerecht geprüft.<br />

Arbeitsgruppe mit regelmäßigen „Jour Fixe“-Sitzungen,<br />

in die sich jeder Teilnehmer mit seinem speziellen Sachverstand<br />

einbrachte. Hier die Arbeitsgruppenteilnehmer:<br />

Denis Bäcker, Zentrale Dienste, Barbara Venske, Regionalleitung<br />

Eingliederungshilfe Nordpfalz (Bereich Wohnen),<br />

Dr. Florence Asmus, Regionalleitung Eingliederungshilfe<br />

Nordpfalz (Bereich Arbeiten), Karin Hartig, Standortentwicklung<br />

Eingliederungshilfe, und Astrid Justen vom<br />

Architekturbüro Müller-Mizera-Architekten. Ihr oblag die<br />

Objektüberwachung, denn zum Teil waren zehn verschiedene<br />

Gewerke am Bauprojekt tätig; das heißt, es<br />

mussten zehn verschiedene Firmen mit ihren Mitarbeitern<br />

und Tätigkeiten koordiniert werden. „In den Arbeitsgruppensitzungen<br />

sind wir auch immer die von mir<br />

vorbereiteten Terminpläne durchgegangen“, berichtet<br />

Astrid Justen.<br />

Mit am Wichtigsten sei es allen Beteiligten gewesen, die<br />

Mitarbeiter und Bewohner eng und fortlaufend in die<br />

baulichen Veränderungen einzubeziehen. „Wir haben<br />

großen Wert daraufgelegt, vor allem die Bewohner über<br />

die Brandschutzmaßnahmen aufzuklären und kontinuierlich<br />

über die neuesten Baufortschritte zu informieren“,<br />

sagt Regionalleiterin Barbara Venske im Interview.<br />

<strong>Das</strong> habe mit einem großen zeitlichen Vorlauf stattgefunden.<br />

„Und so waren die Bewohner schon gut vorbereitet,<br />

als es dann tatsächlich mit den Bauarbeiten in<br />

den Häusern losging.“<br />

Großes Verständnis für Bauarbeiten<br />

im laufenden Betrieb<br />

Neuralgische Punkte im Inneren der Häuser waren unter<br />

anderem die Übergänge von den Fluren in die Treppenhäuser.<br />

Neu verbaut wurden Türen mit Feststellanlagen,<br />

die sich in Richtung des Fluchtwegs öffnen und im<br />

Brandfall schließen, um einzelne Brandabschnitte zu<br />

definieren. Dafür waren zum Teil auch neue Stromanschlüsse<br />

nötig. „Es war schon alles sehr aufwendig.<br />

Trotzdem haben wir versucht, den normalen Betrieb in<br />

den Häusern so wenig wie möglich zu stören“, so Astrid<br />

Justen, die werktäglich im engen Austausch mit den<br />

beauftragten Firmen stand. „Natürlich ist durch die<br />

Bauarbeiten Schmutz und Staub entstanden, so dass es<br />

da oft Kritik der Leidtragenden gab.“ Letztendlich hätten<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

19


Wir stellen vor<br />

die Mitarbeiter der Hauswirtschaft aber einen tollen Job<br />

gemacht. Auch zusätzliche Reinigungsarbeiten einer<br />

externen Firma seien durchgeführt worden. Auf diese<br />

Weise konnte das Konfliktthema des anfallenden<br />

Bauschmutzes entschärft werden.<br />

„Ansonsten war das Ver-ständnis für die baubedingten<br />

Unannehmlichkeiten groß“, berichtet<br />

Denis Bäcker von den Zentralen Diensten.<br />

„Baulärm war zwar nicht immer vermeidbar, aber<br />

dadurch, dass die Bewohner genau wussten, um was<br />

es geht, wurde es so auch akzeptiert.“ Im Gegenteil,<br />

manche hatten sogar großen Spaß daran, bei den<br />

Bauarbeiten zuzuschauen und mit den Bauarbeitern<br />

zu sprechen.<br />

Da dies vor Ausbruch der Corona-Pandemie geschah und<br />

Externe noch Zutritt zu den Häusern hatten, stand einem<br />

werktäglichen Austausch nichts im Wege. Es gab durchaus<br />

interessante Dinge zu beobachten, zum Beispiel als<br />

im Sommer 2019 die Arbeiten außen an der Cafeteria<br />

durchgeführt wurden. Dort wurde eine neue Notausgangstür<br />

gesetzt, weswegen Mauerwerk an den Fensteröffnungen<br />

zurückgebaut wurde, um eine bodentiefe<br />

Öffnung zu erhalten. Außerdem wurde eine Rinne mit<br />

Abwasserleitung gesetzt. Im Inneren ging es dann<br />

weiter. Der Flurbereich vor der Kegelbahn<br />

erhielt eine neue Akustikdecke. Im lobenswerten<br />

Einsatz waren hauptsächlich diese<br />

regionalen Firmen: Elektro Müller, Maler Nieder,<br />

Heizung Sanitär Keller, HS Bauunternehmung,<br />

Daiber Bauunternehmung, Metallbau<br />

Wellstein, BMH Trockenbau und Graf Trockenbau.<br />

Technischer Brandschutz<br />

Die Arbeiten am technischen Brandschutz haben bereits<br />

begonnen – mit der Installation der Brandmeldeanlage<br />

in allen Häusern. <strong>Das</strong> bedeutet, dass die Brandmeldeanlage<br />

zukünftig auf die Leitstelle der Feuerwehr in Rockenhausen<br />

aufgeschaltet wird. Zurzeit sind die Häuser noch<br />

über die Notrufnummer im Bodelschwinghhaus II mit<br />

der Feuerwehr verbunden. Corona bedingt haben sich<br />

die Restarbeiten am technischen Brandschutz verzögert,<br />

auch weil die Häuser für Externe geschlossen waren. Nur<br />

dringend notwendige, betriebserhaltende Reparaturen<br />

waren in dieser Zeit möglich. Da die Brandmeldeanlage<br />

im Zuge des technischen Brandschutzes ein komplexes<br />

Projekt ist, wurde dies getrennt vom baulichen Brandschutz<br />

terminiert. Auch hier gilt Teamwork, so dass<br />

jede Firma ihr jeweiliges Fachwissen einbringen kann.<br />

So beauftragte man die Ludwigshafener Fachfirma<br />

Ingenieurbüro Stümpert & Strunk für die Evakuierungspläne<br />

und -konzepte, die im Rahmen der brandschutztechnischen<br />

Stellungnahme für die Planung der<br />

Flucht- und Rettungswegpläne verantwortlich<br />

ist. <strong>Das</strong> Ingenieurbüro Jürgen Theuer mit Sitz<br />

in Speyer betreut die Planung und Objektüberwachung<br />

der Brandmeldeanlage und der Sicherheitsbeleuchtung.<br />

Außerdem liegt es in der<br />

Ausführung der Firma Hieronymus, Sicherheits-Systemhaus<br />

aus Mainz, die technischen Geräte der Brandmeldeanlage<br />

zu montieren. Die Firma Müller aus Nussbach<br />

verlegt dafür die erforderlichen elektrischen Leitungen.<br />

Arbeits- und Wohnsicherheit<br />

Experten auf dem Gebiet „Brandschutz“ arbeiten auch<br />

bei der Firma „FaMaCom“, die im Mai 2018 für vielfältige<br />

Dienstleistungen rund um die Themen Arbeitssicherheit,<br />

Gesundheits- und Brandschutz vom Evangelischen<br />

Diakoniewerk beauftragt wurde. <strong>Das</strong> komplexe Aufgabengebiet<br />

umfasst zahlreiche wichtige Punkte, zum Beispiel<br />

die jährlichen Arbeitsschutz- und Brandschutzbegehungen<br />

mit „FaMaCom“-Mitarbeitern unter der<br />

Leitung von Monika Boeckmann, verantwortlich für<br />

Arbeitssicherheit und Brandschutz. Auch die regelmäßigen<br />

Mitarbeiterschulungen zur Arbeitssicherheit,<br />

Schulung und Zertifizierung für<br />

Brandschutzhelfer und Evakuierungshelfer,<br />

Überprüfung und gegebenenfalls Aktualisierung<br />

der Feuerwehrpläne sowie der Flucht- und<br />

Rettungspläne obliegt den Mitarbeitern der<br />

Firma „FaMaCom“ aus Spiesen-Elversberg, mit denen<br />

Markus Helfrich als Koordinator für Brandschutz und<br />

Denis Bäcker als Koordinator für Arbeitssicherheit im<br />

regelmäßigen Kontakt stehen. Gemeinsam organisiert die<br />

Firma „FaMaCom“ in allen Einrichtungen Evakuierungsübungen<br />

und führt sie durch. Wenn notwendig, werden<br />

die jeweiligen Evakuierungskonzepte beziehungsweise<br />

Notfallpläne aktualisiert.<br />

Bereits zweimal haben wir in Zoar-<strong>Magazin</strong>en<br />

ausführlich über die Themen Arbeitssicherheit,<br />

Gesundheitsschutz, Brandschutz berichtet –<br />

mit zahlreichen Hintergrundinformationen und<br />

Interviews. Sie, liebe Leserinnen und Leser, können<br />

dies gerne nachlesen; und zwar in folgenden<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong>-<strong>Ausgabe</strong>n: 4/2018 und 3+4/2019.<br />

Alexandra Koch<br />

20 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Inklusion & Arbeit<br />

Wege auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

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voller Ehrgeiz<br />

Schieba Nasiri (27) ist eine selbstbewusste, moderne,<br />

junge Frau mit festen Vorstellungen von ihrem<br />

Leben. Sie ist zielstrebig und ehrgeizig, wenn es darum<br />

geht, einen Weg mit einem von ihr gesteckten Ziel zu<br />

gehen und noch dazu erfolgreich dort anzukommen.<br />

Schieba Nasiri mit ihren zwei<br />

Special Olympics-Medaillen<br />

(Gold und Silber), die sie 2019 im<br />

Voltigier-Team in Hamm gewann.<br />

Darauf ist sie sehr stolz.<br />

So erhielt sie zum Beispiel im<br />

Sommer 2019 ein Zertifikat<br />

für ihren erfolgreichen<br />

Abschluss des Zertifikatslehrgangs<br />

„Fachhelfer/in in Sozialeinrichtungen<br />

(IHK)“ (siehe dazu den Bericht im<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 2, 2019, auf den Seiten<br />

49 bis 55; Anm. d. Red.). Auch von<br />

Corona lässt sie sich nicht unterkriegen.<br />

Schieba Nasiri, Mitarbeiterin<br />

mit Beeinträchtigung der Zoar-Werkstätten<br />

Heidesheim, ist nicht nur<br />

beruflich gern aktiv, sondern auch<br />

privat. Sie liebt Pferde und alles<br />

rund um den Reitsport.<br />

<strong>Das</strong> Voltigieren ist daher der ideale<br />

Sport für sie; zumal dadurch der<br />

Gleichgewichtssinn, die Motorik<br />

und Beweglichkeit trainiert werden.<br />

Beim Voltigieren werden der<br />

Gleichgewichtssinn, die Motorik<br />

und Beweglichkeit trainiert.<br />

Es ist immer schön anzuschauen,<br />

denn die Vorführungen werden so<br />

präsentiert, dass sie unterhaltsam<br />

sind. Choreographie, Musik,<br />

Bewegungen und Kostüme<br />

erzählen eine Geschichte.<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

21


Inklusion & Arbeit<br />

In dieser Sportart hat sie bei Special<br />

Olympics schon insgesamt dreimal<br />

Silber und zweimal Gold gewonnen.<br />

„<strong>Das</strong> regelmäßige Training bewirkt,<br />

dass das Selbstvertrauen gestärkt<br />

und das Körpergefühl geschult<br />

werden“, erklärt Sigrid Wolf vom<br />

Therapeutischen Pferdehof in<br />

Wackernheim, wo rund 100 Klienten,<br />

die regelmäßig zum Reiten und Voltigieren<br />

kommen, „betreut“ werden.<br />

Die Besitzerin gründete 2009<br />

zusammen mit anderen den Verein<br />

„Integratives Förderzentrum (IFZ)<br />

Mensch und Pferd in Sport und<br />

Therapie Rhein-Main“. Der Verein<br />

fördert mit gut ausgebildeten<br />

Therapiepferden das Wohlergehen<br />

seiner Mitglieder. „Wir pflegen ein<br />

ausgewogenes Miteinander von<br />

Menschen mit und ohne Beeinträchtigung“,<br />

sagt Sigrid Wolf über den<br />

Pferdehof mit seiner rund 30-jährigen<br />

Tradition. „Pferde haben eine enorme<br />

Heilkraft. Der Umgang mit ihnen<br />

macht ganz viel mit einem. Dies<br />

erfährt jeder, der sich unvoreingenommen<br />

auf die Tiere einlässt.“<br />

Seit 2015 ist der Pferdehof an<br />

seinem jetzigen Standort in<br />

Wackernheim angesiedelt. Im Zoar-<br />

<strong>Magazin</strong> 2, 2019, auf den Seiten 24<br />

bis 31, finden Sie, liebe Leserinnen<br />

und Leser, einen ausführlichen<br />

Bericht über den Therapeutischen<br />

Pferdehof in Wackernheim, in dem<br />

auch die Menschen vorgestellt<br />

werden, die dort arbeiten; ebenso<br />

wie die Pferde und alle dort zu<br />

verrichtenden Arbeiten.<br />

Gold und Silber in 2019<br />

„Als ich bei den Special Olympics<br />

2019 in Hamm zwei Medaillen, Gold<br />

und Silber, gewonnen habe, war ich<br />

sehr glücklich und auch stolz auf<br />

mich“, berichtet Schieba Nasiri aus<br />

Gau-Bischofsheim. <strong>Das</strong> liegt nun<br />

zwar schon eine Zeit lang zurück,<br />

und dieses Jahr konnten aufgrund<br />

der Corona-Krise gar kein Training<br />

und keine Wettbewerbe stattfinden,<br />

aber an die Großveranstaltung der<br />

Special Olympics in Nordrhein-Westfalen<br />

im Juni 2019 kann sich die<br />

junge Frau, ebenso wie die anderen<br />

Voltigierer aus ihrer Gruppe, noch<br />

sehr gut erinnern. Dort holten sie<br />

zuerst Mannschaftsgold (Filip Mohr,<br />

Susanne Dietz, Marcel von Zwehl,<br />

Julius Neufang, Lina Daniel, Julia<br />

Reichert, Alexandra Beier und<br />

Schieba Nasiri) und außerdem Gold<br />

im Doppel (Lena Gresser, Julia<br />

Reichert) sowie Silber im Doppel<br />

(Alexandra Beier, Schieba Nasiri). Der<br />

Medaillenregen für den Pferdehof<br />

Wackernheim ging sogar noch<br />

weiter: Gold im Einzel für Marcel<br />

von Zwehl und Filip Mohr sowie<br />

Silber im Einzel für Susanne Dietz,<br />

die mit ihrer Elfen-Kür überzeugte.<br />

Ein Teil der Vorführungen wird in<br />

Special Olympics 2019 in<br />

Hamm in Nordrhein-<br />

Westfalen: große Freude<br />

über das Mannschaftsgold<br />

im Voltigier-Sport.<br />

Verkleidung präsentiert, so dass<br />

Choreographie, Musik, Bewegungen<br />

und Kostüme eine ganz eigene<br />

„runde“ Geschichte erzählen.<br />

Schieba Nasiri zum Beispiel spielte<br />

in ihrer Kür zusammen mit<br />

Alexandra Beier die sagenumwobene<br />

Geschichte um die Zauberkünste<br />

von „Harry Potter“ nach und trat<br />

entsprechend im weißen Hemd und<br />

gestreifter Krawatte auf. Die Brille,<br />

die sie ohnehin trägt, war natürlich<br />

auch ein wichtiges Accessoire.<br />

„Wir hatten an den drei Tagen in<br />

Hamm so viel Spaß.“<br />

Übungen und Figuren<br />

auf dem Pferderücken<br />

Großen Anteil am damaligen Erfolg<br />

hatten natürlich auch die Vierbeiner<br />

„Aragon“ und „Havanna“ vom Pferdehof<br />

Wackernheim. Einmal in der<br />

Woche, immer dienstags, trainiert<br />

Schieba Nasiri dort. <strong>Das</strong> war<br />

zumindest vor Corona so und wird,<br />

22 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Inklusion & Arbeit<br />

so hoffen alle, in baldiger Zukunft<br />

wieder so sein. Ihre Voltigier-Gruppe<br />

besteht mit Trainer aus insgesamt<br />

acht Personen. „Wir verstehen uns<br />

alle sehr gut und haben auch schon<br />

viel gemeinsam erreicht“, sagt die<br />

Pferdenärrin, deren absolutes Lieblingspferd<br />

„Aragon“, ein 13-jähriges<br />

Noriker Kaltblut, ist. Beide Pferde,<br />

„Aragon“ und „Havanna“ haben sich<br />

in ihrer ruhigen und zuverlässigen<br />

Art mit den fließenden Bewegungen<br />

und dem gleichmäßigen Schritt ideal<br />

dem Voltigier-Sport angepasst.<br />

Begeistert erzählt Schieba Nasiri, die<br />

mit zwei älteren Schwestern aufgewachsen<br />

ist, von den verschiedenen<br />

Übungen und Figuren auf dem Rücken<br />

der Pferde. Abgesehen davon, dass<br />

es einen Grundsitz gibt, „machen<br />

wir ganz viel auf dem Pferderücken,<br />

zum Beispiel stehen, knien, Beine<br />

und Arme ausstrecken, Doppelformationen<br />

zeigen, bei denen sich<br />

die eine über den Rücken der anderen<br />

beugt und an den Schultern festhält,<br />

um das Bein abzuspreizen“. In diesem<br />

Jahr jedoch ist alles anders. Diese Art<br />

Gruppentraining darf in Zeiten der<br />

Corona-Pandemie nicht stattfinden.<br />

Daher sind alle Voltigierer, ähnlich<br />

wie andere Mannschaftssportler,<br />

dieses Jahr nicht sonderlich gut<br />

trainiert. „Ist aber nicht so schlimm“,<br />

sagt Schieba Nasiri. „Wichtiger ist es,<br />

gesund zu bleiben.“ Daher hält sie<br />

sich strikt an die Regelvorgaben<br />

bezüglich der Corona-Maßnahmen.<br />

Corona und die Auswirkungen für Menschen mit Beeinträchtigungen<br />

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

Schieba Nasiri war sehr stolz auf<br />

ihren ausgelagerten Werkstatt-<br />

Arbeitsplatz und darauf, eine<br />

Festanstellung anzustreben. Ihren<br />

Job in der Tagespflege „Vergiss<br />

mein nicht“ des Caritas-Zentrums<br />

„St. Alban“ in Bodenheim füllte sie<br />

zuverlässig und erfolgreich aus –<br />

drei Jahre lang. Dann kam Corona<br />

und mit dem Virus weitreichende<br />

Änderungen und Einschnitte für<br />

uns alle. Da Schieba Nasiri als<br />

Mensch mit Beeinträchtigungen<br />

zu einer der Risikogruppen<br />

gehört, endeten ihr Dienst und<br />

ihre werktägliche, berufliche Aufgabe bereits Mitte März <strong>2020</strong>. Im Zuge<br />

des „Shutdowns“ wurde die Tagespflege-Einrichtung geschlossen. Sie<br />

ist zwar mittlerweile wieder eingeschränkt geöffnet, aber Schieba Nasiri<br />

befindet sich als Angehörige einer Risikogruppe noch immer zuhause<br />

– im Schutz der eigenen vier Wände. „Aufgrund ihrer Vorerkrankungen<br />

ist das auch notwendig“, sagt ihre Mutter Monika Müller im Telefoninterview.<br />

„Gern würde sie dort wieder arbeiten. Sie vermisst die Kollegen<br />

und Tagespflegegäste sehr. Aber momentan ist das unmöglich.“<br />

In der ersten Zeit habe man viel zuhause gebastelt und die Wohnung<br />

verschönert, so die Mutter. Auch das Treffen mit den Freundinnen ist<br />

zu einem wichtigen Ritual geworden. Dann kam der Sommer. „Wir<br />

gingen viel spazieren und unternahmen draußen kleinere Aktivitäten.<br />

In Österreich haben wir zum Beispiel meine Schwester besucht. Man<br />

kann da sehr schön wandern.“ Schieba Nasiri ist eine tapfere, junge<br />

Frau, die noch viel vorhat. Jeder, der sie kennt, weiß, dass sie diese Zeit,<br />

wie so viele andere auch, überstehen wird, um dann wieder ihrem<br />

geliebten Sport und den beruflichen Zielen nachgehen zu können.<br />

„Ich bin mir sicher, auch an diesen Erfahrungen gewachsen zu sein“,<br />

sagt die 27-Jährige. Sie freue sich auf das bald beginnende neue Jahr.<br />

Gesundes Selbstbewusstsein<br />

Trotz der aktuellen Einschränkungen<br />

bleibt der Gau-Bischofsheimerin die<br />

Liebe zu den Pferden ungenommen.<br />

Bereits mit neun Jahren begann sie<br />

zu reiten. Gelernt hat sie es an einer<br />

Leine, der sogenannten Longe, im<br />

Schritt und ohne Sattel. „Longieren<br />

ist das Laufenlassen eines Pferds auf<br />

einer kreisförmigen Bahn, wobei es<br />

vom Longen-Führer geführt wird.<br />

Der steht beim Longieren in der<br />

Mitte des Longier-Zirkels und hält<br />

die Longe in der Hand, die in die Laufrichtung<br />

des Pferdes weist“, so ist es<br />

bei „Wikipedia“ nachzulesen. Schieba<br />

Nasiri schmunzelt, wenn sie an so<br />

manche frühere Begegnung mit den<br />

Pferden auf dem Pferdehof denkt, wo<br />

die Arbeit im Stall schon immer ganz<br />

selbstverständlich dazugehörte.<br />

„Wenn Aragon mit seinen weichen<br />

Nüstern an mir schnuppert, ist das<br />

toll. Aber er darf nicht zupfen und<br />

knaffen. <strong>Das</strong> ist verboten. Da bin ich<br />

streng“, sagt die junge Frau überzeugend.<br />

„Dann sage ich ‚Lass das!‘, und<br />

er hört auf. Pferde müssen Respekt<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

23


Inklusion & Arbeit<br />

vor dem Menschen haben; genauso<br />

aber sollte auch der Mensch Respekt<br />

vor dem Pferd haben.“ Die Arbeiten<br />

im Stall, wie zum Beispiel ausmisten<br />

und füttern, verrichtet Schieba Nasiri<br />

nicht unbedingt gern, aber sie weiß,<br />

dass es zur Tierpflege untrennbar<br />

dazugehört; genauso wie striegeln,<br />

Mähne und Schweif kämmen, Hufe<br />

auskratzen sowie zur Gesunderhaltung<br />

der Tiere beitragen. „Den Tieren<br />

darf man nicht mit Angst begegnen,<br />

aber auch nicht zu herrisch. Ein<br />

gesundes Selbstbewusstsein ist<br />

angebracht, was man im Umgang<br />

mit Pferden ganz gut lernen kann“,<br />

so Pferdehof-Besitzerin Sigrid Wolf.<br />

Vor, während und nach Corona<br />

Doch nicht nur beim Hobby hat<br />

Schieba Nasiri schon viel fürs Leben<br />

gelernt, sondern auch bei ihrer<br />

Ausbildung und fachlichen Praktikas.<br />

So arbeitete die junge Frau, die<br />

Beschäftigte der Zoar-Werkstätten<br />

Heidesheim ist, vor Ausbruch der<br />

Corona-Krise zum Beispiel in der<br />

Tagespflege „Vergiss mein nicht“ des<br />

Caritas-Zentrums „St. Alban“ in<br />

Bodenheim, und zwar rund drei Jahre<br />

im Bereich der Hauswirtschaft. Im<br />

Rahmen ihrer abwechslungsreichen<br />

Aufgaben hatte sie dort auch regelmäßig<br />

Kontakt zu den älteren Tagespflegegästen,<br />

die die junge Frau fest<br />

ins Herz geschlossen hatten. „Wenn<br />

ich morgens kam, habe ich zuerst<br />

geholfen, Frühstück zu machen.<br />

Dann habe ich den Tisch für die<br />

Tagespflegegäste gedeckt, die kurz<br />

darauf gebracht wurden. Wenn wir<br />

fertig gefrühstückt hatten, habe ich<br />

den Tisch wieder abgeräumt“,<br />

beschreibt Schieba Nasiri ihren<br />

Arbeitsalltag vor Corona (unser Interview<br />

fand Mitte Februar <strong>2020</strong> statt;<br />

Anm. d. Red.). Während der Corona-<br />

Krise hat die Werkstatt-Beschäftigte<br />

als Zugehörige einer Risikogruppe<br />

Schieba Nasiris berufliche Pläne<br />

Im Sommer 2019 erhielt Schieba Nasiri die besten Wünsche für ihren<br />

bestandenen Abschluss des Zertifikatslehrgangs Fachhelfer/in in Sozialeinrichtungen<br />

(IHK). <strong>Das</strong> war ein großer Tag mit feierlicher IHK-Zertifikatsvergabe<br />

an sechs glückliche Absolventen, unter anderem sie. Die damalige<br />

Feier fand in Wasems Kloster Engelthal in Ingelheim statt. Für Schieba Nasiri<br />

hat sich damit ein Traum erfüllt. Sie wünschte sich sehr, einen Beruf zu erlernen<br />

und im Bereich der Altenhilfe arbeiten zu können. Ihre Mutter erfuhr<br />

damals von dem Qualifizierungsangebot der Zoar-Werkstätten Heidesheim<br />

und meldete ihre Tochter auf deren Wunsch an. Schieba Nasiri wechselte<br />

zum 1. November 2018 von einem anderen Träger zu den Zoar-Werkstätten<br />

Heidesheim und wurde gleich im Anschluss Teilnehmerin der Qualifizierungsmaßnahme<br />

„Fachhelfer/in in Sozialeinrichtungen“.<br />

<strong>Das</strong> berufliche Bildungsangebot Fachhelfer/in<br />

in Sozialeinrichtungen (IHK) umfasste 128 Unterrichtseinheiten.<br />

<strong>Das</strong> Angebot mit verschiedenen<br />

Lernmodulen ist individuell angepasst und eingebettet<br />

in eine bis zu 27-monatige Praxisphase<br />

in einem Partnerbetrieb des regionalen, allgemeinen<br />

Arbeitsmarkts. Der Berufsbildungsund<br />

Integrationsservice (BIS) am Zoar-Standort<br />

Ingelheim plant, gestaltet und organisiert<br />

diese Weiterqualifizierung in Kooperation<br />

mit der Industrie- und Handelskammer (IHK)<br />

für Rheinhessen.<br />

Ein Praktikum machte Schieba Nasiri in<br />

der Tagespflege des Caritaszentrums<br />

„St. Alban“ in Bodenheim, wo sie im Bereich<br />

der Hauswirtschaft arbeitete; werktäglich<br />

fünf Stunden von 8.30 bis 14.00 Uhr. An diesen<br />

Wochentagen kamen durchschnittlich 15 Personen, die nachmittags um<br />

16.00 Uhr wieder abgeholt wurden. Während der Corona-Pandemie war<br />

die Tagespflege jedoch monatelang geschlossen. Nun hat sie zwar wieder<br />

geöffnet, aber nur für eine stark eingeschränkte Personenzahl.<br />

Guter Draht zu Menschen mit Demenz<br />

Schieba Nasiris Arbeitsplan umfasste vorwiegend Arbeiten, die sie ohne<br />

fremde Hilfe bewältigen konnte. „Denn sie arbeitet auch gern für sich allein<br />

und plant und organisiert die Abläufe selbst“, berichtete Nicole Knobloch<br />

vom Zoar − Berufsbildungs- und Integrationsservice im Interview. „Tätigkeiten,<br />

die ihr gefallen, sind zum Beispiel Schränke auswischen, Servietten<br />

falten, Nachtisch zubereiten und in Gläser füllen. Bei solchen Aufgaben<br />

steht der Rahmen schon, und sie entscheidet dann selbst, wie und in<br />

welcher Reihenfolge sie ihn ausfüllt.“<br />

24 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Inklusion & Arbeit<br />

Schieba Nasiri mit<br />

Roland Seher, Gast der<br />

Tagespflege des Caritaszentrums<br />

„St. Alban“ in<br />

Bodenheim, wo die junge<br />

Frau ein Praktikum im<br />

Bereich der Hauswirtschaft<br />

absolvierte.<br />

Schieba Nasiri (links) und Nicole Knobloch vom<br />

Zoar − Berufsbildungs- und Integrationsservice<br />

(BIS) der Zoar-Werkstätten Heidesheim<br />

Mit dem Mixgerät leckere<br />

Desserts zaubern – das<br />

ist genau ihr Ding!<br />

Schieba Nasiri hatte beim<br />

Praktikum einige Lieblingstätigkeiten,<br />

unter anderem<br />

Nachtisch zubereiten und<br />

in Gläser füllen.<br />

Schieba Nasiri hat einen besonders guten Draht zu dementen Menschen,<br />

was ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Tagespflege „Vergiss mein nicht“<br />

sehr hilfreich war. Sie bezieht Menschen mit dementiellen Erkrankungen<br />

ganz selbstverständlich mit ein und kümmert sich sogar erfolgreich um<br />

Menschen mit Weglauftendenzen. Auch an Dienstbesprechungen nahm<br />

Schieba Nasiri in der Zeit ihres Praktikums teil. Ihr Ziel ist es, nach der<br />

