B2 Editorial COVERFOTO: SEBASTIAN SCHELS/OLAF UNVERZART Liebe Leserinnen und Leser, steht uns beim Thema Fassade ein Paradigmenwechsel bevor? Im Rahmen des Forschungsprojekts „Einfach Bauen“ erprobt die TU München derzeit mit drei Experimentalhäusern in Bad Aibling radikale Komplexitätsreduktion (<strong>Baumeister</strong> 12/20). Die Gebäude wurden jeweils monolithisch aus Massivholz, Porenbeton und hochwärmedämmendem Mauerwerk errichtet und sollen Aufschluss darüber liefern, ob solche stark vereinfachten Bauweisen eine Alternative zum hochtechnisierten Haus von heute darstellen könnten. Das neue Merkblatt 2032, das der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA jetzt zur grauen Energie herausgebracht hat, untermauert die Hypothese der Münchner Forscher. Die Publikation liefert Zahlen, die verdeutlichen: Je technisch komplexer eine Fassade ist, desto höher ist der Energieverbrauch bei Produktion, Transport, Montage und schließlich Entsorgung. So benötigt ein Fassadensystem als Außenwandverkleidung das mehr als 40-Fache an Primärenergie gegenüber einem simplen Verputz. Wer also nicht nur die direkten, sondern auch die indirekten Verbräuche in die Energiebilanz eines Gebäudes einbezieht, wird eventuell zu völlig anderen architektonischen Entscheidungen gelangen. Zukünftig wird es nicht mehr nur darum gehen, eine optimal dämmende Gebäudehülle zu entwerfen. Denn andere Faktoren können bei ganzheitlicher Betrachtung viele gutgemeinte Bemühungen zunichte machen. Das mussten die Architekten Haas Cook Zemmrich erfahren, die mit ihrem Lehmbau für Alnatura in Darmstadt eigentlich fast alles richtig gemacht haben (<strong>Baumeister</strong> 6/ 20). Dafür verwendeten sie Lehm, der vom Aushub von Stuttgart 21 stammte. Fraglos erschien es ihnen einfach sinnvoll und günstig, den bereits vorhandenen Aushub weiterzuwenden. Doch der Transportweg, den das Baumaterial zurücklegen musste, trübt die Energiebilanz ihres Gebäudes spürbar. Kurze Wege für Mensch und Material – auch darauf sollten Architekten immer achten. Lokal produzierte Baustoffe, Handwerker, die aus der Nachbarschaft kommen, und Bautechniken, die nicht das bautechnisch Machbare ausreizen – wäre es nicht schön, wenn auf diese Weise wieder regional klar unterscheidbare Baukulturen entstünden, jenseits aller Heimattümelei? Den direkten Gegenentwurf zu solchen Lowtech-Strategien bilden dagegen die Fassaden, die Sie in unserer Fotostrecke ab Seite 74 sehen können und von denen auch eine auf unserem Titel abgebildet ist: Sebastian Schels und Olaf Unverzart haben ihre Plattenkameras in die französischen Alpen mitgenommen und dort menschenleere Skiresorts im Sommer dokumentiert – futuristische Retortenstädte für den boomenden Winterurlaub aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, in Euphorie geplante Touristenburgen im abgelegenen Hochgebirge, gewappnet für den Massenansturm. Die inzwischen teils verwitterten Fassaden, meist aus Holz und Sichtbeton, erzählen von diesem euphorischen Traum von Skiferien in den Alpen, der für möglichst viele Gäste wahr werden sollte. Diese Euphorie ist lange verflogen. Längst wissen wir, welchen Schaden die Übertechnisierung unserer Umwelt zufügt – in den Alpen und anderswo. Zeit also, auch bei den Fassaden unserer Häuser Materialien und Konstruktionen auf den Prüfstand zu stellen! Fabian Peters f.peters@georg-media.de @der_baumeister @baumeister_architekturmagazin
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