Recht & Geld Herbst/Winter 2017
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UNTERNEHMENSNACHFOLGE<br />
Erbschaft- und<br />
Schenkungsteuer<br />
Frühzeitig den Generationswechsel im Unternehmen planen<br />
20<br />
Expertenrat<br />
Martin Siemer<br />
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater,<br />
Fachberater für Unternehmensnachfolge,<br />
Geschäftsführender Partner der Kanzlei<br />
SIEMER+PARTNER<br />
Nach Reformen<br />
fürchten viele Unternehmer<br />
ein böses<br />
Erwachen durch eine<br />
satte Erbschaft- oder<br />
Schenkungsteuer.<br />
Experten wissen:<br />
Unter bestimmten<br />
Umständen können<br />
insbesondere mittelständische<br />
und familiengeführte<br />
Unternehmen<br />
verschont<br />
bleiben. Wer die<br />
Nachfolge innerhalb<br />
des Unternehmens<br />
plant, ist gut beraten,<br />
sich frühzeitig über die<br />
spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten<br />
zu<br />
informieren.<br />
www.siemerundpartner.de<br />
Kaum ein steuerliches Reformvorhaben hat in<br />
den letzten Jahren in der breiten Öffentlichkeit<br />
für mehr Diskussionen gesorgt als die Reform<br />
der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Dies gilt insbesondere<br />
für mittelständische Unternehmer, die große<br />
Sorge hatten, dass bei einem Generationswechsel<br />
die Last der anfallenden Steuern nicht zu tragen<br />
sei oder gar das Interesse an einer Fortführung des<br />
Unternehmens verloren gehen könnte. Um zu klären,<br />
ob diese Sorgen berechtigt sind, ist ein Blick auf die<br />
geltenden Gesetze nötig.<br />
Zur Erinnerung: Zum 1. Januar 2009 war nach langer<br />
Vorbereitungszeit endlich das damals neue Erbschaft-<br />
und Schenkungsteuergesetz verabschiedet<br />
worden. Durch die neu geschaffenen Regelungen in<br />
den §§ 13 a und 13 b dieses Gesetzes - die sog. „Verschonungsregelungen“<br />
- war es nun möglich, auch<br />
große und damit wertvolle Unternehmungen fast<br />
oder sogar ganz steuerfrei auf die nächste Generation<br />
zu übertragen. Voraussetzung dafür war aber,<br />
dass die zum Übertragungszeitpunkt vorhandenen<br />
Arbeitsplätze grundsätzlich für bis zu sieben Jahren<br />
erhalten werden. Die Sicherstellung dieser Vorgabe<br />
erfolgt durch die jährliche Überprüfung der Lohnsummen<br />
des Unternehmens.<br />
►►<br />
Neuregelungen<br />
schüren Unsicherheiten<br />
Gegen diese Regelungen gab es schon bald<br />
Widerstand. Denn sie wurden von den Kritikern im Vergleich<br />
zu anderen Vermögensarten (z. B. Immobilien,<br />
Guthaben bei Kreditinstituten, Gold etc.) als zu unternehmerfreundlich<br />
angesehen. Verfassungsbeschwerde<br />
folgte. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2014 hat<br />
das Bundesverfassungsgericht diese Regelungen als<br />
nicht verfassungskonform bezeichnet, zwar seien Verschonungsregelungen<br />
zwingend notwendig, in diesem<br />
Ausmaß verstießen sie aber gegen das Grundgesetz.<br />
Gleichzeitig ist der Gesetzgeber angewiesen worden,<br />
bis Ende Juni 2016 eine Neuregelung zu schaffen. Für<br />
Unternehmer und Berater kam es somit zu einer neuen<br />
Zeit der Unsicherheit.<br />
Am 9. November 2016 sind dann, rückwirkend<br />
zum 1. Juli 2016, die Neuregelungen in Kraft getreten.<br />
Wichtige Themen sind: Beim sog. vereinfachten<br />
Ertragswertverfahren ist die Berechnung des Unternehmenswertes<br />
geändert worden, was tendenziell<br />
zu etwas niedrigeren Werten führt, insbesondere da<br />
der Kapitalisierungsfaktor, der zur Berechnung des<br />
Unternehmenswertes heranzuziehen ist, nunmehr<br />
mit 13,75 festgeschrieben ist. Allerdings ergeben<br />
sich dadurch weiterhin stolze Unternehmenswerte.<br />
Ein Beispiel: Erzielt ein mittelständischer Logistikunternehmer<br />
einen nachhaltig erzielbaren Jahresertrag<br />
von 300.000 Euro, so ist nach Auffassung des<br />
Gesetzgebers dieses Unternehmen 4,1 Millionen Euro<br />
wert! Der betroffene Unternehmer wird erstaunt sein:<br />
Möchte er dieses Unternehmen z. B. auf eines seiner<br />
Kinder übertragen, ergäbe sich bei einem Freibetrag<br />
von 400.000 Euro ein steuerpflichtiger Erwerb von<br />
3,7 Millionen Euro. Es fällt Schenkungsteuer in Höhe<br />
von mehreren Hunderttausend Euro an.<br />
►►<br />
Handlungsspielräume<br />
für Unternehmer<br />
Um dieses Ergebnis zu verhindern, gibt der Gesetzgeber<br />
Unternehmern und deren Beratern zwar<br />
komplexe, jedoch durchaus alltagstaugliche Möglichkeiten<br />
„an die Hand“. Neu eingeführt ist die<br />
Möglichkeit eines Vorababschlags von bis zu 30 %,<br />
wenn bestimmte für Familienunternehmen typische<br />
Beschränkungen bezüglich Ausschüttungen, Abfindungen<br />
o. ä. existieren. Zudem verbleibt es bei den<br />
o. g. Verschonungsregelungen.<br />
Die Regelungen bezüglich der Lohnsummen für<br />
kleine Unternehmen sind jedoch verschärft worden.<br />
Bislang waren Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten<br />
ausgenommen. Diese Möglichkeiten gelten<br />
jetzt bis zu einem Unternehmenswert von 26 Millionen<br />
Euro. Bei einem diesen Betrag übersteigenden<br />
Unternehmenswert hat der Nachfolger die Wahl<br />
zwischen dem sog. Abschmelz- oder Erlassmodell<br />
mit Verschonungsbedarfsprüfung. Während das Abschmelzmodell<br />
bei einem Unternehmenswert größer<br />
90 Millionen Euro zur vollen Steuerpflicht führt, ist die<br />
Steuerzahlung beim Erlassmodell abhängig von dem<br />
offenzulegenden Privatvermögen des Erwerbers. Im<br />
Erbfall kann die auf das begünstigte Betriebsvermögen<br />
entfallende Steuer bis zu sieben Jahre gestundet<br />
werden. Von diesen Gestaltungsmöglichkeiten kann<br />
der Unternehmer jedoch nur beim begünstigten (operativen)<br />
Betriebsvermögen profitieren, Verwaltungsvermögen<br />
ist nunmehr stets steuerpflichtig.<br />
Liebe Leser, auch wenn früher alles besser und einfacher<br />
war, so muss man sich jetzt den Herausforderungen<br />
durch die Neuregelungen stellen. Sollten<br />
Sie den Generationswechsel in Ihrem unternehmerischen<br />
Umfeld in absehbarer Zeit planen, sollten Sie<br />
sich – auch unter steuerlichen Aspekten – möglichst<br />
frühzeitig damit auseinandersetzen.