Corona-Pandemie wieder im Bereich der Altenhilfe arbeiten zu können,<br />

denn der enge Bezug zu älteren Menschen, die Unterstützung benötigen,<br />

liegt ihr ungemein.<br />

Beim Praktikum im Caritaszentrums<br />

„St. Alban“ in Bodenheim hatte<br />

Schieba Nasiri vielfältige Aufgaben.<br />

Dazu gehörten zum Beispiel das<br />

Tischdecken und Abräumen.<br />

lange Zeit nicht gearbeitet, sondern<br />

sich in ihrem Zuhause bei ihren<br />

Eltern in Gau-Bischofsheim aufgehalten<br />

– bis heute.<br />

Geduldig, fleißig<br />

und aufmerksam<br />

„Die Arbeit und die Menschen dort<br />

vermisse ich sehr“, sagt sie. Denn,<br />

wenn man sich fast jeden Tag sieht,<br />

gewöhnt man sich schnell aneinander.<br />

Und für Schieba Nasiri war es<br />

eine wichtige Aufgabe, die ihr liegt:<br />

älteren Menschen behilflich sein, sie<br />

morgens vom Bus abholen, mit dem<br />

sie gebracht werden, und sie in den<br />

Gemeinschaftsraum begleiten. Auch<br />

beim Essen Richten war die junge<br />

Frau eine echte Unterstützung.<br />

Besonders gern füllte sie zum<br />

Beispiel Nachtisch in die Dessert-<br />

Gläser; nicht, ohne den Pudding<br />

wenigstens mal kurz probiert zu<br />

haben. „Die gleichmäßige Füllung<br />

der Gläser ist wichtig, damit es<br />

beim Mittagessen der Gäste gerecht<br />

zugeht“, sagt sie. Die Menschen<br />

aus der „Vergiss mein nicht“-Tagespflegegruppe<br />

mögen die junge Frau<br />

auch vor allem für ihren Humor und<br />

die lustige und offene Art. Wenn sie<br />

was macht, macht sie es richtig –<br />

stets gewissenhaft und sorgfältig.<br />

„Wenn Schieba den Tisch deckt, dann<br />

fehlt es an nichts“, so der Tenor aus<br />

der Belegschaft. Von allen Seiten<br />

wird ihr ein toller Umgang mit den<br />

älteren Menschen bestätigt.<br />

Schieba Nasiri ist geduldig, fleißig<br />

und aufmerksam.<br />

Alexandra Koch<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

25


Inklusion & Arbeit<br />

Schieba Nasiri und ihr Ehr-Geiz im Sport und Beruf<br />

Schieba Nasiri ist 27 Jahre alt. Sie ist eine selbst-bewusste, moderne,<br />

junge Frau mit festen Vorstellungen von ihrem Leben. Im Sommer 2019<br />

erhielt sie ein Zertifikat für ihren erfolgreichen Abschluss des Lehrgangs<br />

„Fach-Helfer in Sozial-Einrichtungen (IHK)“. Auch von Corona lässt sie sich<br />

nicht unterkriegen. Schieba Nasiri, Mitarbeiterin mit Beeinträchtigung<br />

der Zoar-Werk-Stätten Heidesheim, ist nicht nur beruflich gern aktiv,<br />

sondern auch privat. Sie liebt Pferde und alles rund um den Reit-Sport.<br />

Gold und Silber in 2019<br />

Voltigieren ist daher der ideale Sport für sie. In dieser Sport-Art hat<br />

Schieba Nasiri bei Special Olympics schon insgesamt dreimal Silber und<br />

zweimal Gold gewonnen. „Pferde haben eine enorme Heil-Kraft“, sagt<br />

Sigrid Wolf vom Therapeutischen Pferde-Hof in Wackernheim, wo<br />

Schieba Nasiri reitet. „Als ich bei den Special Olympics 2019 in Hammzwei<br />

Medaillen, Gold und Silber, gewonnen habe, war ich sehr glücklich<br />

und auch stolz auf mich“, berichtet Schieba Nasiri aus Gau-Bischofsheim.<br />

<strong>Das</strong> liegt nun schon eine Zeit lang zurück. Dieses Jahr konnten aufgrund<br />

der Corona-Krise gar kein Training und keine Wett-Bewerbe stattfinden.<br />

Dafür gab es 2019 gleich zwei Medaillen. Mannschafts-Gold für Filip<br />

Mohr, Susanne Dietz, Marcel von Zwehl, Julius Neufang, Lina Daniel,<br />

Julia Reichert, Alexandra Beier und Schieba Nasiri sowie Silber im<br />

Doppel für Alexandra Beier und Schieba Nasiri.<br />

Übungen und Figuren auf dem Pferde-Rücken<br />

Anteil am Erfolg hatten auch die Pferde „Aragon“ und „Havanna“ vom<br />

Pferde-Hof Wackernheim. Einmal in der Woche, immer dienstags,<br />

trainiert Schieba Nasiri dort. <strong>Das</strong> war zumindest vor Corona so und wird,<br />

26 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Inklusion & Arbeit<br />

so hoffen alle, in baldiger Zukunft wieder so sein. Ihre Voltigier-Gruppe<br />

besteht mit Trainer aus insgesamt acht Personen. „Wir verstehen uns alle<br />

sehr gut und haben auch schon viel gemeinsam erreicht“, sagt Schieba Nasiri.<br />

Sie erzählt auch von den verschiedenen Übungen und Figuren auf dem Rücken<br />

der Pferde, zum Beispiel stehen, knien, Beine und Arme ausstrecken, Doppel-<br />

Formationen zeigen, bei denen sich die eine über den Rücken der anderen<br />

beugt und an den Schultern festhält, um das Bein abzuspreizen. Schieba<br />

Nasiri begann bereits mit neun Jahren zu reiten. Gelernt hat sie es an einer<br />

Leine, der sogenannten Longe, im Schritt und ohne Sattel. Die Arbeiten im<br />

Stall, wie zum Beispiel ausmisten und füttern, macht sie nicht unbedingt<br />

gern, aber sie weiß, dass es zur Tier-Pflege dazugehört; genauso wie striegeln,<br />

Mähne und Schweif kämmen sowie Hufe auskratzen.<br />

Vor, während und nach Corona<br />

Doch nicht nur beim Hobby hat Schieba Nasiri schon viel fürs Leben gelernt,<br />

sondern auch bei ihrer Ausbildung und im Praktikum. Vor Ausbruch der Corona-<br />

Krise arbeitete sie in der Haus-Wirtschaft der Tages-Pflege „Vergiss mein<br />

nicht“, Caritas-Zentrum „St. Alban“ in Bodenheim. Dort hatte sie auch<br />

regelmäßig Kontakt zu den älteren Tages-Pflege-Gästen, die die junge Frau<br />

fest ins Herz geschlossen haben. Während der Corona-Krise hat sie, weil sie<br />

zu einer Risiko-Gruppe gehört, lange Zeit nicht gearbeitet, sondern sich in<br />

ihrem Zuhause bei ihren Eltern aufgehalten – bis heute. „Die Arbeit und die<br />

Menschen in der Tages-Pflege vermisse ich sehr“, sagt sie. Für Schieba Nasiri<br />

war es eine wichtige Aufgabe, die ihr liegt: älteren Menschen behilflich sein,<br />

sie morgens vom Bus abholen, mit dem sie gebracht werden, und sie in den<br />

Gemeinschafts-Raum begleiten, kurze Gespräche führen, Essen richten, Tisch<br />

decken und Dessert-Gläser füllen. Die junge Frau machte all das und noch<br />

mehr. Schieba Nasiri ist geduldig, fleißig und aufmerksam. Ihr Ziel ist es, nach<br />

der Corona-Krise wieder im Bereich der Alten-Hilfe zu arbeiten. Der enge<br />

Bezug zu älteren Menschen, die Unterstützung brauchen, gefällt ihr.<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

27


Altenhilfe<br />

Zoar – Wohnen am Betzenberg in Kaiserslautern<br />

Der Neubau schreitet voran<br />

Im Juli <strong>2020</strong> war die Grundsteinlegung für<br />

das Bauprojekt Zoar − Wohnen am Betzenberg<br />

in Kaiserslautern, das mit Bauherr und Investor<br />

Hans Sachs und seiner Firma Sachs Real Estate GmbH<br />

umgesetzt wird. Im St.-Quentin-Ring auf dem Betzenberg<br />

in Kaiserslautern entsteht eine neue Zoar-Einrichtung,<br />

die im Herbst 2021 bezugsfertig sein soll.<br />

Saxophonspieler<br />

Helmut Engelhardt<br />

unterhielt die Gäste.<br />

Zoar-Direktorin Martina Leib-Herr<br />

und Bauherr und Investor Hans Sachs<br />

stehen bereit für die Grundsteinlegung.<br />

28 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Altenhilfe<br />

Zoar-Direktorin<br />

Martina Leib-Herr<br />

bei ihrer Ansprache<br />

Beate Kimmel, Bürgermeisterin<br />

von Kaiserslautern<br />

Landesdiakoniepfarrer<br />

Albrecht Bähr<br />

Geplant sind 80 vollstationäre Plätze (Betten) auf den Etagen eins<br />

und zwei, wovon ein Platz kontinuierlich als Kriseninterventionszimmer<br />

zur Verfügung stehen wird; des Weiteren 42 Appartements<br />

für Service-Wohnen auf den Etagen drei und vier, im Dachgeschoss vier<br />

Penthouse-Wohnungen zur freien Vermietung sowie ein von allen Parteien<br />

nutzbarer Dachgarten, Büroflächen sowie eine Tagespflege, Friseursalon,<br />

Physiotherapie-Praxis, Café und Andachtsraum im Erdgeschoss.<br />

Bei der feierlichen Grundsteinlegung wurde eine Edelstahl-Kapsel mit Gravur<br />

im Deckel (Logos, Anlass, Datum) und vielen schönen Erinnerungen an dieses<br />

Ereignis eingemauert. Zoar-Direktorin Martina Leib-Herr und Hans Sachs<br />

(siehe das Interview im Anschluss; Anm. d. Red.) begrüßten im Rahmen ihrer<br />

jeweiligen Ansprache die Gäste auf der Terrasse des „Best Western“-Hotels.<br />

Grußworte sprachen Beate Kimmel, Bürgermeisterin von Kaiserslautern, und<br />

Landesdiakoniepfarrer Albrecht Bähr. Zoar-Pfarrer Jochen Walker sagte ebenfalls<br />

Grüße und sprach dem Bauprojekt sowie der späteren Gebäudenutzung<br />

seinen Segen aus. Zur musikalischen Begleitung spielte Helmut Engelhardt<br />

aus Kaiserslautern auf dem Saxophon.<br />

Vorfreude auf die Inbetriebnahme des neuen Gebäudes<br />

Nach der Fertigstellung des neuen Hauses im dritten Quartal 2021 werden<br />

die Bewohner des Zoar – Bürgerhospitals in der Mennonitenstraße in Kaiserslautern<br />

umziehen. <strong>Das</strong> dortige Gebäude ist in die Jahre gekommen und<br />

entspricht nicht mehr den heutigen Standards. Die Freude über den Umzug in<br />

das neue Gebäude ist schon jetzt groß. „Unser Haus in der Mennonitenstraße<br />

ist nicht mehr zeitgemäß“, berichtet Einrichtungsleiterin Elke Bäcker (siehe<br />

das Interview im Anschluss; Anm. d. Red.). „Und da die Bewohner bei uns an<br />

erster Stelle stehen, möchten wir ihnen natürlich ein ansprechendes und<br />

komfortables Ambiente bieten.“ Bezüglich der Effizienz wird es selbstverständlich<br />

auch für die Mitarbeiter ein Gewinn sein, denn die Laufwege<br />

werden sich verkürzen. <strong>Das</strong> hängt mit der neuen Raumplanung zusammen.<br />

<strong>Das</strong> wiederum kommt auch den Bewohnern zugute, die auf den Wegen durch<br />

das Haus zum Teil begleitet werden müssen. „Und so wird es eine Erleichterung<br />

für uns alle sein, für Bewohner und Pflegekräfte“, sagt Elke Bäcker.<br />

Möge das Bauprojekt, wie geplant, gelingen und sich fortschreitend durch<br />

einen guten Verlauf auszeichnen. Bezüglich des weiteren Baufortschritts<br />

werden wir an dieser Stelle in einer der nächsten <strong>Ausgabe</strong>n über das<br />

Richtfest berichten.<br />

Zoar-Pfarrer Jochen Walker bei<br />

seinem Grußwort und Segen<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

29


Altenhilfe<br />

Die Grundsteinhülse beziehungsweise Zeitkapsel<br />

wurde mit vielen schönen Erinnerungen an<br />

dieses Ereignis befüllt.<br />

Lesen Sie hier<br />

das Interview mit<br />

Einrichtungsleiterin<br />

Elke Bäcker.<br />

Was ist momentan die größte Herausforderung?<br />

Die Zoar aktuell,<br />

<strong>Ausgabe</strong> Juli <strong>2020</strong>,<br />

bekam ihren Platz<br />

in der Zeitkapsel.<br />

Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />

Aktuell ist es eine große Herausforderung zu überlegen<br />

und zu prüfen, was wir aus unserer Einrichtung in der<br />

Mennonitenstraße mitnehmen können und was nicht.<br />

<strong>Das</strong> betrifft nicht nur die Bewohnerzimmer, sondern<br />

auch Küche, Verwaltung, Haustechnik. Was ist brauchbar<br />

und was nicht? Daraus ergibt sich die Beantwortung der<br />

Frage, was wir bis zum Umzug in das neue Gebäude auf<br />

dem Betzenberg noch anschaffen müssen. In der aktuellen<br />

Pandemie sind Zeitressourcen knapp und die<br />

Monate bis zum Umzug vergehen schnell, daher sind<br />

eine gute Organisation und Terminplanung sehr wichtig.<br />

Sprechen wir über die Bewohner, sind wir bezüglich der<br />

Planungen sicher, dass wir bei Einzug in das neue Haus<br />

„Wohnen am Betzenberg“ mit einem vollbelegten Haus<br />

rechnen können. Da wir hier in der Mennonitenstraße 88<br />

vollstationäre Plätze haben, wird dieser zahlenmäßige<br />

„Puffer“ vorteilhaft sein und voraussichtlich dazu führen,<br />

dass wir im vollstationären Bereich nach dem Umzug<br />

von Anfang an vollbelegt sein werden. Unseren jetzigen<br />

Bewohnern, Betreuern und Bevollmächtigten wird das<br />

Angebot zum Umzug unterbreitet, ob sie dieses<br />

annehmen, ist deren freiwillige Entscheidung. Für die<br />

Vermietung der Appartements und der Penthouse-<br />

Wohnungen liegen bereits Anfragen vor. Wir wissen,<br />

dass Bedarf an bezahlbaren, barrierearmen Wohnungen<br />

besteht und sind auch hier guter Dinge, dass sie zum<br />

größten Teil bis zur Inbetriebnahme des Gebäudes<br />

vermietet sein werden.<br />

Die Kapsel mit Gravur wurde von Martina Leib-Herr und<br />

Hans Sachs eingemauert; im Anschluss halfen noch viele<br />

Ehrengäste mit.<br />

30 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Altenhilfe<br />

Sind Sie in die Planungen und die einzelnen<br />

Entwicklungsschritte involviert?<br />

Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />

Ja. Von Anfang an war ich mit dabei. Wir treffen uns seit<br />

2018 regelmäßig in der Arbeitsgruppe. Seit dem<br />

Ausbruch der Corona-Pandemie machen wir auch viel<br />

digital und übers Telefon. Ab Mitte 2019 ist Herr Sachs<br />

(Hans Sachs, Investor; Anm. d. Red.) dazu gestoßen. Mit<br />

ihm haben wir aus unserer Praxissicht viel über Raumplanung<br />

und Ausstattung gesprochen. In der aktuellen<br />

Bauphase bekomme ich von Herrn Ogonowski (Leiter der<br />

Zentralen Dienste; Anm. d. Red.) regelmäßig die Baufortschritte<br />

mitgeteilt.<br />

Auch hier im Haus hatten wir in der Planungsvorbereitung<br />

eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern der einzelnen<br />

Bereiche des Bürgerhospitals. Dazu gehörten zusammen<br />

mit mir circa zwölf Mitarbeiter. Wir haben uns mit<br />

folgenden Fragen beschäftigt: Wie soll unsere Konzeption<br />

aussehen? Welche Räumlichkeiten brauchen wir<br />

wo? Außerdem haben wir eine Liste erarbeitet; was<br />

benötigen wir unbedingt? Was wäre hilfreich? Und was<br />

würden wir uns mit unserem Praxiswissen für die Bewältigung<br />

des Arbeitsalltags wünschen? Alle unsere<br />

Empfehlungen haben wir schriftlich festgehalten, zum<br />

Beispiel unser Hinweis, die Laufwege zu verkürzen. Des<br />

Weiteren haben wir darauf hingewiesen, dass es sehr<br />

wichtig ist, dass alles, was im Wohnbereich an Materialien<br />

benötigt wird, auch entsprechend dort gelagert<br />

wird; also auf einer Etage. Mit Blick auf das Zeitmanagement<br />

ist das von großem Vorteil.<br />

Auch für unsere Bewohner, die immer an erster Stelle<br />

stehen, wird der Umzug vorteilhaft sein. Die Ausstattung<br />

im hiesigen Bürgerhospital ist nicht mehr zeitgemäß.<br />

Stellenweise haben wir aufgrund der Räumlichkeiten<br />

Probleme bei der Belegung. Hier im Bürgerhospital gibt<br />

es zum Beispiel noch viele Doppelzimmer. Daher ist der<br />

moderne Neubau für uns so wichtig. Der Investor, Herr<br />

Sachs, hat sich von Anfang an für unsere Belange interessiert.<br />

Da es für ihn das erste Projekt einer Sozialeinrichtung<br />

ist, die von seiner Firma federführend geplant und<br />

umgesetzt wird, hat er auch an uns viele Fragen und<br />

nimmt praxisbezogene Hinweise gerne an. Beim Bau<br />

einer Sozialeinrichtung müssen bestimmte Vorgaben<br />

erfüllt sein. <strong>Das</strong> ist gesetzlich geregelt (Landesgesetz<br />

über Wohnformen und Teilhabe (LWTG); Anm. d. Red.)<br />

und wird auch geprüft (Beratungs- und Prüfbehörde;<br />

Anm. d. Red.). Solche Vorgaben beziehen sich unter<br />

anderem auf die Größe der Bewohnerzimmer, barrierefreie<br />

Räume mit dem notwendigen Wendekreis und<br />

barrierefreie Zugänge sowie Brandschutz.<br />

Freuen Sie sich auf den Umzug?<br />

Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />

Natürlich. Aber wie! Unseren Bewohnern wird das eine<br />

bessere Wohnqualität bieten, auch bezüglich des Raumklimas.<br />

Im neuen Gebäude hat jeder Bewohner, der das<br />

möchte, einen Raum für sich und kann sich bei Bedarf<br />

zurückziehen. Die älteren Menschen kommen leichter in<br />

ihre jeweiligen Bäder, die zu den Einzelzimmern gehören.<br />

Außerdem können sie sich noch individueller einrichten,<br />

als bislang möglich. Es wird in unserem neuen Alten- und<br />

Pflegeheim vier Doppelzimmer und zwei Tandemzimmer<br />

mit jeweils einem gemeinsamen Bad geben. Diese Räume<br />

sind unter anderem für Paare sowie für Menschen<br />

gedacht, die bereits im Bürgerhospital zusammen auf<br />

einem Zimmer gewohnt haben, sich bestens ergänzen<br />

und sich aneinander gewöhnt haben. Vieles wird praktikabler<br />

und einfacher werden. So wird zum Beispiel jede<br />

Wohngruppe auf den einzelnen Etagen ihren eigenen<br />

Speiseraum haben. Wir fiebern dem Umzug deshalb<br />

entgegen, weil es eine Erleichterung für uns alle sein<br />

wird. <strong>Das</strong> sind sehr gute Aussichten und motiviert auch<br />

unsere Mitarbeiter, die sich alle freuen, dieses Umzugsprojekt<br />

begleiten zu dürfen.<br />

Wie hat man sich den Umzug vorzustellen?<br />

Wie wird das zu bewältigen sein?<br />

Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />

<strong>Das</strong> ist auf jeden Fall eine große organisatorische<br />

Herausforderung. Wir hoffen dabei auf Erfahrungswerte<br />

von Mitarbeitern, die derartige Umzüge innerbetrieblich<br />

bereits begleitet haben, auch mit älteren Menschen.<br />

Diese Arbeit kann nur im Team und mit einem Projektplan<br />

„Umzug“ gestemmt werden. Viele Abteilungen<br />

werden großen Anteil an der erfolgreichen Durchführung<br />

haben, wie zum Beispiel unsere Hauswirtschaft mit<br />

Unterstützung von Frau Rose (Susanne Rose, Leitung<br />

Hauswirtschaft Altenhilfe; Anm. d. Red.) und die Haustechnik<br />

(Uwe Dengel, Hausmeister; Anm. d. Red.),<br />

außerdem natürlich die Zentralen Dienste und die IT.<br />

Aktiv beteiligt sein werden Mitarbeiter und andere Helfer,<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

31


Altenhilfe<br />

Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />

Die Arbeit in der Pflege bleibt gleich. Unsere Konzeption<br />

ist die Grundlage für die zukünftige Arbeit im neuen<br />

Haus. Die organisatorischen Abläufe werden sich verbessern.<br />

Die Zusammensetzung der Teams wird sich etwas<br />

ändern, weil die Wohngruppen im neuen Gebäude gleich<br />

groß sind; und nicht, wie hier in der Mennonitenstraße,<br />

ein kleiner Wohnbereich und ein großer Wohnbereich,<br />

der sich über mehrere Ebenen erstreckt. Die Anzahl der<br />

Bewohner mit ihren Pflegegraden bestimmt die Verteilung<br />

der Mitarbeiter. Da hier viele schon seit Jahrzehnten<br />

kollegial zusammenarbeiten, könnte die Gruppenneuzusammensetzung<br />

schwierig werden, was jedoch sicher<br />

durch die besseren Arbeitsbedingungen im neuen Haus<br />

ausgeglichen wird. Für die Mitarbeiter gibt es im Erdgeschoss<br />

einen eigenen Bereich: Umkleideräume mit<br />

Dusche, Aufenthaltsbereich, Ruhezimmer, um sich in den<br />

Pausen aus dem unmittelbaren Geschehen herausziehen<br />

zu können.<br />

Melanie Jungmann und David<br />

Laessing sind nur zwei von vielen<br />

Mitarbeitern des Zoar – Bürgerhospitals<br />

Kaiserslautern, die sich<br />

sehr freuen über den Umzug in<br />

das neue Gebäude. Im Haus in<br />

der Mennonitenstraße haben sie<br />

sich beim Arbeitsalltag eine Weile<br />

zuschauen lassen.<br />

zum Beispiel weitere Mitarbeiter des Bürgerhospitals<br />

und der Rockenhausener Beschäftigungsgesellschaft<br />

(RBG) sowie gegebenenfalls externe Helfer, die beim<br />

Umzug benötigt werden. Der Arbeitsumfang hängt auch<br />

davon ab, wie viel Inventar im Neubau am Betzenberg<br />

schon vorhanden sein beziehungsweise neu gekauft und<br />

direkt dorthin geliefert wird. In den Wochen davor, wenn<br />

die ganzen Anschlüsse für Wasser, Strom und die<br />

Computer gesetzt werden, ist es natürlich wichtig, regelmäßig<br />

vor Ort zu sein. Wir sind in der Mennonitenstraße<br />

schon dabei, auszusortieren und über den Sperrmüll zu<br />

entsorgen. Wenn es dann soweit ist, und wir umziehen,<br />

dann übergeben wir dieses Gebäude besenrein an die<br />

Stadt Kaiserslautern. Alles, was nicht fest eingebaut ist,<br />

muss von uns herausgeräumt werden.<br />

Wird die Arbeit im neuen Haus der im alten Haus ähneln?<br />

Geplant ist das neue Gebäude so, dass zwei nebeneinanderliegende<br />

Eingänge zum einen für die Bewohner der<br />

stationären Bereiche und zum anderen für die Mieter der<br />

Wohnungen vorhanden sind. Hinter den getrennten<br />

Haupteingängen sind jedoch vielerlei Angebote<br />

gemeinsam nutzbar. Empfangen wird man zum Beispiel<br />

von einer öffentlichen Cafeteria, die den Gästen eine<br />

schöne, große Außenterrasse bietet. Im Eingangsbereich<br />

des mehrstöckigen Gebäudes ist zudem der Empfang zu<br />

finden. <strong>Das</strong> ist ein bisschen so wie die Rezeption in<br />

einem Hotel. Außerdem werden im Erdgeschoss noch<br />

eine Tagespflege, ein Friseursalon, eine Physiotherapie-<br />

Praxis und der Mitarbeiterbereich zu finden sein.<br />

Was ist Ihre persönliche Meinung zum Projekt<br />

„Wohnen am Betzenberg“?<br />

Einrichtungsleiterin Elke Bäcker:<br />

Ich finde es gut und notwendig. Es ist eine sehr schöne<br />

Aufgabe, dieses Projekt begleiten zu dürfen. Die Gewissheit,<br />

unseren Kunden damit etwas Gutes zu tun, beflügelt<br />

mich sehr. Unser ganzes Team steckt da voller Herzblut<br />

drin. Die Vorfreude ist groß. Durch die kürzeren Laufwege<br />

wird die Arbeit im neuen Haus effizienter ablaufen. Ich<br />

denke auch, dass es weniger unruhig sein wird, da nicht so<br />

viel hin- und hergelaufen werden muss. Unsere Mitarbeiter<br />

werden aufgrund der besseren Ausstattung zufriedener<br />

sein, denn es wird ihre Arbeit erleichtern. Und auch<br />

für die Bewohner gibt es vermehrt Annehmlichkeiten. Sie<br />

können sich zum Beispiel mit ihren Angehörigen in der<br />

Cafeteria im Erdgeschoss treffen und dort entweder<br />

drinnen oder draußen sitzen. Sie können ohne weite Wege<br />

im selben Gebäude zum Friseur und zur Physiotherapie<br />

gehen. Auch die Dachterrasse kann von allen Bewohnern<br />

genutzt werden. Von dort kann der herrliche Ausblick auf<br />

die Stadt Kaiserslautern genossen werden.<br />

<strong>Das</strong> Interview mit Elke Bäcker führte Alexandra Koch.<br />

32 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Altenhilfe<br />

Lesen Sie hier das Interview<br />

mit Bauherr und Investor Hans Sachs,<br />

Gesellschafter und Geschäftsführer<br />

der Firma Sachs Real Estate GmbH.<br />

Warum investieren Sie in dieses Projekt?<br />

Hans Sachs:<br />

Mit diesem Bauprojekt schließen wir eine Lücke. Es ist<br />

aber nicht nur eine Baulücke, die wir schließen, sondern<br />

eine Lücke innerhalb der Entwicklung eines ganzen Viertels,<br />

das früher einmal ein Leuchtturm-Areal war. Im<br />

„Dorint“-Hotel sind Prominente abgestiegen, und das<br />

Wohnviertel war geprägt durch ein gut situiertes<br />

Bürgertum, eine bürgerliche Mitte. Mittlerweile hat hier<br />

jedoch ein Strukturwandel eingesetzt, und es drohte vor<br />

einigen Jahren ein partielles Abdriften des Viertels in<br />

eine untere soziale Schicht.<br />

Mit dem Erwerb des ehemaligen renovierungsbedürftigen<br />

„Dorint“-Hotels und dessen umfassender Renovierung<br />

in ein schickes „Best Western“-Hotel mit guten<br />

Auslastungszahlen sowie dem nun folgenden Erweiterungsbau<br />

mit dem Zoar-Seniorenheim, wird über den<br />

Zuzug und die damit verbundene Belebung des Areals<br />

mit Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten das<br />

Gebiet wieder urban und damit sozial eine Balance<br />

hergestellt. Urbanität entsteht, sozioökonomisch<br />

gesprochen, wenn an einem Platz oder in einem Gebiet<br />

alle sozialen Schichten abgebildet sind: schwarz/weiß,<br />

arm/reich, jung/alt.<br />

In diesem Kontext ist mir wichtig, dass ein guter<br />

Austausch erfolgt und nicht eine soziale Schicht das ganze<br />

Gebiet determiniert. Wir möchten das Quartier neu<br />

beleben, so dass es wie früher ein attraktives Wohngebiet<br />

bleibt. Mit diesem Bauprojekt, maßgeschneidert für Zoar,<br />

haben wir für beide Seiten eine Win-Win-Situation<br />

geschaffen. Mit Blick auf die vorhandene Infrastruktur, die<br />

lange Jahre brachlag, können wir sagen, dass wir nicht nur<br />

die bauliche Lücke schließen, sondern auch eine inhalt-<br />

liche. Zoar ist hierbei ein idealer Partner bei der Belebung<br />

des Quartiers. Ein wichtiger Eckpfeiler für die zukünftige<br />

Struktur des Wohngebiets.<br />

Hat Corona in diesem Zusammenhang<br />

zu Verzögerungen geführt?<br />

Hans Sachs:<br />

Bisher hat Corona zu keinen Verzögerungen geführt.<br />

<strong>Das</strong> Ganze steht und fällt mit einem guten Projektmanagement.<br />

Denn es ist ja nicht damit getan, dass<br />

man ein Grundstück kauft, ein Gebäude errichtet und<br />

die Aufträge vergibt. Man muss immer auf Anomalien<br />

vorbereitet sein; gerade bei Projekten dieser Größenordnungen,<br />

die sich in der Fertigstellung über Jahre<br />

erstrecken. Im Rahmen unseres Projektmanagements<br />

schauen wir, wo die möglichen Risiken liegen, und die<br />

werden dann zuerst angepackt. Mit Beginn der Corona-<br />

Pandemie im März haben wir mit dem zuständigen<br />

Bauunternehmer bereits über dieses Thema gesprochen.<br />

In diesem Zusammenhang wurden Passagen in den<br />

Vertrag aufgenommen, die ihn bezüglich des Umgangs<br />

mit der Corona-Pandemie dynamisch halten, sodass das<br />

Vertragswerk im Bedarfsfall angepasst werden kann.<br />

Die zurzeit rund fünfzig Mitarbeiter an der Baustelle<br />

des neuen Gebäudes „Wohnen am Betzenberg“, die<br />

zum größten Teil zu Subunternehmen aus europäischen<br />

Ländern gehören, sind alle gemäß der 12. Corona-<br />

Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz erfasst.<br />

Wir setzen Fieberpistolen zur Körpertemperaturmessung<br />

ein und planen eine Zugangsschleuse zur Baustelle,<br />

damit die vollständige Kontakterfassung gewährleistet<br />

bleibt. Im Inneren des Gebäudes sollte nach Möglichkeit<br />

Mund-Nasen-Schutz getragen werden, bei Arbeiten<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

