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Abrechenbare Arztzeit bleibt begrenzt, aber mehr Spielraum für ...

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BDI aktuell<br />

Gesundheitswesen Medizin<br />

Phantasien aus dem Ministerium<br />

Das Gesundheitsministerium<br />

kann die Einführung<br />

der „intelligenten“ elektronischenVersicherungskarte<br />

kaum noch erwarten.<br />

Mit Presseerklärungen<br />

und Aufforderungen<br />

zur Aktion werden die<br />

Teilnehmer seit einigen<br />

Monaten zugeschüttet. Im<br />

Ministerium will man eine<br />

Rationalisierungsreserve<br />

von einer Milliarde Euro<br />

pro Jahr ausgemacht haben,<br />

die die Einführungskosten<br />

sehr schnell hereinspielen<br />

würde.<br />

In erster Linie scheint es<br />

der Politik auf das elektronische<br />

Rezept anzukommen,<br />

weniger auf die Krankheitsoder<br />

Gesundheitsdaten der<br />

Patienten selbst, die nach<br />

und nach mit den neuen Karten<br />

aufgerufen werden sollen.<br />

Die Erwartung nennenswerter<br />

Ersparnisse scheint nicht<br />

völlig aus der Luft gegriffen.<br />

Mit der elektronischen Gesundheitskarte<br />

kommen auf die<br />

Arztpraxen offenbar Kosten<br />

<strong>für</strong> Hard- und Software zwischen<br />

3.000 und 4.000 Euro<br />

zu. Noch nicht inbegriffen sind<br />

die Aufwendungen <strong>für</strong> die neuen<br />

Verwaltungsvorgänge. Die<br />

Gesamtkosten <strong>für</strong> die Einführung<br />

der Chipkarte bezifferte<br />

der Müchener Chipkartenhersteller<br />

Giesecke & Devrient<br />

auf eine bis 1,7 Milliarden<br />

Euro.<br />

Klaus Theo Schröder, Staatssekretär<br />

im Gesundheitsministerium,<br />

hat die Einführung der<br />

Gesundheitskarte zum Anfang<br />

2005 angekündigt. Dann seien<br />

erste Großversuche mit der<br />

Karte vorgesehen, auf der<br />

zunächst Notfalldaten und Rezepte<br />

gespeichert werden<br />

18 BDI aktuell 05-2004<br />

Elektronische Versichertenkarte – das<br />

Ende der Polypragmasie?<br />

Jeder Vertragsarzt kennt seit<br />

Jahrzehnten das Notfalldienst-Ritual:<br />

Ist ihm der Patient<br />

nicht bekannt, so fordert<br />

er die Angehörigen auf,<br />

alle Medikamentenschachteln<br />

des Kranken auf den<br />

Tisch zu legen. Bei der älteren<br />

Generation wird häufig<br />

eine zweistellige Anzahl präsentiert.<br />

Es folgt die Anschlussfrage:<br />

„Welche Tabletten<br />

nehmen Sie tatsächlich?“<br />

Darauf pflegt eine Sortierung<br />

im Verhältnis 1:2 bis<br />

1:5 der genommenen zu den<br />

vorhandenen Präparaten zu<br />

folgen. Subsumiert man einen<br />

Realitätsbezug <strong>für</strong> die<br />

jährlich gemeldeten Tonnen<br />

von nicht genutzt beseitigten<br />

Arzneimitteln, so hätte<br />

die elektronische Karte einen<br />

sehr langen Hebel in<br />

Richtung Ausgabenwirkung.<br />

In der Regel springt die Politik<br />

zu kurz 1 . Das ist auch<br />

hier <strong>für</strong> die elektronische<br />

Gesundheitskarte zu erwar-<br />

ten. Schafften die Ministerialen<br />

<strong>aber</strong> den erfolgreichen<br />

Dreisprung, so wäre die Karte<br />

in der Lage, das Datum<br />

