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[ke:onda] Stadt, Land, Vielfalt

Ausgabe 2/2020. Stadt oder Land? Ein unausweichlicher Widerspruch oder doch eigentlich alles gleich? Bedeutet Stadt gleich Betonwüste und Land gleich grüne Idylle? In dieser Ausgabe widmen wir uns einer Vielzahl an Lebensentwürfen und den sozialen und ökologischen Auswirkungen von Stadt und Land.

Ausgabe 2/2020. Stadt oder Land? Ein unausweichlicher Widerspruch oder doch eigentlich alles gleich? Bedeutet Stadt gleich Betonwüste und Land gleich grüne Idylle? In dieser Ausgabe widmen wir uns einer Vielzahl an Lebensentwürfen und den sozialen und ökologischen Auswirkungen von
Stadt und Land.

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Seite 8<br />

<strong>Stadt</strong>, <strong>Land</strong>, <strong>Vielfalt</strong><br />

Dezember 2020<br />

Leben im Ökodorf<br />

Jonas wohnt seit fast zwei Jahren im<br />

Ökodorf Sieben Linden.<br />

Das Gemeinschaftsprojekt einer sozial und<br />

ökologisch ausgerichteten Siedlung wurde<br />

1997 mit dem Ziel gegründet, nachhaltige<br />

Lebensstile zu verwirklichen. Im Interview<br />

erzählt uns Jonas über sein Leben im Ökodorf.<br />

Was hat dich motiviert ins Ökodorf zu<br />

ziehen?<br />

Ich habe mich schon immer für das Gemeinschaftsleben<br />

interessiert und das Dorf<br />

ist ja auch ein Modellprojekt. Jede*r hier<br />

produziert im Schnitt nur ein Drittel so viel<br />

CO2 wie der bundesdeutsche Durchschnitt,<br />

aber dennoch hat sich mein Lebensstandard<br />

im Grunde sogar verbessert. In der<br />

Gemeinschaft kann man halt vieles teilen<br />

und das klappt super, obwohl die Leute<br />

hier sehr unterschiedlich und vielfältig<br />

sind. Mit mittlerweile fast 150 Menschen<br />

die hier leben, ist die Gemeinschaft stabil<br />

und ein Leuchtturmprojekt mit fast 8000<br />

Gästeübernachtungen im Jahr. Es gibt<br />

Seminare oder Festivals, und ganz viele<br />

Menschen kommen hierhin und lassen sich<br />

inspirieren. Das macht viel Spaß.<br />

Und was macht für dich das Dorf so besonders<br />

im Vergleich zur <strong>Stadt</strong>?<br />

Sieben Linden liegt ja in der Altmark in<br />

Sachsen-Anhalt, das ist eine der am wenigs-<br />

ten besiedelten Regionen in Deutschland.<br />

Der Sternenhimmel ist dafür unglaublich,<br />

das habe ich vorher nur in Asien auf einer<br />

Insel mal erlebt. Es gibt einfach fast <strong>ke</strong>ine<br />

Lichtverschmutzung. Dennoch bin ich froh,<br />

wenn ich einmal pro Monat auch nach Berlin<br />

oder nach Bielefeld fahre um Freunde zu<br />

besuchen. Ich fahre dann immer zuerst mit<br />

meinem Fahrrad, denn die nächste Bushaltestelle<br />

ist 25 Fußminuten entfernt. Grade<br />

auf dem Rückweg ist das ist eine gute<br />

Strec<strong>ke</strong>, um nochmal bewusst zu mer<strong>ke</strong>n,<br />

dass man gerade die laute Welt verlässt.<br />

Ich weiß nicht ob das Leben hier<br />

unbedingt schöner ist, aber intensiver<br />

würde ich sagen.<br />

Musst du viel zu Fuß gehen?<br />

Ja, aber das ist auch sehr schön. Ich lebe<br />

ja in einem Bauwagen und wenn ich frühstüc<strong>ke</strong>n<br />

will, muss ich immer 5 bis 10 Minuten<br />

zum Haupthaus gehen. Da habe ich<br />

schon morgens frische Luft um die Nase.<br />

Wie sieht denn dein Alltag aus?<br />

Mein Alltag (lacht)! Also der sieht so aus,<br />

dass es <strong>ke</strong>inen richtigen Alltag gibt! In<br />

der letzten Zeit sieht es aber öfter so aus,<br />

dass ich morgens aufstehe, frühstüc<strong>ke</strong>, im<br />

Infobüro arbeite und dann vielleicht beim<br />

Schnippeldienst die Köche unterstütze. Ein<br />

anderer Tag kann aber auch so aussehen,<br />

dass ich die Fäkalienkompostanlage betreue<br />

oder mit dem Wald-Team den ganzen Tag<br />

im Wald bin und Bäume pflanze oder fälle<br />

und sie abtransportiere.<br />

Welches Gefühl bekommst du, wenn du in<br />

der <strong>Stadt</strong> bist?<br />

Also ehrlich gesagt bin ich meistens irritiert<br />

über die Lautstär<strong>ke</strong>, die Gerüche und<br />

die Hektik. Und dass man nicht in die<br />

Weite guc<strong>ke</strong>n kann. Wenn ich mit der S-<br />

oder U-Bahn fahre den<strong>ke</strong> ich auch immer,<br />

wie wahnsinnig viele Menschen irgendwo<br />

hinwollen, das ist unglaublich! Ich fahre<br />

wirklich gerne mit dem Zug, das stresst<br />

mich nicht, aber ich verstehe auch jede*n,<br />

der auf sein Handy guckt oder die Kopfhörer<br />

aufhat um sich selber von der Welt<br />

abzugrenzen.<br />

Hast du auch mal Sehnsucht nach der<br />

<strong>Stadt</strong>?<br />

Manchmal ist es mir auf dem <strong>Land</strong> schon<br />

zu still. Ich genieße auch mal den Trubel,<br />

wenn man abends mit Freund*innen ausgeht.<br />

Wenn ich bei uns ins Kino oder<br />

Restaurant möchte, muss ich immer erst 30-<br />

40 Minuten fahren. Und ich habe während<br />

des Studium irgendwie auch mein Herz an<br />

Bielefeld verloren. Das Stadion fehlt mir<br />

wahnsinnig! Trotzdem kann ich mir nicht<br />

mehr vorstellen in der <strong>Stadt</strong> zu leben. Ich<br />

meine, ich lebe im Bauwagen, ich gehe zum<br />

Pin<strong>ke</strong>ln nach draußen (lacht) und ich spüre<br />

einfach die Veränderung der Jahreszeiten.<br />

In der <strong>Stadt</strong> merkt man natürlich auch, dass<br />

die Tage kürzer werden und so, aber hier ist<br />

das irgendwie unmittelbarer.<br />

Freust du dich, wenn du zurückkommst<br />

und alles wieder ruhig ist?<br />

Tatsächlich verbinde ich mit “nach Hause<br />

kommen” nicht unbedingt, dass es wieder<br />

ruhiger wird. Es sind einfach sehr viele<br />

Leute da, die sich freuen, dass man wieder

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