33


Altenhilfe<br />

Am richtigen Platz:<br />

Betonring mit der<br />

eingemauerten<br />

Zeitkapsel auf<br />

dem Boden der<br />

Tiefgarage<br />

im Freien nicht zwingend. Aktuell sind wir dabei,<br />

Ausweise zu erstellen. Diese personalisierten Ausweise<br />

erhalten alle Mitarbeiter auf der Baustelle. Damit sollen<br />

die Angaben bei der Kontakterfassung geprüft werden.<br />

Wir haben auch im weiteren Verlauf der Baumaßnahme<br />

einen Wachdienst vor Ort, der täglich Stichproben und<br />

Ausweiskontrollen/Kontakterfassung durchführt. Für<br />

uns ist die Corona-Pandemie im Moment jedenfalls keine<br />

große Behinderung. Eine Behinderung würde es sein,<br />

wenn wir tatsächlich einen Krankheitsfall hätten, und die<br />

Baustelle eingestellt werden müsste. Dem müssen wir mit<br />

geeigneten Maßnahmen vorbeugen.<br />

Mit Blick auf die Zielgerade – was ist im Moment<br />

für Sie der größte Ansporn bezüglich der Übergabe<br />

und Eröffnung des Gebäudes?<br />

Hans Sachs:<br />

Ich möchte das Gebäude Zoar so zur Verfügung stellen,<br />

wie Zoar sich das Gebäude im Rahmen unserer Vereinbarungen<br />

vorstellt und damit die guten Voraussetzungen<br />

für einen Umzug von der Mennonitenstraße auf<br />

den Betzenberg schaffen.<br />

Der Rohbau im St.-Quentin-<br />

Ring auf dem Betzenberg in<br />

Kaiserslautern schreitet<br />

voran. Circa alle vier Wochen<br />

wird eine Geschossdecke<br />

betoniert. Der Rohbau des<br />

Gebäudes „Zoar – Wohnen<br />

am Betzenberg“ soll Ende<br />

Dezember <strong>2020</strong><br />

abgeschlossen sein.<br />

<strong>Das</strong> ist für mich im Moment der größte Ansporn.<br />

Wir möchten die Themen so abarbeiten, dass unsere<br />

Gesprächspartner von Zoar in die bauliche Umsetzung<br />

immer gut einbezogen sind – bis zur Übergabe. Mit der<br />

Übergabe gibt man als Bauherr und Projektmanager das<br />

„Baby“ aus der Hand. Man kommt dann immer wieder<br />

mal vorbei und freut sich, wenn man sieht, dass sich<br />

der Bau gerade in der Nutzung als praktikabel erweist<br />

und voller Leben ist. Was ich generell gut finde, ist der<br />

Mix im Gebäude, angefangen im Erdgeschoss bei der<br />

Tagespflege und dem Café; dann weiter zu zwei Etagen<br />

stationärer Pflege und Service-Wohnen; bis hin zu<br />

schönen Appartements im obersten Stockwerk mit<br />

einem tollen Blick auf die Stadt sowie einem weitläufigen<br />

Bürotrakt; und die Dachterrasse nicht zu<br />

vergessen. Unsere zentrale Aufgabe ist es, das Gebäude<br />

aus baulicher Sicht so zur Verfügung zu stellen, damit<br />

sich die Menschen, die in Zukunft im Gebäude wohnen<br />

werden, wohlfühlen. Die Zoar-Direktion soll auch in<br />

Jahren noch davon überzeugt sein, bezüglich dieses<br />

Projekts die richtige Entscheidung getroffen zu haben.<br />

<strong>Das</strong> Interview mit Hans Sachs führte Alexandra Koch.<br />

34 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Menschen bei Zoar<br />

Vorstellung der Frauenbeauftragten der Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />

Unterstützung der Frauen<br />

als wichtige Funktion<br />

der Frauenbeauftragten<br />

Jede Werkstatt für Menschen mit Behinderung muss<br />

eine Frauenbeauftragte und eventuell eine Stellvertreterin<br />

haben.Sie setzen sich in dieser Funktion für die Frauen in der<br />

Werkstatt ein. Gerade beeinträchtigte Frauen erfahren in<br />

ihrem Umfeld oft eine ungerechte und nicht-wertschätzende<br />

Behandlung. Daher sollen sie von den Frauenbeauftragten<br />

über ihre Rechte im Sinne der Gleichstellung aufgeklärt<br />

werden, so dass sie Rückhalt und Unterstützung erfahren.<br />

Anja Spieß<br />

Die Frauenbeauftragten unterstützen die<br />

Frauen in der Werkstatt. Sie hören den<br />

Frauen zu, wenn sie Probleme haben und<br />

geben Tipps, wo Hilfe und Rat eingeholt werden kann.<br />

Anja Spieß: Frauenbeauftragte der<br />

Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />

Anja Spieß (45), die Frauenbeauftragte der Zoar-Werkstätten<br />

Rockenhausen, wurde 2018 bei den Wahlen als<br />

stellvertretende Frauenbeauftragte gewählt. Jetzt ist<br />

sie Frauenbeauftragte der Zoar-Werkstätten Rockenhausen.<br />

Es hat sich so ergeben, weil die gewählte Frauenbeauftragte<br />

ihre Tätigkeit beendet hat. Deswegen<br />

wurden damit verbundene Aufgaben an Anja Spieß<br />

weitergeleitet. Für sie war das zwar unerwartet, aber<br />

sie stieg voller Kraft und Energie in die neue Materie<br />

ein. Mittlerweile hat sie sich in ihre Funktion eingefunden,<br />

und es klappt richtig gut.<br />

Die glücklich verheiratete Mutter war nicht immer so<br />

glücklich. In ihrem Leben ist schon vieles passiert, und<br />

leider hat sie nach eigenen Angaben auch Mobbing<br />

erlebt. Damals hätte sie selbst Hilfe gebraucht. Jetzt ist<br />

es alles anders. Nun versucht sie, anderen in schwierigen<br />

Situationen zu helfen. „Ich versuche es nicht nur,<br />

sondern tue es auch“, sagt die Frauenbeauftragte Anja<br />

Spieß. Früher sei sie sehr zurückhaltend gewesen.<br />

„Heute bin ich das Gegenteil davon.“ Anja Spieß hat ihr<br />

Arbeitsleben in den Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />

gefunden. Ihr macht die Arbeit Spaß, und sie fühlt sich<br />

im Umfeld mit ihren Kollegen wohl. „Die Menschen<br />

hier sind wie eine zweite Familie für mich“, berichtet<br />

sie weiter. Anja Spieß ist in der Abteilung „Mechanik“<br />

beschäftigt. „Mir gefallen eher technische Sachen, und<br />

diese Arbeit passt einfach zu mir.“<br />

Ein tolles Programm für das ganze Jahr<br />

In Rockenhausen organisiert die Frauenbeauftragte<br />

zusammen mit der Vertrauensperson der Frauenbeauftragten<br />

nicht nur regelmäßige Treffen, sondern auch<br />

verschiedene Unterhaltungsangebote. So wird<br />

Gemeinsamkeit und Zusammensein geschaffen. „Es<br />

freut mich, dass die von uns angebotenen Maßnahmen<br />

so gut bei den Frauen aus der Werkstatt ankommen.<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

35


Menschen bei Zoar<br />

Seit dem 1. Januar 2017 ist das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG) in Kraft getreten.<br />

Es hat auch eine Neufassung der Diakonie-Werkstätten-Mitwirkungsverordnung<br />

(DWMV-EKD) mit sich gebracht. Auch in Werkstätten für Menschen mit Behinderung<br />

soll es eine Frauenbeauftragte geben, die sich um die Belange ihrer Kolleginnen<br />

kümmert. Paragraph 49 (2) der DWMV-EKD lautet: „Die Frauenbeauftragte vertritt die<br />

Interessen der in der Werkstatt beschäftigten Frauen mit Behinderung gegenüber der<br />

Werkstattleitung, insbesondere in den Bereichen der Gleichstellung von Frauen und<br />

Männern, Vereinbarkeit von Familie und Beschäftigung sowie Schutz vor körperlicher,<br />

sexueller und psychischer Belästigung oder Gewalt.“ Die<br />

Stärkung der Autonomie soll vorangetrieben werden; im<br />

Sinne von „Empowerment“ der betroffenen Frauen. Den<br />

Frauenbeauftragten wird eine Unterstützerin zur Seite<br />

gestellt, eine Vertrauensperson, die Hilfestellung und<br />

Begleitung leistet.<br />

Anja Spieß bei der Arbeit<br />

in der Abteilung „Mechanik“<br />

der Zoar-Werkstätten<br />

Rockenhausen<br />

Anja Spieß (links) fühlt sich<br />

wohl im Kreis der Kollegen<br />

und mag es, wenn es etwas<br />

zu werkeln gibt.<br />

<strong>Das</strong> hätte ich nie gedacht“, so Anja Spieß. „Wenn wir<br />

bei unseren Angeboten Pausen oder Unterbrechungen,<br />

wie jetzt wegen Corona, haben, dann vermissen die<br />

Leute das und fragen ständig nach, wann es wieder<br />

stattfinden wird. <strong>Das</strong> ist für mich mehr als ein Lob.“ Die<br />

Angebote mit verschiedenen Themen begeistern die<br />

Teilnehmerinnen. Gut ist, dass Zeit miteinander<br />

verbracht und gleichzeitig etwas Interessantes<br />

gemacht wird; zum Beispiel Masken basteln. „Für mich<br />

war es wichtig, nicht einfach nur Kaffeepausen,<br />

sondern abwechslungsreiche Treffen zu organisieren“,<br />

erklärt Anja Spieß. <strong>Das</strong> ist auch gelungen; zum Beispiel<br />

Wellness-Angebote und ein Ausflug zum Hanauerhof<br />

in Dielkirchen kamen sehr gut an. Im Programm steht<br />

natürlich viel mehr, und es werden ständig neue Ideen<br />

generiert. Grundsätzlich gibt es monatlich einen<br />

Termin; entweder ein Treffen oder ein Unterhaltungsangebot.<br />

Natürlich kann jede Frau die Frauenbeauftragte<br />

jederzeit ansprechen und muss nicht unbedingt<br />

erst auf einen Termin warten. <strong>Das</strong> kommt gut bei den<br />

Frauen an. Ein Vorteil regelmäßiger Treffen ist, dass die<br />

Frauen sich gegenseitig austauschen können. Anja<br />

Spieß und ihre Vertrauensperson überlegen sich am<br />

Jahresanfang ein Programm, das sie in diesem Jahr<br />

durchführen möchten. Dieses besprechen sie mit<br />

Regionalleiterin Dr. Florence Asmus. Bei den einzelnen<br />

Veranstaltungen werden sie je nach Angebot von<br />

einigen Fachkräften unterstützt.<br />

36 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Menschen bei Zoar<br />

Auch Basteln gehört zum Programm. Etwas aufzuzeichnen und<br />

auszuschneiden, macht allen Spaß. Auch dieses Foto entstand vor Corona.<br />

So entstanden zum Beispiel<br />

tolle und farbenfrohe Masken.<br />

„Corona“ hat alle Pläne durcheinandergebracht.<br />

Wie geht es nun weiter?<br />

<strong>Das</strong> Jahr <strong>2020</strong> hat die bekannten Abläufe verändert.<br />

Vieles musste abgesagt werden. Anja Spieß hatte auch<br />

für dieses Jahr ein tolles Programm geplant. Leider wurde<br />

Corona bedingt nichts daraus. Die Zoar-Werkstätten für<br />

Menschen mit Beeinträchtigung waren einige Wochen<br />

komplett geschlossen. Glücklicherweise konnte im März<br />

<strong>2020</strong> noch ein Wellnessangebot durchführt werden. Nach<br />

der Wiedereröffnung gab es viele Regeln und Schutzvorkehrungen<br />

zu beachten. „<strong>Das</strong> ist heute noch so“, sagt<br />

Anja Spieß. „Wir alle müssen uns an das Hygienekonzept<br />

halten.“ Und weiter: „Die Zeit der Schließung war für<br />

viele Mitarbeiter sehr schwer. <strong>Das</strong> zu bewältigen war eine<br />

große Herausforderung“. Nun hoffe sie, dass die regelmäßigen<br />

Treffen im Kreis rund um die Frauenbeauftragte<br />

bald wieder stattfinden werden. „<strong>Das</strong> Programm kann<br />

Gemütliche Runde bei einem der regelmäßigen Treffen<br />

(vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie)<br />

dann zwar nicht mehr so erfüllt werden wie geplant,<br />

aber immerhin.“ Seit August wurde wieder eine Sprechstunde<br />

angeboten. Im September hat wieder ein schöner<br />

Ausflug auf den Hanauerhof stattgefunden. Corona<br />

bedingt können leider nur einige Frauen mitfahren.<br />

Pfalz-Steine: ein interessantes Hobby<br />

Wie wir alle hat auch Anja Spieß diverse Hobbys. Sie mag<br />

es, ihre freie Zeit mit der Familie zu verbringen. Egal, ob<br />

beim Fernsehschauen oder Spazierengehen; Hauptsache,<br />

entspannen. Es gibt noch eine Leidenschaft, die ganz<br />

interessant ist. <strong>Das</strong> ist das Bemalen von Pfalz-Steinen,<br />

das Verstecken und<br />

natürlich auch die<br />

Suche nach interessanten<br />

anderen Pfalz-<br />

Steinen. Dabei zeigt<br />

Anja Spieß ihre Kreativität<br />

und lässt ihrer<br />

Phantasie freien Lauf.<br />

„Für mich ist das eine<br />

sehr gute Abwechslung,<br />

die mir großen Spaß<br />

macht“, sagt die<br />

Frauenbeauftragte der<br />

Zoar-Werkstätten<br />

Eine Auswahl schöner Pfalz-Steine:<br />

ein Hobby, das Anja Spieß viel<br />

Freude macht.<br />

Rockenhausen. Bei diesem „Spiel“ gibt es ganz einfache<br />

Regeln: Man sucht interessante Steine und bemalt sie,<br />

dann versteckt man sie und postet in den sozialen<br />

Medien, dass es da und dort etwas Schönes zu suchen<br />

gibt. <strong>Das</strong> Spiel ist sehr beliebt.<br />

Diana Aglamova<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

37


Menschen bei Zoar<br />

Anja Spieß:<br />

Frauen-Beauftragte der Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />

Jede Werkstatt für Menschen mit Behinderung muss eine Frauen-Beauftragte<br />

und eventuell Stellvertreterin haben. Sie setzen sich für die Frauen in der<br />

Werkstatt ein und unterstützen sie. Die Frauen-Beauftragte stellt wichtige<br />

Rechte der Gleich-Stellung vor und klärt auf.<br />

In den Zoar-Werkstätten Rockenhausen ist Anja Spieß die Frauen-Beauftragte.<br />

Sie ist 45 Jahre alt. Anja Spieß ist verheiratet und hat einen Sohn. Die Aufgabe<br />

als Frauen-Beauftragte gefällt ihr gut. In ihrem Leben ist schon vieles passiert.<br />

Sie hat auch schwierige Zeiten erlebt. Damals hätte sie selbst Hilfe gebraucht.<br />

Daher versucht sie jetzt, anderen Frauen in schwierigen Situationen zu helfen.<br />

Anja Spieß hat ihr Arbeits-Leben in den Zoar-Werkstätten Rockenhausen<br />

gefunden. Ihr macht die Arbeit viel Spaß. Sie fühlt sich im Umfeld mit ihren<br />

Kollegen wohl. „Die Menschen hier sind wie eine zweite Familie für mich“,<br />

berichtet sie. Anja Spieß ist in der Abteilung „Mechanik“ beschäftigt.<br />

Ein tolles Programm für das ganze Jahr<br />

In den Zoar-Werkstätten Rockenhausen organisiert Anja Spieß zusammen mit<br />

der Vertrauens-Person der Frauen-Beauftragten regelmäßige Treffen. Außerdem<br />

plant sie verschiedene Unterhaltungs-Angebote. Die Angebote kommen bei<br />

den Teilnehmerinnen immer sehr gut an. <strong>Das</strong> freut Anja Spieß. „<strong>Das</strong> ist für<br />

mich mehr als ein Lob“, sagt Anja Spieß. Angeboten werden zum Beispiel<br />

38 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Menschen bei Zoar<br />

Wellness-Programme und Ausflüge, unter anderem zum Hanauerhof in<br />

Dielkirchen. Jede Frau kann die Frauen-Beauftragte jederzeit ansprechen.<br />

Sie muss nicht erst auf einen Termin warten.<br />

Corona-Zeit? Wie geht es nun weiter?<br />

Anja Spieß hatte für das Jahr <strong>2020</strong> ein tolles Programm geplant. Leider fand das<br />

Programm nur eingeschränkt statt. <strong>Das</strong> ist wegen dem Corona-Ausbruch so.<br />

Glücklicherweise hat im März noch ein Wellness-Angebot stattgefunden. Später<br />

wurden die Zoar-Werkstätten für einige Zeit geschlossen. In dieser Zeit blieben<br />

alle zu Hause. Die regelmäßigen Treffen mit der Frauen-Beauftragten fanden<br />

nicht statt. <strong>Das</strong> haben die Frauen vermisst. Aktuell gibt es viele Regeln und<br />

Schutz-Maßnahmen zu beachten. Im August wurde wieder eine Sprech-Stunde<br />

angeboten. Im September hat ein schöner Ausflug auf den Hanauerhof<br />

stattgefunden.<br />

<strong>Das</strong> Hobby von Anja Spieß<br />

Anja Spieß hat viele Hobbys. Sie verbringt gerne ihre freie Zeit mit der Familie.<br />

Sie entspannt sich beim Fernseh-Schauen und Spazieren-Gehen. Es gibt noch<br />

eine andere Leidenschaft von ihr. <strong>Das</strong> ist das Bemalen von Pfalz-Steinen. Dabei<br />

zeigt Anja Spieß ihre Kreativität und lässt ihrer Phantasie freien Lauf. <strong>Das</strong> Spiel<br />

hat ganz einfache Regeln. Die Leute suchen interessante Steine und bemalen sie.<br />

Die bemalten Steine versteckt man. <strong>Das</strong> postet man in den sozialen Medien. Die<br />

anderen Teilnehmer können die Steine suchen und finden. <strong>Das</strong> Spiel ist sehr beliebt.<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

39


Altenhilfe<br />

Zoar – Service-Wohnen<br />

Service-Leistungen sind auf die<br />

jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt<br />

Service-Wohnen − was genau verbirgt sich<br />

hinter dieser Bezeichnung? Und wie gestaltet<br />

sich der Alltag in diesen Wohnformen?<br />

Diesen und noch mehr Fragen sind wir nachgegangen<br />

und konnten drei Bewohnerinnen<br />

aus der Seniorenresidenz Kirchheimbolanden<br />

und fünf weitere Bewohnerinnen des<br />

Zoar – Service-Wohnens am Altstadtring in<br />

Rockenhausen für ein Gespräch gewinnen.<br />

Diese Gespräche fanden im<br />

Spätsommer vor dem<br />

erneuten Teil-Lockdown ab<br />

Anfang November statt<br />

(Anm. d. Red.).<br />

Die häufigste Antwort auf<br />

die Frage, warum eine<br />

Person sich für eins der<br />

Appartements an einem der fünf<br />

Standorte entschieden hat, ist<br />

meistens ähnlich. Sechs der acht<br />

Befragten wollten nach dem Tod<br />

ihres Partners nicht alleine sein und<br />

fanden sowohl das eigene Haus als<br />

auch die Wohnung plötzlich zu groß.<br />

Auch andere Gründe sprechen dafür,<br />

einen solchen Schritt zu machen.<br />

So wurde beispielsweise bei Lucia<br />

Deicke der Zugang zu ihrer damaligen<br />

Wohnung ohne die Hilfe ihres<br />

verstorbenen Ehemanns unüberwindbar.<br />

„Durch meine Erkrankung<br />

konnte ich die Treppe ohne seine<br />

Hilfe nicht mehr hinaufsteigen“,<br />

erzählt sie. Die gebürtige Koblenzerin<br />

kam der Liebe wegen nach Winnweiler<br />

und lebt nun seit April <strong>2020</strong><br />

im Zoar − Service-Wohnen am<br />

Altstadtring in Rockenhausen<br />

(Speyerstraße). Gisela Molter aus<br />

Dreisen wohnte früher mit ihrer<br />

Schwester zusammen. „Wir verstanden<br />

uns nicht mehr, und deshalb bin ich<br />

mit Hilfe meiner Betreuerin ausgezogen“,<br />

erklärt sie. Auch sie ist dieses<br />

Jahr nach Rockenhausen gezogen.<br />

Hans-Jürgen Berndt aus Dresden<br />

kam in die Nordpfalz, genauer gesagt<br />

nach Rockenhausen, wegen seiner<br />

Ehefrau und der gemeinsamen<br />

Tochter. „Durch die Demenz-<br />

Erkrankung meiner Frau konnte ich<br />

nicht mehr in Dresden bleiben.<br />

Unsere Tochter wohnt in Hefersweiler<br />

und unterstützt mich bei der<br />

Pflege. Daher bot sich Rockenhausen<br />

örtlich an. Die Pflege ist für mich nun<br />

machbar, und ich verbringe weiterhin<br />

eine schöne Zeit mit meiner Frau,<br />

ohne zu viel Stress. Hier habe ich<br />

auch Zeit für mich“, beschreibt er<br />

seine momentane Situation.<br />

Vorteile und Angebote<br />

Die Vorteile sind kurz in folgendem<br />

Satz zusammengefasst: „Wenn Sie<br />

sich entscheiden, dorthin zu ziehen,<br />

dann können sie sich ihre Eigen-<br />

40 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Altenhilfe<br />

ständigkeit noch lange erhalten“.<br />

Diesen Satz hörte Ruth Weigel von<br />

ihrer Ärztin in Rockenhausen.<br />

„Damals nach dem Tod meines<br />

Mannes war ich verständlicherweise<br />

verunsichert und wusste nicht, wie<br />

es weitergehen soll. Als ich von<br />

meiner Ärztin diese Möglichkeit des<br />

Service-Wohnens vorgestellt bekam,<br />

gewann ich wieder ein Stück Lebensenergie<br />

zurück“, lächelt Ruth Weigel.<br />

Die 95-jährige Göllheimerin fühlt<br />

sich im Bereich des Service-Wohnens<br />

der Seniorenresidenz Kirchheimbolanden<br />

sehr wohl. Seit sieben<br />

Jahren wohnt sie in ihrem jetzigen<br />

Appartement. In ihrer Kochnische<br />

kann sie auch selbst kochen. Trotzdem<br />

isst sie gern gemeinsam mit ihren<br />

Mitbewohnern im Speisesaal der<br />

Seniorenresidenz. Auch, wenn es am<br />

Essen immer mal wieder etwas<br />

auszusetzen gibt. Geschmäcker sind<br />

verschieden. Kritik und Verbesserungsvorschläge<br />

geben sie immer<br />

gern weiter. „Nur so können sich<br />

Dinge verbessern.“<br />

„Babuschka“ (Oma) und<br />

„Deduschka“ (Opa) − so nennen<br />

sich die beiden guten Freunde aus<br />

der Speyerstraße in Rockenhausen.<br />

Links sitzt Lothar Schiller und rechts<br />

Ida Rifel. Ida Rifel kommt aus<br />

Moldawien und Lothar Schiller aus<br />

Sachsen-Anhalt. Beide können<br />

russisch sprechen, weshalb sie sich<br />

gerne so betiteln.<br />

Sichtlich wohl fühlt sich Hans-Jürgen Berndt auf der Couch, flankiert von zwei<br />

netten Damen. Links sitzt Lucia Deicke und rechts Gisela Molter. Die beiden<br />

Frauen fühlen sich in ihrer neuen Wohnung in der Speyerstraße jeweils sehr<br />

wohl, so wie Hans-Jürgen Berndt auch.<br />

Auch Lothar Schiller, wohnhaft im<br />

Zoar − Service-Wohnen am Altstadtring<br />

in Rockenhausen, spricht gern<br />

über das Essen. Sein Vorschlag ist<br />

unter anderem, einen Gewürzständer<br />

auf jeden Tisch zu stellen, damit<br />

man die Speisen gegebenenfalls<br />

nachwürzen kann. Dies bekräftigt<br />

auch Hans-Jürgen Berndt. Lothar<br />

Schiller wohnt seit Januar 2016 in<br />

der Speyerstraße. Im Frühjahr <strong>2020</strong><br />

hat er beschlossen, in seiner<br />

Wohnung für sich selbst zu kochen.<br />

Gegenwind bezüglich des Essens<br />

kommt von Lucia Deicke und Gisela<br />

Molter. Beide finden das Essen<br />

hervorragend. Beim gemeinsamen<br />

Gespräch in der Speyerstraße wird<br />

deutlich, dass Männer und Frauen<br />

tatsächlich ein unterschiedliches<br />

Geschmacksempfinden haben.<br />

Es ist ein sehr interessantes<br />

Gespräch, und es wird gelacht.<br />

Weitere Vorteile des Service-<br />

Wohnens sind die altersgerechten<br />

Zugänge zu den Wohnungen. Mit<br />

einem Aufzug und ohne jegliche<br />

Stufen sind die Wohnbereiche und<br />

gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten<br />

für Bewohner mit eingeschränkter<br />

Mobilität, wie zum<br />

Beispiel mit Rollstuhl oder Rollator,<br />

leicht zu erreichen. Wenn die<br />

Bewohner gelegentlich schwerere<br />

Einkäufe tätigen, erhalten sie Hilfe<br />

von den Mitarbeitern. <strong>Das</strong> wissen<br />

alle sehr zu schätzen. Ganz individuell<br />

lassen sich verschiedene<br />

Service-Leistungen dazu buchen, wie<br />

zum Beispiel hauswirtschaftliche<br />

und pflegerische Dienstleistungen.<br />

Standorte und Ausstattung<br />

Die Wohnungen sind zwischen 24<br />

und 68 Quadratmeter groß und<br />

verfügen neben einem Schlafraum<br />

und Wohnraum über ein Bad und<br />

eine Kochnische. Die Seniorenresidenz<br />

in Kirchheimbolanden<br />

hat 17 Ein- und Zwei-Zimmer-<br />

Wohnungen. Ebenfalls in Kirchheimbolanden<br />

bietet die Zoar-Wohnanlage<br />

„Am Torbogen“ 15 Zwei-<br />

Zimmer-Wohnungen. Die Zoar-<br />

Wohnanlage „Am Altstadtring“ in<br />

Rockenhausen verfügt über die<br />

gleiche Anzahl an Wohnungen wie<br />

„Am Torbogen“ in Kirchheimbolanden.<br />

In Kusel hat man sogar die Möglichkeit,<br />

Drei-Zimmer-Wohnungen zu<br />

beziehen. Allerdings gibt es dort<br />

erst fünf Appartements. Zwei Zwei-<br />

Zimmer-Wohnungen werden in<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

41


Altenhilfe<br />

Dies ist der Flur in der Seniorenresidenz<br />

Kirchheimbolanden, der zu den<br />

einzelnen Wohnungen des Bereichs<br />

„Service-Wohnen“ führt. Hier gibt<br />

es viele Möglichkeiten, sich mit den<br />

anderen Bewohnern zu einem<br />

Gespräch zu treffen.<br />

Ingrid Langer in ihrer Wohnung in der<br />

Seniorenresidenz in Kirchheimbolanden;<br />

hier in ihrem mit eigenen Möbeln<br />

eingerichteten Wohnzimmerbereich.<br />

Alsenz in der Zoar-Wohnanlage<br />

„Am Uferweg“ angeboten. Alle<br />

Wohnungen befinden sich im<br />

Zentrum der jeweiligen Städte und<br />

Orte und ermöglichen es, dass die<br />

Bewohner zahlreiche Geschäfte,<br />

Apotheken oder Ärzte auf relativ<br />

kurzen Wegen erreichen. Manche der<br />

Service-Wohnformen liegen direkt<br />

neben einem Zoar-Alten- und Pflegeheim.<br />

Auf diese Weise lassen sich<br />

Synergien vorteilhaft nutzen.<br />

Zoar-Mitarbeiter Dieter Steiner ist<br />

verantwortlich für den Bereich des<br />

Service-Wohnens beim Evangelischen<br />

Diakoniewerk Zoar. „Er hat immer<br />

ein offenes Ohr für meine Anliegen<br />

und Wünsche“, schwärmt Ida Rifel<br />

aus Rockenhausen. „Außerdem ist<br />

er immer freundlich und lustig.“<br />

Auch Ingrid Langer, wohnhaft in<br />

der Seniorenresidenz in Kirchheimbolanden,<br />

bestätigt, dass sich die<br />

Mitarbeiter im Bereich „Service-<br />

Wohnen“, die bei der Sozialstation<br />

Brücken beschäftigt sind, erfreulicherweise<br />

auch Zeit für persönliche<br />

Gespräche lassen. „Allerdings<br />

vermisse ich die frühere familiäre<br />

Atmosphäre im Haus. Aufgrund der<br />

Corona-Pandemie fallen die Yoga-,<br />

Sitztanz- und Singstunden aus“,<br />

erzählt die weitgereiste Hannoveranerin<br />

Ingrid Langer. „Drei Jahre habe<br />

ich mit meiner fünfköpfigen Familie<br />

in Montreal in Kanada gelebt. Dann<br />

sind wir ins sonnige Kalifornien in<br />

den USA gezogen und haben dort<br />

weitere 17 Jahre verbracht“, berichtet<br />

Ingrid Langer. Fehlende Aktivitäten<br />

bemängelt auch Lothar Schiller:<br />

„Früher bin ich wöchentlich zum<br />

Schachspielen in die Wohnanlage in<br />

der Wiesenstraße in Rockenhausen<br />

gegangen. Ein solches Angebot<br />

würde ich mir auch für unser Haus in<br />

der Speyerstraße wünschen“. Auch<br />

Lucia Deicke hätte nichts gegen ein<br />

sonntägliches Kuchenangebot aus<br />

einem Automaten. Eine Kaffeemaschine,<br />

an der man sich kostenlos<br />

einen Kaffee ziehen kann, wurde<br />

zwischenzeitlich angeschafft.<br />

Da die Wohnanlagen meist zentral<br />

liegen und sich Cafés und Geschäfte<br />

in der Nähe befinden, kann Lucia<br />

Deicke verstehen, dass sich in den<br />

Häusern nicht auch noch ein öffentliches<br />

Café befinden kann. „Gerade<br />

deshalb wäre ein Kuchenautomat<br />

eine gute Idee.“<br />

42 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Altenhilfe<br />

Der geschmackvoll eingerichtete<br />

Eingangsbereich von Hedwig<br />

Leibrocks Wohnung.<br />

Hedwig „Heddi“ Leibrock in ihrem<br />

Wohnzimmer in der Seniorenresidenz<br />

in Kirchheimbolanden.<br />

Der persönliche Touch<br />

Jeder Mensch ist einzigartig und individuell,<br />

darauf darf sich auch in<br />

diesen Wohnbereichen jeder berufen.<br />

Die Wünsche und Lebensmodelle<br />

werden mit den potentiellen<br />

Wohnungsmietern im Vorfeld<br />

besprochen. Hedwig Leibrock ist in<br />

ihrer früheren Wahlheimat Kirchheimbolanden<br />

im Bereich „Service-<br />

Wohnen“ geblieben. „Nach 18<br />

Ehejahren ist mein Mann vor etwa<br />

acht Jahren gestorben. So zog ich<br />

dann kurze Zeit später hierher. Ich<br />

mag es, in der Natur spazieren zu<br />

gehen und koche seit Beginn immer<br />

für mich selbst. Ich war schon immer<br />

gern für mich“, erzählt sie. Sie fühlt<br />

sich in der Seniorenresidenz sehr<br />

wohl und führt gern mit ihren Mitbewohnern,<br />

von denen sie liebevoll<br />

„Heddi“ gerufen wird, Gespräche.<br />

Ida Rifel darf in ihrer Wohnung in der<br />

Speyerstraße in Rockenhausen einen<br />

jungen, schwarz-weißen Kater halten<br />

und zeigt ihn stolz jedem Besucher.<br />

Überglücklich erzählt sie, wie viel<br />

Freude sie mit ihrem Haustier hat.<br />

Auch, wenn es das ein oder andere zu<br />

bemängeln gibt, ist der Umzug ins<br />

Service-Wohnen für alle acht vorgestellten<br />

Bewohner die beste<br />

Entscheidung gewesen.<br />

Der offene Schlafraum<br />

Hedwig Leibrock im Außengelände<br />

der Seniorenresidenz<br />

Kirchheimbolanden.<br />

Die Naturliebhaberin steht vor<br />

dem alten Wasserbrunnen und<br />

genießt die herrliche Sonne<br />

an diesem Tag.<br />

„<strong>Das</strong> ganze Leben über hat man<br />

jemanden, der einen zu bestimmten<br />

Sachen drängelt. Hier kann ich<br />

endlich ich selbst sein und mich<br />

frei entfalten“, sagt Lucia Deicke.<br />

Außerdem könne man die Wohnung<br />

so dekorieren, wie es einem selbst<br />

am besten gefalle. „Die Rockenhausener<br />

sind alle sehr freundlich. Jeder<br />

grüßt, ob man sie kennst oder nicht.<br />

<strong>Das</strong> habe ich vorher noch nie so<br />

erlebt. Ich möchte hier nie wieder<br />

weg“, weiß Lucia Deicke ganz sicher.<br />

Helena Gomes Oester<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

43


Aktuell<br />

Information über<br />

das Ausscheiden<br />

des Vorstandsmitglieds<br />

Peter Kaiser<br />

Peter Kaiser ist nicht mehr Direktor des Evangelischen Diakoniewerks Zoar.<br />

Der Verwaltungsrat hat am Montag, 17.08.<strong>2020</strong>, beschlossen, Vorstandssprecher<br />