der Verschreibung einer Packung,<br />

die tägliche Einnahmevorschrift<br />

und den vorhandenen<br />

Soll-Bestand auszuweisen.<br />

Folgerezepturen<br />

auf Vorrat und <strong>für</strong> gute Bekannte<br />

bis hinter den Ural<br />

fielen dann dem Piepton des<br />

Computers zum Opfer. Des<br />

Weiteren könnten ähnliche<br />

Substanzen, die ein Patient<br />

erhält, markiert oder Inkompabilitäten<br />

sichtbar gemacht<br />

werden.<br />

Ein gesundheitspolitisch-fiskalischer<br />

Maßschuh würde<br />

aus der Konstellation in Verbindung<br />

mit dem jüngsten<br />

Urteil des Bundesgerichtshofes.<br />

Dieser hat die Vertragsärzte<br />

als mit öffentlich<br />

rechtlicher Rechtsmacht beliehene<br />

Verwaltungsträger<br />

der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

bezeichnet und<br />

Gesundheitswesen Medizin<br />

Neue elektronische Gesundheitskarte<br />

ihnen eine Betreuungspflicht<br />

gegenüber dem Vermögen<br />

der Krankenkassen zugeschrieben<br />

(BGH, Az.: 4 StR<br />

239/03). Eine gedankenlose<br />

oder redundante Verschreibung<br />

würde de iure in Richtung<br />

Untreue gedeutet werden<br />

können.<br />

Obschon die meisten Ärzte<br />

nur das Notwendige<br />

verordnen, ist nicht zu verkennen,<br />

dass Jahr <strong>für</strong> Jahr<br />

Tonnen ungenutzter Tablettenschachteln<br />

über die<br />

Tresen der Offizine gereicht<br />

werden. Beim ministerial<br />

taxierten Sparpotential<br />

von 1 Milliarde<br />

Euro könnte sich womöglich<br />

eine Überraschung<br />

ergeben – nach oben.<br />

(BY)<br />

1 Teures Beispiel: Die heutige<br />

Krankenversicherungskarte<br />

wurde 1994 ohne Lichtbild<br />

eingeführt. Ihre ausführliche<br />

Fremdbenutzbarkeit dürfte alle<br />

Rationalisierungseffekte <strong>mehr</strong><br />

als neutralisiert haben.<br />

Pro Arztpraxis Kosten bis zu 4.000 Euro?<br />

könnten. Es bleibe bei dem –<br />

von den Kassen bezweifelten<br />

– gesetzlichen Starttermin<br />

2006 <strong>für</strong> alle Versicherten.<br />

Auf dem Krankenkassentag<br />

am 18. März 2004 beruhigte<br />

die Ministerin die Krankenkassen<br />

wie folgt: „Wir haben<br />

durch eine Änderung des<br />

Kontenrahmens flankierende<br />

Hilfen gegeben, damit zum<br />

Beispiel die notwendigen Investitionen<br />

in die Einführung<br />

der elektronischen Gesundheitskarte<br />

nicht als (gedeckelte<br />

– Red.) Verwaltungskosten<br />

angesehen werden.“<br />

Sie wisse, so Frau Schmidt,<br />

dass besseres und qualifiziertes<br />

Management nicht zum<br />

Nulltarif zu haben sei.<br />

(facharzt.de)<br />

Kommentar<br />

Im Jahr 1994 wurde zur Einführung<br />

der heute in Gebrauch<br />

befindlichen Chipkarte die<br />

Hardware der Arztpraxen (Lesegeräte<br />

und Nadeldrucker)<br />

von den Krankenkassen ge-<br />

zahlt. Ministerin Schmidt wird<br />

zur Kenntnis nehmen müssen,<br />

dass nicht nur die Kassen, sondern<br />

auch die Ärzte im Jahr<br />

2005 zum Nulltarif nichts beitragen<br />

werden.<br />

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(BY)

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