Roth Journal_2021_03_01-24_red
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STEFAN-MORSCH-STIFTUNG<br />
Pioniere aus der Not heraus:<br />
35 Jahre Kampf gegen den Blutkrebs<br />
Stefan-Morsch-Stiftung, Deutschlands erste Stammzellspenderdatei feiert Jubiläum<br />
Vor 35 Jahren gründeten Hiltrud und Emil<br />
Morsch aus dem rheinland-pfälzischen<br />
Birkenfeld die Stefan-Morsch-Stiftung –<br />
mit dem Ziel, Menschen mit Blutkrebs<br />
eine echte Chance auf Überleben zu ermöglichen.<br />
Deutschlands erste Stammzellspenderdatei<br />
soll dabei helfen, einen<br />
geeigneten, nicht-verwandten Stammzellspender<br />
für Betroffene zu finden. Das<br />
Ehepaar verwirklichte damit den Traum<br />
ihres verstorbenen Sohnes Stefan – und<br />
schenkt vielen Erkrankten und ihren Familien<br />
damit neuen Mut und Hoffnung auf<br />
Leben.<br />
Anfang der 1980er Jahre erkrankt der damals<br />
16-jährige Stefan Morsch aus dem<br />
rheinland-pfälzischen Birkenfeld an Leukämie.<br />
Seine Schwester Susanne, heutige<br />
Vorstandsvorsitzende der Stiftung, war<br />
damals acht Jahre alt. Stefan benötigt eine<br />
Stammzelltransplantation, um überleben<br />
zu können – doch kein Familienmitglied<br />
kommt als Spender in Frage. Was heute<br />
fast selbstverständlich ist, war damals<br />
medizinisches Neuland: die Übertragung<br />
von Stammzellen eines nicht-verwandten<br />
Spenders. Es gab nichts, worauf die Familie<br />
ihre Hoffnung setzen konnte: „Aber<br />
meine Eltern haben niemals aufgegeben.<br />
In England fanden sie eine Spenderdatei<br />
und einen passenden Spender. Eine Klinik<br />
in Seattle war bereit, die Transplantation<br />
durchzuführen“, erzählt Susanne Morsch<br />
rückblickend. Die Kosten für die noch experimentelle<br />
Behandlung wurden von<br />
den Krankenkassen allerdings nicht übernommen<br />
und die Familie musste sie selbst<br />
tragen – ein herber Rückschlag für ihr<br />
Hoffen. Ein Geldspendenaufruf bewegte<br />
dann über den Hunsrück hinaus bundesund<br />
weltweit Menschen dazu, die Familie<br />
in ihrem verzweifelten Kampf um das<br />
Leben ihres Kindes zu unterstützen. „Ich<br />
erinnere mich an lange Schlangen vor den<br />
Banken. Kinder gaben alles, was in ihrem<br />
Sparschwein war. Das war unglaublich und<br />
für uns sehr bewegend“, beschreibt die<br />
heutige Vorstandsvorsitzende der Stiftung<br />
ihre Gefühle. Innerhalb kürzester Zeit kam<br />
genug Geld zusammen.<br />
Stefan Morsch war der erste Europäer,<br />
dessen Leukämie durch die Transplantation<br />
fremder Stammzellen<br />
geheilt wurde.<br />
Doch kurz vor der<br />
geplanten Heimreise<br />
verstirbt er an den<br />
Folgen einer Lungenentzündung.<br />
Aber ein<br />
besonderer Wunsch<br />
von ihm wirkt weit<br />
über seinen Tod hinaus:<br />
„Bei einem Interview<br />
vor laufender<br />
Kamera rang Stefan<br />
unserem Vater das<br />
Versprechen ab, dass<br />
sie gemeinsam eine<br />
Stammzellspenderdatei<br />
aufbauen, um<br />
anderen Betroffenen<br />
zu helfen. 1986 haben meine Eltern dieses<br />
Versprechen in die Tat umgesetzt und der<br />