Peter Kaiser wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Zukunft von Zoar,<br />

auch angesichts der Vielzahl der Projekte, vom Dienst freizustellen.<br />

Dies ist am 18.08.<strong>2020</strong> erfolgt.<br />

Der Zoar-Verwaltungsratsvorsitzende, Klaus Rüter, und der ehemalige<br />

Zoar-Direktor, Peter Kaiser, haben sich auf eine einvernehmliche Aufhebung<br />

und damit zeitnahe Beendigung des Vertragsverhältnisses von Herrn Peter Kaiser<br />

geeinigt. Nach Billigung des Vertragstextes, für den beiderseitige Verschwiegenheit<br />

vereinbart wurde, durch den Verwaltungsrat wurde der Vertrag von beiden<br />

Parteien unterschrieben und somit rechtsgültig.<br />

Klaus Rüter, Zoar-Verwaltungsratsvorsitzender, stellt klar, dass Spekulationen<br />

um Verfehlungen von Peter Kaiser keine Grundlage haben. Es ging und geht<br />

dem Verwaltungsrat allein um die weitere Entwicklung und Zukunft des<br />

Evangelischen Diakoniewerks Zoar. Zu diesem wichtigen Punkt bestanden seit<br />

geraumer Zeit nicht zu überbrückende Meinungsunterschiede beider Seiten.<br />

Peter Kaisers Verdienste um Zoar werden vom Verwaltungsrat anerkannt.<br />

Verwaltungsratsvorsitzender Klaus Rüter spricht ihm dafür den Dank des<br />

Gremiums aus.<br />

Die „Zoar-<strong>Magazin</strong>“-Redaktion<br />

Rockenhausen im Dezember <strong>2020</strong><br />

44 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Weiterbildung & Seminare<br />

Wichtiges Instrument im Rahmen der Personalführung<br />

Die Entwicklung der Jahresmitarbeitergespräche<br />

von 2018 bis heute<br />

2018 sind die Jahresmitarbeitergespräche<br />

beim Evangelischen<br />

Diakoniewerk Zoar und den<br />

Tochtergesellschaften eingeführt<br />

worden. Es geschah unter<br />

anderem auf Wunsch der<br />

Mitarbeiter, die das im Rahmen<br />

einer zweitägigen Leitbildkonferenz<br />

mehrfach äußerten.<br />

Die Leitbildkonferenz-<br />

Ergebnisse flossen<br />

damals in das aktuelle<br />

Zoar-Leitbild ein. Es ist heute<br />

weit verbreitet, steht auf der<br />

Zoar-Internetseite und wird jedem<br />

neuen Mitarbeiter zu Beginn seiner<br />

Tätigkeit an die Hand gegeben.<br />

Moderner Ansatz<br />

für die Umsetzung<br />

„Fundierte Jahresmitarbeitergespräche<br />

bilden eine Brücke zwischen dem<br />

Vorgesetzten und seinen Mitarbeitern<br />

und somit die Grundlage für<br />

eine erfolgreiche und zufriedenstellende<br />

Zusammenarbeit“, erklärt<br />

Sabine Schmitt, Leiterin Personalentwicklung.<br />

„Davon profitieren<br />

beide Seiten und natürlich das<br />

Evangelische Diakoniewerk Zoar als<br />

moderner und zukunftsweisender<br />

Arbeitgeber.“ Um eine adäquate<br />

Umsetzung zu realisieren, wurden<br />

Multiplikatoren für das Projekt<br />

„Jahresmitarbeitergespräche“<br />

ausgebildet, die die Aufgabe haben,<br />

alles Wissenswerte über das<br />

Personalführungsinstrument im<br />

Unternehmen zu verbreiten. Alle<br />

zehn Multiplikatoren waren von<br />

Anfang an und über einen langen<br />

Zeitraum mit Herzblut bei der Sache<br />

(siehe dazu den Bericht „Einführung<br />

von Jahresmitarbeitergesprächen<br />

ab 2018“ im Zoar-<strong>Magazin</strong> 3+4, 2017;<br />

Seite 7 bis 11). <strong>Das</strong> Besondere an<br />

ihrer Qualifizierung war, dass sowohl<br />

Strukturelles als auch Inhaltliches<br />

über das Mitarbeitergespräch vermittelt<br />

wurde und dass die Multiplikatoren<br />

lernten, die Führungskräfte in<br />

den darauffolgenden verschiedenen<br />

Workshops „Bottom-Up“ (engl.<br />

von unten nach oben; Anm. d. Red.)<br />

Multiplikatoren-Schulung 2017: mit Mitarbeitern verschiedener Zoar-Bereiche<br />

zum Thema „Jahresmitarbeitergespräche“<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

45


Weiterbildung & Seminare<br />

<strong>Das</strong> Jahresmitarbeitergespräch<br />

<strong>Das</strong> Mitarbeitergespräch bietet die Möglichkeit, Vereinbarungen und<br />

Ziele über die Arbeitsaufgaben, das Arbeitsumfeld, die Zusammenarbeit<br />

und Führung und die Veränderungs- und Entwicklungsperspektiven zu<br />

treffen. Gerade die Entwicklungsperspektiven der Mitarbeiter sind ein<br />

zentrales Thema, um vorhandene Ressourcen und Potentiale zu nutzen.<br />

Mit Hilfe des strukturierten Jahresmitarbeitergesprächs haben Mitarbeiter<br />

und Führungskraft einmal im Jahr die Möglichkeit, in Ruhe und<br />

gut vorbereitet über wichtige Themen der Aufgabenerfüllung und Zusammenarbeit<br />

zu sprechen. Dieses Gespräch dient sowohl der Orientierung<br />

des Mitarbeiters als auch der Führungskraft und soll Arbeitsfreude,<br />

Motivation und Leistungsbereitschaft fördern. Im Jahresmitarbeitergespräch<br />

wird der Fortbildungsbedarf des Mitarbeiters besprochen, und<br />

es werden gemeinsam Qualifizierungsperspektiven entwickelt, um eine<br />

nachhaltige Personalentwicklung zu etablieren.<br />

zu schulen. Dieser moderne Ansatz<br />

führte zum Umgang auf Augenhöhe<br />

und zur Überwindung von Hierarchien.<br />

Die Multiplikatoren sind auch heute<br />

noch davon überzeugt, dass sich ihr<br />

Einsatz gelohnt hat, denn in der<br />

Beurteilung sind sie sich einig: „<strong>Das</strong><br />

Jahresmitarbeitergespräch kann als<br />

wechselseitiger Austausch Missverständnisse<br />

und Konflikte in der<br />

Zusammenarbeit ausräumen, Ziele<br />

definieren und für ein ausgewogenes<br />

Unternehmensklima sorgen“.<br />

Entsprechend schulten sie rund<br />

100 Führungskräfte des Evangelischen<br />

Diakoniewerks Zoar.<br />

Ansteigende Gesprächszahlen<br />

Ziel ist es nun, das Jahresmitarbeitergespräch<br />

mit jedem Mitarbeiter<br />

(ausgenommen Mitarbeiter in Probezeit,<br />

Auszubildende und geringfügig<br />

Beschäftigte) einmal jährlich durchzuführen.<br />

„Bei der Anzahl der<br />

geführten Mitarbeitergespräche<br />

müssen wir noch zulegen“, sagt<br />

Sabine Schmitt. „Hier ist noch Luft<br />

nach oben.“ <strong>Das</strong> Gute ist, dass von<br />

2018 bis heute ein Anstieg zu<br />

verzeichnen ist. „Insgesamt wurden<br />

im vergangenen Jahr 25,5 Prozent der<br />

Gespräche geführt.“ Die Personalentwicklung<br />

sieht es als ihre Aufgabe an,<br />

ohne Unterlass für das Mitarbeiterge-<br />

spräch zu werben und immer wieder<br />

fundierte Informationen über dieses<br />

Führungsinstrument zu verbreiten.<br />

„Unsere Mitarbeiter haben sich<br />

bewusst dafür entschieden“, so<br />

Schmitt, „daher sollte es auch in<br />

allen Bereichen umgesetzt werden“.<br />

Die Bedeutung wird unterstrichen<br />

durch eine Dienstvereinbarung,<br />

einen Leitfaden, Vorbereitungsbogen<br />

und Gesprächsbogen<br />

sowie Schulungen, die der Wieder-<br />

Auffrischung dienen.<br />

Oft gibt es auch Erinnerungs-<br />

E-Mails mit Inhalten wie diesem:<br />

„Vor zwei Jahren haben wir das<br />

Jahresmitarbeitergespräch eingeführt.<br />

Eins der wichtigsten Führungsinstrumente.<br />

Viele von Ihnen haben<br />

dieses Jahr schon Gespräche geführt.<br />

Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben<br />

Sie schon Ihre Gespräche geführt<br />

oder zumindest terminiert? Nutzen<br />

Sie dieses Instrument! Fundierte<br />

Jahresmitarbeitergespräche, ein<br />

Austausch auf Augenhöhe, bilden<br />

eine Brücke zwischen Führungskraft<br />

und Mitarbeiter und somit die<br />

Grundlage für eine erfolgreiche und<br />

zufriedenstellende Zusammenarbeit.<br />

Haben Sie noch Fragen oder<br />

Schulungsbedarf?“ Im Anschluss<br />

daran werden Schulungstermine der<br />

Personalentwicklung genannt, wobei<br />

diese im Corona-Jahr <strong>2020</strong> leider<br />

ausfallen mussten. 2021 aber geht es<br />

weiter. „Wenn sich die Pandemie-<br />

Situation entschärft hat, führen wir<br />

auch wieder Schulungen durch“,<br />

so Sabine Schmitt.<br />

Kontinuierliche Optimierungen<br />

Der Bereich Personalentwicklung<br />

arbeitet immer an Optimierungen.<br />

So ist zum Beispiel der Vorbereitungsbogen<br />

für das Mitarbeiterjahresgespräch<br />

überarbeitet worden. Auf<br />

diese Weise wurde der Vorgang<br />

46 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Weiterbildung & Seminare<br />

Berichte über die Erfahrung, Jahresmitarbeitergespräche zu führen;<br />

beidseitig – als Vorgesetzter und als Mitarbeiter. Hier einige Kommentare:<br />

Jutta Kunz,<br />

Einrichtungsleitung Zoar – Alten- und Pflegeheim Kusel<br />

„Lange habe ich das Thema der Jahresmitarbeitergespräche vor mir hergeschoben. Bis es<br />

dann plötzlich Klick gemacht hat. Ich habe jetzt einen guten Weg gefunden, mir das nicht<br />

als einen zusätzlichen Berg an Arbeit vorzustellen, sondern es strukturiert, geplant und<br />

effizient zu gestalten. Keine Zeit zu haben, ist ja doch meistens nur eine Ausrede. Da ich<br />

jedoch voll hinter den Jahresmitarbeitergesprächen stehe, ist mir die Notwendigkeit, sich die Zeit zu nehmen,<br />

völlig klar. Es fängt damit an, dass ich alle 16 Gespräche frühzeitig plane und im Outlook-Kalender festhalte.<br />

Beim Gespräch darf niemand stören. Da bin ich in dieser Stunde auch wirklich für niemanden sonst erreichbar;<br />

es sei denn, es ist ein Notfall. Außerdem ist es wichtig, beim Durchführen der Gespräche im Jahresrhythmus<br />

zu bleiben und nicht wieder mit dem Aufschieben anzufangen, dann ballt sich nämlich gegen Ende des Jahres<br />

alles. Mir liegt es am Herzen, im Gespräch Feedback zu geben und keine Kritik zu üben.“<br />

Barbara Venske,<br />

Regionalleitung<br />

Eingliederungshilfe Nordpfalz<br />

„Sich einmal im Jahr richtig Zeit<br />

zu nehmen und ungestört mit<br />

dem jeweiligen Mitarbeiter<br />

zu sprechen, ist eine besondere Form der Wertschätzung.<br />

Kein Zeitdruck, angenehme Atmosphäre.<br />

Ich persönlich nutze diese Gespräche, um mit dem<br />

Mitarbeiter über aktuelle Themen zu diskutieren,<br />

unsere strategischen Ziele zu benennen und im<br />

Austausch zielführende Ideen und Arbeitsschritte<br />

gemeinsam zu gestalten und festzulegen. Eine<br />

Würdigung der Arbeit und ein Lob sollten auch<br />

nicht fehlen. Grundsätzlich ist es mir wichtig,<br />

dass mein Gesprächspartner und ich uns auf das<br />

gemeinsame Gespräch vorbereiten. Gleichzeitig<br />

empfinde ich spontane Themen immer als gewinnbringend.<br />

Die Zeit vergeht oft sehr schnell. <strong>Das</strong>,<br />

was im Gesprächsbogen festgehalten wird, wird<br />

gemeinsam erarbeitet und formuliert. So ist es<br />

eine runde Sache und passend für beide.“<br />

Vanessa Steingaß,<br />

Mitarbeiterin der Finanzbuchhaltung,<br />

Verwaltung,<br />

Rockenhausen<br />

„Ich finde es toll, dass<br />

wir dieses Personalentwicklungsinstrument<br />

haben. Vorher mache<br />

ich mir immer Notizen, damit ich nicht vergesse,<br />

was ich sagen möchte. Zur Grundlage nehmen<br />

wir die Stellenbeschreibung und schauen<br />

gemeinsam, ob alles enthalten ist oder etwas<br />

angepasst werden muss. <strong>Das</strong>s das so konkret ist,<br />

gefällt mir gut. In dem Zusammenhang mache<br />

ich auch gern Verbesserungsvorschläge. Oft sind<br />

das Dinge, die mir übers Jahr hinweg einfallen<br />

und die ich mir dann notiere. Für Vorgesetzte<br />

ist das Jahresmitarbeitergespräch eine sehr<br />

gute Möglichkeit, den Mitarbeitern gegenüber<br />

Wertschätzung zu zeigen.“<br />

Felix Steinmüller,<br />

Teamleitung AWG II, Mainz<br />

„Wichtig ist vor allem, dass man beim Jahresmitarbeitergespräch ungestört ist.<br />

Denn diese Zeit gehört ganz allein dem Mitarbeiter. Dafür blocke ich vorneweg zwei<br />

Stunden. Ich finde es gut, wenn man dafür eine schöne Atmosphäre schafft, zum<br />

Beispiel nach draußen geht und sich in den Schatten der Bäume setzt. Dabei lässt<br />

sich gut ein Eis essen oder Kaffee trinken. Beim Austausch ist es mir schon passiert, dass ich Dinge, die<br />

ich zwar schon wusste, nochmal ganz anders wahrgenommen und mir bewusst gemacht habe.“<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

47


Weiterbildung & Seminare<br />

Multiplikatoren-Schulung 2017:<br />

gemeinsam viel bewegen!<br />

verschlankt. „Damit gingen wir auf<br />

Anregungen der Führungskräfte ein,<br />

die uns zurückmeldeten, dass der<br />

Vorbereitungsbogen als Grundlage<br />

für das Gespräch zu inhaltsreich und<br />

kompliziert ist“, berichtet Personalerin<br />

Schmitt. „Uns ist es wichtig, immer<br />

wieder darauf hinzuweisen, dass<br />

Vorbereitungs- und Gesprächsbogen<br />

als roter Faden dienen sollen und<br />

keine verbindliche Vorgabe sind.“<br />

In das Thema der Jahresmitarbeitergespräche<br />

sind auch ganz stark die<br />

Mitglieder der Gesamtmitarbeitervertretung<br />

(GMAV) eingebunden.<br />

Auch sie sind der Meinung, dass sich<br />

sowohl das „Bottom-Up“-System als<br />

auch das Schulungsverfahren im<br />

Trainer-Team („Buddy-Team“) ausgezahlt<br />

haben. Die schulenden Multiplikatoren<br />

sind auch heute noch<br />

Ansprechpartner bei Unklarheiten<br />

und stehen bei Fragen zum Jahresmitarbeitergespräch<br />

mit Rat und<br />

Tat zur Seite.<br />

Positive Bewertung bei der<br />

Mitarbeiterbefragung 2019<br />

Zoar-Direktorin Martina Leib-Herr ist<br />

stolz auf das, was die „Buddy-Teams“<br />

geschafft haben. Es gibt zwar immer<br />

noch Bereiche, in denen die Anzahl<br />

der geführten Gespräche zu wünschen<br />

übriglässt, aber „die Saat ist aufgegangen“,<br />

so die Direktorin. „Für<br />

uns alle ist dies ein wichtiges<br />

Instrument der Personalführung<br />

und Mitarbeitermotivation.“<br />

Verbesserungspotential sei<br />

angesichts der Quantität zwar<br />

vorhanden, aber das ist auch gut<br />

so, sagt die Direktorin. „Es entspricht<br />

einer gesunden Entwicklung, wenn<br />

nicht alles von Beginn an perfekt ist.“<br />

Wichtig sei vor allem, dass keine<br />

Führungskraft, die diese Gespräche<br />

mit den zugeordneten Mitarbeitern<br />

führt, allein gelassen wird.<br />

Im Gegenteil.<br />

Zahlreiche Mitarbeiter bestätigen<br />

im Rahmen der letzten Mitarbeiterbefragung,<br />

dass sie das Jahresmitarbeitergespräch<br />

grundsätzlich<br />

als Chance für alle Mitarbeiter<br />

sehen. Ganz sicher sei es kein<br />

Kontrollinstrument. Auf die Aussage<br />

„Ich schätze das Jahresmitarbeitergespräch<br />

als gute Möglichkeit<br />

für den Austausch“ reagierte die<br />

weitaus größte Anzahl befragter<br />

Mitarbeiter mit „Trifft voll zu“.<br />

Warum? Beim Jahresmitarbeitergespräch<br />

reflektieren sich beide<br />

Gegenüber − Mitarbeiter und<br />

Führungskraft. Gegenseitig gibt man<br />

sich Impulse, und das wiederum<br />

ist gut für den „Workflow“, für die<br />

gute Zusammenarbeit.<br />

Alexandra Koch<br />

48 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Hospiz<br />

Ehrenamtliche Hospizarbeit<br />

Marc Becker: offen und interessiert –<br />

Tod ist kein Tabu<br />

Marc Becker (22) hat keine Probleme mit den Tabuthemen<br />

„Tod“ und „Trauer“. Und obwohl er bislang wenig damit zu<br />

tun hatte, öffnete er sich für diese schwere Thematik und ließ<br />

sich auf Hintergrundwissen dazu ein. 2018/2019 absolvierte<br />

er die halbjährige Grundausbildung zum ehrenamtlichen<br />

Hospizhelfer beziehungsweise Sterbebegleiter, die in<br />

Kooperation zwischen dem Stationären Hospiz Nordpfalz<br />

und dem ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst<br />

Rockenhausen regelmäßig angeboten wird. Damit aber<br />

nicht genug. Marc Becker wollte gleich noch eine zweite<br />

Weiterbildung anschließen: „Hospiz macht Schule“.<br />

Diese wurde jedoch Corona bedingt verschoben. „Ich freue<br />

mich schon jetzt darauf, wenn es losgeht“, so der<br />

ehrenamtliche Hospizhelfer.<br />

Der junge Mann aus Ramsen studiert „Soziale<br />

Arbeit“ und befindet sich im 5. Semester.<br />

„Mein Einstieg in die Hospizarbeit war völlig<br />

unspektakulär“, sagt Marc Becker. „In zahlreichen<br />

Gesprächen mit meiner Mutter, die lange im Bereich<br />

der Altenhilfe gearbeitet hat, fielen auch immer wieder<br />

Begriffe wie ‚Krankheit‘ und ‚Tod‘. Da ist es doch klar,<br />

dass man auch mal nachfragt, vor allem, wenn man<br />

sich für den Gesprächspartner interessiert und seine<br />

Arbeit wertschätzt.“<br />

Der 22-Jährige, dessen Studium, wie das so vieler<br />

anderer Studenten in der Zeit der Corona-Pandemie,<br />

online stattfindet, ist darauf bedacht, möglichst viele<br />

unterschiedliche Berufsfelder im Bereich der „Sozialen<br />

Arbeit“ kennenzulernen. „An einem Wochenende im<br />

November 2018 hatte ich dann mein erstes Blockseminar<br />

zum Thema ‚Hospiz‘“, erinnert er sich. Es sei um Tod<br />

und Trauer sowie Begleitung der Sterbenden und<br />

Angehörigen gegangen. Gemeinsam mit rund zwölf<br />

anderen Teilnehmerinnen (Marc Becker war der einzige<br />

Mann bei dieser Weitbildung; Anm. d. Red.) lernte er<br />

in den Räumen des ambulanten Hospiz- und Palliativ-<br />

Beratungsdienstes Rockenhausen in der Rognacallee<br />

und im Stationären Hospiz Nordpfalz in der Speyerstraße<br />

viel zum Thema „Hospiz“.<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

49


Hospiz<br />

Sich aktiv einbringen<br />

„Vermittelt wurde nicht nur Theorie“, informiert Birgit<br />

Edinger, Leiterin des Stationären Hospizes Nordpfalz,<br />

„auch Praxisanteile gehörten dazu“. Marc Becker ist<br />

ehrlich und gibt geradewegs zu, dass die Auseinandersetzung<br />

mit diesem Thema Überwindung gekostet hat.<br />

„Genauso stark hat es mich aber auch gefangen<br />

genommen. Ich wurde immer neugieriger auf all diese<br />

Infos und wollte immer mehr wissen.“ Genau dafür<br />

waren die Weiterbildungsseminare da. Der Lehrstoff<br />

wurde vermittelt von Birgit Edinger, Silke Schmidt, stellvertretende<br />

Leiterin des Stationären Hospizes Nordpfalz,<br />

Tanja Keller vom ambulanten Hospiz- und Palliativ-<br />

Beratungsdienst sowie Gastreferenten zu bestimmten<br />

Fachthemen. „Hier wurde ganz normal über den Tod und<br />

das Sterben gesprochen“, so Marc Becker. Folglich habe<br />

er auch immer mehr Interesse daran gehabt, sich aktiv<br />

einzubringen. „Ich konnte es noch nie verstehen, dass<br />

so wenig oder gar nicht über den Tod gesprochen wird.<br />

Er gehört doch ganz natürlich zum Leben dazu.“ Im<br />

Rahmen der Weiterbildungsseminare war es nicht nur<br />

das Referentenwissen, das der junge Ramsener aufsog<br />

wie ein Schwamm, sondern auch der Austausch mit den<br />

anderen Lehrgangsteilnehmern. Einmal im Monat<br />

Aktionsprojekt „Hospiz macht Schule“<br />

Bei „Hospiz macht Schule“ handelt es sich um eine Projektwoche an Grundschulen.<br />

Sie wird durchgeführt von zuvor befähigten und ehrenamtlich engagierten<br />

Menschen aus örtlichen Hospizgruppen in Kooperation mit den Grundschulen.<br />

Die Ehrenamtlichen werden im Rahmen der speziell für das Projekt entwickelten<br />

Ausbildungsstandards der Bundes-Hospiz-Akademie vorbereitet. <strong>Das</strong> Projekt richtet<br />

sich an Kinder der 3. und 4. Klasse. In der Projektwoche „Hospiz macht Schule“ gehen,<br />

wenn möglich, mindestens fünf oder sechs Ehrenamtliche einer Hospizbewegung<br />

für fünf Tage gemeinsam als Team in eine Schulklasse. Die Projektwoche hat jeden<br />

Tag der Woche einen neuen Themenschwerpunkt.<br />

1. Tag: Werden und Vergehen − Wandlungserfahrungen<br />

2. Tag: Krankheit und Leid<br />

3. Tag: Sterben und Tod<br />

4. Tag: Vom Traurigsein<br />

5. Tag: Trost und Trösten<br />

Durch die Anzahl von fünf Ehrenamtlichen in einer Klasse ist gewährleistet, dass<br />

die Kinder in den Kleingruppen ausreichend zu Wort kommen und ihre Fragen in<br />

diesem geschützten Rahmen stellen können. Es geht grundsätzlich auch darum, zu<br />

vermitteln, dass Leben und Sterben untrennbar miteinander verbunden sind. Die<br />

Themenschwerpunkte werden den Grundschülern sach- und altersangemessen mit<br />

Geschichten, Bilderbüchern und Filmausschnitten nahegebracht. Die Auseinandersetzung<br />

damit erfolgt in Kleingruppen. Es entstehen zum Beispiel Collagen.<br />

Pantomimisch werden eigene Gefühle bei Krankheit dargestellt. Fantasiereisen,<br />

Meditationen sowie der Umgang mit Farben und Musik ergänzen das konkrete<br />

Handeln der Kinder. Die Kinder lernen darüber hinaus auch Jenseits-Vorstellungen<br />

anderer Religionen kennen.<br />

„Hospiz macht Schule“ wurde 2006 von einer Arbeitsgruppe entwickelt und seit 2008<br />

von der Bundes-Hospiz-Akademie bundesweit multipliziert, fortentwickelt und über<br />

einen speziellen Befähigungskurs an ehrenamtliche Hospizhelfer weitergegeben.<br />

50 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Hospiz<br />

Marc Becker privat<br />

Marc Beckers Schwerpunkt beim Studium sind alte Menschen und Menschen mit Beeinträchtigung.<br />

Es gibt ihm persönlich sehr viel, alte Menschen, die Hilfe benötigen, zu unterstützen. Sein Fachabitur hat<br />

Marc Becker an der IGS in Enkenbach-Alsenborn gemacht. Danach absolvierte er ein Freiwilliges Soziales<br />

Jahr (FSJ). Nach seinem FSJ-Dienst im katholischen Kindergarten in Ramsen, startete er mit dem Studium<br />

der Sozialen Arbeit in Wiesbaden. Aktuell absolviert er Corona bedingt Online-Semester und wohnt<br />

wieder bei seinen Eltern in Ramsen. Auch der ehrenamtliche Einsatz im Stationären Hospiz Nordpfalz ist<br />

momentan nur bedingt möglich. „Es kommen auch wieder andere Zeiten“, sagt der junge Mann. „Sobald<br />

es möglich sein wird, bin ich auf jeden Fall wieder dabei.“ Marc Becker ist es<br />

gewohnt, mit fremden Menschen „Small Talk“ zu führen. So ist er zum Beispiel<br />

schon jahrelang im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)<br />

aktiv und begleitet FSJler in verschiedenen Kursen zu sozialpädagogischen<br />

Themen. Demnächst möchte er sich zum Rettungssanitäter ausbilden<br />

lassen. „<strong>Das</strong> könnte ich dann während des Studiums im Nebenjob machen,<br />

auch um Geld zu verdienen.“ Denn Marc Becker hat noch viele Träume;<br />

auch ein Auslandssemester im englischsprachigen Raum gehört dazu.<br />

Fußball ist in der Freizeit seine größte Leidenschaft; Freundin Sabrina<br />

natürlich nicht zu vergessen. Die Mannschaft „Leinigerland“ trainiert<br />

normalerweise zweimal in der Woche und hat an den Wochenenden<br />

Spiele. Dann kam Corona und mit dem Virus<br />

weitreichende Änderungen und Einschnitte<br />

für alle. „Ich spiele aber auch gern alle<br />

möglichen Gesellschaftsspiele“, berichtet<br />

der junge Mann. Und das lässt sich ja<br />

gerade in dieser Pandemie-Zeit hervorragend<br />

professionalisieren. Marc Becker hat<br />

eine 19-jährige Schwester, die Jura studiert.<br />

Marc Becker (7. von links, im blauen IKK-Trikot)<br />

spielt leidenschaftlich gern Fußball.<br />

treffen sich alle Hospiz-Ehrenamtlichen zu einer Art<br />

Stammtisch, um sich kennenzulernen, auszutauschen<br />

und Themen zu besprechen (Corona bedingt sind diese<br />

Treffen, wie natürlich auch die Schulungen, aktuell<br />

nicht möglich; Anm. der Red.). „Auch Supervision<br />

findet normalerweise regelmäßig statt“, berichtet<br />

Hospizleiterin Birgit Edinger. „<strong>Das</strong> ist wichtig, denn wir<br />

möchten die ehrenamtlich Tätigen mit ihren Eindrücken<br />

und Grenzerfahrungen nicht alleine lassen.“ Sobald es<br />

zu einer deutlichen Entspannung der Corona-Lage<br />

komme, würden Schulungen, Ehrenamtlichen-<br />

Stammtisch und Supervision wiederaufgenommen,<br />

so die Hospizleitung.<br />

Vertrauen und Ehrlichkeit<br />

Im Zuge seiner Ausbildung war Marc Becker auch einige<br />

Male im Stationären Hospiz in der Speyerstraße. So<br />

wie er erzählt, hat er sich den Gästen dort langsam<br />

angenähert. „Ganz wichtig sind Vertrauen und Ehrlichkeit.<br />

Man muss erst warm werden miteinander.“ Auch<br />

als „Anfänger“ sei ihm das sofort klar gewesen, so<br />

Marc Becker. Und so habe er sich im Haus einfach unter<br />

die Gäste gemischt. „Ich habe mit gefrühstückt oder zu<br />

Abend gegessen, habe mit den Menschen im Flur oder<br />

auf der Terrasse gesprochen oder auf den Zimmern mit<br />

ihnen zusammen Fernsehen geschaut.“ Es seien nur<br />

Kleinigkeiten gewesen, die den schwerkranken<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

51


Hospiz<br />

Was man über das Stationäre Hospiz wissen sollte!<br />

95 Prozent des vereinbarten Tagessatzes werden von den<br />

Kranken- und Pflegekassen getragen. 5 Prozent der Investitionskosten<br />

für den Bau müssen über Spenden generiert werden.<br />

Dies betrifft auch den Tagessatz (ebenfalls 5 Prozent) bei<br />

laufendem Betrieb und muss jährlich durch Spendenerlöse<br />

gedeckt werden. Ein privater Eigenanteil der schwerkranken Menschen, die stationär aufgenommen werden,<br />

entfällt. Achtung und Anerkennung der Würde des Menschen sowie die Sicherung der Lebensqualität, auch<br />

in der letzten Lebensphase, sind die Zielsetzungen des Hospizes.<br />

<strong>Das</strong> Stationäre Hospiz Nordpfalz im Stadtzentrum von Rockenhausen hat acht Plätze. Es ist das erste und<br />

einzige in der Nordpfalz. Jedes Zimmer hat aufgrund der ebenerdigen Lage eine geschützte und nicht<br />

einsehbare Terrasse, deren Größe es ermöglicht, die Betten bei Bedarf hinauszuschieben. Im Raum der Stille<br />

hat man die Möglichkeit zum Beten, zum Innehalten und zum Meditieren. <strong>Das</strong> Stationäre Hospiz war für<br />

Angehörige auch während der Corona-Pandemie geöffnet – natürlich unter den gegebenen Schutzmaßnahmen<br />

und Hygienevorschriften. „Ein Abschied vom Sterbenden muss unbedingt möglich sein. Dieser Kontakt<br />

darf nicht unterbunden werden“, beschreibt Hospizleiterin Birgit Edinger den hospizeigenen Weg im<br />

Umgang mit der Corona bedingt veränderten Situation.<br />

Menschen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hätten.<br />

„Da ist ganz viel Dankbarkeit zu spüren.“<br />

Birgit Edinger und Silke Schmidt bestätigen diese<br />

grenzenlose Dankbarkeit der Gäste im Hospiz, die ihren<br />

Tod vor Augen haben. „Gerade männliche Hospizbegleiter<br />

kommen gut an.“ <strong>Das</strong> sei mal etwas Anderes.<br />

„Da kommt meinerseits auch schon mal ein flotter<br />

Spruch, oder wir tauschen Fußballergebnisse aus“,<br />

lacht der junge Hospizbegleiter. „Alles ganz normal.<br />

Ein Hospiz ist kein dunkler und trauriger Ort.“ <strong>Das</strong> lerne<br />

man, wenn man ein Hospiz betrete. Im Gegenteil. Es<br />

sei beidseitig ein förderliches Erlebnis, und noch dazu<br />

könne man den hauptamtlichen Mitarbeitern ein<br />

wenig Arbeit abnehmen.<br />

Über das Stationäre Hospiz Nordpfalz in<br />

Rockenhausen ist schon viel geschrieben worden,<br />

unter anderem im Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 + 2, 2018, auf<br />

den Seiten 24 bis 33, im Zoar-<strong>Magazin</strong> 1/2019, auf<br />

den Seiten 60 bis 70, und im Zoar-<strong>Magazin</strong> 2/2019,<br />

auf den Seiten 10 bis 19.<br />

Weitere Informationen zur ehrenamtlichen Hospizarbeit<br />

gibt Hospizleiterin Birgit Edinger sehr gerne.<br />

Kontakt:<br />

Tel.: 06361/25407-0,<br />

E-Mail: birgit.edinger@zoar.de<br />

Alexandra Koch<br />

52 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Inklusion & Arbeit<br />

Wege auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

Christian Biffar: ein Teil<br />

der großen FCK-Familie<br />

Christian Biffar hat einen ganz besonderen Arbeitsplatz im<br />

Fritz-Walter-Stadion auf dem Betzenberg in Kaiserslautern. Mit<br />

Spielern, Trainern und dem gesamten Team ist er auf Du und<br />

Du. Mit ihnen hat er schon so manche Höhen und Tiefen erlebt.<br />

Für Christian Biffar ist es ein<br />

Traumjob, beim 1. FCK zu<br />

arbeiten, auch wenn dieser<br />

„nur“ in der 3. Liga spielt. Er lebt und<br />

liebt den Verein; so wie alle anderen,<br />

die dort arbeiten. Er hat das sogenannte<br />

FCK-Gen und die Leidenschaft<br />

für den Fußball im Blut. Bei<br />

seinem Arbeitgeber wird er in den<br />

höchsten Tönen gelobt und als vollwertiger<br />

Mitarbeiter anerkannt. Bei<br />

den „Roten Teufeln“ arbeitet Christian<br />

Biffar auf einem ausgelagerten<br />

Werkstatt-Arbeitsplatz – und das seit<br />

nunmehr über zwei Jahren; auch<br />

Corona machte ihm keine Angst. Er<br />

blieb dem 1. FCK nicht nur als Mitarbeiter<br />

treu, sondern auch als Fan.<br />

Jeder ist ein Teil des Ganzen<br />

Der 1. FC Kaiserslautern ist ein<br />

Traditionsverein mit vielen Höhen<br />

und Tiefen, wie so oft im Sport.<br />

Besonders <strong>2020</strong> ging es hoch her;<br />

vom Insolvenzantrag bis hin zum<br />

neuen Trainer. Am 15. Juni <strong>2020</strong><br />

hat die Geschäftsführung der<br />

1. FC Kaiserslautern GmbH & Co. KGaA<br />

(FCK KGaA) beim zuständigen Amtsgericht<br />

in Kaiserslautern Antrag auf<br />

Eröffnung eines Insolvenzverfahrens<br />

in Eigenverwaltung gestellt. „Ziel<br />

des Verfahrens ist es, zügig die<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

53


Inklusion & Arbeit<br />

<strong>Das</strong> Fritz-Walter-Stadion auf<br />

dem Betzenberg hat fünf<br />

Zugänge. Alle Wege, die auf<br />

dem Betriebsgelände<br />

zum Stadion führen,<br />

müssen sicher sein. Daher<br />

muss das Laub regelmäßig<br />

entfernt werden. Hier sehen<br />

wir Christian Biffar<br />

mit dem Laubsauger.<br />

Hinweis: Alle Fotos aus dem aktiven Praxisbetrieb<br />

wurden im Dezember 2019 aufgenommen.<br />

Christian Biffar in der Werkstatt<br />

des 1. FCK. Auch hier gibt es<br />

immer etwas zu tun. <strong>Das</strong> Foto<br />

zeigt ihn beim Anbringen<br />

einer Vorrichtung über der<br />

Werkbank. Der Umgang mit<br />

dem Akkuschrauber ist für den<br />

jungen Mann kein Problem.<br />

Zusammen mit Till Mohrbach arbeitet<br />

Christian Biffar auch in der Instandhaltung.<br />

Hier befinden sie sich in den Katakomben<br />

des Stadions, um ein Notlicht zu ersetzen.<br />

Manchmal muss auch etwas erklärt werden; wie hier zum Beispiel von Tobias Schmidt<br />

(rechts), Leiter Stadionbetrieb. Till Mohrbach (links) und Christian Biffar hören aufmerksam<br />

zu, damit sie bei den diversen Instandsetzungsarbeiten immer besser werden.<br />

Hier kontrolliert Christian Biffar die<br />

fest installierten Sitzplätze mit<br />

Sitzschalen aus Kunststoff in den<br />

verschiedenen Stadionblöcken.<br />

Es kommt häufig vor, dass<br />

Reparaturen gemacht werden<br />

müssen. Diese Arbeit gehört zu<br />

den Instandsetzungsaufgaben,<br />

wie zum Beispiel die<br />

Beleuchtungskontrolle.<br />

wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />

wiederherzustellen“, erklärte Soeren<br />

Oliver Voigt, Geschäftsführer der<br />

FCK KGaA. „<strong>Das</strong> Investoren-Interesse<br />

an der Marke FCK war und ist enorm,<br />

ebenso der Wille, diese Marke weiter<br />

zu entwickeln.“ Die Kraftanstrengung<br />

war erfolgreich. <strong>Das</strong> Insolvenzverfahren<br />

ist nunmehr vom Tisch. Auch<br />

Christian Biffar sieht den 1. FCK als<br />

sanierungswürdig. In der offiziellen<br />

Pressemitteilung steht: „Bei positiver<br />

Fortführungsprognose geht das<br />

Gericht davon aus, dass der FCK<br />

überwiegend wahrscheinlich in der<br />

Lage sein wird, künftig wieder<br />

Gewinne zu erwirtschaften und<br />

den Zahlungsverpflichtungen<br />

uneingeschränkt nachzukommen“.<br />

„Jeder in unserem Team trägt zum<br />

Erfolg auf dem Platz bei, nicht nur<br />

wenn er Fußball spielt und Tore<br />

schießt“, sagt Pressesprecher Stefan<br />

Roßkopf. „Unser Betrieb ist ein komplexes<br />

Gebilde.“ Die enge Bindung<br />

zum Verein schweißt zusammen.<br />

„Jeder ist an seinem speziellen Platz<br />

54 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Inklusion & Arbeit<br />

Christian Biffar als Fan, als Arbeitnehmer und privat<br />

Christian Biffar arbeitet beim 1. FCK auf einem ausgelagerten Werkstatt-<br />

Arbeitsplatz. Zuvor war er bei den Zoar-Werkstätten am Volkspark in<br />

Kaiserslautern in der Kleinteilemontage (KTM) beschäftigt. Ende 2019<br />

hat er bei der Fußball-GmbH einen einjährigen Vertrag unterschrieben.<br />

Am liebsten möchte er für immer dort arbeiten. <strong>Das</strong> ist sein Ziel.<br />

Zu tun gibt es auf jeden Fall genug, bestätigt Tobias Schmidt vom<br />

Stadionbetrieb. Von ihm erhält der 38-Jährige seine Arbeitsaufträge<br />

im und um das Stadion auf dem Betzenberg.<br />

Christian Biffar ist handwerklich begabt. Er ist offen und kommunikativ<br />

und durch diese Art schon mehrfach an verschiedenen Stellen positiv<br />

aufgefallen. „Er weiß sich aber auch zurückzuhalten, zum Beispiel, wenn<br />

wir vor oder während der Spiele alle extrem angespannt sind“, so der<br />

Tenor aus dem Kader. Es gehört zum eingespielten Ablauf, dass sich Spieler<br />

und Trainer bei Bedarf zurückziehen. Hier ist auch Fingerspitzengefühl<br />

gefragt. „Klar, muss man hier offen sein und auf jeden zugehen können,<br />

genauso aber muss man auch auf höfliche Art und Weise zurückhaltend<br />

sein können“, so Pressesprecher Stefan Roßkopf. Christian wisse das alles<br />

sehr gut einzuschätzen.<br />

Immer hoch motiviert und offen für Neues<br />

Christian Biffar spielt auch selbst gern Fußball und engagiert sich in<br />

der Zoar-Spielgemeinschaft, in der sich Spieler der Zoar-Standorte Alzey,<br />

Heidesheim und Kaiserslautern zusammenfinden. Rockenhausen hat am<br />

gleichnamigen Standort eine eigene Fußballmannschaft. Der Fußball-Fan<br />

nimmt seit Dezember 2019 außerdem an einer Weiterbildung zum „Fachhelfer<br />

Gartenpflege und Gebäudeservice (IHK)“ teil. Dieser Lehrgang wird<br />

von den Zoar-Werkstätten Heidesheim in Kooperation mit der Industrieund<br />

Handelskammer für Rheinhessen (IHK) angeboten. Es handelt sich<br />

dabei um ein neues, berufliches Qualifizierungsangebot, das die Zoar-<br />

Werkstätten Heidesheim gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer<br />

für Rheinhessen für Menschen mit Unterstützungsbedarf<br />

entwickelt haben. <strong>Das</strong> Praxis-Training umfasst 230 Unterrichtsstunden<br />

und dauert insgesamt etwa ein Jahr. In der Corona-Krise musste es<br />

zeitweise auf Eis gelegt werden; es wird aber weitergehen, so dass die<br />

Zertifikatsvergabe gewiss ist.<br />

Die berufliche Praxisbezogenheit erfolgt direkt im Job; bei Christian Biffar<br />

demnach bei der Arbeit im Stadionbetrieb des FCK. Dort arbeitet er, wie<br />

seine Lehrgangs-Kollegen in den anderen Betrieben, an vier Tagen in der<br />

Woche. Freitags nimmt er am Praxis-Training in Heidesheim teil. Corona<br />

bedingt wurde beim Berufsbildungs- und Integrationsservice (BIS) der<br />

Zoar-Werkstätten das „Virtuelle Klassenzimmer“ eingeführt – mit innovativen<br />

Lösungen über die Corona-Zeit hinaus. Am Lehrgangsende erhalten<br />

die erfolgreichen Absolventen ein bundesweit gültiges IHK-Zertifikat, das<br />

bescheinigt, welche konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten während des<br />

Qualifizierungslehrgangs erworben wurden.<br />

Gutes Verhältnis zum Chef:<br />

Christian Biffar (rechts) mit<br />

Tobias Schmidt, Leiter Stadionbetrieb<br />

mit seiner speziellen Aufgabe wichtig<br />

und ein Teil des Ganzen.“ So auch<br />

Christian Biffar. Seine Aufgaben beim<br />

FCK sind vielfältig. Was gehört alles<br />

dazu? Grünschnitt mit der Motorsense<br />

auf dem riesigen Außengelände,<br />

Pflege der Parkflächen, Entfernen<br />

von Unkraut, kleinere Reparaturen,<br />

Auf- und Abhängen der Vereinsfahnen,<br />

Aufstellen und Abbauen<br />

des Sichtschutzes zwischen den<br />

Fan-Blöcken, Reparaturen an den<br />

fest installierten Sitzplätzen mit<br />

Sitzschalen aus Kunststoff in den<br />

verschiedenen Stadionblöcken.<br />

Dies gehört schon zu den Instandsetzungsarbeiten,<br />

ebenso wie zum<br />

Beispiel die Beleuchtungskontrolle<br />

und das Beheben diverser Störungen.<br />

Sicherheit geht vor<br />

„Es werden Tickets erstellt, in denen<br />

die Störungen und Reparaturbedarfe<br />

notiert sind“, erklärt Tobias Schmidt,<br />

Leiter Stadionbetrieb. Und weiter:<br />

„Die Mitarbeiter im Bereich ‚Stadionbetrieb‘<br />

arbeiten diese ab. Jeden<br />

Montag findet im Stadion ein Sicherheitsrundgang<br />

auf der Suche nach<br />

Fehlern statt. Unser Sicherheitskonzept<br />

hat feste Positionen“. Auch die<br />

Flucht-Tore hat Christian Biffar<br />

schon allein überprüft, „nachdem er<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

55


Inklusion & Arbeit<br />

Der FCK – Ein Traditionsverein<br />

Der Verein wurde 1900 gegründet<br />

und ist auch Gründungsmitglied der<br />

1963 gegründeten Bundesliga. 2006<br />

zur Weltmeisterschaft wurde das<br />

Fritz-Walter-Stadion umgebaut.<br />

Jeder Spieltag im Stadion auf dem<br />

„Betze“ ist stressig – von der Corona-<br />

Zeit einmal abgesehen. Es tritt ein<br />

eingespielter Ablauf in Kraft, um<br />

den regulären Spielbetrieb zu gewährleisten.<br />

An Spieltagen arbeiten<br />

rund 400 Ordner rund ums Stadion.<br />

50.000 Zuschauer passen ins Fritz-<br />

Walter-Stadion. Die FCK-Familie<br />

hofft darauf, dass diese Vor-Corona-<br />

Zeit bald wieder beginnt.<br />

Jubiläumsjahr <strong>2020</strong>:<br />

Fritz Walter wäre 100 geworden<br />

Der FCK hat auch ein Museum.<br />

Dort wird die über hundertjährige<br />

Geschichte des Vereins gezeigt und<br />

bewahrt. <strong>Das</strong> Museum im Stadion<br />

zeigt die spannende Geschichte des<br />

Fußballs in Kaiserslautern. Von der<br />

Gründung des Vereins über die Zeiten,<br />

in denen Fritz Walter und seine<br />

Kameraden Geschichte schrieben,<br />

bis zu den Triumphen und Tragödien<br />

der vergangenen Jahrzehnte. Fritz<br />

Walter − sein Name ist ganz eng mit<br />

dem 1. FC Kaiserslautern verbunden.<br />

Der Ehrenspielführer der deutschen<br />

Nationalmannschaft und Kapitän<br />

der Weltmeisterelf von 1954 führte<br />

als Lenker und Denker der legendären<br />

„Walter-Elf” den FCK 1951 und 1953<br />

zur Deutschen Meisterschaft. Am<br />

31. Oktober <strong>2020</strong> wäre Fritz Walter<br />

100 Jahre alt geworden. An diesem<br />

Tag wurde ihm besonders ehrend<br />

gedacht.<br />

Neue Mannschaftsvorstellung am 27. Oktober <strong>2020</strong><br />

Jeff Saibene (rechts), Chef-Trainer seit Oktober <strong>2020</strong><br />

Co-Trainer: Ryszard Komornicki<br />

FCK-Spieltag am 1. September 2019:<br />

Blick in die Westkurve<br />

56 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Inklusion & Arbeit<br />

<strong>Das</strong> Wahrzeichen<br />

der „Roten Teufel“<br />

Stadion Ostansicht<br />

mehrfach intensiv eingewiesen<br />

wurde“, ergänzt Schmidt, zu dessen<br />

Abteilung sechs Mitarbeiter gehören,<br />

darunter Christian Biffar. Bezüglich<br />

des Grünschnitts teilt man sich die<br />

Arbeit mit dem „Green Keeper“ vom<br />

Golf-Club „Barbarossa“. In dieser<br />

Kooperation sind die Kosten geringer,<br />

„und außerdem bedarf der Rasen im<br />

Stadion der gleichen Pflege wie das<br />

Grün auf dem Golfplatz. „Daher<br />

haben die Platzwarte natürlich eine<br />

wichtige Aufgabe“, so Schmidt.<br />

Hoch motiviert und anerkannt<br />

„Christian ist jeden Tag top motiviert.<br />

Er hat immer gute Laune, ist höflich<br />

und zuvorkommend“, lobt ihn Tobias<br />

Schmidt, dem er direkt unterstellt ist.<br />

„Er hat eine gute Auffassungsgabe<br />

und kann auch allein und selbstständig<br />

seiner Arbeit nachgehen.“<br />

Christian Biffar steht dem 1. FCK<br />

ganz nahe, hofft und bangt, jubelt<br />

und feuert an. Zoar-Mitarbeiterin<br />

Sarah Linnebacher ist das Bindeglied<br />

zwischen Christian Biffars ausgelagertem<br />

Werkstatt-Arbeitsplatz und<br />

der Sozialkompetenz des Trägers<br />

Zoar. Wenn es Fragen seitens des FCK<br />

gibt, steht sie als Ansprechpartnerin<br />

zur Verfügung. Viel macht Christian<br />

Biffar aber auch selbst. Bei der Suche<br />

nach einem Praktikum engagierte er<br />

sich stark und fand es bei den „Roten<br />

Teufeln“ auf dem Betzenberg. Ein<br />

Traum ging in Erfüllung! Nun möchte<br />

er dort gar nicht mehr weg. Da passt<br />

es, dass er einen Jahresvertrag unterschreiben<br />

durfte. „<strong>Das</strong> hat mich sehr<br />

stolz gemacht“, schwärmt er und<br />

hofft schon jetzt auf eine Verlängerung.<br />

Christian Biffars Arbeit im<br />

Stadionbetrieb wird gewürdigt. Er ist<br />

Vollzeit beschäftigt und arbeitet dort<br />

auch, ohne zu klagen, an den angesetzten<br />

Wochenend-Spieltagen.<br />

Dafür gibt es in der Folgewoche<br />

einen Freizeitausgleich. „Jeder<br />

Spieltag im heimischen Stadion ist<br />

ein Highlight“, sagt der leidenschaftliche<br />

FCK-Fan. <strong>Das</strong> alles hat sich,<br />

wie wir wissen, in der Zeit der<br />

Corona-Pandemie, geändert. Großveranstaltungen<br />

dürfen nur zahlenmäßig<br />

eingeschränkt oder gar nicht<br />

Beeindruckende Choreographie<br />

in der Westkurve des<br />

Fritz-Walter-Stadions<br />

Ein gutes Kollegen-Team:<br />

(v.l.n.r.) Tobias Schmidt, Marco Christ,<br />

Christian Biffar, Till Mohrbach und Bernd Schmitt<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

57


Inklusion & Arbeit<br />

Christian Biffar: Wie hat er die Corona-Krise erlebt?<br />

Der junge Mann muss immer etwas zu tun haben und ist am liebsten<br />

aktiv. Daher fiel es ihm auch entsprechend schwer, während der<br />

„Lockdowns“ nicht zu arbeiten. „Ich habe mir dann aber klargemacht,<br />

dass es besser ist, sich und andere zu schützen“, beschreibt er diese<br />

schwere Situation. Als es die ersten Lockerungen im Frühsommer gab,<br />

war Christian Biffar voller Bewegungsdrang und wollte unbedingt<br />

etwas tun. Man einigte sich darauf, dass er die Außenanlagen der<br />

Zoar-Einrichtungen „Am Volkspark“ pflegen kann. „Ich durfte sehr<br />

selbstständig arbeiten und habe dann noch die Müll-Entsorgung<br />

mit übernommen“, erzählt er. Weitere sechs Wochen später durfte er<br />

dann wieder auf den „Betze“ zu seinem Lieblingsverein und seinem<br />

Lieblingsarbeitgeber. Ihm fiel ein Stern von Herzen. Endlich! „Meine<br />

Arbeitsaufgaben hier habe ich ganz normal weitergeführt, wie vor<br />

Corona.“ Seitdem arbeitete Christian Biffar wieder Vollzeit für den<br />

FCK, bis er dann im November wieder in den beruflichen „Lockdown“<br />

gehen musste.<br />

stattfinden – und so blieben auch die<br />

Fußballstadien vorerst leer oder nur<br />

zur Hälfte gefüllt.<br />

Eingeschworene FCK-Familie<br />

„Seine hohe Motivation schlägt sich<br />

in seiner Arbeit nieder,“ lobt Stefan<br />

Roßkopf, der als Pressesprecher den<br />

Bereich „Medien, Kommunikation<br />

und Fanangelegenheiten“ leitet,<br />

FCK-Mitarbeiter Christian Biffar.<br />

„Er weiß, wo er sich einbringen kann<br />

beziehungsweise einbringen sollte.<br />

Er sieht die Arbeit und muss nicht<br />

ständig darauf hingewiesen werden.“<br />

In der Geschäftsstelle beim Fritz-<br />

Walter-Stadion auf dem Betzenberg<br />

in Kaiserslautern arbeiten (bei<br />

normalem Betrieb) rund fünfzig<br />

Mitarbeiter. <strong>Das</strong> ist der Geschäftsstab,<br />

wozu auch der Bereich<br />

„Medien, Kommunikation und<br />

Fanangelegenheiten“ gehört. Pressesprecher<br />

Stefan Roßkopf ist dem<br />

1. FCK schon lange verbunden und<br />

arbeitet seit 17 Jahren für den Club.<br />

Christian Biffar hat sich schnell im<br />

Umfeld der eingeschworenen FCK-<br />

Familie zurechtgefunden; wahrscheinlich,<br />

weil er selbst ein ganz<br />

großer Fan ist. „Christian hat ganz<br />

schnell verstanden, wie es hier bei<br />

uns läuft. Er versteht sich mit allen<br />

gut und ist immer freundlich. Seine<br />

Aufgaben erfasst er schnell, fragt<br />

nicht lange und macht einfach“, so<br />

der allgemeine Tenor. Eine hohe<br />

soziale Kompetenz wird ihm von<br />

seinen Vorgesetzten sowie dem<br />

gesamten Team zugesprochen.<br />

„Wenn wir uns hier im Stadion über<br />

den Weg laufen, quatschen wir<br />

immer ein paar Worte. <strong>Das</strong> gehört<br />

bei uns ganz einfach dazu. Hier kennt<br />

jeder jeden und lässt andere teilhaben.<br />

Auf diese Weise sind wir zu<br />

einer großen Familie zusammengewachsen“,<br />

berichtet Roßkopf. „In<br />

diesem Verbund sind auch Probleme<br />

viel besser zu bewältigen.“<br />

Emotionaler Arbeitsplatz<br />

der besonderen Art<br />

„Wir bieten hier bei uns einen<br />

besonderen Arbeitsplatz und noch<br />

dazu hoch emotional. Ob wir<br />

gewinnen oder verlieren, in unserem<br />

Spielbetrieb geht es immer sehr<br />

Unterwegs auf dem Betriebsgelände<br />

mit dem Caddy; Christian Biffar liebt es.<br />

emotional zu. <strong>Das</strong> muss man mögen,<br />

sonst kann diese Verbindung nicht<br />

hergestellt werden“, sagt Stefan<br />

Roßkopf. Nur so sei es möglich,<br />

schwankende Stimmungen, auch<br />

wenn die Nerven mal blank liegen,<br />

richtig einzuschätzen und sich dem<br />

entsprechend anzupassen. „Ich gehe<br />

jeden Morgen gern zur Arbeit“,<br />

sagt Christian Biffar. „Es ist mein<br />

Lieblingsverein und mein Lieblingsstadion.“<br />

Der 1. FCK hat schon<br />

Erfolge gefeiert und dann wieder<br />

tiefe Täler durchschritten. „In<br />

schweren Zeiten lastet der Druck<br />

dreifach so hoch auf uns“, so der<br />

Pressesprecher. Umso größer die<br />

Freude, wenn es in guten Zeiten<br />

wieder rund läuft. Stefan Roßkopf<br />

und seine Mitstreiter haben schon<br />

alles erlebt. Erfolg und Niederlage<br />

liegen oft sehr nah beieinander.<br />

Aber egal, wie es läuft, ein richtiger<br />

FCK-Fan bleibt in jeder Situation ein<br />

Fan. „Fan ist man in guten und in<br />

schlechten Zeiten.“ Die Devise lautet:<br />

„<strong>Das</strong> war schon immer mein Verein<br />

und wird es auch bleiben“. Die<br />

Spieler sind für Christian Biffar<br />

echte Ikonen. „Ich erlebe hier im<br />

Arbeitsalltag das, was andere,<br />

wenn sie Glück haben, vielleicht im<br />

Preisausschreiben gewinnen.“<br />

Alexandra Koch<br />

58 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Wohnen & Assistenz<br />

Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB)<br />

Webinar zum Thema<br />

„Inklusives Wohnen – besser Wohnen“<br />

Der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe<br />

(BeB) hat kürzlich ein Webinar zum<br />

Thema „Inklusives Wohnen – besser Wohnen“<br />

veranstaltet. Genannt wird es daher „BeBinar“.<br />

Hier haben verschiedene Experten zu verschiedenen<br />

Themen einen Vortrag gehalten.<br />

<strong>Das</strong> Evangelische Diakoniewerk Zoar hat am<br />

26.10.<strong>2020</strong> das Wohnangebot „Wohnen am<br />

Ebertpark“, Ludwigshafen, als gutes Beispiel<br />

vorgestellt. Wie Partizipation hilft, inklusiven<br />

Wohnraum mit Leben zu füllen, war das Thema.<br />

Der Vortrag wurde von Nadja Bier, Regionalleitung<br />

West- und Vorderpfalz, gehalten.<br />

<strong>Das</strong> Webinar, also das Online-Seminar im Web,<br />

fand über „Zoom“ statt. „Zoom“ ist ein virtueller<br />

Video-Konferenzraum, in dem man sich<br />

online zu einer bestimmten Zeit trifft. Die teilnehmenden<br />

Menschen sehen und hören sich. Man kann sich<br />

also gut mit vielen anderen Menschen austauschen.<br />

Es können auch Präsentationen und Videos gezeigt<br />

werden. „Zoom“ ermöglicht, sich zu treffen und<br />

auszutauschen, ohne dass die Teilnehmer an einem Ort,<br />

in einem Raum sind. Die Akteure vor Ort in Ludwigshafen<br />

saßen dabei im großzügigen Café „MittenDrin“.<br />

Sie hielten den notwendigen Abstand zueinander und<br />

hatten ihren Mund-Nasen-Schutz auf, wenn sie nicht<br />

sprachen. So konnte trotz der Corona-Einschränkungen<br />

ein tolles Seminar gestaltet werden. Für den reibungslosen<br />

Ablauf der Schalte vor Ort sorgte Anatoli Peplauf,<br />

der „PIKSL“-Projektkoordinator, der auch die Videos für<br />

das „BeBinar“ gedreht hat.<br />

Dem Team um Nadja Bier, Regionalleitung West- und<br />

Vorderpfalz, ging es darum, am Beispiel des Wohnens<br />

Gleich zu Beginn des „BeBinars“ wurde Partizipation noch<br />

einmal erklärt.<br />

in Ludwigshafen zu zeigen, wie Teilhabe gelebt wird und<br />

was Mitbestimmung für die Menschen bedeutet, die<br />

dort wohnen und arbeiten. Nadja Bier bekam Unterstützung<br />

von Anja Seepe, Leitung „WIR gestalten ZUKUNFT“,<br />

Björn Schmitt, Hausleiter „Wohnen am Ebertpark“,<br />

Angela Neuhard, Hauswirtschaftsleitung „Wohnen am<br />

Ebertpark“ und Silke Wolff, Mieterin im Haus „Wohnen<br />

am Ebertpark“ in Ludwigshafen.<br />

Beschreibung einer Entwicklung<br />

Die Teilnehmer des Webinars erfuhren von diesen<br />

Experten, was für sie persönlich Teilhabe ausmacht und<br />

was das Besondere daran im Wohnangebot in Ludwigshafen<br />

ist. Anja Seepe berichtete in diesem Zusammenhang,<br />

welche Rolle „WIR gestalten ZUKUNFT“ für die<br />

Wohnangebote spielt und wie durch die Umsetzung des<br />

Zoar-Aktionsplans mehr Teilhabe bei Zoar erreicht wird.<br />

Silke Wolff erklärte aus ihrer Sicht, welche Entwicklung<br />

sie im „Wohnen am Ebertpark“ durchlaufen hat. Sie<br />

wurde zuerst Mieterin in der besonderen Wohnform und<br />

erhielt dort die nötige Assistenz der Mitarbeiter, die sie<br />

brauchte, um drei Jahre später in ein frei gemietetes<br />

Appartement im Haus umzuziehen, in dem sie seither<br />

lebt. Während ihres Beitrags war im Hintergrund eines<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