Stiftung seinen Namen gegeben.“<br />
Bruno Zimmer, Vorstand und Susanne Morsch, Vorstandsvorsitzende Deutschlands<br />
erster Stammzellspenderdatei.<br />
Foto: Stefan-Morsch-Stiftung<br />
Was zunächst am Wohnzimmertisch der<br />
Familie Morsch beginnt, ist heute eine<br />
hocheffiziente und international vernetzte<br />
Datei. Jedes Jahr werden von hier aus<br />
rund 600 lebensrettende Spenderinnen<br />
und Spender für Betroffene weltweit gefunden<br />
und vermittelt. So können sich<br />
Menschen rund um den Globus gegenseitig<br />
helfen. Ein Meilenstein in der Geschichte<br />
ist die Eröffnung des eigenen Speziallabors,<br />
in dem Mitarbeiter seit 23 Jahren<br />
Blut- und Speichelproben möglicher Lebensretter<br />
auf die transplantationsrelevanten<br />
Merkmale hin analysieren. Auch<br />
ein internationales Suchzentrum, das im<br />
Auftrag von Kliniken seit rund 20 Jahren<br />
weltweit passende Spender sucht, ist an<br />
die Stiftung angeschlossen. Ein weiteres<br />
wichtiges Anliegen der gemeinnützigen<br />
Organisation ist, für Betroffene ein Ansprechpartner<br />
zu sein und sie persönlich<br />
in dieser schwierigen Zeit zu begleiten. Die<br />
Stiftung bietet auch Unterstützung, wenn<br />
Patienten durch die Erkrankung in finanzielle<br />
Not geraten sind. Das ist nur möglich<br />
durch Geldspenden, mit deren Hilfe ebenfalls<br />
die Kosten für die Neuregistrierungen<br />
von potenziellen Lebensrettern realisiert<br />
werden können. Außerdem fördert die<br />
Einrichtung regelmäßig Forschungsvorhaben,<br />
mit dem Ziel, die Behandlung von<br />
Leukämiepatienten nachhaltig zu verbessern.<br />
„Es war ein weiter Weg von unserem<br />
Wohnzimmer bis zu einer international<br />
anerkannten und vernetzten Einrichtung<br />
mit mehr als 70 Mitarbeiter. Ich denke,<br />
Stefan wäre stolz. Was sich in den 35 Jahren<br />
allerdings nicht geändert hat: Damals<br />
wie heute nehmen wir Leukämie persönlich.<br />
Wir haben die Menschen und ihre Situation<br />
im Blick. Unser Ziel ist es deshalb,<br />
für jeden Menschen mit Blutkrebs einen<br />
passenden Spender zu finden“, betont die<br />
Vorstandsvorsitzende.<br />
Wie kaum eine andere medizinische Therapie<br />
ist die Stammzelltransplantation<br />
auf Solidarität angewiesen. Denn ohne<br />
Menschen, die freiwillig und unentgeltlich<br />
Stammzellen spenden, etwa für Leukämiekranke,<br />
hätten allein in Deutschland jedes<br />
Jahr etwa 3.500 Menschen mit Leukämie<br />
keine Chance zu überleben. „Die Diagnose<br />
Blutkrebs ist für Betroffene und ihre<br />
Familien ein Alptraum. Pläne lösen sich<br />
plötzlich in Luft auf, der Alltag bricht zusammen<br />
und die Erkrankung breitet sich<br />
in alle Lebensbereiche aus. Dennoch gibt<br />
es heute Hoffnung: durch die Transplantation<br />
von Stammzellen eines sogenannten<br />
genetischen Zwillings, der die gleichen genetischen<br />
Gewebemerkmale hat, wie der<br />
Patient“, erklärt Susanne Morsch. Aktuell<br />
macht sich die gemeinnützige Organisa-<br />
4 <strong>03</strong> | <strong>2021</strong>