59


Wohnen & Assistenz<br />

ihrer Kunstwerke an der Wand zu sehen. <strong>Das</strong> hatte nach<br />

dem „BeBinar“ zur erfreulichen Folge, dass sich eine<br />

Interessentin dafür meldete.<br />

Kurz-Videos geben Einblicke<br />

In Kurz-Videos wurden verschiedene Bereiche gezeigt,<br />

die das Leben im „Wohnen am Ebertpark“ in Ludwigshafen<br />

ganz besonders machen. Es wurde ein Video zum<br />

Thema Mitkochen gezeigt, bei dem man sehen kann, wie<br />

die Essensplanung, das Einkaufen und Zubereiten des<br />

Essens gemeinsam in der Wohngruppe stattfinden.<br />

Hierzu sagte Angela Neuhard im Interview: „Partizipation<br />

fängt bei uns, auch im hauswirtschaft-lichen<br />

Bereich, schon vor dem Einzug an und zieht sich weiter<br />

durch alle Bereiche. Ob es das Zimmer ist, das nach<br />

eigenen Wünschen möbliert und gestaltet werden kann,<br />

Vorlieben/Abneigungen beim Essen, die erfragt und<br />

berücksichtigt werden oder auch die Wäsche, die<br />

selbstverständlich selbst gewaschen wird (oder auch<br />

mit Assistenz). Hier bei uns in Ludwigshafen sind es eben<br />

nicht die Wurst, der Käse, der Speiseplan, die sich alle<br />

acht Wochen wiederholen oder ein Zimmer, das wie<br />

jedes andere Zimmer aussehen muss. Hier kann jeder<br />

mitbestimmen, was auf den Tisch kommt. Zusammen<br />

einkaufen und kochen ist bei uns an der Tagesordnung.<br />

Hier soll jeder so leben und essen, wie er sich wohlfühlt.<br />

Hier is(s)t man daheim!“.<br />

Ein anderes Video zeigt, wie Hausleiter Björn Schmitt<br />

das Wohnhaus im Rahmen einer Hausbesichtigung<br />

präsentiert, wenn sich Menschen für ein Zimmer im<br />

Wohnangebot in Ludwigshafen interessieren. Björn<br />

Schmitt findet: „Aus meiner Sicht ist die Partizipation<br />

der einzelnen Bewohner unserer besonderen Wohnform<br />

bei Themen, die sie betreffen, wie zum Beispiel Teilnahme<br />

an Team-Gesprächen, Teilnahme an Bewerbungsgesprächen,<br />

gemeinsames Planen und Kochen der<br />

Speisen, ein wichtiges Instrument, um den Weg der<br />

Inklusion gehen zu können. Zudem sind individuelle<br />

Angebote und Vereinbarungen mit den Menschen<br />

wichtig, statt allgemeingültige Regeln für jeden gleich<br />

aufzustellen. Es ist wichtig, keine eigene Expertise über<br />

den Menschen zu erstellen, sondern diese gemeinsam<br />

zu erarbeiten“.<br />

Mitwirkung und Mitbestimmung<br />

Außerdem sahen die Teilnehmer des Webinars in einem<br />

weiteren Video wie Mieter, Mitarbeiter und Bewohner<br />

gemeinsam im Café „MittenDrin“ musizieren. Allerdings<br />

Team-Arbeit: (v.l.n.r.)<br />

Angela Neuhard,<br />

Björn Schmitt, Nadja Bier<br />

und Silke Wolff während<br />

der Übertragung<br />

Spannende Fragen gingen<br />

von Interessierten<br />

während des „BeBinars “<br />

per Chat ein.<br />

60 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Wohnen & Assistenz<br />

in dieser Zeit unter den allgemein geltenden Corona-<br />

Schutzmaßnahmen, wie Abstands- und Hygieneregeln.<br />

Zum Schluss konnten die Teilnehmer den Vortragenden<br />

Fragen stellen, die ausführlich von allen Beteiligten<br />

beantwortet wurden. Nadja Bier gab in diesem Rahmen<br />

eine ausführliche Zusammenfassung, die den Hauptgedanken<br />

der Idee von Partizipation und inklusivem<br />

Wohnraum wiedergibt: „Partizipation hilft, inklusiven<br />

Wohnraum mit Leben zu füllen, weil nur dann, wenn<br />

Menschen sich beteiligen und mitgestalten können und<br />

zu Dingen befragt werden, werden sie echte Teilhabe<br />

am Leben erfahren können“.<br />

Anatoli Peplauf unterstützt Nadja Bier bei der technischen<br />

Umsetzung der Übertragung. Im Hintergrund sind Angela<br />

Neuhard (links) und Silke Wolff zu sehen.<br />

Während des Webinars ist der Bildschirm der<br />

anderen Teilnehmer an der Wand zu sehen.<br />

Und weiter: „Wir möchten als Unternehmen innovativ,<br />

kundenorientiert und zukunftssicher sein. Dafür müssen<br />

unsere Angebote angenommen und gekauft werden.<br />

<strong>Das</strong> kann nur mit Partizipation gelingen. Denn nur die<br />

Menschen, die zukünftig in den neuen Wohnhäusern<br />

leben werden oder sollen, wissen, wie diese Wohnhäuser<br />

oder die Assistenzangebote sein müssen, damit sie ihnen<br />

gefallen. <strong>Das</strong> Bundesteilhabegesetz (siehe dazu<br />

auch den Bericht auf den Seiten 62 bis 75;<br />

Anm. d. Red.) und die UN-Behindertenrechtskonvention<br />

fordern Beteiligung und<br />

Mitbestimmung und nur wer Angebote<br />

schafft, die von den Kunden angenommen<br />

werden, wird sicher in die Zukunft gehen.<br />

Deshalb ist Partizipation der Schlüssel zum<br />

Erfolg und wie man in Ludwigshafen sieht,<br />

auch der Schlüssel zur Zufriedenheit der dort<br />

wohnenden Menschen“.<br />

Silke Wolff: „BeBinar“-Teilnehmerin<br />

Silke Wolff schaute im Nachgang des Webinars mit<br />

Freude auf die Veranstaltung und deren Vorbereitung<br />

zurück. Sie findet es eine große Sache für Zoar, in<br />

einer Live-Schalte in die Öffentlichkeit zu gehen.<br />

Begeistert erinnert sie sich daran, dass sie beteiligt<br />

wurde, sich einen Text für ihren Beitrag überlegte und<br />

diesen auswendig lernte, um am Tag des Online-<br />

Seminars auch alles mitzuteilen, was ihr wichtig ist.<br />

Die Generalprobe verlief reibungslos, und am Tag der<br />

Übertragung bekam sie Applaus, was sie sehr freute.<br />

Begeistert war Silke Wolff auch davon, dass eine der<br />

Veranstalterinnen sich für ihre Kunstwerke interessierte.<br />

Vielleicht kommt es durch das „BeBinar“ zu einem<br />

Kunstverkauf für sie − oder sogar zu einer Ausstellung.<br />

Wir wünschen es ihr.<br />

Anja Seepe<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

61


BTHG<br />

Bundesteilhabegesetz (BTHG)<br />

Gesetzlicher Rahmen für einen Systembeziehungsweise<br />

Paradigmenwechsel<br />

Unter Berufung auf die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ist das<br />

Bundesteilhabegesetz (BTHG) erarbeitet und 2016 verabschiedet worden. Am 1.1.<strong>2020</strong> ist mit<br />

der dritten Reformstufe des BTHG die neue Eingliederungshilfe in Kraft getreten. Mit ihr sollen<br />

die gesellschaftliche Entwicklung und die moderne Gesetzgebung in Bezug auf<br />

behinderte Menschen auch die Menschen erreichen, die für die Verwirklichung<br />

von Teilhabe und Selbstbestimmung auf institutionalisierte Unterstützung<br />

angewiesen sind. Damit verbunden sind grundlegende Änderungen bei den<br />

Leistungsansprüchen, beispielsweise durch die Trennung von Fachleistungen<br />

und existenzsichernden Leistungen.<br />

Grundsätzlich geht es um<br />

die Neuordnung der<br />

Eingliederungshilfe und<br />

die damit verbundene wünschenswerte<br />

Entwicklung der Inklusion.<br />

Hierbei geht es um nichts weniger als<br />

einen System- beziehungsweise Paradigmenwechsel.<br />

Leistungen<br />

für Menschen, die aufgrund einer<br />

Beeinträchtigung nur eingeschränkte<br />

Möglichkeiten haben, sollen aus dem<br />

bisherigen Fürsorgesystem herausgeführt<br />

und die Eingliederungshilfe<br />

zu einem modernen Teilhaberecht<br />

weiterentwickelt werden. Im Laufe<br />

der stufenweisen Einführung des<br />

BTHG haben wir im Zoar-<strong>Magazin</strong><br />

schon mehrfach darüber berichtet;<br />

und zwar in den Exemplaren 3,4/2017,<br />

1/2019 sowie 2/2019. Dieser Bericht<br />

ist somit der vierte zum Thema<br />

„BTHG“. 2023 soll Reformstufe vier<br />

erreicht sein. Diese letzte Reformstufe<br />

wird abschließend auch noch<br />

den leistungsberechtigten Personenkreis<br />

neu definieren.<br />

Reformen sind das Ziel<br />

Denkmuster und Sonderwelten<br />

fallen zugunsten einer neuen<br />

Betrachtungsweise weg. Menschen<br />

mit Beeinträchtigung sind die<br />

Kunden der Sozialunternehmen,<br />

wie zum Beispiel Zoar. In Zukunft<br />

werden sie viel stärker als früher als<br />

Auftraggeber gesehen, für die<br />

passende und speziell auf ihre Person<br />

bezogene Angebote entwickelt<br />

werden. Selbstbestimmung heißt<br />

auch Wahlfreiheit. Dieser Einfachklausel<br />

sollte sich jeder soziale<br />

Dienstleister bewusst sein. Um den<br />

Verlauf des BTHG mit den wichtigen<br />

Reformzielen zu verstehen, müssen<br />

die verschiedenen Seiten betrachtet<br />

werden: Leistungsträger (Städte<br />

und Kommunen, Rentenkassen,<br />

Agentur für Arbeit), Leistungserbringer<br />

(wie zum Beispiel Zoar)<br />

und Leistungsberechtigte (Menschen<br />

mit Beeinträchtigungen).<br />

62 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


BTHG<br />

Wie es zum Beispiel Hans Michael<br />

Eberle, Leiter des Bereichs Teilhabe,<br />

Pflege und Senioren der Stadt<br />

Ludwigshafen, erklärt, ist eine<br />

Bilanzierung der Entwicklungsschritte<br />

bislang noch gar nicht<br />

möglich, „da wir uns noch mitten in<br />

der Umsetzung befinden“. Schließlich<br />

sei dieses Thema an Komplexität<br />

kaum zu überbieten. Der Begriff<br />

„Systemwechsel“ sei da durchaus<br />

angebracht. „Der Systemwechsel<br />

muss in den Köpfen aller beteiligten<br />

Menschen geschehen“, sagte<br />

Referatsleiter Hans Michael Eberle<br />

im Interview. „Gesetzliche Vorgaben<br />

können lediglich Rahmenbedingungen<br />

vorgeben.“<br />

Neue Eingliederungshilfe<br />

Die Vergütung durch Pauschalen<br />

sowie die Trennung zwischen<br />

ambulant, teilstationär und stationär<br />

gibt es seit diesem Jahr nicht mehr.<br />

Schwerpunkte des Wandels liegen<br />

vor allem in der Umsetzung von<br />

mehr Teilhabe; letztlich eine ganz<br />

selbstverständliche Teilhabe<br />

beeinträchtigter Menschen in den<br />

Bereichen Arbeit, Wohnen und<br />

Freizeit. Zum Selbstverständnis der<br />

neuen Eingliederungshilfe gehören<br />

Personenzentrierung, Umsetzung<br />

des Wunsch- und Wahlrechts (zum<br />

Beispiel Wohnform und -ort sowie<br />

passende Assistenz) und Mitwirkung<br />

und Mitbestimmung in Gremien.<br />

Unter diesem Fokus steht zum einen<br />

die Weiterentwicklung der Angebote<br />

der Werkstätten für Menschen mit<br />

Beeinträchtigung und zum anderen<br />

die Weiterentwicklung der Assistenzleistungen<br />

im Bereich Wohnen. <strong>Das</strong><br />

Ziel ist überall gleich: mehr Raum<br />

schaffen für Persönlichkeitsentwicklung<br />

und Eigenständigkeit.<br />

In diesem Zusammenhang startete<br />

im September 2017 das Projekt<br />

„WIR sind alle BUNT“, aus dem sich<br />

„WIR gestalten ZUKUNFT“ (Leitung:<br />

Anja Seepe; Anm. d. Red.) entwickelte,<br />

mit einem großen Kick-Off, in dessen<br />

Rahmen Austausch und Begegnung<br />

stattfanden. In verschiedenen<br />

Arbeitsgruppen wurden die Kernthemen<br />

„Wie wollen wir wohnen“,<br />

„Wie wollen wir miteinander<br />

umgehen“, „Wie wollen wir arbeiten“<br />

und „Partnerschaft und Zweisamkeit“<br />

erarbeitet. Ziel war ein<br />

Aktionsplan, der im September 2019<br />

verabschiedet wurde. Dieser enthält<br />

sowohl Maßgaben zur Kommunikation,<br />

um eine Haltungsänderung<br />

deutlich zu machen als auch<br />

konkrete Maßnahmen zur Partizipation.<br />

Außerdem gibt der Aktionsplan<br />

konkrete Handlungsanweisungen für<br />

den respektvollen Umgang miteinander,<br />

so sollte zum Beispiel vor<br />

Betreten eines Zimmers angeklopft<br />

werden. Weil es hierbei um eine<br />

veränderte Haltung und einen<br />

Umgang auf Augenhöhe geht, ist<br />

das „WIR“-Projekt bei Zoar eng mit<br />

einer erfolgreichen Umsetzung des<br />

BTHG verknüpft.<br />

Decken sich Theorie und Wirklichkeit?<br />

In den Informationsveranstaltungen 2019 erhielten die Leistungsanbieter häufig die Rückmeldung von<br />

den Angehörigen sowie gesetzlichen Betreuern und Betroffenen, dass dieses neue System komplexer und<br />

komplizierter ist als das vorherige. Mehr Aufwand. So, wie es war, war es doch gut, so die Äußerung vieler.<br />

Wo ist unser Mehrwert durch das Bundesteilhabegesetz? Viele wünschten sich zwar schon lange einen<br />

individuelleren, personenzentrierten Ansatz, sind aber trotzdem der Meinung, dass das System dafür<br />

nicht in der Gänze hätte reformiert werden müssen.<br />

<strong>Das</strong> BTHG sieht auch vor, dass der Klient prozessbegleitend einbezogen wird. Zu Beginn steht der Beratungsprozess,<br />

dann die Bedarfsermittlung, dann werden Ziele formuliert, zum Beispiel „Ich möchte lernen mit<br />

dem Bus, mit dem Zug zu fahren“, „Ich möchte einmal die Woche einkaufen gehen“, „Ich möchte einen<br />

Putzplan erstellen“. Gemeinsam werden die Ziele festgelegt. Was sind Deine Ziele? Wo sind Deine<br />

Problemlagen? Wo stehst Du im Moment und welche Unterstützung brauchst Du, um Dein Ziel zu<br />

erreichen? Danach sollte sich die Unterstützung orientieren. Im nächsten Schritt wird überlegt, wer diese<br />

Unterstützung anbieten kann. Erst dann kommt der Leistungsanbieter ins Spiel. Die Leistung, die finanziert<br />

werden soll, ist nun festgelegt. Aus der Vielzahl von Leistungsanbietern wählt der behinderte Mensch mit<br />

Unterstützung des Trägers der Eingliederungshilfe einen Anbieter aus.<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

63


BTHG<br />

Interview mit Volker Conrad, Leiter der Abteilung „Soziale Hilfen“<br />

der Kreisverwaltung Mainz-Bingen, zum Thema „BTHG“<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Alexandra Koch.<br />

Ist die Umsetzung des BTHG gut oder weniger<br />

gut gelungen? Wie hat sich die Eingliederungshilfe<br />

seitdem verändert?<br />

Volker Conrad: <strong>Das</strong> Ganze ist ein Prozess. Es kann nicht<br />

die Erwartung sein, dass alle, also die Betroffenen, die<br />

Leistungsanbieter und die Träger der Eingliederungshilfe,<br />

das BTHG innerhalb eines Jahres umgesetzt haben. <strong>Das</strong><br />

ist ein noch nie dagewesener Systemumbruch in der<br />

Eingliederungshilfe. <strong>Das</strong> braucht Zeit. Wir kommen aus<br />

einer Ära, in der vor allem beim stationären Wohnen das<br />

Fürsorgeprinzip vorherrschend war, und jetzt möchte<br />

man genau in diesem Bereich mehr Selbstbestimmung.<br />

<strong>Das</strong> wird noch die ein oder andere kontroverse Diskussion<br />

mit sich bringen. Zur Selbstbestimmung gehört<br />

auch, zu akzeptieren, dass es keine Bewohner mehr gibt,<br />

sondern Mieter von Wohnraum und Menschen, die eine<br />

Dienstleistung zahlen. Daraus ergeben sich Standards,<br />

die auch mit Respekt und Haltung zu tun haben, zum<br />

Beispiel Anklopfen und vorher Bescheid geben, wenn<br />

Fenster geputzt oder Reparaturen durchgeführt werden,<br />

denn die Räume sind ja privat, also sollte man nur mit<br />

Einverständnis eintreten. Menschen mit Behinderung<br />

kommen auch in eine neue Rolle hinein. Dem ein oder<br />

anderen ist das offensichtlich noch gar nicht so bewusst.<br />

In diese neue Rolle müssen viele erst hinwachsen.<br />

Auch das ist ein Prozess. Menschen, die neu in dieses<br />

System kommen, das heißt erstmalig Leistungen<br />

beantragen, sind da wahrscheinlich offener. Da erleben<br />

wir auch ganz andere Vorstellungen und Haltungen,<br />

denn wir hören von diesen Menschen zum Beispiel:<br />

„Wir wollen nicht versorgt werden, sondern selbstbestimmt<br />

leben“. <strong>Das</strong> sind ganz andere Anforderungen<br />

an uns. Über die Gesamt- und Teilhabeplanung kann<br />

man den Systemwechsel dezidiert deutlich machen.<br />

Kommentare von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung,<br />

die bei Zoar arbeiten und/oder wohnen:<br />

Manfred Lamby; wohnt im Wichernhaus, Inkelthalerhof, Rockenhausen / er kann gut mit Zahlen<br />

umgehen und hat fast jeden Tag den Taschenrechner in der Hand. Warum? Weil er für seine<br />

Mitbewohner gern kleine Einkäufe übernimmt und dann auf den Cent genau abrechnen muss.<br />

Man nenn ihn auch den „wandelnden Einkaufsladen“. Manfred Lamby ist Haussprecher<br />

im Wichernhaus und Mitglied im Bewohnerbeirat.<br />

„Mit Geld umgehen zu können, ist wichtig. Jeder braucht Geld. Damit kauft man<br />

ein und erfüllt sich Wünsche. Auch die Miete muss davon bezahlt werden. <strong>Das</strong> ist<br />

ja jetzt anders geworden. So wissen wir wenigstens, was das Wohnen kostet. <strong>Das</strong><br />

ist gut. Jeder sollte das wissen. Wie das mit der EC-Karte und PIN-Nummer geht,<br />

habe ich einmal gezeigt bekommen. Seitdem mache ich es alleine. Ich habe schon<br />

lange ein eigenes Girokonto. Zu meinen Mitbewohnern habe ich einen guten Kontakt.<br />

Für einige von ihnen kaufe ich, wenn ich in der Stadt bin, mit ein. Was sie brauchen,<br />

schreiben sie mir vorher auf einen Zettel. Manchmal gebe ich auch Kredit. Da ich aber alles ganz<br />

genau aufschreibe, weiß ich immer, von wem ich noch Geld zu bekommen habe.“<br />

64 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


BTHG<br />

Ist der Systemwechsel zur Ablösung des Fürsorgesystems<br />

der Sozialhilfe hin zu mehr Selbstbestimmung<br />

in der Eingliederungshilfe gelungen?<br />

Volker Conrad: Ja. Er befindet sich jedoch noch in der<br />

Umsetzung. <strong>Das</strong> BTHG setzt genau an dem Punkt an,<br />

nämlich auf Augenhöhe mit Menschen mit Behinderung<br />

die Bedarfserhebung und -planung durchzuführen. Es ist<br />

das große Ziel, dass nicht über die Köpfe der Menschen<br />

mit Behinderung hinweg entschieden wird, sondern dass<br />

man sie ernst nimmt und fragt, was ihre Ziele, Wünsche<br />

und Vorstellungen sind. Wie möchtest Du leben? Mit<br />

wem möchtest Du leben? Wie möchtest Du arbeiten? Wie<br />

möchtest Du Deine Freizeit gestalten? Es ist ein guter<br />

Ansatz des BTHG, dass es bundesweit neutrale Beratungsinstanzen<br />

gibt, deren Aufgabe es ist, Menschen mit<br />

Behinderung zu beraten; das sind hier in der Region zum<br />

Beispiel das ‚ZSL‘, Mainz, und ‚Rhein-Main inklusiv‘.<br />

Dortige Mitarbeiter haben oft selbst eine Beeinträchtigung.<br />

Die Devise lautet, Betroffene unterstützen Betroffene,<br />

beraten vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen<br />

und unterstützen bei der Beantragung von Leistungen.<br />

Die persönliche Einbindung ist ein ganz wichtiger Aspekt.<br />

Die sachgerechte Umsetzung dieses Ziels erfordert<br />

personelle Ressourcen. Es wird wesentlich individueller,<br />

aber auch zeitaufwendiger. Wenn Zoar zum Beispiel<br />

früher ein Geldbetrag als ‚All inclusive‘-Paket überwiesen<br />

wurde, ist es heute so, dass Zoar einen Teil überwiesen<br />

bekommt und der Mensch mit Behinderung ebenfalls,<br />

nämlich einen sehr individuellen Grundsicherungsbetrag,<br />

der ständig überprüft werden muss, weil sich unter<br />

anderem Rentenbeiträge und Regelsätze ändern und<br />

Mieten anpassen. <strong>Das</strong>, was im ambulanten Bereich,<br />

schon lange normal ist, trifft jetzt eine große Personengruppe,<br />

die in stationären Wohnformen lebt und bisher<br />

immer anders behandelt wurde. Sie bekamen zum<br />

Beispiel ein wöchentliches ‚Taschengeld‘ zur besseren<br />

Einteilung der Finanzen.<br />

Mitwirkung und Mitbestimmung von Menschen mit<br />

Beeinträchtigung sind wichtige Begriffe in diesem<br />

Zusammenhang. Hat sich Teilhabe in beruflicher<br />

und gesellschaftlicher Hinsicht verändert?<br />

Volker Conrad: <strong>Das</strong> BTHG birgt eine Riesen-Chance,<br />

gerade für Menschen mit hohen Unterstützungsbedarfen,<br />

wo man bislang immer gesagt hat: „Weil Dein<br />

Unterstützungsbedarf so hoch ist, solltest Du im Heim<br />

wohnen“. Mit der besonderen Wohnform wird jetzt alles<br />

viel transparenter. Was bezahlt jemand an Miete?<br />

Michael Zimmermann; wohnt im Bodelschwinghhaus 1, Inkelthalerhof,<br />

Rockenhausen / er malt sehr gerne (seine Bilder wurden in den verschiedenen<br />

Zoar-Publikationen schon mehrfach vorgestellt; Anm. d. Red.). Für die<br />

Malutensilien gibt er gern Geld aus. Trotzdem weiß er mit Geld umzugehen<br />

und schaut sich auch seine Kontoauszüge regelmäßig an. <strong>Das</strong> macht er schon<br />

immer so, obwohl er einen gesetzlichen Betreuer hat. Seiner Meinung nach,<br />

sollte man sich um die eigenen Sachen so gut es geht selbst kümmern. Daher<br />

findet er den Selbstbestimmungsgedanken des BTHG sehr gut.<br />

„Für mich hat sich bisher nicht viel geändert seit der Einführung vom BTHG. <strong>Das</strong> ist gut so,<br />

denn Veränderungen mag ich nicht so sehr. Seit der Änderung bleibt auf meinem Girokonto sogar<br />

mehr Geld hängen. Daher kann ich mich nicht beklagen. Seitdem ich die monatlichen Zu- und<br />

Abgänge von meinem Konto sehe, weiß ich erst, wie viel Geld das Wohnen kostet. <strong>Das</strong> Leben ist<br />

generell teuer. Jeder von uns muss mit seinem Geld haushalten können, besonders, wenn man sich<br />

auch noch private Wünsche erfüllen möchte. Ich zum Beispiel gehe gern essen, wenn wir das nach<br />

der Corona-Zeit hoffentlich bald wieder können, und kaufe mir auch gern mal neue Klamotten.<br />

Ich persönlich finde es gut, hier in dem geschützten Rahmen zu leben. Trotzdem mag ich es auch,<br />

mitzubestimmen und selbst aktiv zu werden.“<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

65


BTHG<br />

Wie hoch ist der Regelsatz? Was ist die Eingliederungshilfemaßnahme?<br />

Noch hapert es bei der personenzentrierten<br />

Finanzierung der Eingliederungshilfemaßnahme.<br />

<strong>Das</strong> sind langjährige Prozesse. Man kann nicht<br />

von heute auf morgen ein Finanzierungssystem in der<br />

Gänze umstellen. Wir sind bei der Umsetzung des BTHG<br />

noch sehr am Anfang, was ich aber auch gar nicht<br />

negativ sehe. Wir müssen jetzt erstmal den Schritt<br />

schaffen, Fachleistung und Existenzsicherung sauber zu<br />

trennen, um dann die Fachleistung personenzentriert<br />

auszurichten. Damit es Menschen, auch mit hohem<br />

Unterstützungsbedarf, möglich gemacht wird, bei Bedarf<br />

außerhalb von besonderen Wohnformen zu leben.<br />

In welcher Weise hat die Corona-Pandemie die<br />

Reformschritte verzögert oder gar ganz verhindert?<br />

Volker Conrad: Auf verschiedenen Ebenen ist das ein<br />

deutlicher Einschnitt. Wenn Bewohner verselbstständigt<br />

werden sollen, einkaufen zu gehen, dann hat Corona<br />

da sehr viel an guter Entwicklung zunichte gemacht.<br />

Denn da Menschen mit Behinderung zumeist zu den<br />

Risikogruppen zählen, sind sie zum eigenen Schutz<br />

im geschützten Rahmen verblieben, und es sind,<br />

um bei diesem Beispiel zu bleiben, andere für sie<br />

einkaufen gegangen.<br />

Mit Blick auf den BTHG-Umsetzungsprozess sind viele<br />

Besprechungen aufgrund der Corona-Pandemie ausgefallen.<br />

<strong>Das</strong> verlangsamt den Prozess momentan deutlich.<br />

Es ist aber auch richtig, dass wir verantwortungsvoll mit<br />

der Pandemie umgehen. Der Mensch mit Behinderung<br />

hat verschiedene Lebensbereiche: Arbeit, das wurde ihm<br />

verwehrt beim ersten ‚Lockdown‘, Wohnen in der<br />

besonderen Wohnform und die Herkunftsfamilie.<br />

Und wenn sich das von heute auf morgen auf einen<br />

Lebensbereich reduziert, ist das natürlich eine sehr<br />

massive Einschränkung und Belastung. Es waren<br />

politische Entscheidungen, die getroffen wurden und<br />

die der Pandemie-Lage geschuldet waren und sind.<br />

Hätte man diese Maßnahmen nicht ergriffen, wäre die<br />

Situation für uns alle noch viel kritischer gewesen. Es ist<br />

ein Abwägen. Was ist im Moment wichtiger? Da sind wir<br />

wieder beim Thema Fürsorge und der Spannung<br />

zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung. Corona<br />

geschuldet sind aktuell mehr die fürsorgenden Elemente<br />

in den Vordergrund gerückt. Wenn es dann einen Impf-<br />

Thomas Spintler; wohnt im Haus am Park, Zoar Heidesheim / er fühlt sich relativ<br />

fit und kann sich um vieles selbst kümmern. Gern gibt er auch mal Mitbewohnern<br />

Rat, Rentner zum Beispiel haben einen höheren Selbstbehalt, was dazu<br />

führt, dass ihnen monatlich etwas mehr Geld zur Verfügung steht. Andererseits<br />

hat er auch gern seine Ruhe und hält sich in seinem Zimmer auf. Während dem<br />

Corona-Lockdown haben Mitarbeiter für die Hausbewohner eingekauft. Zum<br />

Teil seien sie mit über dreißig Umschlägen mit Geld „losgezogen“. Thomas Spintler<br />

empfand Dankbarkeit dafür, obwohl er es eigentlich gewohnt ist, seine Wege selbst zu<br />

erledigen; eben auch, weil er so aktiv ist.<br />

„Ich finde, es war längst überfällig, uns mehr mitwirken und mitbestimmen zu lassen. Durch Corona ist<br />

vieles wieder verdrängt worden. Dinge haben sich verzögert oder liegen immer noch auf Eis. Rund um das<br />

BTHG gibt es eine Fülle an Informationen. Je nachdem, welche kognitive Einschränkung man hat, ist das<br />

alles mehr oder weniger gut zu verstehen. Jeder sollte in dem Rahmen, der ihm möglich ist und seinen<br />

Fähigkeiten entspricht, selbstbestimmt leben können. Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen<br />

Leben ist auf jeden Fall sehr wichtig. Ich selbst sehe mich nicht als ausgegrenzt.“<br />

66 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


BTHG<br />

stoff gibt und sich die Lage entspannt, muss man die<br />

BTHG-Umsetzung wieder mehr in den Fokus nehmen.<br />

Wenn man Menschen mit Beeinträchtigungen als<br />

Kunden für zu erbringende soziale Dienstleistungen<br />

sieht, ändert sich das Verhalten gegenüber diesen<br />

Menschen. Sehen Sie das auch so?<br />

Volker Conrad: Ganz klar, ja. Es sind Kunden für eine<br />

soziale Dienstleistung. Wichtig ist da die Transparenz.<br />

Was kostet der soziale Dienstleister? Was kostet die<br />

Fachleistung und welche Leistung wird genau erbracht?<br />

Welche Qualifikationen haben die Mitarbeiter des<br />

sozialen Dienstleisters? Der Mensch mit Behinderung ist<br />

nicht mehr Objekt, sondern er steuert den Prozess, wenn<br />

er einen anerkannten Bedarf hat, aktiv mit.<br />

Tatsache ist, dass die Eingliederungshilfe dem Träger<br />

der besonderen Wohnform bis zum 31.12.2019 einen<br />

Pauschalbetrag gezahlt hat. In diesem Pauschalbetrag<br />

waren Positionen wie Unterkunft und Verpflegung nicht<br />

sauber getrennt von der Fachleistung. Jetzt müssen<br />

aufgrund des Systemwechsels diese Positionen<br />

auseinanderdividiert werden. Durch die Trennung der<br />

Leistungen wird erst richtig transparent, was wie viel<br />

kostet. Was kostet das Wohnen? Was kostet die Fachleistung?<br />

<strong>Das</strong> nächste wird sein, diese Fachleistungen<br />

personenzentriert zu finanzieren. Da gibt es verschiedene<br />

Denkmodelle, wie das geschehen könnte. Klar ist jedoch,<br />

je personenzentrierter ich die Finanzierung gestalte,<br />

umso mehr kann der Verwaltungsaufwand für alle<br />

Beteiligten steigen. In den ambulanten Bereichen<br />

haben wir diese Finanzierungsstrukturen ja schon lange.<br />

Vorranging dreht es sich um die Bedarfserhebung und<br />

entsprechende Finanzierung. Es ist zwar zeit- und<br />

personalintensiv, birgt aber eine große Chance für<br />

mehr Teilhabe und Selbstbestimmung.<br />

Für den stationären Bereich und die Menschen, die<br />

dort wohnen, ist das eine neue Form, selbst zu<br />

bestimmen, zum Beispiel: Der Regelsatz kommt auf<br />

das private Konto und der Empfänger kann entscheiden,<br />

wie er ihn einsetzt. Wenn ihm das Essen nicht schmeckt,<br />

dann kann er selbstständig die Entscheidung treffen,<br />

woanders sein Essen zu sich zu nehmen. <strong>Das</strong> ist<br />

auch eine Form der Selbstbestimmung. Diese eigenständige<br />

Entscheidung möchten wir Menschen mit<br />

Kerstin Kessel; wohnt im Haus Rheinblick, Zoar Heidesheim / sie bekommt<br />

Grundsicherung und Blindenhilfe. Bis die Umstellung geklappt hat und<br />

das Geld nach Wochen endlich erstmals auf ihrem Konto eingegangen ist, war<br />

die Erleichterung groß. Denn seit dem 01.01.<strong>2020</strong> haben die Mieter ja auch monatliche<br />

Abzüge. Und um diese bezahlen zu können, müssen auch die Zugänge aufs Konto<br />

sichergestellt sein. Jetzt fühlt sich Kerstin Kessel wieder entspannter, zumal ihr die<br />

Blindenhilfe rückwirkend von Dezember 2019 ausgezahlt wurde. Die junge Frau führt<br />

ihre Bankgeschäfte über eine Handy-App online.<br />

„<strong>Das</strong>s so eine Systemumstellung viel Arbeit macht, verstehe ich ja.<br />

Trotzdem war es für mich ärgerlich und nervenaufreibend, denn<br />

irgendwann waren auch meine Rücklagen aufgebraucht. Trotz<br />

meiner Einschränkung versuche ich, aktiv zu sein. <strong>Das</strong> gelingt mir<br />

eigentlich auch. Natürlich war der Corona-Lockdown für uns alle ein<br />

Rückschritt. Aber es werden auch wieder bessere Zeiten kommen.“<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

67


BTHG<br />

Behinderung zutrauen; und sie erhalten ja die<br />

fachliche Unterstützung, genau bei diesem Punkt in<br />

eine Diskussion einzutreten.<br />

Welche Aufgabe im Zusammenhang mit dem BTHG<br />

beschäftigt Sie derzeit in Ihrer beruflichen Funktion<br />

besonders? Welche Herausforderungen müssen noch<br />

bewältigt werden?<br />

etwas an ihren gewohnten Abläufen zu ändern. Gerade<br />

da sind wir auf die Mitarbeit der Leistungserbringer<br />

angewiesen, diesen Prozess zu unterstützen und die<br />

Menschen genau an diesem Punkt zu ermutigen, sich<br />

mehr zuzutrauen. Prozesse der Verselbstständigung<br />

sollten aktiv unterstützt werden. <strong>Das</strong> Evangelische<br />

Diakoniewerk Zoar sehen wir in dieser Hinsicht als<br />

verlässlichen Kooperationspartner.<br />

Volker Conrad: Die größte Herausforderung wird sein,<br />

dass die Fachleistung personenzentriert ausgerichtet<br />

wird. <strong>Das</strong>s der individuelle Bedarf des Menschen auch<br />

finanziell dargestellt wird, weg von der pauschalen<br />

Finanzierung, hin zu einem Finanzierungssystem, das<br />

es berücksichtigt, dass es Menschen mit hohen und<br />

niedrigen Unterstützungsbedarfen gibt. So kann das<br />

System der besonderen Wohnformen durchlässiger<br />

gemacht werden.<br />

Die zweite Herausforderung ist, dass es uns weiterhin<br />

gelingt, Menschen mit Behinderung aktiv in die<br />

Teilhabeplanung einzubinden. Es gibt Menschen,<br />

bei denen das gut klappt; andere, die schon lange in<br />

Wohnheimen leben, können sich oft schwer vorstellen,<br />

Jörg Andreas Petersen; wohnt im Haus Rheinblick, Zoar Heidesheim / er war früher Busfahrer<br />

und befindet sich in Frührente. Er sagt, dass er sich mit seiner psychischen Krankheit<br />

arrangiert und sich sein Zustand stabilisiert hat. Gern würde Jörg Andreas Petersen auf<br />

einem ausgelagerten Arbeitsplatz, am liebsten in einer Buchhandlung, arbeiten. Allerdings<br />

weiß er auch, dass er aufgrund seiner Einschränkung nicht so belastbar ist. Daher würde<br />

er dort gern Teilzeit arbeiten. Er hofft auf die Zeit nach Corona und hält an seinem<br />

beruflichen Teilhabewunsch fest. In seiner Freizeit hört er gern Musik, zum Beispiel<br />

Jazz, Klassik und Christrock.<br />

„Ich bekomme Rente und Grundsicherung. Durch das BTHG und die damit verbundenen<br />

Umstellungen weiß ich jetzt, was Miete, Verpflegung und Assistenzleistungen kosten.<br />

Vieles ist transparenter geworden. <strong>Das</strong> finde ich gut. Denn so fühlt man sich viel mehr einbezogen.<br />

Es bringt nichts, wenn man zu überbehütet lebt, dann verlernt man die Alltagstauglichkeit.<br />

Als Ersatz für den Heimvertrag bekamen wir den Wohn- und Assistenzvertrag.<br />

Allein schon der Wechsel der Begrifflichkeiten ist ein großer Schritt. Ich fühle mich hier als<br />

Mieter. Wir alle sollten uns mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen.“<br />

68 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


BTHG<br />

Interview mit Hans Michael Eberle, Leiter des Bereichs Teilhabe,<br />

Pflege und Senioren der Stadt Ludwigshafen, zum Thema „BTHG“<br />

<strong>Das</strong> Interview führte Alexandra Koch.<br />

Ist die Umsetzung des BTHG gut oder weniger gut<br />

gelungen? Wie hat sich die Eingliederungshilfe<br />

seitdem verändert?<br />

Hans Michael Eberle: Um diese Frage beantworten zu<br />

können, müssen die verschiedenen Seiten betrachtet<br />

werden: Leistungsträger – Leistungserbringer –<br />

Leistungsberechtigter. Hier handelt es sich um das<br />

sozialrechtliche Dreiecksverhältnis. Wir als Leistungsträger,<br />

aus dessen Sicht ich spreche, sind noch mitten<br />

in der Umsetzung, die ja noch mindestens bis zum<br />

31.12.2022, dem Ende der Umsetzungsvereinbarung<br />

Rheinland-Pfalz, andauern wird. Zudem sind Dinge, wie<br />

die Sozialraumorientierung, die im SGB IX mehrmals<br />

vorgesehen ist, noch nicht umgesetzt. Wenn ich an die<br />

ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit,<br />

Behinderung und Gesundheit; Anm. d. Red.) orientierte<br />

Gesamtplanung denke, sind wir ebenfalls mitten in der<br />

Umsetzung. Daher kann meines Erachtens noch nicht<br />

davon gesprochen werden, ob die Umsetzung des<br />

BTHG gelungen ist.<br />

Ist der Systemwechsel zur Ablösung des Fürsorgesystems<br />

der Sozialhilfe hin zu mehr Selbstbestimmung<br />

in der Eingliederungshilfe gelungen?<br />

Hans Michael Eberle: Meines Erachtens kann ein<br />

Systemwechsel nicht durch gesetzliche Vorgaben<br />

beziehungsweise Veränderungen gelingen. Sie können<br />

lediglich einen Rahmen vorgeben. Ein Systemwechsel<br />

kann nur in den Köpfen aller beteiligten Menschen<br />

geschehen. Und davon sind wir, so meine Meinung,<br />

leider immer noch meilenweit entfernt. <strong>Das</strong> Wort<br />

‚Inklusion‘ möchte ich da gar nicht erst in den<br />

Mund nehmen.<br />

Ute Ganneck; wohnt im Haus am Park, Zoar Heidesheim / 2019 hat sie ein<br />

Praktikum in der Abteilung Kunst & Gewerbe gemacht. <strong>Das</strong> hat ihr zwar gut<br />

gefallen, war aber auch anstrengend für sie. Ute Ganneck braucht nach eigener<br />

Einschätzung den geschützten Rahmen mehr als manch anderer und ist daher<br />

froh, dass die Assistenzleistungen so personenzentriert sind. Zurzeit besucht sie<br />

die tagesstrukturierenden Maßnahmen am Zoar-Standort Heidesheim.<br />

„Ich wohne hier seit einem Jahr und fühle mich wohl, trotzdem würde ich aber auch gerne<br />

mal in eine anthroposophische Klinik gehen, weil ich denke, dass die dortige Therapie mir<br />

helfen würde. Ich habe multiple Einschränkungen und traue mir auch nicht so viel zu. <strong>Das</strong><br />

Thema ‚BTHG‘ ist komplex. Für mich ist es manchmal kompliziert. Wenn uns das Taschengeld<br />

wöchentlich bar ausgezahlt wird, ist das doch ok. Es war auf jeden Fall einfacher und<br />

nicht so umständlich.“<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

69


BTHG<br />

Gern möchte ich ein Beispiel nennen: Seit dem<br />

01.01.<strong>2020</strong> haben wir die Trennung der Fachleistungen<br />

von den existenzsichernden Leistungen. Diese Trennung<br />

wirkt sich vor allem bei den bisherigen Wohnheimen,<br />

also den jetzigen besonderen Wohnformen, aus. Gesetzlich<br />

im BTHG vorgesehen ist, dass die Fachleistung direkt<br />

vom Leistungsträger an den Leistungserbringer gezahlt<br />

wird. Die existenzsichernde Leistung sollte normalerweise<br />

an den leistungsberechtigten Menschen direkt gezahlt<br />

werden. Der zahlt dann die Miete selbst an den<br />

Vermieter, und der Regelsatz steht ihm für seinen täglichen<br />

Bedarf, also für Verpflegung, Strom, Kleidung und<br />

Freizeitgestaltung, zur Verfügung. So funktioniert es im<br />

besten Fall, und so ist es auch im BTHG gemeint.<br />

Allerdings gab und gibt es vielfältige Alltagsanpassungen<br />

und Verwässerungen des BTHG. <strong>Das</strong> ‚All inclusive‘-<br />

Angebot der Leistungserbringer hat eigentlich immer<br />

noch Bestand. Leistungserbringer haben Mietverträge<br />

gestaltet, mit denen die direkte Mietzahlung vom<br />

Leistungsträger an den Leistungserbringer vorgesehen<br />

ist. Diese haben darüber hinaus angeboten, dass die<br />

entsprechenden Anteile des Regelsatzes direkt an den<br />

Leistungserbringer gezahlt werden. Der Einfachheit<br />

halber haben sie zudem angeboten, dass die Barmittel<br />

gleich mit überwiesen werden. Und so haben wir unter<br />

dem Strich eine Situation wie vorher. Alle Leistungen<br />

werden direkt an den Leistungserbringer gezahlt, der<br />

dann wie bisher ‚Taschengeld‘ an den Leistungsberechtigten<br />

auszahlt.<br />

In welcher Weise hat die Corona-Pandemie die<br />

Reformschritte verzögert oder gar ganz verhindert?<br />

Hans Michael Eberle: Selbstverständlich hat die Corona-<br />

Pandemie zu Verzögerungen geführt. Auch mussten wir<br />

erleben, dass Menschen mit und ohne Behinderung in<br />

Pierre Leis; wohnt im Haus Rheinblick, Zoar Heidesheim / er wohnt seit Sommer <strong>2020</strong><br />

dort. Er erzählt, dass er 2001 psychisch krank wurde und sich auch einige Zeit in der<br />

Forensik aufhielt. Davor hat er in der IT-Branche gearbeitet. Da hofft er auch, wieder<br />

beruflich Fuß zu fassen. Momentan liegt Corona bedingt jedoch alles auf Eis. Pierre Leis<br />

macht das meiste allein. Er findet es gut, Eigenverantwortung zu tragen. Bei seinen<br />

Bewerbungen erhält er Assistenz, zum Beispiel, wenn es darum geht, Passfotos machen<br />

zu lassen oder das Anschreiben zu formulieren.<br />

„Seit dem 01.01.<strong>2020</strong> bekomme ich etwas mehr Geld als früher. Es bleibt zum Selbstbehalt einfach<br />

mehr übrig. Später möchte ich im Alltag auf jeden Fall wieder Fuß fassen. Hier wohne ich ein Jahr<br />

zur Probe. <strong>Das</strong> An- und Abmelden im Haus funktioniert mittlerweile gut. An die Hausordnung sollte<br />

sich am besten jeder halten. Dafür ist sie ja da. Ich bin es gewohnt, ein eigenes Konto zu haben. Für<br />

mich ist das nichts, was mir erklärt werden müsste. Während der Corona-Zeit ist der Zusammenhalt<br />

unter den Bewohnern im Haus noch größer geworden. Ich glaube, das ist in allen Häusern so.“<br />

Bei den Gesprächen mit dabei war Melanie Getto, Zoar-Mitarbeiterin am Standort Heidesheim.<br />

70 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


BTHG<br />

dieser Krise unterschiedlich behandelt wurden. Aber wir<br />

dürfen nicht vergessen, es diente dem Schutz dieser<br />

Menschen, von denen viele zur Risikogruppe gehören.<br />

Außerdem sind es Bund-Länder-Verordnungen, deren<br />

Sinnhaftigkeit man nicht anzweifeln sollte. Auch<br />

Vorwürfe sind hier fehl am Platz. Wenn ich mir überlege,<br />

was passiert wäre, wenn zum Beispiel in einer Werkstatt<br />

für Menschen mit Behinderung oder in einem Wohnheim<br />

Corona ausgebrochen wäre, Menschen erkrankt<br />

oder gestorben wären. Nicht auszudenken. Werkstätten<br />

sind in die Wertschöpfungskette eingebunden, wurden<br />

aber nicht wegen wegfallender Aufträge, sondern<br />

aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen gegenüber der<br />

Personengruppe geschlossen.<br />

Wenn man Menschen mit Beeinträchtigungen als Kunden<br />

für zu erbringende soziale Dienstleistungen sieht, ändert<br />

sich das Verhalten gegenüber diesen Menschen.<br />

Sehen Sie das auch so?<br />

Hans Michael Eberle: Im Bundessozialhilfegesetz hat<br />

man noch von Hilfesuchenden und Hilfeempfängern<br />

gesprochen. Dann kam zum 01.01.2005 das SGB XII<br />

und hat das Bundessozialhilfegesetz abgelöst. Darin<br />

wurde erstmals von nachfragenden Personen und<br />

Leistungsberechtigten gesprochen. <strong>Das</strong> SGB IX spricht<br />

auch heute nicht von Kunden. Im Gesetz ist mir diese<br />

Begrifflichkeit fremd.<br />

Hilfeempfänger – Leistungsberechtigter: Es kommt<br />

immer auf das Individuum an. Wie gehe ich mit den<br />

Menschen um? Wie verwende ich Sprache? Sehe ich<br />

einen Menschen, egal, ob er Grundsicherung oder<br />

Eingliederungshilfe beantragt, als Hilfesuchenden und<br />

Hilfeempfänger? Oder sehe ich ihn als einen Menschen<br />

an, der auf diese Leistung einen Anspruch hat. Im BTHG<br />

ist es sogar so geregelt, dass wir bei jedem Prozessschritt<br />

den Menschen mit Behinderung zu beteiligen haben.<br />

<strong>Das</strong> macht sehr viel Arbeit und ist daher personalintensiv.<br />

Ein Beispiel: Wir hatten bisher sechs Stellen fürs<br />

Fallmanagement Eingliederungshilfe; ab <strong>2020</strong> stehen<br />

mir dafür in diesem Bereich zwanzig Mitarbeiter zur<br />

Verfügung. Wir haben massiv Personal aufgestockt,<br />

um diesem gesetzlichen Auftrag, den Menschen mit<br />

Behinderung am Prozess zu beteiligen, nachzukommen.<br />

Wir setzen im Fallmanagement Mitarbeiter ein, die ein<br />

Studium der Sozialen Arbeit haben; außerdem erhalten<br />

sie berufsbegleitend eine 18-modulige zertifizierte<br />

Weiterbildung zum Fallmanager. Sie stehen im<br />

Frank Theobald, Hausleiter Falkhaus, Inkelthalerhof Rockenhausen<br />

„Wir merken, dass die Veränderung für manche schwer zu verstehen ist, weil<br />

es eben ganz lange anders war. Die Menschen wurden mehr betreut und Dinge<br />

wurden für sie entschieden. Heute stehen Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit<br />

im Mittelpunkt; auch unterstützt durch das BTHG. Trotzdem ist es für<br />

manche unserer langjährigen Bewohner zu viel. Sie können damit nicht umgehen.<br />

Sind hospitalisiert. Wir müssen das immer am jeweiligen Einzelfall sehen. Alles funktioniert<br />

eben sehr personenzentriert. Der mögliche Grad der Mitbestimmung und Mitwirkung hängt auch<br />

von den persönlichen Möglichkeiten ab und davon, in wie weit die Mieter dies überhaupt möchten.<br />

Manche ja, manche nein; bei denen erledigt die Bankgeschäfte dann der gesetzliche Betreuer, so wie<br />

die anderen Formalitäten auch.<br />

Bei einigen, die hier wohnen, bleibt finanziell mehr hängen als früher. <strong>Das</strong> ist gut. So wird zum Beispiel<br />

eventuelles Vermögen nicht mehr komplett für den Platz in der besonderen Wohnform angerechnet. Früher<br />

war das dann weg. Auch von der Rente bleibt mehr für den Einzelnen übrig. Auf der anderen Seite finde ich<br />

es auch gut, dass die Kosten für Miete, Verpflegung und Assistenz nun offen liegen. So weiß jeder, was das<br />

Leben kostet. Außerdem misst man Dingen, die etwas kosten, einen größeren Wert bei.“<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

71


BTHG<br />

unmittelbaren Kontakt zu den Leistungsberechtigten<br />

und schauen sich den betroffenen Menschen<br />

ganzheitlich an, auch in dessen Umfeld.<br />

Ein Miteinander auf Augenhöhe – zuhören, ernst<br />

nehmen, nicht über Köpfe hinweg entscheiden.<br />

Diese Wünsche äußerten viele Teilnehmer der Zoar-AGs<br />

zum Thema „WIR gestalten ZUKUNFT“. Sind Sie der<br />

Ansicht, dass das BTHG und seine Umsetzung in vier<br />

Reformstufen genau dort ansetzt? Ist es idealerweise<br />

so entworfen und geplant, dass es den Menschen<br />

in den Mittelpunkt stellt?<br />

Hans Michael Eberle: <strong>Das</strong> Bundesteilhabegesetz setzt<br />

genau dort an, denn es spricht zum Beispiel von Sozialraumorientierung.<br />

Was ist das? In Ludwigshafen haben<br />

wir mit Zoar und vier anderen Leistungserbringern eine<br />

Art Kooperation geschlossen, mit dem Ziel an einem<br />

Modellprojekt des Landes teilzunehmen. Wir möchten<br />

ein gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, was<br />

Sozialraumorientierung ist und auch so arbeiten.<br />

Der ‚Papst‘ der Sozialraumorientierung ist Professor<br />

Wolfgang Hinte. Er war schon einige Male hier in<br />

Ludwigshafen. Er begleitet uns zu diesem Thema.<br />

Außerdem sehen wir uns gut funktionierende<br />

Beispiele mit Vorbildcharakter an, zum Beispiel in<br />

Husum. Auch hier in Ludwigshafen soll ein Modellprojekt<br />

entstehen. Dafür müssen wir jedoch erst eine<br />

gemeinsame Sprache finden, denn oftmals gibt es<br />

verschiedene Vorstellungen, so auch zu den Begriffen<br />

‚Inklusion‘ und ‚Sozialraumorientierung‘.<br />

<strong>Das</strong> SGB IX stellt den Menschen in den Mittelpunkt.<br />

Der Mensch soll an allen Schritten im Rahmen der<br />

Gesamtplanung beteiligt werden. Umsetzung der<br />

Selbstbestimmung − wenn uns das gelingt, dann<br />

haben wir Inklusion. Selbstbestimmung des<br />

Jennifer Helt-Armbrüster, Zoar-Mitarbeiterin der Finanzbuchhaltung<br />

„<strong>Das</strong> BTHG in seiner Umsetzung ist aufwendig, vor allem im Bereich der Finanzbuchhaltung.<br />

Früher wurde eine Rechnung an den Kostenträger gestellt. Heute<br />

muss für alles separat eine Rechnung geschrieben werden. Die Rechnungsstellung<br />

hat sich vermehrt und verändert. Heute gehen Gelder ein, die man erst nach intensiver<br />

Recherche zuordnen kann. Die Zahlungseingänge kommen von vielen unterschiedlichen Stellen: von<br />

diversen Kostenträgern, aus privater Hand, von Rententrägern und vom Grundsicherungsamt. Früher<br />

waren die meisten eingehenden Beträge immer gleich und konnten einfach und schnell<br />

verbucht werden. Heute ist alles sehr diffizil geworden.<br />

Problematisch wird es auch aufgrund der dynamischen und nicht statischen Strukturen.<br />

Grundsicherungs- und Rentenbescheide zum Beispiel ändern sich aufgrund von Anpassungen<br />

regelmäßig, daher müssen sie in bestimmten Abständen alle händisch überprüft werden; und das<br />

bei uns für 570 Menschen mit Beeinträchtigung. <strong>Das</strong> muss sauber organisiert sein, sonst wird es<br />

chaotisch. Gerade für Menschen mit Beeinträchtigung sind klare Strukturen wichtig. So waren<br />

sie es gewohnt, und so waren auch die Geldzuflüsse und -abgänge ordentlich geregelt. Gut.<br />

Jede Veränderung bringt immer erst einmal Unruhe und Mehraufwand mit sich. <strong>Das</strong> ist normal.<br />

2019 gab es ja viele Informationsveranstaltung für die Betroffenen. Und die, die fit sind und fest<br />

im Leben stehen, schaffen das auch gut, wo sie vielleicht früher unterschätzt wurden.<br />

Alle sind gefordert.“<br />

72 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


BTHG<br />

Menschen mit Behinderung bedeutet, im Gesetz wird<br />

von Wunsch- und Wahlrecht gesprochen, dass der Wille<br />

des Menschen das Entscheidende ist und nicht das, was<br />

Leistungsträger und Leistungserbringer meinen, was für<br />

den Menschen aus professioneller Sicht gut wäre. Wenn<br />

wir den Willen des Menschen als Maß setzen und dies in<br />

der Gesamtgesellschaft so umsetzen, dann ist Inklusion<br />

gelungen. Dafür ist es unabdingbar, dass der Mensch mit<br />

Behinderung seinen Willen äußert. Was will er? <strong>Das</strong> muss<br />

er uns sagen.<br />

Welche Aufgabe im Zusammenhang mit dem<br />

BTHG beschäftigt Sie derzeit in Ihrer beruflichen<br />

Funktion besonders? Welche Herausforderungen<br />

müssen noch bewältigt werden?<br />

Hans Michael Eberle: Die Umsetzung des BTHG ist sehr<br />

personalintensiv. Es wird zunehmend zum Problem<br />

werden, an die entsprechenden Fachkräfte heranzukommen.<br />

Durch die Umsetzungsvereinbarung<br />

auf Landesebene, die besagt, dass es ein Basismodul<br />

und sieben Leistungsmodule geben wird,<br />

haben wir im zweiten Halbjahr 2022 noch einmal<br />

ähnlich Großes vor wie 2019/20. Wir hier in<br />

Ludwigshafen müssen dann erneut rund 1.300<br />

Fälle in die Hand nehmen, zur ICF (Internationale<br />

Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung<br />

und Gesundheit; Anm. d. Red.) basierten<br />

Bedarfsermittlung; daraus dann die Verknüpfung<br />

zur Finanzstruktur Eingliederungshilfe. Bis dahin<br />

sollten sich Land und Leistungserbringer über die<br />

neue Finanzstruktur einig geworden sein. Ich bin<br />

gespannt, wann wir als Leistungsträger in die<br />

Lage versetzt werden, das Ganze anzuwenden.<br />

Wobei wir wieder beim Punkt wären: <strong>Das</strong> Ganze<br />

ist ein Prozess.<br />

Alexandra Koch<br />

Statement von Kurt Philipp,<br />

Strategische Ausrichtung Eingliederungshilfe / Projektleitung BTHG<br />

„<strong>Das</strong> BTHG hat für viele Menschen Ansatzpunkte in Bezug auf mehr Selbstbestimmung<br />

vorgesehen. Vieles davon ist auf dem Weg, aber einige wünschenswerte Auswirkungen sind<br />

nur in Ansätzen wahrnehmbar. Bei den Leistungserbringern der besonderen Wohnformen<br />

ist die Verunsicherung über eine fehlende landesweite Vereinbarung bezüglich der<br />

Vorgehensweise und Umsetzung deutlich spürbar. Es gibt im Landesrahmenvertrag Punkte,<br />

die noch nicht einvernehmlich geklärt werden konnten, und auch fehlende Vereinbarungen<br />

zwischen den Mitwirkungsgremien, der Liga und dem Land als Träger der Eingliederungshilfe.<br />

Die gewollte zunehmende Individualität scheitert noch an fehlenden generellen Strukturen. Denn, um die<br />

Umsetzung dieser Individualität gewährleisten zu können, sind verlässliche Vereinbarungen beziehungsweise<br />

Spielregeln, die als Qualitätsstandard im Sinne der Partizipation und Selbstbestimmung zu sehen<br />

sind, erforderlich.<br />

Da die entsprechenden Instrumente und Strukturen diese Qualitätsstandards noch nicht gewährleisten<br />

können und ein wahrnehmbarer Sparwillen bei den Kommunen spürbar ist, hat dies auch Einfluss auf die<br />

Entwicklung der Umsetzung des BTHG. Zurzeit erfolgt die Umsetzung noch nach den jeweiligen Vorstellungen<br />

der einzelnen Kommunen, denn die klaren, landesweiten Regeln lassen auf sich warten. Die hier<br />

notwendigen Gespräche wurden mittlerweile wieder aufgenommen, ohne dass es bisher zu gemeinsamen<br />

Vereinbarungen kam. Deutlich wird jedoch, dass sich die positive Entwicklung des BTHG für die Menschen<br />

mit Beeinträchtigung nicht umkehren lässt und sie auch weiterhin in die richtige Richtung zu mehr<br />

Eigenverantwortlichkeit läuft. Für das Evangelische Diakoniewerk Zoar gilt es, den beschrittenen Weg<br />

weiter zu verfolgen und in den Lebensbereichen und Organisationsabläufen, in denen Partizipation und<br />

Selbstbestimmung noch nicht adäquat umgesetzt werden, die entsprechenden Veränderungen unter<br />

der Beteiligung aller vorzunehmen.“<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

73


BTHG<br />

Bundes-Teilhabe-Gesetz (BTHG)<br />

<strong>Das</strong> Bundes-Teilhabe-Gesetz gibt es seit 2016. Es wird in mehreren Reform-<br />

Stufen umgesetzt. Am 1.1.<strong>2020</strong> ist mit der dritten Reform-Stufe die neue<br />

Eingliederungs-Hilfe in Kraft getreten. Grund-legende Änderungen bei<br />

den Leistungs-Ansprüchen gehören dazu, zum Beispiel die Trennung von<br />

Fach-Leistung und existenz-sichernder Leistung.<br />

Die Eingliederungs-Hilfe wird neu geordnet. Die Inklusion wird verbessert.<br />

<strong>Das</strong> ist ein wichtiger System-Wechsel. Leistungen an Menschen mit<br />

Beeinträchtigung sollen aus dem bisherigen Fürsorge-System herausgeführt<br />

werden. So soll ein modernes Teilhabe-Recht entstehen. 2023<br />

soll Reform-Stufe vier erreicht sein. <strong>Das</strong> ist dann die letzte Reform-Stufe.<br />

Reformen sind das Ziel<br />

Menschen mit Beeinträchtigung sind die Kunden der Sozial-Unternehmen,<br />

wie zum Beispiel Zoar. Wir nennen sie auch Nutzer. Für sie werden<br />

passende und speziell auf ihre Person bezogene Angebote entwickelt.<br />

Selbst-Bestimmung heißt auch Wahl-Freiheit. Es gibt verschiedene<br />

Beteiligte: Leistungs-Träger (Städte und Kommunen, Renten-Kassen,<br />

Agentur für Arbeit), Leistungs-Erbringer (Zoar) und Leistungs-Berechtigte<br />

(Menschen mit Beeinträchtigung). Die Vergütung durch Pauschalen sowie<br />

die Trennung zwischen ambulant, teil-stationär und stationär gibt es nicht<br />

mehr. Schwer-Punkte liegen vor allem in der Umsetzung von mehr Teil-Habe.<br />

In diesem Zusammen-Hang startete im September 2017 das Projekt<br />

„WIR sind alle BUNT“, aus dem sich „WIR gestalten ZUKUNFT“, unter der<br />

Leitung von Anja Seepe, entwickelte. Ziel war ein Aktions-Plan, der im<br />

September 2019 verabschiedet wurde. Dieser enthält Maß-Gaben zur<br />

Kommunikation und Teil-Habe. Außerdem gibt der Aktions-Plan<br />

74 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


BTHG<br />

Handlungs-Anweisungen für den respekt-vollen Umgang miteinander,<br />

so sollte zum Beispiel vor Betreten eines Zimmers angeklopft werden.<br />

Weil es hierbei um eine veränderte Haltung und einen Umgang auf<br />

Augen-Höhe geht, ist das „WIR“-Projekt bei Zoar eng mit einer<br />

erfolgreichen BTHG-Umsetzung verbunden.<br />

Gespräche über das BTHG<br />

Zum Thema BTHG führte Zoar-Mitarbeiterin Alexandra Koch viele unterschiedliche<br />

Gespräche: mit Volker Conrad, Leiter der Abteilung „Soziale Hilfen“<br />

der Kreis-Verwaltung Mainz-Bingen, mit Hans Michael Eberle, Leiter des<br />

Bereichs Teil-Habe, Pflege und Senioren der Stadt Ludwigshafen, mit<br />

Manfred Lamby, Michael Zimmermann, Thomas Spintler, Kerstin Kessel,<br />

Ute Ganneck, Jörg Andreas Petersen und Pierre Leis sowie mit Frank Theobald<br />

und Jennifer Helt-Armbrüster. Kurt Philipp, strategische Ausrichtung<br />

Eingliederungs-Hilfe und Projekt-Leitung BTHG, gab einen Kommentar ab.<br />

Es wurden verschiedene Fragen gestellt. Alle antworteten mit ihrem<br />

speziellen Erfahrungs-Hintergrund. Wer möchte, kann die Antworten auf<br />

den Seiten 64 bis 73 nachlesen. Fragen können an die Zoar-Redaktion gestellt<br />

werden. Wir leiten sie gern weiter.<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

75


Ehrenamt & Engagement<br />

Monika Beyer: 2. Vorsitzende des Fördervereins Zoar<br />

Soziales Engagement als ein wichtiger<br />

Bestandteil des Lebens<br />

Der Beruf war für sie<br />

Berufung. Studiert hat sie<br />

Biologie, Geografie und<br />

Politik in Mainz – für Lehramt<br />

Gymnasium. Von Anfang an hatte<br />

Monika Beyer ihre speziellen Vorstellungen,<br />

vor allem, was ihre berufliche<br />

Zukunft betrifft. Sie wollte nicht<br />

einfach unterrichten: „Ich war zwar<br />

Gymnasiallehrerin, wollte aber nicht<br />

an einem Gymnasium arbeiten. Ich<br />

wollte Kinder aller gesellschaftlichen<br />

Schichten von der 5. Klasse bis zum<br />

Abitur unterrichten. <strong>Das</strong> war nur an<br />

den inzwischen neu gegründeten<br />

Integrierten Gesamtschulen<br />

möglich“, sagt Monika Beyer. Ihr<br />

Wunsch wurde erfüllt. Nach dem<br />

erfolgreich abgeschlossenen<br />

Studium war sie als Lehrerin an einer<br />

IGS (Integrierte Gesamtschule) in<br />

Wiesbaden und dann an einer IGS in<br />

Mainz tätig. Seit 2013 befindet sie<br />

sich im (Un)ruhestand. Auch diese<br />

Lebensphase hat sie, gemäß ihrer<br />

aktiven Lebensplanung, aktiv geplant<br />

und gestaltet und verbringt sie mit<br />

vielfältigem sozialem Engagement.<br />

Monika Beyer (72) aus Mainz ist<br />

verheiratet und hat eine erwachsene<br />

Tochter. 40 Jahre lang arbeitete<br />

Monika Beyer als Lehrerin.<br />

Vor dem Erlebnisbad „Rheinwelle“ in Gau-Algesheim<br />

bei Ingelheim: (v.l.n.r.) Martina Brühl, Monika Beyer<br />

und „Mister X“ mit Maske<br />

Für Monika Beyer war es immer<br />

wichtig, Menschen mit Beeinträchtigung<br />

in ihren speziellen Bedürfnissen<br />

personenzentriert zu unterstützen<br />

und für deren Rechte einzutreten.<br />

Schon während ihrer Schulzeit war<br />

sie sozial engagiert. „Ich habe zum<br />

Beispiel kinderreiche Familien und<br />

alleinstehende Mütter an zwei Nachmittagen<br />

die Woche unterstützt. <strong>Das</strong><br />

lief über den kirchlichen Dienst. Ich<br />

habe auch Nachhilfe gegeben und an<br />

den Wochenenden im Krankenhaus<br />

Patienten vorgelesen und Hilfsarbeiten<br />

in der Pflege verrichtet“,<br />

erzählt sie. Später während des<br />

Studiums war sie im Rahmen der<br />

Studentenbewegung engagiert; das<br />

schloss neben studentischer Selbstverwaltung<br />

politische Arbeit mit<br />

Jugendlichen über die Gewerkschaften<br />

ein. Soziales Handeln war<br />

und ist in ihrem Leben ein ganz<br />

wichtiger Aspekt.<br />

Ehrenamt bei Zoar, wie ist es?<br />

Schon seit langer Zeit hat sie regelmäßigen<br />

Kontakt zu Zoar-Einrichtungen<br />

in Heidesheim, was nicht<br />

weit von ihrem Zuhause entfernt ist.<br />

76 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Ehrenamt & Engagement<br />

Ihre Tochter wohnt im Haus „Rheinblick“<br />

auf dem Gelände des Zoar −<br />

Rheinhessischen Diakonie-Zentrums.<br />

„Die Mitarbeiter sind so liebevoll und<br />

so engagiert und haben so viel zu<br />

tun. Sie haben darüber hinaus so<br />

tolle Ideen, die sie aber nicht immer<br />

umsetzen können, da die Zeit fehlt.<br />

<strong>Das</strong> finde ich schade. Aus diesem<br />

Grund habe ich mir gedacht, die<br />

Mitarbeiter, wenn möglich, zu unterstützen“,<br />

sagt Beyer. So begann ihre<br />

ehrenamtliche Tätigkeit beim<br />

Evangelischen Diakoniewerk Zoar.<br />

In dieser Funktion ist sie nicht nur<br />

für ihre Tochter da, sondern für<br />

viele Bewohner.<br />

Monika Beyer ist ein Mensch, der<br />

zuhören kann und es auch tut. Wenn<br />

die Bewohner des Hauses „Rheinblick“<br />

sie sehen, freuen sie sich und<br />

kommen gern mit ihr ins Gespräch.<br />

Sie hat ein offenes Ohr für alles und<br />

jeden. „Sehr interessant sind die<br />

Lebensgeschichten der Bewohner,<br />

ihre verborgenen Talente und ihre<br />

Lebenserfahrungen. Ich höre zu,<br />

wenn sie erzählen; zum Beispiel wie<br />

sie ihre Krankheit verarbeiten, oft<br />

mit fröhlicher Selbstironie.“ Mit<br />

einigen Bewohnern ergab sich unter<br />

anderem ein gemeinsames Kartenund<br />

Brettspiel, mit anderen ein<br />

längerer Spaziergang. Freundinnen<br />

ihrer Tochter hat sie zum Shoppen<br />

begleitet, Bücher auf Wunsch weitergegeben,<br />

einen Ausflug in den<br />

Rheingau organisiert und durchgeführt<br />

und vieles mehr.<br />

Aktivitäten, Bewegung<br />

und Ausflüge machen Spaß<br />

und tun gut<br />

Im Rahmen ihres ehrenamtlichen<br />

Engagements bei Zoar in Heidesheim<br />

bringt sie viel Abwechslung ins Leben<br />

der Bewohner. <strong>Das</strong> schafft sie auch<br />

durch die Organisation verschiedener<br />

Aktivitäten. Die meisten Ideen hat<br />

sie zusammen mit der Mutter einer<br />

anderen Bewohnerin ins Leben<br />

gerufen. Sie heißt Corina Hagedorn-<br />

Hähnel. „Bewegung und Ausflüge<br />

machen Spaß und tun gut.“ <strong>Das</strong><br />

dachten sich Corina Hagedorn-<br />

Hähnel und Monika Beyer und sind<br />

da einer Meinung. Von diesem<br />

Tandem gingen viele gute Ideen aus,<br />

die dann auch, leider nur zum Teil,<br />

umgesetzt wurden; zum Beispiel<br />

Kino-Besuche, Üben von Bus- und<br />

Bahnfahrten, Minigolf im sommerlichen<br />

Bad Kreuznach mit wunderbarem<br />

Picknick und vieles mehr.<br />

Leider kann Corina Hagedorn-Hähnel<br />

aus gesundheitlichen Gründen nicht<br />

mehr am Aktiv-Programm teilnehmen,<br />

aber das ist ja aktuell<br />

aufgrund der Corona-Krise ohnehin<br />

komplett gestrichen. „Ich bin Frau<br />

Hagedorn-Hähnel sehr dankbar für<br />

die zurückliegende Unterstützung<br />

und ihr Engagement.“<br />

Aktuell hat Monika Beyer auch<br />

andere Unterstützer. Dieses<br />

Engagement, das sie im Rahmen<br />

ihres Ehrenamts anbietet, wird von<br />

Bewohnern der Zoar-Einrichtungen<br />

sehr geschätzt. Auch bei zahlreichen<br />

Zoar-Veranstaltungen ist sie dabei,<br />

Vor der Corona-Krise − glücklich in gemeinsamer<br />

Runde: (v.l.n.r.) Heiko Reidenbach, Monika Beyer,<br />

Susanna Salfelder und Sascha Heinze<br />

zum Beispiel beim Singen, organisiert<br />

vom Zoar-Besuchsdienstkreis in<br />

Heidesheim. <strong>Das</strong> gemeinsame Feiern<br />

im Advent, Sommerfeste, Fastnachtssitzungen,<br />

aber auch inhaltsreiche<br />

Arbeit in fachlichen Workshops oder<br />

die glücklichen Gesichter im Rahmen<br />

der Schwimmbadbesuche beim<br />

Eintauchen ins Wasser – all das<br />

begeistert Monika Beyer immer<br />

wieder aufs Neue.<br />

Schwimmgruppe und Minigolf<br />

Eine Aktion, die vielen Teilnehmern<br />

große Freude bereitet, ist die sogenannte<br />

„Schwimmgruppe“;<br />

entstanden auf den speziellen<br />

Wunsch der Bewohner. Schnell<br />

fanden sich sechs „Wasserratten“,<br />

die nun einmal im Monat in das<br />

Erlebnisbad „Rheinwelle“ in Gau-<br />

Algesheim bei Ingelheim fahren.<br />

„Wir freuen uns, dass wir unterstützt<br />

werden, zum Beispiel vom Förderverein<br />

Zoar. Der Verein zahlt den<br />

Eintritt ins Schwimmbad und je ein<br />

Getränk“, erzählt die Ehrenamtliche.<br />

Inzwischen ist aus dem<br />

Schwimmbad-Besuch eine schöne<br />

Tradition geworden, mit teilweise<br />

wechselnden Teilnehmern. Nicht<br />

nur der Besuch des Schwimmbads<br />

kommt gut an, sondern auch Mini-<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

77


Ehrenamt & Engagement<br />

Was hat Corona verändert? Wie war das Leben in dieser Zeit?<br />

Wie geht es weiter?<br />

Der Ausbruch der Corona-Krise hat das Leben und den Alltag vieler Menschen<br />

verändert. Kaum etwas ist so geblieben, wie es war. So war es auch beim<br />

Evangelischen Diakoniewerk Zoar. Nicht leicht war diese Zeit für alle Bewohner.<br />

Auf einmal war alles anders. Es gab keine Veranstaltungen und Besuche<br />

mehr. <strong>Das</strong> war hart, auch für Monika Beyer. „Ich konnte die Zeit nicht mehr<br />

mit den Bewohnern verbringen. Ich habe sie alle sehr vermisst. Diese Zeit<br />

war für mich sehr traurig.“ Gerade deswegen wollte sie das Leben der<br />

Bewohner in dieser Zeit etwas schöner machen. Dank der Unterstützung<br />

des Fördervereins ist sie auf die tolle Idee gekommen, Eis an alle Bewohner<br />

zu verteilen. „Ich habe unsere Lebensmittelmärkte fast leer gekauft. <strong>Das</strong><br />

hat sich aber gelohnt. Die Bewohner haben sich sehr gefreut.“<br />

Vor allem in den letzten „Corona“-Monaten waren die Mitarbeiter in den<br />

Zoar-Wohnanlagen und Einrichtungen extrem gefordert: Werkstätten<br />

geschlossen, keine Besuche der Angehörigen, keine Ehrenamtlichen zur<br />

Unterstützung, Sorge um die eigene Gesundheit, stressige Vorsichtsmaßnahmen<br />

und Abstandsregelungen, immer wieder Erklärungen und der<br />

Aufbau einer völlig neuen Tagesstruktur für viele Bewohner. „Ich als Mutter<br />

und Betreuerin habe hier in Heidesheim die Erfahrung gemacht, dass diese<br />

Mammutaufgabe hervorragend gelungen ist. Unsere Tochter hat keine<br />

zusätzlichen Ängste, Mängel oder Einschränkungen empfunden. Sie wurde<br />

ja toll betreut und versorgt und hatte viel Abwechslung im Haus mit den<br />

anderen Bewohnern. Dazu konnten sie sich bei herrlichem Wetter in dem<br />

wunderschönen Park bewegen. Für dieses große Engagement, die zusätzliche<br />

Arbeit und kreativen Problemlösungen bin ich den Zoar-Mitarbeitern<br />

außerordentlich dankbar. In erster Linie sage ich das als Angehörige, aber<br />

auch im Namen des Fördervereins Zoar. Vielen herzlichen Dank!“<br />

Zwischenzeitlich wurden die Maßnahmen gelockert. <strong>Das</strong> sind gute Nachrichten.<br />

Alle hoffen, dass es so bleibt. Ehrenamtliche durften die Bewohner<br />

auf der Wiese vor dem Haus treffen, sich begegnen und austauschen, natürlich<br />

mit Mund- und Nasenschutz.<br />

Ab August durfte das Schwimmbad<br />

wieder besucht werden. Immer mehr<br />

Bewohner haben Interesse daran.<br />

Bewegung tut einfach gut und sorgt<br />

für Abwechslung. „Ich freue mich<br />

so sehr, dass das für viele Bewohner<br />

so etwas Besonderes ist und dass<br />

sie diese Aktionen voller Vorfreude<br />

herbeisehnen.“ Nach der Corona-<br />

Krise werden alle diese Aktivitäten<br />

wieder möglich sein.<br />

Monika Bayer<br />

golf. „Da das Schwimmbad während<br />

der Schulferien im Sommer oft stark<br />

besucht ist, hatten wir die Idee, mit<br />

der Gruppe mal eine andere sportliche<br />

Freizeitaktivität zu unternehmen.<br />

Da fiel uns Minigolf ein.<br />

Und so fuhren wir in den wunderschönen<br />

Oranienpark nach Bad<br />

Kreuznach“, erinnert sich Beyer. Bei<br />

den hohen Temperaturen im Juli des<br />

vergangenen Jahres boten die alten<br />

Bäume angenehmen Schatten und<br />

somit einen richtig guten Platz für<br />

ein gemütliches Picknick.<br />

Förderverein Zoar e.V.<br />

„In der hinzugewonnenen Freizeit<br />

nach meiner Pensionierung habe ich<br />

viel gelesen, in einem Chor gesungen<br />

und einige Kurse zur Betreuung<br />

gemacht, da unsere Tochter sich<br />

gewünscht hat, dass wir ihre gesetzlichen<br />

Betreuer sein sollten“, erzählt<br />

Monika Beyer. Seit dieser Zeit hat sie<br />

Zoar besser kennengelernt, und ist<br />

begeistert von der Arbeit dort. <strong>Das</strong><br />

Wort „Unterstützung“ bedeutet für<br />

sie sehr viel. Ihr Mann und sie hatten<br />

dann die Idee der Gründung eines<br />

Fördervereins; diese gaben sie weiter<br />

an den damaligen Zoar-Direktor<br />

Peter Kaiser und Regionalleiterin<br />

Monja Seckler-Classen. „Jede Schule<br />

hat einen Förderverein, Zoar damals<br />

nicht, nur in Alzey“, erinnert sich<br />

Monika Beyer. Dann war es irgendwann<br />

klar, dass für Zoar ein Förderverein<br />

gegründet werden soll. Gesagt,<br />

getan. Im März 2016 wurde ein Zoar<br />

übergreifender Förderverein mit<br />

Hauptsitz Rockenhausen gegründet.<br />

Erster Vorsitzender wurde Apotheker<br />

Ullrich Geib. Monika Beyer wurde<br />

zur zweiten Vorsitzenden gewählt.<br />

Mit diesem Amt war und ist sie<br />

sehr zufrieden. Die Zusammenarbeit<br />

zwischen ihr und Ullrich Geib<br />

funktioniert gut.<br />

Diana Aglamova<br />

78 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Wir stellen vor<br />

Der Inklusionator<br />

© Thomas Rothländer<br />

Teil 2 der Comic-Serie von Thomas Rothländer zeigt<br />

den Inklusionator erneut in Aktion. Es gibt viel zu<br />

tun, und der Inklusionator möchte am liebsten<br />

überall gleichzeitig sein. Aber klonen kann er sich nicht,<br />

zumindest noch nicht. Trotzdem ist er immer zur richtigen<br />

Zeit am richtigen Ort, zum Beispiel wie in dieser Geschichte,<br />

um dem König das Leben zu retten. Diese Kurzgeschichte<br />

schrieb Thomas Rothländer im Herbst 2019.<br />

Thomas Rothländer<br />

Der Inklusionator wurde von Thomas Rothländer erfunden<br />

und am PC „geschaffen“. Thomas Rothländer arbeitet in den<br />

Zoar-Werkstätten Kaiserslautern. „Sein“ Inklusionator agiert<br />

im Bild und ist einfach zu verstehen. Er hilft und handelt.<br />

Seine Aktionen und seine Erscheinung sind anschaulich.<br />

Er trägt das „Z“ für Zoar auf der Brust und reckt den Arm<br />

siegessicher nach oben. All das sind starke Symbole, die ohne<br />

viele Worte zu verstehen sind. In dieser Comic-Reihe ist der<br />

Superheld die Hauptperson. Er ist nicht nur stark, sondern<br />

auch klug; und er setzt sich für die Gemeinschaft ein.<br />

Alexandra Koch<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

79


Wir stellen vor<br />

Der Inklusionator wird von einem König in seine<br />

Burg gerufen, um über seine Fortschritte bei der<br />

Inklusion zu berichten. Er fliegt mit seinem<br />

Düsenjet in das Land des Königs, der seit Jahren<br />

im Rollstuhl sitzt, und freut sich auf eine nette<br />

Begegnung und interessante Gespräche mit ihm.<br />

Auf der Burg angekommen, wird der Inklusionator<br />

herzlich begrüßt und hereingebeten, um in der<br />

Burg die Nacht zu verbringen und um gemeinsam<br />

mit dem König zu speisen.<br />

80 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Wir stellen vor<br />

Nach dem ausgiebigen Abendessen und dem Gespräch liegt der König noch lange wach.<br />

Die Pfeife, sein kleines Laster, liegt neben ihm auf dem Nachttisch. Leider vergisst er, sie<br />

auszumachen. Es entsteht ein Brand mit Rauchentwicklung. Aber, zum Glück, ist ja der<br />

Superheld „Inklusionator“ in der Burg und schreitet, ohne zu zögern, zur Tat. Er nimmt den<br />

Feuerlöscher und löscht den Brand im Schlafgemach des Königs, womit er diesem das Leben<br />

rettet. Der König hätte sich aufgrund seiner Beeinträchtigung nicht selbst helfen können.<br />

Am nächsten Morgen bedankt sich der König herzlich beim Inklusionator.<br />

Er findet, dass der Inklusionator Fortschritte bei der Inklusion gemacht hat.<br />

Sie verabschieden sich und sind sich einig, dass Inklusion notwendig ist und<br />

immer weiterentwickelt werden muss.<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong><br />

81


Wir wünschen Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest<br />

mit diesem Gedicht von Rainer Maria Rilke.<br />

„Es treibt der Wind im Winterwalde<br />

die Flockenherde wie ein Hirt<br />

und manche Tanne ahnt wie balde<br />

sie fromm und lichterheilig wird.<br />

Und lauscht hinaus: den weißen Wegen<br />

streckt sie die Zweige hin – bereit<br />

und wehrt dem Wind und wächst entgegen<br />

der einen Nacht der Herrlichkeit.“<br />

Für das neue Jahr wünschen wir Ihnen alles erdenklich Gute,<br />

vor allem Gesundheit, Zuversicht, Wohlergehen und Gottes Segen.<br />

Die „Zoar-<strong>Magazin</strong>“-Redaktion<br />

82 Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong>


Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />

Im Mittelpunkt der Tätigkeiten des Evangelischen<br />

Diakoniewerks Zoar und seiner Tochtergesellschaften<br />

steht der hilfebedürftige Mensch.<br />

Zoar bietet ein breites Angebot in der Betreuung,<br />

Pflege, Förderung und Beschäftigung der Menschen,<br />

die Unterstützung brauchen, und ist somit auch ein<br />

bedeutender Arbeitgeber an den Standorten<br />

Alsenz, Alzey, Bad Kreuznach, Brücken, Heidesheim,<br />

Ingelheim, Kaiserslautern, Kirchheimbolanden, Kusel,<br />

Ludwigshafen, Mainz, Rockenhausen und Winnweiler.<br />

In Zeiten der institutionellen Geldknappheit und<br />

dünner Personaldecken im sozialen Bereich sollten<br />

Haupt- und Ehrenamtliche bei der Ideenfindung<br />

und -umsetzung nicht ständig an finanzielle Grenzen<br />

stoßen, wenn es darum geht, Menschen mit Beeinträchtigung<br />

zu fördern. Im Rahmen der begleitenden<br />

Assistenz können Spenden sinnvoll, vielfältig und<br />

nachhaltig eingesetzt werden.<br />

Auch Sie können dabei helfen. Helfen tut gut!<br />

Sprechen Sie uns an!<br />

Selbstverständlich sind Spenden und Mitgliedsbeiträge<br />

steuerlich absetzbar, da wir gemeinnützig sind.<br />

Es grüßen Sie herzlichst,<br />

Förderverein Zoar e.V.<br />

Ullrich Geib<br />

Monika Beyer<br />

1. Vorsitzender 2. Vorsitzende<br />

Porto<br />

bezahlt<br />

Empfänger<br />

Interessieren Sie sich für den Förderverein Zoar e.V.<br />

und/oder möchten Sie Mitglied werden?<br />

Füllen Sie einfach die Rückseite dieser Postkarte aus<br />

und schicken Sie sie an den Förderverein Zoar mit<br />

Sitz in Rockenhausen.<br />

Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung und werden<br />

uns zeitnah bei Ihnen melden.<br />

Herzlichen Dank im Voraus!<br />

Inkelthalerhof<br />

67806 Rockenhausen


Impressum<br />

Impressum<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

Herausgeber:<br />

Evangelisches Diakoniewerk Zoar<br />

Inkelthalerhof<br />

67806 Rockenhausen<br />

Verantwortlich:<br />

Martina Leib-Herr, Vorstand<br />

Redaktion:<br />

Alexandra Koch, Leiterin<br />

Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Marketing und Fundraising<br />

Layout und Satz:<br />

Andrea Adler & Alice Hubert<br />

hauptsache:design, Mainz<br />

Druck:<br />

Volkhardt Caruna Medien<br />

GmbH & Co. KG, Amorbach<br />

Auflage: 2.700<br />

Fotos:<br />

Alexandra Koch, Diana Aglamova, Zoar-Mitarbeiter,<br />

Foto: Hoffmann (Seite 3), Doris Büschel (Seite 11),<br />

Fotowerkstatt Patric Dressel (Seite 11, 71+73), Astrid Justen<br />

(Seite 4+17), Michael Schmitt (Seite 28-30 und 33+34),<br />

Reiner Voß (Seite 28), Helena Gomes Oester (41-43), Ursula<br />

Engelmann (Seite 52), lunisolar fotodesign: Friedhelm Rettig<br />

(Seite 62+64); stock.adobe.com: Strichfiguren.de (Seite 1),<br />

AlejandroIvanSuarez (Seite 1, 3+10), Alexander Raths<br />

(Seite 5), Belkin & Co (Seite 12-15), Maridav (Seite 12+13),<br />

Kunstzeug (Seite 12-13), Robert Leßmann (Seite 14),<br />

Satjawat (Seite 14- 15), Алина Бузунова (Seite 15),<br />

andrejco (Seite 17-20), dechevm (Seite 40), ink drop<br />

(Seite 45), fotogestoeber (Seite 46+48), Christian Solf<br />

(Seite 49), zinkevych (Seite 50), jro-grafik (Seite 62), Cmon<br />

(Seite 68), patpitchaya (Seite 70), vectorpocket (Seite 82),<br />

Spencer (Seite 83)<br />

Der Inhalt dieses Heftes wurde sorgfältig geprüft, aber<br />

dennoch übernimmt die Redaktion keine Haftung für die<br />

Richtigkeit aller Angaben.<br />

In dieser Publikation wird auf eine geschlechtsneutrale<br />

Schreibweise geachtet. Wo dies nicht möglich ist, wird<br />

zugunsten der besseren Lesbarkeit das ursprüngliche<br />

grammatische Geschlecht verwendet. Es wird hier ausdrücklich<br />

darauf hingewiesen, dass damit auch jeweils<br />

das andere Geschlecht angesprochen ist.<br />

Zoar in Kooperation mit<br />

lange haben Sie in diesem Jahr auf<br />

unser Zoar-<strong>Magazin</strong> warten müssen.<br />

Weil Corona bedingt alle Veranstaltungen<br />

ausgefallen sind, gab es auch<br />

weniger zu berichten. Dafür haben<br />

wir unsere monatlich erscheinende<br />

„Zoar aktuell“ mit mehr Inhalten<br />

noch attraktiver gemacht. Für viele<br />

war das Monatsheft in den Zeiten<br />

der Pandemie eine willkommene Lektüre.<br />

Seit diesem Jahr veröffentlichen wir<br />

das „Zoar aktuell“ auch digital auf<br />

unserer Internetseite.<br />

Nun aber noch einmal zum Zoar-<strong>Magazin</strong>.<br />

Wir freuen uns, dass Sie es jetzt vor<br />

Weihnachten in den Händen halten und<br />

vielleicht während der freien Tage darin<br />

schmökern können. Es gibt viele interessante<br />

Themen. Natürlich widmen wir unserem<br />

Umgang mit Corona in diesem Heft einen<br />

großen Seitenanteil. Uns allen hat das<br />

Corona-Virus in diesem Jahr viel abverlangt.<br />

Für alle war das eine große Herausforderung.<br />

Den umfänglichen Dank an alle Mitarbeiter<br />

formuliert Zoar-Direktorin Martina Leib-Herr<br />

in ihrem Vorwort am Anfang des Heftes.<br />

Getreu dem Motto „Wir halten Abstand,<br />

aber zusammen“.<br />

Im Jahr 2021 werden wieder<br />

zwei Zoar-<strong>Magazin</strong>e erscheinen –<br />

im Frühjahr und Herbst.<br />

Alexandra Koch<br />

Leiterin Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Marketing und Fundraising<br />

Zoar-Werkstätten sind nach<br />

folgenden Systemen zertifiziert:<br />

Zertifikat der Bundesagentur für<br />

Arbeit Mainz für erfolgreiche Inklusion<br />

Qualitätsmanagement DIN EN ISO 9001,<br />

Umweltmanagement DIN EN ISO 14001<br />

und nach AZAV (Akkreditierungs- und<br />

Zulassungsverordnung Arbeitsförderung)<br />

Zoar-<strong>Magazin</strong> 1 | <strong>2020</strong> 83


Unsere Ziele<br />

Der Förderverein Zoar e.V. hat sich sein<br />

Ziel in der Förderung und Unterstützung<br />

alter und beeinträchtigter Menschen gesetzt.<br />

Diese Menschen wohnen und/oder<br />

arbeiten in einer Einrichtung des Evangelischen<br />

Diakoniewerks Zoar oder werden<br />

von Zoar-Diensten ambulant betreut.<br />

Unsere Aktivitäten<br />

Werden Sie Mitglied<br />

im Förderverein Zoar.<br />

Der Mitgliedsbeitrag beträgt<br />

24,00, 60,00 oder 120,00 Euro jährlich.<br />

Ansprechpartner<br />

1. Vorsitzender Ullrich Geib<br />

2. Vorsitzende Monika Beyer<br />

• finanzielle Hilfen und unterstützende<br />

Angebote, die zur Verbesserung der<br />

individuellen Lebensqualität beitragen<br />

• Unterstützung bei der Anschaffung<br />

therapeutischen Materials<br />

• Unterstützung der Kinder der<br />

Zoar-Kindertagesstätte Heidesheim<br />

• Ermöglichung diverser Freizeitaktivitäten<br />

• Unterstützung des Stationären Hospizes<br />

Nordpfalz in Rockenhausen<br />

Förderverein Zoar e.V.<br />

Inkelthalerhof<br />

67806 Rockenhausen<br />

Telefon: 06361/452-288<br />

E-Mail: foerderverein@zoar.de<br />

Besuchen Sie uns im Internet unter:<br />

http://foerderverein.zoar.de<br />

Ich möchte helfen! Helfen tut gut!<br />

Ich möchte gern Mitglied im Förderverein Zoar e.V. werden.<br />

Name:<br />

Bitte lassen Sie mir einen<br />

Mitgliedsantrag zukommen.<br />

Vorname:<br />

per E-Mail<br />

per Post<br />

Straße:<br />

PLZ/Ort:<br />

E-Mail:<br />

Ich möchte (noch) kein Mitglied werden,<br />

interessiere mich aber für den Förderverein.<br />

Bitte lassen Sie mir regelmäßig<br />

Informationen aus dem Verein zukommen.<br />

per E-Mail<br />

per Post<br />

Ort, Datum:<br />

Unterschrift:


www.zoar.de<br />

Ingelheim<br />

Bad Kreuznach<br />

Waldgrehweiler<br />

Rockenhausen<br />

Kusel<br />

Winnweiler<br />

Brücken<br />

Kaiserslautern<br />

Alzey<br />

Alsenz<br />

Kirchheimbolanden<br />

Heidesheim<br />

Mainz<br />

Oppenheim<br />

Eisenberg<br />

Ludwigshafen<br />

Unsere Standorte in Rheinland-Pfalz

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